Vom Glück ein Baum zu sein

By:
Vom Glück ein Baum zu sein

An einem sonnigen Samstagmorgen im Monat Mai zog es mich, wie so oft, in den Stadtpark. Der Frühling hatte nach einem langen und kalten Winter endlich Einzug gehalten und alles zu neuem Leben erweckt, was viele Monate in tiefem Schlummer gefangen war. Die Welt blühte auf. Rosen, Nelken, Stiefmütterchen und Vergissmeinnicht streckten ihre zarten Blütenkelche sehnsuchtsvoll der Sonne entgegen, umschwärmt von eifrigen Bienen und farbenfrohen Schmetterlingen, die sich kurz auf deren prächtigen Blüten niederließen, um im nächsten Augenblick weiter zu eilen. In den Bäumen sangen die Vögel mit solch einer Inbrunst, als würden sie das Leben selbst in den schillerndsten Tönen preisen, allen voran der Amselmann, dessen Gesang sich bis hoch hinauf zum Himmelszelt erhob und vom sanften Frühlingswind in weite Ferne getragen wurde.

 

Zu dieser frühen Stunde war der Park menschenleer. Die Meisten lagen noch in ihren Betten und entspannten sich von einer anstrengenden Arbeitswoche oder von einer bis in die Morgenstunden durchgefeierten Freitagnacht. Ich hatte, bis auf wenige Spaziergänger, die ihre Hunde ausführten, den Park also für mich allein, und genoss die Stille, die darin ruhte und nur vom lieblichen Gesang der kleinen Vögel unterbrochen wurde. Vor allem das Lied der Amsel stahl sich in mein Herz und ich gab mich ihrer paradiesischen Weise hin, während ich auf der Bank vor meinem Lieblingsbaum, einer alten Eiche, die ich seit meinem Umzug in diese Stadt sehr oft besuchte, Platz genommen hatte und mir die Sonne, die von einem blauen, wolkenlosen Himmel herunter strahlte und die Welt um mich herum in ihr wärmendes Licht tauchte, auf den Kopf scheinen ließ. Die Blätter der Eiche raschelten leise in der leichten Brise, und es war mir fast so, als würde der Baum zu mir sprechen, mir auf diesem Wege mitteilen wollen, was seine Baumseele bewegt. Das Rascheln der Blätter verband sich mit dem Gesang der Vögel zu einer harmonischen, wohlklingenden Musik, die mich mehr und mehr in den Schlaf wiegte, so dass ich schließlich meine Augen schloss und mich mit jedem Atemzug immer tiefer in eine andere Wirklichkeit treiben ließ…


Posts and Comments
To ensure optimal functioning, our website uses cookies. By using the website you agree to the use of cookies. More info
OK
Top of page
No Thumbnail Remove Please choose a reason Please enter the place in the book. en en_US