Natürlich kommt dem Zufall eine große Bedeutung zu, und gerade deshalb bleibt er immer höchst problematisch. Und da ja bekanntlich in der Natur nichts sinnlos ist, steckt auch hinter Zufällen immer so etwas wie eine absolute Notwendigkeit, welchem den ’Zufälligen’ unbedingt zu seinem Eintreffen verhilft. Und wenn uns etwas zufällig erscheint, dann nur, weil wir seinen tieferen Sinnzusammenhang nicht verstehen. Erkennen wir... Show more
Natürlich kommt dem Zufall eine große Bedeutung zu, und gerade deshalb bleibt er immer höchst problematisch. Und da ja bekanntlich in der Natur nichts sinnlos ist, steckt auch hinter Zufällen immer so etwas wie eine absolute Notwendigkeit, welchem den ’Zufälligen’ unbedingt zu seinem Eintreffen verhilft. Und wenn uns etwas zufällig erscheint, dann nur, weil wir seinen tieferen Sinnzusammenhang nicht verstehen. Erkennen wir ihn hingegen, verliert der Zufall alles Zufällig (seine Spontaneität) und wird nur allzu schnell zum Gesetz erhoben, ohne zu bedenken, dass ein Gesetz dem Grunde nichts anders als einer der Natur abgemerkte Regel ist, wonach sich bestimmte Erscheinungen unter gleichen Bedingungen beliebig wiederholen. So gesehen bleibt es nichts anderes, als eine allgemein ausgesprochene Tatsache un fait generalise, und eine komplette Darlegung aller Naturgesetze nichts anders als ein Tatsachenregister, welche durch ihre Morphologie das Gestalten der organischen Natur durchaus aufzuzählen, zu vergleichen und zu ordnen vermag, - über ihr Zustandekommen hingegen nichts weiter sagen kann, sie lediglich als gegeben vorausnimmt. Oder anders ausgedrückt – selbst im Chaos, als vollkommenster Ausdruck des Zufalls, herrscht eine Ordnung, allerdings in einem anderen Sinne, der mathematisch nur schwer zu fassen ist. Daraus folgt, dass mathematisch nur schwerlich oder gar nicht Fassbares nur allzu schnell mit ’Zufall’ abgetan werden und die Welt ist wieder in Ordnung. Und wenn vor einigen Jahren im österreichischen Galthür eine gewaltige Lawine in die Ortschaft brach, dabei viele Häuser unter sich begrub und erst im Ortskern vor der Kirche buchstäblich dem Eingangstür zum Stehen kam, so ließe sich das sicherlich mit physikalischen Gesetzen im Nachhinein nachweisen. Doch die Notwendigkeit, gerade dort zum Stehen zu kommen, gibt dem Zufall eine sehr seltsame Färbung. Solche Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, und immer werden sie als zufällig abgetan, weil sie über ein entscheidendes Manko verfügen – sie sind nicht nachweisbar. Somit kann wieder einmal nicht sein, was nichts ein darf. So viel zu weiteren Gedankenanstößen in eine sehr heikle, aber überaus interessante Richtung.
Hallo Herr Herden,
zunächst erst mal meinen Respekt für Ihre tieferen Ausführungen zum Gedanken der Zufälligkeit, welche nachzuvollziehen und zu verstehen ein größeres Vertiefen bedarf und welchen zu entsprechen nicht mir einfach erscheint (zu schnell redet man aneinander vorbei.... Show more
Hallo Herr Herden,
zunächst erst mal meinen Respekt für Ihre tieferen Ausführungen zum Gedanken der Zufälligkeit, welche nachzuvollziehen und zu verstehen ein größeres Vertiefen bedarf und welchen zu entsprechen nicht mir einfach erscheint (zu schnell redet man aneinander vorbei. bzw. verfehlt die Problematik, weil allein schon bei der Begrifflichkeit Missverständnisse entstehen). Dennoch will ich es mal versuchen, selbst auf die Gefahr, Ihren Erwartungen nicht in allem zu entsprechen. Über diese Problematik zum disputieren ist im übrigen keine Frage der Kompetenz, schon gar nicht der allgemeinen Bereicherung, sondern allein eine Standortbestimmung, wobei es weniger um richtig oder falsch, denn vielmehr um einen Standortvergleich mit dem Ziel einer allgemeinen Annäherung an eine möglichst große Wahrhaftigkeit geht. So gesehen kann man immer nur gewinnen, weshalb ich für meinen Teil konträre Meinung niemals als etwas Negatives, sondern vielmehr als Bereicherung empfinde – so viel dazu.
Auch wenn Ihre Argumentation als Wissenschaftler in vielem nachvollziehbar erscheint, heißt dies noch lange nicht, dass ich sie deswegen teile. Beginne möchte ich zunächst mit Ihrem auf Kant zurückzuführenden Gedanken, dass Zufall nicht immer etwas Gegebenes voraussetzen muss, sondern auch durch einen ersten Anstoß entstehen kann, was wiederum die Freiheit des Geistes bzw. der Entscheidung/Handlung bedingt. „Ich stehe vom Stuhle auf ohne jede notwendige bestimmen Einfluss der Natursachen und eröffne somit eine nachfolgende Kausalkette“. Das steht durchaus nicht im Gegensatz zu meiner Behauptung, dass der Zufall für die Ontologie der Natur verantwortlich zeitigt, sondern stützt sie nur, denn wenn ich eine solche Regung habe, so liegt dem doch zumindest ein spontaner Entschluss des ‚Erhebenwollens’ zugrunde, welcher wiederum meinem Geist und somit meinem Willen entspringt. Und dieser bleibt ebenso wie andere natürliche Ursachen nicht berechenbar.
