Was folgte, glich einer Geisterbahn, auf- und abschwellende Töne, graue Gestalten, die, so schnell sie erschienen, wieder verschwanden, wie in einem wabernden Nebel, hohe Töne, tiefe Töne …
Die Gespenster hinter dem Schleier, der mich umgab, sprachen miteinander, Schattenbilder, sie bewegten sich ruckartig von einem Platz zum anderen, wie beim Break-Dance. Froschmäuler mit Glupschaugen, Töne wie man sie von einem langsam laufenden Film kennt, Zeitlupe in Bild und Ton …
Die Story hinter der Story
„Es war einmal …“, so fangen die meisten Märchen an. Was Sie hier lesen werden, kein Märchen, obgleich es sich bisweilen als solches lesen mag, eine Story?
Das Originalgeschehen in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, irgendwo in der verstorbenen DDR, bis hinein in die Neunziger im wiedervereinigten Deutschland. Die Zeitebenen im Roman wurden verändert, ebenso die Handlungsorte, es sollte keine Biografie werden, die Gefühlsebenen stehen im Mittelpunkt. Da eine der Protagonistinnen Tagebuch schrieb, haben wir uns dazu entschieden, die Tagebuch-Form anzuwenden.
Eine junge Frau, gerade fünfzehn, unternahm denselben Versuch, den viele ihrer Altersgenossinnen bereits hinter sich, andere vor sich hatten, die erste intime Begegnung mit einem Mann. Sie holte sich vorher Rat bei erfahrenen Freundinnen. „Suche dir einen älteren aus, die können das besser, über die Zwanzig, vielleicht sogar über die Dreißig …“, riet man ihr.
Sie befolgte den Rat, doch sie konnte dem nichts abgewinnen. Sie versuchte es mehrmals aufs Neue, wie ein Hamster im Laufrad, mit jüngeren, mit älteren. Bald hing ihr ein zweifelhafter Ruf an: „Die fickt mit allen, die nicht bei Drei auf den Bäumen verschwinden …“
Es kam der Tag, da gab sie es auf. So lange, bis ihr eine Frau begegnete. Wandern durch tiefe Täler der Tränen begann, obgleich sich ihr Glück endlich eingestellt hatte.
Der § 175 war in der DDR wie in Westdeutschland seit langem Geschichte, dennoch, Freunde, Nachbarn, Kollegen, Eltern, Verwandte, selbst völlig fremde Leute, wenn sie davon Kenntnis erhielten, wandten sich ab, eine Lesbe, schwul, homo, nicht normal.
Während ich die Geschichte aufschrieb, fiel mir oft ein Ereignis ein, das sich im Sommer 1989 in einem bekannten Urlaubsort an der Küste abspielte, und das mir selbst heute noch Schwermut bereitet.
Thomas, gerade siebzehn, Sohn enger Freunde, Gerda und Bert (Namen geändert, der Verfasser), geht in den Wald, um sich zu strangulieren, ohne einen Abschiedsbrief zu hinterlassen. Von Schulfreunden erfuhren die Eltern, dass er vermutlich schwul gewesen sei. Jedenfalls habe er sich nicht „normal“ verhalten.
Er fand nicht den Mut, nicht einmal mit seinen engsten Vertrauten, den Eltern, über seine Neigung zu sprechen, obwohl ich stets den Eindruck hatte, in der Familie ginge man offen mit jeglicher Art von Problemen um. Er schämte sich, so zu sein, anders zu sein, als das, was man von heranwachsenden Männern erwartete, darum nahm er sich das junge Leben.
Viola, eine der Akteurinnen im Roman, sagt im Teil I während eines Dialogs mit Chrissys Eltern, sie lehne jegliche Art der Kategorisierung sexueller Neigungen, Gewohnheiten oder Vorlieben von Menschen ab. Die Worte „Lesbe“, der „Schwule“ oder das selbst heute noch häufig zu hörende, abwertende Wort: „Homo“, klängen mehr wie Beschimpfungen, denn als Beschreibung einer bestimmten sexuellen Orientierung, einer Lebenseinstellung. Vielmehr ginge es um zwei Menschen, die sich liebten, die mehr oder weniger leidenschaftlich ihrer Lust den freien Lauf ließen, wie es bei heterosexuellen Paaren als völlig normal empfunden werde.
Lesen Sie diesen zweiteiligen Roman, der einen tiefen Einblick in ein ausschweifendes und leidenschaftliches Liebesleben zweier junger Frauen gewährt, basierend auf einer wahren Geschichte. Zudem Thomas gewidmet, der aus Scham, Verzweiflung oder einfach aus Angst nicht mehr weiterleben wollte.
Nachtrag 2020:
Inzwischen haben wir in Deutschland die Homo-Ehe, hat sich die Haltung zahlreicher Zeitgenossen zu gleichgeschlechtlichen Beziehungen wirklich grundlegend geändert? Beantworten Sie sich diese Frage bitte selbst.
Prolog
Mit dreizehn die ersten Gefühle, der Wunsch stellte sich von ganz alleine ein, der Körper schrie danach. Im Halbschlaf, wie von Geisterhand gelenkt, fanden die Finger den Ort des Verlangens, ein wohliges Kribbeln, es ging sehr schnell beim ersten Mal, und weil dieses Gefühl so überwältigend war, wurde es sehr schnell zur befriedigenden Gewohnheit. Aus Zufall wurde Vorsatz, aus Vorsatz wurde Lust. Oft suchte ich früher als nötig mein Zimmer auf, allein um mich diesem Rausch auszuliefern. Ob es dabei jemals zu einem richtigen Orgasmus kam, wusste ich damals noch nicht. Was überhaupt ist ein richtiger Orgasmus? Die Frage beschäftigte mich lange Zeit.
Mütter müssen das bemerken, wenn die Töchter so weit sind, sie wissen wohl auch, dass die Zeit der Selbstbefriedigung begrenzt sein wird. Woran sie das bemerken, das weiß ich nicht, ich bin keine Mutter. Vielleicht riechen sie das. Dass ich seit geraumer Zeit schon meine Regel bekam, war schließlich kein Geheimnis. Es musste also einen weiteren Grund geben.
Eines Abends erschien meine Mutter in meinem Zimmer. Sie müsse dringend mit mir reden, erklärte sie ihr Erscheinen. Es ginge um eine wichtige Angelegenheit, weil sie Veränderungen meines Verhaltens bemerkt habe. Schließlich sei ich hinreichend aufgeklärt, mit dreizehn allerdings zu jung, um gewisse Gefühle bereits mit einem Jungen zu teilen. Wenn ich diese Lust verspürte, gäbe es als Ersatz die Möglichkeit, dieselbe mit meinen Fingern zu befriedigen. Sie habe das als junges Mädchen ebenso gehandhabt, heimlich, weil Selbstbefriedigung in ihrer Kindheit als große Sünde galt. Damals habe es Eltern gegeben, die ihren Töchtern in der Pubertät nachts sogar die Hände auf dem Rücken fesselten.
Oh Gott, welche Vorstellung. Ich hörte andächtig zu, war dieses Thema doch lange allgemeiner Gesprächsstoff auf dem Schulhof, so unter dem Motto: “Hast Du schon mal? Wenn ja, wie war es?” Ich beteiligte mich zwar nie an dieser Konversation, hörte aber gern zu.
Meine Mutter fügte mit ernster Miene hinzu, dass sie selbst zu dieser Zeit gelegentlich den Selbstversuch praktiziere, obgleich sie mit Dad ein sehr erfülltes Liebesleben pflege. Eine Frau brauche das, um sich zusätzlich zu stimulieren, um ihre eigenen Gefühle besser erkennen und vor allem ergründen zu können, was ihr besonders gut tue.
Das Schlafzimmer meiner Eltern lag quer über dem Flur. Da meine Mutter bisweilen ihre Gefühle außerordentlich laut äußerte, konnte ich ihre Worte sehr gut nachvollziehen.
Sie sprach mit mir beinahe wie mit einer Gleichaltrigen. Dafür versprach ich ihr, die Jungs für einige Zeit zu meiden und ihrem Rate zu folgen.
Mein erster Versuch
Das Versprechen hielt vier Jahre bis zu meinem Siebzehnten. Die Finger genügten mir plötzlich wirklich nicht mehr. Außerdem schien ich, mit Ausnahme meiner besten Freundin Manu – die, was Sex betraf, auf einem anderen Planeten lebte -, die Letzte zu sein, die bis dahin diesen bewussten Akt nicht hinter sich gebracht hatte.
Eine Reihe der Mädchen schwärmte von hinreißenden Erlebnissen mit dem anderen Geschlecht, was für ein Hochgefühl es sei, mit einem Jungen, besser mit einem Mann zu schlafen. Was für einen unvergleichlichen Orgasmus man erlebe, spürte man erst so ein männliches Glied in sich oder ersatzweise eines der allseits bekannten Spielzeuge. Tina, ein Mädchen aus meiner Klasse, war besonders gesprächig. Richtige Männer begnügten sich nicht damit, einfach ihr Ding da reinzustecken und zu rubbeln, bis sie ins Kondom spritzten.
„Hm, wenn die lange und gut deine Pussy lecken, dann gehst du ab, das sag ich dir …“, einer ihrer Sprüche, das käme in ihrer Beliebtheitsskala noch vor dem Poppen. Nicht dass mich der Gedanke daran besonders erregte, aber ich wollte endlich wissen wie sich das anfühlt.
Auf Manu, mit der ich einen großen Teil meiner Freizeit verbrachte, werde ich später zurückkommen. Jedenfalls hielt sie nichts von Jungs und dem ganzen Darum herum. Das muss sich auf mich übertragen haben, meinte ich in diesen für Heranwachsende so wichtigen Jahren. Sie kümmerte sich lieber um die Schule und riet mir stets dasselbe. Leider war sie in den Naturwissenschaften dieselbe Niete wie ich. Allein sie kompensierte das Defizit mit viel Fleiß, an dem es mir fehlte. Wäre sie nicht meine beste Freundin gewesen, hätte ich sie eine unverbesserliche Streberin genannt.
Überhaupt, soviel vorausgeschickt, wirkte Manu von einem bestimmten Alter an, ab dem Sexualität eine Rolle spielt, auf mich wie ein sexuelles Neutrum. Seit der Zeit zog sie sich nie in meiner Gegenwart um. Wenn ich dasselbe in ihrem Beisein tat, schaute sie stets weg, oft ermahnte sie mich. Wenn sie bei uns übernachtete, schlief sie stets im Gästezimmer.
Mein Entschluss reifte endgültig, nachdem ich die bereits erwähnte Tina, während meiner Geburtstagsparty ungewollt im Geräteschuppen mit einem der Jungs beobachtete. Er lag auf dem Rücken, sie kniete über ihm. Nach vorn gebeugt bewegte sie ekstatisch ihr Hinterteil, der ganze Körper von einem fieberhaften Schütteln ergriffen. Beide schienen so weit entrückt zu sein, dass sie nicht einmal bemerkten, wie ich einen Klappsessel entnahm.
Der Name des Auserwählten, dem ich die Missetat antragen wollte: Paul, Paul das Mathe- und Physikgenie. Er hatte schon mehrere Olympiaden gewonnen und besuchte eine Parallelklasse im selben Gymnasium. Auf dem Schulhof fragte ich ihn, ob er mir nicht ein paar Nachhilfestunden geben wolle. So nachdenklich und gleichzeitig herausfordernd, wie er mich anblinzelte, schien er meine wahren Gedanken erkannt zu haben. Daher sagte er ohne jeglichen Vorbehalt zu. Ich könne nach der Schule jederzeit bei ihm vorbeikommen.
Paul wohnte in unserer Siedlung zwei Straßen weiter. Die Eltern, beide Bedienstete in einer Landesbehörde, waren selten zu Hause. Groß gewachsen, schlank und blond, trug er einen kurzen Bürstenschnitt. Er gehörte nicht zu den Jungs, die ständig an den Mädchen herum baggerten. Das machte ihn interessant für mich, da mir auf dem Schulgelände seinerseits in Punkto Freundinnen oder Favoritinnen bis dahin nichts weiter aufgefallen war. Selbst außerhalb der Schule sah ich ihn nie in Begleitung einer Freundin. Außerdem sollte er gut aussehen, mein Erster, das war ich mir schließlich selbst schuldig.
Mein normaler Aufzug im Schulalltag bestand aus Jeans mit Shirt oder Pullover, stets einen BH darunter. Darauf legte meine Mutter großen Wert. Vor meiner ersten „Nachhilfestunde“ bei Paul fuhr ich nach der Schule zuerst nach Hause, wo ich mir den kürzesten Rock, den knappsten String, dazu ein bauchfreies Trägershirt, das wenig bedeckte, aussuchte. Den Büstenhalter ließ ich weg.
Paul zeigte keinerlei auffällige Reaktion, meine Garderobe betreffend, nachdem er mir die Haustür öffnete. Er begrüßte mich mit einem trockenen „Hallo“, dann bat er mich, einzutreten. Er trug Bermudas, darüber ein Muskelshirt, das seinen makellosen Körper außerordentlich gut betonte. Wie sagt man in solchen Fällen? Er sah sexy aus, er gefiel mir, so wie er vor mir stand, trotz seines gleichgültigen Blickes. Einzig in meinem Bauch regte sich nichts. Das kommt schon, sagte ich mir zu meiner Beruhigung.
Die Treppe nach oben zu seinem Zimmer betrat ich vor ihm. Er sollte meinen schmalen Slip sehen. Dennoch blieb er völlig cool, nachdem er in seiner Sitzecke Platz nahm. Ich saß ihm schräg gegenüber. Auf dem Clubtisch lagen bereits die zu unserer Nachhilfestunde passenden Lehrbücher.
Am Abend davor, als ich in meinem Bett lag, versuchte ich mir vorzustellen, wie es ablaufen würde. Romantisch in jedem Falle, wie sonst? Ich meinte, er würde, wenn er mich in diesem Aufzug sieht, augenblicklich aufmerksam und mir Komplimente machen. Zuerst wollte ich ihn zappeln lassen. Wenn er seine Annäherungsversuche fortsetzte, würde ich ihm Stück für Stück näher und an der richtigen Stelle entgegen kommen. In jedem Falle sollte es passieren.
Aber so lief das wohl nicht bei ihm, wenngleich er manchmal verlegen hüstelte, wenn ich mich über den Tisch hinweg beugte, wenn er mit Sicherheit bis zu meinem Bauchnabel gucken konnte. Oder wenn ich mich nach gelöster Aufgabe auf der Sitzecke zufrieden so weit zurücklehnte, dass er meine Beine bis an deren schönstes Ende sehen musste.
Dass die Betrachtung einer von einem knappen Höschen spärlich bedeckten Vulva bei Männern gewisse Wunschvorstellungen zu wecken vermag, das wusste ich schon. Dass derartige Betrachtungen bei den meisten zur Penissteife führen, ebenfalls. Der Satz: „Ich habe eine Latte bekommen, als ich der unter den Rock geguckt habe …“, gehörte zum Standartrepertoire einiger Jungs in den Pausengesprächen.
Nachdem nichts von dem passierte, was ich mir in meinen bis dahin schönsten Träumen ausgemalt hatte, sah ich mich genötigt, zum Angriff überzugehen. Auf der Toilette zog ich mein Höschen aus. Als ich zurückkam, saß Paul nackt auf der Kante seines Bettes, lässig zurückgelehnt. Sein steifer Penis, dessen Ausmaß mir im ersten Moment einen Schreck einjagte, stand kerzengerade aus seinem Schoß heraus.
„Das wolltest Du doch, oder?“, fragte er mich trotzig, nachdem ich das Zimmer wieder betrat. Mit klopfendem Herzen erwiderte ich stumm seine Frage, indem ich mein Shirt langsam über den Kopf zog, um anschließend weltfraulich meinen Rock fallen zu lassen, so wie ich es aus Filmen kannte.
Ob mir dieser Strip so aufreizend gelang wie es die Schauspielerinnen gewöhnlich zeigen, daran kann ich mich nicht mehr genau erinnern. Doch tat ich anschließend dasselbe, was Frauen in derartigen Filmszenen oft zeigen: ich setzte mich zu ihm und betastete behutsam dieses Ding, dessen Funktion mir sehr wohl bekannt war, zu dessen Handhabung ich jedoch überhaupt keinen Plan hatte.
Nicht einmal in meinen Fantasien spielte bis dahin ein erigiertes männliches Glied eine Rolle. Wenn ich abends im Bett eine Hand über meinen Bauch abwärts gleiten ließ und mit der anderen meine Brüste streichelte, war ich stets völlig eingenommen von diesem Gefühl, das sich kurzfristig einstellt. Ich gehörte mir ganz allein. Nie dachte ich an etwas anderes als daran, diesen Fall ins Bodenlose zu erleben, ohne jeglichen Bezug zu irgendeiner zweiten Person. Ich verspürte nicht einmal eine besondere Lust darauf. Dass ich in diesem Moment nackt neben einem Jungen mit steifem Penis saß, entsprach lediglich dem unwiderstehlichen Drang, es hinter mich bringen zu müssen. An etwas Dauerhaftes mit einem Jungen dachte ich hingegen noch nicht, doch wer weiß, was sich hätte entwickeln können?
Er hatte schon ein Kondom übergestreift. Gern hätte ich gewusst, wie sich so ein Ding in Natura anfühlt. Ich konnte Pauls Penis mit meiner zierlichen Hand nicht einmal völlig umfassen. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er mich mit dem Rücken auf sein Bett drückte. Dort küsste er meine Brüste, während seine Hand an meinen Oberschenkeln Stück für Stück nach oben wanderte. Bis er schließlich an den Ort gelangte, um dessen feierliche Entweihung sich meine Wünsche an besagtem Nachmittag drehten. Er verstand das sehr gut, und mir schien, dass er bereits einige Übung darin haben musste. Besonders nachdem er begann, meinen Schoß zu streicheln. Erst als er versuchte, mit seinen Fingern in mich einzudringen, gab ich ihm zu verstehen, dass ich Jungfrau sei.
„Auch das noch“, erwiderte er gelangweilt. „Du hast noch nie gepoppt, und das mit siebzehn? Unglaublich!“ „Nein“, erwiderte ich verlegen. Mein Herz schlug schnell, wenngleich seine für mich unerwartete Reaktion bei mir für einige Abkühlung sorgte.
„Ich möchte, dass Du der Erste bist“, fügte ich kleinlaut hinzu. Jetzt waren wir an der Stelle angekommen, an der ich erwartete, dass er mich küssen würde, doch er sah mich nur entgeistert an. Nicht dass ich hoffte, auf Rosen gebettet zu werden, ein Stück mehr Romantik wünschte ich mir schon.
Nach einer Pause, während derer ich ein weiteres Mal meine Hand um sein aufrecht stehendes Glied legte, sprach ich verunsichert:
“Obwohl mir das Ding da …“, ich wusste nicht, wie ich seinen Penis anders bezeichnen sollte. „Obwohl mir das Ding da Angst einflößt, so lang und so dick.“
Lachend versicherte er mir, dass der auf jeden Fall hinein passen würde, so nass und so erregt wie ich schon sei. Zur Demonstration desselben rieb er seinen Daumen am Zeigefinger. Ja, das gebe ich ehrlich zu, ich war erregt, so wie er mich berührte, ich war wie elektrisiert, ich hätte mir gewünscht, er würde das noch länger tun, wenigstens so lange, bis ich einen ersten Höhepunkt erleben würde. Auch das andere, von dem Tina öfter so begeistert sprach, das Pussy lecken, aber das zu sagen, traute ich mir nicht. Stattdessen stand er abrupt auf, um zwei Handtücher aus dem Badezimmer zu holen.
