Die Handlung des Romans ist eine Erfindung des Schriftstellers, orientiert sich jedoch an den Geschichten der Musketiere. Die im Buch vorkommenden Charaktere basieren sowohl auf jene von Alexandre Dumas, als auch auf Personen um 1627.
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Frankreich 1627: Im Palast des Königs Ludwig XIII. findet ein Maskenball statt, zu dem zahlreiche adelige Gäste geladen sind. Als bei dem Fest aus den Gemächern der Königin wertvoller Schmuck gestohlen wird, sollen die vier Musketiere Athos, Aramis, Porthos und D'Artagnan den Diebstahl aufklären. Sie finden bald heraus, dass die Prinzessin von Savoyen mit der Sache zu tun hat und in einer hinterhältigen Intrige von Kardinal Richelieu eine wichtige Rolle spielt...
Das Jahrhundert der Glaubenskriege gipfelte in der Belagerung der Insel Ré sowie der Schlacht um La Rochelle. Der ewig schwelende Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten sollte nach Auffassung des christlichen Ludwig XIII. endlich zugunsten der Katholiken geklärt werden. Das war Kardinal Richelieu, dem ersten Minister der französischen Krone, sehr recht, denn ihn verband eine innige Feindschaft mit den Hugenotten. In dieser Zeit erlebten die königlichen Musketiere Athos, Aramis, Porthos und D'Artagnan ein neues Abenteuer...
Garnison der Garde,
Frankreich
Juni 1627
Ein neuer Tag brach an. Es hatte endlich aufgehört zu regnen, die Wolken hatten sich verflüchtigt und die Sonne ließ ihr Licht auf sie Straßen und Dächer der Häuser von Paris glitzern.
Es war eine prächtige Stadt. Überall führten und breitere Straßen und kleine Gassen zwischen den Steinhäusern hindurch. Einige steigen etwas an, andere fielen leicht bergab. Zwischen den Häusern waren Leinen gespannt, an den die aufgehängte Wäsche trocknete. Ein paar Fenster standen weit offen, bei anderen waren die Läden noch fest geschlossen. Es gab hunderte verschiedene Geschäfte. Juweliere, Bäckereien, Schneider, Fleischerläden, Käsemacher, Badehäuser, Tavernen. Die Frauen trugen schöne mit Federhütten oder zerlumpte Kleidung. Die Männer teilweise ansehnliche Jacken und Hosen mit einem Dreispitz oder einfach nur raue Fetzen. Kinder spielten in den Straßen. Einige schmutzig, aber glücklich.
Athos, Aramis, Porthos und D’Artagnan waren zu dieser Stunde zu Monsieur de Treville, dem Hauptmann der königlichen Musketiere, unterwegs. Er hatte seine Männer zu einer Besprechung in sein Büro beordert.
»Na los, D'Artagnan! Komm schon! Treville wartet nicht ewig auf dich!«, hallte eine ungeduldige Stimme über den Kasernenhof.
Athos war ein großer, finsterer Mann. Er hatte dunkelbraune Haare, ebenso dunkle Augen und ein etwas rundliches, aber nicht hässliches Gesicht. Seine Nase hatte einen kleinen Knick, da sie ihm schon einmal gebrochen worden war. Er trug, wie seine Kameraden, einen Schnurrbart. Allerdings waren auch auf seinen Wangen bereits wieder einige Bartstoppeln zu sehen.
Zweifellos konnte Athos sehr einschüchternd sein, was in vielen Fällen von Vorteil war, aber eigentlich ein Mann mit einem großen Herzen. Als Musketier erfüllte er alle seine Aufgaben pflichtbewusst und hielt sich strikt an die Regeln, gegen die er nie verstieß.
Athos hatte schon einige Jahre mehr Erfahrung, was man ihm nicht nur an seinem Können, sondern auch an seiner ganzen Erscheinung ansah. Unter seinem Leinenhemd hing er eine goldene Kette mit einem Ring versteckt, das wusste jeder seiner Freunde genau. Warum er diesen trug, war ihnen bis heute ein Geheimnis. Vielleicht würden sie irgendwann einmal dahinter kommen.
