Aufgeregt liefen die Mädchen durch den Raum und stellten kichernd Schüsseln und Teller auf den kleinen Tisch im halbrunden Erker, der nur durch Stoffbahnen von Innenhof getrennt war. Die großen Türblätter waren beiseite geklappt, so konnte die warme Luft ungehindert in den Raum strömen, nur das grelle Sonnenlicht wurde durch die dünnen Stoffe abgehalten.
Erstaunt sahen die beiden Männer den Mädchen zu. Sie hatten sich an deren ständiges Kichern gewöhnt, die Mädchen schienen geradezu glücklich darüber zu sein, ihre Herrin bedienen zu dürfen. Doch so aufgeregt wie jetzt hatten sie die jungen Frauen noch nicht gesehen, seit sie in diesen barbarischen – und doch erstaunlich feudalen – Palast gebracht worden waren.
Eines der Mädchen bemerkte ihr Erstaunen. „Das Wüstenkind ist in der Stadt. Sie wird bestimmt bald kommen.“
Die Männer hüteten sich nachzufragen, sondern nickten nur. Die Mädchen hatten sich als sehr gute Informationsquellen für sie erwiesen. Sie mussten jedoch tunlichst darauf achten, nicht als Fremde aufzufallen. Würde man erkennen, dass sie nicht leicht schwachsinnig waren – wie bisher angenommen wurde – sondern Fremde von einer anderen Welt, würde man sie sofort und gnadenlos töten.
Die dunkelblonde Kira lachte die Männer an: „Seid ihr dem Wüstenkind schon einmal begegnet?“
Vorsichtig schüttelten beide den Kopf.
„Dann könnt ihr stolz sein, sie jetzt zu sehen.“
„Das alles hier ist für das Wüstenkind?“
Der weißblonde der Männer zeigte auf den Tisch.
„Ja, sie kommt ja nicht oft in den Palast, und meist bleibt sie auch nur wenige Tage.“ Das Mädchen kicherte hemmungslos. „Sie vermisst die Wüste immer schon nach wenigen Stunden. Deshalb versuchen wir, es ihr hier so schön wie möglich zu machen. Und manche Dinge gibt es in der Wüste nun mal nicht.“
Sie zeigte auf die Schalen und Schüsseln. „Sie mag Obst sehr gerne. Wir achten darauf, dass wir immer genug frische Sachen hier haben, damit wir sie ein wenig damit verwöhnen können.“
Es war offensichtlich, dass die Mädchen dieses Wüstenkind hoch achteten und kaum weniger liebten als ihre Herrin.
Wüstenkind! Eine seltsame Bezeichnung, eindeutig kein Name, auch wenn er wie einer benutzt wurde. Also ein Titel? Es gab wenige Titel auf dieser barbarischen Welt, wie die beiden Männer festgestellt hatten.
Die Herrin, die nie mit einem Namen genannt wurde. Sie war die absolute Herrscherin dieser Welt.
Und der Priester, auch er wurde nur mit seinem Titel benannt. Obwohl sie die Religion dieser Welt noch nicht begriffen hatten. Es schien so gut wie keine Rituale zu geben, oder Gebete bzw. Götteranrufungen.
Ansonsten gab es als Titel nur die Führer der einzelnen Sippen und Stämme – und da schien es unzählige zu geben. Diese Führer hatten jedoch Namen und wurden meist auch mit ihnen genannt.
Die Hierarchie dieser Welt jedoch war einfach. Die Führer der Sippen und Stämme standen alle mehr oder minder auf einer Stufe, wenn es auch gewisse Unterschiede gab. Manche Führer waren höher geachtet als andere, meist, weil sie über größere Stämme herrschten. Aber es gab ständig Fehden und Kämpfe unter ihnen, die jedoch nie in größere Kriege ausarteten. Die Unstimmigkeiten wurden immer nur zwischen zwei Sippen ausgetragen, Verbündete und Absprachen wie Unterstützung in Kampfhandlungen gab es nicht.
Und über allen Führern stand die Herrin der Welt, deren Sklaven sie waren. Obwohl die beiden Männer dieses Wort verachteten, wussten sie nur zu gut, dass sie in ihrer Situation nichts dagegen tun konnten. Diese Herrin wurde immer wieder gebeten, in den ständigen Feindseligkeiten zu vermitteln. Und erstaunlicherweise wurden ihre Ratschläge immer angenommen. Durch die Mädchen hatten sie auch erfahren, dass niemals jemand auch nur daran denken würde, der Herrin feindselig entgegenzukommen. Sie war unantastbar.
Und jeder gehorchte ihr bedingungslos. So hatten die Männer keine andere Wahl, als ebenfalls scheinbar willig jeden Befehl auszuführen. Obwohl es – wie sie zugeben mussten – keine große Schwierigkeit war, dieser Herrin zu dienen. Ihr Leben war genau genommen relativ eintönig. Hin und wieder wurde verlangt, dass sie die Herrscherin bedienten. Meist, wenn gerade keines der Mädchen zur Verfügung stand, was nicht oft vorkam.
Abends jedoch bedeutete die Frau sehr oft einem von ihnen, ihr zu folgen und die Nacht mit ihr zu verbringen. Sie hatten beide versucht, dies zu nutzen und Informationen zu bekommen. Doch die Frau war schweigsam. Sie zeigte deutlich, dass sie von ihren Gefangenen nur eines wollte. Und eine Flucht aus dem Palast hatten sie noch nicht gewagt. Die Männer wussten nicht, wohin sie sich wenden sollten. Diese Welt hatte keinen Kontakt zu anderen Welten, und die Technik war viel zu primitiv, um Terra – oder irgendeine andere Welt – erreichen zu können. Oder anders gesagt: Es gab überhaupt keine Technik, nicht einmal das Prinzip der Dampfmaschine war hier bekannt.
Das Wüstenkind übergab das Tier dem Stallknecht und ging über den großen Hof auf das Haupttor des Palastes zu. Die Wachen öffneten die Tür und begrüßten sie respektvoll. Sie nickte ihnen freundlich zu. Innen war es angenehm kühl, trotz der überall offenen Türen. Der Palast war ein Irrgarten aus Sälen, Räumen, Fluren und Innenhöfen. Doch so konzipiert, dass das Licht überall gut ausreichte und die Wärme die Räume angenehm temperierte.
Zielstrebig ging die junge Frau die Treppen und Flure entlang, zu den Privaträumen der Herrin. Immer wieder knieten die Diener und Dienerinnen vor ihr nieder. Freundlich bedeutete sie ihnen, wieder aufzustehen. Längst hatte sie sich an diese Form der Achtungserweisung gewöhnt und störte sich nicht mehr daran.
Sie schlug die Vorhänge zurück, die Perlen und aufgestickten Edelsteine klirrten leise. Wie sie es gewohnt war, warf die junge Frau nur einen kurzen Blick in den Raum, dann kniete sie respektvoll vor der Herrin nieder, die Hände über der Brust gekreuzt, den Blick gesenkt, doch mit offenen Augen.
Das Wüstenkind spürte die Handbewegung mehr als sie sie sah, gleichzeitig empfand sie deutlich die Warnung, die die Herrin ihr sandte. Sie spannte sich an, als sie sich aufrichtete. Weshalb sollte hier im Palast eine Warnung nötig sein? Dann sah sie die beiden Sklaven im hinteren Bereich des Raumes. Einen Atemzug lang konnte sie nicht mehr denken. Das war völlig unmöglich!
Dort standen Atlan von Arkon, Lordadmiral der USO und Perry Rhodan, Großadministrator von Terra – ihr Vater. In Sklavenkleidung. Wie war das möglich? Was sollte sie jetzt machen? Wusste die Herrin, wer diese Männer waren? Dann waren sie in tödlicher Gefahr. Fremde – Fremdweltler, wie alle genannt wurden, die von anderen Welten kamen – wurden ohne Ausnahme getötet. Fast hätte das Wüstenkind den Kopf geschüttelt, als ihr ihre Gedanken bewusst wurden.
Natürlich wusste die Herrin es. Vor der Herrin der Welt gab es kein Geheimnis. Sie hatte das Wüstenkind gewarnt, damit sie sich nicht verriet. Und ebenso natürlich brauchte sie sich keine Sorgen zu machen. Das Denken der Menschen auf dieser Welt war einzigartig. Sie hatte Jahre gebraucht, um zu begreifen, wie viel Vertrauen diese Menschen gaben – und verlangten. Und dass dieses Vertrauen niemals missbraucht oder verraten wurde.
Das Wüstenkind wandte den Blick von ihrem Vater ab und der Herrin zu. Deren ruhiges Gesicht half ihr, ihre Fassung vollends wieder zu erlangen.
„Du hast neue – ‚Spielzeuge‘, scheint mir.“
Die schlanke Frau mit den glatten, schwarzen Haaren nickte. „Ja, ich habe sie vor etwa zwei Monden in den Minen gefunden. Da habe ich auch eine Aufgabe für dich. Die beiden sind eindeutig etwas schwachsinnig. Ich möchte wissen, wer sie in die Minen gebracht hat. Der Minenführer sprach von fremden Händlern. Wer verurteilt Kranke zu den Minen?“
Das Wüstenkind hatte Mühe, nicht ungläubig zu lachen. Schwachsinnig? Im nächsten Moment begriff sie. Auf diese Art und Weise konnten Fehler, die die beiden mit Sicherheit machten, erklärt werden.
„In den Minen?“ Sie sah die Herrin fast entsetzt an. Die Arbeitsbedingungen dort waren grauenhaft. Obwohl gleichzeitig darauf geachtet wurde, dass die Sklaven möglichst lange durchhielten. Ihre Arbeitskraft war das einzige, was sie vom Tod in den Mooren trennte. Wer nicht mehr arbeiten konnte, starb in dem schwarzen, schlammigen Wasser.
„Finde heraus, welche – Sippe dieses Urteil gefällt hat und warum.“
Das Wüstenkind nickte, noch immer wirbelten ihre Gedanken durcheinander. Wie waren Atlan und ihr Vater hierhergekommen? Und warum? Was musste, was konnte sie jetzt machen? Die Antwort war jedoch einfach, wie sie einen Augenblick später erkannte. Im Moment konnte und musste sie gar nichts machen. Hier im Palast waren ihr Vater und Atlan erst einmal sicher. Wenn sie als schwachsinnig galten, würden die Fehler in ihrem Verhalten nicht auffallen. Zumindest würden sie dadurch nicht als Fremdweltler erkannt werden.
Und die Herrin würde niemals von ihr verlangen, dass sie die Menschen verriet, die sie liebte – und denen sie ebenfalls Loyalität schuldete, auch wenn das Wüstenkind sich längst dieser Welt hier zugehörig fühlte. Also würde sie den beiden helfen können. Die Frage war nur – wie? Aber ihr würde schon etwas einfallen.
Sie wurde wieder ruhig. Gelassen sah sie die Frau an, die ihr eine Freundin geworden war. „Ich werde herausfinden, was du wissen willst.“
Das Wüstenkind überlegte. Das letzte Schiff war vor über zwei Monden gelandet. Das passte zeitlich. Wie die meisten war auch dieses beim Start explodiert. Es war erstaunlich, wie oft dieses Risiko eingegangen wurde. Inzwischen musste auf den meisten Welten bekannt sein, dass es fast immer Selbstmord war, hier eine Landung zu riskieren.
War es ein terranisches Schiff gewesen? Seit sie auf dieser Welt war, war kein terranisches Schiff hierhergekommen, zumindest keine offiziellen Handels- oder Militärschiffe. Die Schiffe, die bisher gelandet waren, waren entweder von anderen Welten gekommen oder es waren private Schiffseigner gewesen – meist Prospektoren, die Bodenschätze suchten.
Die beiden Männer sahen eine Gestalt eintreten. Die Frau trug ein derbes, sandfarbenes Gewand, das eine Mischung aus einem Mantel und einer Robe war. Ein breiter Gürtel hielt den Stoff zusammen. Darunter schien sie ein helles Blusenhemd zu tragen, eine ebenso helle Hose ragte unter dem Übergewand hervor, die in halbhohen Stiefeln verschwand. Der Kopf war mit einem sandfarbenen Tuch bedeckt, das wie ein langer Schal um den Hals und die untere Gesichtshälfte geschlungen war.
Die Frau kniete – wie jeder Besucher – vor der Herrin nieder. Auf die leichte Handbewegung der Herrin hin, richtete sie sich wieder auf, und jetzt konnten die Männer auch das Gesicht der Frau sehen. Ihnen stockte der Atem. Vor ihnen stand Marian Rhodan, die seit Jahren verschollene Tochter des Großadministrators von Terra.
Perry Rhodan starrte die junge Frau an. Wie kam Marian hierher? Wusste diese Herrscherin, wer das Wüstenkind in Wirklichkeit war? Aber auf dieser Welt wurden Fremde nicht akzeptiert.
Nur ein einziges Mal war es zu einem Kontakt mit den Völkern dieser Welt gekommen. Vor über achtzig Jahren hatte der damalige Herrscher der Welt einen Botschafter empfangen und wieder gehen lassen. Mit einer eindeutigen Botschaft: „Wir akzeptieren keinen Kontakt mit Fremden. Ab sofort wird jeder Fremde getötet, gleichgültig aus welchem Grund er kommt.“ Kurz danach hatte Terra diese Welt zu einer verbotenen erklärt. Kein Schiff durfte diese Welt anfliegen. Was aber nicht hieß, dass alle anderen Völker sich auch an dieses Verbot hielten.
Wie kam Marian auf eine verbotene Welt? Perry hatte seit zehn Jahren nichts mehr von ihr gehört. Sie hatte sich schon als Kind kaum damit abfinden können, die Tochter des Großadministrators zu sein. Je älter sie geworden war, desto mehr hatte sie diese Art zu leben abgelehnt. Schließlich hatte seine Tochter sich entschieden, irgendwo ein neues Leben anzufangen, mit einer anderen Identität. Perry Rhodan hatte dies akzeptiert, da er deutlich erkannt hatte, wie sehr sie unter den Gegebenheiten litt.
Perry blickte seine Tochter mit zusammengebissenen Zähnen an. Nur ganz kurz hatte er in ihren Augen den Schreck gesehen, als sie ihn und Atlan erblickt hatte. Doch jetzt schien sie wieder absolut ruhig zu sein, gleichgültig wandte sie den Blick von ihnen ab. Konnte – würde Marian ihnen helfen, von dieser barbarischen Welt wieder wegzukommen? Oder waren ihr Terra und die Menschheit gleichgültig geworden?
Ohne die Sklaven noch weiter zu beachten, trat das Wüstenkind auf den Tisch zu, ihre Augen begannen fröhlich zu leuchten, als sie den Deckel der ersten Schüssel abhob.
„Kalrinen.“
Sie machte Anstalten, sich zu setzen. Die Herrin warf ihr einen warnenden Blick zu: „Untersteh dich, dich auf den Fußboden zu setzen. Das kannst du in der Wüste machen. Hier benimmst du dich wie ein zivilisierter Mensch.“
Sie deutete auf ein niedriges Polster. Das Wüstenkind lachte auf, setzte sich aber gehorsam auf das weiche Sitzmöbel.
„Ich möchte wirklich wissen, was am Fußboden so schrecklich sein soll. Aber ich bin ja schon brav.“
Sie schob sich die Obststreifen in den Mund und kaute genießerisch. „Hmm. Deine Mädchen wissen, was gut ist.“
„Sie wissen, wie sie dich bei Laune halten können“, lachte die Frau. „Doch jetzt berichte. Du hast versucht, etwas über die Fremdschiffe herauszubekommen. Warum versuchen in letzter Zeit so viele, hier zu landen? Sie müssen doch wissen, dass sie nicht mehr starten können, dass ihre Schiffe dann zerstört werden.“
Das Wüstenkind zögerte nur kurz, ehe sie nickte. Gut, hier und jetzt konnte sie es nicht wagen, ausführlicher über ihren Vater und Atlan zu reden. Es würde sich eine Möglichkeit finden.
„Seit zwei Jahren versuchen die Fremdweltler immer, im selben Gebiet zu landen.“
„In den Bergen, ja. Vermutlich glauben sie, sich dort besser verstecken zu können.“
„Ich fürchte, das ist nicht der Grund.“ Das Wüstenkind war sich sogar sicher. Sie hatte das ganze Gebiet abgesucht. „Sie suchen Reichtum.“
„Was meinst du damit?“
„Rohstoffe. Es gibt bei uns gewisse Rohstoffe, die sie brauchen. Sie sind wertvoll – für die Fremdweltler.“ Sie zögerte kurz, sprach dann jedoch weiter. „So wertvoll, dass sie dafür auch töten. Wenn sie eindeutig wissen, was sie hier finden können, werden sie uns vernichten.“
Die Herrin der Welt sah die junge Frau erschrocken an, dann schüttelte sie den Kopf.
„Das gelingt ihnen nicht. Die Geister schützen uns.“
Das Wüstenkind schüttelte ebenfalls den Kopf. „Die Schiffe können landen. Das genügt. Sie brauchen nicht selbst zu kommen, wie bisher. Es genügt, wenn sie ein Schiff ohne Besatzung hierherschicken. Es landet und öffnet das Schiff. Es gibt viele Möglichkeiten, ein Volk zu vernichten. Gift, Krankheiten. Sie können diese Dinge mit einem oder mehreren Schiffen schicken.“
Entsetzt sah die Herrin sie an. „Die Fremdweltler bezeichnen uns als Barbaren. Ist ein solches Verhalten denn in ihren Augen zivilisiert?“
Das Wüstenkind lachte bitter auf. „Für Macht, Reichtum und Einfluss machen sie sehr viel. Und die Vernichtung eines Barbarenvolkes ist in ihren Augen nur ein geringer Preis dafür. Sie werden dafür sorgen, dass niemand eindeutig nachvollziehen kann, wer für unsere Vernichtung verantwortlich ist. Das genügt ihnen.“
Die Herrin war fassungslos. „Es reicht ihnen, dass ein Massenmord ihnen nicht nachgewiesen werden kann? Wie denken diese Menschen?“
Sie sah das Wüstenkind nachdenklich an. Sie wusste, dass diese Frau sich mit manchen Verhältnissen ihrer neuen Heimat schwergetan hatte. Doch niemals hatte sie in einer derart schrecklichen Art gedacht. „Denken denn alle Fremdweltler so?“
Das Wüstenkind wandte den Blick ab. Sie stand auf und starrte in den Hof hinaus. Einen Moment blieb sie still. Dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Nicht alle. Aber einige denken so.“ Wieder zögerte sie, es fiel ihr schwer weiterzusprechen. Doch sie war seit Jahren gewöhnt, absolut ehrlich zu dieser Frau zu sein. „Doch selbst diejenigen, die nicht zu einem Verbrechen bereit sind, würden sehr viel versuchen, um auf unserer Welt Fuß zu fassen.“
„Gegen unseren Willen?“
Das Wüstenkind sah die Herrin nachdenklich an. „Nein, das nicht. Aber sie würden alles daransetzen, uns umzustimmen. Mit Lockmitteln und Versprechungen. Wenn es sein muss auch, in dem sie einzelne Führer ansprechen und bestechen.“ Sie presste die Lippen aufeinander. „Ich lasse nicht zu, dass diese Welt eine Kolonie wird. Sie würden – ohne es auch nur zu bemerken – unser Volk zerstören. Sie denken zu verschieden von uns.“ Das letzte kam sehr leise.
„Dann werden wir uns besser schützen müssen. Ich werde mir überlegen, wie das geschehen kann. Die Geister werden uns helfen.“
Das Wüstenkind nickte. Sie blickte auf, als die Herrin ihr eine Hand auf die Schulter legte.
„Mach dir nicht zu viele Sorgen. Es ist meine Aufgabe, eine Lösung zu finden. Und ich werde eine finden.“
Das Wüstenkind blickte ihr eine Weile in die Augen und fühlte – wieder einmal – die unglaubliche Kraft dieser Frau. Langsam glättete sich ihre Stirn. Sie lächelte leicht. Immer wieder fiel sie in die alten Gewohnheiten zurück und zweifelte. Dabei sollte sie die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Herrin der Welt inzwischen gut genug kennen.
Sie ging zum Tisch zurück und ließ sich – ganz bewusst – das Essen schmecken. Hoffend, dass sich die restliche Unruhe in ihr damit legen würde. Als sie das verständnisvolle Lächeln der Herrscherin sah, verzog das Wüstenkind leicht das Gesicht. Diese Frau spürte aber auch alles.
Sie knurrte: „Ich gehe reiten. Ich brauche frische Luft.“
Die Herrin lachte auf. „Als ob es die hier nicht gäbe. Aber reite nur, Wüstenkind. In Mauern wirst du dich wohl immer eingesperrt fühlen.“ Sie lächelte, wissend wie die junge Frau gleich reagieren würde. „Heute Abend wirst du zu mir kommen.“
„Mh.“ Das Wüstenkind blickte nicht einmal auf, steckte sich das letzte Obst in den Mund und stand auf.
„Etwas mehr Begeisterung wäre durchaus nicht schlecht, wenn deine Herrin dich wählt. Auch wenn du dein Verlangen besser im Griff hast, weil du meist in der Wüste lebst.“
„Noch mehr Begeisterung?“ Der Sarkasmus war unüberhörbar, doch das Wüstenkind lächelte dabei. „Wozu hast du deine Spielzeuge? Langweilen sie dich etwa schon?“, fügte sie grinsend hinzu.
„Im Gegenteil“, konterte die Herrscherin. „Sie sind äußerst amüsant.“
Sie machte Anstalten weiterzusprechen, doch das Wüstenkind hob hastig in bittender Gebärde die Hände. „Erspar mir bitte die Einzelheiten“, stieß sie hervor und zog eine Grimasse, als die andere Frau lachte.
Während das Wüstenkind zu den Ställen ging, grinste sie vor sich hin. Sie hatte nicht das geringste Verlangen danach, mit irgendjemandem zu schlafen. Doch sie wusste nur zu gut, dass sich das in wenigen Tagen ändern würde. Wenn sie in der Wüste war, lebte sie überwiegend vom Sand, etwas das kein anderer Mensch konnte. Sand ersetzte ihr jegliche Nahrung, selbst das Wasser – und schmeckte ihr auch noch. Doch außerhalb der Wüste trank sie natürlich auch wieder Wasser. Und das Wasser dieser Welt enthielt unter anderem ein starkes Aphrodisiakum, was dazu führte, dass alle Menschen ein extrem starkes, sexuelles Verlangen verspürten.
