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Es ist nicht leicht ein (Super-)Held zu sein

Die Sonne ging über den hohen Wolkenkratzern von Rʼlyeh-City auf. Ihre goldenen Strahlen brachen sich an den Umrissen der dunklen metallischen Riesen die mit ihren Spitzen nach dem Himmel strebten. Doch niemand sah den kleinen dunklen Punkt auf der höchsten Spitze des höchsten Gebäudes, dessen nebelhafter schwarzer Schleier sich beharrlich gegen den grauenden Morgen sträubte.

Auf der Spitze stand ein junger Mann in Schatten gehüllt mit verquollenen Augen. Obwohl dies einer der schönsten Sonnenaufgänge seines Lebens war, konnte er sein schwermütiges Herz nicht erfreuen. Niemand wollte ihn als Superheld haben und so sah er keinen anderen Ausweg als den Freitod.

Mit weitausgebreiteten Armen ließ er sich nach hinten fallen und sah wie sich die Spitze des Hochhauses rasend schnell entfernte.

Während der Wind um ihn herum heulte und die künstliche Finsternis der Stadt ihn verschlang, drang an seine Ohren eine Stimme aus der Vergangenheit, die durch ihre Naivität all dies ausgelöst hatte indem sie – wie jetzt scheinbar auch – die magischen Worte sprach um das namenlose Wesen aus der anderen Sphäre zu rufen…

 

Gerade hatte Howard seine Formel beendet, als er gespannt auf das Pentagramm starrte.

Schon seit Monaten versuchte er eine Wesenheit heraufzubeschwören, damit jene seinen größten Wunsch erfüllen könnte. Er wollte Super-Kräfte haben, ebenso wie Hellboy, Green Lantern und all die anderen. Doch bisher waren all seine Anbetungen zu jeder Gottheit unbemerkt geblieben, oder aber es hat einfach niemanden interessiert.

Howard war es leid all die Ungerechtigkeit auf der Welt mit anzusehen und so wollte er alles, selbst wenn es nötig sein sollte seine eigene Seele, opfern um der Welt wenigstens einen Funken der Hoffnung zu geben. All diese Comic-Helden schafften es in ihren Geschichten doch auch, also warum sollte es nicht im echten Leben funktionieren?

Jedoch waren die anfänglichen Versuche fruchtlos geblieben. Vom Stich eines (vermutlich) radioaktiven Moskitos bis hin zum Besinnen auf die latenten Kräfte des Menschen wie Telekinese war noch jeder Plan gescheitert. Doch der junge Nerd gab nicht auf.

Durch einen puren Zufall jedoch war ihm im Internet eine Formel in die Hände gefallen, durch welche man angeblich die namenlose Wesenheit der Leere heraufbeschwören konnte. Laut dem Forum soll dieses Ritual einst vom Autoren H. P. Lovecraft wiederentdeckt worden sein und aus einer Seite des Necronomicon stammen.

Teufel, Satan, Mephistophelisch all dies waren angeblich nichts weiter als kleine Splitter von etwas das weitausgrößer war als die Menschen und um so vieles gewaltiger dass der menschliche Verstand es nicht einmal im Ansatz erfassen konnte ohne dem Wahnsinn anheimzufallen.

Howard jedoch wagte es im Namen der Menschheit und im Bestreben nach dem Guten. Über etwaige Konsequenzen seines Handels hatte er sich jedoch keine Gedanken gemacht, da er aus Comics wusste dass ein Superheld am Ende immer gewann. Sollte sich die Kreatur jedoch gegen ihn wenden, würde er ihre eigenen Kräfte gegen sie richten und wegen der Reinheit seines Herzens den Sieg davontragen.

Immer noch starrte Howard gespannt auf das pentagrammartige Gebilde welches mit einfachen Worten nicht zu beschreiben war. Der Nerd hatte es einfach nur detailgetreu abgezeichnet ohne zu wissen, was er da überhaupt tat. Noch immer starrte Howard auf die mit Kreide aufgemalte Zeichnung ohne etwas darin zu erkennen.

Gerade als er sich enttäuscht abwandte bemerkte er, dass sich der staubige Dachboden welcher sein Zimmer darstellte verändert hatte. Das Eigenartige jedoch war, dass es immer noch gleich aussah und doch vollkommen anders. Es schien als wäre der Teenager selbst wie einige Künstler dem Wahnsinn anheimgefallen. Entweder das oder er war einfach nur auf einem verdammt guten Trip. Wie sonst konnte die Dunkelheit derart finster und fast stofflich sein, während die Comichefte des Jungen anfingen unter grauenhaftem Kreischen zu schmelzen und ihre bunten Lachen sich gegenseitig anfauchten und knurrten wie tollwütige Hunde. Das klapprige Bettgestell des Nerds verlor unterdes seine dritte Dimension. Der Boden wurde weich und schwammig obwohl das Holz zwar noch knarzend und stabil war. Unterdessen schien das Fenster keine Öffnung mehr zu sein sondern sich eher für die Aufgabe eines Tempels ohne Formen umentschieden zu haben.

Was ist dein Begehr, Sterblicher?!, fragte eine Stimme im Kopfe des Jungen der vor Angst fast wie erstarrt war.

»I-ich … ich …« Howard versagte die Stimme.

Wird das heute noch was? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit … Wobei … Eigentlich schon. Aber mach hinne, gleich kommt wieder eine langweilige Reality-TV-Show. Die darf ich auf keinen Fall verpassen!

Howard nahm all seinen Mut zusammen. »Ich will ein Superheld werden!«, schrie er mit fester Stimme und geschlossenen Augen.

Was willst du?, fragte die Stimme verdutzt.

»Nun ja. Ich will ein Superheld werden.«

Ernsthaft?

»Ja«, gab Howard unumwunden zu. »Schon.«

Das darf ja wohl nicht wahr sein!, scholl es ohrenbetäubend im Kopfe des Nerds. Da werde ich zum ersten Mal seit Jahrhunderten beschworen, nur weil irgend so ein Hosenscheißer Strumpfhosen tragen will, weil er nicht den Mut aufbringen kann um sich selber zu outen.

»Moment mal!«, protestierte der Junge. »Ich will gegen das Böse kämpfen. Also … äh … nicht gegen dich persönlich, aber … du weißt schon … das andere Böse … öhm … das kleine eben. Die Light-Version von dir.«

Eine Weile herrschte Stille und selbst die Comicbücher waren ruhig.

Okay. Ich mache dir einen Vorschlag. Du gehst mit mir einen Pakt ein und ich gebe dir einen Funken meiner Macht. Was hältst du davon? Ich brauche bloß eine Kleinigkeit von dir.

»Meine Seele?«

Was soll ich denn damit? Nein, nein. Ich will nur die Rechte an deiner Geschichte.

»Was?«, jetzt war Howard der Verdutzte.

Irgendwie hatte er sich dieses Gespräch ganz anders vorgestellt. Mehr in die Richtung dass das Böse wollte, dass er üble Dinge in seinem Namen tat. Dass es seine Seele einforderte und dass er selbst sich auf eine Reise begeben würde um sie dann wieder zurückzuerobern, so wie es immer in den Filmen und anderen Dingen im Leben war.

Du weißt schon. Die Filmrechte, Rechte an Büchern, Videospielen, Comics etc. pp.

»Mehr nicht?«, fragte Howard

Mehr nicht, bestätigte die Wesenheit.

»Okaaaaay. Ich bin einverstanden … glaube ich.« Auf einmal war sich der Junge gar nicht mehr so sicher, was er von der ganzen Sache halten sollte. Vielleicht war das Böse ja doch nicht so schlecht wie immer alle behaupteten. Möglicherweise war es doch ganz nett.

In Ordnung. Unterschreibe bitte einmal hier. Vor Howard tauchte aus dem Nichts der Dunkelheit eine Rolle vergilbten Pergaments auf. Die Zeichen konnte er zwar nicht lesen, jedoch konnte er sich vorstellen, dass dies ein Standartvertrag war, welcher jeder Rockstar unterschreiben musste. Also war es für einen zukünftigen Superhelden ein Klacks seinen Namen darunter zu setzen. Natürlich (ebenso wie in der Musikbranche) ohne sich den bindenden Kontrakt auch nur ein einziges Mal durchzulesen.

Als Howard fertig war, löste sich der Vertrag in schwarzen Rauch auf, der auf ihn zuraste und sich in seinen Körper einnistete. Verblüfft sah der Junge auf seine Arme die vom Rauch umgeben waren und die Luft zum Flirren brachte.

Ausgezeichnet. Ich gebe dir hiermit feierlich die Macht über den Finsterrauch. Eine große Kraft auf der großer Spaß folgt, wenn du verstehst was ich meine. Du musst mich jetzt leider entschuldigen, da ich noch viel zu tun habe.

Damit verließ die doch recht freundliche Wesenheit das Zimmer, sofern sie es jemals betreten hatte und hinterließ es genauso wie es einmal war.

Es dauerte ganze fünf Minuten bis Howard damit aufhörte auf seine schwarzrauchenden Hände zu starren und mit einem heiseren Schrei einen Luftsprung vollführte in welchem er mit der Faust winkte.

 

Es dauerte einige Zeit bis Howard einen coolen Heldennamen für sich gefunden hatte. Ihm war zwar einer eingefallen, aber dieser war mehr als einfallslos und dämlich. Denn zu Anfang hatte er für den Ernstfall geübt und das sah ungefähr so aus: »Hey, lass die Handtasche fallen!«

Eine kleine Pause trat ein, damit der unsichtbare Räuber auch mal zu Wort kam.

»Wer ich bin? Ich bin BATMAN!!!« Howard hielt sich prustend die Hand vor dem Mund. »Nein, das geht so nicht. Jetzt aber mal ernsthaft. Noch mal von vorn: Wer ich bin? Ich bin BATMAN!!! Verdammt warum ist das so schwer?! Ich meine, … *stöhn* okay. Ich bin Batman, sie ist Batman, wir alle sind Batman.«

Nachdem er seinem leichten Anfall von euphorischem Irrsinn Luft gemacht hatte, rieb sich Howard nachdenklich den Unterkiefer. »Verdammt, es muss etwas cooles sein. Etwas mystisches, vielleicht? Ach, man! Ich werde nie einen passenden Namen finden.«

Frustriert glitt Howards Blick über seine kleine Büchersammlung die einen chaotischen Berg auf dem Boden darstellte und gleich im Anschluss glitt seine Aufmerksamkeit nach oben zu seiner gut einsortierten DVD-Sammlung. Dabei blieben zwei Dinge in seinem Kopf haften. Einmal das Werk >Das Ding auf der Schwelle< und einmal der bisher einzige Film des Comic-Zeichners Frank Miller >The Spirit

Jetzt musste Howard nur noch das passende Outfit finden. Wie von Zauberhand befand sich etwas Passendes im Pentagramm in welchem der Nerd noch vor einer halben Stunde die Wesenheit heraufbeschworen hatte. Es war zwar kein Cape mit Strumpfhose und schön bunter Unterhose, aber irgendwie war das auch nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen hatte man dem Nerd etwas eher Untergroundmäßiges gegeben. Schwarze Kapuzen-Jacke aus einfachem Stoff mit einem dunkelgrauen T-Shirt. Eine zerschlissene Jeans mit mehr Löchern als Stoff und ausgelatschte Turnschuhe in einem Gemisch aus schwarz und hellgrau. Für die Demaskierung musste zuerst einmal ein einfaches Halstuch mit weißen Tribalen darauf ausreichen, aber immer noch besser als nichts. Auffällig war vor allem das hinten auf der Jacke ein großes A in weißer Schrift prangte mit dem Schriftzug Arkham-Spirit darunter. Natürlich ebenfalls in Weiß.

Enttäuscht dass es wieder nicht so lief wie ursprünglich gedacht, machte sich Howard daran sich umzuziehen. Zur Not konnte er noch ein eigenes Kostüm schneidern und wenn er – so schwor er sich – dafür einen schwulen Nähkurs besuchen musste, dann sollte es im Namen des Guten sowie der Menschheit geschehen. Jedoch gefiel die Underground-Kluft dem Nerd ziemlich schnell.

Und ziemlich rasch wurde klar, dass seine Kräfte bereits begannen ihn zu verändern. Denn die Brille mit ihrem dicken Gestell auf der Nase des Jungen war nun eher zur Last geworden, denn zur Unterstützung der mangelnden Sehkraft. Achtlos warf er sie hinter sich.

Nun konnte die Verbrecherjagd endlich beginnen.

 

Über dieser Stadt liegt Angst, begann der Arkham-Spirit mit seinem inneren Monolog. Sie fürchtet mich. Denn ich kenne ihr wahres Gesicht. Und ich weiß, die Gullis sind voller Schmutz und Dreck in dem das Ungeziefer ersäuft. Der Morast wird ihnen bis zur Hüfte gehen. Und all die Prostituierten und Politiker werden hochblicken und sagen: »Rette uns.«

Und ich werde flüstern: »Ja, klar. Klingt cool!« Im ganz lockeren Tonfall, versteht sich.

