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Wenn ich gewusst hätte, was auf mich zu kommt, dann wäre ich gar nicht weg gelaufen.

Heute. Vor ungefähr 8 Stunden, wenn ich mich nicht irrte. Das kam nämlich leider viel zu oft vor. Ich vergaß viel, sogar manch einmal banale Dinge, wie mir die Beine zu rasieren, wenn ich an dem Tag noch in kurzen Hosen durch die Sporthalle hüpfen sollte. Ja, ich weiß, für einige vielleicht nicht schlimm genug, aber ich bin 18 Jahre alt. Das heißt, dass ich mitten im letzten Drittel meiner Pubertät stecke, und mich auch am liebsten Tage lang im Zimmer verstecken würde, wenn ich mal einen Pickel in meinem Gesicht entdecke.

Aber in diesem Moment hatten andere Dinge als Beine rasieren und Pickel seinen Vorrang, denn ich saß in der Patsche und das total!

Eigentlich bin ich heute mit dem Vorsatz von der Schule Heim gekommen, mich mal gleich hinzusetzen und für die Schule zu lernen, statt mich vor den Fernseher zu setzen und den Tag an mir vorbei rauschen zu lassen. Wie ich es eigentlich immer tat, wenn ich nicht gerade meine Freunde traf, von denen ich aber leider nicht sehr viele besitze.

Aber das Schicksal machte mir leider einen Strich durch die Rechnung, denn als ich unsere kleine 57m² Wohnung betrat, hörte ich schon die laut aufgedrehte Musik meiner Mutter, was schon einmal kein gutes Zeichen war. Es ist nämlich so, dass meine Mutter eine schwierige Person ist, wenn nicht gar krank. Sie hasst Fremde! Und wenn ich sage hassen, meine ich es auch so. Klar, hatte sie auch Freunde, aber alle diese hatte sie im Internet kennengelernt und waren etwas merkwürdig. Zum einen war da Haldor, ein kleiner dicker Zwerg, der immer bedruckte Tshirts mit dummen Sprüchen trug, die aber immer nur halb zu sehen waren, da er seine Hose immer bis unter seine, leider, vorhandenen Brüste zog. Auch sonst war er ein komischer Kautz, mit dem man nicht viel am Hut haben wollte, was auch nichts mit der Tatsache zutun hatte, dass er schielte und immer aussah, als hätte er dringend einen Friseurbesuch nötig. Nein, es war die Tatsache, dass redete wie Wasserfall und einen über alles belehrte, was es zu wissen gab, und auch nicht wusste, wann er aufhören sollte. Er kam mir oftmals wie mein übereifriger Privatlehrer vor, der mir wirklich alles beibringen wollte.

 Und dann war da noch Heide, von der ich nichts wusste außer, dass sie meine Mutter wohl kurz vor meiner Geburt kennenlernte und, dass sie seitdem befreundet sind. Aber wirklich gesehen hatte ich sie nie, außer man zählt die paar male hinzu, die sie mir von weitem zu gewunken hat, bevor meine Mutter sie mit einer Handbewegung weggeschickt hat. 

So, und meine Mutter selbst? Eine kleine unglaublich zynische Frau, die meint, dass die ganze Welt es schlecht mit ihr meint und sich deshalb gegen alles wehrt. Seit ich denken kann, hielten ihre Beziehungen und Ehen nie länger als 3 Jahre, wobei das schon Rekord ist. Sie sucht immer und hat im Prinziep keine Ahnung vom echten Leben, da sie seit jeher zusammengerechnet höchstens 5 Jahre gearbeitet hat und sich ansonsten von irgendwelchen ihrer Typen finanzieren lässt. Außerdem schläft sie täglich bis 12 Uhr oder länger, hält nichts davon, mich, ihre Tochter zu erziehen, oder Mittags für mich zu kochen. Und trotz all dieser Fehler habe ich sie lieb, da sie immernoch meine Mutter war. Aber heute hatte sie Fass zum überlaufen gebracht, indem mir freudestrahlend erklärte, dass sie mal wieder einen Neuen hatte, der unbedingt wolle, dass wir sofort zu ihm ans andere Ende des Landes zogen. Wieder mal ein Beispiel dafür, was für eine ignorante und rücksichtslose Person meine Mutter war, denn unseren Wohnsitz änderten wir, gefühlt, genauso oft wie andere Leute die Einrichtungen ihrer Häuser. 

Und eben diese Tatsachen hatten mich dazu veranlasst mit einer störrischen Ruhe mein Zimmer zu betreten, mir meine größte Tasche zu schnappen, die ich besaß und systematisch und doch wahrlos Dinge einzupacken, die ich für meine Reise, wohin auch immer, gebrauchen könnte. Dann war ich langsam den Flur entlang geschlichen, um meiner Mutter nicht noch einmal zu begegnen und ihr dann in die Augen zu sehen, wenn sie realisierte, dass ich ging. 