Perry Rhodan hatte aufmerksam zugehört. Seine Tochter hatte offensichtlich keine besonders gute Meinung von ihrer Heimatwelt. Doch betrachtete sie Terra noch als ihre Heimat? Sie sprach von ‚ihrem Volk‘. Und so offen wie sie sprach, wusste diese Herrin, dass sie von einer anderen Welt kam – also eine Fremdweltlerin war. Er zuckte leicht zusammen, als Marian ihn und Atlan so lässig als ‘Spielzeuge‘ bezeichnete. Es schien sie nicht zu stören, dass Atlan und er hier als Sklaven behandelt wurden. Hatte er seine Tochter schon verloren? So wie vor langer Zeit seinen Sohn, der sich gegen ihn gestellt hatte und zu einem erbarmungslosen Feind geworden war?
Atlan zog Perry unauffällig zurück in den kleinen Raum, der ihnen als Schlafzimmer diente. Nur hier konnten sie, wenn sie leise sprachen, sicher sein, dass keiner zuhörte.
„Sie muss ihre Rolle spielen. Diese Herrscherin mag die Wahrheit über sie kennen, doch vermutlich sonst keiner. Marian kennt die Regeln dieser Welt mit Sicherheit weitaus besser als wir. Hör auf, dir ständig selbst Zweifel einzureden.“
Er kannte den Freund nur zu gut. Perry Rhodan hatte nie aufgehört, sich die Schuld zu geben, dass seine Tochter Terra verlassen hatte. Und jetzt kamen die Zweifel hinzu, ob sie sich nicht nur von Terra, sondern auch von ihm selbst losgesagt hatte und sich gegen ihn stellen würde.
„Sie scheint sich dieser Welt sehr gut angepasst zu haben.“
„Du kennst ihre Gründe nicht. Und du weißt nicht, inwieweit sie keine andere Wahl hat. Du vergisst, dass sie uns nicht kennen darf. Wenn diese Herrin erfährt, wer wir sind, sterben wir. Sie muss also alles vermeiden, was irgendeinen Verdacht wecken könnte. Sie wird es nicht wagen, uns ein Zeichen zu geben, wenn sie nicht sicher sein kann, dass es niemandem auffällt.“
Perry Rhodan nickte. Das stimmte natürlich.
„Deine Tochter ist eine kluge Frau. Sie hatte keine Ahnung von unserer Anwesenheit. Das war deutlich zu sehen. Lass ihr ein wenig Zeit. Sie wird sich erst überlegen müssen, wie sie uns helfen kann. Und wie sie unauffällig Kontakt mit uns aufnehmen kann. Außer den Mädchen spricht uns niemand hier an. Vielleicht darf sie gar nicht offen mit uns reden.“
Atlan hatte nicht Unrecht. Selbst wenn sie – was selten vorkam – aus diesen Räumen herauskamen, wurden sie von niemandem beachtet. Die Wachen sahen geflissentlich über sie hinweg. Sie waren die persönlichen Sklaven der Herrin, damit waren sie für alle anderen tabu.
Am nächsten Morgen säuberten die beiden Sklaven gerade den Hof, als die Mädchen kichernd mit einer dampfenden Schale den Wohnraum betraten.
„Das könnt ihr gleich wieder mitnehmen, das Wüstenkind ist nicht hier.“
Die Männer horchten auf.
„Oh.“ Die Mädchen blickten enttäuscht auf ihre Herrin.
„Sie ist mit Sonnenaufgang fortgeritten. Aber ihr braucht nicht so enttäuscht zu schauen. Sie wird in wenigen Tagen wiederkommen.“
Sogleich lächelten die Dienerinnen wieder. „Dann können wir ihr das Sepasch doch noch geben. Sie mag es doch so gerne.“
Es dauerte zehn Tage, bis das Wüstenkind wieder im Palast auftauchte. Nur wenige wussten, dass die junge Frau sich vorher mit der Herrin am Rand der Wüste getroffen hatte. Und niemand kannte den Inhalt ihres Gespräches.
„Du bist nicht so zufrieden, wie du gerne wärst.“
„Nein, die Form des Schiffes ist nicht bekannt. Aber dennoch bin ich mir ziemlich sicher, dass es kein terranisches Schiff war.“
Das Wüstenkind war froh darüber. Abgesehen davon, dass die Besatzung bei der Explosion getötet worden war, es wäre eine Enttäuschung gewesen, wenn ihr Vater bewusst eine verbotene Welt angeflogen hätte.
Sie berichtete weiter: „Die angeblichen Händler waren Fremdweltler. Und Vater und Atlan waren eindeutig ihre Gefangenen. Das heißt, sie sind nicht freiwillig hierhergekommen. Sie wurden dazu gezwungen.“
„Das macht es mir leichter, ihnen zu helfen. Du wirst von ihnen selbst alles andere erfahren können.“
„Du weißt, dass ich nicht mit ihnen reden kann. So gerne ich es möchte.“
Die Herrin lächelte. „Ich habe mir etwas ausgedacht.“ Sie blickte das Wüstenkind auffordernd an. „Du machst dir über noch etwas Sorgen.“
„Ich möchte wissen, woher die Fremden so viel über uns wissen. Oberflächliche Dinge können sie über Sonden erfahren. Und vielleicht konnten einige auch über Funk Berichte über uns weitergeben. Aber woher wussten sie von den Minen, und dass dort Gefangene arbeiten?“
Die Herrin überlegte. Die Fremdweltler waren eine nicht überschaubare Gefahr für ihre Welt, und ihre Fähigkeiten halfen ihr bei diesen seltsamen Menschen leider kaum. Sie konnte das Verhalten der Fremden längst nicht so gut einschätzen, wie das ihres Volkes. Hier war sie auf die Kenntnisse des Wüstenkindes angewiesen. Die Herrin war immer wieder dankbar dafür, dass die Geister genau dieses Wüstenkind ausgesucht und zu ihr geführt hatten. Sie lächelte innerlich bei diesem Gedanken. Das Wüstenkind hatte andere Vermutungen über die Gründe ihres Hierseins, wie sie wusste. Diese glaubte nicht daran, dass die Geister der Welt gezielt für die Entstehung eines Wüstenkindes mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten verantwortlich waren.
Die Herrin spürte, wie intensiv sich das Wüstenkind mit den Fremdweltlern beschäftigte. Obwohl sie keine direkten Gedanken lesen konnte, war die Verbindung zum Wüstenkind stark genug, um die Richtung ihrer Überlegungen zu erkennen. Die Herrscherin sah die junge Freundin verblüfft an: „Das glaube ich nicht. Niemand würde den Fremden absichtlich Informationen geben.“
„Nicht absichtlich. Doch sie können es durchaus geschafft haben, sich gut genug zu verstellen, um Informationen zu bekommen. Wenn sie diese über Funk weitergegeben haben ...“
Das Wüstenkind schauderte innerlich. Das würde bedeuten, dass diejenigen bewusst ihren Tod in Kauf genommen hatten. Doch anders gesehen, auch die gewissenlosen Prospektoren, die hin und wieder kamen, um hier nach Bodenschätzen zu suchen, kannten das Risiko. In jedem Sternenkatalog war verzeichnet, dass diese Welt zu den verbotenen gehörte und welches Risiko mit einer Landung verbunden war.
„Wie kann ich mit Vater reden?“
Die Herrin erklärte ihr ihre Idee und obwohl das Wüstenkind so einige Bedenken hatte, stimmte sie schließlich zu. Es war immerhin eine Möglichkeit, mit den Gefangenen Kontakt aufzunehmen.
Das Wüstenkind hatte es sich auf den Polstern gemütlich gemacht, als die Mädchen einen Besucher meldeten.
„Der Priester wünscht die Herrin zu sprechen.“
Sie stand hastig auf. „Ich verschwinde.“
„Du bleibst.“
Das Wüstenkind sah die Herrin frustriert an, gehorchte aber grummelnd.
Der Ankömmling war mittelgroß, mit aschblonden Haaren. In seinem bleichen Gesicht stachen die dunklen Augen unangenehm hervor. Er kniete respektvoll vor der Herrin nieder. Als er sich wieder aufrichtete, fiel sein Blick auf das Wüstenkind. Seine ohnehin schmalen Lippen pressten sich aufeinander, so dass sie kaum noch zu erkennen waren. Leicht neigte der Priester den Kopf zum Gruß, gerade so weit, dass es noch nicht unhöflich war. Nur seine Augen begannen begehrlich zu glitzern. Ihr Körper mochte in dem Wüstengewand kaum zu erkennen sein, doch er wusste genau, wie delikat gerundet diese Frau war, und wie seidig ihre Haut schimmerte.
Das Wüstenkind erwiderte den Gruß ebenso leicht – und ebenso widerwillig.
„Ich hörte, dass das Wüstenkind wieder in der Stadt ist“, wandte der Priester sich an die Herrin. „Es wäre für das Volk sehr erfreulich, wenn sie endlich einmal in den Tempel käme. Und den Geistern würde es sicherlich ebenfalls gefallen.“
Das Wüstenkind fauchte: „Den Geistern ist es völlig egal, wo ich bin. Und dein Tempel ist überflüssig und unnütz.“
„Er ist ein ansprechender Rahmen für das Volk, um sich mit den Geistern zu verbinden.“
„Dazu braucht es keinen Rahmen, ob ansprechend oder nicht.“
„Ruhe, ihr beiden.“ Die Herrin blickte beide warnend an. Und beide bissen die Zähne zusammen, blickten sich weiterhin wütend an, schwiegen aber.
„Dem Volk gefällt es, sich im Tempel zu versammeln – den meisten jedenfalls. Also ist er nicht unnütz. Das weißt du genau.“
Dann wandte die Herrscherin sich dem Priester zu, der hämisch der Strafpredigt zugehört hatte. „Und du akzeptiere, dass das Wüstenkind nicht in den Tempel kommt. Es ist nicht notwendig, und das Volk weiß das auch. Niemand wird gezwungen, dorthin zu gehen.“
Das Wüstenkind überkreuzte voller Genugtuung die Arme vor der Brust, ließ sie auf einen Blick der Herrin jedoch sofort wieder sinken.
„Selbstverständlich, Herrin“, beeilte sich der Priester zu sagen. „Doch da du selbst den Tempel besuchst, wäre es nur gut …“ Er brach eilig ab, als er die abweisende Miene seiner Herrscherin sah.
„Aber es ist gut, dass du gekommen bist“, wechselte die Herrin das Thema. „Ich denke schon eine Weile darüber nach, dass es an der Zeit ist, dem Wüstenkind meine Dankbarkeit für ihre Hilfe zu zeigen.“
Sie ignorierte den immer steinerner werdenden Ausdruck im Gesicht des Priesters. „Es soll auch für das Volk ein deutliches Zeichen sein, wie sehr ich das Wüstenkind schätze. Du wirst dies den Menschen, die in den Tempel kommen, mitteilen.“
Fast knirschte der Mann mit den Zähnen. Das Wüstenkind sah derweil überrascht zu der Herrin.
„Ich wähle dich gerne für mein Bett und alle wissen dies. Doch ich denke, es ist möglich, dir meine Wertschätzung noch deutlicher zu zeigen. Du sollst dich heute Nacht mit einem meiner Sklaven amüsieren.“
Niemand beachtete die beiden Sklaven, die die beiden Frauen entsetzt anstarrten. Das Wüstenkind riss die Augen auf, schluckte krampfhaft und unterdrückte mit Mühe ein entsetztes Keuchen.
„Deine Sklaven sind für jeden tabu, Herrin.“ Ihre Stimme war heiser.
Der Priester hatte schon deutliche Abwehr markiert, bevor er begriff, dass das Wüstenkind von dieser ‚Ehre‘ überhaupt nicht begeistert war. Er schluckte eine unwillige Bemerkung hinunter und beobachtete stumm das Wüstenkind.
Die Herrin lächelte hoheitsvoll: „Nicht für dich, Wüstenkind. Du bist, seit du aus der Wüste kamst, eine treue Hilfe für mich. Dieses Tabu soll für dich aufgehoben sein.“
„Herrin!“
Doch diese sprach ungerührt weiter: „Natürlich sollst du heute nicht in deinem Schlafraum nächtigen. Dies ist eine besondere Ehre, und so soll es auch gehandhabt werden. Suche dir einen geeigneten Raum dafür aus.“
Das Wüstenkind flehte fast: „Herrin, diese Ehre ist schmeichelhaft. Doch unnötig.“
Sie wurde von der energischen Handbewegung der Herrscherin unterbrochen. „Dies ist meine Entscheidung. Du wirst diese Ehre annehmen und dir einen der Sklaven aussuchen.“
Ihr Blick wurde zwingend. Das Wüstenkind sah ihr sekundenlang starr in die Augen, bis ihr Widerstand gebrochen war. Langsam ließ sie sich auf die Knie nieder und signalisierte damit, dass sie gehorchen würde.
Der Priester sah dies mit hämischer Genugtuung. Obwohl es ihm durchaus nicht gefiel, dass das Wüstenkind diese Ehre bekam. Dass sie förmlich dazu gezwungen wurde, war für ihn jedoch Labsal. Jedermann wusste, dass sie es vorzog, alleine zu schlafen – im Gegensatz zu allen anderen Menschen. Noch mehr hätte es ihm gefallen, wenn er derjenige gewesen wäre, doch das konnte er nicht verlangen – leider.
Während das Wüstenkind sich langsam wieder erhob und mit abwesendem Blick auf den Polstern niederließ, wandte die Herrin sich wieder dem Priester zu. „Du wirst dies den Menschen berichten. Jeder soll wissen, dass das Wüstenkind die höchste Achtung verdient.“
Noch immer beachtete keiner von ihnen die Männer, die sich so weit wie möglich zurückgezogen hatten. Das Wüstenkind vermied es geflissentlich, zu ihnen zu sehen. Sie wusste genau, wie schockiert die beiden jetzt sein mussten.
Nachdem der Priester gegangen war, sah die Herrscherin kopfschüttelnd auf das Wüstenkind: „Musstest du derart viel Widerstand leisten? Du weißt genau, dass ich diesen Blick bei dir nicht gerne einsetze.“
Grinsend sah das Wüstenkind sie an. „Aber es war doch eine solche Labsal für den Dummkopf. Hast du gesehen, wie er fast geschnurrt hat, weil du auch bei mir keinen Widerstand duldest?“
„Und du bist natürlich jederzeit bereit, anderen eine Freude zu machen.“
„Aber sicher doch.“ Die junge Frau lachte herzhaft.
„Ich denke mal, du wirst dir einen Raum ohne Fenster aussuchen. So kann der Priester keine neugierigen Ohren und Augen aussenden.“
Das Wüstenkind nickte. „Ich werde deine Mädchen einspannen. Obwohl die vermutlich mindestens ebenso neugierig sind.“
„Oh, nun, damit wirst du gewiss fertig, wie ich dich kenne.“
Das Wüstenkind rief nun eines der Mädchen herbei und diktierte ihm seine Wünsche. Sie erklärte freimütig, dass sie keine Lust habe, die Neugier des Priester zu befriedigen, und dass sie sich auf die Wachsamkeit der Mädchen verlassen würde, damit kein ‚Spion‘ auch nur in die Nähe des Schlafraumes kommen würde. Die Dienerinnen versprachen eifrig, alle ihre Wünsche zu erfüllen.
„Warum wolltest du eigentlich nicht, dass ich einen Namen nenne? Du wirst doch mit Sicherheit Tongar wählen.“ Dies war der Name, den die Herrscherin Perry Rhodan gegeben hatte.
„Pringlar.“ Altans Name.
Als die Herrscherin sie daraufhin verdutzt ansah, knurrte das Wüstenkind: „Ich besitze eine Menge Humor, um auch groteske Situationen zu überstehen. Aber es gibt Grenzen.“
Allein der Gedanke war so absurd, dass sie ihn nicht einmal zu Ende denken konnte. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass ihr Vater mit Atlan flüsterte. Sie wirkten beide erleichtert. Gut, sie hatten also begriffen.
Ihre Herrin war jedoch noch nicht zufrieden. „Deine Grenzen sind manchmal sehr unverständlich. Ich würde sie gerne verstehen.“
Das Wüstenkind zuckte mit den Schultern. „Das ist schwierig. Allein der Gedanke …“, sie schüttelte sich. „Das ist ein absolutes Tabu.“
„Ein Tabu!“ Die Herrin war verblüfft. Deshalb hatte das Wüstenkind so lange gezögert, bis sie sich einverstanden erklärte, auf diesem Weg mit den Gefangenen zu sprechen.
„Dein Widerstand war nicht gespielt. Deshalb habe ich auch keine Täuschung bemerkt.“ Fragend sah die Herrscherin das Wüstenkind an. Diese nickte.
Die Herrin zuckte mit den Schultern: „Nun, die Geister haben die Wüste dazu gebracht, dich zu schaffen. Dann werden sie auch wissen, weshalb du manchmal so seltsam denkst.“
Seltsam! Es fragte sich, wer seltsam dachte … Allerdings wusste das Wüstenkind genau, dass niemand auf dieser Welt ihre Art zu denken verstehen konnte. Für die Menschen hier war Sexualität etwas so Alltägliches wie Essen und Trinken – und wurde auch genauso offen gehandhabt. Und vor allem in einer Freizügigkeit, die auf Terra – und den meisten andere Welten – schlicht unmöglich war.
Das Wüstenkind hatte ziemlich entsetzt reagiert, als sie zum ersten Mal mit dieser Freizügigkeit konfrontiert worden war. Damals hatte sie eine Weile hier im Palast gelebt und war, unbemerkt von allen anderen Menschen, von der Herrin über die Regeln und Gesetze dieser Welt instruiert worden. Sie hatte von Tag zu Tag ein stärker werdendes Verlangen verspürt, das sie sich nicht hatte erklären konnte. Als dann die Herrscherin sie aufgefordert hatte, mit ihr zu schlafen, hatte das Wüstenkind verblüfft abgelehnt. Sie war – wie sie dachte – sehr offen erzogen worden und hatte keinerlei Vorurteile gegen sexuelle Spielformen. Doch sie zog die heterogene Art vor.
Doch die Herrin hatte ihre Ablehnung nicht akzeptiert. Sie hatte der jungen Frau gutmütig erklärt, dass es nicht nur völlig selbstverständlich sei, Sex mit mehreren Partnern – auch gleichgeschlechtlichen – zu haben, sondern sogar verlangt wurde. Selbst engste Verwandte hatten Sex miteinander und es galt als völlig normal. Und niemand lehnte den Wunsch einer höher gestellten Person nach einer Liebesnacht ab. Ebenso wie es niemand als Zwang ansah, im Gegenteil. Es war eine Ehre, für das Bett gewählt zu werden. Nur ihre eigene körperliche – damals noch unerklärbare – starke, sexuelle Reaktion hatte dem Wüstenkind geholfen, dies zu akzeptieren.
Als es Abend wurde, erklärten die Mädchen kichernd, dass alles bereit wäre. Das Wüstenkind wandte sich Atlan zu: „Komm mit.“ Ohne ihn weiter zu beachten, ging sie voraus über mehrere Gänge bis in einen dunklen Raum. Mehrere Fackeln erhellten ihn einigermaßen. Tageslicht jedoch konnte hier nicht einfallen, außer durch die Tür. Es gab keine weiteren Öffnungen.
„Mach die Tür zu.“
Atlan gehorchte wortlos und sah dann aber schockiert, wie Perrys Tochter begann sich auszuziehen. Marian seufzte, als sie sein Gesicht sah. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass die Mädchen sich nicht irgendeine Ausrede einfallen lassen, um noch mal hier reinzukommen? Leg deine Sachen – sichtbar – über einen Stuhl.“
Sie seufzte noch einmal und fuhr – noch leiser und vorsichtiger – fort: „Verdammt, Atlan, ich bin keine fünfzehn mehr. Stell dich nicht so an. Es gab keine andere Möglichkeit, mit euch reden zu können.“
Endlich nickte er, zog sich aus und schlüpfte unter die Decken. Erleichtert stellte Atlan fest, dass es mehrere Decken gab. Marian kroch ebenfalls ins Bett.
„Und rede bitte leise. Ich gehe jede Wette ein, dass mindestens zwei von den Mädchen lauschen – zumindest wenn sie ihr Kichern unterdrücken können.“
„Was machst du hier? Marian, wie kommst du ausgerechnet auf diese Welt?“
Sie seufzte: „Atlan, das ist eine recht lange Geschichte – und – ich möchte dies Vater gerne selbst sagen.“
Atlan sah sie nachdenklich an, dann nickte er: „Er wird froh sein, etwas über dich zu erfahren. Seit du Terra verlassen hast, hat niemand mehr irgendetwas von dir gehört.“
„Das ging nicht. Aber etwas anderes ist im Moment viel wichtiger. Atlan, wie kommt ihr hierher? Ich habe versucht, etwas über das Schiff, mit dem ihr hierhergekommen seid, herauszubekommen, doch viel konnte ich nicht erfahren. Nur, dass ihr offensichtlich nicht freiwillig hier seid.“
Er akzeptierte den Themenwechsel. „Wir sind in eine Falle getappt. Die Akonen haben uns gefangengenommen und hierhergebracht. Sie haben sich als Einheimische getarnt und uns in die Minen geschleppt. Sie waren überzeugt, dass wir dort rasch sterben würden – oder als Fremde erkannt und getötet würden.“
Marian nickte: „Was mit Sicherheit auch passiert wäre.“
Atlan berichtete ausführlich, was geschehen war, dann blickte er sie forschend an: „Kannst du uns helfen?“
Er sah erleichtert, wie sie zu grinsen begann – und nach einem Blick zu ihm schlagartig wieder ernst wurde.
„Vater hat Bedenken.“ Marian senkte den Blick kurz und nickte leicht, als er nicht sofort antwortete. „Ich kann es mir denken.“ Sie blickte Atlan wieder in die rötlichen Augen. „Sag ihm, ich heiße nicht Thomas und ich werde auch niemals wie er denken. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde einen Weg finden, euch zu helfen.“
„Er wird erleichtert sein, das zu hören. Er liebt dich, Marian.“
Sie lächelte: „Ich habe Dad immer geliebt, ich konnte nur nicht auf Terra leben. Aber das hat nicht nur damit zu tun, dass er der Großadministrator ist. Aber das wusste ich damals noch nicht. Das gehört zu meiner Geschichte. Ich werde alle eure Frage beantworten.“
Marian blickte zur Tür.