Und mit diesen bewegenden Worten sprang der Arkham-Spirit vom Dach eines Hochhauses in die Tiefe. Der Wind sauste ihn um die Ohren und übertönte sein freudiges Schreien.

Jetzt!, befahl er seinen Kräften, um sich selbst in eine Rauchwolke zu verwandeln um darauf zur Feuerleiter gegenüber der Straße zu gelangen.

Jedoch wirkten seine Kräfte nicht.

Jetzt?!, befahl er nun sichtlicher verunsichert.

Es brachte nichts.

Jetzt?

Nope.

Und schon war es um ihn geschehen und er sah das Kopfsteinpflaster mal aus einer ungewohnt nahen Perspektive.

»Das war wohl nichts. *seufz* Und dabei hätte es so cool werden können. Mit all dem was ich mir so zurecht gedacht habe … und so.«

Ein plötzlicher Schrei durchbrach die Peinlichkeit der Szene und ließ den Arkham-Spirit in seinem Pflichtbewusstsein sofort den Kopf aus dem Gehweg ziehen.

»Heiliger Batman, da ist jemand in Schwierigkeiten. Nichts wie hin!«

Und so machte er sich unverzüglich … hin. Glücklicherweise jedoch hatte niemand seinen mehr als bedepperten Ausruf bemerkt.

Zu seiner Verteidigung aber: Er übte noch an seinen Heldensprüchen. Ich meine, hey, der Typ ist gerade mal fünf Minuten im Amt!

Jedenfalls begab sich unser heroischer Underground-Superman zum Ort des Verbrechens. Eine junge Frau mit langen roten Haaren wurde von jemandem mit einem Messer bedroht.

»Fürchtet Euch nicht Jungfrau in Nöten! Euer Retter ist schon zur Stelle!«

Der Angreifer wandte sich verdutzt an unseren Helden. »Hä?! Wer bisʼ du denn?«

»Ich bin Ba- … äh … Können wir nochmal von vorn anfangen? Ich habe es eben ziemlich vermasselt.«

Jedoch ließ der tückische Schurke unserem Helden keine Gelegenheit für einen erneuten Anlauf. Immer wieder stach er mit seinem Messer in seinen Bauch und fluchte dazu: »Verreck du mieses-verficktes-dreckiges-verkacktes Drecksschwein oder ich reiße dir deine kleinen-verschrumpelten-krebsverseuchten-haarlosen Eier ab, du Hurenbock!«

Mit jedem Schimpfwort stach er einmal zu. Scheinbar wusste er nicht, dass ein paar Messerstiche vollkommen ausreichend sind um jemanden abzumurksen. Vermutlich hatte er nie eine Schule besucht, um das Zählen zu lernen. Also liebe Kinder: Geht zur Schule und lernt wie viele Messerstiche es braucht um jemanden kalt zu machen.

»*Keuch* Was?« Der Arkham-Spirit sah auf seine Wunden die nichts weiter als rauchende Löcher waren, so als wäre der Held nichts weiter als ein Geist. Der schwarze Rauch verdichtete sich, schloss die Wunden und stellte den Körper, sowie Kleidung in seinen Ursprungszustand zurück. Schmerzen fühlte der Arkham-Spirit jedoch nicht.

»Was zum …?!«, entfuhr es dem gemeinen Schurken.

Jedoch ließ sich der Held von seinen Kräften nicht im Geringsten aus der Fassung bringen. »OMG ist das cooooolllll!!!!«

*räusper* Wie dem auch sei. Das Ende vom Lied war, dass der Arkham-Spirit den zwielichtigen Kerl mit einem einzigen Schlag auf die Matte schickte. Daraufhin bäumte er sich in einer heldenhaften Pose vor der Jungfrau in Nöten auf.

»Wer bist du?«, fragte die Schönheit.

»Ich? Ich bin der Arkham-Spirit«, verkündete der Held mit gewaltigen Gesten. »Der Beschützer dieser Stadt. Ich bin der Schatten in der Dunkelheit. Das leise Flüstern im Winde. Der … äh … und so weiter …

Und wer bist du?«

»M-mein Na-name ist Mary-Jane.«

DAS-MUSS-SCHICKSAL-SEIN!, dachte der Held voller unkeuscher Gedanken über das Küssen, von dem jeder Mensch weiß, dass sie immer zur Schwangerschaft einer Frau führen und damit zu Kindern. Was wiederum zu einer unglücklichen Ehe führt und darauf zur Scheidung.

Gerade wollte der Arkham-Spirit seine wohlverdiente Belohnung mit zugespitzten Lippen einfordern, als er von der Rothaarigen eines übergebraten bekam und sie schreiend davonrannte.

Das Ende vom Lied war eine Anzeige wegen Selbstjustiz, schwerer Körperverletzung, sexueller Misshandlung, sowie versuchter Vergewaltigung und zu guter Letzt Falschparken. Wobei letzteres ihm von der eifersüchtigen Polizei angehängt worden war. Es kann ja nicht sein, dass irgendwer ihren Job macht und dabei all die Lorbeeren einheimsen will, die ihnen (nach ihrer Ansicht) selbst zustanden.

Als Howard davon hörte begab er sich auf die höchste Spitze des höchsten Gebäudes der Stadt, um sich selbst zu töten, da in der Welt scheinbar kein Platz für Superhelden war.

Seiner kindlichen Träume beraubt stürzte er sich selbst in den Tod.

Wobei wir wieder am Anfang dieser recht kuriosen Geschichten wären…

 

Es krachte.

Der Held spürte zwar den Aufprall, aber keinen Schmerz. Nicht ein einziger Knochen schien in seinem Körper zu Schaden gekommen zu sein, im Gegensatz zu der Straße die nun von einem tiefen Krater verunstaltet war.

Wieso lebe ich noch?, fragte sich Howard. Wieso sterbe ich nicht einfach? Seine Hand fuhr zum immer noch schlagenden Herzen. Mein Leben ist vorbei. Es gibt keinen Grund weiterzumachen. Also warum schlägst du weiter? Was ist eigentlich der Sinn meines Daseins, wenn nicht dies?

Hey, Champ!, machte sich die Stimme der Wesenheit in seinem Kopf breit. Dieser Gedankengang zum Schluss der Folge war perfekt. Könntest du deinen Kopf noch etwas weiter nach hinten sinken lassen? Aber bitte so, dass die Zuschauer deine Frustration auch sehen können, ja?

»Was? Was für ʼne Folge? Welche Zuschauer?«, stöhnte der erschöpfte Held, dem der Sturz doch ein wenig zu schaffen schien.

Ach, stimmt ja. Du weißt es noch gar nicht. Nun. *räusper* Erinnerst du dich noch an unseren Pakt?

»*genervtes Stöhnen* Nur also gut.«

Richtig. Weißt du, ihr Menschen habt eine total falsche Vorstellung von mir. Ihr glaubt, dass ich für alles eure unsterbliche Seele haben will. Aber wieso sollte ich eine einzelne Seele haben wollen? Warum nicht zwei oder mehr? Und deshalb habe ich aus deinem Leben eine Reality-TV-Show gemacht! Ist das nicht cool! Du bist ein Fernsehstar in den anderen Sphären!

»WAS?!«

Ja, und damit nicht genug. Durch deinen Auftritt konnte ich meine Popularität steigern und noch mehr Pakte schließen, wodurch ich ein paar Superschurken für unsere Sendung bekam. Du solltest erst einmal abwarten, was diese Typen so alles drauf haben.

Manches Mal habe ich den Eindruck, dass diese Idee viel zu genial für mich ist. So als hätte irgend so ein unterbezahlter Autor die Idee dazu gehabt. Man sollte dem Kerl dann auf jeden Fall mehr Geld geben, sofern er überhaupt existiert.

»Was?!« Mit einem Schlag erkannte Howard das ganze Ausmaß seines Handelns. Anstatt die Welt zu verbessern hatte er sie eher verschlimmert. Was sollte er nun tun? Umbringen konnte er sich nun nicht mehr, da er ein Superheld war und es seine Aufgabe war die Menschen vor diesen gefährlichen Individuen mit Superkräften zu beschützen. (Obwohl er selbst auf eine gewissen Weise zu eben jenen gefährlichen Individuen zählte.)

Aber das schaffen wir heute alles gar nicht. Stattdessen werde ich dich in den letzten Sendeminuten auf die Feinheiten unseres Vertrages aufmerksam machen.

  1. 1.      Wir senden alles, was du machst. Selbst den Toilettengang.
  2. 2.      Du wirst nicht sterben, außer du wirst zum Schurken, denn dann haben wir keine Verwendung mehr für dich. Die Leute wollen schließlich sehen, wie du als Held auf die Fresse fliegst.
  3. 3.      Du musst deinen Pflichten als Superheld nachkommen, ansonsten werden wir dich auf alles verklagen was du hast, hattest und jemals haben wirst.
  4. 4.      und letztens: Wir weisen darauf hin, dass das Konzept der Sendung jederzeit von uns verändert und überarbeitet werden kann. Schließlich kann es ja immer mal wieder zu Unstimmigkeiten kommen.

Und damit verabschieden wir uns für heute. Wir wünschen ihnen noch allen eine gute Nacht.

 

Und bis zum nächsten Mal in der Arkham-Spirit-Show!

Von einer Ratte zum Rudel

Seline Keil hasste Rʼlyeh-City über alles. Ursprünglich hatte es sie hierher verschlagen um so viel zum Überleben auf der Straße zusammenzuraffen wie es ging.

Zuerst einmal hatte sich die als Niket (ein nach der griechischen Siegesgöttin abgewandelter Spitzname) bekannt gewordene Diebin auf der Straße umgehört. Dort erzählte man sich, dass man für Auskünfte in den Comicbuchladen Kosmische Schrecken gehen sollte. Der dortige Betreiber Scott Grimpil hatte allerlei Informationen über die Stadt in der das Verbrechen gedieh wie biologische Kampfviren auf einer öffentlichen Toilette. Seline bekam in diesem Ramschladen zu hören dass ein Mann namens Young Neil zum unzähligsten Mal im Gefängnis saß.

Young Neil wurde eingesperrt weil er versucht hatte einen Pinguin mit Fliege, Melone, Gehstock und angeklebtem Barte als Charlie Chaplin-Imitator durch die Flughafenkontrolle zu schmuggeln. Während eben jener Neil im Gefängnis saß um über seine mehr als dämlichen Taten nachzusinnen, was er scheinbar überhaupt nicht tat, bekam er mit wie einige Insassen über ein Schiff der Cthulu-Corporation mit wertvoller Fracht sprachen. Dieser gab die Information dann an Grimpel weiter, welcher den Insassen regelmäßig besuchte um mit ihm leckeren Kuchen seiner Mom gegen Informationen zu tauschen.

Und eben jene Information war Seline zum Verhängnis geworden. Zwar hatte sie den Frachter aufspüren können, doch leider hatte sich ein Schläger von hinten angeschlichen und sie verprügelt. Für wem er arbeitete oder ob er die junge Frau nur aus Vergnügen schlug ließ sich nicht sagen. Als die Diebin versuchte zu entkommen jagte ihr der Übeltäter eine Ladung Schrot in den Rücken und brachte sie somit zu Fall. Blutig hustend blieb Niket auf dem rauen Boden des Hafens liegen.

Mit knirschenden Schritten näherte sich der Übeltäter. Er besaß ein typisches Aussehen. Narben, dreckiges Lächeln und eine rauchende Schrotflinte in den plumpen Pranken. Mit der freien Hand packte er die sterbende Diebin am Nacken und hob sie mit Leichtigkeit hoch. Niket sah die baumstammdicken Arme durch die von Tränen verklärte Sicht nur verschwommen jedoch spürte sie ihre überlegene Kraft.

»Na, mein kleines Täubchen? Du siehst aber gar nicht gut aus.« Dabei drehte er ihren kahlgeschorenen Kopf zur Seite, um ihre roten Blutergüsse, blauen Flecken und ausgeschlagenen Zähne besser zu betrachten.

Niket hatte früh gelernt dass es praktischer war mit extrem kurzen Haaren rumzulaufen, da sie zu Anfang ihrer Karriere das Haar immer lang trug und dabei öfters an ihrer Mähne gezogen worden war als sie zählen konnte. Zugegebener Maßen sah es für ein zierliches Mädchen nicht sonderlich aus, aber wenn es ums Überleben ging pfiff Seline auf jegliche Ästhetik.

»Auch wenn deine Fresse zum Kotzen aussieht, so ist alles unterhalb der Schultern ganz niedlich.«

Niket spuckte dem Angreifer Blut und einen Zahn ins Gesicht, wobei letzteres in seinem Auge landete. Darauf folgte eine Reihe heftiger Schläge und Tritte. Nachdem der Kerl Seline fast zu Tode getreten hatte, streifte etwas Flauschiges ihre Hand.

»Komm mit Nigger-Man, wir müssen darauf achten dass nicht noch weitere Ratten die Übergabe stören«, sagte der Mann, doch seine Stimme war als wenn Seline sie wie durch Watte hörte.