An der linken Seite seiner Hose funkelte ein silberner Degen. Rechts davon steckte seine Tomblon-Muskete im Gürtel. Direkt daneben befanden sich zwei Ledertäschchen, in denen Ersatzkugeln und Schießpulver waren.
»Ich komme ja schon«, antwortete D'Artagnan, ging schneller und holt zu seinen Kumpanen auf.
Er war ein sehr junger Mann, gutaussehend, mit grauen Augen und schulterlangen braunen Haaren. Er hatte ein eher schmales Gesicht. Als einziger der Vier besaß er keinen Bart.
Vor zwei Jahren, als er von der Gascogne nach Paris ging, um ein Musketier zu werden, wurde ihm erlaubt der Garde des Königs zu dienen, aber erst vor kurzem von Ludwig XIII. zum Musketier geschlagen, nachdem er sich mehrfach im Kampf beweisen konnte.
»Beeil dich lieber, sonst wird Athos ungemütlich«, sagte Porthos und grinste.
Dieser galt unter den Freunden als ein treuer Kamerad. Trotz seiner immensen Körperkraft war Porthos meist ein sehr angenehmer Geselle. Aber er konnte auch sehr impulsiv reagieren. Vor allem dann, wenn sich einer seiner Freunde in einer gefährlichen Situation befand. Dann konnte es für den Angreifer ziemlich ungemütlich werden. Und drohen sollte man ihm in seiner Anwesenheit schon gar nicht, denn dann war man schneller tot, als man glaubte.
Porthos hatte leicht gewellte Haare. Seine Augen waren braun. Auch er war ein recht ansehnlicher Mann. Die meisten Frauen mochten ihn, vor allem wegen seiner Muskeln. Er trug ebenfalls einen ledernen Waffenrock, wie seine Kameraden. An seinem Waffengurt hing ein eleganter Degen sowie eine Muskete. Auch er besaß Taschen mit Ersatzkugeln und Schießpulver, so wie jeder andere Musketier.
Die drei traten durch das Eingangstor der Kaserne, wo jeden Tag fleißig trainiert wurde. Fechten, Ringen, Schießen, Reiten, das Reinigen der Waffen, Überleben in der Natur und vieles mehr.
Sie gingen direkten Weges zur breiten Holztreppe, die nach oben zu Treville’s Büro führte. Unten im Gebäude befanden sich die Schlafräume der Musketiere und daneben die Waffenkammer. Darin wurden außer Degen und Musketen noch andere Waffen sowie allerlei Nützliches gelagert. Nebenan lagen die Ställe, in denen die meisten Pferde prächtige Warmblutpferde waren. Schön gepflegt und gut ausgebildet standen sie in Reih und Glied in ihren Ständern geduldig da und warten darauf, dass ihre Besitzer sie herausholten. Fünf der Pferde waren alt und wurden von Kadetten geritten. Die restlichen waren allesamt je einem Musketier zugeteilt worden, welche sie ab dem ersten Tag nach der Ernennung ritten, damit es kein Gerangel um ein Pferd gab.
Zur königlichen Garde der Musketiere gehörten auch mehrere Stallburschen, ein Schmied und ein alter Mann, der sich um alles andere kümmert. Außerdem gab es einen Koch und zwei Bedienstete, von denen einer die Böden wischt, die Fenster putzte, sauber machte und der andere in der Küche aushalf.
»Wartet!«, rief Athos auf einmal.
Mitten auf der Treppe blieben die Musketiere stehen.
»Was hast du?«, fragte Porthos.
»Wo ist Aramis?«
Athos sah die anderen fragend an.
»Ich weiß nicht. Er war noch vor einer Minute neben mir«, erwiderte D'Artagnan.
»Du hast recht, er fehlt«, meinte Porthos.
»Wo mag er nur wieder sein?«, meinte Athos und begann die Treppe wieder hinauf zu gehen, während seine drei Kameraden ihm folgten.
Gerade als sie am Fuße der Treppe angekommen waren, kam ihr vermisster Kumpan um die Ecke gelaufen, mit einem überaus breiten Grinsen im Gesicht. Seine grauen Augen glitzern förmlich.