Wohin ich wollte? Ich wusste es nicht. Meinen Vater kenne ich nicht und Familie außer meiner Mutter besaß ich nicht, da sie den Kontakt zu ihnen schon abgebrochen hatte, als ich gerade das Laufen lernte. 

Manchmal machte es mich traurig, dass ich gar nicht die Chance hatte, kennenzulernen, wie es ist, wenn man eine Familie besaß. Ich war oft neidisch auf Kinder, die eine riesige Familie hatten, und es nicht zu schätzen wussten. Ich wollte auch wissen, wie es sich anfühlte Weihnachten mit mehr als 2 Personen zu feiern, wie es war, immer einen Rückhalt zu haben, oder einfach jemand, der verwandtes Blut besaß. Es wäre mir sogar egal, wenn ich eine Oma hätte, die mir immer wieder die gleichen Geschichten aus ihrer Jugend erzählen würde, da sie an Demenz leidet oder eine kleine Schwester, die immer wieder meine Lieblingsklamotten klaute.

Aber all dieses besaß ich nicht, und ich hätte es in dem Moment so satt, als meine Mutter mir von dem erneuten Umzug erzählte, dass ich einfach nur noch weg wollte. Weg von ihr und weg von dem, was mich bisher ausgemacht hatte. Ich wollte mich neu erfinden, aber alles was ich bisher erreicht hatte war, dass ich wohl mutterseelenallein in einem Wald verhungern würde.

 

 

 

Ich hatte so lange meinen Gedanken hinterher gehangen, dass es mittlerweile dunkel war. Wie ich überhaupt in diesen Wald gekommen war, wusste ich auch nicht mehr, was allein meinem verhassten Kurzzeitgedächtnis zu verdanken war, das mir mal wieder einen Streich spielte. Aber ich wusste anhand des Grollen, das aus der Ferne erklang, dass gleich ein gewaltiges Gewitter über mir zusammenbrechen würde, wenn ich nicht bald etwas zum unterstellen fand.

Exakt in diesem Moment fiel mir der erste Regentropfen auf meine kleine Stupsnase und ich konnte nicht anders, als einen kleinen Fluch auszustoßen, der dem Wettergott wohl nicht so gefiel, denn im nächsten Moment landete wieder ein Tropfen in meinem Gesicht. Entfernt ertönte wieder ein tiefes Grollen, welches mich langsam beunruhigte und dazu veranlasste meine Schritte zu beschleuningen, bis ich rechts von mir ein knacken vernahm, das mich zwar kurz ablenkte, aber dann einfach konsequent ignoriert wurde, da ich mit jetzt nicht auch noch Angst einjagen lassen wollte.

Doch nach einer Weile gesellte sich zu dem knacken auch nach eine rascheln von Blättern, das mich langsam beunruhigte. Ich beschleunigte meine Schritte, doch das knacken und rascheln blieb. Dann begann ich zu rennen. Ich wusste nicht was mein Ziel war, aber ich hatte Angst. Entsetzliche angst, was geschehen würde, wenn ich nicht tat, was meine Unterbewusstsein mir in diesem Moment riet. Und das war nur eines. RENNEN! Immer wieder zuckten Blitze vom Himmel, die meine Angst nur noch ansporten und meine Beine dazu antrieben, sich noch schneller fort zu bewegen.

Mein hektischen Keuchen war wahrscheinlich im ganzen Wald zu hören. Immer wieder sah ich mich nach hinten, nach rechts und nach links um, doch nie konnte ich etwas erkennen, was bei meiner Geschwindigkeit wohl auch kein Wunder sein sollte.

Aber um so schneller ich rannte, um so schneller schritt auch das knacken und rascheln voran. Noch nie hatte ich so eine Angst verspürt.

Allein. In der Dunkelheit und Geräusche, die mich verfolgten. Außerdem gefangen in einem Wald, der mittlerweile an eine Horrorszenerie erinnerte und geradezu dazu einlud, dass im nächsten Moment ein Serienkiller oder ein Monster aus dem Gebüsch sprang.

Und dann geschah das, womit ich am wenigsten gerechnet hätte.

Der andere Feind, an den ich gar nicht mehr gedacht hatte schlug gnadenlos zu. Ein Blitz, so hell wie ich ihn nie gesehen hatte, trifft genau vor mir auf den Erdboden und lässt alles um mich herum erzittern. Ich spüre die Kraft des Knalls am ganzen Körper und merke, wie langsam ein taubes Gefühl von mir Besitz ergreift. Rasend schnell breitet es sich in mir aus und ich kann mir denken was passieren wird.

Dann ist alles schwarz.

Und ich falle.

 

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Yeah, the projekt will go on. I promise! :)

Imprint

Publication Date: 09-25-2015

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Dedication:
Ich danke allen, die dieses Buch weiterhin verfolgen und mir Anregungen geben!

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