Niket spuckte Blut als das Miauen einer Katze an ihre Ohren drang und dann brach nur Schwärze über sie herein. Das Mädchen hatte lange genug auf der Straße gelebt um zu wissen, dass es vorbei war. Zu viele Freunde waren bereits erschossen und totgeprügelt worden und jedes Mal hatte Seline zusehen müssen. Allerdings war ihr bisher auch immer eine Flucht geglückt (daher ihr Spitzname), doch nun schien sie ebenfalls an der Reihe zu sein. Desillusioniert ergab sie sich ihrem unausweichlichen Schicksal.

Doch dann drang eine monströse Stimme in ihre Gedanken, umklammerte mit seinen unsichtbaren Krallen ihr Gehirn und zog daran wie um es auf eine grausame Weise zu massieren und zu befühlen.

Ah, ja. Interessant.

Was soll schon so interessant daran sein?, erwiderte Niket in Gedanken.

Ein interessantes Leben das du da führst.

Führtest, korrigierte Seline. Ich liege im Sterben.

Sterben muss doch verdammt nervtötend sein.

Die Diebin lachte bitter, da diese Stimme scheinbar keine Ahnung vom Sterben hatte. Im Gegensatz zu ihr selbst. Unsterblich zu sein muss aber auch ziemlich langweilig sein.

Die Stimme gluckste. Stimmt. Nach einer längeren Pause meinte sie: Ich mag dich irgendwie. Wie wäre es mit einem Pakt? Ich rette dir das Leben, heile deine Verletzungen im Gesicht und mache dich sogar noch besser.

Wo ist der Haken?

Haken? Es gibt keinen Haken. Ich möchte lediglich deinen Werdegang weiterverfolgen, da du scheinbar eine faszinierende Persönlichkeit besitzt.

Niket lächelte. Sie hatte also die Auswahl zwischen Sterben und den Rest ihres verkommenen Daseins von einer unsichtbaren Stimme bespannert zu werden. Da fiel die Wahl nicht sonderlich schwer. Aber eine Sache verstand sie nicht so recht.

Was meinst du mit „besser“?

Nun, besser halt. Du wirst Sachen können die sonst niemand kann.

Wie zum Beispiel?

Wieso lässt du dich nicht einfach überraschen? Es verdirbt einem doch die Spannung, wenn man von vornherein alles weiß.

Nun gut, du hast mich. Mach mit mir was du willst. Solange ich überleben werde gehe ich darauf ein.

Gut, dann brauche ich hier eine Unterschrift. Vor dem geistigen Auge Selines erschien ein Vertrag in etwas was vermutlich eine fremde Sprache darstellen sollte, doch Niket hatte nie etwas dergleichen gesehen geschweige denn etwas was dem auch nur im Entferntesten ähnelte.

Ich habe keine Kraft um zu kritzeln.

Brauchst du nicht. Dein Wille den Kontrakt einzugehen ist mehr als ausreichend.

Kaum dass sich Seline damit einverstanden gab zu unterzeichnen, erschien ihr Name in ihrer schönsten Sonntagsschrift auf dem Papier.

Damit wäre es erledigt. Ich wünsche dir viel Spaß mit deinen Superkräften und bitte nutze sie so wie du willst. Einen Helden gibt es nämlich schon.

Zwar war sich Seline nicht darüber im Klaren wovon diese Stimmte da sprach, aber solange sie das Mädchen rettete war es ihr egal.

Plötzlich trat ein undeutlicher Schatten in ihr Gesichtsfeld. Es war ein schwarzer Schatten in Gestalt einer gewaltigen Ratte mit rotglühenden Augen. Darauf folgte ein leichtes Zwicken. Aber abgesehen davon blieb alles beim Alten. Seline lag mit dem Gesicht im Dreck und verblutete. Dann spürte sie wie ein Blutschwall sich seinen Weg ihren Hals hinauf bahnte. Seltsamerweise bewegte sich das Blut. Es fuhr mit seinen kleinen krallenbewehrten Pfoten über ihre Zunge. Niket staunte nicht schlecht als eine mit Blut verschmierte Ratte aus ihrem Mund krabbelte.

Ich wusste doch, dass dieses Chinarestaurant nicht sauber war. Dies war alles was sie in ihrem Zustand erdenken konnte, da der Tod weiter an Körper sowie Seele nagte und somit ihre Sinne verwirrte. Und für entsetzen war sie viel zu geschwächt.

Jedoch blickte Seline verwundert zu der Ratte hoch. Sie sah sich selbst durch die Augen der Ratte hindurch. Und das Tier wusste was Seline sah und dachte. Ungeziefer und menschlicher Abschaum waren eins. Eins in Körper, Geist und Seele.

Ein plötzlicher Krampf machte sich im Magen der Diebin breit. Es fühlte sich an als wenn unzählige kleine Leiber sich in ihrem Bauch tummeln würden. Wenn Niket genau hinhörte vernahm sie das Fiepen eben jener Menge an Ratten in ihrem Inneren. Aber das wohl entsetzlichste war, dass sie diese Ratten war. Sie war es die in ihrem dunklen Magen um ihr Leben kletterte, während ihre kleinen Krallen an den schleimigen Darmwänden abrutschten.

Und es kamen immer mehr dieser Sinneseindrücke bei ihr an. Sie war die Ratten und die Ratten waren sie. Kaum dass sie dies erkannte formten sich ihre Augen um, wurden pelzig bekamen Zähne und schwarze Knopfaugen.

Seline schrie ob des Grauens, aber ihr Schrei erstickte als ihr Körper vollends als ein Rudel Ratten auseinanderstob, welche ihre Verwirrung sowie Verängstigung laut in den Nachthimmel fiepten.

»Hallo? Was ist denn hier los? Hat jemand die Kleine im Sterben vergewaltigt?«, fragte der Mann mit der Schrotflinte, der aufgrund des Lärms zurückgekehrt war.

Das Fiepen verstummte. Alle Ratten sahen den grobschlächtigen Kerl an, den sie als Verursacher ihrer Pein ansahen. Voller Wut und Hass stürmte das Rudel auf den Mann ein, der sich vor lauter Ekel und Entsetzen kaum rühren konnte. Zwar feuerte er mehrfach mit seiner Schrotflinte nach den kleinen Nagern doch die Körnchen vermochten nicht sie zu treffen.

Der Langhaarkater Nigger-Man unterdessen sah keinen Anlass einzuschreiten. Im Gegenteil. Er schnappte sich einen der Nager und begann damit ihn abzuschlecken. Seinem nicht zu unterbietenden Interesse am Schicksal seines Herrn war zu entnehmen dass dieser nicht gerade nett zu seinem braunschwarz bepelzten Kameraden war.

Die eingefangene Ratte unterdessen ließ es sich gefallen vom Stubentiger liebkost zu werden, während der Rest des Rudels im Hintergrund den Mann zu Tode biss und nichts weiter als einen Haufen zerfetztes Fleisch und angenagte Klamotten übrig ließ.

Kaum dass die Ratten sich wieder zusammengefunden hatten und sich gegenseitig abklatschten, durchzuckte das Kollektiv ein Gedanke vollgepackt mit wichtigem Wissen über ihren Zustand und ihre Verwandlung. Wie in Trance setzten sich die Ratten zusammen kletterten übereinander und formten einen pelzigen Berg.

Seline spürte wie ihr menschlicher Körper immer mehr Kontur bekam und sich die kleinen Nager die sie selber war wieder mit ihr verbanden. Schließlich als die letzte Ratte ihr Loch im Bein schloss war sie wieder die Alte. Jedoch fühlte sie sich anders; besser. Als wäre sie auf einmal viel mehr als vorher. Allerdings wollte sie sich zuerst versichern dass sie wirklich wieder die Alte war. Sie tastete mit ihren Händen den gesamten Körper nach Fell ab. Doch sie spürte nur den Stoff ihrer Kleidung. Auch war nach längerem Tasten keine Spur von einem nackten Schwanz über ihrem Hintern zu finden. Als sie jedoch mit ihrer Zunge über die wieder normalen Kronen fuhr, merkte sie deutlich dass ihre ausgeschlagenen Zähne wieder da waren. Ebenfalls waren ihre Haare wieder lang, doch statt einer rötlichen Farbe waren jene nun so dunkelbraun wie das Fell eben eines dieser Nagetiere. Als sie jedoch stöhnte und bereits überlegte wie sie nun auf die Schnelle wieder ihren Schädel kahlrasieren könne, zogen sich die Haare wie von selbst zurück.

Niket wusste nicht wie lange sie so auf den Knien dasaß; innerlich schwankend zwischen Euphorie und Wahnsinn. Die Stimme hatte tatsächlich ihren Teil der Abmachung eingehalten. Dann lag es nun an ihr selbiges zu tun und so viel Spaß wie möglich zu haben. Sie nahm die blutige Schrotflinte aus den kalten Händen des Toten, sowie den Kater Nigger-Man der sie freudig abschleckte und sie nun als seine Herrin zu akzeptieren schien.

Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen schritt sie in Richtung Frachter der den Geruch von reicher Beute trug.

Seline Keil hatte Rʼlyeh-City über alles gehasst. Doch nun begann sie diese Stadt zu lieben. Nun da sie alles tun und lassen konnte, was ihr beliebte. Wer würde sie schon aufhalten wollen, geschweige denn können?

The End

Der Detektiv mit dem Geisterarm

Ich widme diesen Text csarly und hoffe, dass sie eines Tages die Zauberformel entdeckt um beschriebenes Papier in Gold zu verwandeln, so wie es sich wünscht und verdient hätte.

 

Viele Menschen die ihr karges Dasein in Rʼlyeh-City verbrachten taten dies ohne dass jemals etwas Besonderes in ihrem Leben passierte. Edward Derby zählte jedoch nicht zu dieser Sorte. Für ihn war das was wir als ungewöhnlich empfanden etwas vollkommen Normales, was in Anbetracht seiner Lebensgeschichte nicht sonderlich verwunderlich war.

Obwohl das Twilight-Genre mit seinen Vampiren gerade ein Hoch erlebte, so war die Fantasy-Literatur doch nicht tot zu kriegen von der Edward Derby früher ein Teil gewesen war. In so gut wie jeder Mainstreamgeschichte gab es einen bösen namenlosen Zauberer oder Hexenmeister der am Anfang immer als das pure Böse präsentiert wurde nur um dann im letzten Drittel zu sterben und als Strohmann des absoluten Bösen entpuppt zu werden. Jedoch war Edward da eine Ausnahme, denn der Held der ihn bekämpft hatte tötete ihn nicht sondern verbannte ihn in eine andere Dimension. In unsere Welt. Rʼlyeh-City um genau zu sein, da diese Stadt für ihre Merkwürdigkeiten, Schrecken und Wunder bekannt war so schien es auch nicht sonderbar zu sein, dass der Übergang an jener Stelle – an der die Stadt erbaut worden war – am schwächsten war.

In unserer Welt verbrachte Edward viele Jahre in Bars. Ihm hatte seine Niederlage klar gemacht wie alt er doch war. Ein Auslaufmodell das von einem kleinen neunjährigen Helden in die Knie gezwungen wurde. Nach all den Jahrtausenden war er mehr wie ein Dinosaurier und so verbrachte er seinen selbstgewählten Lebensabend damit sich und sein Selbstmitleid in Alkohol zu ertränken. Wenigstens hatte es einmal etwas Gutes, dass er rostiges Metall in glänzendes Gold verwandeln konnte. Schien ihm diese alchemistische Fähigkeit früher doch sinnlos gewesen zu sein als er noch über Heere von Orks, bösen Feen, Hexen und Drachen regiert hatte. Doch irgendwann brauchte auch ein ausrangierter Zauberer Geld und einen richtigen Namen, welchen er zufälligerweise der Inhaltsangabe eines kleinen Buches entnommen hatte. Doch so leicht ließ das Schicksal einen alten Hexenmeister nicht davonkommen. Später fand der alte Edward heraus, dass er selbst nichts weiter als eine Figur aus einem Roman gewesen war. Lange Zeit über machte er die Autorin jenes Werkes namens Sophia Anna Csar für seine Niederlage sowie jetzige Situation verantwortlich. Ein weiterer Grund sich selbst zu betrinken und im Selbstmitleid zu baden.

Aber wie es so oft im Leben kam, irgendwann setzt sich jemand neben dir auf einen Barhocker und schafft es irgendwie dass du deinen Arsch erhebst und deine Probleme in Angriff nimmst. So war es auch bei Edward der daraufhin dem Bösen abschwor, seine markante Glatze durch eine Durchschnittsfrisur ersetzte und anfing für sein Geld zu arbeiten, statt es einfach herbeizuzaubern. Schon nach kurzer Zeit eröffnete der Hexenmeister ein eigenes Detektivbüro. Seine Erfahrung mit Dingen die für unsere Augen als ungewöhnlich galten brachte ihm schnell einen Ruf ein und er übernahm immer die „verrückten Fälle“.