Aramis Haare waren dunkelbraun und lang. Etwas kürzer, wie die von D'Artagnan. Diese sahen etwas nass aus, als hätte er am Morgen gebadet. Er besaß ebenfalls einen Kinnbart, den er zusammen mit einem kurzen gestutzten Schnurrbart trug und hatte die Bartstoppeln abrasiert. Der Musketier trug wie die anderen Lederkleidung und Waffen. Allerdings waren seine Stulpenstiefel sauber geputzt sowie poliert, was ansonsten vielleicht einmal in einem halben Jahr der Fall war.
»Wo warst du?«, fragte Athos. »Du weißt doch, dass wir mit Treville ein wichtiges Treffen haben.«
»Ich hatte noch etwas zu tun«, erwiderte Aramis und grinste weiterhin.
Porthos schmunzelte.
»Madame de Chevreuse schien wohl eine sehr spendable Liebhaberin zu sein.«, meinte er feixend.
»Nun, beklagen kann ich mich nicht«, gluckste Aramis.
Athos und D'Artagnan grinsten vor sich hin.
»Los kommt jetzt. Wir sollten bereits bei ihm sein.«
Sie gingen die Treppe ganz nach oben, dann nach links und die vierte Tür rechts.
Athos klopfte an die Holztür.
»Ihr dürft eintreten!«, kam auch schon die Antwort von drinnen.
Er öffnete langsam und trat mit seinen Kameraden ins Büro des Hauptmannes ein. Dann postierten sie sich nebeneinander vor den kleinen Schreibtisch, hinter dem Treville gerade saß.
Der Befehlshaber der königlichen Garde musste in jungen Jahren ein sehr stattlicher Mann gewesen sein. Noch heute sah man ihm dies an. Er hatte einst wohl volles braunes Haar. Heute waren sie überwiegend grau und er hatte einige lichte Stellen. Treville trat möglichst früh in den Orden der Musketiere ein und arbeitete sich hoch bis zum Hauptmann. Er war ein sehr guter Kämpfer, egal in welchem Bereich und man konnte ohne Zweifel viel von ihm lernen. Er wurde nicht nur von den Musketieren sehr geschätzt. Auch zur Königsfamilie pflegte er gute Kontakte. Er galt überdies auch als streng, aber sehr gerecht.
»Wie viele von der Garde des Kardinals waren es denn diesmal, mit denen Ihr gerauft habt? Fünfzig oder einhundert?«
»Nur Zwanzig«, meinte Athos mit einem leichten Grinsen in Gesicht. »Mehr waren es nicht.«
»Was auch immer der Grund war, Ihr solltet es künftig vermeiden«, knurrte Treville mit ernster Miene. »Richelieu war nicht gerade erfreut wieder eine Menge Verletzte und Tote beklagen zu müssen. Er wird Euch noch in die Bastille werfen.«
Es wurde still. Nach einer kurzen Pause fuhr der Hauptmann fort.
»Nun, ich habe Euch rufen lassen, weil ich einen wichtigen Auftrag für Euch habe. Morgen wird im Chateau Fontainebleau ein großer Maskenball stattfinden. Ich erwarte von Euch auf dem Fest daher äußerte Konzentration.«
Man hatte alle nennenswerten Adeligen zu dem Ball eingeladen und dies forderte nicht nur von den Vier, sondern auch von allen anderen königstreuen Musketieren vollsten Einsatz. Doch D‘Artagnan schien etwas gelangweilt. Er konnte nicht recht verstehen warum. Ihnen allen war klar, dass unter keinen Umständen etwas passieren durfte. Sie würden alle ihr Bestes geben und viel mehr konnten auch sie nicht dagegen tun.
Treville stand von seinem Stuhl auf und begann vor ihnen auf und abzulaufen. Dann blieb vor ihnen stehen und blickte sie ernst an.
