Todessehnsucht!
Heute ist wieder Dienstag, der Tag an dem sich die Freundinnen zum gemeinsamen Schreiben und Lesenachmittag trafen. Dieses mal war das Treffen bei Maren angesagt. Sie besaß eine wunderschöne gemütliche Erdgeschosswohnung, nahe am See und bei solch einen schönen Wetter hatte sie auch alles auf der Terrasse vorbereitet. Die Häppchen und Getränke standen bereit.
Sie war gespannt was die anderen sagen würden was sie sich für den heutigen Nachmittag ausgedacht hatte.
Denn von Anfang an, seit sie diesen Tag ausgemacht hatten, durfte jeweils die Gastgeberin bestimmen, ob vorgelesen werden sollte, sie sich einer Fingerübung stellen mussten oder ob einfach nur über die jeweiligen Romane gesprochen wurde, an denen jede von ihnen arbeitete. Sie alle hatten sich über das Internet kennengelernt, aber ihr gemeinsames Hobby, hatte sie bald dazu gebracht sich einmal im Monat real zu treffen. Jedes Mal bei einer anderen, so blieb auch immer eine gewisse Spannung aufrecht. Noch ein letzter Blick in die Runde, alles in Ordnung die Mädels konnten kommen. Es dauerte auch nicht lange bis sie eintrafen. Nachdem sie es sich gemütlich gemacht hatten, die Häppchen griffbereit, das Glas mit einem Sommerspritzer gefüllt, sahen 5 Augenpaare gespannt auf Maren. „Also was hast du uns anzubieten Maren“, fragte Karin, die ihre Ungeduld kaum noch zügeln konnte. Aber auch Sophie, Lisa, Renate und Mona warteten gespannt was Maren nun vorbrachte.
„Also meine Lieben, nachdem wir ja letzten Monat bei Lisa eine Lesung hatten, habe ich mir für heute etwas ganz besonderes ausgedacht.
Ihr seht ich habe für alle ein Heft und einen Schreiber bereit gelegt. Ihr sollt heute eine kleine Geschichte schreiben, zu dem Thema:
Was wäre wenn............... ?
Und zwar ohne lange zu überlegen. Es ist egal wie lange oder wie viel ihr schreibt.“ Sie lachte und sagte: „Keine Angst ich mache auch mit.
Und dann werden wir sehen, was uns in 3 Stunden eingefallen ist und welche Geschichten jede von uns zusammengebracht hat.. Das Thema dürfte ja relativ viel Spielraum lassen. Also Mädels, stoßen wir an und machen uns an die Arbeit.“
„Wer will kann auch mit anderen gemeinsam schreiben, oder sich von anderen inspirieren lassen, ganz so wie ihr wollt“.
Und so fingen sie an zu schreiben. Sie alle ließen sich gefangen nehmen und hatten bald die anderen vergessen und so war es nicht verwunderlich, als sie die Stimme von Maren überraschte.
„ So meine Lieben, die Zeit ist um. Schreibt euren Satz zu Ende und dann ist Schluss.“
Jetzt kommt erst mal der gemütliche Teil. Ich hoffe doch, ihr wollt alle noch einen Kaffee und den Schokoladenkuchen, ich habe ihn extra noch selbst gemacht. Danach lesen wir unsere Geschichten vor.
Also wer will anfangen?“
Ein Lachen kam auf, und Renate meinte glucksend. „Du, Maren hast uns das ganze eingebrockt, also wirst du auch die erste Geschichte vorlesen.“ Die anderen klatschten und zeigten so ihre Zustimmung. „Okay erklärte sich Maren einverstanden, das ist nur fair, wenn ich euch schon so überrumpelt habe. Dann hört mal zu.“
Der Spielplatz am Rande des Dorfes, war voll mit Kindern, man hörte sie lachen und jubeln und man sah ihnen den Spaß an den sie hatten. Aber dies war ja kein Wunder, an einem so schönen Tag. Die Sonne strahlte vom Himmel, kein Wölkchen war zu sehen. Die Mütter, hatten es sich meist am Rande etwas gemütlich gemacht und man redete über dies und das. Doch den meisten Gesprächsstoff bildeten wohl ihre Kinder. So mancher Blick glitt aber auch zu der jungen Frau am
anderen Ende des Spielplatzes wo niemand sonst sich aufhielt. Dort hatte eine junge Frau auf einer Bank Platz genommen, Das diese junge Frau traurig und verhärmt aussah, konnte man auf diese Distanz aber nicht wahrnehmen. Und keine der anderen Frauen dachte auch nur daran sich zu ihr zu setzen oder gar sie in die Gruppe einzuladen. Ihre Kleidung war alles andere als modisch und auch ihre Schuhe sahen schon arg mitgenommen aus. Mit Tränen in den Augen sah sie den spielenden Kindern zu.
Nie würde sie ihr Kind so fröhlich spielend sehen, nie erleben, wie es war `es in den Armen zu halten und die Wärme ihres Kindes zu spüren`. Die Tränen rollten immer schneller über ihre Wangen und sie merkte es nicht. Ihre Gedanken waren in diesem Moment ganz woanders, die spielenden Kinder nahm sie nicht mehr war.
