Poesie und Deutungsabgründe
Öffentliche Literaturforen sind deswegen spannend, weil man anhand der gewählten Lesarten mehr über Kommentierende erfährt als anhand der Texte über AutorInnen.
Hier haut dieses Phänomen voll rein!
Dieser Artikel
(für sich schon eine journalistische Perle)
wird zum Anlass genommen,
Entblößt und einsam ...
In der Zeitung stand ´s zu lesen,
weshalb es wohl auch wahr gewesen.
Man kann erkennen hier wohl... Show more
Poesie und Deutungsabgründe
Öffentliche Literaturforen sind deswegen spannend, weil man anhand der gewählten Lesarten mehr über Kommentierende erfährt als anhand der Texte über AutorInnen.
Hier haut dieses Phänomen voll rein!
Dieser Artikel
(für sich schon eine journalistische Perle)
wird zum Anlass genommen,
Entblößt und einsam ...
In der Zeitung stand ´s zu lesen,
weshalb es wohl auch wahr gewesen.
Man kann erkennen hier wohl klar,
die Frau nicht nur die Rippe war,
auf die manch Mann sie reduziert,
denn manchmal wird das kompliziert.
Im Streit die Frau hat zugepackt,
weshalb er splitterfasernackt
die Polizei zur Hilfe rief,
nicht nur, weil sie davon ihm lief.
Er wollte nicht zurück sie zu holen, -
den Schlüssel hatt` sie ihm gestohlen.
Auf der Strasse stand er da,
wie Eva einst den Adam sah
und hatte nicht lang nachgedacht,
was er denn nun als nächstes macht.
Er wurde nun wohl angestiert,
er fühlte gänzlich sich blamiert.
Und die Moral von der Geschicht`:
Verärgere die Freundin nicht,
denn sie rächt sich ganz fürchterlich
und läßt Dich dann auch noch im Stich.
Als Lacher bist Du preisgegeben, -
das hängt an Dir Dein ganzes Leben!
zu verfassen und zu veröffentlichen.
Der Text sorgt selbst für den Spott, den er beschreibt. Das ist schonmal selbstreferenziell - ein beliebtes Stilmittel. Glückwunsch.
Nun zur Interpretationslogik:
Die Frau war bekleidet, der Mann nicht.
Sie geht; er folgt ihr.
Im Artikel deutet nichts darauf hin, dass sie den einzigen Schlüssel zur Wohnung bei sich habe. Sicherlich hat sie nicht damit gerechnet, dass er ihr nackt folgen würde, hat vielleicht genau diese Gelegenheit genutzt. Vielleicht war er gerade im Bad, als er die Tür zuschnappen hörte.
Sollte sie denn den einzigen Schlüssel bei sich gehabt haben, so kann man annehmen, dass ihr nicht danach war, sich mit ihrer Rückkehr zu befassen. Im Artikel ist die Rede von "einem Streit". (So sie denn erfuhr, dass ihr Freund die Wohnung - ihr folgend - verließ.)
AUCH DAS NOCH..._
Entblößt und einsam:
Polizei muss helfen
Splitterfasernackt hat ein
40-jähriger Mainn in der Nacht
die Polizei um Hilfe gebeten.
Nach einem Streit hatte sich
seine Freundin die Wohnungs-
schlüssel geschnappt und ihn
verlassen. Er rannte der Frau
hinterher - da fiel die Tür ins
Schloss. Und raus war er...
Was wir hier haben, ist ein Mann, der unbekleidet den öffentlichen Raum betritt. Vielleicht wollte er seine Freundin aufhalten, sie solle zurückkommen. Vielleicht wollte er um Verzeihung bitten, vielleicht sie verprügeln. Womöglich folgte er ihr, um zu verhindern, dass er sich künftig - ohne Schlüssel - ausschließe. Wir wissens nicht.
Meine Lesart:
Hier war Liebe im Spiel.
In diesen Vorfall Einsamkeit (siehe Titel) reinzulesen, finde ich perfide.
Die Lesart, die der Autor (für sich oder das LI?) wählte, ist provinziell-sexistisch. Verklemmt. (Vielleicht auch nur unkritissch vom Unterton des Artikels übernommen und in satirischer Absicht verstärkt).
Warum nimmt sie den Schlüssel mit?
Wieviele Schlüssel gibt es?
Viele schöne Geschichten hätten mit dem Material erzählt werden können. Ob nun mit aufdringlichem Endreim- und Versmaßschema, oder nicht. Unpoetischer als dieses Gedicht geht es jedenfalls kaum. Scheint sich eher um Realsatire zu handeln. Turbo-Spießer gibt sich die Ehre.
meint jedenfalls
Euer
Arthur L. Hindrich
ps
Der Text fängt auf Seite 6 an, weil man auf Seite 5 (respektive Seite 7) keine Bilder einfügen kann. Dies wird schon seit Langem bemängelt. (siehe Support-Forum)
Es hat mit der Inhaltsverzeichnis-Funktion zu tun.
pps
Bei meinem nächsten Beitrag gehe ich auf die Projektionsleistung Interpretierender näher ein. (Auch das Wort "Reflexionsniveau" wird vorkommen.) Jetzt gehe ich erstma zur Schlosserei, einen Zweitschlüssel machen lassen und danach zur Chirurgin, um ihn mir in eine Hautfalte nähen zu lassen. Man kann nie vorsichtig genug sein.
ppps
Ich empfehle, die Download-Option bei Bx-Büchern abzuschalten. Sonst wird man noch öffentlich mit den eignen Texten konfrontiert. Da macht man sich no nackig.