»Der König wünscht, dass nicht zu viele Musketiere bei diesem Fest zu sehen sind. Die geladenen Gäste sollen auf keinen Fall das Gefühl haben, es könne etwas Schlimmes passieren. Darum wünscht er, dass einige verkleidet an den Festlichkeiten teilnehmen. Und ich habe mich für Euch vier entscheiden«
Die Männer wirkten etwas verwirrt. Doch Treville blieb bei seiner Aussage und fügte hinzu: »Ihr werdet Euch unter die Gäste mischen und für die Sicherheit sorgen. Wenn Ihr etwas Verdächtiges bemerkt, dann meldet es mir und sorgt dafür, dass keiner der Gäste davon etwas mitbekommt.«
Alle nickte.
»Gewiss. Wir werden den Wünschen des Königs nachkommen«, erwiderte Athos.
Innerlich war er sogar erfreut darüber. Er, der doch ebenfalls vom hohen Adel stammte, hätte nur zu ungern diese Feierlichkeiten verpasst, zu denen er sicherlich auch eingeladen hätte, wenn er noch der Comte de la Fere wäre.
»Ihr werdet morgen die passende Kleidung für den Abend erhalten und dann auch Eure Decknamen bekommen«, erklärte Treville zum Abschluss und entließ seine vier Musketiere.
Als sie das Büro des Hauptmannes verlassen hatten, stöhnte Porthos.
»Das wird bestimmt kein Spaß werden.«
»Ach was, wir werden uns köstlich amüsieren, du wirst sehen.«
Aramis stieß seinen Freund freundschaftlich an und D‘Artagnan schien auch nicht so angetan zu sein.
»Ich bin froh, wenn der morgige Tag vorüber ist und wir uns wieder wichtigeren Dingen widmen können.«
Porthos stimmte ihm zu. Nur Athos blieb still. Er würde jetzt nicht auch noch seine Meinung dazu abgeben. Es war unnötig und vergeudete nur seine Zeit.
Sie trennten sich und gingen ihn ihre Unterkunft. Morgen würde ein anstrengender Tag werden. Und vielleicht noch die eine oder andere Überraschung parat haben.
Chateau Fontainebleau,
Frankreich
Nach einem ausgiebigen Frühstück bei Constance Bonacieux, meldeten sich die vier Musketiere am folgenden Tag pünktlich in Adelskleidung bei Monsieur de Treville im Chateau Fontainebleau. Der Hauptmann beäugte sie streng und blieb schließlich vor D‘Artagnan stehen.
»Eure Manschettenknöpfe. Ihr habt vergessen sie zu schließen.«
Treville deutete darauf und wartet, bis dieser sie alle säuberlich geschlossen waren. Bei der Eile, die D‘Artagnan heute früh gehabt hatte, vergaß er sie völlig.
»Nun, zu Euren Namen. Athos, Ihr werdet Euch als Baron de Montpellier ausgeben. Porthos, Ihr seid der Comte de Villiers. Aramis ist Comte de la Chevalier und Ihr D‘Artagnan nennt Euch Marquis de Brasseur.«
Die Männer nickten.
»Gut, dann sorgt dafür, dass heute Abend alles vorbereitet ist. Ich zähle auf Euch«, sagte Treville noch und eilte davon.
»Diese albernen Übernamen...«
Portos faste sich frustriert an den Kopf.
»Seit wann bin ich ein Graf?«
D‘Artagnan lachte. Gespielt verbeugte er sich vor ihm und zog den Hut.
»Sehr geehrter Comte, darf ich bitten mit uns zu speisen?«
Porthos schüttelte belustigt den Kopf.
»So ein Quatsch.«
Die beiden alberten weiter. Aramis, der seinen Hut zurechtrückte und ebenfalls gehen wollte, blieb plötzlich stehen.
»Athos, was hast du? Bist du mit deinem Namen nicht zufrieden?«
Der Musketier sah auf und murrte etwas Unverständliches. Da konnte er endlich einmal wieder an einem Maskenball teilnehmen und dann musste er sich auch noch als Baron ausgeben. Was für eine Schande. Keine hübsche Dame würde sich heute Abend mit ihm abgeben. Zu unbedeutend war sein Stand.
Aramis legte seinem Freund freundschaftlich eine Hand auf die Schulter.
