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Zwei Freunde wollen in die Welt hinaus

»Ich meine, willst du den Rest deines Lebens hier verbringen, Bolkrum?«, fragte der Goblin.

»Aber, Gystrix, wo willst du denn hin?«, fragte der große Ork.

»Einfach nur weg von hier. Ich meine, glaubst du ich möchte den Rest meines Lebens als Ladengehilfe den Besen schwingen? Und was ist mit dir? Was machst du aus deinem Leben?«

»Ich bin gerne Holzfäller. Es macht mir Spaß und es ist eines der wenigen Dinge die ich wirklich kann.«

»Pah! Hutzgryk wäre schon längst von hier abgehauen und hätte die Welt bereist, das Böse bekämpft und die Schwachen beschützt.«

Der Ork schüttelte nur traurig mit dem Kopf. »Du hattest schon immer eine blühende Fantasie. Hutzgryk der legendäre Dieb ist nichts weiter als eine erfundene Figur aus einem Buch. Du kannst ihm doch nicht allen Ernstes nacheifern wollen?«

»Warum nicht?! Und wen würdest du lieber als Vorbild nehmen? Tzoumth der orkische Minenarbeiter der mit seinen beiden magischen Spitzhacken die Golemarmee unter Tage im Alleingang auseinandernimmt?«

»Hey! Du kennst die Regeln! Ich greife dein Idol nicht an und du meines nicht! Ich liebe eben die Geschichten von Tzoumth und im Gegensatz zu denen über Hutzgryk sind sie wahr.«

»Sind sie nicht! Die historische Beweislast der Geschichten ist mehr als dünn.«

Während die beiden Freunde sich stritten, bewege eine orkische Schönheit sich mit zielsicherer Eleganz durch die lautgrölende Menge der Taverne auf den Tisch unserer beiden Alltagshelden zu, wobei sie ein Tablett mit zwei Getränken darauf trug. Es war Burthilds, die Dorfschönheit.

Gystrix war schon seit frühester Jugend in sie vernarrt, doch die bildschöne Orkdame mit dem drallen Dekolleté und den unwiderstehlichen Hauern hatte nur Augen für Bolkrum, was sie ihm auch zu verstehen versuchte als sie sich hüftenschwingend direkt neben ihn stellte und mit ihrer freien Hand die Haare die ihr im grünen Gesicht mit den scharfgeschnittenen Kanten lagen mit einer sinnlichen Handbewegung nach hinten warf.

»Hier sind eure Getränke, Jungs.« Sie stellte den Madenlikör für den Goblin und das Kiesbier für den anderen Ork auf den Tisch und spielte danach verführerisch mit einer ihrer pechschwarzen Haarsträhnen. »Sag mal, Bolkrum«, sagte sie mit leichter Nervosität, »gehst du eigentlich auch zum Frühlingsfest?«

»Nein, dieses Jahr nicht. Ich habe meiner kleinen Schwester versprochen mit ihr auf die Mondsichellichtung zu gehen um dort den Paarungstanz der Glühwürmchen zu beobachten«, gab der sanfte Riese zu Protokoll.

Unterdessen hatte sich der pickelige Goblin vom prallen, knackigen Hintern der Orkin losgesagt, als er seine Chance sah. »Hey, … Burthilds«, begann er mit heftigem Herzklopfen und nervösen Schweißausbrüchen. »nun ja ich … also wir … wir könnten gemeinsam … zum Frühlingsfest gehen. … Natürlich nur wenn du willst … versteht sich… Wie wärʼs?« Das Herz des kleinen Ladengehilfen setzte aus als er gespannt auf die Reaktion der Bedienung wartete.

Burthilds machte nur eine verächtliche Grimasse und rauschte angewidert davon zurück in die gutgelaunte Menge die weiterhin unbeeindruckt trank und grölte.

Lässig lehnte sich Gystrix zurück, um seine Nervosität von eben sowie sein nun blutendes Herz zu überspielen, und meinte im lockeren Tonfall. »Sie steht total auf mich.« Dann jedoch schüttelte er seine Coolness ab und konzentrierte sich wieder auf das eigentliche Thema. »Aber genau das meine ich doch. Frühlingsfest? Komm schon! Soll das unser Leben sein, Bolkrum? Jedes Jahr hacken wir Holz, fegen den Laden aus und gehen zu den Jahreszeitenfesten. Möchtest du nicht einmal in deinem Leben wissen, was hinter den Bergen liegt?«

Der Ork setzte sein Kiesbier ab, um zu antworten. Der dunkle Schaum tropfte dabei von seinen mächtigen Hauern die schwarzen Lippen hinab, ehe er seinen Mund mit dem Handrücken abwischte. »Du weißt, dass du mein bester Freund bist, seit wir unserem Buchclub gegründet haben, aber jeder weiß doch was hinter den Bergen liegt. Dort befindet sich die Hauptstadt unserer Insel. Außerdem klingt es bei dir ja fast so als wäre es hier in unserem kleinen Dorf mit seinen leisen Bächen und tiefen Wäldern öde. Aber seit ich dich nun kenne, wird es hier nie langweilig. Du weißt, dass alle dich für einen Spinner halten und wir beide wissen wie viele Katastrophen du zu verantworten hast. Erinnerst du dich noch daran wie du mitten im Sommer den Laden eingefroren hast, einfach weil du es mit dem Spiel „Yeti-Jagen“ übertrieben hast?«

Gystrix antwortete gar nicht erst auf diese Frage. Er hatte es nämlich nicht aber auch gar nicht mit dem Spiel übertrieben, sondern der imaginäre Yeti, aber das war für den Moment nicht wichtig.

