Gefällt mir gut Deine Variante vom Aschenputtel-Märchen - verlagert in die heutige Zeit. Das Thema hatte auch mich interessiert und ich habe ein Buch darüber geschrieben: 'Cinderellas Wahl'.
http://www.bookrix.de/_title-de-phil-humor-cinderellas-wahl
http://www.phil-humor.de/Cinderellas_Wahl.htm
Ich vermute dieses Märchen-Thema bleibt immer aktuell, denn wer auf der Welt fühlt sich nicht gelegentlich wie Aschenputtel? Man selber sieht oft andere, die angeblich erfolgreich sind und denen es ausgezeichnet zu scheinen geht. Doch wenn man nachfragt, mit ihnen ins Gespräch kommt, von eigenen Schwierigkeiten erzählt und seelischen Nöten, dann rücken auch sie heraus mit kleinen Zugeständnissen, dass ihnen das Leben nicht immer so leicht fällt, wie es den Anschein haben mag. Mancher vermag nur besser seine seelischen Wunden und Narben zu verbergen, zu kaschieren.
Lizzys Welt begann sich zu verändern, als sie bereit war Sympathie, die ihr entgegengebracht wurde, als solche zu erkennen und anzunehmen. Wenn man Sympathie beständig mit Mitleid verwechselt, dann mag es sein, dass man verärgert reagiert, statt erfreut zu sein, dass einem andere helfen, beistehen wollen - weil sie die momentane Notsituation von einem erkannt haben.
Du hast recht: Es allen Recht zu machen, damit erreicht man das Gegenteil. Lizzy hat sich verbiegen lassen - wie sie sich selber eingestehen muss. Hat nachgegeben dem Drängen, den Wünschen, den Forderungen der anderen. Nur um sympathisch zu wirken.
Wenn man diplomatisch ist, das ist so wie Judo oder Karate: man nutzt die Kraft des anderen, nutzt seinen Schwung mit aus. Doch es ist in erster Linie Abwehr-Sport. Kein Angriffs-Sport. Dient eigentlich der Fairness. Diplomatie verwechseln viele mit Schwäche. 'Man müsse auf den Tisch schlagen und seine Forderungen durchsetzen und überhaupt müsse man alles alleine machen, auf andere sei kein Verlass'.
Im Gegenteil: auf andere ist Verlass, wenn man sich auf sie verlässt. Wenn man ihnen zeigt, dass man ihnen vertraut, und dass man ihnen zutraut, dass sie dieses ihnen entgegengebrachte Vertrauen wert sind und ihm gerecht werden können.
Die Frauen scheinen sich diese machohafte Art des Denkens immer mehr anzueignen, so wie immer mehr Frauen angefangen hatten zu rauchen. Ist das wirklich Emanzipation - die schlechten Angewohnheiten der Männer imitieren und toppen zu wollen?
Frauen haben von Natur aus die Neigung, die Fähigkeit zur Diplomatie. Alles auf einmal wahrnehmen - die gesamte Situation auf einmal erfassen können: das können Frauen wesentlich besser als Männer.
Männer nehmen sehr selektiv war. Intensiv zwar, aber hochselektiv - und vernachlässigen die Randbereiche, das Drumherum - das Ambiente, was mitunter die eigentliche Bedeutung einer Situation verändert, verschiebt, nuanciert. Dadurch geben Männer mitunter ungeschickte Antworten, weil die Antwort nicht zum Gesamtzusammenhang gehört. Sie greifen sich einen Teilbereich heraus und analysieren diesen ausführlichst.
Nun denn - Diplomatie könnte Lizzy auch weiterhelfen - sie sollte nun nicht in das andere Extrem verfallen und einem Lebensstil huldigen, der sie selber an oberste Stelle setzt in ihrem Universum. Rücksichtnahme, Freundlichkeit ist nicht ohne weiteres gleichzusetzen mit Schwäche.
Sich verbiegen lassen durch andere, nachgeben um jeden Preis: das verschafft keine Zufriedenheit, kein Seelenglück. Doch beständige Konfrontation ebensowenig. Ausgleich der Interessen. Altruismus und Egoismus geschickt verbinden: 'Liebe Deinen Nächsten wie AUCH Dich selbst'. Ich habe das AUCH hinzugefügt, denn sonst ergibt dieser Satz keinen Sinn, denke ich, wenn man ihn deutet und versteht ohne das implizierte 'AUCH'. Man muss es in Gedanken mitlesen.
Denn der Schwerpunkt, die Betonung liegt nicht auf der Gleichartigkeit, der gleichen Stärke, mit der man sich und den Nächsten lieben soll, sondern es geht um die Tatsache, dass man überhaupt sich selber UND den Nächsten lieben sollte. Beides ist miteinander vereinbar. Darum geht es wohl. Dank unserer Empathie können wir Menschen leicht nachvollziehen, wie es im Inneren unseres Gegenüber, oder des 'fernen' Nächsten - im Zeitalter des Internets - aussieht.
Es ist wohl kein Zufall, dass die asiatischen Kampfsportarten diesen Aspekt betonen: das Berücksichtigen der Kraft des Gegners bei den eigenen Bewegungen, bei der Kalkulation wie sie einem Angriff begegnen. Das westliche Boxen oder Kickboxen haut auf den Gegner ein, als sei er ein Sandsack.
Es geht wohl schon im Ansatz um eine andere Sicht der Dinge: bei dem Kung Fu der Shaolin-Mönche ist der Gegner kein Gegner sondern Partner - der Kontrahent bietet ihm die Möglichkeit seine eigenen Fähigkeiten zu vervollkommnen, dazu zu lernen. Eine Auseinandersetzung als Chance etwas zu lernen, sich selbst zu vervollkommnen. Eine willkommene Gelegenheit. 'Kung' heißt Errungenschaft und 'Fu' Mensch.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kung_Fu - Dort steht:
'[Kung Fu ist das] Unterfangen des Menschen, sich durch ständiges Bemühen zu vervollkommnen. ... In diesem Sinne ist Kung-Fu die Arbeit an der eigenen Person durch die konsequente Hingabe an eine Kunstfertigkeit.'
Lizzys ganzes Leben hat sich durch diesen einen Tag verändert, den Du beschrieben hast.
Eine kleine Veränderung der Sichtweise: kein Gegeneinander - sondern ein Miteinander. Die Fakten mögen die gleichen bleiben.
Es gibt überall Missgunst, Neid, Raffgier, Habsucht, Anmaßung - sowohl bei sich selbst als auch bei seinen Mitmenschen. Das ist menschlich. Wir sind keine Engel. Aber dieses Konglomerat an diversen Impulsen und Kraftlinien so zu betrachten als ein Miteinander, dass wir alle ein Spiel spielen, bei dem wir etwas lernen können voneinander - das erhöht den Lebenswert ungemein.
Gleichwohl ist es schön, wenn einem jemand beisteht in der Not und Seelennot, so wie Mike seiner Lizzy. Nur, wie gesagt, diese Hilfe hätte sie schon früher haben können - so schilderst du es ja: Lizzy hätte früher erkennen müssen, dass Mike es ehrlich meint.
LG
Phil Humor