„Atlan, rutsch näher, ich hoffe doch, du kannst eine überzeugende Vorstellung geben. Die Mädchen werden nicht mehr lange abwarten, bis sie sich irgendeine alberne Ausrede einfallen lassen, um hier hereinzukommen.“
Der Arkonide schluckte, verdammt, sie war die Tochter seines besten Freundes. Bei jeder anderen Frau hätte er keinerlei Hemmungen gehabt, aber dieses Mädchen hatte er auf den Knien geschaukelt. Er nickte jedoch und schob die Decken zwischen ihnen etwas beiseite.
„Wieso machst du das mit? Ich kann mir nicht vorstellen, dass du dich freiwillig derart dieser Frau unterwirfst und dich sexuell benutzen lässt.“
Sie schüttelte den Kopf. „Es ist keine Unterwerfung.“ Dann sah sie Atlan stirnrunzelnd an. „Willst du damit sagen, dass ihr beide, seitdem ihr hier seid, noch nichts bemerkt habt?“
Marian begann unweigerlich zu grinsen. Es war seltsam, wie rasch sie wieder in die alten Gewohnheiten fiel. Auf dieser Welt hatte sie längst alle Bedenken und Hemmungen verloren, offen über Sex zu reden. Doch Atlan gegenüber versuchte sie unwillkürlich, sich etwas vorsichtiger auszudrücken.
„Ihr müsst doch – nun – sagen wir – etwas stärker als normal – hm – reagieren.“
Atlan nickte grimmig: „Natürlich haben wir bemerkt, dass wir hier unter Drogen gesetzt werden. Es wundert uns allerdings, dass das Zeug derart wirkt, die Aktivatoren müssten uns eigentlich davor schützen.“
Marian schüttelte den Kopf. „Vermutlich sind es zwar Drogen, aber niemand ist dafür verantwortlich. Es ist das Wasser hier. Und betrifft jeden und alle. Jeder Mensch auf dieser Welt trinkt zwangsläufig Wasser und damit wird die Sexualität sehr verstärkt. Was sich auf die gesamte Kultur und das Denken der Menschen ausgewirkt hat.“
„Das heißt, jeder hier muss ständig mit dieser starken Begierde leben?“ Atlan stutzte. „Was hat die Frau dann damit gemeint, du hättest dein Verlangen besser im Griff?“
„Ich bin das Wüstenkind. Das ist nicht nur ein Titel – oder eigentlich überhaupt kein Titel. Es ist eine Bezeichnung. Ich habe die Möglichkeit, mich dieser Gier zu entziehen.“ Marian seufzte wieder. „Und es gehört zu meiner etwas längeren Geschichte.“
„Langsam werde ich darauf neugierig.“
Atlan zuckte zusammen, als sie sich plötzlich an ihn heranschob und auf eindeutige Weise umschlang. Dann hörte er das leise Schaben der Türflügel. Rasch umarmte er Marian und fluchte innerlich, als er ihr lautes ekstatisches Stöhnen hörte, und ihr Körper sich über ihm zu winden begann. Zähneknirschend spielte er mit, keuchte leise auf und begann sich zu bewegen. Atlan biss die Zähne zusammen, als er unweigerlich zu reagieren begann. Sie war eine begehrenswerte, junge Frau geworden, und sie waren beide nackt …
Im nächsten Moment warf das Wüstenkind den Kopf herum und streckte den Arm unter der Decke hervor. Ein Blitz zuckte durch den Raum, das Mädchen an der Tür schrie erschreckt auf und ließ die Schale fallen, die es in den Händen hielt.
„Sonne und Wind, was willst du?“
Das Mädchen stotterte: „Wüstenkind … ich … wir dachten … du bekommst sicher Hunger ...“
„Raus!“ fauchte die Frau im Bett.
Das Mädchen blickte entgeistert auf die Scherben, hin und her gerissen in dem Wunsch, das Wüstenkind nicht noch mehr zu verärgern und die Scherben zu entfernen.
„Verschwinde, die Scherben kannst du morgen wegfegen. Und dass es keine von euch noch einmal wagt, mich zu stören. Sonst wird diejenige tatsächlich Brandblasen bekommen.“
Das Mädchen nickte hastig und rannte förmlich hinaus.
„Tür zu!“
Atlan sah entgeistert, wie Marian sich kichernd zur Seite fallen ließ. „Jetzt kommt keine mehr rein.“
Er holte tief Luft, sein Blick suchte ihre Hand, doch diese war eindeutig leer.
„Wie hast du das gemacht?“ Er verdrehte die Augen, als er ihren Blick sah. „Lass mich raten, auch das gehört zu deiner Geschichte.“
Sie nickte, leise erwiderte sie: „Ich habe mich verändert, in vielerlei Hinsicht.“
„Für Perry wird es nur wichtig sein, ob du seine Tochter geblieben bist.“
Wieder sah Marian ihm offen und direkt in die Augen. „Das war ich immer und werde ich immer sein.“ Dann biss sie sich auf die Lippen. „Dennoch werde ich ihn vermutlich enttäuschen.“
„Warum?“
Sie zögerte eine ganze Weile, Atlan wartete stumm ab.
„Ich bin keine Terranerin.“
„Du bist Perrys Tochter. Damit bist du Terranerin.“
Sie seufzte. „Aber nur teilweise.“ Dann schüttelte sie den Kopf. „Das muss ich Dad selbst erklären, das bin ich ihm schuldig.“
Abrupt wechselte Marian das Thema. „Ich werde mir etwas einfallen lassen, wie ich euch helfen kann. Wichtig ist auf jeden Fall, dass ihr hier im Palast bleibt. Hier seid ihr in Sicherheit. Und macht bitte keine Fehler – oder zumindest so wenige wie möglich. Ihr dürft auf keinen Fall als Fremdweltler erkannt werden. Und kein Fluchtversuch! Denkt nicht einmal daran. Das würde nicht gelingen. Ich finde einen Weg, doch ihr müsst Geduld haben. Ich brauche Zeit dafür.“
Atlan nickte zustimmend. „Was ist, wenn diese …“, er verbesserte sich, „deine Herrscherin bemerkt, dass du uns helfen willst? Sie scheint ja zu wissen, dass du kein Mensch dieser Welt bist.“
„Natürlich weiß sie es. Vor der Herrscherin kann man nichts verbergen.“
Der Arkonide zog die Augenbrauen hoch. „Nun …“
Doch das Wüstenkind schüttelte grinsend den Kopf. „Du denkst, ihr hättet sie getäuscht. Da irrst du dich gewaltig. Sie weiß genau, wer ihr seid. Warum glaubst du, hat sie euch in den Palast geholt und das Märchen aufrechtgehalten, dass ihr schwachsinnig wärt? Sie hat euch in den Minen erkannt, zumindest Dad.“
Atlans schockierter Blick ließ sie kichern. „Die Herrin hat es gespürt und außerdem gesehen. Ich habe Dads Augen. Sie hat mir erzählt, dass sie völlig verblüfft war, als sie diesen Sklaven sah, der sie mit meinen Augen ansah.“
„Was meinst du mit gespürt?“
„Die Herrin kann Zusammenhänge spüren. Sie braucht keine Informationen, sie fühlt es einfach. Als sie euch sah, wusste sie, dass ihr zu mir gehört.“
Atlan war fasziniert. „Sie ist parapsychisch begabt?“
Marian schüttelte den Kopf: „Nein, ich bezweifle, dass es ähnlich wie bei den Mutanten ist. Die Ursachen liegen meiner Meinung nach bei den Geistern dieser Welt.“
„Die Religion hier? Was hat eine Religion mit übersinnlichen Fähigkeiten zu tun?“
„Nichts, es ist keine Religion im eigentlichen Sinn.“ Marian seufzte. „Das ist nicht einfach zu erklären und ich brauche Zeit dazu. Und die haben wir nicht. Ich muss dich bald wegschicken. Alles andere wäre auffällig.“ Sie begann zu grinsen. „Außerdem hätte es Folgen, die weder dir noch mir gefallen würden.“
Auf Atlans fragenden Blick hin, biss sie sich auf die Lippen, um nicht noch mehr zu lachen. „Atlan, ich bin bekannt dafür, dass ich lieber alleine schlafe. Die Herrin achtet darauf, dass mein Verhalten für andere nicht zu auffällig wird, und schickt mir immer wieder irgendwelche Männer ins Bett.“ Marian verzog leicht das Gesicht. „Sie hat Recht, auch wenn das reichlich lästig ist. Aber ich dulde diese Männer nie die ganze Nacht bei mir. Wenn ich bei dir eine Ausnahme mache, was glaubst du wohl, was die Mädchen daraus ableiten?“
Atlan nickte verstehend. Dann zögerte er, es wäre vielleicht eine Möglichkeit, sich regelmäßig mit Marian zu treffen und ihre Flucht zu planen.
Marian schüttelte zu diesem Vorschlag jedoch nur den Kopf. „Erstens würde früher oder später herauskommen, dass wir nur miteinander reden. Und zweitens“, ihre Lippen zuckten in verhaltenem Lachen, ob Atlan noch fähig war, rot zu werden? „würdest du ziemliche Schwierigkeiten haben. Falls du zufällig kurz vorher Wasser trinkst, wirst du hier durchdrehen.“
Sie brauchte nicht deutlicher zu werden. Atlan ächzte kurz auf, sah ihr verstecktes Lachen und fluchte leise: „Du bist ein ganz schön durchtriebenes Biest geworden.“ Er wurde schnell wieder ernst. „Wieso zeigt diese Frau dann nicht, dass sie über uns Bescheid weiß?“
„Das kann sie nicht. Sie ist an die Regeln hier gebunden. Niemand könnte verstehen, wenn sie die bricht. Das darf sie nicht.“
„Aber sie wird dich nicht hindern, uns zu helfen? Obwohl das gegen ihr eigenes Gesetz verstößt?“
„Sie weiß, dass ihr mir sehr wichtig seid. Sie würde nie von mir verlangen, euch und damit mich selbst zu verraten.“
„Dich selbst?“
„Meine Art zu denken, die Dinge, die mir wichtig sind. – Ebenso, wie sie weiß, dass ich auch niemals sie und unsere Welt hier verraten werde.“
Atlan nickte wieder und sah Marian aufmerksam an: „Du hast sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass du diese Welt vor jeder Einflussnahme schützen willst. Eine gute Meinung hast du von Terra nicht.“
Vehement wehrte sie ab: „So ist das nicht. Doch die Kultur hier würde zerstört werden, wenn Terra oder irgendeine andere Welt hier Fuß fassen würde. Atlan, es ist schwer zu erklären, aber diese Welt ist ein Paradies, von mir aus ein barbarisches Paradies. Aber die Menschen hier, die Kultur, die hier entstanden ist, ist etwas so Besonderes … das darf nicht zerstört werden.“
Der Arkonide wunderte sich etwas, seiner Meinung nach war dies hier eine der typischen Barbarenkulturen. „Du weißt, dass dein Vater kein Eroberer ist. Er achtet sehr darauf, Barbarenwelten ihre eigene Entwicklung zu lassen. Terra versucht nur, den Völkern zu helfen, sich etwas schneller zu entwickeln.“
Marian schüttelte den Kopf. „Darum geht es hier nicht. Es geht um die Art des Denkens. Was die Menschen hier als wichtig ansehen. Ihre Art der Ehre, ihre Prioritäten. Dies unterscheidet sich von allem, was ich bisher gelernt hatte. Es ist faszinierend. Aber damit ist diese Kultur auch anfällig, sie könnten sich gegen Fremde nicht durchsetzen. Sie würden ständig betrogen werden, da sie sich eine andere Art zu denken, nicht einmal vorstellen können.“
Sie lächelte: „Die meisten der Führer und einige andere Menschen hier – meist hochgeachtete Krieger – sind in der Lage, jede Lüge zu erkennen. Und zwar nicht aufgrund von Argumenten wie wir, nein, sie spüren es, ähnlich wie Empathen. Die Kinder hier lernen deshalb von klein auf, dass man Fehler zugeben muss und es völlig sinnlos ist, etwas schönreden zu wollen oder sogar Ausflüchte zu suchen. Von Lügen ganz zu schweigen. Die Menschen hier sind verblüffend ehrlich. Die Strafen für Fehler oder Fehlverhalten sind zwar meistens ziemlich barbarisch, müssen aber akzeptiert werden. Handelt man so, behält man seine Ehre und wird weiterhin geachtet. Die gesamte Kultur ist auf diesem Ehrenkodex aufgebaut. Das geht so weit, dass selbst Sklaven niemals versuchen zu fliehen. Im Gegenteil, ihre Ehre verlangt, ihre Dienste so gut wie möglich zu verrichten. Dafür gibt es jedoch auch keine lebenslängliche Sklaverei. Die meisten Sklaven sind Gefangene von anderen Sippen, die eine gewisse Zeit als Sklaven abarbeiten müssen, ehe sie wieder freigelassen werden. Viele Führer geben sogar ganz bewusst ihre Kinder eine Zeitlang in die Sklaverei, damit sie lernen, sich zu fügen und zu beherrschen.
Und selbst die Herrscher unterliegen diesem Ehrenkodex. Eine einmal gegebene Zusage wird unter allen Umständen eingehalten. Und Spitzfindigkeiten, um eine Aussage oder ein gesprochenes oder geschriebenes Wort zu verdrehen, gibt es überhaupt nicht. Ebenso wird kein Herrscher jemals seine Verantwortung gegenüber seinem Volk oder seiner Sippe leugnen. Es gibt Machtgier hier, aber keine Intrigen oder Verschwörungen.“
Atlan hatte ihr immer verdutzter zugehört. Das erklärte allerdings einiges, was bisher für sie rätselhaft gewesen war. Doch Marian wehrte weitere Fragen ab. Sie schob sich aus dem Bett und warf Atlan seine Kleidung zu. „Es ist spät, wenn ich dich noch länger hierbehalte, werden die Mädchen anfangen, sich Gedanken zu machen. Bitte, wartet einfach ab. Ich finde einen Weg, euch zu helfen.“
Atlan schlüpfte in die Sachen und nickte.
„Und keine Versuche, mit mir zu reden oder irgendwelche Zeichen zu geben. Ich werde euch ebenfalls nicht beachten. Das würde mit Sicherheit auffallen.“
Wieder nickte Atlan. „So etwas haben wir uns schon gedacht. Deine Herrscherin wird vermutlich ebenfalls weiterhin so tun, als ob sie nichts über uns wüsste.“
Marian nickte: „Ja, bitte verhaltet euch entsprechend. Es geht nicht anders.“
Als das Wüstenkind am nächsten Tag erklärte, nun wieder in die Wüste zurückzukehren, lehnte die Herrscherin dies jedoch ab. Es gäbe noch eine Aufgabe für sie. Das Wüstenkind sah sie fragend an. Sie hatte eine vage Idee und wollte diese überprüfen. Es gefiel ihr gar nicht, noch länger zu bleiben.
Die Augen der Herrscherin blickten belustigt: „Wenn du kannst, hör mich erst bis zum Ende an – bevor du einen Wutanfall bekommst.“
Das Wüstenkind zog die Augenbrauen hoch, da schien ja einiges auf sie zuzukommen. Resignierend nickte sie.
„Du hast vermutlich noch nichts von den letzten Eskapaden Schindors gehört. Du weißt, wen ich meine?“
Das Wüstenkind überlegte. Schindor war der Führer einer kleinen Sippe. Sie lebten am Rand der Wüste, teils als Wüstenkrieger, teils als Bauern.
„Nicht sehr groß, schmal gebaut. Aber ein ziemliches Großmaul. Nimmt den Mund gerne ein wenig voll und muss dann schnell wieder klein beigeben, da er sich keine Feindschaft mit den umliegenden Sippen erlauben kann.“
Die Herrscherin grinste unweigerlich. Die Beschreibungen des Wüstenkindes waren selten schmeichelhaft, aber immer sehr zutreffend.
„Er war vor etwa einem halben Mond Gast des Fürsten der Wüste. Er hat dort für einiges Aufsehen gesorgt.“
Sie wartete ab, doch das Wüstenkind schien tatsächlich noch nichts gehört zu haben. Innerlich seufzte sie. Es wäre leichter, wenn die junge Freundin ihren Frust schon etwas abreagiert hätte.
„Er hat mehr oder minder direkt erklärt, dass er in dem Fürsten den Vater des Wüstenkindes vermutet.“
Der jungen Frau fiel fast die Kinnlade herunter. „Das Wüstenkind hat keine – Herkunft.“
Die Herrscherin nickte. „Sicher. Jeder kennt die Legende: Von der Sonne gezeugt, vom Sand geboren und vom Wind genährt. Und jeder, der auch nur einen Funken Verstand besitzt, weiß, dass dies unmöglich ist. Was immer du zusätzlich bist – du bist ein Mensch. Und somit als Mensch geboren – und von Menschen. Dass das Wüstenkind keine Herkunft besitzt, ist zwingend notwendig. Eine Sippe, die sich rühmen könnte, dass das Wüstenkind von ihnen abstammt, wäre viel zu einflussreich.“
Das Wüstenkind nickte grimmig. Diese Legende war sehr hilfreich gewesen. Niemand war auch nur auf die Idee gekommen, nachzufragen, wie sie in die Wüste gekommen war. Und wie es sein konnte, dass sie praktisch aus dem Nichts aufgetaucht war. Das Wüstenkind konnte nur so auftauchen.
„Und nur den Herrschern ist bekannt, dass es im Gegenteil schon bei mehreren Wüstenkindern bekannt war, wo sie herkamen. Wenn dies herauskam, so wurde es immer sorgfältig geheim gehalten.“
„Wie kommt dieser Dummkopf also auf die Idee …“ Das Wüstenkind überlegte und runzelte die Stirn. „Ich habe nichts davon bemerkt, dass die Sippe einen neuen Führer hat. Wer ist es jetzt?“
Die Herrscherin lächelte süffisant. „Schindor. Er erfreut sich bester Gesundheit.“
„Der Fürst der Wüste hat ihn nicht getötet?“
„Oh nein. Der Fürst ist ein sehr kluger Mann.“
„Ich habe noch nie etwas anderes behauptet“, knurrte das Wüstenkind. „Aber ihn zu töten, war doch die einzige vernünftige Reaktion.“
Die Herrscherin schüttelte den Kopf. „Nein. Warte, ich möchte zu Ende reden. Heb dir deine Wut für später auf.“
Die junge Frau knurrte nur, wartete jedoch ab.
„Der Fürst ist wie gesagt sehr klug. Er weiß natürlich, dass du irgendwoher kommen musst. Und ich nehme an, dass er so einiges ahnt. Schließlich ist seine Tochter deine Gefährtin.“
Wieder nickte das Wüstenkind. Sie hatte keine Ahnung, wie viel der Fürst der Wüste von ihr wusste oder ahnte, er ließ sich absolut nichts anmerken. Aber es war sehr wahrscheinlich, dass er die Wahrheit kannte – oder zumindest vermutete.
Denn seine Frau – war ihre Mutter! Der Fürst wusste mit Sicherheit genug über die Vergangenheit seiner Frau, um in dem Wüstenkind ihre Tochter zu erkennen – und damit zu wissen, dass sie eine Fremdweltlerin war. Der Fürst zeigte dies jedoch nie in seinem Verhalten. Er würde auch niemals die Vergangenheit bzw. Herkunft des Wüstenkindes in Frage stellen.
Nach den Verhaltensregeln dieser Kultur durfte er dies nämlich gar nicht. Wenn die Herrscherin jemandem vertraute und dessen Verhalten nicht in Frage stellte, so durfte dies auch kein anderer. Denn die Herrscherin konnte von niemandem getäuscht werden. Ihre Fähigkeit Zusammenhänge zu erkennen, auch wenn sie kaum Informationen besaß, verhinderte dies. Und das Wüstenkind war die Vertraute der Herrscherin, das genügte. Und das Wüstenkind hatte keine Herkunft!
Warum also hatte der Fürst der Wüste auf die Behauptung, er wäre der leibliche Vater des legendären Wüstenkindes, nicht wie ein Krieger reagiert und diesen Tabubruch mit dem Tod desjenigen geahndet? Fragend sah das Wüstenkind die Herrscherin an.
„Der Fürst der Wüste hat Schindor an die Legende erinnert und keinen Zweifel daran gelassen, dass er einzig an diese Legende glaubt.“
Das Wüstenkind runzelte die Stirn. Damit hatte der Mann weder ja noch nein zu dieser unglaublichen Behauptung gesagt.
„Er weiß genau, wie wichtig es ist, dass du einen gewissen Hintergrund hast. Allerdings einen, der niemals genauer definiert werden kann. Da du ihn anders behandelst als andere Führer, war dies eine sehr gut durchdachte Reaktion.“
„Wie – anders?“ Das Wüstenkind war ehrlich irritiert.
Die Herrin lachte auf. „Ist es dir tatsächlich noch nicht einmal aufgefallen? Du achtest ihn weitaus stärker als die anderen Führer – und du zeigst dies sehr deutlich.“
„Er ist Nickis Vater. Mal ganz abgesehen davon, dass er mit Abstand intelligenter ist als die meisten Führer.“
„Sicher. Und dies wird für die meisten auch ein ausreichender Grund sein für den Respekt, den du ihm gegenüber zeigst. Aber wer immer sich weitere Gedanken über dich macht, wird ohne Zweifel darüber nachdenken, ob an Schindors Behauptung vielleicht doch etwas ist. Das genügt, um alle weiteren Spekulationen hinfällig zu machen.“
„Hm.“ Das Wüstenkind war nicht wirklich zufrieden, aber die Herrscherin hatte natürlich Recht. Doch weshalb sollte sie nun noch länger im Palast bleiben?