„Na komm schon“, seine einzigen Worte, während er meinen nackten Körper über die beiden Handtüchern beförderte. Anstatt der zärtlichen und leidenschaftlichen Küsse, die ich erwartet hatte, legte er sich eilig zwischen meine Schenkel, die er mit beiden Knien unsanft auseinander spreizte. An meiner Haut spürte ich mit wachsendem Unbehagen dieses drängende Etwas, das der Aufwärtsbewegung seines Körpers folgte. Lediglich seine Lippen lagen an meinem Hals, er keuchte leise, je näher er an den Ort meiner höchsten Lust gelangte, mein Heiligtum, das mir bis dahin ganz allein gehörte. Hatte er mich am Anfang wenigstens noch zärtlich gestreichelt, so zog er jetzt gefühllos mit Daumen und Zeigefinger meine empfindlichen Lippen auseinander, als wolle er gewaltsam ein Tor öffnen, sobald sein Glied, dessen Spitze mich bereits berührte, dort angekommen war. So ungestüm und empathielos wie er das anstellte, empfand ich es bereits als schmerzhaft, bevor er überhaupt die Schwelle übertrat. Mit beiden Händen stieß ich ihn im letzten Moment von mir.
„Nicht so schnell! Du tust mir weh“, schrie ich ihn an. Paul erstarrte plötzlich. Sein Penis erschlaffte in Windeseile, und er meinte, dass ich ihn völlig frustriert habe mit meinem Geschrei. Bei ihm würde nun nichts mehr gehen, sagte er enttäuscht.
Ich zog mich eilig an, die ganze Szene war mir peinlich, ich wollte nichts als schnell weg von ihm. Hinterher stellte ich mir die Frage, ob ich das Ganze wirklich wollte.
Meine Mutter stand im Garten, als ich kurz darauf in meinem aufreizenden Aufzug durch die Gartenpforte trat. Ich hatte sie zu spät gesehen.
„Wie läufst du denn herum?“, fragte sie mich entsetzt. An der Hitze, die in mir aufstieg, bemerkte ich, dass ich dunkelrot angelaufen sein musste. Lügen würde mir nichts nützen, das war mir gleich klar.
„Ich war zum Nachhilfeunterricht in Physik und Mathe“, erwiderte ich kleinlaut. „Halb nackt?“, fragte Mam. Da wir in sexuellen Fragen offen miteinander umgingen, obgleich dieselben bei mir bis dahin eine untergeordnete Rolle spielten, erwiderte ich: „Den Rat, den du mir damals in Bezug auf die Jungs gegeben hast, habe ich bis heute befolgt.“ Da lächelte sie mich an und gab mir einen Kuss auf die Stirn. „Ich hoffe mit Schutz“, fügte sie hinzu, ich ließ sie in dem Glauben.
Das Ding mit Paul, gelaufen, dumm gelaufen, wenn ich das so bezeichnen darf. Nach dem verunglückten Date zog er auf dem Schulhof einen großen Bogen um mich herum. Er würdigte mich keines Blickes mehr. Vielleicht schämte er sich und hatte Angst, ich würde Sprüche über ihn verbreiten. Dazu gab es für mich überhaupt keinen Grund. Die Situation war eben blöd, und ich war mir zudem nie wirklich sicher, ob ich es ernsthaft mit ihm wollte oder ob der Versuch mehr eine Schnapsidee war. Was sollte nun mit meiner Nachhilfe in Physik und Mathe werden? Das Abi rückte unaufhaltsam näher. Ein paar Tage später ergab sich die Antwort von selbst. Da lief mir Frau Kirchner über den Weg.
Bis zur neunten Klasse unterrichtete sie uns in den beiden Fächern. Für meine Verhältnisse erhielt ich bei ihr sehr gute Noten. Nach der Neunten wechselte sie die Schule an ein Gymnasium am anderen Ende der Stadt. Es gab Gerüchte, dass etwas vorgefallen sei, was, das wusste keiner so genau, es interessierte mich auch nicht. Die richtige Ausgangssituation für Geschichten jeglicher Art. Es wird eben manchmal viel erzählt, besonders über Lehrer, die bekanntlich Vorbild sein sollen.
Wie aus dem Nichts kam sie mir plötzlich auf der Straße entgegen, spürbar erfreut, sie strahlte regelrecht. Ehe ich mich versah, schlang sie ihre Arme um meine Schultern.
„Was für ein Zufall! Lass dich umarmen, Chrissy“, ihre ersten Worte. Die Umarmung dauerte mehrere Sekunden, wie der Kuss, den sie mir auf die Wange gab. Sie zog mich fest an sich, eine Hand an meiner Hüfte, die andere in meinem Nacken. Ich spürte ihre Brüste. Ihre feuchten Lippen wie ihre weiche Hand, mit der sie zärtlich meinen Nacken streichelte, trieben mir eine bis dahin nie erlebte Hitzewelle durch den Körper, mein Herz raste. Ich wurde augenblicklich verlegen und wusste in meiner Verwirrung nicht so recht wohin mit meinen Händen. Nachdem sie zufrieden einmal tief durchgeatmet hatte, schaute sie anschließend, beide Arme ausgestreckt an meinen Schultern, zufrieden an mir herab.
„Aus dir ist eine richtig schöne junge Frau geworden, Chrissy“, sagte sie mit aufgerissenen Augen, bevor sie mich ein weiteres Mal stürmisch umarmte. Ich hatte gern bei ihr Unterricht, sie war eine sehr gute Lehrerin.
Frau Kirchner lud mich auf einen Kaffee ein. Kaum dass wir am Tisch saßen, bot sie mir das „Du“ an. „Du bist erwachsen geworden, dann können wir uns duzen“, sagte sie überzeugt zu mir. Ich sah ein geheimnisvolles Leuchten in ihren Augen, so, wie sie mich anschaute. Diesen Blick kannte ich noch nicht, doch allein ihre Gegenwart erwärmte mich auf eine Art, wie ich sie allein aus meinen intimen Begegnungen mit mir selbst kannte.
„Ich bin nicht mehr deine Lehrerin“, widerholte sie, mehr besänftigend, als habe sie meine Verwirrung erkannt, allmählich beruhigte ich mich. Nach ein paar Worten Klatsch über die Schule, kam ich wegen meines Bedarfs an Nachhilfe zur Sache.
Sie war gleich bereit, mich zu unterstützen. Nachdem sie mir Adresse und Telefonnummer gab, zählte sie die nächsten Nachmittage auf, an denen es ihr am besten passen würde. Da einer der Wahltermine bereits auf den folgenden Tag fiel, und weil ich nachmittags nichts vor hatte, trafen wir für diesen Tag unsere erste Verabredung.
Abends im Bett genügten mir meine Finger plötzlich wieder. Ich musste ständig an Viola denken, an die Umarmung, an ihre Hand in meinem Nacken, ich spürte den Kuss auf meiner Wange, ihre Brüste, die sich deutlich aufrichteten, als sie tief durchatmete, ich sah ständig ihr Gesicht über mir. Schlief ich sonst nach einer Entspannung meist ein, bekam ich an diesem Abend nicht genug, lange war ich nicht so heftig gekommen.
Dann fiel mir ein, dass es ein Album mit Fotos unseres letzten gemeinsamen Klassenausflugs gibt. Ein Foto, das Manu aufgenommen hatte, zeigte uns beide, Viola und mich, während des Besuchs eines Freibades. Wir beide in extrem knappem Bikini, hatte Viola ihren Arm um meine Schulter gelegt. Ich erinnerte mich an das Zittern, das mich in diesem Augenblick ergriff, als ihre Hand auf meiner Haut lag. Wir waren gerade aus dem Wasser gekommen.
„Du zitterst ja, Chrissy“, hatte Viola gesagt. Das war mir sehr peinlich. „Das Wasser war so kalt“, fiel mir im letzten Moment als Antwort ein.
Während ich mir auf dem Bauch liegend, das Bild betrachtete, wir beide spärlich bekleidet, äußerst sexy, wie mir jetzt erst auffiel, ging mit einem Mal meine Fantasie mit mir durch. Der Anblick einer Frau hatte mich bis dahin nie erregt, außer bis dahin, dass man jemanden attraktiv findet, aber das fand ich ebenso bei Jungs. Eine Hand unter meinen Bauch geschoben, gab ich mich abermals meiner wachsenden Lust hin, während ich meine Augen nicht von dem Bild lassen konnte.
Ich versuchte mir vorzustellen, wie sie nackt aussehen würde. Ich nackt daneben, sie berührt mich nicht allein an der Schulter, sie umarmt mich, leidenschaftliche Küsse, wir sind plötzlich allein, weit ab von allem Trubel, leise Musik in einem von Kerzen erleuchteten Raum auf einem breiten Bett. Hatte sich bislang bei mir alles allein um meinen Körper gedreht, so erschien an diesem Abend zum ersten Mal eine Person in meiner Fantasie. Lag ich bis dahin meist still auf dem Rücken, wenn ich mit mir selbst schlief, wälzte ich mich diesmal in meinem Bett in ekstatischer Gier einem Orgasmus entgegen, den Wunsch tief in mir, dieser möge alsbald von einer beteiligten Person ausgelöst werden.
Als ich aus dem Rausch erwachte, bekam ich einen Schreck, eine Frau! Mir ging ein weiteres Mal der Nachmittag durch den Kopf, Violas Körper, wie sie mich an sich zog, die Hand zärtlich in meinem Nacken. Die erste intime Berührung hatte ich mit Paul, die tat mir gut, die erregte mich, das was danach kam, stieß mich ab. Jetzt Viola, das war nichts weiter, nein, das war nichts weiter, versuchte ich, mir einzureden. Ich war siebzehn und ich hatte Wünsche, die ich nicht verdrängte, es war mein Körper, der danach verlangte, nach einem zweiten, nach nackter Haut, das musste endlich aus mir heraus. Oder gab es etwa Gründe, außer Manu, die mich von allem Sexuellen fern hielt, dass ich bis zu meiner Schnapsidee mit Paul nichts von Jungs wissen wollte?
An diesem Abend entschloss ich mich, nicht weiter darüber nachzudenken, doch ich entschied mich, in Zukunft auch die Jungs aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Vielleicht sollte ich es ein zweites Mal mit einem anderen versuchen?
Pünktlich fünfzehn Uhr stand ich am Folgetag vor Violas Haustür. Der Unterricht endete vierzehn Uhr. Mit Manu ging ich, um die Zeit zu überbrücken, Eis essen. Mein Kopf aber eilte bereits eine Stunde voraus. Den ganzen Vormittag war ich nervös, unkonzentriert, ich hatte schlecht geschlafen, ein Traum jagte den anderen, mehrmals war ich wach, etwas ging in mir vor, das ich nicht mehr beherrschte.
„Hey Chrissy, hörst du mir überhaupt zu?“, ermahnte mich Manu, nachdem sie mit einem Schwall an Sätzen die letzte Deutschstunde ausgewertet hatte. Es ging um eine Literaturinterpretation. Manu war wieder einmal an unserem Deutschlehrer angeeckt, weil sie dessen Meinung nicht teilen wollte. Deutsch besuchten wir beide als Leistungskurs.
Vorausgeschickt: Manu war die Leseratte vor dem Herrn. Wenn sie mich besuchte, verbrachte sie die meiste Zeit in der Bibliothek meines Vaters. War der anwesend, gehörte seine Aufmerksamkeit überwiegend Manu. Beide erörterten sie ausführlich die Inhalte der Bücher, die Manu gerade las. Da Dad ebenfalls sehr belesen war, meinte ich mitunter, nicht Manu, sondern mein Vater stritt sich mit unserem Lehrer.
„Ich habe schlecht geschlafen“, entschuldigte ich mich, mit Hinweis auf den bevorstehenden Arztbesuch, meine Ausrede Manu gegenüber für meinen Fünfzehn-Uhr-Termin. Zum Glück konnte ich ihr ausreden, mich zu begleiten. Gynäkologe, sie winkte ab, das war nicht so ihr Ding, nicht einmal das Darüber reden.
„Nicht dass du schwanger bist“, mit einem hämischen Grinsen im Gesicht, mehr sagte sie nicht dazu.
Mein Puls hämmerte in den Schläfen, als ich den Klingelknopf betätigte. Nach dem zweiten Klingeln öffnete Viola die Tür. Sie sei gerade unter der Dusche hervorgesprungen, daher habe es so lange gedauert, entschuldigte sie sich. Ihr mittellanges, dunkelblondes Haar hing in nassen Strähnen herab. Sie trug ein Hauskleid in der Art eines Ponchos. Unter den Armen tief ausgeschnitten, reichte es bis kurz über ihre Knie. Meine aufmerksamen Blicke schien sie, nach einer kurzen Umarmung, bemerkt zu haben.
„Wenn dich mein Aufzug stört, ziehe ich mir etwas anderes über“, sagte sie im Hineingehen. „Ich ziehe mich zu Hause gern locker an, an solch einem warmen Frühlingstag ist das ohnehin bequemer“, fügte sie hinzu, nachdem wir im Wohnzimmer ankamen. Weil ich im ersten Moment nicht zu antworten in der Lage war, schüttelte ich schüchtern den Kopf. „Nicht nötig, bleiben sie …“ Mir fiel das Du ein. „Bleib ruhig so“, kam es kurz darauf zögerlich aus meiner trockenen Kehle heraus.
Violas Wohnzimmer war zweigeteilt. Im größeren Teil, der von einem Raumteiler begrenzt wurde, befand sich eine gemütliche Sitzecke mit einer ledernen Couch und zwei Sesseln. Davor ein Clubtisch, an der Wand zwei Kommoden. Im kleineren Teil des Zimmers, der über einen Durchgang zur Küche verfügte, auf der einen Seite die Essecke, gegenüber am Fenster ein ziemlich unaufgeräumter Schreibtisch. Jugendstilmöbel, wie ich später erfahren durfte. Die Wände über und neben den Kommoden voller Regale, die sich unter endlos vielen Büchern aller möglichen Genres, wie ich feststellen konnte, bogen.
Auf dem Clubtisch standen bereits Kaffeetassen und eine Thermoskanne. „Hey Chrissy, was ist?“, fragte sie mich vergnügt, weil ich unschlüssig inmitten des Raumes stehen geblieben war. Viola saß schon auf der Couch. Von da aus bot sie mir den Sessel gegenüber an. Vor der Nachhilfe setzten wir die im Café begonnene Plauderstunde fort. Was aus dem einen Kollegen oder der anderen Kollegin an ihrer alten Schule geworden sei, ob es alle Schüler in die Oberstufe geschafft hätten, wie es mir ginge und ob ich schon einen festen Freund habe, der übliche Klatsch. Zwischendurch aktuelles aus dem Tagesgeschehen.
„Noch keinen Freund?“, fragte sie erstaunt, nachdem ich verneinte. „Dann wird es aber Zeit!“
Ihre lockere Art und weil sie so ungezwungen mit mir sprach, ließen mich meine anfängliche Scheu schnell vergessen, ich wurde zunehmend sicherer.
„Bist du endlich aufgetaut?“, fragte sie mich nach einer Weile, nachdem ich meine Zurückhaltung abgelegt hatte. Das „Du“ ging mir anfangs schwer über die Lippen, das schien sie bemerkt zu haben. „Sieh mich einfach nicht mehr als deine Lehrerin an. Versuche stattdessen in mir eine Freundin zu sehen“, sagte sie lächelnd, ihren warmen Blick unablässig in meine Augen gerichtet. Da wurde es mir endgültig besser.
Zum Üben nahmen wir anschließend am Esstisch Platz, da sich dort Hefte und Bücher besser ausbreiten ließen. Ich hatte bereits während unseres Treffens am Vortag über meine Engpässe berichtet. Daher war Viola ihrerseits vorbereitet. Wir wollten jeweils an einem Tag gemeinsam einen Themenbereich durchgehen. Sie würde mir entsprechende Aufgaben stellen, die ich anschließend lösen sollte und die wir am Ende der Übung gemeinsam auswerten wollten. So hatten wir es im Café besprochen und danach verfuhren wir. Ich am Esstisch, Viola an ihrem Schreibtisch, wo sie zwischendurch Klassenarbeiten korrigierte. Zum Durchsehen meiner Ergebnisse und zur Auswertung kam sie jeweils an den Esstisch, lässig an die Tischkante gelehnt.
„Geht doch ganz gut“, sagte sie nach dem ersten Komplex. „Man könnte fast meinen, du hast überhaupt keine Engpässe.“
Ratlos hob ich die Schultern. „Das war schon so, als du meine Lehrerin warst. Da habe ich vieles besser verstanden als jetzt“, erwiderte ich.
Sie streichelte sanft über mein Haar. „Das kommt nicht selten vor. Wenn Schüler ihren Lehrer sympathisch finden, sind die Lernergebnisse häufig besser“, erwiderte sie leise mit gesenkter Stimme. Dafür gäbe es sogar Statistiken. Das letzte Wort kaum ausgesprochen, ging sie an ihren Schreibtisch zurück. Ich hätte mir gewünscht, sie wäre länger neben mir stehen geblieben, intuitiv wartete ich auf etwas, doch ich wusste nicht, worauf.
Wir verabredeten uns für den nächsten Donnerstagnachmittag zur selben Zeit. „Ich freue mich auf dich“, sagte Viola im Flur während einer flüchtigen Umarmung, nachdem sie meine Wange küsste.
„Ich freue mich genauso“, erwiderte ich, erschrocken, weil mir der Ton, mit dem ich geantwortet hatte im Nachhinein als kühl erschien, doch Viola lächelte mich zufrieden an, vielleicht bemerkte sie es nicht, dachte ich danach. Sie hatte mir ein paar Aufgaben mitgegeben, die ich, aus ihrer Auswertung heraus, vertiefen sollte, und die sie beim nächsten Mal zu Beginn der Übungsstunde abfragen würde. Selten lernte ich in den beiden Fächern Mathe und Physik mit dieser Freude. Die Woche schien mir endlos lang.
Abends in meinem Bett empfand ich plötzlich keine Lust mehr. So etwas hatte ich zuvor schon zeitweilig erlebt, daher sah ich nichts Ungewöhnliches darin. Dass diese heftige Erregung am Abend vor meinem ersten Besuch bei Viola mehr gewesen sein sollte als eine Fantasie, versuchte ich indes zu verdrängen. Viola war freundlich zu mir. Das war sie früher schon als meine Lehrerin. Sicher verhielt sie sich ebenso anderen gegenüber, höflich, freundlich und zuvorkommend. Außerdem schien sie Männer zu lieben. Ich erinnerte mich daran, dass sie hin und wieder von einem Mann abgeholt wurde.
Doch was sollte das überhaupt, eine solche Frage? Männer oder Frauen? Was ging da wieder Wirres durch meinen Kopf? Ich bekam Schweißausbrüche. An einem Abend versuchte ich, das Bild Pauls in meine Erinnerung zu rufen, wie er da mit seinem steifen Penis auf der Bettkante saß, wie er mich anschaute. Die Gesichter wechselten, Viola, Paul, Manu mit strengem Blick, dann ging gar nichts mehr, ich fühlte mich wie taub. Für den nächsten Besuch bei Viola nahm ich mir vor, allein an die Nachhilfe zu denken, egal wie sie sich verhalten würde. Dazu fest entschlossen fuhr ich zu Violas Haus.
Viola öffnete bereits nach meinem ersten Klingeln. Abermals trug sie ein Hauskleid, das dem vom ersten Tag ähnelte. Dieses jedoch nicht allein unter den Armen, sondern selbst vorn weit ausgeschnitten, ein Stück länger als das andere, dafür an einer Seite bis weit nach oben geschlitzt.
„Hallo Chrissy, tritt ein …“ Violas Stimme drang in mich, mehr die folgenden Worte, die sie, nachdem die Haustür ins Schloss gefallen war, in die Umarmung und den flüchtigen Begrüßungskuss hinein sprach:
„Ich freue mich, dass du da bist.“ Ihre Lippen bewegten sich über die empfindliche Haut meiner Wange. Vibrationen, die tief in meinen Schoß hinein drangen, ließen mich meine Vorsätze vergessen, ehe ich mich versah. Und da war noch etwas, das mir bereits im Flur aufgefallen war, stärker, intensiver im Wohnzimmer. Ein seltsamer Geruch, den zu zuordnen ich mich außerstande fühlte. Kein Parfüm, Reinigungsmittel oder Küchengeruch schon gar nicht. Nicht unangenehm, das ganze Gegenteil, geradezu betörend drang er über die Nase in mein Hirn, wo er das Gefühl verstärkte, welches während Violas Umarmung bereits von meinem Bauch Besitz ergriffen hatte.