Alles wäre gut gewesen, doch so schnell entsagte niemand ungestraft den Mächten der Finsternis. Der rechte Arm von Edward weigerte sich gut zu sein und so fing er an Amok zu laufen und sich den Befehlen seines Meisters zu widersetzen. Dem ehemaligen Hexenmeister blieb nichts anderes übrig als sich das halsstarrige Körperglied abzuhacken und zu verbrennen, doch trotz alledem spürte er immer noch die Gegenwart jenes Körperteils, welche sich in einem kalten Sog äußerte. Edward wusste nicht wieso dies so war, aber nun war der Arm meist unter Kontrolle, doch es gab immer noch gewisse Momente in denen der Geist des Ausläufers anfing unkontrolliert zu töten. Jedoch hielten sich diese Augenblicke in Grenzen. Doch kommen wir nun zu der eigentlichen Geschichte.

 

»Tut mir leid, Succi, aber ich konnte wirklich nichts herausfinden. Dieser Kerl der deinen Macker getötet hat ist wie ein Geist. Er hat keine einzige Spur hinterlassen, mit niemanden geredet, nicht telefoniert und nirgendwo eingecheckt. Ich wünschte wirklich ich hätte bessere Neuigkeiten für dich. Du weißt ja wie gerne ich einer geschätzten Kollegin aushelfe, aber in dem Fall bin selbst ich überfragt.«

Am anderen Ende der Leitung ertönte ein Seufzen ehe der Hörer aufgelegt wurde und Edward sich wieder daran machte die Dimensionspost durchzulesen. Das Blatt das über die Geschehnisse anderer Welten berichtete, wobei es egal war ob es Bücherwelten, andere Dimensionen, Realitäten oder aber Planeten waren. Wenn etwas großes passierte fand es dort Erwähnung. Gerade als Derby einen Artikel über die Teufelshexe Avith las die eine Sirenenparty in Paris hat platzen lassen, meldete sich sein Pieper um ihn rechtzeitig an seinen Termin zu erinnern. Schnell griff er noch nach dem halbvollen Glas Bourbon auf seinem Schreibtisch um es zu leeren, ehe er sich auf den Weg machte.

Kurz bevor er noch sein Büro verließ fragte er sich, was dieser Ältestenrat dort in dieser Bücherwelt sich wohl dabei gedacht hatte eine so gefährliche Irre auf die Welt loszulassen statt sie wie einen tollwütigen Hund einschläfern. Mit bösen Hexen kannte Edward sich aus. Er hatte mit genug von ihnen geschlafen und sogar gegeneinander ausgespielt indem er sie um seine Gunst buhlen ließ wenn ihm früher immer langweilig gewesen war. Doch dieses Weib Avith… Die brauchte niemand.

»Irgendetwas neues Fräulein Dagon?«, fragte der Detektiv den Goldfisch welcher sich in einem Glas auf dem Schreibtisch des Vorzimmers befand.

Die Sekretärin/Goldfisch Wanda Dagon wandte ihre glubschigen Fischaugen vom Geschehen im alten Fernsehkasten ab, ehe sie anfing zu blubbern: »Lucy ist Schwanger und hat es dem Hilfssherriff Andy erzählt, dieser kann jedoch nicht der Vater sein, da er keine Kinder zeugen kann. Also vermutet sie, dass es Dick Tremayne sein muss mit dem sie mal ein Verhältnis hatte. Aber später stellt sich heraus, dass Andy doch wieder Kinder zeugen kann. Und nun steht sie zwischen zwei Männern.«

Eine ganze geschlagene Sekunde überlegte der Detektiv wie er diese Information einzuordnen hatte während er seine Sekretärin unverwandt ansah. Dann gab er mit einem langgezogenen »Okaaaaayyyy« auf und überließ Wanda wieder dem halbwegs kaputten Flimmerkasten und der Serie Twin Peaks. Dann jedoch wandte sie überraschenderweise doch das Wort an ihren Arbeitgeber. »Werden Sie eigentlich zu der Vorlesung ihrer Mutter gehen? In der Bücherei stellt sie den neuen Band von Sichelmond vor.«

Unwillkürlich griff der alte Hexenmeister nach dem kleinen smaragdgrünen Kristall an einer Kette in welchen Runen eingearbeitet worden waren. Diese Geste bedeutete dass wieder all die Trauer und Resignation in ihm hochkamen. »*Seufz* Nein, das werde ich nicht, Fräulein Dagon. Diese Frau hat mich wie eine billige Nebenfigur ausgearbeitet und sich stattdessen lieber auf ihre Hauptfigur konzentriert. Ein Neunjähriger ist ihr somit wichtiger als ich. Ich wollte ihn ja nur töten, wegen einem Ritual das mir noch mehr Macht geben sollte. Sie hat mich nie geliebt, sonst hätte sie sich etwas Besseres für mich einfallen lassen, also werde ich jetzt nicht anfangen in Kontakt mit ihr zu treten. In ihren Augen war ich nie mehr als ein plumper Bösewicht. Wenn Sie mich nun bitte entschuldigen würden. Ich muss noch auf ein Konzert.«

»Aber-« Weiter kam sie nicht, da Edward den Raum bereits verlassen hatte.

 

Die Popmusik war laut, die Menge unruhig und die grellen Scheinwerfer huschten über die mit Nebel bedeckte Bühne auf der ein blondes Schulmädchen mit zwei Zöpfen in einer viel zu knappen Cheerleaderuniform zu den soften Klängen der Musik über die Bretter hopste. An sich nichts Ungewöhnliches. Aber schnell hatte Edward, welcher sich am Bühneneingang postiert hatte, erkannt dass die Fans nur mit Mühe von der Security zu bändigen waren. Zuerst hatte es der Detektiv im Dunkeln der kellerartigen Undergroundhalle nicht gesehen, doch die Fans waren nichts weiter als nach Hirn gierende Zombies die danach trachteten die Sängerin Juliet Star-Ling zu fressen. Glücklicherweise war Derby von einem Sicherheitsbeauftragten aufgeklärt worden, dass diese Fans genauso sehr Zombie waren wie auf anderen Konzerten auch. Oder war es so, dass die Zombies genauso Fans waren wie auf anderen Konzerten auch? Jedenfalls wollten sie die Sängerin nicht fressen, auch wenn dies zunächst so schien.

Nach dem Konzert zerstreuten sich die Untoten wie gewöhnliche Besucher auch und die Sängerin kam zu dem Detektiv und geleitete ihn zu ihrer Garderobe. Dort ließ sich das Popidol erst einmal stöhnend in einen Sessel fallen und trank einen Schluck Wasser, ehe sie die blonde Perücke abnahm und sich mit dieser über das von Schweiß glitzernde Gesicht wischte, worauf sie die falschen Haare angewidert in eine Ecke warf.

»*Räusper* Fräulein Star-Ling«, begann Edward ehe er unterbrochen wurde.

»Bitte, nennen Sie sich mir hier drin einfach Mindy.«

»Was?«

»Mindy McReady, so lautet mein richtiger Name«, meinte die Sängerin, während sie sich durch die schwarzgefärbten Haare fuhr und sich die Gesichtspiercings wieder in die Löcher reintat.

Edward war ziemlich verwundert. Es hieß immer, dass Juliet – oder Mindy wie sie eigentlich hieß – eine hohle Nuss sei die außer einer Mainstreamstimme und einem knackigen Körper überhaupt nichts zu bieten habe. Noch nicht einmal so etwas Unbedeutendes wie eine Persönlichkeit.

»Verzeihen Sie die Frage, aber… wieso diese Maskerade?«

McReady begab sich hinter einem kleinen abgesperrten Bereich um die Cheerleaderuniform gegen etwas Bequemeres einzutauschen. »Das war die Idee meines Managers. Er meinte mit diesem „dummes-Blondchen-Image“ würden sich meine Singles besser verkaufen.«

Nachdenklich hielt sich Edward das Kinn und versuchte sich in freudiger Erregung die nackte Gestalt hinter der Trennwand vorzustellen. »Dabei wirken Sie gar nicht wie jemand der gerne Pop hört.«

»*Seufz* Erraten. Ich stehe mehr auf Hard-Rock. Aber letztlich müssen wir doch alle irgendwie unser Brot verdienen. Ich singe einfach was man mir in die Hand drückt und versuche dabei so viel Knete wie nur möglich zu verdienen.«

Irgendwie desillusionierend, dachte sich Edward. So viele Künstler die alles dafür tun würden um mit ihrer Leidenschaft Geld zu verdienen und dann wird der Zaster einem Mädchen hinterhergeworfen, dem die Kunst völlig egal ist. *Innerlicher Schulterzuck* Na ja, mir soll es egal sein.

Genüsslich steckte Derby sich eine Kippe an als Mindy in ihren Gothic-Look aus der Abtrennung hervortrat. Genüsslich stieß er den Rauch aus. »Also, Sie benötigen meine Dienste.«

»Genau. Sie sollen meinen Hund Pootchy suchen, mit dem ich mich in der Öffentlichkeit immer sehen lassen muss. Mir kann es eigentlich egal sein was mit dieser kleinen Ratte passiert, doch mein Manager besteht darauf.«

»Ihre Tierliebe ist geradezu herzergreifend.«

»Hey, wenn du ständig eine glupschäugige Ratte im Handgepäck herumschleppen müsstest, würdest du dich auch freuen wenn das Drecksviech verreckt.«

»Wie sieht der Hund denn aus?«, fragte Derby leicht von der ätzenden Gleichgültigkeit seines Gegenübers genervt, aber immer noch höflich.

Mindy überreichte daraufhin ein Foto, durch dessen Anblick dem Ermittler die Kippe aus dem Mund fiel. Es war ein seltsamer Hund. So etwas hatte der Detektiv vorher noch nie gesehen. Extrem große Augen und Fledermausohren. Dazu winzige Zähne und ein abgemagerter Körper der kaum von Fell bedeckt wurde. Ein Chihuahua sah im Vergleich dazu wie ein reinrassiger Kampfhund aus. »Was ist das für eine Art von Köter?«

»*Schulterzuck* Keine Ahnung. Wir haben ihn aus dem Schlussverkauf einer strenggeheimen Militärbasis.«

»Sie kaufen Hunde aus strenggeheimen Militärbasen?«

»Wir wollten den jämmerlichsten und billigsten Hund den wir finden konnten. Und das ist er. Weiß Gott, was die Forscher dort mit ihm gemacht haben.«

»Wieso die überhaupt einen Schlussverkauf veranstaltet haben, wundert mich.«

»Nun ja, ihnen wurden die Gelder gestrichen und sie mussten Räumen, zuvor jedoch wollten sie noch möglichst viel loswerden um die Verluste gering zu halten.«

»DAS wiederum ergibt irgendwie Sinn.«

»Du hättest das mal sehen sollʼn. Eine ganze Lagerhalle voll mit waffenfähigen Uran, freakigen Mutanten und Aliens, sogar ein T-Virus war dabei gewesen. Das meiste aber haben die Terroristen vor uns gekauft. ISIS oder so war der Name des Anführers. Voll peinlich, heißt wie ein Mädchen.« Die Popsängerin verfiel in Gelächter. Scheinbar war sie an Politik nicht sonderlich interessiert. Zumindest ließ ihre Bemerkung dies vermuten.

Edward verließ jedoch den als Unschuldsengel bekannten Promi als Mindy aus einer Schublade eine Heroinspritze hervorholte und sich anstellte sie in ihre Venen zu drücken.

 

Der Hund war am Ende schnell gefunden. Ein städtischer Hundefänger hatte ihm im Tierheim abgegeben. Entgegensetzt der meisten Meinungen war das Leben als Privatdetektiv oftmals langweilig. Spannende Fälle waren daher eher eine Seltenheit.

»Entschuldigen, Sie«, wandte sich eine zwielichtige Gestalt an Derby, »aber es gibt da jemanden der sich für Sie und den Hund interessiert.«

Dies war jedoch keiner dieser langweiligen Fälle.

»Ach ja? Und wer sollte sich für einen einarmigen Kerl und seinen Hund interessieren?«

Das Lächeln des augenscheinlichen Unholds wurde breiter. »Unser Meister Azathoth.«

Edward schluckte. Azathoth war DER Bösewicht im Roman Sichelmond gewesen, dem gleichen Werk dem auch Derby entsprang. Während er als namenloser Hexenmeister den Helden in Schach hielt und ihm eine Falle nach der anderen stellte war es Azathoth der im Hintergrund die Fäden zog. Zwar hatte der Detektiv eine große Fangemeinde an Lesern, doch die war nichts im Vergleich zu der seines Meisters. Er war zweimal älter als das Universum von Sichelmond selbst und war nichts weiter als das personifizierte Chaos des Universums. Allerdings war er auch bekanntermaßen Wahnsinnig. Die einen behaupteten er sei verflucht, während andere meinten sein Geist hätte sich einfach von seiner körperlichen Hülle getrennt. Welche Version man jedoch Glauben schenken mochte spielte letztlich keine Rolle.

»*Stöhn* Okay, bring mich zu ihm, damit wir es hinter uns haben.«

Als Edward kurz blinzelte waren sie auch schon in einer Art finstren Lagerhaus. Dem Gekreische der Möwen nach zu urteilen waren sie am Hafen.

Ich habe schon ganz vergessen wie es ist, wenn einem der Meister ungefragt teleportiert. Immer wieder verwirrend diese Desorientierung am Anfang. So wirklich gewöhnen tut man sich nie daran.