Als könnte die Herrin ihre Gedanken lesen – und nicht nur ihre gefühlsmäßige Reaktion spüren – begann die Frau zu lächeln: „In einigen Tagen wird ein geselliger Abend stattfinden. Mit einer Anzahl ausgewählter Führer. Unter anderem der Fürst der Wüste und Schindor. Ich erwarte von dir, an diesem Fest teilzunehmen.“
Sie übersah geflissentlich die immer abweisender werdende Mine des Wüstenkindes und sprach weiter, bevor diese sie unterbrechen konnte. „Schindor wird zweifellos diese Behauptung auch an dir selbst ausprobieren. Du wirst in ähnlicher Weise reagieren wie der Fürst.“
„Ich war auf diesem dämlichen Fest vor einigen Monden, das reicht völlig. Du weißt, dass ich derartige Veranstaltungen verabscheue. Ich komme einmal im Jahr mit, das reicht völlig.“
„Du wirst eine Ausnahme machen müssen.“ Die Herrin ignorierte das wütende Fauchen der jungen Frau. „Es ist notwendig und das weißt du.“
Das Wüstenkind wandte sich abrupt ab und sah mit geballten Fäusten zum Hof hinaus, die Herrscherin wartete schweigend. Eine ganze Weile war es still im Raum. Schließlich seufzte die Herrscherin auf: „Nun, vielleicht wird es leichter für dich, wenn ich dir sage, dass es eine Überraschung für dich geben wird. Nikola wird ebenfalls kommen.“
Das Wüstenkind fuhr herum. „Nicki ist in den Seedörfern im Süden.“
Jetzt grinste die Herrscherin sie geradezu an. „Der Fürst der Wüste dachte sich wohl, dass du eine kleine Aufmunterung brauchst. Er hat seine Tochter zurückgeholt und wird sie zum Fest mitbringen.“
„Na, das ist doch wenigstens etwas“, murmelte das Wüstenkind nachdenklich.
Die Herrscherin lachte: „Also ich kenne wirklich niemanden, der so ungern auf ein Fest geht wie du.“
„Das ist kein Fest. Das ist eine Veranstaltung, auf der nur albernes Geplapper von sich gegeben wird“, murrte das Wüstenkind.
Leise aber betont verschwörerisch kicherte die Herrin: „Solltest du dergleichen nicht gewöhnt sein?“ Sie sah dabei bewusst nicht zu ihren Sklaven, deren Blicke zwischen den Frauen hin und her flogen.
Das Wüstenkind warf unwillkürlich einen Blick durch den Raum, nein, es war keines der Mädchen anwesend. Mürrisch, aber dennoch fast schmunzelnd wandte sie sich wieder ihrer Herrscherin zu und murmelte: „Ich bin schließlich nicht aus einem Palast weggelaufen, um im nächsten zu landen.“
„Soll ich jetzt Mitleid mit dir haben?“ lächelte die Herrscherin.
„Hast du sowieso nicht“, grummelte das Wüstenkind, doch ihre Gedanken waren schon abgeschweift. „Ich muss darüber nachdenken.“
Jetzt runzelte die Herrin die Stirn. „Wozu? Es ist sinnvoll und du wirst du dem Fest gehen.“
Das Wüstenkind schüttelte den Kopf: „Das meine ich nicht. Ich kann Notwendigkeiten durchaus akzeptieren – wenn es wirklich sein muss. Aber irgendetwas gefällt mir an deiner Idee nicht.“
Sie wehrte ab, als sie den missbilligenden Blick sah. „Lass mich einfach eine Weile darüber nachdenken.“
Immer noch etwas missmutig nickte die Herrin: „Von mir aus. Wahrscheinlich sollte ich darüber froh sein, dass du keinen Wutanfall bekommst. Denk darüber nach, wenn es dir hilft, dich damit abzufinden.“
Das Wüstenkind verließ die Räume der Herrin und ging über die Höfe in einen entlegenen Teil des großen verschachtelten Gartens. Zielstrebig suchte sie eine stille Ecke auf. Die halbhohen Mauern schirmten sie hier vor den neugierigen Blicken der vielen Bediensteten ab. Die Sonne prallte mit voller Kraft herunter, der Sandboden war heiß, nur in den Ecken wuchs ein wenig Gras. Die Geräusche aus dem Palast waren nur noch wie aus weiter Ferne zu hören, kein Mensch war zu sehen. Das Wüstenkind machte es sich in einer Mauerecke bequem und genoss die Abgeschiedenheit. Hier fühlte sie sich der Wüste am nächsten. Die Hitze ließ ihre Haut glühen, sie reckte das Gesicht der Sonne entgegen. Herrlich!
Langsam verflog ihr Ärger. Dieses Fest würde lästig sein, aber sie würde es überstehen, wie so vieles andere. Sie begann zu lächeln: Sie würde Nikola wiedersehen. Seit drei Monden war sie in den Seedörfern, und das Wüstenkind gestand sich ehrlich ein, dass sie das junge Mädchen vermisste. Ihre Gedanken drifteten weiter ab in die Vergangenheit – in die Zeit, in der sie Nikola überhaupt erst gefunden hatte und damit auch viele Erklärungen für die Dinge, die damals mit ihr geschehen waren.
Sie war erst wenige Wochen auf dieser Welt gewesen und hatte erstaunt und verblüfft diese neuen Fähigkeiten, die sie bekommen hatte, ausprobiert, und sich mit ihnen vertraut gemacht. Doch noch immer wagte sie sich kaum in die Nähe der Menschen, aus Furcht, als Fremdweltlerin erkannt zu werden. Das wäre ihr sofortiger Tod.
Schließlich entschloss Marian sich, die Menschen mit Hilfe ihrer neuen Fähigkeiten zu studieren und suchte sich eine kleine Wüstensippe aus. Sie ließ sich unter den Sand sinken und gelangte so ungesehen in die Nähe der kleinen Wüstensiedlung. Im Gegensatz zu jedem anderen Menschen konnte sie unter dem Sand normal atmen und sich ungehindert bewegen. Es war fast wie schwimmen. Und sie konnte sich hier sogar schneller fortbewegen, als ein rennender Mensch auf dem Sand.
Sie versteckte sich und versuchte, die Menschen zu beobachten, um zu lernen, wie sie sich hier verhalten musste. Als sie bemerkt wurde, tauchte sie unter den Sand, wohin ihr niemand folgen konnte, und verschwand wieder – bis zum nächsten Abend, an dem sie sich wieder in die Nähe der Lager wagte. Überrascht stellte Marian fest, dass keiner auch nur den Versuch machte, sie zu verfolgen. An den nächsten Abenden bemerkte sie zusätzlich, dass die Männer sie geflissentlich übersahen. So wagte sie sich immer näher heran und konnte schließlich auch ihre Gespräche mithören.
Von dieser Sippe erfuhr sie dann von der Legende des Wüstenkindes – und dass die Männer überzeugt davon waren, dass sie ein neu entstandenes Wüstenkind war. Die Menschen in der kleinen Siedlung verstanden nicht, weshalb sie vor den Menschen floh, hatten sich aber eine Erklärung zusammengereimt. Wenn die Wüste sie geschaffen hatte, so war sie wohl einfach noch zu scheu und unsicher, sich den Menschen zu zeigen.
Die Wüstenkrieger versuchten deshalb, sie zutraulich zu machen und ihr zu zeigen, dass die Menschen sie achten würden. Sie erzählten die Legende über die Entstehung des Wüstenkindes: Die Geister der Welt würden alle drei oder vier Generationen ein Wüstenkind schaffen. Dieses wurde von der Sonne gezeugt, vom Sand geboren und vom Wind genährt. Das Wüstenkind war ein ganz besonderer Mensch mit einzigartigen, erstaunlichen Fähigkeiten, um die Welt und die Menschen vor Gefahren zu schützen.
Die Menschen berichteten auch von den Geschichten der früheren Wüstenkinder und erklärten immer wieder, dass kein Mensch dieser Welt ein Feind des Wüstenkindes wäre – im Gegenteil. Nach Tagen wagte Marian es, sich diesen Menschen offen zu nähern und wurde freundlich aufgenommen. Dass sie sich in so manchem Verhalten von den einheimischen Menschen unterschied, wurde zu ihrer Erleichterung immer ihrem Status als Wüstenkind zugute geschrieben.
Schließlich erkannte Marian, dass sie keine andere Wahl hatte, als zu der Herrscherin dieser Welt zu gehen, wenn sie weiterhin als das Wüstenkind hier leben wollte. Ursprünglich hatte sie vorgehabt, auch ihr nicht die Wahrheit zu sagen. Es erschien ihr viel zu gefährlich zuzugeben, dass sie eine Fremde war, die sich auf unerklärliche Weise verändert hatte.
Doch dann stand sie vor dieser Frau mit den eindringlichen, schwarzen Augen. Marian spürte die erstaunliche Kraft dieser Frau – und wusste, dass sie sie nicht würde belügen können. Die Frau würde jede Lüge sofort erkennen. So ging sie das Risiko ein, die Wahrheit über sich zu sagen. Und erkannte dann, dass es überhaupt kein Risiko war. Die Herrscherin schien sogar etwas in dieser Art erwartet zu haben.
Marian erfuhr von dieser Frau sehr viel über ihre Welt, so dass sie immer weniger Fehler machte. Die Herrin brachte ihr bei, sich der Kultur diese Welt anzupassen, auch wenn das teilweise viel Überwindung kostete. Und dann riet die Herrin ihr, sie in die Wüste zu begleiten – zu einer Sippe, die dort sehr einflussreich war. Ihr Anführer war der Fürst der Wüste, und dort könne sie alles lernen und erfahren, was sie noch wissen müsste.
Marian, die sich inzwischen daran gewöhnte, nur noch als Wüstenkind angesprochen zu werden, wanderte also mit der Herrscherin und einigen Wachen in die Wüste. Sie zeigte den Männern, wo sich unter dem Sand Wasser verbarg. Keiner konnte dies erkennen, nur für sie sah der Sand eindeutig anders aus. Später erfuhr sie, dass es in den Wüstensippen einige Krieger gab, die dieses Stellen ebenfalls erkennen konnten. Meist jedoch, ohne erklären zu können, was diese Orte von dem übrigen Sand unterschied.
Auf diesem Weg fand sie Nikola, damals noch ein Kind von gerade neun Jahren. Diese war mit einigen aus ihrer Sippe unterwegs gewesen. Doch dann waren sie im Treibsand versunken. Treibsand gab es häufig in der Wüste. Der Sand sah genauso aus wie überall, trug jedoch nichts. Trat man nur am Rand hinein, hatte man noch eine gute Chance, sich mit etwas Geschick wieder auf festen Boden zu retten. Doch oftmals war dieser Treibsand von einer dünnen Schicht festen Sandes bedeckt, auf dem man ungehindert gehen konnte. Brach diese Schicht dann, versank man rasch und ohne jede Aussicht auf Rettung. Jede Bewegung ließ den Körper nur noch schneller versinken.
Nikolas Begleiter waren schon im Sand erstickt. Das Kind war jedoch leichter und versank deshalb langsamer. Als die Herrscherin mit ihren Begleitern und dem Wüstenkind den Ort erreichte, war das Kind noch am Leben, steckte aber schon bis über die Schultern im Sand. In ihren Augen stand Todesangst. Marian war entsetzt, als die Wachen der Herrscherin das Kind töten wollten um ihr einen langsamen Erstickungstod zu ersparen. Ihrer Meinung nach war eine Rettung unmöglich, niemand kam nahe genug heran, um die Kleine herausholen zu können.
Marian war jedoch das Wüstenkind. Sie tauchte unter die Oberfläche und erreichte das Kind in wenigen Sekunden. Ihr machte der Treibsand nichts aus, sie schwamm darin wie in Wasser, nur wesentlich schneller. Sie griff nach den Beinen der Kleinen und drückte sie nach oben. Dann umfasste sie das Kind und schleppte sie durch den Sand bis zum festen Boden.
Da Nikola völlig verstört und verängstigt war, nahm Marian die Kleine tagelang immer wieder tröstend in die Arme, wiegte sie und versuchte, ihr über das entsetzliche Erlebnis hinwegzuhelfen. Sie hatte damals keine Ahnung, wie dies auf Nikola und ihre Begleiter wirkte. Das sollte sie erst später erfahren.
Nikola war die Tochter des Fürsten der Wüste. Als sie die Sippe erreichten, war der Mann überglücklich, dass seine Tochter lebte – und dem Wüstenkind entsprechend dankbar. Dann bat er sie zu seiner Gefährtin Levania – eine bevorzugte Behandlung, da diese meist sehr abgeschieden lebte und sich nur selten öffentlich zeigte. Für das Wüstenkind war es selbstverständlich, dieser Bitte Folge zu leisten. So ging sie in deren Gemächer; Räume die mit unzähligen Stoffen und Kissen dekoriert waren. Kichernde halbnackte Mädchen wiesen ihr den Weg.
Marian wurde bleich, als sie die Frau sah, die mit Schmuck und bunten, fast durchsichtigen Stoffen bekleidet vor ihr stand. Deren Gesicht kannte sie. Ihr Bild hatte sie oft genug betrachtet – auf den Fotowürfeln in der Wohnung ihres Vaters. Vor ihr stand ihre Mutter – Elaine Rhodan –, älter als auf den Bildern, doch eindeutig erkennbar.
Diese erkannte Marian nicht, was nicht verwunderte, da sie Terra mit unbekannten Ziel verlassen hatte, als ihre Tochter gerade fünf Jahre alt war. Niemand hatte je erfahren, wohin sie verschwunden war und warum sie Terra ohne jeden Abschied oder Erklärung verlassen hatte.
Levania – wie sie hier genannt wurde – sah sie lächelnd an. Dann machte sie ihr ein eindeutiges Angebot, ihre Geliebte zu werden. Sie fand es reizvoll, das geheimnisvolle Wüstenkind zu ihrer Spielgefährtin zu machen. Marian war schockiert und gab in ihrem Erschrecken ihre Identität preis.
Die einzige Reaktion ihrer Mutter war Angst. Angst davor, dass durch Marian herauskommen könnte, dass sie eine Zeitlang auf einer Fremdwelt gelebt hatte. Dies wäre ihr Todesurteil. Erst als Marian ihr versicherte, dass von ihr niemals jemand etwas erfahren würde, wurde die Frau wieder ruhig. Doch zu Marians Entsetzen versuchte ihre Mutter weiterhin, sie zu verführen. Marian musste in dem Gespräch erkennen, dass Levania nicht im Mindesten an ihr als Tochter interessiert war, sondern einzig ein neues Spielzeug in ihr sah.
Ebenso fragte die schöne Frau nicht ein einziges Mal nach ihrer Tochter Nikola, und es war ihr auch völlig gleichgültig, dass das Kind beinahe auf grauenvolle Weise gestorben wäre. Marian jedoch begriff gerührt, dass sie eine kleine Schwester hatte, genau genommen eine Halbschwester, doch das war ihr egal.
Nicht egal war Marian allerdings, dass die Kleine glaubte, sie wolle mit ihr schlafen. Ihr zärtliches Verhalten zu dem Kind war für diese ein eindeutiges Zeichen, dass das Wüstenkind an ihr interessiert war. Nikola wartete geradezu darauf, dass die Frau sie zu sich holte und ging schließlich zu ihr. Ein neunjähriges Kind! Und dieses Kind berührte Marian gezielt und schob sich auf eindeutige Weise an sie. Voller Entsetzen hob sie die Kleine aus dem Bett und schickte sie zum Zelt ihrer Familie zurück.
Die Herrin musste sich viel Mühe geben, dem Kind die unmissverständliche Abwehr der jungen Frau zu erklären, ohne das Wüstenkind zu verraten. Nikola fand sich schließlich damit ab, dass ein Wüstenkind anders reagierte als gewöhnliche Menschen.
Doch an Marians Entsetzen über dieses Verhalten änderten die Erklärungen der Herrin nichts – im Gegenteil. Die Tatsache, dass selbst Kinder zur Sexualität angehalten wurden, schockierte sie zutiefst. Sie brauchte lange, bis sie begriff, dass die Kinder nicht missbraucht wurden. Da das Aphrodisiakum im Wasser schon bei jüngeren Kindern wirkte, mussten diese schon im Kindesalter mit sexuellem Begehren zurechtkommen. Damit hatte sich bei den Menschen ein völlig anderes Denken entwickelt. Den Kindern wurde – meist von den eigenen Eltern – sehr behutsam und sanft gezeigt, wie sie ihr Verlangen und ihre Begierden selbst mit einem kindlichen Körper befriedigen konnten. Ohne Schmerz und Gewalt. Doch es dauerte sehr lange, bis Marian dies akzeptieren konnte.
Das Wüstenkind blieb mehrere Mondphasen bei dieser Wüstensippe und passte sich ihrem neuen Leben als Wüstenkind immer mehr an. Zu ihrer Mutter jedoch fand sie keinen Zugang. Levania lebte einzig für ihre eigenen Interessen, und diese bestanden darin, hübsche Kleidung zu tragen, und attraktive Mädchen und Männer um sich zu scharen, mit denen sie sich sexuell amüsierte. Sie kümmerte sich so gut wie nie um Nikola, was Marian ihr sehr übelnahm. Sie mied deshalb schon bald den Kontakt mit Levania und kümmerte sich lieber um ihre junge Schwester.
Mit den Jahren verinnerlichte Marian das Denken dieser Kultur immer mehr. Und als Nikola dreizehn war und nach einheimischem Denken nicht mehr als Kind angesehen wurde, akzeptierte das Wüstenkind sie schließlich sogar als Geliebte, obwohl sie ihre Schwester war. Damals erzählte sie Nikola auch die Wahrheit über sich – und dass sie Schwestern waren. Nikola war alt genug, um zu verstehen, dass sie dieses Geheimnis niemals offenbaren durfte.
Ein schriller Schreckensschrei riss das Wüstenkind aus ihren Gedanken. Es folgte das typische, dumpfe Klatschen, als Leder auf Haut traf. Die Schreie wurden gellend und gingen schließlich in qualvolles Wimmern über. Die junge Frau stand widerwillig auf und lief zu den Ställen hinüber. Einer der Stallburschen lag im Sand und wand sich vor Schmerzen. Der Aufseher hing die Peitsche gerade wieder an die Wand.
„Der Dummkopf hat deinem Geramp Küchenabfälle statt Gras und Getreidekörner gegeben“, erklärte er auf den fragenden Blick des Wüstenkindes. Die schüttelte verständnislos den Kopf. Die meisten Reittiere in den kleinen Siedlungen und Städten bekamen der Einfachheit halber auch die Küchenabfälle. Es waren Allesfresser, was sehr praktisch war. Doch der Junge sollte eigentlich wissen, dass das Tier des Wüstenkindes ausschließlich pflanzliches Futter bekam.
Der Junge kämpfte sich mühsam wieder auf die Beine, das Gesicht noch immer schmerzverzerrt. Der Aufseher sah ihn mürrisch an: „Geh und lass dich verbinden. Morgen kommst du wieder zur Arbeit.“ Doch dann lächelte er, der Bursche hatte sich tapfer gehalten.
Auch das Wüstenkind nickte dem Jungen beifällig zu, die Spuren im Sand zeigten eindeutig, dass er nicht versucht hatte, wegzulaufen. Nachdem der Junge fortgehumpelt war, blickte sie zur Sonne, sie hatte mehrere Stunden vor sich hingeträumt. Es wurde Zeit, wieder in den Palast zu gehen.
„Nun, bist du endlich fertig mit schmollen?“ Die Herrin schmunzelte.
„Mh“, das Wüstenkind zuckte mit den Schultern, ihr Missmut war deutlich zu hören. „Ich werde auf dieses dämliche Fest gehen. Aber ich werde nicht höflich irgendwelchen diplomatischen Schwachsinn von mir geben.“
Sie hob die Hand, um jeden Einwand abzuwenden. „Sag mir, Herrin, wenn ich so reagiere, wie du möchtest. Wie werden deine Gäste darauf reagieren?“
Doch die Herrscherin konnte immer noch nicht erkennen, worauf sie hinauswollte, deshalb sprach das Wüstenkind weiter: „Sie werden – wohlwollend natürlich – anerkennen, dass du mich sehr gut instruiert hast, was ich sagen soll. Niemand wird auf die Idee kommen, dass ich von mir aus so reagiere. Besonders diplomatisch bin ich ja schließlich nicht.“
„Allerdings nicht. Eher das Gegenteil. Diplomatische Höflichkeit wendest du nur an, wenn man dich dazu zwingt. Obwohl du durchaus fähig zur Diplomatie bist – vorausgesetzt du willst es. Was jedoch nur sehr selten vorkommt.“
„Ich ziehe es vor, ehrlich zu sein.“
„So kann man es auch nennen. Aber ja, du hast natürlich Recht. Doch wie willst du dann reagieren?“
Als das Wüstenkind daraufhin zu grinsen begann, zeigte sich eine gewisse Bestürzung auf dem Gesicht der Herrscherin. „Sonne und Wind, dieses Grinsen kenne ich zur Genüge. Meist kostet es ziemliche Nerven. Was hast du dir nun wieder ausgedacht?“
„Ich werde einen Wutanfall bekommen.“
Die Herrscherin ächzte nur noch. „Oh, und wie wird der ausfallen? Brauche ich danach einen neuen Palast?“
„Aber nein. Doch keiner deiner Gäste wird danach vermuten, dass wir vorher über Schindor gesprochen haben.“
Ganz langsam begann die Herrin zu lächeln. „Die Idee ist gar nicht so schlecht, wenn ich so darüber nachdenke. Ich glaube sogar, sie gefällt mir. Sag mal, kannst du bei der Gelegenheit nicht gleich die Vorhänge mit zerstören? Sie gefallen mir schon eine Weile nicht mehr.“
Das Wüstenkind ließ sich lauthals lachend auf die Polster fallen. „Die Vorhänge! Herrin, das kann aber auch wirklich nur dir einfallen. In Ordnung, du wirst neue Vorhänge benötigen.“
Die schwarzhaarige Frau schmunzelte. „Das könnte wirklich sehenswert werden. Ich werde gespannt darauf warten, wie du ausrastest und das Schauspiel genießen.“
„Daraus wird nichts, fürchte ich. Herrin, du kannst nicht anwesend sein und zuschauen, wie ich dein Fest sabotierte. Du spürst meine Wut, wenn du im gleichen Raum bist. Es ist nicht gerade glaubwürdig, dass du einen derartigen Wutanfall zulässt. Du weißt, dass du mich stoppen kannst, bevor ich mit Feuer um mich werfe.“
„Stimmt auch wieder. Schade.“ Die Herrin runzelte die Stirn. „Und wie willst du deinen Wutanfall wieder in den Griff bekommen?“
Grinsend erwiderte das Wüstenkind: „Nikola! Sie kann mich ebenfalls ziemlich rasch stoppen. Nur spürt sie nicht schon vorher, wenn ich ausraste. Sie spielt mit Sicherheit liebend gerne mit. Das einzige Problem wird sein, dass sie keinen Lachanfall bekommt.“
„Sie ist noch sehr jung. Glaubst du, dass sie das kann?“
Das Lächeln der jungen Frau wurde zärtlich. „Du unterschätzt meine kleine Nicki. Sie wird das perfekt machen.“
„Und wie willst du es schaffen, dass Schindor seine Anspielungen nur dann ausspricht, wenn ich gerade nicht im Raum bin?“
„Ganz einfach. Er wird es nicht wagen, diese Sache zu erwähnen, wenn der Fürst der Wüste anwesend ist. So mutig ist er nicht. Also brauchst du den Fürsten nur ganz zufällig aus dem Raum begleiten – natürlich nur, wenn die Situation gerade passend ist. Der Rest ergibt sich dann von selbst.“
Die Herrscherin nickte. „Das könnte funktionieren. Gut, du sollst deinen Willen haben. Aber ich verlange, dass du Schindor weder tötest noch ihm dauerhaften Schaden zufügst.“
Empört sah das Wüstenkind die Herrin an: „Ich bin keine Mörderin.“
„Nein, doch du kannst inzwischen sehr erbarmungslos sein.“
Das Wüstenkind wusste, worauf die Herrscherin anspielte. In den ersten Jahren hatte sie sich oft genug über die grausamen Strafen entsetzt, die auf dieser Welt bei manchen Verbrechen ausgesprochen – und durchgeführt – wurden.