Wie benommen erwiderte ich: „Ich freue mich ebenfalls Viola.“, ein leichtes Zittern, das ich nicht unterdrücken konnte, lag in meiner Stimme.
Das Folgende verlief wie am ersten Tag, eingangs Kaffee, Klatsch über dies und das und jeden; doch während Viola zu unserem ersten Treffen wesentlich distanzierter wirkte, - vielleicht bildete ich mir das auch nur ein -, erschien sie mir dieses Mal außerordentlich aufgeschlossen. Ihr Blick wich selten von mir, als beobachte sie mich.
Mir fiel schnell auf, dass sie nichts unter ihrem Hauskleid trug. Oben herum erschien mir das nicht ungewöhnlich, da ich ebenso gerne ohne Büstenhalter ging, in der Freizeit die Regel. Sie trug keinen Slip.
Der freie Blick zwischen ihre Beine, den sie mir bisweilen bot, wie einst Sharon Stone in einem bekannten Thriller, allerdings weniger verführerisch, eher wie zufällig, verunsicherte mich anfangs. Gleichzeitig verspürte ich einen inneren Drang, stets aufs Neue heimlich in diese Richtung zu schielen. Ich ertappte mich sogar dabei, dass ich regelrecht auf eine nächste Bewegung wartete, die mir einen weiteren Blick erlaubte. Und dann dieser Geruch, der anhielt, der sich sogar zu verstärken schien.
Mir war, als hinge ich zwischen zwei Stühlen in einer Art Schwebezustand, jeden Moment in der Gefahr gefangen, auf den Boden zu stürzen. Es gelang mir weder den einen Stuhl unter mich zu bringen, den, von dem aus ich ungehindert diese Bilder einzufangen vermochte, noch den anderen. Den zweiten, der den eigentlichen Zweck meiner Anwesenheit in diesem Hause verkörperte, die Nachhilfe.
Sicher Zufall, sie denkt sich nichts dabei, versuchte ich mir einzureden. Was, wenn ihr meine neugierigen Blicke auffielen? Nicht auszudenken. Nein, das konnte nicht sein, keine Absicht, alles einzig ein Produkt meiner eigenen ausschweifenden Fantasien, die mich bereits vor dem ersten Besuch Violas im Bett getrieben hatten.
Ich selbst trug nie eine solche Garderobe, meine Mutter ebenso wenig, doch vielleicht war es für andere Leute völlig normal, zu Hause keine Unterwäsche zu tragen. Doch was ich auch zu denken versuchte, ständig kamen die Bilder dieses ersten Abends zurück, Viola und ich im Bikini, dann wir beide nackt, plötzlich saß sie mir nackt gegenüber, mit einladend gespreizten Schenkeln, komm, bediene dich, Chrissy, ich weiß dass du es willst …
Viola begann ihren Dienst an unserer Schule, als ich die achte Klasse besuchte. Frisch vom Studium gekommen, musste sie jetzt, so schätzte ich, Ende der Zwanzig sein, vielleicht siebenundzwanzig oder achtundzwanzig. Ihr mädchenhaftes Äußeres, das mir bereits damals aufgefallen war, ließ sie kaum älter erscheinen als die Mädchen in der Oberstufe. Man erkannte sie nicht gleich als Lehrerin, hielt sie sich auf dem Schulhof unter Schülerinnen der oberen Klassen auf.
Ich solle sie als Freundin, nicht als die frühere Lehrerin sehen, hatte sie zu mir gesagt. Um meine Fantasien in die Schranken zu weisen, um nicht aufzufallen, versuchte ich, sie wieder mehr als meine Lehrerin zu sehen. Die Lehrerin, die eben ein solches bequemes Hauskleid ohne Unterwäsche trägt, weil das ihrer Gewohnheit entspricht. Meine Erregung ließ allmählich nach, wie ich zufrieden feststellte. Ich meinte, den richtigen Stuhl gerade noch im richtigen Moment erwischt zu haben.
Über meine sexuelle Orientierung hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt nie wirklich nachgedacht. Unterschiede in der Bewertung einzelner Gewohnheiten oder Vorlieben gab es zu Hause nicht. Meine Eltern, beide liberal, äußerten sich nie abwertend. Im Gegenteil, Dad sprach hin und wieder kritisch über die bis dahin politisch nicht durchgesetzte Gleichberechtigung anderer Lebenspartnerschaften als der zwischen Mann und Frau. Homosexualität galt als völlig normal. Daher bekam ich keinen Schreck, als ich diese Neigung ansatzweise in mir vermutete, als Viola zum ersten Mal Gegenstand meiner Fantasien wurde. Dennoch wollte ich vermeiden, dass sie etwas davon mitbekommt.
Erleichtert war ich, als sie sich zum Schreibtisch begab. Ich nahm auf demselben Stuhl am Esstisch Platz, den ich bereits während der ersten Übungsstunde eingenommen hatte. Als erstes fragte sie die Aufgaben ab, die ich zu Hause vertiefen sollte. Ich hatte mir Mühe gegeben, wofür sie mich lobte.
Gab sie ihre Erklärungen zum jeweiligen Thema am ersten Tag überwiegend vom Schreibtisch aus ab, blieb sie an besagtem Tag öfter in meiner Nähe stehen. Ich spürte ihren Atem, wenn sie sich über mich lehnte, um nachzuschauen, wie weit ich sei. Häufig so nah, dass ich ihre kleinen, festen Brüste an meinem Rücken spürte.
Kleiner als die meinen, dafür fest mit spitzen Brustwarzen, die etwas zur Seite geneigt leicht nach oben standen. Das war unter dem Poncho zu erkennen. Fast wie die meiner Mutter, deren Brüste Dad bisweilen scherzhaft als Igel-Schnäuzchen bezeichnete. Dozierend umrundete sie den Tisch, ein Bein auf dem davor stehenden Stuhl abgestützt, blieb sie ab und zu auf der Tischkante sitzen.
Wandte sie mir die Seite zu, an der ihr Kleid geschlitzt war, ragte ihr gesamter Oberschenkel aus seiner Bedeckung heraus. Während ich schrieb, flohen meine Augen wiederholt in diese Richtung. Fast tat es mir leid, dass die Einblicke wegen Violas Sitzhaltung weniger aufschlussreich blieben als auf der Couch. Nur wenn sie aufstand und das Bein ein Stück abspreizte, kam ein winziges Stück ihrer Vulva zum Vorschein. Ein Wimpernschlag, der mir jedes Mal den Atem stocken ließ.
Ich sah in dem Schattenspiel unterhalb des Kleides nicht einmal alles. Es waren oft einzig die schemenhaften Umrisse dieses Ortes, an dem sich die beiden Oberschenkel begegnen. Der äußerste Rand dieser Wölbung, an der Frauen ganz besonders empfindlich sind. Als ich damit anfing, mich selbst zu befriedigen, hielt ich mir gelegentlich einen Spiegel zwischen die Beine. Mit den Augen verfolgte ich die Bewegungen meine Finger, das erregte mich. Doch war das alles mehr Fantasie, hier ging es plötzlich um die Realität. Und seit Viola das erste Mal dicht neben mir auf der Tischkante saß, wusste ich auch, woher dieser faszinierende Geruch stammt, er kam aus ihrem Schoß.
Meine Erregung wuchs mit jedem Mal, dass Viola auf die Tischkante neben mir zurückkehrte. Ich wartete geradezu gespannt darauf, darauf, dass ich ein Stückchen mehr zu sehen bekäme, darauf, dass dieser Duft sich verstärken möge, während ihre Worte zunehmend an mir vorbei flogen. Mehrmals bat ich sie darum, das zuletzt Gesagte zu wiederholen.
„Bist du heute abwesend, Chrissy?“, fragte sie ein paarmal. „Wenn du willst, brechen wir die Übung ab.“
Ich schüttelte den Kopf. Für einige Minuten verschafften mir Violas Worte, die sie stets nüchtern aussprach, ein Stück Befreiung, die nie weiter als bis zu dem Moment reichte, an dem sie erneut in meiner Nähe erschien. Das Thema, das wir gerade behandelten, passte zu meinem Zustand, divergierende geometrische Reihen.
Die extrem engen Jeans, die ich an diesem Tag trug, erzeugten eine unangenehme Nebenwirkung, weil sie der inzwischen eingetretenen Schwellung meiner liebsten Körpergegend nicht nachgaben. Dass sich die Schwellkörper im Zustand der Erregung bisweilen um das Dreifache vergrößern, war mir bekannt. Doch hatte sich dieser Zustand bis dahin stets im Bett abgespielt, unbedeckt, ohne Fessel. Außerdem hielt die Schwellung, wenn ich mich selbst befriedigte, nie derart lange an. Wahrscheinlich kam es nicht einmal so weit, weil die Erlösung meist sehr schnell eintrat. Ich geriet in einen Strudel hinein, in einen Dauerzustand zwischen Angst und Lust, zwischen Flucht und Verlangen.
Es nahte der Moment, in dem ich nicht mehr in der Lage war, meine Aufgaben zu lösen. Ich bat Viola um eine Pause. Sie hatte sich an meinem Rücken gerade wieder über mich gebeugt, enger als zuvor. Ihre Brüste lagen beide an meinem Nacken. Nachdem ich sprach, legte sie beide Hände mit sanftem Griff auf meine Schultern.
„Geht es dir nicht gut, Chrissy?“, fragte sie, den Mund so nah an meinem Ohr, dass der Luftzug ihrer Worte eine Haarsträhne in Bewegung setzte, die einen Kitzel an meiner Wange auslöste. Dass bereits meine Wangen zu einer dieser Zonen gehört, die man landläufig als erogen bezeichnet, wurde mir zum ersten Mal bewusst, als Viola während unseres Wiedersehens ihre Lippen darauf drückte. Das im Nachhinein, beim Sortieren meiner Gefühle. So hatte mich noch niemand geküsst.
Der Kitzel, das Wort in all seiner erotischen Magie, Kitzler der Ort, an dem sich die Nervenstränge der Klitoris treffen, darum im Volksmund von Kitzel hergeleitet. Bei mir besonders empfindlich, wenn ich ihn nur berührte. Jedes Wohlgefühl, egal an oder in welcher Körperzone es stattfand, sobald es mich erotisierte, löste dieses Verlangen aus, so als spräche er mit mir, dieser kleine, runde Mund, von Lippen und Fältchen umkränzt. Der Kitzel an meiner Wange wirkte wie eine Hand, die mich in einen Abgrund stieß.
Als ich ihr zur Antwort meinen Kopf zuwandte, sah ich, dass sie ihre Augen geschlossen hielt. Das Weitere ging sehr schnell. Unsere Lippen berührten sich wie zufällig, Viola ergriff meinen Kopf. Im selben Augenblick trat sie um den Stuhl herum, um sich an die Tischkante zu lehnen. Vom Stuhl zog sie mich auf die Beine, da wühlte ihre Zunge bereits in meinem Mund.
Ich hatte bis zu diesem Augenblick nie geküsst, schon gar nicht mit dieser Leidenschaft. Bei Paul hatte ich es mir gewünscht, jetzt küsste ich mit einer Frau. Nicht allein dass sie mich küsste, ich tat alles, um diese orale Vereinigung möglichst lange und intensiv auszukosten. Es muss einer unserer Urinstinkte sein, der uns, ohne jegliche Übung in die Lage versetzt, einen solchen Kuss zu erwidern. Ich verlor jegliches Zeitgefühl, ich verlor überhaupt jegliches Gefühl, bis auf das eine, dass jede Faser meines Körpers in Besitz nahm. Das auf und ab zu rasen begann, zwischen Kopf und Schoß. Ich nahm einzig am äußersten Rande wahr, dass Viola ihren Poncho abstreifte, dass sie anschließend hastig mit einer Hand meine Bluse aufknöpfte, während die andere bereits meinen Büstenhalter löste. Die Berührung unserer entblößten Brüste entfachte das nächste Feuer in meinem Schoß.
„Zieh die enge Jeans aus, sonst bekommst du Schmerzen“, keuchte sie in unseren Kuss hinein. Da hatte sie bereits den oberen Knopf geöffnet.
„Die habe ich schon“, erwiderte ich erregt. An ihren Mundwinkeln bemerkte ich, dass sie lächelte, während sie die Jeans mitsamt Höschen nach unten schob. Da erwartete ich schon ihre Hand in meinem brennenden Schoß, doch die blieb aus. Leise in mich hinein keuchend, rieb sie allein ihre nackten Brüste an den meinen, während sich unsere Zungen gegenseitig verschlangen. Einzig ihren feuchten Schoß spürte ich an meinem nackten Schenkel, ich hatte ein Bein ein Stück nach vorn gestellt, um mich zu stützen. Viola kreiste ihr Becken und ihre Scham berührte mehrmals die meine. Das genügte bereits, um in mir dieses Gewitter auszulösen, dieses Wahnsinnsgefühl, das ich bis dahin stets allein mit mir erlebte, intensiver als ich es je erlebte, ich explodierte regelrecht. Weil mir der Atem bereits vorher versagte, löste ich mich von Violas gierigen Lippen. Auch sie seufzte in diesem Moment laut auf, und ich spürte wie sich ihr Körper einen Augenblick später entspannte.
Mein Gesicht lag an Violas Hals, als der Einschlag stattfand. Ich spürte keine Beine mehr, Viola hielt mich mit beiden Armen eng an sich gedrückt. Als ich zu mir kam, fand ich mich wieder auf ihrem Schoß. Sie hatte sich auf den Stuhl gesetzt.
Ich konnte ihr nicht in die Augen sehen, mein Gesicht lag an ihrem Hals. „Alles gut, Chrissy?“, hörte ich sie mehrmals fragen. Mit einer Hand streichelte sie zärtlich über meine Brüste hinweg, deren Spannung nicht nachlassen wollte, so wie das Pulsieren in meinem Schoß nicht aufhörte. Die andere Hand an meiner Schulter, zog sie mich fest an sich.
Später wusste ich nicht mehr, wie lange wir so saßen, es muss länger gewesen sein als es mir vorkam. „Du hast wunderschöne Brüste … So eine weiche Haut … Deine seidigen Haare duften …“, das klang, so wie sie es sagte, als spreche sie aus weiter Ferne zu mir.
Erst als Viola mich fragte, ob ich reden wolle, rückte sie wieder in meine Nähe. Ein Blick zur Uhr zog mich zurück in die Wirklichkeit. Die zeigte bereits kurz vor halb Sechs. Sechs Uhr gab es Abendessen, ich brauchte knapp zwanzig Minuten mit dem Rad. Erst in diesem Moment wurde mir wirklich klar, was da eben gerade passiert war, ich war schockiert, nicht in der Lage, überhaupt etwas zu sagen.
Wortlos schüttelte ich den Kopf, anschließend sammelte ich meine Garderobe vom Boden auf. Vom Tisch aus sah Viola mir zu, wie ich mich anzog.
„Ich muss jetzt gehen“, mehr brachte ich nicht über meine Lippen. Sie begleitete mich bis zur Haustür. Keine Umarmung, keinen Kuss. Gerade hatte ich das grandioseste Gefühl meines bisherigen Daseins erlebt, doch plötzlich fühlte ich mich wie gelähmt. Erst als ich auf dem Fahrrad saß, bemerkte ich, dass ich über Beine und Arme verfüge.
Der Tisch war bereits gedeckt, als ich zu Hause eintraf. Ich gab mir die größte Mühe, mir nichts anmerken zu lassen. Das schien mir sogar gelungen zu sein. Wobei ich sagen muss, dass meine Eltern äußerst selten in mich einzudringen versuchten, wenn ich mal nicht so gut drauf war. Wenigstens nicht gleich.
Erst später auf meinem Zimmer fiel mir ein, dass ich mit Viola keinen nächsten Termin vereinbart hatte. Danach im Bett jagte ein Gedanke den anderen. Überlegungen, die anzustellen ich in Violas Haus überhaupt keine Zeit hatte, alles war wie im Tempo eines ICE über mich herein gebrochen und hinweg gerollt. Die Erregung, in die Paul mich versetzte, hielt sich in Grenzen. Ich fühlte kein Verlangen nach ihm, obgleich ich Zärtlichkeit erwartete, wenn es schon passieren sollte. Bei Viola war das völlig anders.
Die Frage, ob ich lesbisch sei, bereitete mir die wenigsten Probleme. Dennoch, das wurde mir ebenfalls klar, war dies eine Frage, die keine geringe Auswirkung auf mein weiteres Leben haben würde. Meine Eltern würden damit leben können, obgleich sie sich, wie andere Eltern, sicher Enkel wünschten. Wenn auch Dad auf eine scherzhafte Frage meiner Mutter in diese Richtung einmal erklärte, für Enkel fühle er sich viel zu jung.
Meine vagabundierenden Gedanken gingen so weit, dass ich mich zwischenzeitlich als das kleine Dummchen fühlte, das sich von einer reifen Frau verführen ließ, eine Laune? So oft mir dieser Gedanke durch den Kopf ging, so oft versuchte ich ihn zu verdrängen. Das passte nicht zu Violas Verhalten. Sie versuchte nicht, mir etwas einzureden bevor ich ihr Haus verließ. Sie sagte eher gar nichts, sie hinderte mich auch nicht daran, zu gehen. Vielleicht überfiel sie diese Lust auf mich ebenso unvorbereitet, wie mich der heimliche Wunsch, in ihren Armen zu landen. Das gestand ich mir ein, ich wollte es so. Nichts, das einem so nahe geht, könnte jemals eine solche Erregung hervorrufen, wie ich sie an diesem Nachmittag erfahren hatte.
Bevor ich einschlief, schaute ich mehrmals auf mein Handy. Stets kurz davor, Viola anzurufen. Dabei wusste ich gar nicht, was ich ihr hätte sagen oder was ich sie hätte fragen sollen. Wann setzen wir die Nachhilfe fort? Das kam mir plötzlich so furchtbar banal vor. Vielmehr hätte ich ihr wohl sagen wollen, dass ich mich nach ihrer Umarmung sehne. Ich verspürte an diesem Abend wie an den folgenden, wie schon die Woche davor, erneut keine Lust, mir selbst dieses Gefühl zu verschaffen. Wenngleich sich meine Brüste spannten und Wärme in meinen Schoß drang, allein wenn ich an Viola dachte. Den fälligen Anruf schob ich vor mir her.
Mam und Dad ließen mich in Ruhe, bis zum darauffolgenden Samstag. Das gemeinsame Frühstück an den Wochenenden nahm stets viel Zeit in Anspruch. Da kam alles auf den Tisch, was man die Woche über aus Zeitgründen von sich schob.
Dad hatte sich in einem längeren Monolog wieder einmal über seinen Parteivorsitzenden aufgeregt, den er gern als Spaßvogel bezeichnete. Die Betonung auf den „Vogel“ gelegt. Im Herbst standen Bundestagswahlen an. Das Spaßmobil rollte bereits über Land.
„Dieser Vogel entblödet sich nicht einmal, den Container mit den verrückten Exhibitionisten aufzusuchen“, erboste er sich. „Vielleicht denken die, man wählt sie am Ende aus Mitleid. Wie vor ein paar Jahren, als die andere Witzfigur vergaß, die Reißleine seines Fallschirms zu ziehen.“
Das Letzte sagte selbst meiner Mutter nichts, im ersten Moment. Erst nachdem die erste Silbe des Namens fiel, hob sie die Hand. „Ach der, der diesen Journalisten damals als Zigeuner-Juden beschimpfte.“ Dad nickte zufrieden. Er fände diesen Journalisten zwar ebenfalls anstrengend, weil dessen frühere Talk-Sendung bisweilen einer Hinrichtung geglichen habe, doch solche Art Beschimpfungen gingen ihm gegen den Strich.