»So sehen wir uns nun endlich wieder, mein treuer Diener.«

*Entnervtes Stöhnen* Oh, wie ich diese Stimme doch vermisst habe. NICHT!

»Keine Sorge, deine Zeit der Schmach in dieser Welt ist nun endlich vorüber und wir werden nun schlussendlich über das Universum von Sichelmond herrschen! *Muhahahahahaha*«

Aus den Schatten flog eine skurrile Gestalt ins Licht. Es war ein geflügelter Hase und Edward musste sich wirklich zusammenreißen um unbeeindruckt auf das kleine Schlappohr zu schauen anstatt in schallendes Gelächter zu verfallen. Er nahm die Kippe aus dem Mund damit sie nicht aus dem leicht nach oben zuckenden Mundwinkel zu fallen drohte, als er fragte: »Wieso in allen sieben Welten, ein geflügelter Hase?«, erkundigte er sich während er auf den Boden aschte.

Azathoth lachte auf. »Wer würde schon einen Hasen verdächtigen? Immerhin sind wir Vegetarier.«

»*Trocken* Hitler war auch Vegetarier.«

»Wie war das mein getreuer Hexenmeister?«

»Nicht so wichtig. Ein Hase also.«

»Ja, ein Hase. Natürlich bin ich nicht selbst anwesend. Aber du weißt ja, dass ich ein Gott bin und daher war es ein Kinderspiel einen kleinen Teil von mir hierherzuschicken, einen Hasen für mich zu Beanspruchen, ihm komforthalber Flügel wachsen zu lassen und diesen menschlichen Diener hier willenlos werden zu lassen.«

»*Stöhn* Lass mich raten, du wirst mir jetzt deinen finsteren Plan in sämtlichen Einzelheiten schildern.«

»Selbstverständlich. Also mit dem Hündchen in deinem Arm können wir über unsere Welt herrschen.«

»Mit einem Hündchen?« Er hielt das Tier nochmal hoch, wie um sicherzugehen dass er es richtig verstanden hatte, weil es ihm schwer fiel zu glauben mit diesem Häufchen Elend überhaupt irgendetwas anderes tun zu können als Mitleid zu erwecken. »Diesem Hündchen?«

»Ja, sein Speichel enthält eine willenlos machende Droge. Diese werden wir der Autorin Sophia Csar verabreichen, worauf sie nur noch das Schreiben wird was wir ihr diktieren und somit werden wir über unser Universum herrschen!«

Innerlich schüttelte Edward mit dem Kopf. Er verstand schon den Plan. Azathoth konnte zwar einen Menschen willenlos machen, aber dieser besaß dann keinerlei Eigeninitiative mehr und das war für einen Autoren ziemlich wichtig. Eine leere Hülle konnte sich nichts Eigenes aus den Fingern saugen und Csar musste nur gefügig gemacht werden und nicht willenlos.

In seinem alten Leben hatte es niemanden gegeben den Derby mehr für seine Intelligenz und seinen Einfallsreichtum beneidete als Azathoth. Später war er eifersüchtig auf ihn gewesen, weil er eine Hintergrundgeschichte besaß die detailliert tausende Jahre umspannte, während seine eigene nur dreißig Jahre grob Anschnitt. Er war immer nur einfach der böse Hexenmeister gewesen, der vielleicht mal eine schöne Kindheit gehabt hatte und gespielt hat wie alle anderen auch und das war es schon, wobei all dies in den Romanen mehr angedeutet wurde als wirklich ausgebaut worden war.

Und dann kam da dieser Azathoth der schon seit Jahrhunderten intrigierte, ganze Kriege auslöste und Frieden brachte wenn es ihm gefiel und ihm irgendwie dieser Waffenstillstand zum Vorteil gereichte. Jede Lüge, jede Manipulation, jedes Komplott war von Csar aufgeschrieben und auf der Webseite Csarlys Buchstabensalat veröffentlicht worden. Die Leser hatten ihren Einfallsreichtum und die Genauigkeit gelobt. Doch bei Edward lobte man nur seine Bosheit. Das war die Frucht seines ganzen Daseins gewesen. Eine tolle Geschichte um das Trinken anzufangen und auf dem Treffen der anonymen Alkoholiker bestimmt ein echter Brüller.

Doch nun war etwas anders. Es schien als sei der einarmige selbst nicht mehr länger der böse Hexenmeister, sondern wahrlich Edward Derby. Konnte es sein dass sein Leben hier ihn so sehr verändert hatte dass er nicht länger an seine frühere Existenz gebunden war? Konnte er mehr sein als der Schurke als der er erschaffen worden war? Eine gewaltige Erkenntnis bäumte sich mit einem Male vor ihm auf und erschlug ihn geradezu. Er war frei. Frei wie ein Vogel. Er konnte tun und lassen was er wollte. Früher unterlag er der Illusion eines eigenen Willens, doch nun konnte er sich wahrlich entscheiden. Es gab keinen Autoren mehr der ihm sagte wie er als nächstes zu handeln hatte. Und da traf es ihn wie ein Blitz. Seine Mutter Csar hätte ihn im Roman sterben oder töten lassen können. Stattdessen aber hatte sie ihn nur verbannt und ihm nun sein eigenes Leben mit einer eigenen Wahl geschenkt. Ein größeres Geschenk konnten Eltern ihren Kindern gar nicht machen.

Unterdessen begann wieder der kalte Sog an der rechten Schulter sich zu melden. Es wurde in der dunklen Lagerhalle noch finsterer. Der mit runenverzierte Stein begann in einem hellen grün zu leuchten. Die dunkle Magie sowie die helle Seite von ihr begannen sich gegen ihren ehemaligen Meister zu erheben.

»Nein«, dröhnte Derbys mit Macht geschwängerte Stimme durch die Halle. »Ihr werdet ihr kein Haar krümmen!«

Ein grüner Tentakel purer smaragdgrüner Energie – in dessen wildem Strudel Runen voller Macht enthalten war – schlang sich explosionsartig aus dem Stein und schleuderte den Handlanger wie eine Puppe durch die Gegend. Als der kleine Schurke gegen die Wand landete blieb er tot am Boden liegen.

Edward machte sich jedoch mehr Sorgen um den Geist seines Armes. Er wusste was jener fühlte und dass obwohl dieses Glied noch nie ein Wort von sich gegeben hatte. Der Geist war erfüllt mit dem puren konzentrierten Bösen welches Derby schon seit Anbeginn seiner Existenz ausgemacht hatte, doch inzwischen war das Übel so extrem dass es seinen Meister nicht mehr als Mentor ansah sondern als Feind den es zu zerschlagen galt, um zu beweisen wer das wahre Übel war. Die dunklen Energien entfesselten sich schreiend aus seiner Schultern um darauf den geflügelten Hasen zu verschlingen. Die pechschwarze Magie drang unter fließendem Blut in die Körperöffnungen des Tieres ein, begleitet von einem schaurigen Chor wehklagender Verdammnis. Dem geflügelten Schlappohr blieb nichts anderes übrig als schreiend zugrunde zu gehen. Der Detektiv spürte etwas, als wenn der Arm sagen wollte: „Wer ist hier jetzt das Böse, heh?“ Die dunklen Energien verschlangen den Hasen und zwangen Edward dabei zuzusehen wie die pure Bosheit das kleine Wesen bei lebendigem Leibe häutete, dabei schlug dem Detektiv ein unerträglicher Gestank entgegen. Und am Ende war vom Tier nichts weiter übrig als ein undefinierbarer Klumpen Fleisch der wie ein nasser Lappen auf den Boden klatschte und überall seine Blutspritzer hinterließ.

Zufrieden löste sich die dunkle Energie auf, denn sie hatte nun bewiesen wer hier der Herr im Hause war. Doch Edward würde sich nicht darauf verlassen nun die Kontrolle über dieses Monster zu haben. Irgendwann würde es wieder hungrig sein und dann würde es vielleicht einen unschuldigen Passanten treffen dessen einziges Verbrechen es war Edward zur falschen Zeit über den Weg gelaufen zu sein. Allerdings war die Sache mit Azathoth auch noch nicht ausgestanden. Eines Tages würde er wiederkommen so viel stand fest. Dieser Hase war nichts weiter als eine leere Hülle gewesen und wer wusste schon wo und wie er als nächstes Zuschlagen würde?

Ein Jaulen riss Derby aus seinen Gedanken als der Hund in seinem Arm sich meldete.

»Ja, ich weiß, es wird noch ein Nachspiel haben und du willst nicht dabei sein. Schon klar.«

 

»Für wen soll die Widmung sein?«, fragte die Schriftstellerin Sophia Csar als ihr ein weiteres Exemplar vom neunten Band von Sichelmond überreicht wurde, welches von einem großzügigen Gehaltschecks eines gewissen Managers eines gewissen Popsternchens erworben worden war.

Edward sah die Autorin unverwandt an. Es war das erste Mal dass sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstanden. Dem Detektiv verschlug es glatt die Sprache. Diese junge Frau mit den gewellten Haaren und kaum sichtbaren Sommersprossen hatte ihn also geschaffen? Es war kaum denkbar, dass eine so freundlich wirkende Person eine Figur in einem Buch derart teuflisch darzustellen vermochten.

»Kennen wir uns?«, fragte sie und hob verwundert eine ihrer leichtbuschigen Augenbrauen.

Derby blinzelte kurz, ehe er seine Sprache wiederfand. »Nein, wohl eher nicht.«

»Doch ich bin mir ganz sicher.«

Der Detektiv war froh darüber keine Glatze mehr und einen Arm weniger zu haben. Wer wusste schon ob sie ihn dann wiedererkannt hätte? »Bitte schreiben Sie für meine Mutter«, wechselte er das Thema.

Die Multimillionärin murmelte nur ein leises »Komisch«, ehe sie fragte: »Wie heißt denn ihre Mutter?«

»Anna.«

Mit schnellen Bewegungen huschte der Kulli über das Papier. Sophia Anna schlug das Buch zu und reichte es ihrer Romanfigur, diese jedoch machte keine Anstalten es entgegenzunehmen. Viel zu gerührt war Derby von diesem denkwürdigen Augenblick. »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich Sie in den Arm nehme?«

Verwundert stand die Schriftstellerin auf und nahm den Sohn in den Arm von dessen Existenz sie nichts wusste.

»Danke«, säuselte er ihr ins Ohr.

Sie würde nie erfahren wer Edward Derby wirklich war. Es war besser so und sollte Azathoth seine gierigen Finger wieder nach ihr ausstrecken würde der Detektiv da sein um sie – seine Mutter – zu beschützen.

 

Nach der Vorlesung hatte sich Derby in sein Büro zurückgezogen um ungestört im neunten Band von Sichelmond lesen zu können. Ehrlich gesagt wusste er nicht was er davon halten sollte. Sein Verschwinden aus der Romanreihe hatte sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf das Werk welches er gerade studierte. Auf der einen Seite wäre er vielleicht geschmeichelt gewesen sich wieder dort zu finden aber andererseits hätte er damit auch seine Freiheit eingebüßt. Obwohl er den Fans zustimmen musste, dass es ohne ihn nicht mehr das Wahre war.

Währenddessen schwamm sein Runenstein in einer Tinktur um sich wieder aufzuladen, da er im letzten Kampf seine gesamte Energie verbraucht hatte. Somit würde der Detektiv gut einen Tag auf seine magischen Kräfte verzichten müssen. Sei es drum. Er würde schon alleine klar kommen. Für solche Fälle hatte er immer einen Revolver in der Schublade den er nun zur Verteidigung im Halfter trug, während der graue Kiesel in seiner dunkelgrünen Flüssigkeit lag. Sobald das Wasser vollkommen klar sein würde und der Stein grün leuchtete wusste der Zauberer dass er wieder volleinsatzfähig war. Die Tinktur hatte ihm sein alter Lehrmeister in dieser Welt beigebracht, der sich an jenem schicksalshaften Tage neben ihn in einer Bar setzte und ihn dazu animierte sein Leben wieder aufzunehmen statt es in Alkohol zu ertränken. Jenes Individuum hatte ihm den Stein gegeben und das Rezept für die Tinktur welche die pure Kraft und Magie der Natur in sich barg.

Interessiert rasten die Augen des Detektivs die letzten Sätze des Nachwortes entlang. Als er damit fertig war, klappte er das Buch zu und packte es in eine Schublade. Es würde einen besonderen Platz in seinem Büro einnehmen, doch nun würde er es erst einmal dort lagern und sich ein Glas Bourbon gönnen. Zwar war der Alkoholismus des Zauberers nicht mehr so schlimm wie früher, aber dennoch weigerte er sich trocken zu werden. Solange er es im Griff hatte war alles okay. Mit seiner Hand schwenkte er das Glas hin und her, wobei er die Bewegungen des Alkohols verfolgte was von den Klängen des Fernsehers im Nebenzimmer begleitet wurde. Goldfische und Sekretärinnen sahen wohl niemals leise fern. Vor allem nicht wenn sie beides in sich vereinten.

Plötzlich klingelte das Telefon. Edward trank schnell aus, ehe er den Hörer abnahm.

Sie sind überfällig, mein Freund, meinte eine bekannte Stimme aus dem Hörer.