Es gab nicht viele Schwerverbrecher auf dieser Welt. Die wenigen wurden meist in die Minen geschickt, wo sie bis zu ihrem Tod schuften mussten. Nur ganz selten wurden noch entsetzlichere Todesurteile ausgesprochen. Doch waren die begangenen Verbrechen dann auch dementsprechend grauenhaft gewesen.
Im Laufe der Jahre hatte das Wüstenkind die Lebensweise der Menschen auf dieser Welt immer mehr angenommen und ebenso ihre Art zu denken. Es war erst etwas über ein Jahr her, als sie am Rand der Wüste einen Mann gefangen nahm, der zwei Kinder auf entsetzlich sadistische Weise umgebracht hatte. Sie war außer sich gewesen vor Wut und Abscheu. Das Wüstenkind hatte den Mann in die Wüste gejagt und ihn von einer Sandhose umschließen lassen.
Sandhosen waren kleinräumige, aber extrem kräftige Wirbel, in denen der Sand mit unglaublicher Geschwindigkeit rotierte. Wer in einen solchen Wirbel geriet, wurde vom Sand regelrecht zerrieben. Haut und Fleisch wurden Schicht für Schicht abgeschmirgelt. Das Wüstenkind beherrschte den Sand und konnte nach Belieben solche Sandhosen lenken, aber auch willentlich entstehen lassen. Sie wusste, dass die Herrscherin auf dieses Todesurteil anspielte. Doch sie hatte keine Gewissensbisse. Der Mann war in ihren Augen kein Mensch mehr gewesen, sondern eine Bestie.
„Diese Bestie hatte den Tod verdient. Doch ich töte niemanden, nur weil er ein Großmaul ist.“ Das Wüstenkind grinste. „Doch Schindor wird einen Denkzettel bekommen, an den er sicher immer wieder denken wird.“
Die Mundwinkel der Herrin zogen sich nach oben. „Ich bin sicher, nicht nur er. Wie ich dich kenne, wirst du dir etwas einfallen lassen, das meine Gäste sich noch nach Jahren immer wieder gegenseitig erzählen werden.“
„Das wird mich für einen langweiligen Abend entschädigen.“
„Nun, ich habe noch eine Bedingung.“
Das Wüstenkind seufzte. „Was noch?“
„Du wirst eine angemessene Kleidung tragen.“
Die Herrin schüttelte den Kopf als die junge Frau bezeichnend an der derben Wüstenkleidung herabsah. „Was spricht gegen diese Kleidung? Sie ist praktisch, bequem und sauber.“
„Aber ganz gewiss nicht für ein Fest geeignet. Ich werde dir ein passendes Gewand bereitlegen lassen.“
Das Wüstenkind grummelte, gab jedoch ihre Zustimmung.
„Wann ist dieses Fest?“
„In zehn Tagen.“
„Na, dann kann ich doch solange noch in die Wüste gehen.“
„Oh nein, du wirst die Gelegenheit nutzen und dich eine Weile hier aufhalten. Die Menschen in der Stadt wollen das Wüstenkind wenigstens hin und wieder sehen und sprechen. Nach dem Fest kannst du gehen und dich in der Wüste austoben.“
In den nächsten Tagen sahen die beiden Sklaven das Wüstenkind nur selten. Von den Dienerinnen erfuhren sie, dass die junge Frau sich meist auf den Märkten der Stadt herumtrieb und abends oftmals in die Schänken ging. Die Menschen in der Stadt schienen begeistert davon zu sein, dass das verehrte und exotische Wüstenkind sich so lange unter ihnen aufhielt.
Es war später Nachmittag, als ein Mann in den Raum der Herrin stürmte. Er fiel förmlich auf die Knie: „Herrin, das Wüstenkind wurde vergiftet. Sie ist noch in der Schänke zusammengebrochen. Sie … sie konnte nicht mehr angesprochen werden.“
Fassungslos sah die Frau den verstörten Mann an. „Das ist … wo ist sie?“
„Die Wachen bringen sie her. Herrin!“ Der Mann sah flehend zu ihr auf. Diese Frau war der Garant für die Stabilität seiner Welt. Was immer geschah, sie wusste eine Lösung. Dieser Vorfall war so ungeheuerlich, dass er es kaum glauben konnte. Die Herrin musste Hilfe bringen. Diese war ebenso fassungslos, doch sie wusste genau, was von ihr erwartet wurde.
In diesem Moment hörte sie schwere, rennende Schritte. Sie schlug die Vorhänge zurück und zwei Männer hasteten hinein. Sie schleppten einen leblosen Körper zwischen sich mit.
„Sheina!“ Die Herrin konnte den Ausruf nicht zurückhalten. Die junge Frau war totenbleich, ihre Augen geschlossen. Es gab kein Anzeichen, dass sie überhaupt noch lebte. Die Männer ließen ihre Last vorsichtig auf die Polster sinken. Die Herrin legte ihre Hand auf den Hals und spürte erleichtert das schwache Pochen. Ihr Herz schlug noch.
„Sand! Beeilt euch!“
Die Mädchen, die mit aufgerissenen Augen das Geschehen verfolgt hatten, stoben aus dem Raum. In Sekundenschnelle kehrten zwei wieder zurück, in den Händen Schalen voller Sand. Sie knieten neben dem bewusstlosen Wüstenkind nieder und versuchten vorsichtig, ihr den Mund zu öffnen.
Die Herrscherin schüttelte den Kopf, schob die Mädchen weg und drückte brutal die Kiefer des Wüstenkindes auseinander. Sie stopfte eine Handvoll Sand in deren Mund und schloss ihn wieder.
„Schluck runter! Wüstenkind! Los, schluck!“
Erleichtert sah sie die Bewegung des Halses. Sofort drückte sie die Kiefer wieder auseinander und schob weiteren Sand hinein. Diesmal schluckte die Bewusstlose sofort und öffnete selbsttätig wieder den Mund. Die Dienerinnen übernahmen das Füttern und verabreichten dem Wüstenkind Handvoll um Handvoll von dem grobkörnigen Sand.
Entsetzt sah Perry Rhodan auf seine bewusstlose Tochter. Wie sollte Sand ihr helfen? Wenn sie Gift in sich hatte, benötigte sie ein Gegenmittel. Doch wo sollte dies auf einer derart primitiven Welt herkommen? Doch Marian schien den Sand geradezu gierig zu schlucken.
Perry zuckte zusammen, als ihr Körper sich plötzlich aufbäumte und sich dann würgend zusammenkrümmte. Heftig erbrach das Wüstenkind sich. Der Sand, den sie ausspie war jedoch nicht mehr hell, sondern schwarz verfärbt. Die Mädchen besorgten in Windeseile Wasser und Schwämme. Sie wuschen ihr Gesicht, Nase und Mund und beseitigten das Erbrochene. Erleichtert hörte Perry, dass Marian rasselnd nach Atem rang. Sie schien wieder zu sich zu kommen.
„Sheina! Was brauchst du?“ Die Herrin kniete neben der jungen Frau.
„Sand.“
Perry Rhodan traute seinen Ohren nicht, als er die geflüsterte Antwort hörte. Sofort begannen die Mädchen wieder mit dem Füttern. Andere zogen ihr die verschmutzte Kleidung aus. Mit weichen Tüchern wuschen sie das Wüstenkind und hüllten sie in warme Decken. Noch mehrmals erbrach das Wüstenkind den schwarzen, schleimigen Sand. Dann kam Durchfall hinzu. Auch der Kot war schwärzlich verfärbt. Die Herrscherin nickte erleichtert.
„Der Sand holt das Gift aus ihr heraus. Wie viel Sand haben wir hier?“
„Einige Schalen.“
„Das genügt nicht.“
Sie wandte sich an die Wachen, die noch immer im Raum waren und entsetzt das Wüstenkind betrachteten.
„Sorgt dafür, dass Sand hergebracht wird. Möglichst viel.“
Die Männer nickten, dankbar, dass sie eine Möglichkeit bekamen zu helfen. Sie verließen den Raum und schon wenige Minuten später hörten man ihre Rufe an den Ställen. Einer von ihnen blieb auf einen Wink der Herrscherin zurück.
„Was ist geschehen?“
„Das Wüstenkind war in einer der Schänken. Plötzlich brach sie zusammen. Niemand wusste, was passiert war. Doch drei Männer versuchten eilig, die Schänke zu verlassen. Sie wurden sofort gefangen genommen.“
„Wo sind diese Männer?“
„In den Gefangenenkerkern.“
„Man soll herausfinden, wer sie sind. Sobald es dem Wüstenkind besser geht, werden sie verhört.“
Stundenlang kümmerten sich die Mädchen um das Wüstenkind. Immer wieder fütterten sie sie mit Sand, warteten ab, wenn sie sich erbrach. Sorgfältig hielten sie den Körper sauber und warm. Niemand schlief in dieser Nacht. Die Herrin saß neben der Kranken und beobachtete sorgenvoll, ob sich nicht endlich eine Besserung zeigte.
Perry Rhodan und Atlan konnten nur hilflos zuschauen. Sie verstanden nicht, wie der Sand gegen Gift helfen sollte, doch Marian verlangte selbst immer wieder danach.
Erst gegen Morgen veränderte sich ihr Verhalten. Das Wüstenkind erbrach nicht mehr, sondern schlang den Sand regelrecht in sich hinein. Ihr Atem wurde ruhiger und gleichmäßiger. Schließlich entspannte sich ihr Körper und sie schlief völlig erschöpft ein. Vorsichtig legten die Dienerinnen die Decken um das Wüstenkind zurecht. Die Herrscherin lehnte sich aufatmend zurück.
„Sonne und Sand. Wenn sie aufwacht, wird sie gesund sein.“ Sie lächelte, als die Mädchen sie unsicher ansahen. „Der Sand hat sie geheilt. Macht euch keine Sorgen mehr. Und jetzt ruht euch aus. Ich danke euch, ihr habt dem Wüstenkind sehr geholfen. Holt den Schlaf nach, ihr braucht ihn.“
„Lass uns bei ihr wachen, vielleicht braucht sie noch einmal unsere Hilfe.“
Sie baten inständig, bis die Herrscherin es lächelnd erlaubte. Zwei der Mädchen blieben im Raum und saßen still neben dem Lager. Die Herrscherin legte sich ebenfalls nieder, allerdings nicht in ihrem Schlafraum sondern auch einfach auf den Polstern. Sie wollte die Sklaven ins Bett schicken, verzichtete jedoch nach einem Blick in deren Augen darauf. Nein, diese Männer waren jetzt mit Sicherheit nicht bereit, sich schlafen zu legen.
Etwa eine Stunde nach Sonnenaufgang betrat einer der Wachen leise den Raum. Er kniete vor der Herrin nieder und sah dann fragend auf das Wüstenkind.
„Sie schläft. Sie ist wieder gesund“, beruhigte ihn die Herrin.
Der Mann war sichtlich erleichtert. „Wir wissen jetzt, wer die Gefangenen sind, Herrin.“
„Wer ist so widernatürlich und greift das Wüstenkind an?“
„Es sind Fremdweltler, Herrin.“
„Fremdweltler! Nun, was sonst“, murmelte sie. „Kein Mensch auf dieser Welt würde sich gegen das Wüstenkind stellen. Dazu ist niemand fähig. Das Wüstenkind wird von allen geliebt und verehrt.“
„Also, da würde ich den Priester aber mit Sicherheit ausnehmen. Er kann mich nicht ausstehen.“
Die Menschen im Raum fuhren beim Klang der Stimme herum. Perry Rhodan und Atlan sahen ungläubig auf Marian, die sich aufgesetzt hatte und nun lächelnd von einem zum anderen blickte. Ihre Haut hatte wieder ihre gesunde Farbe, die Augen waren klar und ihre Stimme klang normal und kräftig. Perry Rhodan atmete tief ein. Im Moment war ihm die Ursache dieser raschen Heilung völlig gleichgültig, er war einfach nur unendlich froh, dass es Marian wieder gut ging.
„Sheina. Wüstenkind. Es geht dir wieder gut?!“ Obwohl sie sich den Mädchen und der Wache gegenüber völlig sicher gegeben hatte, sah die Herrscherin besorgt auf die junge Frau hinab.
Diese lächelte leicht. „Ich muss schlimm ausgesehen haben, wenn du meinen Namen benutzt“, murmelte sie. Dann sprach sie lauter weiter: „Es geht mir hervorragend, es könnte gar nicht besser sein. Nur Hunger habe ich reichlich.“
Die Mädchen sprangen sofort hoch. „Wir bringen dir etwas ganz besonders Leckeres. Nur einen ganz kleinen Moment, Wüstenkind.“
„Sand!“ rief diese ihnen rasch hinterher, bevor sie aus dem Raum rennen konnten.
„Wüstenkind?“ Enttäuscht wandten sie sich noch einmal um.
„Im Moment möchte ich nur Sand. Ich danke euch. Ihr dürft mich später wieder mit euren Künsten verwöhnen, doch nicht jetzt.“
Die Dienerinnen lächelten schon wieder und verließen eilig den Raum. Auch die Herrin sah die junge Frau fragend an.
„Es geht mir wirklich gut, ich bin wieder völlig in Ordnung. Aber ich möchte sichergehen. Was habe ich eigentlich geschluckt?“
„Das wissen wir nicht. Drei Fremdweltler wollten, nachdem du zusammengebrochen bist, die Schänke verlassen und wurden gefangengenommen. Niemand weiß, was sie dir gegeben haben.“
Die Herrin schickte die Wache weg und blickte das Wüstenkind nachdenklich an. Leise führte sie aus: „Es gibt hier deutliche Zusammenhänge. Die Fremdweltler, du, der Anschlag auf dich – und die Sklaven.“
Sie nickte, als das Wüstenkind schlagartig den Kopf hochriss. Dann jedoch runzelte diese die Stirn. „Das passt nicht zusammen.“
„Warum nicht?“
„Wenn Fremdweltler über mich Bescheid wissen, bezweifle ich doch sehr, dass man versuchen würde, mich zu vergiften. Ganz egal von welcher Welt sie kommen. Sie würden mich entführen, verhören oder sonstwas, aber garantiert nicht einfach so töten. Und wenn es um deine Sklaven geht, würde mich erst recht niemand töten wollen.“
„Und doch ist es eindeutig. Die Zusammenhänge könnten nicht deutlicher spürbar sein.“
„Aber du weißt nicht warum?“
Die Herrscherin schüttelte den Kopf. „Du weißt, dass ich das nicht erkennen kann. Die Gründe müssen wir schon selbst herausfinden.“
„Leben die Fremdweltler noch?“
„Oh ja. Und ich möchte, dass du sie verhörst – sobald du dich erholt hast.“
„Ich bin erholt.“
„Du wirst vorher essen und baden.“
Das Wüstenkind zog eine kleine Grimasse. „Herrin, du weißt, dass Sand für mich das beste Heilmittel ist. Du hast schließlich schon mehrmals gesehen, wie schnell Verletzungen damit heilen. Ich bekomme ja nicht einmal Narben. Und für Krankheiten gilt dasselbe und Gift ist im Endeffekt nichts anderes.“
„Du hast noch niemals derart entsetzlich ausgesehen.“
Das Wüstenkind warf einen raschen Blick auf ihren Vater, sah die Sorge in seinem Blick und nickte leicht. Mehr war nicht möglich, denn die Mädchen kamen wieder. In den Händen zwei große Schalen mit Sand und zierlichen Löffeln.
Sie lachte auf. „Sand mit Löffeln essen … das sieht vermutlich schon etwas seltsam aus.“
„Ob du den Sand mit dem Löffel, den Fingern oder sonst wie isst, ist mir völlig gleich. Doch du wirst ausreichend Nahrung zu dir nehmen.“
Die Herrin brauchte sie jedoch nicht weiter aufzufordern. Das Wüstenkind schlang heißhungrig die gesamte Schale mit Sand hinunter und fast die Hälfte der anderen Schüssel. Dann erst reckte sie sich ausgiebig. Folgsam ging sie den Mädchen nach in die Baderäume. Als sie wiederkam, sah sie erstaunt auf die Wachen, die Möbel aus einem der Räume schleppten und Fenster und Türen verbarrikadierten.
„Was wird das denn?“
„Die Wachen richten den Raum für das Verhör her.“
„Hier? Du hast geeignetere Räume dafür.“
Die Herrin winkte die Männer hinaus und sprach leise und vorsichtig: „Du weißt aber nicht, was du hören wirst. Ich möchte sichergehen, dass niemand – bestimmte – Dinge erfährt.“
Das Wüstenkind nickte grimmig. Wenn herauskäme, dass sie von einer anderen Welt kam, würde das verheerende Folgen haben. Diese Kultur war einfach nicht dazu geeignet, einen Kontakt mit anderen Welten zu überstehen. Sie hatte ihr Geheimnis bisher erfolgreich verbergen können, aber nur, weil sie durch ihre Mutter ebenfalls ein Mensch dieser Welt war. Damit log sie nicht, wenn sie sich als Einheimische bezeichnete. Eine direkte Lüge würden die meisten der Sippenführer erkennen.
Sie blickte sich aufmerksam um. „Lass noch Vorhänge anbringen, die alles was dahinter ist, verbergen. Und ich möchte, dass du dich am Ende des Raumes aufhältst. Du wirst nicht in die Nähe der Gefangenen kommen.“
Die Herrscherin runzelte die Stirn.
„Es sind drei. Und die Wachen werden den Raum verlassen müssen. Ich möchte absolut sicher gehen, dass dich niemand angreifen kann. Diese Männer haben nichts mehr zu verlieren.“
„Wozu die Vorhänge?“
Das Wüstenkind lächelte: „Sie werden glauben, die Wachen wären dahinter verborgen. Und deine Sklaven sollten vielleicht auch nicht sichtbar sein.“
Die Herrin bedeutete den beiden Männern, sich hinter die Vorhänge zu stellen. „Entweder ihr verlasst den Raum, oder ihr bleibt hier stehen und gebt keinen Laut von euch. Ihr macht euch auf keinen Fall bemerkbar.“
Perry Rhodan und Atlan nickten.
Die Wachen brachten die drei Männer herein und zwangen sie brutal auf die Knie.
„Ausziehen!“ zischte das Wüstenkind.
Einer der Männer bäumte sich unter dem brutalen Griff auf. „Ihr Barbaren werdet dafür bezahlen. Das akonische Reich wird euch … aaaaaaaahh.“ Er krümmte sich schreiend vor Schmerz zusammen.
Ein heller Blitz war durch den Raum gezuckt und hatte seine Handfläche schwarz verbrannt. Perry Rhodan und Atlan starrten das Wüstenkind an. Atlan schluckte, das hatte er schon einmal gesehen – und nicht erkennen können, wie sie das gemacht hatte.
„Du wirst nur reden, wenn du gefragt wirst. Und dann wirst du die Wahrheit sagen. Jeder Versuch zu lügen, wird bestraft.“
Das Wüstenkind musterte die Gefangenen. Der eine hatte ja gerade von Akon gesprochen. Und die samtbraune Haut und die dunklen Haare mit dem rötlichen Schimmer darin wiesen zwei von ihnen auch eindeutig als Akonen aus. Der Dritte jedoch … er sah aus wie ein x-beliebiger Terraner mit seinen hellbraunen Haaren, den grünblauen Augen und der hellen Haut. Da der eine noch immer vor Schmerz wimmerte, wandte sie sich an den zweiten Gefangenen.
„Dein Name?“
Der Mann schluckte, sein Blick zuckte immer wieder zwischen der deutlich erkennbaren Brandwunde und der Frau hin und her.
„Sanbo ta Menorin.“
„Von welcher Welt kommst du?“
„Von Akon.“
„Seit wann bist du auf unserer Welt? Nach unserer Zeitrechnung.“
„Seit fast zwei Monden.“
Das stimmte. Sie wusste, dass seitdem kein Schiff mehr gelandet war. Schließlich spürte sie dies immer, ganz egal, wo ein Raumschiff in die Atmosphäre eindrang. Ebenso wie sie durch ihre Verbindung zu den Schutzgeistern der Welt fühlte, wo ein solches Schiff ungefähr landete. Also waren die Männer mit dem gleichen Schiff gekommen, das ihren Vater und Atlan gebracht hatte. Sie mussten von ihnen wissen.
„Was wollt ihr bei uns? Ihr solltet wissen, dass wir keinen Kontakt mit euch wollen.“
In die Augen des Mannes trat Angst. „Ich bin nicht berechtigt, dies preiszugeben. Ich …“ er stotterte vor Furcht, dass ihn ein ebenso schmerzhafter Blitz treffen würde. „Ich habe einen Eid geschworen. Ich darf nicht reden.“
Das Wüstenkind nickte. Der Mann sprach die Wahrheit, das war deutlich zu spüren. Damit war dies eine Einschränkung, die sie auf jeden Fall akzeptieren musste. Auch wenn die Terranerin in ihr anders handeln könnte.
Sie blickte den anderen Akonen an.