„War das nicht der mit dieser Kokain-Orgie und den Prostituierten im Hotel, was ihm schließlich das Genick brach?“, fragte Mam. „Genau der“, erwiderte Dad. Für mich waren das böhmische Dörfer. Lediglich der Name des aktuellen Vorsitzenden der Partei, der Dad angehörte, war mir bekannt. Den sah man hin und wieder in den Nachrichten.
Nach einer Denkpause, blinzelte Dad mich an. „Ist dir nicht aufgefallen, dass unsere Tochter seit einigen Tagen sehr einsilbig geworden ist. Sonst spart sie nie mit spitzen Bemerkungen, wenn ich über Politik rede“, fragte er Mam, während er mich zwischendurch mehrmals erwartungsvoll angrinste.
„Vielleicht hat sie ja Liebeskummer, unsere Kleine. Seit ein paar Tagen gehört sie nun zum Kreis der Frauen, wie sie mir neulich berichtete“, antwortete Mam spürbar vergnügt. Lächelnd sah sie mich von der Seite her an. Dad tat überrascht. Er tat nur so, das wusste ich genau. Es gab nichts, worüber die beiden nicht miteinander redeten. Besonders wenn es um mich ging. Spätestens an dem Abend, nachdem ich meiner Mutter im Garten über den Weg lief, hat sie es Dad erzählt, da war ich mir sicher.
„Willkommen im Kreis der Erwachsenen“, sagte er grinsend. „Wann lernen wir den jungen Mann denn kennen?“
„Tu nicht so, als hättest du das gerade erst erfahren“, versuchte ich mich um die Antwort herum zu mogeln, doch Dad bohrte weiter.
„Lass sie, Curd …“, mischte Mam sich ein. „Das gibt sich schon wieder. Schließlich war er der Erste für sie … Da …“
„… Nein, nein, nein“, fiel Dad meiner Mutter ins Wort. „Wenn unsere Tochter mit einem Mann schläft …“ Er hielt kurz die Luft an, als er mich ansah. „Ich will ja hoffen, ihr verhütet …“, fügte er ein, bevor er fortfuhr:
„Also, ich meine, wenn das keine Eintagsfliege war … Und das scheint es nicht zu sein, wenn sie Liebeskummer hat. Wenn es etwas Ernsteres sein sollte, dann würde mich schon interessieren, um wen es sich handelt. Es muss ja nicht gleich heute oder morgen sein.“ Nach dem letzten Wort warf er sich im Stuhl zurück.
Er meinte das alles nicht derart ernst wie es klang, ich kannte Dad. Besonders wenn er sehr ernst tat, dachte er meistens das Gegenteil. Außerdem konnte er kaum sein heimliches Grinsen unterdrücken. Die Situation kam mir eher spaßig vor.
„Und wenn es nun eine Eintagsfliege war?“, fragte ich, versucht gleichgültig. „Ihr habt mir seit einiger Zeit des Öfteren besorgt die Frage gestellt, ob ich keinen Freund habe …“
„… Also hast du dir gedacht, ich bring es jetzt einfach mal so hinter mich“, unterbrach mich Dad. „Und jetzt, ein paar Tage später, der Katzenjammer.“ Mam schüttelte lächelnd den Kopf. „Wie war das denn bei uns damals, Curd?“, fragte sie Dad.
„Ich habe dich geliebt, als wir …“, erwiderte der prompt. „Ach komm … Denk mal genau nach …“ Mam sprach mit warmer Stimme, sehr liebevoll. Dad kam ins Schleudern. „Na gut, ja, zuerst war es mehr Neugier, aber so nach …“ Über die Tischkante gebeugt, gab Mam Dad einen Kuss, bevor er weiter sprach. Ich konnte mir das Lachen nicht mehr verkneifen.
„Siehst du, jetzt geht es ihr schon besser“, sagte meine Mutter schließlich zufrieden. Danach kam die Schule an die Reihe, Mathe und Physik. „Ich bin auf einem guten Weg“, sagte ich, da fiel mir Viola ein. Mein Lachen war erzwungen, das bemerkte zum Glück niemand.
Am nächsten Tag, Sonntagvormittag, ich war gerade aus dem Badezimmer gekommen, schrieb Viola mir eine SMS. „Wie geht es Dir, Chrissy?“
„Es geht so“, schrieb ich mit zitternden Händen zurück. Mittwochabend, ich lag bereits im Bett, die nächste SMS: „Kommst du morgen zur Nachhilfe? Ich würde dich gern sehen.“ Das war der Bahnbrecher, meine Sehnsucht nach ihr war von Tag zu Tag gewachsen.
Ich würde dich gern sehen, das las ich mehrmals, ich sprach es leise vor mich hin. Je öfter ich die Worte sprach, umso mehr wuchs mein Verlangen. Zum ersten Mal seit dem zweiten Besuch bei Viola verspürte ich wieder Lust in mir. Die Spannung kam von ganz allein, mir war als läge der Besuch erst wenige Sekunden zurück. Ihre nackten Brüste, ihr feucht-warmer Schoß, ihre warme, weiche Hand auf meiner Haut, in der es prickelte, als läge ich in einem Ameisenhaufen. Ich hatte bereits die Augen geschlossen, in der Linken das Handy, als sei es Violas Auge, tat ich mir mit der Rechten gut. Ein zweites Mal, weil die Lust nicht nachlassen wollte. Meine Erregung war nicht völlig abgeklungen, als ich das „V“ im Nummernspeicher drückte. Unter ´“V“ gab es einen einzigen Eintrag, Viola.
„Hallo Chrissy, ich freue mich …“ Das Telefon hatte einmal geklingelt, als Viola bereits annahm. Sie sprach leise und ihre Stimme drang wieder so tief in mich. Wie das Summen einer Biene, das man auf der Haut spürt, kommt sie nah genug heran.
„Ich wollte mich bei dir …“
„Pst …“, unterbrach sie mich. „Sag jetzt bitte nichts von Entschuldigung, sag einfach, ob du morgen zur gewohnten Zeit kommst. Sag nur, dass du dich genauso darauf freust wie ich …“ Ich hörte Violas Atem.
Mein „Ja, ich freue mich …“ ging schon unter in der Erregung, in die mich allein Violas Stimme versetzte. „Seit einer Stunde liege ich im Bett, das Handy in der Hand, und überlege, ob ich dich nicht anrufen sollte. Ich wollte gerade, als es …“, da unterbrach ich sie.
„… Seit einer Stunde liege ich im Bett, das Handy in der Hand, und überlege, ob ich dich nicht anrufen sollte“, wiederholte ich Violas Worte, mir war es ebenso gegangen. Weil ich jetzt beide Hände für etwas anderes benötigte, legte ich das Handy neben mein Ohr auf das Kopfkissen. Sie lachte leise, ein leichtes Röcheln klang hindurch.
„Dann denkst und fühlst du jetzt dasselbe wie ich?“, fragte sie mich. Ich war nicht mehr in der Lage, zu antworten. Ein heiseres „Ja“, bevor die dritte Woge an diesem Abend über mich hinweg rollte, die dritte Woge, die mich fast hinweg riss.
Sanfte Wellen, ein leises Plätschern, die ersten zwei. Violas Stimme, der Kitzel, das Verlangen, die Lust wollten nicht nachlassen, solange die Geräusche in mein Ohr drangen. Ich hörte ihr leises Stöhnen, in das hinein sie sprach:
„Ich höre dir zu, ich brauche noch einen Moment … Bei mir geht das nicht so schnell. “ Für einen Augenblick war ich aufgetaucht.
„Ja, ich warte auf dich …“, erwiderte ich atemlos. Kurz darauf tauchten wir beide gemeinsam unter. Von dem Moment an wusste ich, dass er nur noch einen einzigen Weg für mich gab.
Manu war angesäuert, als ich mich nach der letzten Stunde von ihr verabschiedete. „Die letzten Tage bist du herumgelaufen wie Falschgeld, und heute, wo du wieder normal zu sein scheinst, hätte ich gern etwas mit dir gemeinsam unternommen“, sagte sie verärgert. Das hörte ich schon gar nicht mehr richtig. „Du bleibst doch sowieso nur so lange bei mir, bis mein Vater kommt, dann hängt ihr beide gemeinsam in Dads Bibliothek herum“, rief ich ihr zu, da saß ich bereits auf meinem Fahrrad.
Von der Schule nach Hause brauchte ich knapp zehn Minuten. Von zu Hause bis zu Viola etwa zwanzig. Die Siedlung, in der sie wohnte, lag zwar, wie die unsere, am Stadtrand, allerdings weiter nördlich. Ich wollte mich umziehen. Dasselbe, was ich bei Paul trug, ohne lästigen Büstenhalter, nichts was klemmte, wie die engen Jeans, nichts, was die Hände länger als nötig aufhält. Mam und Dad würden um diese Zeit in der Praxis zu tun haben. Bevor ich die Fahrt zu Viola antrat, steckte ich den Kopf durch die Tür zum Empfang.
„Sagen sie meinen Eltern bitte, dass sie mit dem Abendessen nicht warten sollen. Bei mir wird es heute später!“, rief ich der Sprechstundenhilfe zu. Deren Antwort: „Was für einen Grund soll ich ihren Eltern denn sagen?“, ignorierte ich und tat so, als hätte ich nichts gehört.
Die Strecke schaffte ich in Rekordzeit. Fünf Minuten vor Drei stand ich bereits vor Violas Tür. Ich überlegte einen Moment, ob ich warten sollte, doch mein Herz raste bereits. Ich zitterte am ganzen Körper, als ich den Klingelknopf drückte. Das Fenster neben der Tür war an gekippt.
„Moment!“, schallte es aus dem Inneren. Wenig später sah ich Viola durch das Fenster im offenen Bademantel, ein Handtuch um den Kopf gebunden, in den Flur stürmen. Sie öffnete die Tür. „Du bist ja schon … Es ist doch noch nicht … Ich war gerade …“, Violas Worte erstickten bereits in Küssen, nachdem sie mich an einer Hand in den Flur zog.
„Ich hab` es nicht mehr ausgehalten … Ich hatte solche … Ich hab` mich so sehr …“, erwiderte ich keuchend in unsere Küsse hinein. Ihr Körper war nass. Weil sie schon beim ersten Kuss den Turban verlor, klebten ihre nassen Haare an meinem Gesicht. Ich bemerkte nicht, wo die beiden Teile blieben, die ich auf meinem Körper trug. Alles was ich spürte, waren Brüste, Hände und nackte Haut … Und Violas Mund, der mich benetzte, vom Hals über meine Brüste, über mein Gesicht, zurück an meinen Lippen. Ich fühlte mich plötzlich wie ein Stück Wild, das man gerade, nach Jahren in einem engen Käfig, in die Freiheit entließ.
Weil meine Beine versagten, schob ich meinen Po ein Stück auf die Kommode im Flur. „Warte bitte!“, keuchte Viola in einen weiteren Kuss hinein, weil sich bei mir ein erstes leichtes Beben ankündigte. „Du hast einen Orgasmus Vorsprung“, sagte sie, während sie meine Hand in ihren Schoß hinein zog. Dieselbe klemmte sie anschließend zwischen sich und meinem linken Oberschenkel ein, während sie zurück gelehnt, beide Hände in meinen Haaren vergraben, Bewegung aufnahm. Ich sah zu wie ihr Kopf hin und her flog, nach hinten, nach links, nach rechts, bis ihr Knie in meinem Schoß landete, das folgte ihren Bewegungen. Da konnte ich es nicht länger aufhalten, wir entluden uns beide gemeinsam.
„Jetzt hast du immer noch einen Vorsprung“, sagte sie später mit trockener Stimme, darauf folgte entspanntes Lachen. Sie war neben mir ebenfalls auf den Rand der Kommode gesunken. „Willst du dir was überziehen?“, fragte sie mich, nachdem sich unser Atem beruhigt hatte. Ich schüttelte ablehnend den Kopf, ich wollte nackt bleiben, ich wollte, dass wir beide so bleiben, solange ich mich in ihrem Haus aufhielte. Ich wollte keinen Millimeter mehr von ihr weichen, nichts als nackte Haut und Violas sanfte Hände überall auf meinem erhitzten Körper. Ich war wie entfesselt. Unsere spärliche Garderobe blieb im Flur verstreut, als wir das Wohnzimmer aufsuchten.
Wie an den anderen beiden Tagen, stand das Kaffeegeschirr bereits auf dem Tisch. Nahm ich da auf einem Sessel Platz, zog Viola mich dieses Mal zu sich auf die Couch. Das hätte sie nicht brauchen, ich sehnte mich schon wieder nach der nächsten Umarmung. Einen Arm um meine Schulter gelegt, zog sie mich fest an sich heran.
„Hast du dich überrollt gefühlt, neulich?“, fragte Viola besorgt, kaum dass wir saßen. Am Abend davor im Bett hatte ich mir vorgenommen, überhaupt nicht mehr darüber zu reden. Nach unserer atemberaubenden Begrüßung auf dem Flur wenige Minuten davor, hielt ich das für noch weniger wichtig.
„Ist das jetzt wichtig, nach dem, was vorhin auf dem Flur war? Und gestern Abend am Telefon?“, fragte ich. Meine Stimme begann schon wieder zu zittern. Zum einen weil ich dieses berauschende Gefühl von eben in mein Gedächtnis zurück rief, zum anderen weil Violas Hände nicht still standen. Einen Arm um meine Schulter gelegt, lag eine Hand an meinem Hals von wo aus sie ständig über meine Wangen und in meine Haare glitt, während sie mit der anderen meine Schenkel streichelte, die ich bereitwillig für sie öffnete. So weit, dass sie ungehindert das Zentrum meiner Lust erreichten, das von diesem Tag an ihr gehören sollte..
„Ich möchte vermeiden, dass du dich in etwas hinein begibst, was dir später leidtun könnte. Vielleicht aus einer Laune heraus, der Reiz des Unbekannten? Du hast doch sicher schon mit jungen Männern geschlafen …?“ Sie hielt einen Moment inne, als warte sie auf eine Antwort. Am liebsten hätte ich sie umarmt und geküsst. Ich wollte allein dieses Gefühl zurück, ich hätte es mir stundenlang gewünscht. Das sollte kein Ende nehmen. Doch ich wollte ebenso, dass es keine Unstimmigkeiten geben sollte.
„Sicher hat es dich während deines letzten Besuchs überrascht, dass du plötzlich Lust auf eine Frau bekommen hast. Aber du warst so erregt, das habe ich dir schon angesehen, als du das Haus betreten hast. Später am Tisch, da hat dich die Lust fast zerrissen …, oder?“ Sie hatte meinen Kopf ein Stück gedreht, so weit, dass wir uns in die Augen sehen konnten. Ein bezauberndes Lächeln, während sie die nächsten Worte sprach:
„Dass ich dir auf der Couch und später am Tisch ein paar Einblicke gewährt habe, war kein Zufall. Ich wollte sehen, wie du reagierst, ob du bereit bist …“ So wie sie mich anschaute, hielt mich plötzlich nichts mehr zurück. Wir lagen schon halb auf der Couch, ich umschlang sie zu einem langen und leidenschaftlichen Kuss. „Ich möchte jetzt … Ich bin noch so …“, keuchte ich. Viola erstickte mich geradezu. Während sie meine Lippen in sich hinein sog, rieb sie ihren warmen, weichen Schoß an meinem Oberschenkel, so lange bis sie ihren ersten Höhepunkt erreichte. Ich fühlte mich unendlich wohl, als sie stöhnend in meinen Armen lag.
„Jetzt sind wir quitt“, sagte sie wenigen Minuten später; oder waren es mehr, ich wusste es nicht. Sie bebte noch, als ihre Hand zwischen meine Schenkel schlüpfte. Gerade rechtzeitig spürte ich die beiden Fingerkuppen, die sich anschickten, ihren vorbestimmten Weg zu nehmen. Ich kniff die Schenkel zusammen und drehte mich mit einem Ruck auf die Seite. Viola war plötzlich nüchtern, entsetzt schaute sie mich an:
„Bist du etwa …? Hast du etwa noch nie …?“, stotterte sie. Nachdem ich heftig den Kopf schüttelte, warf sie sich lachend auf den Rücken.
„Schlimm?“, erwiderte ich unsicher. Viola hörte nicht auf zu lachen. „Viola, ist das jetzt schlimm?“, wiederholte ich. Da schob sie sich wieder sanft über mich.
„Nein“, flüsterte sie in mein Ohr. „Ich muss es nur wissen …“ Danach küsste sie an mir abwärts. Schon als sie an meinen Brüsten anhielt, fing alles wieder an, sich zu drehen. Doch nachdem sie dort angekommen war, wo sie hin wollte, erlebte ich etwas, das mir nicht allein den Atem raubte. Das Beben lief in Schüben durch meinen Körper, bei jedem Ansatz aufs Neue, so wie sie ihren Mund aufwärts bewegte, wie sie in langen, gleichmäßigen Zügen ihre spitze Zunge durch meine glühenden Frauenlippen zog, bis hinauf an diesen Lustpunkt, der bis dahin allein meine Fingerkuppen kannte. Ich wusste nicht, ob ich lachte oder weinte. Es war so etwas dazwischen. Manchmal ließ sie einen Augenblick nach, da atmete ich tief durch und jedes Mal darauf fesselte es mich ein Stück mehr, bis ich mehrmals laut ihren Namen aus mir heraus schrie, danach war alles still.
„Wollen wir heute auf die Übungsstunde verzichten?“, meldete sich eine gefühlvolle Stimme an meinem Ohr. Da ging mein Atem noch schnell. Ich nickte, ich hätte wohl zu allem genickt, so entrückt ich war, selbst zu meinem Todesurteil. Viola leckte an meinem Hals, an meinen Brustwarzen, um die herum eine Spannung lag, als wollten sie jeden Moment platzen. Allmählich kam ich zu mir.
„Ja, verzichten, heute will ich nur das …, mit dir …, nur das …“, meine verspätete Antwort. Mit Violas Hilfe richtete ich mich auf. Sie hatte Kaffee eingegossen, von dem ich ein paar Tropfen verschüttete, nachdem ich zum ersten Mal zitternd die Tasse in die Hand nahm.
„Unsere Begegnung neulich war übrigens kein Zufall“, sagte sie wenig später. Weil ich benommen war, konnte ich nicht gleich antworten. „Ein paar Tage davor hatte ich dich aus dem Auto heraus an einer Ampel Hand in Hand mit einer jungen Frau in ein Eiscafé gehen sehen.“ Jetzt erst wurden mir ihre Worte bewusst.
„Das muss Manu gewesen sein“, erwiderte ich mit stockender Stimme. Das Eiscafé, das wir ab und zu besuchten.
„Manu? Das war Manuela?“, fragte Viola überrascht. „Die hat sich aber verändert. Dich habe ich gleich erkannt, sogar von hinten, allein an deinem Gang.“ Sie überlegte einen Moment. „Ja, und dann bin ich zweimal nach Schulschluss auf deinem Schulweg spazieren gegangen. Beim zweiten Mal traf ich dich …“ Sie schaute mich geradezu verträumt an.
„Und warum?“ Ich war überrascht, Viola lachte. „Na warum? Warum wohl, weil ich dich treffen wollte. Ich wollte wissen, was aus dem Mädchen geworden ist, die mich schon mit Dreizehn angehimmelt hat.“
„Angehimmelt?“, fragte ich getroffen. Ich erinnerte mich daran, dass Viola mich stets sehr beeindruckte, aber angehimmelt?