»Ach Sie sind es! Ja, ich entschuldige mich für diese Verspätung, doch in letzter Zeit hatte mein Büro viel zu tun.«

Kein Problem. Immerhin habe ich Zeit und unser Projekt befindet sich noch in Planung. Also, wen haben sie für uns gefunden?

»Okay, warten Sie mal kurz.« Edward klemmte den Hörer zwischen Kopf und Schulter und kramte mit seinem Arm eine Akte hervor die er kurz auf dem Tisch durchblätterte ehe er die richtige Seite fand. »Sind Sie noch da?«, fragte er als er den Hörer wieder in der Hand hielt.

Am Apparat.

»Okay, ich habe da einen der sie vielleicht interessieren dürfte. Sein Name ist Cletus Wade. Er sitzt gerade im Napoleon Komplex wegen siebenfachen Mordes.«

Das klingt nach unserem Mann. Was war sein Motiv?

»*Puh* Keine Ahnung. Er gab zu Protokoll dass er sich nur „amüsieren“ wollte.«

Perfekt! Ist gekauft. Und ich kann Sie nicht zum Mitmachen bei unserem Projekt überreden? Es soll Ihnen nicht leidtun.

»Nein, danke. Ich bin raus aus der Bösewicht-Nummer.«

Nun, Schade. Aber wir werden doch trotzdem auf ihre Dienste als Ermittler hoffen dürfen?

»Selbstverständlich. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«

Ihnen auch. Und damit hörte man nur noch das Freizeichen des Telefons.

Edward Derby hatte die Wahl. Er konnte der Schurke sein wenn er wollte doch nun war er frei und dies lässt sich erst dann wirklich erkennen wenn man den alten Zwang bewusst ablehnte.

 

The End

Die Kunst des surrealen Tötens

Kommt schon, Leute! Lest schneller diesen Comic-Schrott-Scheiß!

»Meine Augen brennen!«

Das interessiert mich einen Scheißfurzdreck! Wir müssen hier eine gewaltige Sendung auf die Beine stellen! Und wir haben noch immer nicht alles was wir brauchen. Jenkins, was haben wir und was fehlt uns noch?

„Wir haben einen dämlichen Helden und eine schäbige Diebin. Damit geben wir dem Zuschauer das Gefühl, dass es ihm eigentlich gut geht, eben dadurch dass er sieht wie schlecht es den Leuten in unserer Sendung geht. Uns fehlt noch Sympathie, Gewalt und Sex, das lieben die Zuschauer immer.“

Ich bin dir schon etwas voraus Jenkins. Ich habe nämlich-

„Chefchen! Ihre Frau wartet im Wartezimmer eins auf den Monatssex und die Praktikantin mit der sie derzeit verkehren befindet sich im zweiten Raum. Es geht um die tägliche Praxisausübung des Ehebruchs“, kam es aus der Gegensprechanlage am Konferenztisch zu dem sich alle Mitwirkenden für das Meeting versammelt hatten.

Danke, Dolores. Sagen sie den beiden sie sollen schon einmal anfangen. Und sagen Sie ihnen, dass sie beim Fingern an keinen anderen Schwanz als an meinem denken dürfen. Sonst werde ich sie häuten und mich an ihren Leichen vergehen.

„Wird gemacht, Chefchen.“

Ach, und Dolores? Ich wollte Ihnen noch sagen, was für eine wertvolle Arbeit sie für uns leisten. Sollte ich Sie aus einem launischen Impuls heraus auf grausame Weise massakrieren, werde ich an ihrer Beerdigung eine Zwiebel an eine meiner Nasen halten und so tun als würde mich ihr Ableben in irgendeiner Weise bekümmern.

„Auwwww, danke Chefchen“, sagte die Sekretärin Dolores sichtlich gerührt und legte auf.

Wo waren wir? Ach ja. Das mit dem Blut und der Gewalt habe ich einen Fachmann überlassen uns da einen geeigneten Kandidaten zu finden. Ich rufe ihn sogleich an.

Einen Moment… Es tutet... und… Sie sind überfällig, mein Freund.

»Ach Sie sind es! Ja, ich entschuldige mich für diese Verspätung, doch in letzter Zeit hatte mein Büro viel zu tun.«

Kein Problem. Immerhin habe ich Zeit und unser Projekt befindet sich noch in Planung. Also, wen haben sie für uns gefunden?

»Wieso darf er sich Zeit lassen und wir nicht?«, fragte einer der Angestellten, worauf er bloß von allen Seiten ein Schulterzucken erntete..

»Okay, warten Sie mal kurz.« Eine kleine Pause trat ein. »Sind Sie noch da?«

Am Apparat.

»Okay, ich habe da einen der sie vielleicht interessieren dürfte. Sein Name ist Cletus Wade. Er sitzt gerade im Napoleon Komplex wegen siebenfachen Mordes.«

Das klingt nach unserem Mann. Was war sein Motiv?

»*Puh* Keine Ahnung. Er gab zu Protokoll dass er sich nur „amüsieren“ wollte.«

Perfekt! Ist gekauft. Und ich kann Sie nicht zum Mitmachen bei unserem Projekt überreden? Es soll Ihnen nicht leidtun.

»Nein, danke. Ich bin raus aus der Bösewicht-Nummer.«

Nun, Schade. Aber wir werden doch trotzdem auf ihre Dienste als Ermittler hoffen dürfen?

»Selbstverständlich. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.«

Ihnen auch.

Okay, Leute, wir haben unseren Mann. Er wird wüten und die Gewaltlust unseres Publikums stillen. Sie alle wissen, was unser Ziel ist. Ich bin zwar schon reich, aber ich will noch verdammt viel reicher² werden und ich will sehen wie dieser Howard zerquetscht wird von seinen Feinden. Ich will ihn so richtig auf die Fresse fliegen sehen. Ich will-

„Chefchen, ich bin es wieder. Die Farbe aus dem All wäre dann da.“

Sagen Sie ihr, dass ich gleich komme. Ich muss noch meinen sexuellen Appetit stillen.

In Ordnung, wir machen nun zehn Stunden Pause und dann arbeitet ihr die Woche durch. Noch Fragen?

 

Cletus Wade saß in seiner Gummizelle im Napoleon Bonaparte Komplex und tat das was er sonst immer Tat wenn er niemanden tötete, nämlich daran zu denken wie man am einfallreichsten einen Menschen umbringen könnte.

Sein Fall von krankhafter Mordlust war weltweit einzigartig. Statt mit einer ganz speziellen Methode zu töten und diese wie sonst andere pathologische Mörder zu verfeinern und zu perfektionieren dachte er sich ewig neue unkonventionelle Mordarten aus. Ein jeder vermochte wie ein Fritz Haarmann kleine Jungen die Kehle mit den Zähnen zu zerfetzen oder wie ein Jack The Ripper Huren auszuweiden. Aber nur ein wahres Genie vermochte einen fünfjährigen Jungen mit elf stumpfen Löffeln zu erstechen. Wie er es getan hatte stellte viele vor ein Rätsel und er selbst hüllte sich zu dieser Tat in hysterisches Lachen ob der Dummheit und Einfallslosigkeit der gewöhnlichen Menschen.

Sein Psychiater versuchte sein Bestes um Cletus zu verstehen, doch dieser machte sich lieber über die Einrichtung lustig. Der erste Anstaltsleiter Amadeus Strange hatte wohl nicht mit dem menschlichen Humor gerechnet als er seine Anstalt nach einem berühmten Kaiser sowie Feldherren benannte, um dem Wahnsinn der Menschheit den Kampf anzusagen. Allerdings schien er selbst ein wenig geistig Umnachtet gewesen zu sein als er die Einrichtung als „Komplex“ bezeichnete. Somit wurde die Einrichtung trotz vieler Wegweisender Methoden von Spott und Hohn begleitet, da niemand das Bonaparte nutzte und es somit wegfiel. Zumal Amadeus Strange nach dem tragischen Verlust seiner Familie einer der ersten war die hier eingesperrt wurden.

Gerade saß einer der gefährlichsten Mörder dieses Komplexes vollkommen fixiert in seiner Zelle und lachte vor sich hin. Die Mitarbeiter der Anstalt hatten versucht ihn unter Drogen zu stellen, doch aus irgendeinem Grund hatten sie keine Wirkung auf ihn. Niemand wusste wieso und somit hatte Cletus es erneut geschafft alle gewöhnlichen Menschen vor ein Rätsel zu stellen.

Pst! Hey, du!

»Nein, ich kaufe kein A und Kekse schon gar nicht! Ich esse lieber die kleinen Kinder, die die Kekse verkaufen«, antworte Cletus auf die neue Stimme in seinem Schädel.

Hey, wer tut das nicht?, meinte die Stimme verschmitzt.

»Endlich mal einer von euch der mich versteht. Die anderen stellen immer so dämliche Fragen wie „Wieso tust du so etwas grausames?“ oder sie behaupten ihre eigene Gummiente zu sein. Es ist schön zu wissen, dass wenigstens eine Stimme in meinem Kopf weiß was Sache ist.«

Die Stimme lachte. Gut, gut. Ich sehe, wir werden prächtig miteinander auskommen.

»Prächtig?«, echote Cletus. »Man, aus welchem Jahrhundert habe ich dich denn her?«

Ich versuche mich etwas seriöser auszudrücken. Nicht so wichtig. Hör mal, du bist ein unmoralischer Mensch und daher möchte ich dir auch ein unmoralisches Angebot unterbreiten. Interesse?

»Solange es nichts mit Keksen zu tun hat, gerne.«

In Ordnung, ich gebe dir eine Superkraft. Die Kraft des surrealen Gedankentötens.

»Kann ich dann Leute mit meinen Gedanken killen, oder was?«

Ich weiß, der Name verwirrt viele. Aber es ist besser als der Name vermuten lässt. Du denkst dir aus wie jemand stirbt und dann wird es Wirklichkeit. Egal wie abwegig es ist.

»Wenn ich mir also beispielsweise vorstelle, wie ich einer Frau einen Liliputaner-Kannibalen in den Bauch rein operiere und mir dann vorstelle wie er sich daraufhin durch den Magen nach draußen frisst, passiert das dann? Und kann ich der Frau dann auch noch einreden, dass sie schwanger ist, wobei es eigentlich der Kannibale ist der sie so fett macht?«

Bei meiner Selbst!, tönte die Stimme. Das ist eine abartige Art jemanden umzubringen. Man muss schon ein wirklich gestörtes Drecksschwein sein um sich so etwas auch nur im Ansatz auszudenken und damit schmeichle ich dir noch. Scheiße noch mal! Ich bewundere dich! Jetzt mal im Ernst! Ich bin total allmächtig und könnte mir noch nicht einmal im Ansatz so eine geile Art ausdenken um jemanden so zu killen. Ich sage es vermutlich zum ersten Mal seit Anbeginn der Zeit, aber für alles gibt es ein erstes Mal: DU-BIST-MEIN-HELD! Man! Ich würde dich am liebsten Heiraten, wenn ich schwul wäre.

Cletus begann rot zu werden. »Danke, danke. Ich gebe mir auch viel Mühe. Also was ist jetzt?«

Du bekommst diese Fähigkeit. Sie ist nur für dich geboren worden, sagte die Stimme sichtlich gerührt. Gehe nun in die Welt hinaus und töte Menschen damit auf brutalste Art und Weise! Das Publikum will Blut sehen!

Es rasselte und dann wurde die Tür zur Gummizelle aufgeschlossen. »So, Mr. Wade, es wird Zeit für ihre Medizin.«

»Habe ich die Kräfte schon?«, fragte Cletus zur Decke gerichtet.

Klaro. Viel Spaß damit.

Mit einem bösen Lächeln sah der Psycho zum Pfleger der das Gespräch ignoriert hatte, da man nicht vergessen durfte wo sie sich befanden.

Schon immer hatte Cletus eine Fantasie besäßen die sich leider in der Wirklichkeit nicht umsetzen ließ. Und mit diesem Gedanken veränderte der psychopathische Cletus Wade zum ersten Mal die Realität.

Er befahl der Haut jenes Pflegers sich von ihm loszubeißen, worauf der arme Kerl in einer Sekunde ohne Haut dastand und darauf blutend und schreiend sich in seinen eigenen Qualen wand ehe er bald darauf elendig erstickte. Seine Haut unterdessen besaß ein Eigenleben und riss die nun mehr als seltsam aussehende Kleidung von sich wie ein wildes Tier, ehe sie damit begann die Zwangsjacke und die Fußfesseln jenes Irren der sie zum Leben erweckt hatte zu verzehren. Bei diesem Vorgang spritze überall das Blut umher welches der Haut noch anhaftete.

Als Cletus die Arme freibekam stand die Tür immer noch offen und so ging er beschwingt mit einem pfeifenden Lied auf den Lippen nach draußen, um dort zu wüten wie er gerade lustig war.

 

The End

Die Macht des Limbus

Du willst also eine Geschichte aus Rʼlyeh-City hören? Wenn nicht, Pech, ich erzähle sie nämlich so oder so. Was soll man als Erzähler auch sonst den lieben langen Tag machen?