Noch immer nahm keine der anderen Frauen Notiz von der jungen Frau. (Oder wollten sie, sie einfach nicht sehen?) Möglicherweise kannten sie die junge Frau auch nicht und beachteten sie deshalb nicht.
So langsam leerte sich der Spielplatz.
Auch die junge Frau erhob sich und erst jetzt sah man, dass sie hochschwanger war, dies konnte auch das weite graue Kleid nicht mehr verdecken. Schwerfällig, und ohne ein Ziel ging sie einfach los. Sie kannte sich aus und trotzdem wusste sie nicht wohin ihr Weg führen sollte.
Nachdem ihr Freund sie auch in dieser Nacht wieder verprügelt und ihr wegen der Schwangerschaft Vorwürfe gemacht hatte, weil er diesen Bastard wie er ihn nannte nicht wollte, hatte sie allen Mut zusammengenommen und verließ die gemeinsame Wohnung. Seine letzten Worte hallten noch immer in ihren Ohren.
- Höhnisch hatte er ihr hinterhergerufen, am besten wäre es du kämst gar nicht wieder! -
Doch wohin und an wen sollte sie sich noch wenden? Zu ihren Eltern konnte und durfte sie nicht. Sie hatten ihr klar zu verstehen gegeben, wenn sie bei Jack bliebe, hätten sie keine Tochter mehr. Freundinnen hatte sie ebenfalls keine mehr. Diesen Umgang hatte ihr Freund bald nachdem sie zu ihm gezogen war zunichte gemacht, nachdem er alle ihre Freundinnen rausgeworfen hatte, als diese mal bei einer gemütlichen Kaffeerunde zu Besuch waren.
Damals konnte sie noch lachen und fröhlich sein. Doch dies hielt nicht mehr lange an.
Den seit diesem Nachmittag wurden die Besuche der Freundinnen immer seltener, bis sie schließlich ganz aufhörten. Zu dieser Zeit boten ihr auch ihre Eltern noch an, sie solle doch zurückkommen, den dieser Jack sei nicht der richtige Umgang für sie. Hätte sie doch bloß auf sie gehört. Jetzt erst wurde ihr bewusst, wie recht sie hatten mit ihren Bedenken.
Aber damals, (war es wirklich erst ein Jahr her?) jung verblendet und so verliebt wie sie war, verwarf sie alle gut gemeinten Ratschläge der Eltern und Freunde. Sie war überzeugt, ihre Liebe sei groß genug alle Hindernisse zu überwinden. Sie - brauchte weder Familie noch Freunde.
Ein großer Irrtum wie sich bald danach herausstellen sollte!
Jung war sie noch immer noch, ein Jahr erst war vergangen, seit damals, als sie sich allen zum Trotz für Jack entschieden hatte, doch keiner würde in ihr noch das junge übermütige und wunderschöne Mädchen wiedererkennen das sie gewesen war.
Damals - als ihr noch alle Wege offen standen, hatte sie den falschen Weg gewählt, den sie nun bitter bereute. Doch jetzt war es zu spät.
In langen schlaflosen Nächten hatte sie immer wieder darüber nachgedacht, was aus ihr und ihrem Kind werden sollte. Lange Zeit rang sie mit sich. Doch nun nachdem sie ihren Entschluss gefasst hatte, würde sie ihn auch umsetzen. Vielleicht, - wenn jemand sie wahrgenommen, mit ihr gesprochen hätte, - möglicherweise, wäre sie in ihren Entschluss noch einmal wankend geworden.
Jetzt wurde auch ihr Gang wieder fester und sie lenkte ihre Schritte geradewegs zum naheliegenden See. In ihr war jetzt eine Ruhe eingekehrt die sie in den letzten Monaten so schmerzlich vermisste. Sie ging zum Anlegesteg und mietete sich ein kleines Ruderboot. Der Bootsvermieter sah sie an und versuchte ihr die Bootsfahrt auszureden, in diesem Zustand sei dies doch wohl schon zu gefährlich und anstrengend. Was wäre, wenn draußen auf dem See die Wehen einsetzten? Die junge Frau beruhigte ihn und versprach, nicht zu weit hinaus zufahren und auch nicht allzu lange. Außerdem habe sie doch ein Handy bei sich. So konnte sie ihn doch noch überzeugen und er half ihr auch noch ins Boot. Langsam glitt das Boot immer weiter zur Mitte des Sees hinaus. An diesem Tag war sie ganz alleine auf dem spiegelglatten See, aber genau das hatte sie auch gewollt, für das was sie jetzt vorhatte, konnte sie keine Zuschauer gebrauchen.