„Ja, du hast mich angehimmelt. Da wusste ich bereits, dass du anders bist. Erinnerst du dich an die Klassenfahrt? Als ich dir im Schwimmbad den Arm um die Schulter gelegt habe …?“
„… Das Foto“, unterbrach ich sie. „Manu hat das damals aufgenommen … Und ich habe es mir an dem Abend vor meinem ersten Besuch bei dir lange angesehen.“
„Bring das bitte einmal mit, das scanne ich mir ein …“, bat sie mich, darauf dachte Viola ein weiteres Mal nach. „Du hast gezittert, nicht des kalten Wassers wegen, wie du gesagt hast, du warst erregt … Das habe ich bemerkt … Da warst du erst vierzehn und ich deine Lehrerin, leider, deine Lehrerin ...“
„Hättest du mich geküsst … Ich meine wenn wir allein oder wenn wir sicher gewesen wären, dass uns niemand sieht?“
Viola schüttelte sich. „Nein! Wo denkst du denn hin. Ich hätte dich nie angerührt. Aber an diesem Abend im Bett, da habe ich mich selbst befriedigt und dabei an dich gedacht. Du warst so anders, so sinnlich, so begehrlich in deiner Sinnlichkeit. Und heute bist du weitaus sinnlicher, begehrenswerter. Eine Frau, wenn auch Jungfrau.“
Abermals küsste sie mich, doch dieses Mal nicht so stürmisch, eher nachdenklich, bevor sie fortfuhr:
„Ich war verliebt in dich …“, sie hielt einen Moment inne, indem sie mich wieder küsste, auf den Mund, am Hals, „und du warst verliebt in mich, das habe ich gespürt, du hattest es lediglich noch nicht bemerkt …“
„Aber …“, ich wollte etwas sagen, doch sie legte mir eine Hand auf den Mund. „Wenn du bis heute keine Lust auf Jungs verspürt hast, dann wahrscheinlich, weil diese Liebe tief in dir geblieben ist … Und ich habe die Begegnung mit dir gesucht, weil ich, nachdem ich dich gesehen hatte, Angst bekam, jemand könnte dich mir vor der Nase weg schnappen …“
Während sie die letzten Worte sprach, tänzelten ihre Finger über meine Schenkel, meine Gier nach ihren Berührungen hatte, seit wir uns im Flur das erste Mal liebten, keinen Moment nachgelassen, wir legten lediglich Pausen ein in einer ungezügelten Lust, die nun aus mir heraus brach.
„Dann lieb mich jetzt nochmal“, ich spreizte meine Schenkel so weit ich konnte und zog Viola über mich, „und hör nicht wieder auf, so lange uns die Kraft nicht verlässt!“ Wir verschlangen uns ineinander, mit Armen und Beinen in einem einzigen Kuss. So lange, bis Viola mir drei Finger ihrer rechten Hand in den Mund schob. Ich hatte bemerkt, wo die vorher lagen.
Laut lachend zog sie sich kurz darauf ein Stück zurück, ich war etwas irritiert, doch sie löste das Rätsel gleich auf:
„Und ob die Chemie zwischen uns stimmt, habe ich auch noch ausprobiert …“ Vor meinem letzten Besuch habe sie heftig masturbiert, zum einen um die innere Spannung abzubauen, die ihr schon während meines ersten Besuchs zugesetzt hatte. Zum anderen, weil sie weiß, dass dabei Gerüche entstehen, besonders bei ihr, die man selbst nicht rieche, andere aber schon.
„Das hat dich erregt, auch das habe ich dir angesehen. Wenn die viel zitierte Chemie stimmt, empfindet man diese Gerüche und auch den Geschmack als angenehm. Stößt er einen hingegen ab, so sollte man lieber die Finger voneinander lassen … Und du schmeckst mir ausgezeichnet“, nach einer weiteren Pause.
„Heute habe ich übrigens auch masturbiert, bevor du gekommen bist, unter der Dusche mit dem Duschkopf, darum hat es bei mir vorhin im Flur länger gedauert als bei dir.“
„Warum das denn?“, fragte ich erstaunt, da küsste sie mich wieder, bevor sie weiter sprach:
„Na weil ich auch heute entspannt sein wollte, ich wusste ja nicht, wie du drauf bist, wenn du hier ankommst …“ Nach dem Telefonat habe sie zwar gewusst, dass wir heute miteinander schlafen würden, aber nicht, dass ich gleich über sie herfallen würde.
„Ich war voller Spannung, ich bin immer noch voller Spannung, die ganze Zeit schon, seit ich hier eingetreten bin“, erwiderte ich.
„Das habe ich bemerkt, du bist ja gekommen, ohne dass ich viel dazu getan habe“, Viola lachte entspannt.
Wie sie sprach, wie sie mich ansah. Ein weiteres Mal war ich soweit, Viola zu umarmen. Es war alles so anders, so neu. Sie kam mir voraus, indem sie sich über mich kniete, beide Hände in meinem Nacken verschlungen. „Als wir letzte Woche gemeinsam Kaffee tranken, wusste ich, was passieren würde. Es hätte schon beim ersten Treffen sein können, doch ich wollte sicher gehen …“ Zwischen den Worten küsste sie mich abermals zärtlich.
„War das der Grund dafür, dass du ohne zu zögern den Nachhilfestunden zugestimmt hast?“ Die Frage bereute ich, da hatte ich sie gerade ausgesprochen. Viola lächelte weiter.
„Nein, überhaupt nicht. Das mit der Nachhilfe kam mir lediglich entgegen. Wenn nicht, hätte ich dich aus irgendeinem anderen Grund zu mir eingeladen.“
Violas steife, raue Brustwarzen an meiner Haut, ihre feucht-warme Scham an meinem Bauch, so wie sie über mir kniete, ihre Lippen, ihr warmer Atem - meine Erregung war während ihrer letzten Worte erneut auf einem Höhepunkt angelangt -; ich spürte schon wieder dieses heftige Verlangen in mir. Ich war wie verrückt darauf, von ihr geliebt zu werden, wie von Sinnen. Ich wusste nicht, ob es an meinem Körper überhaupt einen einzigen Ort gab, der nicht aufgeladen war von dieser verzehrenden Lust.
Sie biss mir ins Ohrläppchen, Viola hatte meine Wünsche bemerkt. „Wir gehen lieber in mein großes Bett“, flüsterte sie in mein Ohr. „Vorher trinken wir eine Tasse Kaffee …“ Kurz darauf saß sie wieder neben mir.
„Es gab übrigens ein weiteres Mädchen in der Klasse, von dem ich annehme, dass sie sich in mich verliebt hatte“, sagte Viola, nachdem sie Kaffee eingoss.
„Wer sollte das denn sein?“, fragte ich überrascht. Auf Anhieb fiel mir niemand ein, nicht einmal nachdem ich alle vor meinen inneren Augen Revue passieren ließ.
„Die Tina, Martina, so hieß sie, wenn ich mich recht erinnere“, erwiderte Viola. Das schlug mich beinahe vom Hocker. Ich blies die Backen auf. „Die? Die macht doch nur mit Jungs rum. Jede Woche einen anderen …“ Mir fiel die Szene im Geräteschuppen an meinem siebzehnten Geburtstag ein.
„Die verdrängt das. Viele Frauen verdrängen diese Neigung und verbringen ihr Leben unglücklich an der Seite eines Mannes. Heiraten, Kinder kriegen, basta!“ Das klang schon nahezu zornig, wie Viola die letzten Worte aussprach. Gerade wenn Frauen öfter ihren Partner wechselten, sei das häufig ein Indiz dafür, dass sie nach etwas suchten, was sie mit Männern aber nicht finden würden.
„Denke bitte nicht darüber nach, Chrissy. Ich meine ob du lesbisch bist oder nicht“, sagte sie anschließend mit nüchterner Stimme zu mir. Mit vierzehn seien die Neigungen ohnehin noch nicht so ausgeprägt, mit siebzehn vielleicht ein wenig mehr.
„Wie dem auch sei, man soll seinem Gefühl folgen, wenigstens in diesen Dingen, ohne gleich zu versuchen, eine Schublade zu öffnen. Lesbisch, schwul, hetero, alles solche Kategorisierungen“, fuhr sie fort. Das gäbe es genauso unter Männern, die nicht unbedingt bekennend schwul seien, dass sie sich zu dem einen oder anderen hingezogen fühlten. „Vielleicht denkst du in einem Monat oder in einem Jahr ganz anders.“
Ich wusste nicht so ganz genau, was Viola damit meinte oder was sie mir sagen wollte. Ich verspürte keine Angst, somit musste sie mir diese nicht nehmen.
„Ich habe schon darüber nachgedacht“, erwiderte ich. „Es macht mir keine Angst, vielleicht lesbisch zu sein. Ich bin wie ich bin, jetzt fliege ich irgendwo auf einem Teppich durch die Gegend und wünsche mir, der möge so bald nicht landen.“
„Und du hast wirklich nie Lust auf Jungs verspürt?“, fragte mich Viola, nachdem sie den letzten Kaffee auf die Tassen verteilte.
Ich erzählte ihr von meiner engen Beziehung zu Manu. Sie lachte, als ich das Wort „Neutrum“ aussprach. Danach in allen Details von meinem ersten und bislang einzigen Versuch mit Paul.
„Der Blondschopf?“, unterbrach sie mich. Den habe sie gut in Erinnerung, Mathe- und Physik-Genie. Als ich bei Pauls steifem Penis ankam, lachte sie lauter als zuvor.
„Wie lang, wie dick?“, fragte sie neugierig. Ich lehnte mich in die Couch zurück, in eine Haltung hinein wie ich dieselbe Pauls auf der Bettkante in Erinnerung behalten hatte. Mit Daumen und Zeigefinger zeigte ich einen offenen Kreis. Das war ziemlich genau zurück geblieben, weil ich das Ding zweimal mit der Hand umfasste. Bei der Länge war ich mir nicht mehr ganz so sicher. Wahrscheinlich übertrieb ich, als ich meine Hand ein Stück über meinem Bauch hielt.
Viola pfiff durch die Zähne. „Das hätte wahrscheinlich sogar einer streng heterosexuellen Jungfrau einen Schreck eingejagt“, sagte sie, ohne ihr Lachen abzubrechen. Dann nahm sie meine Hand. „Du hast sehr kleine Hände, dennoch, um die vier, vielleicht fünf Zentimeter Durchmesser, da ist schon was dran.“ Wir lachten beide. Jetzt verschüttete Viola ein paar Tropfen aus ihrer Tasse.
„Das hat dich nicht erregt, der Paul ist doch ein hübscher Kerl und so ein Ding.“ Sie schüttelte den Kopf, der Kaffee war alle. Mich erregte etwas völlig anderes. Ich wollte diese Lust auskosten, als sei es unser letztes Mal. „Gehen wir in dein Bett?“, fragte ich Viola leise. Die nahm lächelnd meine Hand.
Zwei Schritte hinter der Schlafzimmertür blieb ich stehen, um mich umzuschauen. Den Raum beherrschte ein breites Bett mit einem Überbau am Kopfende, an beiden Seiten Musikboxen. An der Decke ein Spiegelmosaik, in dessen Einzelteilen das darunter stehende Bett wie in einem Panoptikum erschien. Ein breiter Spiegelschrank an der Wand gegenüber der Fensterfront, die dem Fußende des Bettes zugewandte Seite des Raumes bedeckt von einem breiten Bücherregal. Links davon eine kleine Sitzecke. In der Mitte des Regals stand einer dieser neuen, großen Flachbildfernseher, wie sich meine Eltern einen kurz zuvor ebenfalls angeschafft hatten. An der Wand, am Kopfende des Bettes, ein Bild, das gut zwei Drittel der Wandbreite in Anspruch nahm. Ein rundlicher Mann mit einem übergroßen Penis. Vor ihm eine ebenso rundliche Frau mit übergroßer Vagina, die beide Beine nach oben reckt. Wie Viola mir später erklärte, sei das Bild aus dem Kamasutra. Die Position der beiden nenne man die „Schwanenstellung“. Neben dem Bild, rechts und links, zwei Strahler, die gedämpftes Licht an die Decke warfen, dass zu hunderten kleiner Punkte und Striche von den Spiegeln an der Decke auf das Bett reflektiert wurde.
Viola gewährte mir diese Pause zum Umschauen. Ich bemerkte, dass sie meinen Blicken folgte, besonders dem zu den Spiegeln über dem Bett.
„Wie gefällt dir mein Liebestempel?“, fragte sie schließlich, nachdem meine Besichtigung beendet war. „Liebestempel“, das Wort hallte in meinen Ohren. Mit wie vielen Frauen vor mir mag sie hier schon gelegen haben, oder mit Männern? Der Gedanke schnürte mir für einen Moment die Kehle zu. Sie war meine „Erste“, wenn man so will, Paul zählte nicht. Die Erste, das trug etwas Heiliges in sich, etwas Himmlisches, etwas Überirdisches, wenigstens für mich. Dass ich nicht IHRE „Erste“ sein würde, darüber hatte ich nie nachgedacht. Jetzt in diesem Raum, der in seiner gesamten Ausstattung einzig dem Einen, der Lust zu dienen schien, erschlug mich diese Vorstellung nahezu. Mir war, als hörte ich das Stöhnen aus den Wänden, das Schmatzen leidenschaftlicher Küsse, turtelnde Worte, Liebesschwüre, mir wurde schwindelig.
„Chrissy …“, hörte ich Viola leise sprechen, sie weckte mich aus dieser Lethargie. In einer ähnlichen Pose, wie ich ihr die Lage Pauls erklärt hatte, lag sie am Rande des Bettes, die Schenkel weit gespreizt. Ich hatte sie dort bis dahin nicht berührt, trotz der Leidenschaft, mit der wir uns, seit ich das Haus betrat, geliebt hatten, jedenfalls nicht aus eigenem Antrieb. Warum, das wusste ich selbst nicht. Das, was am zweiten Tag schemenhaft unter dem Saum ihres Hauskleides hervor schien, das mich so erregte, lag nun offen ausgebreitet vor meinen Augen. Für einen Augenblick war ich wie gelähmt.
„Gefällt dir das, mich anzuschauen, so wie ich hier vor dir liege? Erregt dich, was du siehst“, fragte sie mich mit belegter Stimme. Während sie sprach, streichelte sie mit beiden Händen über ihre Brüste hinweg, über den Bauch bis hinab in den offenen Schoß hinein. Ihr Körper bog sich, sie stöhnte kurz auf, als sie mit zwei Fingern in sich eindrang.
Oh ja, das erregte mich, wie mich alles erregte, was da gerade stattfand, dazu wieder dieser Geruch, der Viola entströmte. Die brennende Glut in meinem Schoß lies mich die schlechten Gedanken von eben schnell vergessen. Instinktiv schob ich ebenfalls eine Hand in meinem Schoß. Einen Moment hatte ich vermutet, Viola wolle, dass ich ihr zuschaue wie sie sich selbst befriedigt, doch kurz darauf hob sie eine Hand, deren Zeigefinger sie krümmte und streckte. Die bekannte Aufforderung: „Komm!“
„So ähnlich hast du einmal vor mir gelegen. In dem Schwimmbad während unseres Klassenausflugs. Deine süße Kleine von dem knappen Bikini-Höschen spärlich bedeckt. Sogar der Spalt zeichnete sich ab im dünnen Stoff ... Das hat mich damals so sehr erregt … Ich weiß nicht mehr, wie oft ich mich selbst befriedigt habe, dieses Bild vor meinen Augen …“
Weil sie wieder begonnen hatte, sich zu streicheln, unterbrach sie ihre Worte mit mehreren Seufzern.
Ich ging langsam auf sie zu. Als ich vor dem Bett stand, schlang sie beide Beine um meine Hüften. „Komm“, sagte sie dieses Mal. Sie rutschte in die Mitte des Bettes, während sie mich über sich zog. Doch als sie meinen Kopf zwischen ihre offenen Schenkel drücken wollte, zog ich mich zurück.
„Ich kann nicht … Ich hab` das nie … Das …“, stammelte ich. Dabei hatte es mich über alles erregt, als Viola mich dort küsste, als sie mich regelrecht verschlang auf der Couch, als ich zum ersten Mal den Mond erreichte in diesem neu entdeckten Raumschiff. „Außerdem, das ist hier so …“ Inzwischen lag ich über ihr. Sie umschlang mich mit Armen und Beinen.
„Was ist hier so, Chrissy?“, fragte Viola, während sie wieder an meinem Hals leckte. „Mein Geruch erregt dich, dann wird dich auch mein Geschmack erregen. Er wird all deine Sinne ergreifen, beflügeln, du wirst die hohe Kunst der Liebe erfahren, ja, es ist eine Kunst …“ Langsam bewegte sie ihr Becken, ihre Nässe benetzte meinen Bauch, während sie sprach.
„So, wie du meine Sinne weckst …, so wie du mich beflügelst …“, ihr Stöhnen wurde lauter, heftiger, „du musst gar nichts tun, allein dich zu umarmen, verschafft mir einen Höhepunkt nach dem anderen …“ Ich wartete, bis sie die Höhe überschritten hatte, und als sich ihr Atem beruhigte, sprach ich zu ihr, ohne sie anzuschauen:
„Die Spiegel überall, das kommt mir vor wie tausend Augen. Als stünden überall Kameras, die uns beobachten …“
„Und wenn?“, fragte sie leise. „Hast du nie den Wunsch verspürt, dir zuzuschauen, wenn du dich mit dir selbst vergnügst?“ Da fiel mir ein wie stark es mich erregte, in einem Spiegel meine Finger zu verfolgen, wenn ich mich streichelte.
„Doch, ich habe schon … Mit einem Spiegel … Wenn ich …“
„… Wenn du dich selbst befriedigt hast?“, unterbrach sie mich. Ich nickte. „Und worin liegt der Unterschied, wenn du uns beide in diesen Spiegeln siehst?“
„Es sind nicht nur die Spiegel … Dieses ganze Zimmer … Wo du sicher vor mir …“ Da löste sie sich von mir. Beide Hände in meinen Haaren vergraben, drehte Viola mich auf die Seite. Noch immer konnte ich sie nicht anschauen. Den Blick zur Decke gerichtet, sah ich unsere nackten Körper in mehrere Stücke zerlegt, hier kleiner, da größer.
„Chrissy …“, sagte sie leise, eine Hand unter meinem Kinn. „Ich bin achtundzwanzig. Da finde ich es normal, keine Jungfrau mehr zu sein.“ Langsam zog sie meinen Kopf an sich heran. Ich spürte schon wieder ihren warmen Atem in meinem Gesicht, als sie fortfuhr:
„Wir Menschen haben Gefühle und Wünsche, die erfüllen wir uns. Und solange wir die Gefühle der andren respektieren, ist das gut so. Du kannst zu jeder Zeit nein sagen, du kannst aufstehen und gehen. Ich würde dich nie daran hindern. Es würde mir aber sehr leid tun …“ Danach ließ sie mich los, um sich auf den Rücken zu drehen.
„Ja“, sagte sie, nun sehr nüchtern. „Ich habe hier schon mit Frauen und ich habe in diesem Bett mit Männern geschlafen. Nicht jeden Tag, nicht einmal jede Woche, nicht einmal jeden Monat, weniger mit ständig anderen. Jetzt schlafe ich hier mit dir, heute, nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr, wenn du es überhaupt so lange mit mir aushalten wirst.“
Ein leises Hüsteln. „Da wo ich jetzt liege, habe ich mich selbst befriedigt, als wir gestern Abend miteinander telefonierten. Den größten Teil meiner Lust erfülle ich mir selbst, mit offenen Augen, hier vor all den Spiegeln. Es erregt mich, mir zu zuschauen … Mir und anderen … Das gehört zu dieser Kunst, von der ich eben sprach …“
Anschließend schob sie eine DVD in den Player, der auf der Ablage hinter dem Bett stand. Der Fernseher flimmerte auf. „Love-Songs for Viola“ erschien ein Schriftzug auf dem Bildschirm. Aus dem Hintergrund Musikeinblende, Musikvideos mit darüber gelegten kürzeren und längeren Liebesszenen. Frauen mit Frauen, Männer mit Männern, Frauen mit Männern. Hin und wieder drang das Stöhnen der Akteure in die Musik hinein.
„Habe ich mir selber zusammen geschnitten“, sagte sie. Als ich den Kopf ein Stück anhob, sah ich eine Hand Violas in ihrem Schoß liegen, dieses Mal schob ich meine dazu, abermals ergriff sie ein Zittern.