»Du verstehst es nicht, oder? Man, ich bin zu Größerem berufen als den Rest meines Lebens im Laden meines alten Herrn den Besen zu schwingen. Ich werde hinaus in die Welt ziehen und dann werde ich eines Tages als welterfahrener Goblin der in der Weite sein Glück gemacht hat ins Dorf zurückkehren und dann werde ich Burthilds meine Gefühle gestehen und sie heiraten. Verstanden?! Ich werde sie von mir überzeugen und beweisen was in mir steckt. Okay?! Haben wir uns verstanden?!« Es fiel dem pickligen Goblin schwer über seine Gefühle zu reden, da er ihretwegen meist belächelt wurde wodurch ihn nun seine eigenen sentimentalen Momente schnell mal in Rage brachten. Es fühlte sich einfach nur ungewohnt an, also spülte Gystrix das unangenehme Bauchgefühl mit seinem Madenlikör hinunter, welchem er in einem Zug leerte.

»Aber was ist, wenn du drauf gehst? Dort draußen gibt es Golems!«

Der kleinere von beiden winkte genervt ab. Dieses Thema hatten sie schon hundert Mal. »Golems sind eine Erfindung der Schriftsteller. Es gibt sie nicht.«

»Selbst wenn nicht, dort draußen lauern auch noch Räuber, wilde Feen, Riesen und Wölfe. Unzählige Gefahren und du selbst kannst noch nicht einmal richtig kämpfen. Ich könnte es nicht verkraften, wenn du dort draußen ganz alleine sterben würdest, Gystrix.«

Der pickelige Goblin sah seinen Orkfreund mit entschlossenem Blick an. »Meine Entscheidung steht. Nach dem Frühlingsfest ziehe ich hinaus in die weite Welt.«

»Warte, warte.« Der Ork seufzte und rieb sich nachdenklich den Nacken. »Ich mache dir einen Vorschlag. Nach dem Frühlingsfest ziehen wir gemeinsam los und nach einem Jahr kehren wir zurück. Somit sammelst du schon einmal Erfahrung und kannst es dir nach unserem Trip noch einmal gründlich überlegen.«

Gystrixs Augen zuckten nachdenklich hin und her. Er betrachtete diese Idee von sämtlichen Seiten. Es hatte etwas für sich mit seinem besten Freund zu reisen statt allein. »Abgemacht. Aber wo wollen wir lang?«

»Wir gehen an der Küste entlang und dann über die Berge. Einmal einen großen Bogen um die halbe Insel und in einem Jahr sind wir wieder hier und du kannst dich auf die richtige Reise vorbereiten.«

»Darauf stoßen wir. Hey, Burthilds! Noch mal dasselbe!« Als die nächsten Gläser auf dem Tisch standen und die Bedienung wieder vom Goblin angewidert davon gerauscht war, was selbstverständlich nicht vonstattenging ohne dem gutgebauten Holzfäller schmachtende Blicke hinterherzuwerfen, hoben die beiden Freunde ihre Getränke zu einem Tost.

»Du wirst schon sehen. In einem Jahr werde ich Burthilds Herz erobert haben!«

»Auf eine spannende und wie ich hoffe ungefährliche Reise.«

Wie aus einem Munde stießen sie an und riefen: »Auf den Trip.«


Während die beiden Alltagshelden sich auf ihre beschwerliche Reise vorbereiten, ahnte noch niemand wie der Wind sich drehte und aus dem Westen kam. Sie kamen immer auf den Schwingen des Westwinds.

Es gab nur wenige Seebären die die geflüsterten Gerüchte kannten. Für die meisten war diese bösartige Macht nichts anderes als ein gestörtes Ammenmärchen. Zu abscheulich und grotesk waren die Geschichten die man sich über jene Kreaturen erzählte.

Man sagte sie kämen mit dem Westwind um das Land zu erobern, dabei war es völlig egal wer oder was dort lebte. Sie kamen und zerstörten es nur um dann ihre perverse Ordnung auf den Trümmern zu errichten, von der sie selbst behaupteten sie sei perfekt. Die Überlebenden wurden zu geistig abstumpfender Arbeit gezwungen und es war ihnen nicht mehr vergönnt ihr Leben nach ihren eigenen Ansichten und Bräuchen zu führen.

Und der Name dieser Rasse – dieser gefürchteten Macht die alles eroberte und bürokratisierte – war Mensch. Sobald der Wind sich drehte gingen die Menschen auf dieser sonst so friedlichen Insel vor Anker.


The End

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Publication Date: 10-23-2014

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