Für wenige Momente ließ sie die wunderschöne Umgebung, den See in dem sich die untergehende Sonne wieder spiegelte auf sich einwirken. Ein letztes Mal überdachte sie ihren Entschluss. Gab es für sie wirklich keine andere Möglichkeit. Doch sie sah keinen anderen Ausweg mehr. Auch ihren Eltern galt noch ein letzter Gedanke. Aber hatten sie ihr nicht ganz deutlich klar gemacht, dass sie in der Familie keinen Platz mehr hatte. Ob sie überhaupt noch an sie dachten? Sie glaubte es nicht. Und Jack, – auch er würde sie nicht vermissen. - Hatte er sie den überhaupt je geliebt? Oder war alles nur Berechnung gewesen. Den seit die Eltern sie verstoßen hatten, fing er sich an zu verändern. Alles liebenswerte fiel wie eine Maske von ihm ab. Als sie ihm dann auch noch eines Tages von ihrer Schwangerschaft erzählte, wurde er zum ersten Mal gewalttätig. Sein einziger Kommentar: - Mach das Kind weg! - Doch dieses eine Mal widersetzte sie sich ihm. Sie wollte dieses Kind und freute sich darauf. Doch es sollte wohl nicht sein. Die Prügel die sie seither regelmäßig bekam und seine Lieblosigkeit, ließen sie am Ende doch verzweifeln. Wie lange sie jetzt schon hier im Boot saß, wusste sie nicht mehr und es interessierte sie auch nicht.
Sie legte die Ruder weg, die Hände auf den Bauch und sprach in Gedanken noch mit ihrem ungeboren Kind.“ Mein Kleines, ich lasse dich nicht alleine, ich liebe dich und was würde ich nicht alles dafür geben um dich aufwachsen zu sehen. Doch dies ist nun mal nicht möglich, meine Kraft ist aufgebraucht und ich sehe keinen anderen Weg mehr. Verzeih mir mein Kind, vielleicht werden wir in einer besseren Welt aufwachen. Unser Schicksal liegt nun in Gottes Hand.“
Danach lies sie sich einfach rückwärts über den Rand des Bootes ins Wasser fallen. Die Angst vor dem Tod, vor dem ersticken waren von ihr abgefallen. Das einzige woran sie noch denken konnte; `bald mein Kleines, bald sind wir frei`. Sie öffnete den Mund und ließ so das Wasser in ihren Körper strömen. Sie wunderte sich noch, dass sie keine Panik bekam obwohl sie nicht mehr atmen konnte und sich ihre Lungen mit Wasser füllten. Stattdessen umfing sie eine friedliche Stille und sie ließ einfach los.
Dem Bootsvermieter aber ging die junge Frau nicht aus dem Sinn, so traurig wie sie war, würde sie doch keine Dummheit machen. Immer wieder sah er auf die See hinaus und hoffte die junge Frau würde wiederkommen. Doch so genau er den See auch immer wieder absuchte, er sah das Boot nicht mehr. Langsam fing er an sich Sorgen zu machen. Als die junge Frau auch nach ein paar Stunden noch nicht zurückgekommen war, rief er bei der Wasserwacht an. Er fragte an, ob sie nicht nach dem Boot sehen könnten, da er fürchtete es könnte etwas passiert sein. Die junge Frau wollte doch nur eine kurze Bootsfahrt machen.
Lange brauchten sie nicht zu suchen, bis sie das Ruderboot fanden. Aber wo war die Frau.
Sie suchten die Umgebung ab, aber niemand war zu sehen. Zwei der Männer zogen schnell den Taucheranzug an und setzen den Suchvorgang unter Wasser fort. Es dauerte nicht lange bis sie die junge Frau fanden. Sie zogen sie ins Boot und begannen sofort mit der Wiederbelebung. Doch es war zu spät. Und so mancher dachte sich noch, wie verzweifelt muss jemand sein um so dem Leben zu entfliehen. Ode war es doch nur ein ganz normaler Unfall? Das würde ihnen wohl keiner mehr sagen können.
Nachdem Maren zu Ende gelesen hatte, war es erst mal ganz still, die Freundinnen waren alle in Gedanken noch bei der Geschichte. Erst als Maren die Freundinnen aufforderte nun ihre Geschichten vorzutragen, fingen die Mädels wieder an, darüber zu diskutieren wer den nun die nächste Geschichte vortrug. Maren machte dem ein Ende, indem sie einfach Sophie aufforderte, nun endlich anzufangen, schließlich war sie selbst gespannt, was den Freundinnen dazu eingefallen war.
Doch sie hatte die Rechnung ohne die Freundinnen gemacht, den diese waren noch so von der Geschichte gefangen, das keine mehr Lust hatte noch weiter vorzulesen.
Lisa war es dann auch, die aussprach was sie alle nach dieser Geschichte empfanden. "Jede weiter Geschichte wäre heute zuviel."
Wie wäre es wenn ich die anderen Geschichten einsammle und wir sie nächste Woche bei unserem Treffen, bei mir weiterlesen. Diese Idee empfanden auch die anderen als richtig. Da ihnen Marens Geschichte doch noch ein ziemliches Gefühlschaos bereitete.
Es war genau eine Woche später als die Freundinnen sich wieder zum gemensamen Austausch, diesesmal wie abgesprochen, bei Lisa in der Wohnung trafen.
Text: Christine Asen
Cover: Christine Asen
Publication Date: 07-19-2018
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