Den Kopf zu mir gedreht, sah sie mich an. „Oft hatte ich die Bilder von unserem Klassenausflug vor den Augen, wenn ich es mir selbst gemacht habe. Sehr lange sogar … Dich in deinem knappen Bikini. Ich habe oft versucht, mir vorzustellen, wie du nackt aussiehst“, sagte sie leise. „Jetzt trage ich das Gefühl von dir auf der Haut, von vorhin, als wir auf der Couch lagen …, jetzt noch mehr …“
Es wirkte plötzlich wie Magie, die vielen Bilder in den Spiegeln, die Musik, die Video-Clips, Viola neben mir, wie unser beider Hände in ihren Schoß eindrangen, wie sie leise stöhnte. „Ich bin zu jung, zu unerfahren …“, sagte ich.
„Nein, Chrissy …“, sie umschlang mich abermals. „Du bist nicht zu jung, das ging vielleicht alles zu schnell.“ Der Rest erstickte in einem Kuss, in einer leidenschaftlichen Umarmung, wir wälzten uns beide auf dem großen Bett. „Behalte bitte die Augen offen …“, keuchte Viola, „schau an die Decke ...“
„Ja, ich behalte die Augen offen“, erwiderte ich.
„Hast du dir noch nie die Finger abgeleckt, wenn sie von deiner Nässe benetzt waren?“
„Doch, habe ich, nicht gleich am Anfang, aber später schon … Ich …, ich habe auch schon oft daran gedacht, wie es sich wohl anfühlen muss, eine Frau da unten zu küssen … Und …, und auch, wie es sich wohl anfühlen muss, einen Penis im Mund zu haben, so lange bis er sich entleert …“ Das Letzte fiel mir ein, weil auf dem Bildschirm gerade zwei Frauen abwechselnd an einem Penis lutschten. Ich bemerkte, wie ein heimliches Lächeln über Violas Gesicht huschte, als ich die letzten Worte sprach.
Als sie mir darauf ihre nassen Finger in den Mund schob, wich meine Zurückhaltung, ihr dasselbe Gefühl zurück zugeben, wie sie es mir mit ihren weichen Lippen auf der Couch verschaffte, im Nu. Mein Mund, mein ganzer Körper, sehnte sich plötzlich nach ihrem Schoß. Ein erstes Stöhnen Violas, als meine Brüste in das feuchte Tal hinab tauchten, ein zweites, ein lauteres, als ich mit meinen Lippen dort ankam. Mit beiden Händen dirigierte sie meinen Kopf. Wenn ihre Erregung ein bestimmtes Niveau erreichte, hielt sie die Luft an und presste sich an mich. Das wiederholte sie mehrmals, bis sie mich wieder über sich zog. Meinen Oberschenkel zwischen ihre Beine geklemmt, rieb sie sich an mir, während sie mir die Nässe vom Gesicht leckte.
„Dieses betörende „Kurz-davor-Gefühl“, flüsterte sie in mein Ohr. „Das kann man sehr lange aufrechterhalten … Am besten mit einer Frau, weil nur wir unsere Gefühle kennen … Mit einem Mann geht das kaum …“ Ihre Worte von leisem Stöhnen unterbrochen. Unter meinem Schenkel, an dem Viola sich rieb, hatte sich das Bett inzwischen in eine feuchte Flussaue verwandelt.
„Ich bin die ganze Zeit schon kurz davor und kurz danach“, erwiderte ich. Plötzlich fand ich Gefallen daran, über Gefühle zu sprechen, es erregte mich und hielt mich in einem Zustand, der jederzeit zu explodieren drohte. Wir legten mehrere Pausen ein. „Schau mal“, sagte Viola einmal, den Blick auf den Fernseher gerichtet. „Gefällt dir das?“
Ein Mann über einer Frau. Man sah ihre Geschlechtsteile, wie er, mal langsamer, mal schneller in sie eindrang. Der Fokus lag aber mehr auf den beiden Personen, darauf, was in ihren Körpern vorging, in den Gesichtern.
„Ja, so gefällt mir das, wenn man nicht allein die Geschlechtsteile in Großaufnahme sieht“, entgegnete ich. Die Bilder wechselten, eine Frau, die sich selbst befriedigte. Man sah ihre Vulva in Großaufnahme.
„Und das?“, fragte mich Viola. „Das auch“, erwiderte ich. „Das ist etwas anderes, da habe ich dich vorhin ganz genau betrachtet … Es erregt mich sehr, dir zu zuschauen, wenn du dich befriedigst“ Viola lachte leise, danach umarmte sie mich abermals. Ich war kurz davor zu explodieren, nachdem sie an meinen Brüsten leckte, als sie sanft meinen Schoß streichelte. Sie hatte so wunderbar weiche Hände und sie traf genau die richtigen Punkte.
„Luft anhalten, Chrissy“, sagte sie als sich bei mir die erste Regung zeigte. Das wiederholten wir mehrmals, wir wechselten uns ab. „Noch nicht“, sagte sie manchmal. „Bleib so …“ Dann zog sie meine Hand abermals in ihren Schoß.
Nie in meinem Leben war ich je betrunken. So musste sich das anfühlen, der Zustand, in dem ich mich die ganze Zeit befand. Es war eine Weile so als schwebten wir, wie in einem einzigen Körper vereint, bis Violas Bauch zu hüpfen begann, so fühlte es sich jedenfalls an. Sie schob meinen Kopf abwärts, „mach jetzt, Chrissy!“, keuchte sie, ein erstes lautes Stöhnen, als meine Zunge ihre Scham berührte, dann hob sie ihren Po und presste mir ihr Becken entgegen. „Ja, jetzt!“, mehrere laute Seufzer, in deren Rhythmus sich eine seidige Flüssigkeit in zwei oder drei Stößen über mein Gesicht ergoss. Danach erschlaffte Viola regelrecht neben mir.
Wir lagen erschöpft nebeneinander, reglos. Viola neben mir auf dem Rücken, einen Arm über ihrem Gesicht, den anderen hinter dem Kopf verschränkt. Sie atmet ruhig, oft von einem kurzen, leisen Seufzer unterbrochen. Ich war noch stark erregt, ebenfalls kurz vor einem Höhepunkt, als das bei Viola anfing. Meine Augen auf die Spiegel an der Decke gerichtet, unsere nackten Körper im Blick, wollte ich es bei mir mit den Fingern zu Ende bringen. Als mein Stöhnen einsetzte, drehte Viola sich zu mir.
„Chrissy, warum wartest du nicht ...? Du bist ja ganz nass im Gesicht …? Deine Haare kleben …“ Sie küsste mich und leckte zwischendurch meine Haut ab wie eine Katze ihr Junges, dabei schob sie eine Hand in meinen Schoß. Und kaum hatten ihre sanften Finger ihr Spiel begonnen, da war es auch bei mir so weit. Wie blieben so, ich hatte plötzlich das Gefühl, dass meine Erregung gar nicht mehr aufhört.
„Lass deine Hand dort, lass sie ewig da liegen, nimm sie nie wieder weg“, seufzte ich an Violas Brust. Mein Herz schlug, ich spürte meinen Puls in den Schläfen und im Schoß zugleich, währen Viola nicht aufhörte, mich zu streicheln.
„Du hast so eine kleine, niedliche Fotze, fast rund …, so griffig“, sagte sie mit leisem Röcheln in der Stimme, den Mund dicht an meinem Ohr. „Die hat mich schon damals so wahnsinnig erregt, in deinem knappen Bikini-Höschen … Jetzt, in deiner Erregung, ist sie doppelt so groß und das süße, weiße Köpfchen darüber …“ Das Letzte hatte sie schon einmal gesagt. Wie sie ihre weiche Hand darüber legte, wie sie einen Finger sanft durch die Furche zog, wäre ich abermals aufgestiegen, der erste Satz hingegen versetzte mich in eine Schockstarre, nachdem ich das Wort „Fotze“ realisiert hatte, mit dem ich zu Allerletzt aus Violas Mund gerechnet hatte. Ich war plötzlich wie gelähmt. Die Vokabel kannte ich vom Schulhof. Einer der Jungs aus der Klasse, der mehrmals versucht hatte, bei mir zu landen, beschimpfte Manu und mich: „Ihr Lesben-Fotzen, leckt euch gegenseitig die Mösen aus“, hatte er zu uns gesagt.
Ein paar Augenblicke später stieß mir Viola sanft in die Seite. „Hey Chrissy, was ist los mit dir?“, fragte sie mich. „Hast du dich noch nicht erholt?“ Ich rang nach Luft wie nach Worten.
„Du hast … Du hast eben … Dieses Wort …“ Viola warf sich lachend auf den Rücken, eine Hand an der Stirn. „Fotze …“, sagte sie mehrmals leise. „Was soll ich sagen?“ Sie hatte sich wieder über mich gebeugt. „Vagina, Scheide, Scham? Wie soll ich dein süßes Ding da unten, das mich so verrückt macht, wie soll ich das bezeichnen? Vulva, gut, das vielleicht.“
„Gar nicht“, erwiderte ich mit trockener Stimme. „Jedenfalls nicht so!“
„O. K, entschuldige. Wenn du jetzt nicht gleich fluchtartig das Feld verlassen willst, werden wir uns später zwei Namen ausdenken. Einen für meine, einen zweiten für deine, einverstanden?“ Daraufhin kniete sie sich neben mich, eine Hand auf ihrem Schamberg. Mit der anderen umschloss sie meine … Wie sie die auch immer nennen möchte.
„So klein, fast rund und so prall. Alles liegt dicht beieinander. Schau dir meine dagegen an, viel länger …“ Ich musste lachen, wie sie so linkisch neben mir kniete, wie sie ihre Scham in die Länge zog.
„Die gefällt mir, wie alles an dir. Sogar wie das, was da vorhin aus dir heraus kam, als du …“, antwortete ich erleichtert.
„Das hat dich nicht gestört?“ Ich schüttelte den Kopf.
„So weit kommt es nicht jedes Mal, nur wenn ich sehr lange sehr stark erregt bin wie vorhin.“ Sie lag wieder neben mir, in der Stellung, die ihr, wie ich meinte, die Angenehmste war. Meinen Oberschenkel an ihrem Schoß, ein Stück ihrer Hand dazwischen, eine Fingerkuppe an dem Ort, der mir besonders gut tat. Wie sie mich berührte, wie sie stets die richtigen Stellen traf, wie sie, mal sanfter, mal fester, zudrückte, gewann ich den Eindruck, wir würden schon ewig miteinander schlafen.
„Sex ist etwas Schönes, etwas Entspannendes. Dabei sollte man sich gehen lassen, um zum höchsten Genuss zu gelangen. Und manchmal rutscht einem solch ein Wort heraus.“ Sie sei völlig tabulos, in allem, das sei die absolute Voraussetzung für guten und befriedigenden Sex. Außer den Spielarten, von denen man landläufig als „eher fürs Klo“ spreche. Zuerst bekam ich einen weiteren Schreck, doch die letzten Worte beruhigten mich gleich wieder. Der folgende Kuss wie Violas sanftes Streicheln, versöhnten mich endgültig.
„Ja, etwas Schönes, etwas Entspannendes“, wiederholte ich Violas Worte. „Ich war nie so lange, so endlos lange erregt wie heute. Mit mir allein ging es meist sehr schnell, kurzes Herzklopfen, mehrmals tief durchatmen, danach der schnelle Fall. Nachdem ich dich getroffen hatte, bekam ich mehrmals hintereinander Lust wenn ich allein im Bett lag … Aber jetzt … Das ist noch so … Oder schon wieder …“
„Man kann das selbst dann lange hinauszögern wenn man sich allein vergnügt. Du musst den richtigen Moment erwischen, kurz bevor du kippst“, erklärte sie mir. „Wir können das später probieren, wenn du willst.“ Außerdem ginge es nicht allein darum, stets auf einen Orgasmus zu zusteuern, der Genuss des Beisammenseins genüge oft schon.
Ich hatte bis zu diesem Tag nie in Gegenwart einer anderen Person masturbiert. Doch was hatte ich überhaupt schon von all dem, was ich gerade erlebte? Mit Manu wollte ich einmal, da hatte ich gerade das Neue in mir entdeckt, aus Neugier. Sie wies mich schroff zurück, seitdem versuchte ich es erst gar nicht wieder.
Es funktionierte, wir lagen beide nebeneinander auf dem Rücken, die Köpfe zueinander gedreht, zwei Beine verschlungen, die einzige Berührung. „Schau mich bitte an“, sagte Viola. Mein Blick wanderte von ihr über die Spiegel an der Decke, zum Spiegelschrank, zum Fernseher, zu ihr zurück. Das Zuschauen erregte mich, ich war angespannt. Erst nachdem sie den Kopf heran rückte, als sie meinen Hals küsste, konnte ich es nicht mehr aufhalten. Kurz darauf ließ sie sich gehen. „Du hast gemogelt“, sagte ich, da ging mein Atem noch schnell. Wir lachten beide. „Siehst du, so gefällst du mir schon besser“, erwiderte Viola in unser Lachen hinein.
Bevor wir uns diesem Genuss hingaben, erzählte Viola ein paar Erlebnisse. Ich hatte sie gefragt, ich wollte einfach wissen, mit wem und was vor mir war. Am Ende war mir wohler. Einmal ausgesprochen, schien es mir so, als sei nichts von dem wirklich geblieben.
„Da gibt es gar nicht so furchtbar viel zu erzählen“, ihre erste Antwort, bevor sie zu reden begann. Mit fünfzehn Jahren ihr erstes Mal, ein Schüler aus der Oberprima, was sie nicht als sonderlich prickelnd empfand. Das ginge den meisten jungen Frauen nicht viel anders, wie sie meinte. Mir fehlte der Vergleich.
An der Uni eine kurze, dafür heftige Affäre mit einer Professorin. Ihr sei es damals ähnlich ergangen, wie mir jetzt. „Die war heftig, beim Sex wie mit ihrer Wortwahl“, sagte sie lachend. Das bewusste Wort habe sie seinerzeit ebenso überrascht wie mich. Deine Fotze schmeckt wie Nugat, dein Mösensaft ist der blanke Champagner, zählte mir Viola auf, wie ein paar weitere Sprüche, die ich mir nicht gemerkt habe.
„Seit meiner verunglückten Defloration waren mir die Jungs egal, bis auf einen, da lief aber nichts“, Viola wirkte für einen Moment nachdenklich, während ihrer letzten Worte, doch das hielt nur einen Moment an. Die gelegentliche Lust auf Männer sei erst bei dieser Frau wieder in ihr aufgelebt. Beide hätten sie ein ganzes Wochenende mit zwei Männern zugebracht. Ihr sei egal, wie sie zu einem Orgasmus käme, Hauptsache Orgasmus, einer der beliebten Sprüche der Frau. Ich hielt beim Zuhören mehrmals die Luft an, an so etwas hatte ich bis dahin nicht einmal zu denken gewagt.
„Männer gab es drei, oder vier“, fügte sie nach einer Pause hinzu. Bei Frauen empfinde sie die größere Lust und stärkere Gefühle. Bis letzten Herbst sei sie mit einer lesbischen Frau liiert gewesen. „Wir haben nicht zusammen gewohnt. Geschlafen habe ich mit ihr meist in ihrem Haus. Sie war merkwürdig, sie fühlte sich nur zu Hause wohl, in IHREM Heim.“
„Warum bist du nicht mehr mit ihr zusammen?“, fragte ich zwischendurch.
„Weil sie sich manchmal so befremdlich verhielt. Außerdem war sie außerordentlich dominant. Sie hatte etwas dagegen, dass ich manchmal Lust darauf bekam, etwas in mir zu spüren, selbst wenn es nur ein Dildo war.“ Viola lachte leise.
Die Frau habe das Eindringen in ihren Körper als Erniedrigung empfunden und lehnte das völlig ab. „Ich weiß nicht, ob sich das bei allen lesbischen Frauen so verhält“, fügte Viola hinzu. Sicher gäbe es solche wie andere, wie bei den Heteros. Die, die es härter mögen, andere mögen es zärtlicher.
„Und die Not-Lesben“, fuhr sie nach kurzer Überlegung fort. „Die, die, aus unbekanntem Grunde keinen Mann abbekommen. Die suchen sich ein passendes Gegenstück und tun so furchtbar verliebt in ihre sexuelle Präferenz. Wenn die abends im Bett liegen, penetrieren die sich gegenseitig mit den dicksten Dildos, die man bekommen kann.“ Viola lachte:
„Die Professorin an der Uni konnte manchmal nicht genug davon bekommen, Dildos und echte Männer, wir haben uns gegenseitig gefickt, eine dritte hatte ich nicht …“ Da schaute sie mich an mit ihrem sanften Blick. „Vielleicht habe ich die jetzt?“, sagte sie leise.
Das nahm ich einzig am Rande wahr, ich war schon wieder woanders. „Ficken“, das nächste Wort vom Schulhof. Viola bemerkte meinen starren Blick. „Oh Gott, ficken“, sagte sie, erneut eine Hand an der Stirn. Daran hätte sie nach meinem Fotzen-Schock denken müssen. Das erste sähe sie ein, was ich an dem Wort „Ficken“ auszusetzen habe, verstehe sie hingegen überhaupt nicht. Das Wort habe, schon allein wegen seiner Konnotation, für sie etwas erregendes an sich. Das habe sie übrigens aus dem Zitat einer bekannten Komödiantin entnommen, klärte Viola mich auf, Correctness der Lehrerin, dachte ich bei mir, Zitate sind zu kennzeichnen.
Wahrscheinlich hatte sie Recht. Die Nähe zu Manu, deren Abscheu gegen alles, was mit Zwischenmenschlichkeit zu tun hatte, zumindest im sexuellen Bereich, hatte mich bis dahin von Vielem fern gehalten. Zu Hause fielen solche Worte nicht. Mir fiel ein, dass es dafür nie einen Anlass gab. Die gelegentlichen Fragen meiner Mutter nach dem nicht vorhandenen Freund waren meist mit einem einzigen Antwortsatz erledigt. Wer weiß, was zum Vokabular im elterlichen Schlafzimmer gehörte oder wenn ich nicht anwesend war? Zimperlich waren die beide nicht.
Ich drehte mich zu Viola, die noch auf dem Rücken lag, eine Hand an der Stirn. „In Zukunft werde ICH dich ficken, wenn du willst oder wenn du es brauchst“, sagte ich versöhnlich zu ihr. Lachend fuhr ich fort, ohne wirklich auch nur eine Spur davon zu wissen, ob ich das wirklich jemals wollen würde:
„Aber nur wenn du auch mich fickst und zu einer, zu deiner Frau machst!“ Viola lächelte, sie sagte nichts weiter dazu.
Unendlich viel Zeit war vergangen, die Sonne stand bereits tief. „Wann musst du zu Hause sein?“, fragte Viola mich nach einem Blick durch das Fenster, anschließend zur Uhr.
„Ich habe mich vom Abendessen abgemeldet“, erwiderte ich. „Bis gegen neun, halb zehn …“ Viola schaute mich zufrieden an. „Dann sollten wir jetzt etwas essen“, sagte sie anschließend. Nachdem das Wort gefallen war, verspürte ich plötzlich das verdrängte Hungergefühl.
Zum Essen gab es Salat, dazu Schwarzbrotstreifen mit einem Aufstrich und Tee. Eng nebeneinander schoben wir uns gegenseitig die öligen Salatblätter in den Mund und leckten uns die Finger ab. Ich wäre am liebsten die ganze Nacht geblieben. Violas warme Haut an mir, gemeinsam einzuschlafen, das stellte ich mir himmlisch vor. Doch daran war nicht zu denken.
Während wir aßen, kam Viola noch einmal auf den Nachmittag zurück.
„Dass ich, wenn ich mich völlig gehen lasse, einen stärkeren Ausfluss bekomme, störte dich wirklich nicht?“, wiederholte sie die Frage.
„Nein“, ich hob die Schultern und sah ihr in die Augen.