Nur, um sich dem Phänomen des Zufalls zu nähern, erscheint es angeraten, die Notwendigkeit der Kausalität näher zu hinterfragen, welche ja bekanntlich die Veränderung eines bestehenden Zustandes in einen anderen voraussetzt.
Wenn man nun davon ausgeht, dass der Inhalt aller Wissenschaften immer nur das Verhältnis der Erscheinungen der Welt zueinander reflektiert und der Nachweis dieses Verhältnis in der Folge Erklärung heißt, so bleibt diese Erklärung mit Notwendigkeit immer unvollständig schon deshalb, weil diese Erklärung /Gesetz eine Erscheinung nur beschreiben, nicht aber erklären kann. Daraus folgt, es bleibt als Resultat Form der Erkenntnis. Daher fragt man auch nicht, warum 2 + 2 = 4 ist, oder warum aus der Wahrheit der Prämissen, die der Konklusionen einleuchtet, sondern nimmt dies als gegeben voraus, gleichwohl Ihrem schlussendlich angemerkten Zufallsbegriff in der Mathematik. Man bleibt praktisch hier bei der qualitas ocultas stehen und findet sich mehr oder weniger damit ab. Als Beispiel sei hier die Gravitation genannt, welcher keine weitere Kraft voraussetzt, im Gegensatz zur Trägheit, welche wiederum die Masse bedingt usw.. Von diesem Gedanken ausgehend kann die Teleologie der Welt jedoch nicht hinreichend erfasst/begriffen werden, so lange die Frage nach dem Auslöser der Bewegung/Entwicklung ungeklärt bleibt. Selbst wenn man die Kausalität durch Freiheit in Ihrer bzw. Kants These noch erweitert und hier die Diskussion begänne, erklärte dies ebenfalls noch nicht das Streben in der Welt nach Perfektion/Fortentwicklung. Es muss also etwas geben, dass über die Spontaneität und Unvorhersehbarkeit hinaus wirkt und dem Chaos eine gewisse Notwendigkeit verleiht und alle Entwicklung vorantreibt, … etwas, das selbst keine Ziele und somit Grenzen kennt, allein in Bewegung existiert und eben nur dadurch ein endloses Streben ermöglicht, wie es in der Natur zu finden ist und ihr ihren eigentliche Sinn verleiht. Dieses Etwas ist meiner Meinung nach nichts anderes als die allgemeine Zweckbestimmung mit ihrem Wirken, wodurch sich nebenbei bemerkt das Wort Wirklichkeit auch ableitet. Um ihr aber zu entsprechen und um die Bewegungen in Gang zu halten, bedarf es der nötigen, vielfältigen und unterschiedlichen Anstöße, die sich in Form von Zufälligkeiten niederschlagen. Diese zeichnen sich durch vielfach unbestimmte Größen aus, die sich allenfalls im Bereich einer Wahrscheinlichkeit bewegen, gleich dem Wetter, das bis zu drei Tagen vorhersagbar ist und dann ins Chaos abdriftet, doch durch ihre Spontaneität im Zuge der Entwicklung ganz wesentlich für Variationen/Mutationen verantwortlich zeichnen, was wiederum Ursache für Kausalität/ Wirkung zur Weiter- und Höherentwicklung aller Dinge bietet. Im Umkehrschluss folgt, ohne Zufall bliebe nur ein starren System von Regeln, dass der Welt ein Driften im steten Gleichmass verhieß ohne jede Veränderung, geschweige Entwicklung.
Sie sprechen die Frage des objektiven Zufalls an, der nur dann gegeben wäre, wenn ein Resultat eintritt, obgleich nach Wissen aller dafür nochwendigen Parameter selbiges gar nicht sein dürfte, also jede plausible Kausalität fehle - was ja wissenschaftlich gesehen gar nicht sein kann. Nur lassen sich in der Praxis viele solche Beispiele anführen, wo genau Gegenteiliges eintrat, - was dann schlechthin im positiven Fall als Glück, im negativen als Pech oder Schicksal bezeichnet wird, sofern man einem Ereignis einen moralischen Stellenwert verleiht.
Im Grunde sehe ich zu Ihren Ausführungen keinen großen Widerspruch. Selbst Ihre wissenschaftlichen Versuche, dem Zufall seine Unberechenbarkeit zu nehmen, indem Sie anhand mathematischer Methoden seinen Spielraum wesentlich einengen (wobei jedoch immer nur eine Wahrscheinlichkeit und keine Tatsächlichkeit entsteht), stehen noch lange nicht im Widerspruch zu meiner These. Im Gegenteil, gelänge es, dem Zufall seine ‚Zufälligkeit’ zu nehmen und jedes beliebe Ereignis vorherzubestimmen, zu beeinflussen oder gar zu ändern, könnte der Mensch in jeder Hinsicht Gott spielen, - eine nicht unbedingt erstrebenswertes Szenario. Darum liegt wohl ein Sinn darin, die Dingen belassen wie sie sind, selbst wenn das jetzt etwas nihilistisch klingt. Deshalb meine ich, dass man niemals, auch in weiterer Zukunft nicht, diese Geheimnisse wird entschlüsseln können, schon um ein solches Szenario nicht Wirklichkeit werden zu lassen. Es bleibt bei Wahrscheinlichkeiten, wobei sich die Wissenschaft den Tatsächlichkeiten durchaus weiter annähern kann, ohne sie jedoch jemals zu erreichen, das ist ja das Verflixte an der Unendlichkeit der Welt.
Aber Sie haben wohl recht, dass sich hierzu noch unendlich Vieles bemerken ließe, ohne zu einem Ende zu kommen. Vielleicht sollten Sie Ihre Gedanken mal in einem kurzen Essay einstellen, - bin sicher, dass es hier genügend Leser gäbe.
m.f.G
Schlaefer