„Dein Name?“
Der Mann knirschte mit den Zähnen, antwortete aber: „Treben ta Zumboran.“
„Auch von Akon?“
Er nickte nur. Das Wüstenkind sah ihn finster an, akzeptierte die stumme Antwort jedoch.
„Weshalb seid ihr hierhergekommen?“
„Wir suchen Rohstoffe für unsere Welten.“
Ihre Stimme wurde drohend: „Das ist nicht die ganze Wahrheit, Fremdweltler. Ich dulde keine Täuschung. Rede!“
Der Mann blickte sie wütend an. „Selbst wenn wir noch andere Gründe hätten, würden sie euch nichts angehen. Das sind Dinge, die nichts mit euch zu tun haben.“
„Ihr seid auf unserer Welt. Damit geht uns alles an, was ihr macht. Ich frage dich nicht noch einmal. Antworte!“
Keine zwei Sekunden später wälzte sich der Akone schreiend am Boden. Diesmal hatte der Blitz ihm einen feurigen Striemen quer über den Oberkörper gebrannt.
Hinter den Vorhängen schluckten die beiden Männer nur noch. Abgesehen davon, dass sie eine derart barbarische Folter grundsätzlich ablehnten – wie machte Marian das? Eine Waffe konnte es nicht sein, ihre Hände waren leer – und außerdem kannte diese Welt keine Technik dieser Art. Und doch kamen diese heißen Feuerblitze eindeutig aus ihrer Hand. Beide erinnerten sich an die Worte, die sie Atlan gesagt hatte: ‚Ich habe mich sehr verändert‘.
Das Wüstenkind wandte sich derweil völlig gelassen an den dritten Mann, der sie mit aufgerissenen Augen anstarrte.
„Dein Name?“
„Marten. Lieutenant Ken Marten.“
„Von der gleichen Welt?“ Sie stellte sich vorsorglich völlig unwissend, obwohl sie fast zusammengezuckt wäre. Lieutenant? Das würde bedeuten, er wäre von der SolAb. Wie kam dieser Mann auf ein akonisches Schiff?
Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich stamme von Terra.“
„Du gehörst jedoch zu diesen Männern?“
„Nicht wirklich. Das ist kompliziert.“
Das Wüstenkind konzentrierte sich. Irgendetwas verbarg dieser Mann, doch sie konnte noch nicht erkennen, wobei er nicht die Wahrheit sagte.
„Du hast Zeit. Erkläre es.“
Der Mann schluckte. Dann begann er zu berichten. Er habe die Akonen getäuscht und sie dazu gebracht, ihn mit hierher zu nehmen. Terra wüsste natürlich, dass diese Welt nicht angeflogen werden durfte und so hatte er diesen Weg nehmen müssen. Er hätte keine andere Wahl gehabt. Zwei seiner Herrscher seien verschwunden und seine Leute hätten herausgefunden, dass man sie hierher verschleppt hatte. Er hoffe, dass die Herrscherin dieser Welt Verständnis dafür habe, dass er alles dafür geben würde, seine Herrscher zu finden.
Das Wüstenkind ließ ihn ausreden, obwohl ihre Miene immer finsterer wurde. Oh nein, der Mann hatte keine direkte Lüge ausgesprochen – und doch war nichts von dem, was er sagte wahr.
„Du lügst.“ Gleichzeitig verbrannte sie ihm den Arm.
Sie wandte sich dem verängstigten Akonen zu. „Ihr habt diesen Mann mitgenommen?“
Der Gefangene nickte eilig.
„Wusstet ihr, weshalb er hierher wollte?“
Wieder das hastige Nicken, doch diesmal erkannte das Wüstenkind seine Erleichterung darüber, dass er dies bestätigen konnte, ohne die ganze Wahrheit preisgeben zu müssen.
„Er wollte seinen Herrschern helfen?“
Der Akone begann sich zu winden.
„Antworte!“
Er schrie, als der Blitz ihn traf und stammelte schreiend: „Er suchte sie. Mehr weiß ich nicht. Bitte!“
„Du lügst. Du kennst die Wahrheit. Aber ich akzeptiere, dass du mehr Angst davor hast zu sprechen, als zu schweigen.“
Damit wandte sich das Wüstenkind wieder an den Terraner: „Und jetzt wirst du mir deine Geschichte noch einmal erzählen, Fremdweltler. Und diesmal möchte ich die Wahrheit hören. Es sei denn, du willst bei lebendem Leib verbrennen.“
Sie musste den Mann noch mehrmals foltern, bis sie endlich die Wahrheit erfuhr. Und je mehr das Wüstenkind hörte, desto wütender und aufgebrachter wurde sie.
Ken Marten war ein Doppelagent. Seit Jahren hatte er bei der SolAb auf eine Beförderung gewartet, die jedoch nie ausgesprochen wurde. Seiner Meinung nach eine absichtliche Benachteiligung seitens seiner Vorgesetzten. Seine Wut darüber war immer größer geworden. Das hatte der akonische Geheimdienst genutzt und ihn als Spion angeworben. Marten war es gewesen, der den Akonen geholfen hatte, die Falle für Perry Rhodan und Atlan aufzubauen.
Die Akonen hatten jedoch nicht gewagt, diese Männer selbst zu töten. Sie hatten nicht vor, sich eventuell für den Mord an zwei der mächtigsten Männer der bekannten Galaxis verantworten zu müssen. Deshalb hatten sie ihre Gefangenen auf diese Welt gebracht. Wenn der Großadministrator und Lordadmiral Atlan von den Einheimischen ermordet wurden, konnten sie sich als völlig unbeteiligt darstellen. Die Akonen hatten jedoch völlig sicher sein wollen, dass die verhassten Gegner für immer unschädlich gemacht waren, und hatten deshalb ein kleines Kommando auf dieser Welt abgesetzt. Die drei Männer waren entsetzt gewesen, als sie die gewaltige Explosion bemerkt hatten, die ihr Schiff zerstörte. Damit waren sie auf dieser Welt gefangen.
Dann hatten sie erfahren, dass aus den Minen Gefangene herausgeholt worden waren. Der Hass des Terraners war so groß, dass er bereit gewesen war, sein Leben zu riskieren, um sicherzugehen, dass der Großadministrator und Lordadmiral Atlan wirklich getötet wurden.
Doch die Akonen wollten überleben und hatten einen Plan entworfen. Sie hatten beschlossen, das Wüstenkind zu töten. Sie vermuteten, dass die Herrscherin zusammen mit dem Wüstenkind für das Kraftfeld – oder was immer es auch war –verantwortlich waren, das ihre Schiffe zerstörte. An die Herrscherin heranzukommen war nicht möglich, doch das Wüstenkind zeigte sich ohne jeden Schutz in der Öffentlichkeit. Die Männer waren sicher gewesen, dass mit dem Tod des Wüstenkindes dieses Kraftfeld zerstört werden würde. Damit wäre dann die Gefahr für ihre Schiffe gebannt, und könnten endlich auf dieser Welt Fuß fassen.
Der Terraner hatte große Hoffnung gehabt, mit dieser Aktion auch herausfinden zu können, was aus Perry Rhodan und Atlan geworden war. Und wenn sie noch lebten, wollte er dafür sorgen, dass sie als Fremdweltler erkannt und getötet wurden.
Weißglühend vor Zorn hob das Wüstenkind die Hand … sie wusste selbst nicht, ob sie den Mann weiter foltern oder töten wollte.
„Das genügt, Wüstenkind!“
Der Befehl war von einer Eindringlichkeit, dass selbst die beiden Männer hinter den Vorhängen erstarrten. Einen Moment waren sie nicht in der Lage, auch nur einen Finger zu rühren. Bis sie begriffen, dass der Befehl nicht ihnen galt. Zum ersten Mal erkannten Perry Rhodan und Atlan die volle Kraft dieser Frau. Sie konnte mit dem Blick ihrer Augen – oder auch mit Worten – andere jederzeit dazu bringen, ihr zu gehorchen. Ohne jedoch deren Willen auf Dauer zu brechen.
Das Wüstenkind erstarrte zur Bewegungslosigkeit. Ganz langsam ließ sie die Hand wieder sinken, atmete keuchend aus und wandte sich ab. Die Herrscherin ließ sie in Ruhe. Sie spürte die ohnmächtige Wut der jungen Frau derart stark, dass sie sich fast wunderte, dass das Wüstenkind ihrem Befehl ohne weiteres Folge leistete.
Die Herrin rief die Wachen herein und befahl ihnen, die Gefangenen in die Sümpfe zu bringen. Trotz der verzweifelten Gegenwehr wurden die drei sicher gebunden und weggebracht. In wenigen Stunden würden sie in dem Moor vor der Stadt sterben.
„Wüstenkind. Kannst du mir etwas erklären?“ Die Herrscherin wusste, dass die Freundin jetzt ihre Hilfe brauchte. Und reden würde ihr helfen.
Die junge Frau starrte weiterhin regungslos durch die festen Gitter der Fenster hinaus. Sie bemerkte nicht, das ihr Vater und Atlan leise in den Raum traten und erst auf einen Wink der Herrscherin stehenblieben. Diese blickte die Sklaven nur kurz an und schüttelte den Kopf. Dann wartete sie.
Ganz leicht nickte das Wüstenkind.
„Ich verstehe nicht, wie dieser Mann denkt. Er hat – nach seinen Worten – seinem Herrscher einen Eid geschworen. Wenn er damit nicht mehr einverstanden war, wieso hat er den Eid nicht zurückgenommen und ist dann zu diesem anderen Volk gegangen? Wie kann man seinen Herrscher belügen und sogar töten wollen?“
Leise begann das Wüstenkind zu lachen – bitter und grimmig.
„Nein, das verstehst du nicht. Wie solltest du auch? Niemand hier könnte so handeln, einen solchen Verrat begehen.“ Ihre Stimme war heiser. „So denken nur zivilisierte Völker. Sie haben längst verlernt, was Ehrlichkeit ist.“
„Bist du jetzt nicht etwas ungerecht? Ich kenne die Denkweise der anderen Völker nicht, aber glaubst du nicht, dass auch sie ehrlich sein können?“
„Vielleicht.“ Das Wüstenkind keuchte leise auf. „Ich muss hier raus!“
Hastig bedeutet die Herrin den beiden Sklaven, zurückzutreten. Sie spürte, dass das Wüstenkind jetzt keine Konfrontation mit ihnen ertrug. Rasch öffnete sie die Tür. „Geh, Wüstenkind. Erhole dich.“
Immer noch mit geballten Fäusten, den Körper angespannt, als ob sie kurz vor einem Kampf stünde, eilte das Wüstenkind hinaus und lief wie gejagt zu den Ställen. In wilder Hast ritt sie dann in die Wüste hinaus – dorthin, wo sie immer Frieden fand.
„Nun“, murmelte die Herrscherin hinter ihr her. „Wenn ein solches Denken ein Zeichen von Zivilisation ist, hoffe ich doch sehr, dass wir immer Barbaren bleiben. Langsam begreife ich, weshalb du unsere Welt als Paradies bezeichnest.“
Perry Rhodan und Atlan waren froh, dass sie sofort weggeschickt wurden. Was sie gesehen und gehört hatten, hatte sie mehr mitgenommen, als sie sich anmerken lassen durften. Der Verrat des Agenten war dabei jedoch noch das Geringste. Eine gewisse Anzahl an Verrätern gab es immer, man musste damit leben. Auch wenn die Bemerkung der Herrscherin einer primitiven, barbarischen Welt, der sie sich weit überlegen fühlten, die beiden Männer sehr beschämt hatte.
Das Verhör selbst beschäftigte sie jedoch weitaus mehr. Nicht nur Marians erstaunliche Fähigkeit, ohne jede Waffe Feuerblitze zu erzeugen – wie auch immer sie das machte. Perry Rhodan und Atlan waren sich noch nicht einig darüber, ob es nicht doch ein Trick war. Ob Marian nicht irgendeine chemische Substanz an den Händen hatte, mit der dies möglich war.
Kein Trick war jedoch Marians verblüffende Sicherheit, welche Aussage wahr war, und wann sie angelogen oder auch nur getäuscht wurde. Die Männer hatten immer wieder bemerkt, dass die Herrscherin ihre Mitmenschen völlig durchschaute. Sie schien sogar eine gewisse empathische Fähigkeit zu haben, da sie die beiden Männer – nach Marians Aussage – sofort erkannt hatte. Und Marian schien ähnliche Fähigkeiten zu haben.
Perry und Atlan diskutierten stundenlang darüber – um schließlich zu dem Ergebnis zu kommen, dass sie abwarten mussten. Irgendwann würde Marian sie befreien können, und dann würden sie – hoffentlich – erfahren, was mit ihr geschehen war.
Nach zwei Tagen kam das Wüstenkind wieder. Sie hatte ihre Ruhe wiedergefunden. Lächelnd ließ sie sich die liebevolle Fürsorge der Dienerinnen gefallen, die ihr begeistert immer wieder besondere Leckereien servierten. Doch dann schickte die Herrscherin die Mädchen hinaus.
„Es gibt noch einiges zu klären, Wüstenkind.“
Diese nickte: „Woher wussten die Fremdweltler so viele Einzelheiten über uns? Diese Dinge können sie nicht selbst herausgefunden haben.“ Das Wüstenkind zog die Augen zusammen. „Ich hätte sie weiter befragen sollen. Wir müssen herausfinden, von wem sie dies alles erfahren haben.“
„Weitere Fragen waren nicht notwendig. Ich wusste es, sobald sie die ersten Sätze gesagt hatten. Es war der Priester.“
Die junge Frau starrte ihre Herrscherin einen Moment fassungslos an. Dann ließ sie sich in die Polster sinken. „Das ist unmöglich. Er ist ein Idiot und kann mich nicht ausstehen. Aber er würde dich niemals hintergehen. Zu einem solchen Verrat ist er nicht fähig – auf keinen Fall.“
„Nicht absichtlich. Aber dennoch wurde der Zusammenhang eindeutig. Die Informationen über uns – und über dich – wurden den Fremdweltlern von dem Priester gegeben. Wie – und warum – das konnte ich nicht erkennen.“
Das Wüstenkind lehnte sich zurück und dachte nach. Dann nickte sie. „Nein, er hatte niemals vor, dich zu verraten, kein Mensch hier kann einen derartigen, bewussten Verrat ausüben. Aber wenn man ihm eine passende Geschichte erzählt hat, eine geschickte Mischung aus Wahrheit und Täuschung – auf keinen Fall eine Lüge, die hätte er erkannt – dann würde er dies geglaubt haben. Er kann ja gar nicht auf die Idee kommen, dass man ihn so geschickt täuschen könnte. Diese Vorstellung gibt es für ihn nicht. Die Fremdweltler müssen ihm nur glaubhaft gemacht haben, dass er dir auf keinen Fall schadet. Er ist machtgierig. Wenn er eine Chance gesehen hat, seine Stellung zu stärken, hätte er auf jeden Fall zugegriffen.“
Die Herrscherin nickte. „So könnte es gewesen sein. Doch eine solche Geschichte muss man erst erfinden können. Das ist nicht gerade einfach.“ Sie runzelte die Stirn. „Ich könnte es nicht. Und ich wüsste auch nicht, wie ich eine solche Lüge aussprechen sollte.“
Jetzt lachte das Wüstenkind. „Oh, es war ein Terraner bei ihnen. Da ist das durchaus wahrscheinlich. Terraner sind Meister im Bluffen. Dafür sind sie berühmt – und berüchtigt.“
„Im – was?“
„Bluffen.“ Das Wüstenkind grinste ihre Herrscherin an. „Mit dem unschuldigsten Gesicht die unglaublichsten Dinge so anbringen, dass der andere sie glaubt. Oder Dinge zu behaupten, von denen man keine Ahnung hat – so überzeugend, dass jeder sie für wahrhaftig und völlig zutreffend hält. Ein Terraner kann dir eine Lügengeschichte so wahrhaftig und überzeugend erzählen, dass du niemals auch nur auf die Idee kommst, es könnte nicht stimmen.“
„Hm, du bist sehr stolz darauf, dass sie diese seltsame Fähigkeit haben.“
Das Lächeln des Wüstenkindes erlosch, sie wandte sich ab. War sie stolz darauf? Stolz, dass ihr Volk perfekt lügen konnte? Denn im Grunde genommen war bluffen nichts anderes.
Die Herrscherin legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter und zog sie herum. „Ein Teil von dir wird immer außerhalb der Wüste leben. Willst du diesen Teil tatsächlich leugnen? Oder sogar vernichten?“
Das Wüstenkind hob den Blick und schüttelte den Kopf. „Nein! Nein, das will ich nicht. Selbst wenn ich es könnte – und ich glaube nicht, dass das möglich wäre. Dieser Teil gehört zu mir. Ich wäre nicht vollständig ohne ihn.“
Sie lächelte und die Herrin lächelte zurück. „Das denke ich auch.“
„Aber jetzt geht es um die Probleme des Wüstenkindes und unserer Welt. Und damit wird dieser Teil von mir in den Hintergrund treten. Es gibt Wichtigeres. Was wirst du mit dem Priester machen?“
„Ich werde herausfinden, ob er dich bewusst verraten hat oder nicht.“
„Mit Sicherheit nicht. Den Fremdweltlern diese Informationen bewusst und gewollt zu geben, wäre nicht nur Verrat mir gegenüber, sondern auch gegen dich. Das ist dem Priester nicht möglich. Niemand auf dieser Welt stellt sich gegen dich. Hast du ihn gesehen, seit ich vergiftet wurde?“
„Nein, was an sich schon seltsam ist. Egal, wie er zu dir steht, ich hätte doch vermutet, dass er kommt und nach Einzelheiten fragt.“
Das Wüstenkind lächelte leicht. „Nicht, wenn er sich vor Angst verkrochen hat. Er muss begriffen haben, dass die Fremden ihn benutzt haben.“
„Er wird mir Rede und Antwort stehen. Und danach wird er sterben. Du bist seinetwegen beinahe getötet worden. Er wird durch dich sterben.“
„Erspare mir das.“
Die Herrscherin war erstaunt. „Du willst ihn nicht bestrafen?“
„Er spielt keine Rolle. Er ist den Fremdweltlern weit unterlegen. Ihre Art zu Denken ist ihm zu fremd. Er hatte keine Chance, ihren Betrug zu erkennen. Natürlich muss er sterben. Er hat Fremdweltler gedeckt, anstatt sie den Wachen zu übergeben. Doch ich lege keinen Wert darauf, ihn selbst zu töten.“ Das Wüstenkind überlegte kurz. „Musst du ihn sofort töten? Oder kannst du seinen Tod etwas hinauszögern?“
„Warum das?“
„Ich habe da eine Idee. Ich muss erst einiges überprüfen. Aber wenn meine Vermutung sich bestätigt, könnte ich den Priester noch gebrauchen. Mit ihm weiß ich umzugehen. Stirbt er, und du wählst einen neuen Priester aus, weiß ich das nicht.“
„Dann wird er so lange leben, bis du ihn nicht mehr benötigst. Er wird jedoch wissen, dass er sterben wird.“
Die Herrin rief eines der Mädchen und beauftragte sie, den Priester in den Palast zu rufen.
„Ich verschwinde. Du brauchst mich nicht, um ihn zu verhören. Es wird für ihn schlimm genug sein, sich vor dir verantworten zu müssen. Wäre ich dabei, wäre es noch demütigender für ihn.“
„Das hätte er mehr als verdient.“
„Ich brauche diese Genugtuung nicht.“
Das Wüstenkind wollte den Raum verlassen, als zwei Dienerinnen bittend auf sie zutraten. „Vielleicht wärst du bereit, dich von uns baden zu lassen? Wir haben neue Duftöle für dich bereitet.“
„Sonne und Wind, Invila, langsam habe ich das Gefühl, ihr überlegt den ganzen Tag nichts anderes, als wie ihr mir irgendetwas Gutes tun könnt.“
„Wir möchten dich erfreuen, Wüstenkind. Schließlich sind es nur noch zwei Tage bis …“, sie brach ab, als der warnende Blick der Herrin sie traf.
„Bis was?“ hakte das Wüstenkind jedoch sofort nach.
Die Herrscherin seufzte. „Bis zum Fest. Und die Mädchen versuchen, dir dieses Zeit so schön wie möglich zu machen, damit du keine schlechte Laune bekommst.“
„Wüstenwind! Dieses dämliche Fest habe ich völlig vergessen. Wann ist das?“
„In zwei Tagen.“
Das Wüstenkind seufzte entsagungsvoll, dann wandte sie sich an die Dienerin. „Schön, ich probiere eure neuen Mischungen aus. Vielleicht helfen sie tatsächlich.“
Zwei Tage später sah das Wüstenkind in die flirrende Mittagshitze hinaus. „Ich reite noch etwas.“
„Das wird nicht möglich sein.“
Verblüfft wandte sie sich um. „Warum? Dein Fest fängt erst kurz vor Sonnenuntergang an. Es ist gerade erst Mittag.“
„Ja, aber du musst dich schließlich noch passend dazu kleiden.“
„Sonne und Sand! Herrin, wie lange glaubst du, brauche ich, um in irgendein Kleid zu schlüpfen – ganz egal, was immer du ausgesucht hast?“
Jetzt lachte die Herrscherin sie an: „Oh, die Mädchen werden dich sorgfältig für das Fest einkleiden. Sie sind schon den ganzen Morgen mit den Vorbereitungen dafür beschäftigt. Sie werden dich sehr bald holen.“
„Vorbereitungen? Herrin“, seufzte das Wüstenkind. „Was hast du dir da ausgedacht?“
„Du bist eine schöne Frau. Und heute Abend wirst du endlich auch einmal so aussehen. Ich habe selten genug die Gelegenheit, dich wirklich festlich gerichtet zu sehen. Und du wirst die Mädchen machen lassen, darauf bestehe ich.“
Als hätten sie auf ihr Stichwort gewartet, betraten drei vor Freude kichernde Mädchen den Raum. „Wüstenkind, da bist du ja. Wir haben das Bad für dich gerichtet. Du wirst staunen.“
Dieses warf ihnen einen entsagungsvollen Blick zu und sah dann die Herrin an. „Nützt es etwas, um Gnade zu flehen?“
„Absolut nichts.“
Seufzend zuckte sie mit den Schultern und ging mit den Mädchen hinaus. Es dauerte erstaunlich lange, bis die Mädchen sie zurückbrachten. Zwei von ihnen hielten die Vorhänge beiseite, zwei weitere führten die junge Frau herein. Sie trug nichts als ein dünnes Tuch um den Körper geschlungen.