Jedenfalls zog dieser Jason Gilman mit einer stillen Wut im Bauch durch die dunklen Gassen von Rʼlyeh-City. Aufgewachsen in dem heruntergekommensten Vierteln dieser vermaledeiten Stadt hatte Jason früh lernen müssen wie hart das Leben war. Von seinen Eltern vernachlässigt und regelmäßig misshandelt floh er von dort und kehrte nur selten zurück, höchstens noch um einige Zeit unterzutauchen. Inzwischen waren seine Eltern lockerer drauf, da er sie nicht mehr so oft belästigte und sie sich somit ungestört ihren Drogenkonsum zuwenden konnten.

Einst gehörte er der Falcone-Gang an, doch diese wurde leider von der Sal Maroni-Familie ausgelöscht. Einfach so hatte die Mafia sie alle abgeknallt, weil die Kids sich diesen alten Paten-Säcken nicht beugen wollten. Bloß Jason hatte aufgrund seiner eigenen Feigheit überlebt. Dies bereute er zutiefst und alles in ihm dürstete nach Rache.

Nachdem er sich wochenlang in seinem eigenen Selbstmitleid gesuhlt hatte, fasste Jason einen Entschluss. Lieber noch am gleichen Tag für seine toten Freunde sterben, als noch eine Sekunde als Feigling weiterzuleben. Mit seiner geliebten Eisenstange – genannt Brown Jenkin, weil dies der Name seines ersten Opfers war welches er zu Tode geprügelt hatte – im Gepäck machte sich Gilman auf die Typen zu killen die seine Freunde erschossen hatten.

Er folterte, erpresste und schüchterte jeden ein der seinen Weg kreuzte. Schließlich fand er die zwei Schweinchen in einem Nobelrestaurant sitzen. Ein Blick durch die Glasscheibe reichte um sie zu erkennen, denn ihre Fressen hatte sich in Jasons Gedächtnis eingebrannt. Doch anstatt einfach zu warten bis die beiden fertig mit dem Essen waren, ging er mit grimmigen Gesichtsausdruck auf das Restaurant auf der anderen Straßenseite zu. Achtete er auf die Autos? Nein, er ging schnurstracks auf das Gebäude zu. Das Tuten der Hupen kam gar nicht bei ihm an. Und als wäre das nicht schon genug, nahm das letzte lebende Mitglied der Falcone-Gang den direktesten Weg zu den beiden Killern. Sprich: Statt zur Rezeption zu gehen und dem Typen dort eine blutige Nase zu schlagen, zerdepperte er stattdessen das Glas hinter dem die beiden waren und fing an wie ein Irrer auf sie einzuprügeln, während es noch Glasscherben niederregnete. Den einem schlug er eine blutige Fresse, doch der zweite fing sich deutlich schneller und jagte dem Punk eine Kugel in den Kopf. Und das war es dann mit Jason Gilman und der Falcone-Gang. Ende.


„Chef, wir brauchen noch einen Sympathieträger. Irgendeine arme Sau wie etwa eine Hure mit einem Herz aus Gold.“

Wer mag schon so etwas? Eine Hure ist zum Ficken da und nicht um das Licht daran zu hindern in das schwarze Loch meines Herzens gesogen zu werden. Nein, wir brauchen irgendetwas Aggressiveres. Wir haben zwar diesen Wade, aber der ist mir beim Töten trotz allem zu positiv. Nein, wir brauchen irgendjemanden der einfach nur mordsmäßig angepisst ist. Werfen wir doch mal die Glotze an. Was haben wir denn da? Langweilig. Titten. Ah, Gewalt. Was macht der Typ denn da? Hat der denn keine Angst überfahren zu werden? Was zum-? Meine Fresse ist der Irre? Einfach so eine Scheibe zu zerdeppern? Und jetzt prügelt er auf den einen ein. Hm. Schade, jetzt ist er tot. Naja, was sollʼs. Dann suchen wir uns halt jemand anderen. Es sei denn… Ja, klar das wäre eigentlich die perfekte Lösung.

Arbeitssklaven, aufgepasst! Wir geben diesem Typen hier die Macht über den Limbus.

„Aber der Limbus ist eine Dimension des zerstörerischen Chaos in der nichts überleben kann! Selbst Sie können dort nicht existieren, Chef! Ist es wirklich klug einem Insekt die Macht zu geben einen Gott zu erschlagen?“

Solange es meine Brieftasche dicker macht? JA, Jenkins! Und Scheiße noch mal: JA! Es wird so gemacht und ich will keine Widerworte von euch Arschkriechern hören!


Jason war tot, er wusste es und ihm war es egal. Er hatte bekommen was er wollte. Plötzlich näherte sich eine Präsenz durch das Dunkel. Auch wenn der Tod dunkler war als schwarz, so war dieser große Fleck noch um einiges finsterer und hob sich dadurch ab.

Dein Job ist noch lange nicht erledigt, mein Lieber, sagte diese formlose Gestalt mit einer unbeschreiblich unmenschlichen Stimme.

»Ich gab mein Leben für die Gang. Es gibt nichts mehr für mich von Bedeutung.«

Ach?, und hierbei konnte Jason die Stimme fast schon hämisch grinsen sehen. Ist das so?

»Hey, man, räche uns! Diese Bastarde sollen leiden für das was sie uns allen angetan haben«, schrie Bruce, doch er schien so unendlich weit weg zu sein.

»Genau!«, meinte Dick.

Jason ließ erschöpft den Kopf nach hinten sinken und überlegte. »*Seufz* Wisst ihr was? Ihr verdammten Arschgeigen habt vermutlich recht. Eine eingeschlagene Birne ist noch zu gut für diese Motherfucker. Allerdings sind wir jetzt alle tot. Es macht also keinen Unterschied mehr.«

Meine Fresse, bist du lässig!, tönte die Stimme. Du hast dich sofort mit deinem eigenen Tod abgefunden. Aber da du erst vor kurzem verreckt bist, ließe sich da etwas machen. Ich gebe dir das Werkzeug und du sorgst dafür, dass sie büßen werden. Abgemacht?

»Was habe ich schon zu verlieren. Aber sag mal, wie willst du das machen? Bist du eine Art Jesus oder so etwas?«

Was für eine religiös-fanatische, irre Knalltüte bist du denn?! Ich will nur sehen wie du die Typen fertig machst, sonst nichts. Aber wieso eigentlich bei diesen beiden Killern aufhören?

»Was meinst du damit?«

Nun ja, diese Kerle tun eigentlich nur das wofür sie bezahlt werden. Es wäre nicht zu Ende gedacht es bei ihnen zu belassen.

»Ja, aber-«

Doch die Stimme fuhr ungerührt fort. Wieso mussten Bruce und Dick denn sterben? Hm?

Jason rekelte sich in der Finsternis in eine entspanntere Körperposition. »*Ächzend* Weil die Mafia keine unabhängigen Schläger in ihrem „Gebiet“ duldet.«

Und somit geht ihr Tod auf das Konto von…?

Jasons Augen weiteten sich, um darauf dann zu schmalen Schlitzen zu werden. »Die Sal Maroni-Familie!«, knurrte er.

Und somit wäre es nur gerecht wenn du ihren Haufen genauso aufreiben würdest, wie sie deinen, nicht wahr?

»Verdammt richtig!«

Ergo wäre es nur gerecht sie samt und sonder auszulöschen. Hier hast du deine Kraft. Du herrscht nun über den Limbus und ziehst alles dort hinein was du berührst und wenn du gut bist kannst du noch ein wenig mehr damit anfangen. Ich muss nun los. Ich habe noch einen Termin. Bis denne!

Voll von Wut und Zorn schrie Jason sie beide in die Leere hinaus. Er spürte wie sich das Dunkel lichtete und er hörte sogar bereits Stimmen aus dem Diesseits.

»Alles okay bei dir? Du siehst echt nicht gut aus, Liebster. Geh du mal zum Arzt, ich halte hier die Stellung.«

»Du bist ein echter Schatz. Danke, Liebling«, kam es zwischen zwei geschwollenen Lippen hervor.


Es vergingen wohl einige Minuten ehe Jason wieder zu sich kam, denn als er die Augen aufriss war von dem verprügelten Mafiakiller nichts zu sehen. Seine Wut hatte er sich während der Reise ins Diesseits beibehalten können. Obwohl er eigentlich mit dem Loch in seinem Kopf tot sein sollte, so machte es ihm nichts aus. Er stand auf und baute sich zu voller Größe auf.

»*Keuch* Was zur Hölle-?!«

Der angepisste Teenager spürte dass sich etwas verändert hatte. Etwas Fremdes hatte sich in seinen Körper eingeschlichen und es begehrte auf und wollte raus, wie Wasser wenn es den Damm zu sprengen drohte. Und mit einem Schrei ließ Jason ihr freien Lauf. Seine Adern traten rot hervor, genau wie seine Augen. Die Haare begannen abzustehen und bewegten sich als wären sie unter Wasser. Ein graues Leuchten hüllte den jungen Mann nun ein und durch diese Aura sah man eine verschwommene und zerfallene Version unserer Realität. Er machte einen festen Schritt nach vorne. Die Glassplitter unter seinen Schuhen verdampften zu Rauch und die Abdrücke brannten sich in den Teppich ein, jedoch ohne Feuer zu zünden.

Vor Schreck fiel der Mafiosi nach hinten und zielte mit zitterndem Arm auf Jason. Er feuerte schreiend ein paar Kugeln ab, doch diese überlebten keine Nanosekunde im Limbus. Nichts konnte dort existieren und atmen, bis auf Jason höchst selbst. Mit einer zielsicheren Bewegung griff jener nach der Gurgel seines Opfers. Das graue Leuchten breitete sich auf dem Körper seines Feindes aus. Innerhalb kürzester Zeit krempelte sich das Innere nach außen und begann in flehenden Bewegungen zu zerfallen. Dieser Vorgang schien äußerst schmerzhaft zu sein, da der Mafiosi ununterbrochen schrie bis sein Kehlkopf implodierte.

Mit einem genüsslichen Lächeln sah Jason seinem Opfer beim grauenhaften Krepieren zu.

Als seine sterblichen Reste vom Limbus vertilgt wurden, starrte der Junge verträumt ins Nichts. In der letzten Stunde war so viel passiert. Zu viel, als dass er einfach so damit klar kommen konnte. Er brauchte Zeit um all das zu verarbeiten.

Er leistete keinen Widerstand als die Bullen kamen, da einige Leute die Polizei angerufen hatten. Gäste, Anwohner, Passanten, Angestellte im Restaurant. Die Liste war schier endlos. Sie führten Jason in Handschellen ab. Er ließ es sich gefallen. Zuerst würde er über alles gut nachdenken und dann wenn seine Zeit reif war würde er diese Pisswichser massakrieren.


In Ordnung, den wären wir fürs erste los. Wenn der gleich zu Anfang auf unseren Helden trifft, dann stirbt er uns zu schnell weg. Also weg mit diesem Jimmy, oder James oder wie er noch mal hieß und ihn dann rausholen wenn er nützlich sein kann. Das wird ein Spaß werden.


The End

Nackt gestrandet

Würden die USA mehr auf ihren Umweltschutz achten, hätte Eddy Blake aus Rʼlyeh-City vielleicht gesehen, was ihn an eben jenem Abend zu treffen drohte, doch wir greifen den zukünftigen Ereignissen vor.

Die Geschichte begann eigentlich damit wie Eddy rauchend auf einer Parkbank in Rʼlyeh-City saß und verträumt zum pechschwarzen Himmel starrte. Wolken gab es keine, doch die Atmosphäre über der Stadt war so dreckig, dass das Funkeln der Sterne nicht durch die Schmutzpartikel drang.

Gelangweilt blickte er auf seine Armbanduhr, während das Mädchen an seiner Seite ihm ein Ohr abkaute. Er war sich nicht sicher, aber er glaubte, ihr Name war Laurel. Beschworen konnte er es zwar nicht, aber letztlich war es auch egal. Seiner Vorstellung nach ging der Charakter einer Frau nie über das Reich des eigenen Heimes hinaus. Hausputz, kochen, ficken und gebären, mehr konnten diese niederen Wesen nicht. Und das Exemplar des weiblichen Geschlechtes neben ihn bestätigte ihn in der Annahme, dass Frauen lediglich existierten um ihm zu bedienen und seine Gelüste zu befriedigen. Diese Laurel tat nämlich nichts anderes als sich neben ihm die Augen auszuheulen, während sie sich darüber ausließ wie schmerzlich doch das letzte Veilchen war welches er ihr verpasst hatte. Aber was hatte sie auch geglaubt, was er tun würde, wenn sie… Ja, weswegen hatte er sie noch mal geschlagen? Gab es dafür einen Grund oder galt es nur ihr zu zeigen wer hier der Chef war? Er wusste es nicht mehr und es war auch nicht wichtig. Sie hatten sich jedenfalls darauf drei Tage lang nicht mehr gesehen und dann rief sie ihn an um ihm mal „die Meinung zu geigen“, wie sie behauptet hatte. Doch Eddy war sich bewusst, dass dies nur ein Vorwand gewesen war. Er hatte es schon oft genug erlebt wie die Weiber immer angekrochen kamen. Aber damit es ihnen besser ging, mussten sie sich erst mal alles bei ihm von der Seele reden, das half ihnen dabei ihre Rolle besser zu akzeptieren. Es gab dabei nichts was Blake nicht schon mal irgendwo gehört hatte. Von den Warnungen der Mutter bis zur angeblichen Emanzipation der Frau.