»Nimm es nicht so tragisch. Wir werden sowieso keine Zeit haben mit hübschen Frauen ins Gespräch zu kommen.«
Damit versuchte er ihn etwas aufzumuntern und zog ihn mit sich.
»Lass den beiden ihren Spaß daran haben. Wir beide wissen, dass es nicht der Wahrheit entspricht.«
Sie schlenderten einem der vielen Korridore entlang und Athos seufzte: »Vielleicht hast du ja recht...«
Am Abend trafen die ersten Gäste ein und wurden in den Palast hereingebeten. Immer wieder fuhren prunkvolle zweispännige Kutschen vor und ließen Adlige aussteigen, die aus ganz Frankreich waren.
Etwas außer Sichtweite beobachtete D‘Artagnan das Treiben. Er würde auch bald zu ihnen stoßen, aber vorerst wollte er den besonderen Besuch etwas auskundschaften. Auf einmal knisterte es hinter ihm und kaum hatte er seine Muskete auf den Unbekannten gerichtet, nahm dieser die Gesichtsmaske ab.
»Ganz ruhig mein Freund.«
Aramis lachte und D‘Artagnan senkte seine Hand.
»Musst du mich so erschrecken? Ich hätte dich glatt den Engeln geschickt.«
»Ich wollte doch nur deine Schnelligkeit testen«, scherzte Aramis und gesellte sich zu ihm.
Der Gascogner steckte seine Waffe wieder in den Hosengürtel und machte seinem Kameraden Platz. Gemeinsam betrachteten sie die ankommenden Gäste. Eine Frau mit einem pompösen Hut und einem kleinen dicken Mann verließen gerade die Kutsche vor dem Gebäudeeingang. Als diese wegfuhr und die Nächste vor ihnen zum Stehen kam, winkte Aramis ab.
»Da werden sowieso nur verheiratete Frauen mit ihren Ehemännern kommen.«
Doch in diesem Moment verließ eine brünette Schönheit die dunkelrote Kutsche. Sie trug ein fliederfarbiges Kleid, das mit Rüschen und Spitzen verziert war. Ihre Haare hatte sie perfekt hochgesteckt und ihr bleiches Gesicht verriet, das sie wohl nicht viel an das Tageslicht kam. An ihrer linken Hand trug sie einen kleinen Beutel. Vermutlich waren da ihre Habseligkeiten darin. Sie hielt einem königlichen Diener ihre behandschuhte Hand hin und ließ sich aus der Kutsche helfen. Dankend nickte sie ihm zu und setzte ihre Maske auf.
D‘Artagnan stieß Aramis am Arm.
»Sie ist alleine und sieht nicht verheiratet aus.«
Sein Freund antwortet nicht darauf.
»Aramis?«
Der Musketier löste sich aus der Starre.
»Entschuldige mich bitte, ich habe zu tun...«
Mit einem siegessicheren Grinsen auf dem Gesicht setzte sich Aramis seine Maske auf und huschte aus dem Versteck hervor, direkt auf die junge Schönheit zu.
D‘Artagnan schüttelte amüsiert den Kopf. Typisch Aramis. Wenn er eine hübsche Frau sah, konnte ihn nichts mehr aufhalten.
Die Frau erklomm die Stufen zum Palast und wurde von Aramis mit einer Verbeugung begrüßt.
»Bonjour, Mademoiselle. Darf ich Sie ins Innere begleiten?«
Die junge Dame sah ihn verwundert an und errötete leicht.
»Oh, wie freundlich von Ihnen.«
Nachdem Aramis ihr den Arm hingehalten hatte, den sie dankend annahm, begleitete er die Dame in das große Gebäude hinein, wo sie die riesige Eingangshalle durchquerten. Erst jetzt bemerkte er, wie viel Arbeit diese Feierlichkeit gegeben haben musste. Die Halle war hübsch dekoriert mit Blumen aller Art. Hier und da waren Girlanden aufgehängt und alle paar Meter standen elegant gekleidete Diener, die den Gästen kleine Häppchen oder Champagner reichten.