Verdutzt sah das Wüstenkind auf die mit weichen Tüchern ausgelegten Liegen, die im Raum standen. Niedrige Hocker standen daneben. Auf den Tischen befanden sich unzählige Schalen und Schälchen, weitere Tücher, Pinsel, Pinzetten, Kämme und weitere Dinge, die sie so rasch gar nicht erkennen konnte.
„Was wird das denn?“
Die Mädchen prusteten los. „Leg dich einfach hin, Wüstenkind. Du brauchst nichts zu tun. Lass uns machen.“
Kopfschüttelnd gehorchte die junge Frau und legte sich bäuchlings auf eine der Liegen. Die Mädchen massierten sie und rieben sie mit duftenden Essenzen ein. Rücken, Arme, Gesäß. Als eine von ihnen ihr die Beine auseinanderdrückte und sich dazwischen setzte, begann sie jedoch zu knurren. „Was soll das jetzt?“
Doch die Dienerin lachte nur. „Halt still.“
Vorsichtig massierte sie dem Wüstenkind die Schenkel und rieb auch hier Duftöl in die Haut. Schließlich bedeuteten sie der Frau, sich umzudrehen und auf die andere Liege zu legen. Nun arbeiteten gleich mehrere Mädchen an ihr. Eine schnitt ihr die Haare und frisierte sie. Zwei weitere feilten die Nägel und entfernten jedes unnötige Häutchen an den Händen. Ebenso wurden ihre Füße bearbeitet.
Das Gesicht wurde sanft massiert, ebenso der Körper und die Beine. Auch hier wurden dabei wohlriechende Öle in die Haut gerieben. Besonderes Augenmerk legten die Mädchen dabei eindeutig auf ihre Brüste. Während eines der Mädchen begann, dem Wüstenkind das Gesicht apart und gleichzeitig verführerisch reizvoll zu schminken, setzte sich eine andere leise kichernd zwischen ihre Beine und begann ihre Scham zu massieren und zu kämmen.
Das Wüstenkind runzelte die Stirn, was ein sofortiges „Nicht, Wüstenkind. Halte still!“ zur Folge hatte. Als das Mädchen jedoch anfing, gezielt an ihren Schamhaaren zu zupfen, fragte sie sarkastisch: „Suchst du irgendetwas Bestimmtes?“
Doch wieder kicherten die Mädchen nur. „Lass uns machen, Wüstenkind. Du wirst wunderschön aussehen.“
Das Wüstenkind blieb einen Moment still. Dann fragte sie: „Sagt mal, gehe ich nackt auf das Fest?“
„Aber nein, natürlich nicht.“
„Warum dann diese Prozedur? Wie ich unter dem Kleid aussehe, ist doch völlig gleichgültig.“
„Oh, nein.“ Wieder lachten die Mädchen fröhlich. „Und jetzt halt still. Nicht mehr reden.“
Das Wüstenkind ergab sich in ihr Schicksal. Schließlich ließ sie sich von den Mädchen aufhelfen – mit geschlossenen Augen, wie es ihr befohlen wurde. Nackt stand sie im Raum, während die Mädchen sie kichernd anzogen. Ein schleierartiges Gewand, das aus mehreren fast durchsichtigen Tüchern bestand, wurde geschickt um sie gewunden.
Schließlich durfte sie die Augen öffnen. Sie sah in den Spiegel. Das Gesicht, das ihr da entgegensah war ihr eigenes und doch fremd. Die Augen wirkten größer und leuchteten regelrecht. Ihre Haut schimmerte sanft und der Mund – nun, den konnte man nur als Verführung bezeichnen.
Ihr Blick wanderte an ihrem Körper hinunter: Die Tücher waren so geschickt gebunden, dass ihre Brüste teilweise bedeckt waren und doch durch den Stoff hindurchschimmerten. Ihre Brustwarzen waren dank der dunkel gefärbten Öle deutlich erkennbar. Der Ausschnitt des Gewandes reichte bis fast zum Nabel. Der Rockteil war lang, doch nicht geschlossen. Bei jeder Bewegung öffneten sich die Stoffbahnen und zeigten die Haut ihrer Beine. Selbst um die Hüften waren die Tücher leicht durchsichtig, so dass ihre Schambehaarung als ein dunkles Dreieck zu erkennen war.
„Interessant“, brachte die junge Frau schließlich heraus. „Warum gehe ich eigentlich nicht gleich völlig nackt? Sehr groß ist der Unterschied nicht.“
„Oh doch, Wüstenkind. Es ist sogar ein unglaublicher Unterschied. Und das weißt du genau. Jeder Mann und jede Frau wird bei deinem Anblick Verlangen verspüren und sich wünschen, mit dir die Nacht verbringen zu dürfen.“ Die Herrin betrachtete sie wohlgefällig, dann wandte sie sich an die Mädchen. „Ich danke euch. Ihr habt hervorragende Arbeit geleistet. Das Wüstenkind sieht sehr begehrenswert aus.“
„Wie gut, dass Nikola da ist. Das erspart es mir dann wohl, ständig eindeutige Angebote ablehnen zu müssen. Deine Gäste werden wohl akzeptieren, dass ich meine Gefährtin vorziehe.“
Sie wandte sich um. Die Herrscherin hielt ihr ein Paar Schuhe entgegen, die fast nur aus Absätzen und Riemchen bestanden. Mit hochgezogenen Brauen sah das Wüstenkind sie an.
„Schuhe? Hierzu? Da hätte ich jetzt gesagt, barfüßig würde besser passen.“
„Womit du auch völlig Recht hast. Doch in diesem Gewand sollte man sich auch entsprechend bewegen. Die Schuhe zwingen dich dazu, einen dementsprechenden Gang anzunehmen.“
Jetzt lachte das Wüstenkind auf. „Und du glaubst, ich könnte das barfüßig nicht? Meine liebe, hochgeschätzte Herrin, ich bin eine Frau. Wenn ich will, kann ich mich durchaus auch so bewegen.“
Sie blickte in den Hintergrund des Raumen, wo ihr Vater und Atlan standen und interessiert die Vorgänge verfolgt hatten. Sie hatten beide sprachlos die Verwandlung des Wüstenkindes in eine äußerst verführerische Frau mitangesehen. Dieses Kleid – wenn man es überhaupt als solches bezeichnen konnte – war allerdings schon weit über der Grenze dessen, was sie als geeignete Bekleidung für die Öffentlichkeit ansahen.
„Schenk mir mal bitte ein Glas Wasser ein.“
Irritiert befolgte Atlan die Anweisung. Dann fiel ihm das Glas jedoch fast aus der Hand. Marian ging auf ihn zu. In einem Gang, den man nur noch als Aufforderung zum Sex bezeichnen konnte. Mit einem dazu passenden Lächeln nahm sie ihm das Glas aus der Hand. „Danke“, schnurrte sie. Atlan starrte sie nur an.
Dann drehte sich das Wüstenkind sich um und sah die Herrin lächelnd an. „Und? Bist du zufrieden?“
Diese gab die Schuhe den Mädchen. „Bringt sie zurück. Sie werden nicht gebraucht.“ Dann lächelte sie das Wüstenkind an: „Doch ich bin sogar äußerst zufrieden. Und lass den armen Sklaven in Ruhe. Du bringst ihn völlig durcheinander.“
„Oh, ich bin sicher, er ist Kummer gewöhnt. Er lebt ja nun schon einige Zeit hier“, konterte das Wüstenkind.
„Biest“, lachte die Herrin. „Hältst du das auch den ganzen Abend durch?“
„Aber sicher.“
Kurz vor Mitternacht hörten die beiden Männer Schritte und unterdrücktes Gelächter. Dann öffnete sich die Tür und ein junges Mädchen stürmte in den Raum. Sie ließ sich auf die niedrigen Polster fallen und begann hemmungslos zu lachen. Hinter ihr betrat das Wüstenkind den Raum, auch sie begann, sofort nachdem sie die Tür wieder geschlossen hatte, ausgelassen zu kichern.
Perry Rhodan starrte seine Tochter entsetzt an. Sie war nackt, aber mit unzähligen, verbrannten Stofffetzen bedeckt.
„Hast du gesehen, wie Schindor gesprungen ist? Oh, es war herrlich. Ich bin fast geplatzt vor Lachen. Ach, Wüstenkind, das war so spaßig. Und ihre Gesichter …“, das junge Mädchen konnte nicht mehr weitersprechen, sie schüttelte sich vor Lachen.
Das Wüstenkind lachte laut auf. „Oh ja.“
Sie wandte sich um, als sich die Tür wieder öffnete und schaffte es mühsam, ihr Kichern zu unterdrücken. Die Herrin trat in den Raum. Das Wüstenkind ließ sich auf die Knie nieder und auch das Mädchen fuhr sofort von den Polstern hoch und kniete hin. Doch sie bebte dabei vor Lachen.
Seufzend sah die Frau von einer zur anderen. Als sie wieder aufstanden, zwang sie einen missbilligenden Ausdruck in ihr Gesicht.
„Oh, bitte, Herrin. Nicht böse sein. Es war doch wundervoll.“ Das junge Mädchen konnte kaum aufhören zu kichern.
„Du badest wohl erst mal, bevor du mir hier alles voller Ascheschnipsel machst.“
Das Wüstenkind sah kichernd an sich hinunter. „Wird das Beste sein. Mach nicht so ein strenges Gesicht, Herrin. Du wusstest, dass dieses reizende Nichts den Abend nicht überlebt.“
„Ja. Und das Kleid interessiert mich nicht. Aber musstest du Schindor derart verbrennen? Seine Verletzungen können dauerhaft sein.“
Das Wüstenkind schüttelte den Kopf und löste damit einen Ascheregen aus. Rasch trat sie in das Bad, ließ aber die Tür offen. Während sie sich Wasser über den Körper schüttete, rief sie: „Nein, ich habe sehr gut gezielt. Er wird einige Wochen immer wieder Schmerzen haben. Zumindest wenn er sich amüsieren will. Seine Gefährtin wird wohl etwas Ruhe vor ihm haben. Aber ich habe ihn nicht ernsthaft verletzt.“
„Musstet du ausgerechnet auf seine Hose zielen?“
„Er ist gehüpft wie ein Wüstenklindar“, lachte das junge Mädchen. Dann sprang sie zum Bad. „Ich helfe dir, Wüstenkind.“
„Bring mir lieber was zum Anziehen. Und wecke keine der Dienerinnen, die machen sonst einen Aufstand, dass ich erst in Stunden ins Bett komme.“
Lachend lief das Mädchen davon. Das Wüstenkind zog sich nun wieder ihre gewohnte Kleidung an. „Danke Nicki.“
Das Mädchen umarmte sie derart zärtlich, dass die Männer sich ihren Teil dachten. Dies war wohl die schon erwähnte Nikola. Und wenn sie das richtig verstanden hatten, auch Marians Geliebte. Sie schätzten sie auf höchstens 20. Schmal und zierlich gebaut war sie deutlich kleiner als Marian. Das Gesicht war eher rundlich mit den typischen dunklen Augen. Sie war hübsch. Sie erinnerte Perry Rhodan an irgendjemanden, doch er konnte nicht sagen an wen.
„Nun, auf jeden Fall hast du für Gesprächsstoff gesorgt. Und ich glaube nicht, dass noch einmal jemand versuchen wird, die Rede auf deine Herkunft zu bringen. Es war gut, dass du den Fürsten genauso begrüßt hast wie immer. Nur zu seiner Gefährtin könntest du wirklich ein wenig höflicher sein.“
„Levania kann froh sein, dass ich sie überhaupt begrüße. Die Frau ist unmöglich.“
„Ach, Wüstenkind. Sei nicht so streng mit Mutter. Sie kann nicht anders.“
Das Wüstenkind strich Nikola sanft über die Wangen. „Ich weiß es ja. Aber sie hat eine wundervolle Tochter. Ich werde nie begreifen, wie sie dir gegenüber derart gleichgültig sein kann.“
Nikola zuckte die Schultern. „Sie ist einfach so.“
Zwei Tage später verließ das Wüstenkind die kleine Stadt am Rand der Wüste. Perry Rhodan und Atlan brauchten all ihre Selbstbeherrschung, um geduldig auf ihre Rückkehr zu warten. Marian hatte ja sehr deutlich gemacht, dass sie selbst nichts zu ihrer Befreiung unternehmen durften und abwarten mussten. Doch die Zeit verging, und sie wussten nicht, was inzwischen auf Terra und Arkon geschah.
Es dauerte fast einen Mond – über fünf terranische Wochen – bis das Wüstenkind wieder in den Palast kam. Die Herrin hatte sie offenbar erwartet, denn sie zog sich sofort mit dem Wüstenkind zurück und sprach stundenlang alleine mit ihr. Niemand wusste, worum es ging. Schließlich tauchte das Gerücht auf, dass die Geister neue Kraft benötigten. Das Wüstenkind hatte dies gespürt und war deshalb wieder aus der Wüste gekommen.
Wie die Gefangenen erfuhren, waren die Abstände zwischen den Besuchen des Wüstenkindes meist wesentlich länger. Doch was dieses Gerücht bedeutete, konnten sie nicht erfahren. Fragen durften sie ja nicht, und diese Aussage schien für alle etwas völlig Alltägliches und Selbstverständliches zu sein.
Am nächsten Tag kam der Priester in den Palast. Er hatte sein selbstbewusstes Auftreten verloren und zeigte sich demütig und beflissen.
„Das Wüstenkind spürt, dass die Geister neue Kraft verlangen. Und auch ich habe diesen Eindruck seit einiger Zeit. Wir werden eine Opferung durchführen müssen.“
In die Augen des Priesters trat Angst, würde das sein Tod werden?
„Du wirst alles vorbereiten und die Opferung leiten.“ Die Herrscherin übersah sein Aufatmen.
„Wie du wünscht, Herrin. Hast du das Opfer schon gewählt?“
„Ja. Die beiden Sklaven werden den Geistern ihre Kraft geben. Es erscheint mir am sinnvollsten. Sie beginnen mich zu langweilen. Ich kann sie nicht freilassen, sie sind schwachsinnig und haben keine Sippe, die sich um sie kümmert.“
Die beiden Männer blickten überrascht auf, ihre Augen zuckten von der Herrscherin zum Wüstenkind. Doch diese ignorierte sie völlig.
„Eine kluge Entscheidung, Herrin. Ich werde die Sklaven vorbereiten.“
„Das wirst du. Doch das Tabu wird bestehen bleiben. Du wirst darauf achten, dass ihnen auf dem Weg durch die Wüste nichts geschieht und sie alles bekommen, was sie brauchen. Du wirst sie jedoch nicht anrühren.“
„Ja, Herrin.“
Die Herrscherin sah den Priester kalt an. „Nach der Opferung wirst du in die Wüste gehen und sterben.“
Die Blässe des Mannes verstärkte sich, er schluckte krampfhaft. Doch dann riss er sich zusammen und kniete nieder. „Ich gehorche, Herrin.“
„Wir werden in zwanzig Tagen aufbrechen, dann kann die Opferung zum nächsten großen Mond stattfinden.“ Sie wandte sich an das Wüstenkind. „Du wirst bis dahin bereit sein?“
Diese nickte.
Nachdem der Priester gegangen war, blickte die Herrscherin das Wüstenkind nachdenklich an. „Kannst du dir nicht einmal etwas ganz Einfaches einfallen lassen? Deine Ideen sind so kompliziert, dass es mich jedes Mal wundert, dass sie funktionieren.“
Die junge Frau grinste schelmisch: „Sie haben aber bisher immer funktioniert. Ter… gewisse Ideen sind berüchtigtermaßen ziemlich komplex und du suchst ohnehin schon lange nach einer Möglichkeit, die Opferung überflüssig zu machen.“
„Du suchst danach“, verbesserte die Herrin sie erheitert. „Es ist deine Vermutung, dass sie nicht notwendig sind. Bisher war jeder Herrscher – auch ich – davon überzeugt, dass die Geister in den Zeiten, in denen ein Wüstenkind lebt, ihre Kraft bekommen. Durch die dann möglichen Opferungen.“
„Ich bezweifle ernsthaft, dass dies ausreichen könnte, um mehrere Generationen lang die Welt zu schützen. Und alles, was ich bisher bemerkt habe, deutet darauf hin, dass die Geister die Kraft eines jeden Sterbenden aufnehmen können. Vorausgesetzt, derjenige ist dazu bereit. Ich war bei mehreren Sterbenden. Jeder, der dazu bereit war, konnte seine Kraft den Geistern geben. Ich habe es immer gespürt.“
„Das wird eine große Umstellung für das Volk.“
„Deshalb braucht es einen Grund für eine Änderung. Mein Plan gibt dir diesen Grund.“
„Und dir erspart es den Totentanz. Du verabscheust dieses Ritual.“
„Es ist eine völlig unnötige Grausamkeit. Ich habe mich damit abgefunden, so lange es notwendig war. Doch jetzt wäre die Gelegenheit, eine Änderung durchzusetzen.“
Die Herrin nickte. Doch sie hatte noch eine Sorge. „Wirst du danach bei uns bleiben?“
Das Wüstenkind sah sie erstaunt an. „Was meinst du damit?“ Dann verstand sie und lächelte. „Herrin, ich gehöre hierher. Freiwillig werde ich diese – meine – Welt nicht verlassen.“
Eine große Gruppe Menschen zog durch die Wüste. Die Wachen, die dafür sorgten, dass sich keiner zu weit entfernte, und ebenso auf Raubtiere achteten, die sich hin und wieder dem Zug näherten. Der Priester mit einigen jungen Männern, die sich um die Gefangenen kümmerten. Die Herrscherin mit ihren Dienerinnen. Und das Wüstenkind, das den Zug sicher durch die Wüste führte. Drei Tage ritten sie durch die sengende Hitze.
Perry Rhodan und Atlan wunderten sich, wie sicher Marian jeden Tag den Platz bestimmte, an dem sie für die Nacht lagerten. Immer gab es unter dem Sand Wasser. Sie bezeichnete den Wachen die Stellen, an denen sie graben sollten, und schon wenige Handbreit unter dem Sand wurde es feucht und das Wasser drang nach oben.
Einmal sahen sie weit entfernt eine Sandwolke über die Wüste ziehen, die Wachen wurden unruhig. Doch das Wüstenkind winkte nur beruhigend ab. Der Sandsturm kam nicht näher.
Am dritten Abend saßen die Männer wie immer in dem kleinen Zelt. Sie hatten genug Wasser und Nahrung bekommen und waren locker an einen der Pfosten gebunden. Es wäre vermutlich kein Problem gewesen die Fesseln zu entfernen, doch außerhalb des Zeltes standen die Wachen. Und die Sklaven hatten gesehen, wie gut diese Männer mit ihren Waffen gut umgehen konnten, als sie ein neugieriges Raubtier töteten.
Leise erklang eine Stimme hinter ihnen. „Nicht bewegen und nicht reden. Die Wachen sind ziemlich aufmerksam.“
Sie spürten, wie ihre Hände umfasst wurden. „Einmal drücken heißt nein, zweimal ja. In Ordnung?“
Sie drückten zweimal. Wie war Marian an den Wachen vorbeigekommen? Das Wüstenkind jedoch machte sich darum keine Gedanken. Sie war, wie jeden Abend, einfach ein Stück in die Wüste gegangen, dann unter den Sand geglitten und unter der Oberfläche bis in das Zelt der Opfer geschwommen. Hier lag sie nun, immer noch fast vollständig vom Sand bedeckt, so dass die Wachen durch die dünnen Zeltwände nichts erkennen konnten.
„Hört gut zu. Wir erreichen morgen die Spiegelfelsen. Dort wird man euch erst in ein Gebäude führen. Lasst das Gerede des Priesters einfach über euch ergehen, es ist unwichtig. Dann wird man euch zu den Spiegelfelsen bringen. Dies ist ein Oval, an einer Seite offen, dort liegen die Gebäude. Es sind ein knappes Dutzend Felsen. Es spielt keine Rolle, an welchen man euch fesseln wird. Man wird euch mit den Händen über dem Kopf an die Felsen stellen. Nikola wird die Fesselung durchführen. Ich habe ihr beigebracht, wie man den Springerknoten macht.“
Das Wüstenkind hatte es ihr nicht nur gezeigt, sondern tagelang immer wieder üben lassen. Sie wollte ganz sichergehen, dass Nicki kein Fehler unterlaufen konnte. Dieser Knoten wirkte völlig fest, selbst wenn man daran zog, ging er nicht auf. Doch mit einer bestimmten Drehung der Hände konnte man den Knoten ganz leicht öffnen und abstreifen.
„Ihr wisst, wie ihr den Knoten öffnen könnt?“
Zweimal Drücken.
„Ihr müsst jedoch abwarten. Auch dort werden die Wachen stehen und ihre Waffen sind tödlich. Ich werde tanzen. Allerdings werde ich nicht verhindern können, euch zu verletzen. Jedoch nichts Lebensgefährliches. Tut mir leid, aber das müsst ihr durchstehen. Ich sorge dafür, dass möglichst rasch Chaos ausbricht. Wenn die Zuschauer anfangen zu schreien, achtet auf die Wachen. Sie werden weglaufen, um die Herrin in Sicherheit zu bringen. Dann – und erst dann könnt ihr fliehen.“
Die Herrin würde zwar niemals in Gefahr sein, aber das würden die Wachen nicht erkennen können.
„Hinter den Felsen ist eine Art Gang, er ist von großen Steinen und Felsen gesäumt. Lauft dort entlang, von den Gebäuden weg. Am Ende des Ovals führt der Weg in die Totenfelsen, eine Steinwüste. Dort müsst ihr hin. Ihr kennt die Farbe von Lapislazuli. Es gibt hier Steine, die genauso aussehen. Das Blau ist auffällig. Ich habe eine Spur aus diesen Steinen gelegt. Für andere ist dies völlig unauffällig, das Zeug liegt hier überall herum. Folgt den Steinen in die Felsenwüste.“
Außerdem wäre es sehr verwunderlich, wenn jemand den Mut hätte, den Sklaven dorthin zu folgen.