Meine Fresse, wenn die Weiber wirklich unabhängig sein wollen, dann frage ich mich wieso sie sich immer nach einer starken Hand sehnen die ihnen eine verpasst?, fragte sich der Kerl in der Lederjacke, während er darüber sinnierte ihr erneut ins Gesicht zu schlagen, da sich dieses Gespräch, welches eher ein Monolog war, wirklich hinzog. Ab und an wurde ihre nervtötende Stimme etwas durch die stetigen Schusswechsel im Park gedämpft, ebenso wie von dem Verkehrslärm der Stadt. Doch das war nur ein schwacher Trost.

»… wenn du mich noch einmal anfasst, dann werde ich-«

»Schon klar, Babe. Ich habe meine Lektion gelernt und ich bereue was ich getan habe«, leierte Eddy seinen Part sichtlich lustlos herunter, da er sich diesmal für eine andere Strategie entschieden hatte. Er beugte sich zur ihr rüber, doch sie zuckte instinktiv zurück, da er ihr auch öfters mal eine Kopfnuss verpasst hatte. »Lass mich dir zeigen wie leid es mir tut.«

»Oh, Eddy«, kam es verlegen von Laurel.

Frauen sind wirklich das dümmste auf der Welt.

Damit beugte er sich zu ihr rüber und gab ihr einen Zungenkuss. Es war ein Kunststück dabei nicht die eigene Zigarette aus dem Mund fallen zu lassen, doch er hatte Erfahrung darin. Als er sich von seinem Eigentum löste, meinte er: »Und jetzt geh Nachhause und räum da auf, es sieht dort aus wie ein Saustall.«

Es galt hier erneut zu zeigen wer das Sagen hatte.

»Für dich doch immer«, erwiderte sie mit einem freundlichen Lächeln.

Als sie aufstand gab ihr Blake noch einen strammen Klaps auf den Arsch, der ihr ein erschrecktes »Huch« entlockte.

Er schaute ihr gedankenversunken hinterher. Ihm war vorher nicht aufgefallen, dass die blöde Sau eine Sonnenbrille am Abend trug. Eigentlich müsste sie schon längst wissen wie man blaue Flecken im Gesicht besser kaschierte.

Ein Saustall für eine dumme Sau mit geilen Titten, dachte er ironisch und brachte sich selbst damit zum Grinsen.

Doch dieser mehr als grenzdebile Gedanke würde ihn teuer zu stehen kommen, denn aus den Weiten der endlosen Leere des Weltraums stieß ein gewaltiger Komet direkt auf ihn zu. Allerdings war dies weder dem Kometen noch dem Sexisten bewusst. Erst als der Gesteinsbrocken in die Erdatmosphäre eintrat und dort zu einem kleinen Klumpen verglühte, um darauf dann mitten in Eddys Schritt zu landen. Schreiend stand er auf, ließ unbewusst die Zigarette fallen und schlug mit leichten, flachen Handbewegungen auf das Loch drauf, um die Ränder daran zu hindern seine Jeans vollkommen in Flammen aufgehen zu lassen. Nachdem die Brandgefahr gebannt war, fingerte der Prolet unsicher in dem Loch hin und her, bis das Gestein aus dem All herausfiel. Da er unter Schock stand, merkte er gar nicht, dass er keinerlei Schmerzen verspürte. Stattdessen hob er verwundert das Objekt auf, ließ es dann aber erschrocken fallen, als es in einem unheimlichen Licht aufleuchtete. Es war jedoch weniger die Tatsache, dass es leuchtete als mehr die Farbe in der es dies tat. Eddy war beileibe kein Genie, doch mit Farben kannte er sich wie jeder Mensch einigermaßen aus. Aber dieses Leuchten war eindeutig nicht von dieser Welt, da es sich farblich zu keinem auf der Erde befindlichen Spektrum zuordnen ließ.

Einige zähfließende Augenblicke lang versuchte der Kerl mit seinem kleinen Gehirn die ganze Situation zu erfassen, doch es gelang ihm nur zum Teil. Plötzlich wurde er sich bewusst WO genau der Himmelskörper ihn getroffen hatte. Dies, in Kombination mit der Erkenntnis in was für einem Licht der Meteorit geleuchtet hatte, ließ ihn böses erahnen. Angsterfüllt griff er in seine Hose, um sich auch zu vergewissern, dass dort alles in Ordnung war. Wer wusste schon wie sich so etwas auf die männliche Potenz auswirkte? Vermutlich sollte er deswegen mal einen Mediziner aufsuchen. Nach seiner Definition war ein Kerl der keinen ohne weiteres hochbekam kein echter Kerl mehr. Viagra war etwas für Pussys sämtlichen Geschlechtes, so seine Meinung. Doch es sollte noch schlimmer kommen, als er befürchtete.

Als er sich nämlich durch seine Unterhose, auf der Suche nach Nüssen, wühlte, stellte er fest, dass dort gar nichts war. Er tastete sich weiter voran und traf anschließend etwas Warmes und Feuchtes. Erschrocken fuhr er zurück.

»Was ist das?!«, schrie er mit ungewöhnlich hoher Stimme.

Entsetzt hielt er sich die Hand vor dem Mund. Plötzlich wurde ihm extrem warm. Sein Magen drehte sich um und sein Körper schwoll an den seltsamsten Stellen an.

»Fuck! Was ist das für ´ne Scheiße!«, schrie er weiter und versuchte seine Brust am Anschwellen zu hindern, was ihm jedoch nicht gelang. Stattdessen merkte er wie empfindlich sie waren, er selbst hatte an den Brüsten immer mit aller Kraft gezogen und gequetscht. Doch nun merkte er am eigenen Leibe wie Scheiße sich das doch anfühlte. Der Muskelansatz seiner Arme schwand zusehends dahin, während die Hose an den Hüften und dem Hintern unangenehm eng wurde und drohte die Jeans bersten zu lassen. Eddy verfluchte sich selbst dafür, dass er immer so enge Klamotten trug, wobei ihm dadurch entging, dass sein Körper etwas in sich zusammenschrumpfte. Vielleicht hätte er die Aussage bezüglich seines Kleidungsstils auch in den Nachthimmel geschrien, wäre da nicht eine unsichtbare Kraft gewesen die an seinem Gesicht gezogen und seine dortigen Knochen verändert hätte. Die Hitze steigerte sich unterdessen immer weiter und ließ die Kleidung verdampfen, bis er nackt dastand. Unterdessen überkam ihm Scham und der Wunsch über seine Gefühle zu reden und all den Frust sowie die Peinlichkeit dieses Abends durch eine Shoppingtour verschwinden zu lassen. Sofort nahm Eddy Abstand von derlei weibischen Gedanken. Allerdings traten sie immer stärker erneut auf, egal wie sehr er auch dagegen ankämpfte mit seinen Gedanken an Hardcore-Lesben-Pornos und Automobile. Seine Lippen blähten sich währenddessen auf und unterhalb des rechten Nasenflügels machte sich ein Schönheitsfleck breit. Seine schwarzen Haare färbten sich braun und er spürte wie sie wuchsen und auf seine schmalen Schultern fielen, um schlussendlich auf dem Rücken zu landen, während sein Verstand mit neuen Erinnerungen und Eindrucken von fremden Welten überflutet wurden, die sich ein begrenzter Verstand wie seiner niemals im Leben hätte ausmalen können. Als seine Augen sich von einem dunklen Braun in ein eben jene Farbe veränderten in welcher der Meteorit geleuchtet hatte, verschwand auch der letzte Rest von Eddy Blake. An seiner Stelle trat nun die Persönlichkeit von Sally Walters. Dies war zwar nicht ihr richtiger Name, doch irgendeinen brauchte ihre Rolle für die Arkham-Spirit-Show ja ohnehin.

Frierend zuckte das Alien in Gestalt einer schönen Frau zusammen und rieb sich wärmend die Arme. »Ist das Arschkalt hier«, murrte sie.

Wieso kommen die Leute immer bei mir an und beschweren sich?

»Vielleicht, weil Sie der Chef hier sind?«, fragte die Farbe aus dem All unsicher, welche sich wie ein Parasit im menschlichen Körper von Eddy breit gemacht hatte und ihn veränderte.

Jedoch war sie nicht wirklich die Farbe aus dem All, dies war ihre Mutter gewesen und Sally selbst war nur eine von vielen Töchtern. Somit war sie EINE Farbe aus dem All und nicht DIE Farbe aus dem All die wir alle kennen und lieben.

Mein Reden. Ich bin hier der Boss und von daher ist es mir scheißegal was ihr alle denkt und sagt und macht und tut. Am liebsten würde ich euch allen die Münder abreißen, damit ihr mal aufhört zu jammern.

Einen Augenblick herrschte Stille.

»So, wo sind nun meine Klamotten, mein Wohnwagen, meine Skla- … äh, ich meine natürlich Assistenten oder Praktikanten oder wie man diese unterbezahlten Arbeitskräfte auch nennen mag?«

Och, die… Na ja, wie kann ich dir das nur schonend beibringen?, sinnierte die Wesenheit mit übertriebener Reue. Ich habe gelogen, so jetzt ist es raus.

»Wie darf ich das verstehen?«

Ich habe dich ganz einfach One-Way auf diesem Planeten ausgesetzt, damit du zum Vergnügen des Publikums durchs Bild laufen kannst.

»Das ist doch nicht dein Ernst?!«

Was ist auf einmal aus dem Siezen geworden?

»Scheiß auf die Höflichkeitsfloskeln! Ich will sofort hier weg!«

Wie gesagt: One-Way-Ticket.

»*Grrrrr* Ich bin eine ernsthafte Schauspielerin und KEINE Pornodarstellerin!«

Seit wann nimmt man denn Frauen ernst?, gluckste die Stimme in ihrem Kopf.

»Das ist das Problem an unserer Gesellschaft! Feministinnen werden einfach nicht ernst genommen weil unser Universum von Schwanzträgern beherrscht wird!«

Wie gesagt, wir brauchten nacktes Fleisch, deshalb kannst du keine Klamotten tragen und musst die ganze Zeit über nackt herumlaufen.

Ein plötzlicher Schmerz ließ Sally sich ganz klein machen. Jede Faser ihres Körpers schmerzte und drohte in seine atomaren Einzelteile zerrissen zu werden.

Ah ja, bevor ich es vergesse: Die Atmosphäre dieses Planeten ist tödlich für dich. Du kannst in ihr nicht längere Zeit überleben. Du musst dich schon von der Energie der hier befindlichen Lebewesen ernähren. Trink ihr Blut oder so etwas. Vampire sind laut Marktforschung gerade voll im Trend.

»Ich scheiß auf deine Statistiken!«

Gut, dann eben kein sexy Vampir. Aber irgendwie musst du überleben. Solltest du sterben, werden wir einfach die nächste Schlampe von der Warteliste nehmen. Talentfreie Schauspielerinnen mit geilen Titten gibt es mehr als genug im Universum. Ich muss nur in meine Liste der Verzweiflung gucken und schon ist die Nächste da wo du gerade bist.

Das wäre ja noch schöner, ächzte Sally innerlich. Ich werde hier irgendwie überleben und zurückkehren, um diesem Bastard seinen Schwanz abzuschneiden und an die Wand zu nageln.

Übrigens kann ich deine Gedanken lesen. Am liebsten würde ich ja auf diese Schwanz-an-die-Wand-nageln-Geschichte eingehen, aber ich muss dann auch mal. Nur zur Info, hinter dir ist gerade ein fetter Kerl der dich mit seinem Handy fotografiert.

Sally drehte sich um. Sie hatte nichts übrig für diese Insektenart die sich Menschheit schimpfte und daher keine Skrupel einen von ihnen zu töten um noch länger hier durchzuhalten. Diese Genugtuung würde sie dem Herrscher der Realitäten nicht geben. Sie ging auf den verschwitzten Kerl zu und drückte ihre Lippen gegen die seinen. Als sie ihm seine Lebensenergie aussaugte, zogen sich seine Schweinsäuglein mit einem *Plopp* aus den Schädel zurück. Seine gewaltige Körpermaße schrumpfte zusehends und selbst seine Knochen lösten sich auf, während die Haut grau sowie spröde wurde. Am Ende war nichts von ihm übrig geblieben außer seiner spröden Haut und der losen Kleidung.

Grummelnd und mit einer Mordswut im Bauch schritt Sally Walters auf die Lichter der Stadt zu. Sie würde sich zunächst einmal umsehen müssen. Es galt sich hier vorerst eine kleine Existenz mit dem nötigsten aufzubauen und dann würde sie diese Dreckskugel eines Planeten verlassen, um darauf nach ihrer Rache wieder zurück ans Theater gehen zu können. Für eine derartige Billigproduktion war sie eindeutig überqualifiziert.


The End

Imprint

Text: EINsamer wADERER
Publication Date: 07-24-2014

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