Aramis staunte nicht schlecht und führte seine Begleiterin zum großen Saal nach hinten. Es waren schon viele adelige Gäste angekommen und unterhielten sich dort angeregt. Das junge Königspaar saß am Ende des Saales auf einem erhöhten Podest in zwei mit rotem Samt bezogenen Thronsesseln. Königin Anna hielt einen Fächer in der Hand, mit dem sie sich immer wieder frische Luft zufächelte. Sie trug ein weißes Kleid, welches mit rubinroten Edelsteinen und einer mit Diamanten besetzten Brosche in Form eines Kleeblattes verziert war.
Als Aramis die Königin erblickte, konnte er kaum glauben, dass diese Frau bereits dreiundzwanzig sein sollte. Sie war bildschön, hatte ein beinahe feenhaft anmutendes Gesicht mit sanften braunen Rehaugen und rötlichem Haar. Der König sah nicht einmal unsympathisch aus, er hatte ein hübsches Gesicht mit hellbraunen Augen und seine langen schwarzen Locken sowie der Schnurrbart standen ihm echt gut. Passend zum Motto ‘Frühling‘ trug er ein grünes Gewand aus schillerndem Brokatstoff mit weiten Puffärmeln und um den Hals hing ein Anhänger mit einer silbernen Lilie.
Ein wildes Treiben herrschte. Die goldenen Kronleuchter tauchten den prachtvollen Raum mit ihrem Kerzenlicht in ein zartes gelb und es funkelte überall. Im Saal gab auch zwei große Springbrunnen aus Marmor, aus denen ununterbrochen Wein strömte, sodass jeder Gast nur sein Glas darunter halten brauchte, wenn er Lust auf Wein bekam. Außerdem war auf der rechten Seite, am Rande des Saales, für all jene, die Hunger verspürten, ein riesiges Buffet aufgebaut.
Aramis schluckte. Was für ein Prunk! Seine Begleiterin schien sich davon jedoch nicht überwältigen zu lassen. Sie machte einen relativ gefassten Eindruck.
»Würdet Ihr erlauben mit Euch zu tanzen, Mademoiselle.«
Aramis führte sie in die Mitte des Saales und verbeugte sich vor ihr. Sie nickte ihm zustimmend zu und nahm seine Hand. Dann begannen beide amüsiert mit anderen Adeligen zu tanzen und er bewunderte die Dame neben sich.
»Dürfte ich Ihren Namen erfahren?«
Die brünette Schönheit senkte den Blick.
»Comtesse Marie de Beauvais.«
Aramis drehte eine Runde und überlegte. Marie de Beauvais? Irgendwie kam ihm dieser Name bekannt vor. Aber wo hatte er ihn schon einmal gehört?
»Und wie ist Ihr Name?«, fragte sie neugierig.
»Ich bin Comte de la Chevalier«, antworte Aramis und folgte dem Takt der Musik.
Sie nickte anerkennend.
»Es freut mich Sie kennenzulernen, Comte. Ich muss Ihnen sagen, Sie sind ein ausgezeichneter Tänzer.«
»Vielen Dank, Mademoiselle. Die Freude ist ganz meinerseits«, flirtete er zurück und blieb stehen, als das Lied des königlichen Orchestra zu Ende war.
Aramis verbeugte sich erneut vor ihr und führte die Comtesse zu einem der Speisetische, auf dem zahllose exotische Köstlichkeiten aufgetischt waren, wo seine Begleiterin alles begutachtete. Aber es schien, als wäre sie alles andere als erfreut darüber.
»Wenn Sie gestatten hole ich uns etwas zu trinken«, meinte Aramis und ließ sie kurz alleine.
Kaum war er außer Sichtweite, trat die Frau näher an das Buffet heran. Es waren fantasievoll verzierte Platten links und rechts aufgebaut, auf denen es Spanferkel, Wachteln, Rehgulasch, Kapaun, Lachse, Hirsche, Aalpastete, Möhren- und Erbsenmus zu Weißbrot, Obst, kandierte Früchte sowie Nüsse, bis hin zu zwei prachtvollen mit Zuckerrosen verzierten Torten, alles gab, was das Herz begehrte.
Als Aramis nach einer Minute zurückkam, trat sie wieder einen Schritt zurück. Er reichte ihr ein Glas Burgunder Rotwein und prostete ihr zu.
