Wie von Zauberhand haben mich meine Füße zur Pont des Arts, der "Brücke der Verliebten", gebracht. Innerlich sträubt sich alles gegen dieses Wiedersehen hier in Paris über der Seine. Dennoch haben meine Beine mich hierher, direkt vor unser kleines, rotes Vorhängeschloss getragen. Dem traditionellen Liebesbeweis, den ich zusammen mit Henry vor genau zwei Jahren hier angebracht habe. Ich erkenne es sofort, obwohl es in einem Meer von Vorhängeschlössern, das die Metallgitter der Geländer ziert, untergeht. Unser kleines, knallrotes Liebesversprechen, das nun langsam Risse bekommt. Mein Körper ist mit einem Mal schwer wie Blei, genau wie mein Herz. Heute ist Silvester und die herabfallenden Schneeflocken kitzeln meine Nase, genau wie vor zwei Jahren, als Henry und ich hier oben zusammen standen und uns gegenseitig wärmten. Doch heute stehe ich allein auf der Liebesbrücke und einzig die Taschenwärmer, die meine Schwester mir zu Weihnachten geschenkt hat, wärmen meine Hände. Tränen füllen meine Augen, denn ich werde nie wieder mit Henry hier oben stehen können und er wird mich nie wieder wärmend und schützend in seine starken Arme nehmen. Ein Autounfall hat ihn im Sommer darauf aus dem Leben gerissen. Hat ihn mir aus den Händen und aus meinem Herzen gerissen. Von einer Sekunde zur nächsten war Henry fort. Der Unfall, meine bisher schlimmste Tragödie, liegt nun fast genau anderthalb Jahre zurück. Doch mein Leben geht weiter, muss weiter gehen. So sagen es zumindest die Menschen um mich herum. Aber sie können diesen Albtraum nicht nachempfinden, den ich erlebt habe. Niemand kann das. Nur jemand, dem das Gleiche widerfahren ist, kann diesen abgrundtiefen Schmerz verstehen.
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