„Manche Männer stört das und manche Frauen hemmt es, sich ihrer Lust vorbehaltlos hinzugeben…“, entgegnete sie nachdenklich. Es gäbe sogar Frauen, bei denen diese Veranlagung eine regelrechte Orgasmus-Bremse sei. Bei anderen trete dieses Phänomen überhaupt nicht auf oder in geringerem Umfang.
„Sicher ähnlich wie bei den Männern, manche produzieren viel Samenflüssigkeit, manche weniger…“, sie lächelte. „Sollten wir uns darüber Gedanken machen?“ Ihre Frage beantwortete sie selbst mit einem lauten „Nein“.
Bei Tisch stellte sich ein Problem ein, das sich bereits im Bett, als wir uns selbst befriedigten, mit einem ersten leichten Brennen bemerkbar gemacht hatte. Viola zog mich, nachdem wir fertig waren, auf ihren Schoß. Als sie eine Hand auf meinen Bauch legte, hielt ich sie zurück.
„Ich habe Schmerzen da unten“, sagte ich verlegen. Das war mir wirklich unangenehm. Begleitet von lautem Lachen schob sie mich auf meinen Stuhl zurück. „Das wundert mich nicht“, entgegnete sie, bevor sie zum Bad ging. Zurück kam sie mit einer Dose, in der sich ein farbloses Gel befand. Vor dem Stuhl kniend betupfte sie mich behutsam. Ich biss die Zähne zusammen, weil sogar Violas vorsichtige Berührung ein heftiges Brennen auslöste. Darauf folgte eine angenehme Kühle.
„Die nimmst du mit nach Hause“, sagte sie. „Bevor du zu Bett gehst, eine weitere Behandlung. Dasselbe morgen, du wirst merken, ob und wie schnell das Gel wirkt.“ Mit bangem Blick sah ich zur Uhr. Uns verblieben wenigstens zwei weitere Stunden Zeit.
„Ich hätte gern länger, gern öfter dieses Gefühl in mir gehabt“, sagte ich mit Verdruss. „Zumindest so lange, bis ich weg muss.“ Erneut zog sie mich auf ihren Schoß zu einem langen Kuss.
„Das wirst du auch so haben, so sensibel wie du allein auf mein Streicheln reagierst“, erwiderte sie mit warmer Stimme. „Vielleicht weniger heftig.“
Ein sanftes, gemeinsames Dahingleiten, die zwei Stunden, die wir anschließend in Violas Bett verbrachten. „Du hast noch einen Orgasmus-Vorsprung vor mir“, sagte sie später. Anschließend stellten wir den Gleichstand her.
„Ich habe jetzt Lust auf ein Stück Mann“, keuchte sie vorher, da war sie bereits sehr weit oben. „Tut dir das nicht weh?“, fragte ich besorgt, nachdem sie vier Finger meiner Hand bis an einen Punkt heran führte, dessen Berührung eine heftige Reaktion bei ihr auslöste.
Sie schüttelte den Kopf. „Nein, gut so, mach weiter“, knurrte sie, bevor sie wenig später zu ihrem angestrebten Höhepunkt gelangte.
Bevor ich auf mein Fahrrad stieg, cremte sie mich ein weiteres Mal ein. Dennoch fuhr ich überwiegend stehend auf den Pedalen. Wir telefonierten vor dem Einschlafen. „Wie gewohnt Donnerstag fünfzehn Uhr?“, fragte sie mich am Schluss. Die Antwort fiel mir schwer, viel lieber hätte ich morgen gesagt. Eine ganze lange Woche, das schien mir endlos. Die Nachwirkungen blieben bis zum Sonntag. Da cremte ich mich frühmorgens ein letztes Mal ein.
Mam und Dad saßen im Foyer, als ich kurz vor halb zehn zu Hause ankam. Dort stand der neue große Fernseher. Von der Zwischentür aus rief ich ihnen ein kurzes „Hallo“ zu.
„Alles wieder gut mit der Liebe?“, fragte Dad in spitzem Ton, weil ich nichts darauf erwiderte, sondern gleich zur Treppe ging, rief er mir nach:
„Bekomme ich heute keinen Kuss?“ Auf der Treppe nach oben hörte ich beide lachen. Bis dahin gingen wir stets ehrlich miteinander um, zumindest in dem Normalmaß, wie es sich zwischen Eltern und deren heranwachsenden Kindern nach meiner Vorstellung bewegen sollte. Dass ich nun eine Zeit lang mit einer Lüge leben müsste, wurde mir erst im Bett so richtig bewusst, nachdem ich mit Viola telefonierte.
Peinlicher wurde die ganze Übung, als Mam mich am Sonntag fragte, ob ich mich mit meinem Freund nur an einem Tag in der Woche treffen würde. Manu war das Wochenende über zu Besuch. Sie hing schon wieder mit Dad in der Bibliothek, wir standen in der Küche. Für dieses Wochenende musste Manu als Alibi herhalten. Schließlich sei auch sie sehr wichtig für mich.
„Das ist noch nicht so verbindlich“, meine zweite Antwort, nicht einmal gelogen. „Ich bekomme Nachhilfe in Mathe und Physik, danach verbringen wir gemeinsam etwas Zeit.“ Selbst das war nicht gelogen. Meine Mutter lehnte mit besorgtem Blick an der Küchenzeile.
„Ich will ja nicht hoffen, dass du etwas mit einem Lehrer angefangen hast, vielleicht mit einem, der Familie hat“, sagte sie nachdenklich. „So etwas traue ich dir zwar nicht zu, aber wenn der Bauch verrücktspielt, da macht man manchmal Dinge, die man im Normalfall ablehnt.“ Wenn der Bauch verrücktspielt, das sprach sie aus, als hätte sie selbst schon einmal so etwas erlebt.
„Sei unbesorgt, Mam“, erwiderte ich. Es war weder ein Er, noch mein Lehrer. Dennoch drangen Mams Worte in mein Gewissen. Ich würde mit Viola darüber reden müssen. Warum sollten wir uns denn eigentlich verstecken? Sie war nicht mehr meine Lehrerin, unterrichtete nicht einmal an meiner Schule. Für mich war sie eine Person wie jede andere.
Den Nachmittag verbrachten wir im Garten. Weil bestes Wetter angesagt war, fiel der „normale“ Mittagsbraten aus. Wir grillten und sonnten uns oben ohne, allein Manu hielt sich stets bedeckt. Darüber regte sich niemand auf. Sie war eben so. Viola ging mir nicht mehr aus dem Kopf, das merkte mir zum Glück niemand an. Abends, Manu war gerade gegangen, rief ich sie an. Ich war voller Lust, mein Pläsierchen hatte sich beruhigt, davon überzeugte ich mich mit zwei Fingern, bevor ich das Handy in die Hand nahm. Ich trug so ein knappes Bikini-Höschen, wie es Viola damals erregte. Es würde sie wieder erregen, könnte sie mich so sehen, dachte ich.
Manu war nach dem Sonnen mit auf mein Zimmer gekommen. „Zieh dir bitte ein T-Shirt über wenn wir uns auf deinem Zimmer aufhalten. Hier scheint keine Sonne“, sagte sie verärgert, weil ich mich, so wie ich war, auf das Bett gelegt hatte. Ich freute mich auf Violas warme Stimme, darauf, was die stets in mir auslöste. Ich wollte ihr erzählen, dass ich gerade eins dieser knappen Höschen trug, dass ich sie gern eher besuchen würde. Sicher würde sie sich freuen. Nachdem Manu sich entfernt hatte, rief ich sie an.
Es klingelte mehrmals, bis Viola abnahm. „Ja, Chrissy, was ist?“, fragte sie unerwartet nüchtern. „Warum hat das so lange geklingelt?“, fragte ich sie in ähnlichem Ton. „Ich bin nach draußen gegangen, weil ich eine Zigarette rauchen wollte …“ Viola rauchte gelegentlich, nie wenn ich dabei war. „Warum rauchst du, wenn ich da bin rauchst du nie?“
„Weil ich Wein getrunken habe, und wenn ich Alkohol trinke, rauche ich manchmal.“
Ich hörte, wie sie den Rauch einzog und ausblies. Dasselbe leise Röcheln wie wenn sie erregt mit ihrem Mund an meinem Ohr lag. „Bei mir ist alles verheilt, deine Salbe hat gut gewirkt.“ Für einen Moment hielt ich die Luft an.
„Gut“, sagte sie, mehr nicht, keine weitere Frage, warum ich anrief. Sie wirkte nervös, wie sie an der Zigarette zog. Ich war mir gar nicht mehr sicher, ob ich sie fragen sollte, dennoch tat ich es.
„Ich wollte fragen, ob ich dich nicht schon eher als am Donnerstag besuchen darf“, sprach ich schüchtern. „Das geht leider nicht, Chrissy“, erwiderte sie ohne zu zögern.
„Warum nicht?“ Viola atmete mehrmals tief durch, bevor sie antwortete:
„Ich bin dir darüber keine Rechenschaft schuldig, ich will es dir trotzdem erklären, weil ich es für wichtig halte. Nicht am Telefon.“
„Warum nicht am Telefon?“
„Weil ich gleich wieder ins Haus gehe und weil das zu lange dauern würde. Wie hast du morgen am Nachmittag Zeit?“
Ich hatte vierzehn Uhr Schulschluss, sechzehn Uhr Arbeitsgemeinschaft. Viola lachte, als ich ihr das sagte. „Wie sich doch die Lehrpläne gleichen“, erwiderte sie. „Ich habe vierzehn Uhr Schulschluss, sechzehn Uhr Arbeitsgemeinschaft. Da könnten wir gegen halb Drei einen Kaffee trinken. Da wo wir letztes Mal waren“, schlug sie vor.
„Und wenn uns jemand sieht?“
„Chrissy!“, abermals lachte sie. „Ich kann doch mit einer ehemaligen Schülerin, die ich zufällig in der Stad treffe, einen Kaffee trinken. Wir müssen ja nicht übereinander herfallen.“ Sie klang am Ende gelöst, das beruhigte mich. Dennoch hatte ich Mühe, einzuschlafen. Etwas musste vorgefallen sein.
Viola stand bereits vor dem Café. Bei ihr war die letzte Stunde ausgefallen, weil die Klasse, die sie in Mathe unterrichtet, einen Ausflug unternahm, wie sie mir erzählte.
„Hallo Chrissy, das ist ja eine Überraschung“, rief sie mir entgegen, den Zufall gespielt. Wir umarmten uns. Viola gab mir einen flüchtigen Kuss an den Hals. Sie sog für die Länge eines Wimpernschlags. „Nicht mehr, bitte“, flüsterte sie in mein Ohr. Es tat mir weh, sie nicht auf den Mund küssen zu dürfen. Mein Bauch rumorte, kaum dass ich Violas Nähe spürte. Ihre Lippen, ihre Stimme, das Summen, der Kitzel, die Wärme im Schoß.
„Ich würde dich gern richtig küssen“, befahl mein Bauch mir zu antworten, kurz bevor wir uns trennten. „Frag` mich mal, wer noch?“ Viola lachte: „Ich würde auf der Stelle mit dir schlafen wollen, wären wir woanders.“ Eine Hand an meiner Schulter, schob sie mich zur Eingangstür. Die letzten Worte ließen mich alle Sorgen vergessen. Vielleicht war es etwas völlig Harmloses, das sie hinderte. Ich ärgerte mich über mich selbst, über mein Misstrauen.
Bis der Kaffee kam, erzählte ich ihr von den letzten Tagen. Das Gespräch mit meiner Mutter, die Gedanken, die es auslöste, ließ ich weg. Vielleicht ein anderes Mal? Nach dem ersten Schluck aus der Tasse, sagte Viola nüchtern:
„Ich habe Besuch. Der bleibt bis Mittwoch.“ Da stockte mir zum ersten Mal der Atem. Gerade wollte ich zur Tasse greifen. „Eine Frau?“, fragte ich zaghaft, einen würgenden Kloß im Hals, Ich brachte die Worte gerade so heraus. Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Nein, ein Mann …“
„Wie, ein Mann …?“ In mir drehte sich alles. Hätte sie gesagt eine Frau, wäre das Resultat wahrscheinlich dasselbe gewesen.
„Ein Freund oder besser gesagt, mein Freund …“ Das schlug mich beinahe vom Stuhl. Mein Körper, stocksteif, meine Hände zitterten. Wir saßen beide über Eck am Tisch, dicht beieinander in einer Nische.
„Gib mir unter dem Tisch deine Hand, bitte“, sagte Viola mit ihrer liebevoll warmen Stimme. Ihre Rechte lag bereits auf meinem Knie. Ich hatte an dem Tag extra einen kurzen Rock angezogen, in der Hoffnung, wir kämen vielleicht näher zueinander als gemeinsam Kaffee zu trinken. Ich war nicht in der Lage, mich zu bewegen.
„Du hast … Du hast einen …“, stammelte ich. „Einen Freund … Einen Freund, und du schläfst mit mir?“ Ihr Lächeln brachte mich fast um. Mir fiel dieser Pop-Titel ein. „Und du schläfst mit ihm … Ich meine, wenn er bei dir wohnt, dann …?“
„Ja, ich schlafe mit ihm.“ Das wollte ich schon gar nicht mehr gehört haben. Viola nahm die Hand von meinem Knie. Nachdem sie sich umschaute, ergriff sie meine Linke. Ich nahm das alles nicht mehr wahr. Ich wollte aufstehen, um zu gehen, doch etwas hielt mich fest, wie angewachsen an den Stuhl.
„Ich hätte dir von Jens erzählt, vielleicht schon während unseres nächsten Treffens. Unter anderen Umständen, in einer anderen Situation, die vielleicht besser gepasst hätte …“
„… Nach einem Orgasmus wohl?“, unterbrach ich sie. „Oder wenn wir gerade …“ Mich packte die Wut, doch Viola blieb außergewöhnlich ruhig. Sie lächelte sogar wieder.
„Beruhige dich bitte.“ Während sie sprach, streichelte sie meine Hand. Mir hingegen liefen beim Zuhören Bilder aus den Clips durch den Kopf, die auf Violas Fernseher im Schlafzimmer liefen. Ich sah sie unter einem Mann liegen, auf ihm sitzen, wie sie sich krümmt vor Lust. Mir fiel dieses Wort ein, das sie öfter aussprach, „Ficken“. Irgendetwas Gemeines musste ich jetzt sagen:
„Aha!, du schläfst mit mir, mimst auf das Sanfte, und danach holst du dir einen Mann ins Bett, um dich richtig von ihm ficken zu lassen, oder wie?“ Ich muss lauter geworden sein, Viola schaute sich ängstlich um. Das Lächeln wich nicht aus ihrem Gesicht.
„Nein, so ist das nicht“, erwiderte sie. „Denke aber bitte daran, worüber wir letzten Donnerstag sprachen. Ich habe dir erzählt, dass es Männer in meinem Leben gab …“
„… Ja, gab …“, unterbrach ich sie ein weiteres Mal. „Gab, nicht gibt …!“ Allmählich kam ich zu mir. „Und wie soll das jetzt mit uns weitergehen?“, fragte ich nüchtern. „Du schläfst mit mir und zwischendurch mit deinem Freund?“
Viola schüttelte den Kopf. „Vielleicht lässt du mich zuerst einmal ein paar Sätze über diese Beziehung reden, bevor du die falschen Schüsse ziehst, darf ich?“ Sie schaute mich fragend an. Ich hob gleichgültig die Schultern. „Wozu das? Ändert nichts“, erwiderte ich resigniert.
„Doch, vielleicht wirst du anschließend anders denken.“ Sie sah mich weiterhin fordernd an. „Zuerst will ich dir aber sagen, dass ich sehr viel für dich empfinde. Das spreche ich jetzt nicht in den Raum, um dich zu besänftigen. Übrigens habe ich meinem Freund von dir erzählt.“ Da fing es wieder an, in mir zu kochen. Eine weitere Gemeinheit:
„Habt ihr euch wenigstens so richtig daran aufgegeilt?“ Ich rief das ganze Arsenal der Schulhof-Vokabeln aus meinem Gedächtnis ab. Worte, die ich bis dahin nie aussprach. „Hat er dich besser gefickt? Hat er dir auch die Fotze geleckt, bis du gekommen bist?“ Violas Lächeln riss selbst jetzt nicht ab. Abermals schüttelte sie den Kopf. „Darf ich jetzt etwas sagen?“, fragte sie kurz darauf. Weil ich nichts erwiderte, fing sie an zu reden:
Der Besuch sei unerwartet und nicht vereinbart gewesen. Jens sei Offizier bei der Marine, derzeit in einem Einsatz am Horn von Afrika, der bis ins nächste Jahr dauere. Man habe einen Teil der Besatzung ausgetauscht, ihn mit, weil er in Wilhelmshaven ein neues Schiff übernehmen solle. „Da hingen unerwartet fünf Tage Sonderurlaub daran. Er rief mich erst am Freitagmittag an. Hätte ich das am Donnerstag bereits gewusst, hätte ich mit dir darüber gesprochen“, sagte Viola in sehr ruhigem Ton.
„Liebst du ihn?“, unterbrach ich sie erneut.
„Auf eine ganz bestimmte Art schon“, die prompte Antwort. „Versuche zu verstehen, dass Jens nicht so der typische Mann ist. Wir kennen uns seit dem Gymnasium. Er war stets sehr zurückhaltend, höflich und freundlich, wenn jemand auf ihn zuging.“ Viola blickte in meine Augen. „Wie du, übrigens, als du meine Schülerin warst. Du warst so unaufdringlich anhänglich, dafür mochte ich dich und dafür mag ich dich heute noch mehr …“ Viola hatte ihre Hand wieder auf mein Knie gelegt. Lachend fuhr sie fort:
„Erinnerst du dich daran, wie du auf dem Schulhof eine Schülerin gerügt hast, nachdem die mir eine freche Antwort gab?“ Ich nickte, ich erinnerte mich an alles, was mit Viola zu tun hatte. So als sei es gestern gewesen. Nach einer kürzeren Pause fuhr sie fort.
„Und was das Ficken betrifft …. Ein Wort, das ich von dir gar nicht erwartet hätte …“ Sie lachte, während sie mit zwei Fingern sanft mein Knie drückte. „Er braucht das nicht so dringend. Wir haben mehr Tage und Nächte ohne dem miteinander verbracht als damit …“ Eine weitere Pause. „Ich möchte es manchmal, wenn mir nach Mann zumute ist. Wie am Donnerstag, als wir nach dem Essen wieder im Bett lagen, als du deine Schmerzen hattest … Da hast DU mich gefickt und ich habe so ein unbeschreibliches Glück dabei empfunden …“ Wir schwiegen eine Weile. Ich wusste nicht mehr, was ich zu all dem sagen sollte. Viola schien gar keine Antwort von mir zu erwarten, weil sie wenig später weiter sprach:
„Chrissy, ich will dich nicht verlieren.“ Mir war, als glitzerte eine Träne in einem ihrer Augenwinkel. „Wir sind jetzt erst gut zwei Wochen zusammen. Jens kenne ich seit meiner frühen Jugend. Seit fünf Jahren sind wir so etwas wie ein Paar. Ich habe mich nicht einmal von ihm getrennt, als ich mit dieser Frau zusammen war, von der ich dir erzählte. Die wird das vielleicht gefühlt haben. Für dich empfinde ich viel, viel mehr als für die. Und wenn wir ein Paar werden sollten, werde ich mich von Jens trennen. Auf faire Art und Weise.“
Sie erzählte von einem Erlebnis während der Schulzeit. Da waren sie in einem Zeltlager. Sie, Viola wollte etwas mit Jens anfangen, er ließ sie abblitzen. Nach dem Studium habe sie ihn in der Stadt getroffen. Ihr sei sofort aufgefallen, dass er viel mehr Selbstbewusstsein dazugewonnen hatte, seit er bei der Marine diente. Am selben Tag seien sie beide im Bett gelandet.
„Das war für mich so etwas wie der Abschluss eines unvollendeten Werkes“, fuhr Viola nach kurzer Unterbrechung lachend fort.