»Auf den König!«
Sie stimmte ihm zu, nippte aber nur kurz am Glas und sah sich neugierig im Festsaal um. Aramis nahm noch einen weiteren Schluck und bemerkte ihr Verhalten. Was hat sie nur? War das Fest nicht das, was sie sich vorgestellt hatte? Er wollte sie gerade fragen, ob sie ihn nach draußen in den Park begleiten wollte, doch sie kam ihm zuvor und fragte stattdessen: »Ich würde gerne mehr von dem Palast sehen. Vielleicht wären Sie so freundlich mich herumführen, Comte? In Eurer Begleitung würde ich mich sicherer fühlen.«
Ihm stockte der Atem. Die Dame durch den königlichen Palast führen? Sein Auftrag lautete den Gästen beizuwohnen und nicht mit einer bildhübschen Frau das Weite zu suchen. War sie sich überhaupt über diese unschickliche Frage bewusst? Ein Mann und eine unverheiratete Frau alleine fern von den Gästen. So etwas würde eine adlige Dame niemals vorschlagen. Selbst eine normal Bürgerliche wusste, dass es nicht den Sitten entsprach. Er zögerte, denn etwas stimmte hier nicht. Aber er wollte den Grund dafür nicht erfahren. Etwas geblendet von ihrer Schönheit nickte er schließlich ein.
»Warten Sie bitte, Mademoiselle. Ich muss erst die Zustimmung dafür einholen gehen.«
Aramis verschwand und suchte unter den Gästen einen seiner Kameraden. Er schob sich durch die dichte Menschenmenge. Dabei entschuldigte er sich gefühlte zwanzigmal, bis er schließlich Athos fand. Er ging auf ihn zu und raunte ihm leise ins Ohr: »Ich werde kurz mit einer hübschen Frau verschwinden und durch den Palast führen. Halt du hier die Stellung.«
Athos schüttelte leicht den Kopf.
»Du kannst jetzt nicht gehen! Du weißt, wie unser Auftrag lautet!«
»Hey, jetzt rege dich nicht auf. Es ist nur zwanzig Minuten. Du wirst gar nicht merken, dass ich fort war«, säuselte er und tätschelte seinen Freund auf die Schulter.
Vielsagend zwinkerte der ihm zu. Spätestens jetzt wusste Athos auf was Aramis anspielte. Dass dieser Kerl auch immer so viel Glück mit Frauen hatte. Es war ihm ein Rätsel, wie er dies anstellte.
Aramis kehrte zu seiner Dame zurück und hielt ihr den Arm hin.
»Lasst uns gehen, Mademoiselle.«
Das ließ sich die Frau nicht zweimal sagen. Sie ergriff seinen Arm und gemeinsam verließen sie den Saal. In einem der Korridore angekommen führte er sie durch die endlos langen Flure. Hier und da konnte man in die Räumlichkeiten hinein sehen, doch blieb er immer fern einen dieser zu betreten.
Als sie beide eine große Steintreppe erreichten, die ins Obergeschoss führte, blieb er stehen. Zwanzig Minuten waren bestimmt schon um.
»Mademoiselle, ich halte es für ratsam umzukehren? Man könnte uns vermissen.«
Sie blieb einfach stehen und sagte darauf: »Später. Lassen Sie uns erst nach oben gehen. Ich möchte so gerne sehen, was sich dort befindet«, sagte sie mit den Wimpern klimpernd und fügte mit einem Lächeln hinzu: »Bitte… Sie werden es auch nicht bereuen.«
Aramis seufzte ergebend. Wer konnte so einer attraktiven Dame schon widersprechen? Sie liefen die Treppe hinauf und sie sah sich suchend um. Er verstand nicht recht, was sie
Publisher: BookRix GmbH & Co. KG
Text: Oliver M. Pabst
Images: Oliver M. Pabst
Cover: Oliver M. Pabst
Editing: Korrekturen.de Julian von Heyl
Proofreading: Korrekturen.de Julian von Heyl
Publication Date: 02-27-2023
ISBN: 978-3-7554-3378-1
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