An diesem Abend habe sie zudem den Grund für Jens damalige Zurückhaltung erfahren. Sein unterdurchschnittlich großer Penis, für den er von Mitschülern gemobbt wurde. Ich hätte fast gelacht, als sie das erzählte. Viola wischte sich anschließend die Träne aus dem Auge.
Alles, was sie sprach, vor allem wie sie es sprach, klang glaubhaft. Dennoch riss mich die Vorstellung geradezu auseinander, dass sie an diesem Abend in demselben Bett, in dem wir beide diese für mich so neue Lust erlebten, mit ihrem Freund schlafen würde.
„Und du meinst, ich kann das so einfach wegstecken, wenn du heute Abend mit ihm schläfst. In demselben Bett, in dem …“ Jetzt liefen mir die Tränen.
„Ich werde nicht mit ihm schlafen, du hast mich ja vorhin nicht ausreden lassen“, fiel Viola mir ins Wort. „Das macht ihm nichts aus. Am Freitag haben wir, weil ich es so wollte. Am Samstag habe ich ihm von dir erzählt.“ Danach habe sie, Viola, keine Lust mehr empfunden, mit Jens zu schlafen. Von ihm selbst ginge das ohnehin äußerst selten aus.
„Er wusste vorher schon, dass ich auch Frauen liebe, so wie er von der anderen wusste, mit der ich zwei Jahre zusammen war. Er wird für den Rest des Jahres nicht mehr nach Deutschland kommen. Und was bis dahin sein wird, das wissen wir heute beide nicht. Am Mittwoch reist er ab.“ Viola reichte mir ein Taschentuch zu. Anschließend schaute sie auf die Uhr.
„Soll ich dich in der Nähe der Schule absetzen?“, fragte sie mich.
„Ich gehe heute nicht zur Arbeitsgemeinschaft, so wie ich mich fühle“, erwiderte ich. Mein Gefühl schwankte zwischen Lachen und Weinen, so muss meine Stimme geklungen haben.
„Wie jetzt, was fehlt dir denn?“, fragte Viola besorgt.
„Nichts, nur feucht, bestimmt habe ich einen Fleck im Rock. Dass du mein Knie und ein Stück darüber gestreichelt hast, das hat schon gereicht …“ Jetzt neigte ich zum Lachen, mehr Viola, die sogar laut lachte. Sie warf sich im Stuhl zurück. „Chrissy …“, sie schüttelte mehrmals den Kopf.
„Ich rufe Manu an, die soll Bescheid geben, dass bei mir vorzeitig etwas gekommen ist. Da geht es mir am ersten Tag eh gewohnt schlecht.“ Viola sah ein weiteres Mal auf die Uhr. „Dann bleibt uns eine halbe Stunde Zeit. Mein Auto steht in einer Seitenstraße, dort kommen kaum Leute vorbei.“ Sie sagte mir den Namen. „Geh schon voraus, ich bezahle inzwischen.“
Im Auto sorgte sie anschließend für den Rest, mit ihren sanften Händen. Da war Jens schon fast vergessen.
Meine Mutter war bereits zu Hause, als ich mit dem Rad durch die Pforte fuhr. Sie stand am offenen Küchenfenster. „Du schon? Hast du heute nicht Arbeitsgemeinschaft?“, fragte sie erstaunt. Drinnen erzählte ich ihr, dass ich plötzlich einen starken Ausfluss bekommen habe und dass es mir schlecht gehe. Sie sah mich mit zur Seite geneigtem Kopf nachdenklich an.
„Kann es sein, dass …? Soll ich morgen einen Test mitbringen?“, fragte sie besorgt. Ich schüttelte den Kopf. „Ganz sicher nicht, sei unbesorgt“, erwiderte ich, Mühe, ein Lachen zu verkneifen. „Na ja“, sagte sie plötzlich vergnügt. „Bei mir war das damals ähnlich. Nach solch gravierenden Veränderungen, spielen die Hormone am Anfang verrückt.“ Auf dem Tisch stand Kaffee. „Willst du einen?“, fragte sie mich. „Ja“, erwiderte ich. Sie war mir plötzlich so nah, meine Mutter. Ich hätte sie umarmen können.
„Ich gehe nachher rüber in die Praxis, ein Röhrchen holen. Heute Abend machst du einen Abstrich, den schicke ich ins Labor. Nur um sicher zu gehen, dass nichts Ernstes vorliegt.“ Dem konnte ich ohne Bedenken zustimmen. Wir sprachen über die Schule, über die Fortschritte in meinen Problemfächern. Mam schien insgeheim zufrieden zu sein mit meinem neuen „Freund“.
Am Abend und in der Nacht quälte mich ein Wechselbad der Gefühle, ich konnte kaum schlafen. Sollte ich Viola glauben? Schlief sie gerade mit ihrem Freund, trotz ihres Versprechens? Wenn sie Männer liebt, wird sie Lust darauf verspüren, wenn Gelegenheit vorhanden. Alles war plötzlich anders. Diese Flut an Gefühlen, Eifersucht war mir bis dahin fremd, es gab nie einen Grund. Zwischen Mam und Dad erlebte ich so etwas nicht. Wenn die sich stritten, ging es meist um die Praxis.
Der einzige wirkliche Streit den ich je erlebte, der, in welches Gymnasium ich gehen sollte. Meine Mutter plädierte für eine Privatschule, Dad für ein staatliches Gymnasium. Das Elitäre lehne er ab. Ich solle mit den Menschen gemeinsam aufwachsen, die die Mehrheit der Gesellschaft stellen. Der Streit entbrannte vor drei Jahren ein weiteres Mal, nachdem es ein paar Vorfälle mit Drogen an der Schule gab. Ich stand auf Dads Seite. Außerdem wollte ich weiter gemeinsam mit Manu die Schule besuchen.
Andererseits hätte Viola mir genauso gut eine Lügengeschichte auftischen können. Alles was sie sagte, klang grundehrlich. Sie blieb ruhig und gefasst, sie verhielt sich sehr liebevoll, wie sie zu mir sprach. Ihre Zärtlichkeit die paar Minuten, die wir im Auto saßen, ihre weichen Hände. Ich hatte die Welt um uns herum vergessen. Es war mir egal, ob jemand vorbei kommt, ob uns jemand beobachtet in unserer Lust. Wir haben uns gegenseitig in einen dieser sanften Höhepunkte hinein gestreichelt, in einen Flug, flach über dem Boden, den ich stets unter den Füßen verlor, wenn ich Viola nur spürte.
„Sie liebt mich“, sprach ich mehrmals leise vor mich hin. „Du liebst allein mich … Du liebst ihn nicht, diesen Jens …“ Ich warf mich von einer Seite auf die andere. Nicht einmal Lust auf mich selbst kam auf. Violas Hände, ihr weicher Mund fehlten mir, wie sie sich meiner Erregung anpasste, endlos heftiger, endlos befriedigender als das, was ich mir selbst beibringen konnte. Sie will mich nicht verlieren, ihre letzten Worte. „Dann mach doch Schluss mit dem!“ Ich bekam einen Schreck, weil ich die Worte laut ausgesprochen hatte.
Am Dienstagmorgen bat ich meine Mutter, mich in der Schule krank zu melden. Mein Kopf brummte. Zum Glück war Dad schon in der Praxis. Ein Handwerker sollte vor Öffnung irgendetwas reparieren. Das bedeutete keine bohrenden Fragen. Mam sah mich besorgt an. „Vielleicht doch etwas Ernstes“, sagte sie. „Ich werde gleich den Laborboten anrufen und darum bitten, dass die sich sofort darum kümmern.“
Aus dem Schrank holte sie eine Packung. „Ein pflanzliches Schlafmittel, davon nimmst du bitte drei Kapseln“, sagte sie. „Und keinen Kaffee zum Frühstück.“ Sie goss mir einen Tee auf.
Ich schlief wirklich bis Mittag. Normalerweise aßen meine Eltern beide in der Praxis, gemeinsam mit den beiden Angestellten. Dad blieb allein da, Mam erschien mit Pizza. Die schmeckte mir schon wieder. Nach der Schule kam Manu auf einen Sprung vorbei. Sie brachte mir die Aufgaben des Tages. Keine Frage nach meiner „Erkrankung“. Selbst bei solchen Themen hielt Manu sich zurück. Wenn sie ihre „Tage“ hatte war sie stets gereizt. Da musste ich gar nicht erst fragen.
Abendessen, Dad sah mich merkwürdig an, eine Mischung aus heimlichem Grinsen und feinem Spott. „Du bist kerngesund“, sagte er plötzlich, bevor er die Gabel zur Hand nahm. „Das Labor fand keine Hinweise auf eine Erkrankung oder gar Schwangerschaft, dafür Reste einer entzündungslindernden Salbe.“ Nachdenklich schüttelte er den Kopf. An der Hitzewelle, die im selben Moment durch meinen Körper fuhr, bemerkte ich, dass ich wohl dunkelrot angelaufen sein musste.
„Musst du ihm alles erzählen?“, sagte ich verärgert zu Mam.
„Ich habe nichts erzählt. Dein Vater hat den Anruf entgegen genommen, weil ich gerade einen Patienten auf dem Stuhl hatte“, erwiderte sie. Ihr Schmunzeln unterdrückte sie nicht einmal. Sie grinsten sich beide an.
„Mein lieber Schwan, ihr müsst ja ...“, mehr sagte Dad nicht dazu. Danach schaute er zu Mam: „Der Apfel fällt eben nicht weit vom Birnbaum“, sagte er zu ihr. Meine Mutter lachte: „Das hast du völlig richtig angemerkt. Der Apfelbaum bin ich, du der Birnbaum.“ Damit war das Thema abgehakt, wenigstens für diesen Tag.
Mittwoch ging ich wieder zur Schule, das brachte mich auf andere Gedanken, jedenfalls bis zum Abend. Nachdem sich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir geschlossen hatte, ging alles von vorn los. Eine Strafe hatte Viola verdient. Sollte ich die Coole spielen? Sie würde innerlich über mich lachen. Spätestens wenn sie mich in die Arme nähme, würde ich sowieso alles vergessen.
Nein, nach einigem Für und Wider, beschloss ich das völlige Gegenteil. Ich wollte sie noch leidenschaftlicher lieben. Sie sollte den Eindruck bekommen, keinen Mann mehr zu brauchen. Ein unbeschreibliches Gefühl, als ich mit meinen Fingern in ihr war, hatte sie im Café gesagt. Ich wollte ihr hundertmal mehr geben. Selbst mit diesen Bad Words, wenn die ihr gefielen, wenn es sie erregte.
„Ja, ich werde dich ficken, meine geliebte Frau, ficken, so oft du es dir wünschst. Keiner fickt dich jemals besser als ich, schon gar nicht dieser Jens mit seinem kleinen Penis“, sprach ich mehrmals leise vor mich hin. Jens mit seinem kleinen Penis, das entlockte mir ein lautes Lachen, den spürst du doch gar nicht, oder?, dachte ich in meiner Wut über diesen Typen.
In meine Gedanken hinein klingelte mein Handy, Viola: „Wie geht es dir, Chrissy? Alles gut, kommst du morgen?“ Schon als sie die ersten Worte aussprach, fielen mir meine anfänglichen Überlegungen des Abends ein. Die Coole spielen? Was für ein Plan.
„Du warst gestern nicht in der Schule, ich habe mir Sorgen gemacht“, sagte sie leise mit ihrer warmen Stimme. Ich war verblüfft. „Woher weißt du das?“ Sie lachte: „Ich habe eben meine Quellen. Aber frage mich bitte erst gar nicht, welche. Das erfährst du eines Tages, wenn es keine Rolle mehr spielt. Falls es soweit kommen sollte.“
„Nein, alles gut, besser seit ich deine Stimme höre“, erwiderte ich. „Ich habe Montagnacht kaum geschlafen, weil …“
„… Das kann ich verstehen“, unterbrach sie mich. „Ich habe ebenfalls schlecht geschlafen. Jens war übrigens nicht da in dieser Nacht. Der hatte Freunde besucht und einen über den Durst getrunken. Ich habe mehrmals überlegt, ob ich dich nicht anrufen soll.“
„Und warum hast du nicht?“
„Weil ich dir Zeit lassen wollte. Manchmal hilft das, wenn man mit seinen Gedanken allein bleibt.“
„Heute Nacht würde ich gern besser schlafen“, sagte ich zu Viola. „Heute Nacht wirst du viel besser schlafen“, ihre Antwort. „Gerade schläfst du schon mit mir.“
Ich hatte mir ein paar von diesen bösen Worten zurechtgelegt, die mir, wie ich feststellen musste, doch nicht so locker über die Lippen gingen, wie ich es mir vorgenommen hatte. Dennoch schlief ich besser, sehr viel besser.
„Versprich mir bitte zwei Dinge“, sagte sie am Ende, bevor wir die Verbindung trennten. „Wir werden eine Stunde konzentriert üben und du wirst nicht weiter nach Jens fragen. Der kommt erst über die Weihnachtsfeiertage zurück nach Deutschland. Ich werde sicher hin und wieder mit ihm telefonieren. Er will öfter wissen, was hier gerade los ist und wie es mir geht. Mehr nicht, hörst du?“
Ich befand mich in meinem zweiten Rauschzustand, der gerade am Abklingen war. „Ja, ich verspreche dir alles was du willst“, erwiderte ich, bevor Viola den roten Knopf drückte.
Ein verregneter Donnerstag, ich war mit dem Bus zur Schule gefahren. Pünktlich fünfzehn Uhr klingelte ich an Violas Haustür. Sie trug wieder einen ihrer obligatorischen Ponchos, wovon sie tatsächlich eine ganze Kollektion zu besitzen schien. Nachdem sie die Tür geschlossen hatte, umarmten wir uns lange. „Küssen verboten!“, sagte sie vergnügt, nachdem ich ihre weichen Lippen suchte. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Es fiel mir schwer.
Während des üblichen Kaffeeklatschs auf der Couch, bekam ich meinen ersehnten Kuss. „Darf ich meine enge Jeans ausziehen?“, hatte ich sie zuvor gefragt. Weil es an dem Tag nicht nur regnete, sondern ziemlich kalt war, zog ich lieber eine Hose an.
„Die hat dich den ganzen Tag nicht gestört, dann wirst du es die nächste Stunde ebenso aushalten können“, erwiderte sie, bevor sie mich in die Arme schloss. Bis zum „Stopp, nicht weiter, sonst …“, da blieb uns schon das erste Mal der Atem weg.
Anschließend berichtete ich unter anderem über ein Lob unseres verhassten Physiklehrers, diesem Kotzbrocken, wie ihn einige nannten, der am Tag davor mit einem nicht zu überhörenden zynischen Unterton meine Fortschritte in seinem Fach bewunderte. Ich versuchte, seine Stimme nachzuahmen: „Die junge Dame hat wohl inzwischen die Notwendigkeit einer gewissen naturwissenschaftlichen Bildung erkannt?“ Viola lachte: „Der Blödmann regte sich ständig über meine Lehrmethoden auf. Der war einer der treibenden Keile, als ich die Schule wechseln musste.“
Die letzten Worte klangen traurig. „Darüber reden wir noch, ich will, dass du die Wahrheit weißt. Heute nicht, später“, sagte sie zu mir. „Vielleicht war das sogar ein Glück, der Schulwechsel?“, fügte sie kurz darauf nachdenklich hinzu. Für mich war das nicht wichtig. Den Gerüchten seinerzeit maß ich kaum Bedeutung bei.
Was meinen Drang nach naturwissenschaftlicher Bildung betraf, tat ich das, um meinen Notendurchschnitt zu verbessern. Zu diesem Zeitpunkt stand für mich bereits fest, dass ich Germanistik, Journalistik oder Sozialwissenschaften studieren wollte, auf jeden Fall die Geisteswissenschaften.
Die Übungsaufgaben löste ich mit nur zwei Fehlern. Viola war sehr zufrieden mit mir. Dass ich mich vorher bereits mit den Themen befasst hatte, verriet ich ihr nicht. Gerade war ich dabei, meine Unterlagen in der Tasche zu verstauen, als sie lässig neben mir an der Tischkante lehnte. Das rechte Bein auf der Stuhlkante, ragte ihr nackter Oberschenkel weit aus dem seitlichen Schlitz heraus.
„Willst du mich ausziehen oder soll ich es selber tun?“, fragte sie mich mit ihrem bezaubernden Lächeln auf den Lippen, bevor sie sich über mich setzte. Während sie mir T-Shirt und Büstenhalter abnahm, streifte ich Jeans und Höschen herunter, anschließend Violas Poncho.
„Hier auf dem Stuhl?“, fragte ich in unseren ersten Kuss hinein. „Ja, hier, hier und überall“, flüsterte sie in mein Ohr, nachdem wir uns ein erstes Mal voneinander lösten. „Warum nicht im Bett?“, fragte ich. Mir fiel mein Plan ein.
„Wir haben Zeit, Chrissy …“ Viola rieb ihren Schoß an meinem Bauch, während wir uns unablässig küssten. Für mich war diese Konstellation nicht besonders bequem, kam ich doch nicht dahin, wo ich überall hin wollte. Als Viola leise zu stöhnen begann, zog sie mich von sich aus zum Bett. Kaum dass wir lagen, glitt ich mit dem Mund in Violas Schoß hinein. Mit zwei Fingern suchte ich nach dem Punkt, den zu berühren ihr dieses unbeschreibliche Gefühl zu verleihen schien, während ich mit dem Mund an ihrer Scham sog. Nach einem kurzen Aufbäumen zog sie mich wieder zurück in ihre Arme.
„Du musst nicht versuchen, den Mann zu spielen. Du bist meine Frau und ich möchte mit dir lieben wie mit einer Frau. Wenn mir gelegentlich nach anderem zumute sein sollte, bringe ich dich schon dahin, wo du mir gut tust“, flüsterte sie mit heiserem Keuchen in mein Ohr.
Jetzt gelangen sie mir, die bösen Worte: „Ich wollte dich lecken und ficken, so lange bis dieser Saft aus deiner … heraus läuft“, raunte ich erregt in ihr Ohr. „Ich will dich ficken wenn du Lust darauf bekommst.“ Viola lachte heiser: „Später mein geliebter Mann, später …“
Dieses Wort ging mir immer öfter über die Lippen, „Ficken“, und je öfter ich es aussprach umso mehr Wirkung zeigte es, meine eigene Erregung betreffend. Viola sprach es in mehreren Klangfarben aus, von weich bis hart, manchmal Englisch, fuck, mal Französisch, baiser, je nachdem, wonach ihr gerade war. Wenn wir uns eng umschlungen aneinander rieben, flüsterten wir es uns manchmal des Öfteren zu, gepaart mit Worten, die unsere Lust beschrieben.
Sie rieb sich an meinem Oberschenkel, mit langsamen, weiten Zügen, während sie mit einer Hand in dieser für mich so berauschenden Art zwischen meinen Brüsten und meinem Schoß unterwegs war. „Später zeige ich dir etwas Schönes, später, wenn wir ganz weit oben ankommen …“, sagte sie mit zitternder Stimme. Ich war bereits ziemlich weit oben, für meine Erfahrung und Verhältnisse.
„Du bist die Frau, ich bin ein Teen, nicht so erfahren wie du“, sagte ich, nachdem sie nachgelassen hatte. Sie bemerkte, wenn sich bei mir etwas regte. Wenn wir uns nicht küssten, sahen wir uns in die Augen. Sie trug wieder dieses sanfte, zufriedene Lächeln.
„Wenn wir uns jetzt beide vor den großen Spiegel stellen, zeige ich dir, wer von uns beiden die Frau ist“, sagte sie wenig später. Viola war bereits ein Stück abgerückt.
Publisher: BookRix GmbH & Co. KG
Publication Date: 05-20-2015
ISBN: 978-3-7368-9578-2
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Dedication:
Chrissys Tagebuch
Mit herzlichem Dank an meine Co-Autorin Julia S., die mir die Vorlage für diese atemberaubende Liebesgeschichte lieferte.
Den Roman widme ich auch Thomas, der nicht den Mut fand, zu seiner Homosexualität zu stehen und mit siebzehn Jahren aus dem Leben schied.