„Nach circa fünfhundert Metern kommt ihr an eine Höhle. Sie besteht aus drei Kammern. Ihr müsst in die ganz hinterste. Es ist dort stockdunkel, aber ich habe Fackeln und Lebensmittel hingebracht. Wasser findet ihr an der hinteren Wand. Und das Wichtigste: Ihr habt nicht viel Zeit. Gleich nach eurer Flucht werden die Trommler mich aus dem Tanz holen. Das geht nicht abrupt, aber sie werden immer langsamer trommeln. Es wird höchstens – allerhöchstens – vier bis fünf Minuten dauern, bis sie ganz aufhören.“
Ihr Stimme wurde eindringlich: „Ihr müsst auf alle Fälle in der hintersten Kammer der Höhle sein, bevor die Trommeln aufhören. Das heißt, ihr müsst rennen, als wäre der Teufel hinter euch her. Das ist absolut lebenswichtig. Seid ihr bis dahin nicht in der hintersten Höhle, seid ihr tot. Nichts und niemand kann euch dann retten. Die Totenfelsen sind absolut tödlich. Wer auch nur einen Schritt hineingeht ist verloren. Selbst wenn man sofort wieder zurückzuckt. Ich habe keine Zeit, alles zu erklären. Ihr müsst mir glauben! Rennt so schnell, wie ihr nur könnt.“
Das war das Einzige, das ihr echte Sorgen bereitete. Würden die beiden die Gefahr nicht unterschätzen?
„Ihr müsst auch auf jeden Fall immer in der hintersten Kammer bleiben. Es wird mehrere Tage dauern, bis ich kommen kann. Aber ganz egal wie lange es dauert, ihr dürft die Kammer nicht verlassen. Nicht einmal hinausschauen oder die Nase rausstrecken. Bleibt vom Eingang zu den vorderen Kammern weg. Es ist nicht nur lebensgefährlich, sondern tödlich. Und glaubt nicht, dass die Aktivatoren euch schützen, ich bezweifle das sehr. Habt ihr alles verstanden?“
Zweimal Drücken.
Das Wüstenkind wiederholte die wichtigsten Sachen noch einmal, schärfte den Männern eindringlich ein, die Höhle so schnell wie möglich zu erreichen und auf keinen, auf gar keinen Fall die hinterste Kammer zu verlassen.
„Oh, eins noch. Wenn möglich, dann zeigt vielleicht etwas mehr Angst. Opfer kennen ihr Schicksal und akzeptieren es. Aber das heißt nicht, dass sie keine Angst vor dem Sterben haben.“
Das Wüstenkind saß auf dem Sand, das Gesicht in den Händen vergraben und mühte sich, völlig ruhig zu werden. Sie musste genauso wirken wie immer. Nikola schlüpfte leise aber aufgeregt in den Raum.
„Wüstenkind“, flüsterte sie. „Vater ist hier. Und er hat Mutter mitgebracht.“
Diese zuckte zusammen. Sonne und Sand! Levania war bisher noch bei keiner Opferung dabei gewesen. Wieso kam sie ausgerechnet jetzt mit? Sie würde Perry Rhodan und Atlan mit Sicherheit erkennen.
„Ich muss mit deinem Vater sprechen.“
„Du kannst jetzt nicht mehr hinausgehen. Die Wachen sind schon da, und die Trommler gehen auch schon auf ihre Plätze.“
Das Wüstenkind überlegte fieberhaft. „Dann sprich du mit ihm. Sag ihm, er muss verhindern, dass Levania irgendeine unüberlegte Äußerung macht. Wenn sie zeigt, dass sie die Opfer kennt, kann sie alles verraten. Sag ihm, ich werde ihm jede Erklärung geben – später. Doch er muss dafür sorgen, dass Levania keine Überraschung zeigt.“
Nikola nickte, drückte ihr beruhigend die Schulter und eilte hinaus.
Ihr Vater sah sie erstaunt an. „Weshalb sollte deine Mutter überrascht sein?“
Sie beschwor ihn, im Moment nicht zu fragen. Es sei wichtig, sehr wichtig. Der Fürst der Wüste sah seine Tochter nachdenklich an. Etwas zuckte in seinen Augen, als sie erklärte, das Wüstenkind würde ihm später alle Erklärungen geben. Er nickte: „Sei beruhigt, deine Mutter wird ruhig und gelassen bleiben. Ich sorge dafür.“
Nachdenklich ging der Fürst mit seiner Gefährtin zu dem Hang, auf dem die Zuschauer auf natürlichen Stufen sitzen konnten. Es war ein riesiger Felsen, der hier aus dem Hang herausragte. Eingebettet in Erde, Sand und Steine. Schon oft hatte man überlegt, einen anderen Platz für die Zuschauer zu wählen, der Felsen war brüchig und locker. Immer wieder bewegte er sich, manchmal rutschte er einige Handbreit ab. Doch bisher war er noch immer wieder liegengeblieben.
Langsam setzte sich der Fürst und legte eine weitere Decke auf die Steine, so dass seine Gefährtin nicht auf den blanken Steinen saß. Dann nahm er ihre Hand, damit sie ihn ansah. „Levania, ich erwarte, dass du dich wie die Gefährtin eines Fürsten verhältst. Sei ruhig und gelassen, egal, was du sehen wirst.“
Sie blickte ihn erstaunt an. Er bewunderte wie immer ihre wundervollen Augen, die klar aus dem schön gezeichneten Gesicht blickten und nichts von der Gefühlskälte zeigten, die ihr Leben bestimmte. Levania war schon immer eine Schönheit gewesen, und die Jahre hatten ihren Liebreiz nur noch verstärkt.
„Frage nicht, bleibe einfach nur ruhig.“
Levania nickte gleichgültig, wie immer. Sie war nur mitgekommen, weil es eine Besonderheit war, dass zwei Opfer getötet wurden. Und weil sie hoffte, dass unter den Wachen einige hübsche Männer waren. Sie langweilte sich mit ihren derzeitigen Spielgefährten, und ihr Mann war immer bereit, sie mit neuen hübschen Knaben und Männern zu versorgen.
Dann wurden die Opfer in das Felsenoval geführt und gefesselt. Gelangweilt sah Levania zu – und wurde blass. Sie spürte die Hand ihres Gefährten, der die ihre beruhigend drückte. Der Fürst überlegte derweil, was sie so erschreckt hatte. Es mussten die Opfer sein. Er musterte sie, während er leise auf Levania einsprach. Zwei Männer, der eine dunkelblond, der andere mit auffallend weißem Haar. Erstaunt bemerkte er, dass sie Schmuck trugen. Es sah aus wie Amulette. Warum hatte man ihnen die gelassen?
„Das ist nicht möglich, das ist nicht möglich“, hörte er seine Gefährtin flüstern. Er drückte beruhigend ihren Arm.
„Wenn es zuviel für dich ist, bringe ich dich weg. Kannst du ruhig bleiben?“
Der Fürst der Wüste spürte, wie Levania immer hysterischer wurde. Er stand auf, zog sie zu sich hoch und erklärte den anderen Zuschauern wie nebenbei, dass seine Gefährtin unter starken Kopfschmerzen leide. Er würde sie wieder in ihr Zelt führen.
Die Männer standen mit verbissenen Gesichtern an die glatten Felsen gelehnt. Die Hände hatte man ihnen wie erwartet über den Köpfen gefesselt. Sie beobachteten die Wachen, die aufmerksam an der offenen Seite des Felsenovals standen.
„Sie hätte ja vielleicht auch erwähnen können, dass man uns die Kleidung wegnimmt. Ich möchte wirklich wissen, was diese Menschen hier gegen eine Hose haben.“ Atlan murmelte die Worte nur, doch man hörte seinen Ärger dennoch deutlich.
Auch Perry Rhodan empfand es als äußerst unangenehm, hier splitternackt zu stehen und zu warten, während immer wieder Personen auf den Hang gegenüber stiegen und sich dort niederließen. Offenbar die Zuschauer. Atlan musterte die kleine Schar ebenfalls, anscheinend ausgewählte Personen. Diese Opferung schien zumindest keine Vorstellung zur Belustigung der Massen zu sein, wie die Gladiatorenkämpfe im alten Rom auf Terra. Er schnappte plötzlich nach Luft.
„Bei allen Göttern von Arkon. Perry, ich denke, ich weiß, was deine Tochter hierher geführt hat.“
„Wie bitte?“
„Lass dir jetzt ja nichts anmerken und schau unauffällig zu den Zuschauern. Ganz oben am äußeren Rand sitzt ein Mann in einer auffallend gemusterten Wüstenrobe. Die Frau neben ihm.“
Er musste nicht weitersprechen. Perry hatte die Frau erblickt. „Elaine.“
Nur einen Moment lang sahen sie sich direkt in die Augen. Die Frau war blass und starrte ihn ungläubig an. Der Mann schien auf sie einzureden. Dann stand er auf und führte sie fort.
„Woher wusste Marian, dass ihre Mutter hier ist? Und wie kommt Elaine auf eine verbotene Welt?“
„Sie wird es dir sagen. Still jetzt, es scheint anzufangen.“
Die Trommler begannen langsam auf ihre Trommeln einzuschlagen. Zwei Mädchen führten das Wüstenkind herein. Sie begleiteten sie bis in die Mitte des Ovals und nahmen ihr dann das Tuch ab. Nackt stand das Wüstenkind in der flirrenden Sonne.
„Die Menschen hier haben definitiv etwas gegen Kleidung.“ Atlan konnte sich die Bemerkung nicht verkneifen.
Mehrere Trommelschläge lang stand das Wüstenkind bewegungslos da. Dann hob sie die Arme und legte den Kopf in den Nacken. Beide Männer keuchten erschreckt auf, als die junge Frau schlagartig von Feuer umgeben war. Wie eine lodernde Fackel stand sie auf dem Sand. Doch die Flammen schienen ihr keine Schmerzen zuzufügen.
Ganz langsam begann sie zu tanzen, anfangs mit fast unmerklichen Bewegungen, die dann mit zunehmender Geschwindigkeit der Trommeln immer schneller wurden. Ein Blitz zuckte auf, traf die Felsen und wurde von der spiegelglatten Oberfläche zurückgeworfen. Eine kleine Rauchsäule zeigte, wo er schließlich in die Steine einschlug. Ein weiterer Blitz verließ ihre Hände, sprang von einer Spiegelfläche zur anderen, bis er im Boden einschlug.
Atlan schluckte. Deshalb hatte Marian erklärt, dass sie Verletzungen nicht verhindern könnte. Niemand konnte vorhersehen, wo diese Feuerblitze auftreffen würden. Durch die Spiegeloberfläche der Felsen wurden sie immer wieder abgelenkt und in andere Richtungen geworfen.
Perry Rhodan keuchte leicht auf, als er am Bein getroffen wurde. Ausweichen war nicht möglich, nicht nur wegen der Fesseln. Das Feuer zuckte so schnell von Fels zu Fels, dass man nicht sagen konnte, wo es traf. Sie verstanden jetzt auch, weshalb sie nackt waren. Kleidung würde sofort brennen, und es war eindeutig nicht geplant, dass die Opfer schnell von den Flammen verbrannt wurden. Durch die Blitze würde es lange dauern, bis man lebensgefährlich verletzt war.
Wieder schlug ein Blitz in die Steine am Hang ein. Das Wüstenkind schien inzwischen in einer Art Trance zu sein. Anscheinend hatte sie keine Kontrolle darüber, wohin ihre Feuerblitze zielten, die jetzt immer schneller aus ihren Händen zuckten.
Noch mehrmals zuckten die Männer schmerzhaft zusammen, wenn sie getroffen wurden. Doch noch öfter schlug das Feuer in den Hang oberhalb des Zuschauerfelsens ein. Dann begannen sich plötzlich die Steine an dem Hang zu bewegen, ein unheimliches Knirschen wurde immer lauter und der gesamte Hang begann nach unten zu rutschen – auf den Zuschauerfelsen zu.
Die Wachen begannen zu rufen, die Zuschauer erkannten die Gefahr und sprangen auf. Auch die Herrscherin erhob sich von ihrem Platz. Die Wachen rannten auf den Felsen zu und schrien den Menschen zu, sofort wegzulaufen.
Perry Rhodan und Atlan lösten jetzt in fliegender Hast ihre Fesseln. Das letzte, das sie sahen, waren die Wachen, die die Herrscherin aus der Gefahrenzone rissen. Dann sprangen sie hinter die Felsen und rannten.
„Dort!“
Deutlich erkannten sie die blauen Steine und rannten der Spur nach. Sie fluchten über die scharfkantigen Felsen, die ihnen die Füße zerschnitten, doch sie verringerten ihre Geschwindigkeit nicht. Marians Warnungen waren eindringlich genug gewesen. In kürzester Zeit hatten sie mehrere hundert Meter hinter sich gebracht und erkannten dann den Einschnitt in den Felsen. Sie stolperten in die Höhle, konnten im ersten Moment in dem darin herrschenden Dämmerlicht nichts sehen und liefen fast blind weiter.
Fluchend stießen sie sich an den Felsen, bis sie die Öffnung zu dem hinteren Bereich fanden. Noch immer konnten sie entfernt die Trommeln hören, die jedoch wieder genauso langsam waren wie am Beginn des Todestanzes.
„Schnell, noch weiter hinein.“
Endlich hatten die Männer den schmalen Eingang zur hintersten Kammer gefunden und hasteten hinein. Mit ausgestreckten Armen, um sich nicht die Köpfe einzuschlagen, liefen sie noch einige Schritte weiter, ehe sie keuchend stehenblieben. Nach einer Weile hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Sie konnten das helle Viereck des Durchgangs zur vorderen Kammer erkennen.
Langsam tasteten sie sich entlang der Wände bis sie Stoff an den Füßen spürten. Sie fanden Fackeln. Und in deren Schein auch die Rucksäcke mit Kleidung und Trockennahrung. Ein leises Plätschern zeigte Perry Rhodan und Atlan den Weg zu einem Rinnsal mit Wasser. Nun mussten sie wieder warten.
Die Wachen griffen nach den Armen der Herrscherin, doch sie schüttelte sie ab. „Nein, es wird nichts geschehen.“ Sie wandte sich zu den panisch fliehenden Menschen um und hob die Arme. „Bleibt stehen. Es wird uns nichts geschehen.“
Das Vertrauen in ihre Herrscherin war groß genug, um die Panik einzudämmen. Gebannt sahen die Menschen dem Steinschlag entgegen. Der Zuschauerfelsen war weitaus größer als oberhalb der Erde erkennbar. Die den Hang herabrutschenden Steine wurden von ihm wie von einer Schiene abgelenkt und rauschten rechts und links an der natürlichen Tribüne vorbei, bis sie am Fuße des Hanges liegenblieben.
Das Ganze hatte nur wenige Augenblicke gedauert. Das Wüstenkind hatte in ihrer Trance nichts bemerkt und tanzte weiter, die Blitze zuckten aus ihren Händen. Nun wandten die Wachen sich wieder dem Felsenoval zu.
„Die Opfer sind verschwunden!“
Die Herrin wandte sich den Wachen zu, ihre Augen streiften über die Felsen, doch von den Gefangenen war nichts mehr zu sehen.
„Schickt Männer in die Wüste. Sie können nur dorthin geflohen sein. Sie werden nicht weit kommen.“
Dann wandte sie sich an die Trommler. „Verlangsamt die Musik und holt das Wüstenkind aus der Trance.“
Der Priester lief auf sie zu. „Die Opfer sind geflohen, Herrin.“
„Ich sehe es, die Wachen werden sie finden. Die Männer haben keine Wüstenerfahrung. Man wird sie rasch einholen.“
Doch dann runzelte die Herrscherin die Stirn. Der Blick ihrer Augen wurde abwesend, sie konzentrierte sich.
„Herrin?“
„Spürst du nichts, Priester? Die Verbindung zu den Geistern ist seltsam.“
Der Priester sah sie erschrocken an und schüttelte den Kopf.
„Die Geister benötigen diese Art der Opfer nicht mehr. Sie können die Kraft eines jeden Sterbenden aufnehmen. Vorausgesetzt, dieser ist damit einverstanden.“
Die Herrin wandte sich jetzt direkt an den Priester, der sie mit aufgerissenen Augen anstarrte. „Ich werde mich nachher mit dem Wüstenkind beraten, ihre Verbindung mit den Geistern ist in der Trance sehr stark. Wenn sie das Gleiche spürt wie ich, wirst du diese neue Erkenntnis den Menschen mitteilen. Dann ist die Kraft der Geister für immer gesichert.“
Kalt lächelnd fügte sie hinzu: „Und du wirst der erste sein, der seine Kraft den Geistern gibt, wenn du in der Wüste stirbst.“
Der Priester wurde bleich. Die Herrin wandte sich ab und sah zu den Dienerinnen, die sich vorsichtig dem Wüstenkind näherten. Die Trommeln wurden nur noch sehr langsam geschlagen, die Bewegungen der Tanzenden waren dementsprechend schleppend geworden. Dann sank die Frau plötzlich in die Knie, ihre Arme fielen herab. Sie keuchte. Nur Sekunden später erlosch das Feuer um ihren Körper. Die Dienerinnen eilten herbei und legten ihr schützend ein Tuch um den Körper. Sie stützten das Wüstenkind und führten sie in das Gebäude. Dort warteten schon weitere Mädchen. Sie legten die erschöpfte Frau auf ein weiches Lager.
Zusammen mit Nikola betrat die Herrin den Raum. Das Wüstenkind setzte sich gerade mühsam auf, griff in den Sand und aß gierig. Dann erst hob sie den Kopf und sah ihre Herrin an.
„Du spürst es auch, Wüstenkind? Die Geister benötigen den Todestanz nicht mehr, um Kraft aufzunehmen?“
Diese nickte. Noch immer benommen sah sie sich um. „Irgendetwas ist anders als sonst.“
„Die Opfer sind geflohen. Ein Steinschlag löste sich. Als die Aufregung darüber vorbei war, waren sie verschwunden.“
Das Wüstenkind runzelte die Stirn. „Wohin?“ Gespannt wartete sie, hatte jemand bemerkt, dass die Männer in die Felsen gelaufen waren?
„Niemand weiß es. Doch sie können ja nur in die Wüste gelaufen sein. Die Wachen werden sie sicher finden.“
Die Frau nickte nur und stand auf. Sie sah ihre Gefährtin an. „Wo ist dein Vater? Ich habe etwas mit ihm zu besprechen.“
„Willst du dich nicht erst ausruhen?“
Doch das Wüstenkind lehnte ab und ging zu dem Zelt des Fürsten. Dessen Gefährtin sah ihr entsetzt entgegen. „Was hast du getan? Wie konntest du …“ Sie brach ab, als der Fürst ihr zwingend die Schulter drückte.
Das Wüstenkind sah in das verstörte Gesicht der schönen Frau. Konnte es sein, dass sie sich tatsächlich darum kümmerte?
„Ich bin das Wüstenkind. Ich habe getan, was die Herrin von mir verlangt hat und was ich für sie, für mich und unsere Welt tun musste.“
Der Fürst war fasziniert. Sie sprach keine Lüge aus. Das Wüstenkind wandte sich ihm zu. „Fürst, ich würde gerne mit dir sprechen. Alleine, in der Wüste.“
Der Mann überlegte abzulehnen, das Wüstenkind war ihm keine Rechenschaft schuldig. Doch einerseits war er neugierig, ob seine Vermutung stimmte. Und andererseits spürte er deutlich, dass es ihr wichtig war, mit ihm zu sprechen.
Das Wüstenkind blieb erst stehen, als die Gebäude in der flimmernden Hitze nur noch undeutlich zu erkennen waren. Mit einer leichten Handbewegung ließ sie den Sand erheben. Es sprach für die Selbstbeherrschung des Fürsten, dass er nur einen Blick auf die dichte Sandwolke warf, die sich rasch um sie herum bildete. Das Rauschen des wirbelnden Sandes würde jedes Geräusch verschlucken. Niemand würde hören können, was sie miteinander sprachen.
Ohne zu zögern berichtete das Wüstenkind ihm dann, wer sie war, woher sie kam und dass eines der Opfer ihr Vater war. „Deine Gefährtin konnte ihre Überraschung verbergen?“
Er nickte. „Du verachtest Levania, dennoch hast du sie beschützt. Ich danke dir dafür.“
Das Wüstenkind hob unschlüssig die Schultern. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich für sie fühle. Ich verstehe sie einfach nicht. Aber wie immer sie lebt und denkt, sie hat mit Sicherheit nicht den Tod verdient.“
Der Fürst sah sie nachdenklich an. Seine Vermutungen hatten sich bestätigt. Irgendwie faszinierte es ihn, dass diese Frau, die zum Teil eine Fremdweltlerin war, von den Geistern als Wüstenkind gewählt worden war. Und Levania? Er wusste, weshalb sie diese Welt verlassen hatte, doch war dies wirklich ihr eigener Gedanke gewesen? Oder hatten die Geister sie dazu gebracht?
„Vielleicht solltest du etwas über – Levania erfahren.“ Er würde selbst hier, vom Sand geschützt, nicht das Wort Mutter aussprechen. Das Wüstenkind hatte keine Herkunft!
Ohne den drohenden Sandsturm zu beachten, setzte er sich wie zu einer gemütlichen Zusammenkunft in den Sand. Das Wüstenkind folgte seinem Beispiel und sah ihn gespannt an.
„Ich kannte Levania schon, als ich noch ein Knabe war. Ich war ein junger Jäger und wollte mich immer wieder in der Wüste beweisen. Eines Tages traf ich dabei auf sie.“
Der Fürst berichtete nun ausführlich, wie er das verzweifelt weinende Mädchen gefunden hatte. Sie war zwölf gewesen und sollte einige Zeit ohne jede Hilfe in der Wüste überleben. Doch sie konnte es nicht. Der junge Jäger wusste, dass er ihr nicht helfen durfte, doch ihre Verzweiflung berührte ihn. Und dann erfuhr er von dem Mädchen, dass sie diese Prüfung nicht freiwillig machte. Ihr Vater zwang sie dazu. Das war eine Unmöglichkeit!
Jeder, der zu einem Krieger werden wollte, egal ob Mädchen oder Junge, musste sich prüfen lassen. Doch niemand wurde dazu gezwungen, ein Krieger zu werden. Levanias Vater – damals trug sie noch einen anderen Namen – hatte jedoch nur ein Kind und war besessen von dem Wunsch, dass dieses Kind ein großer Krieger werden würde. Er hatte Levanias zaghafte Einwände nicht gelten lassen.
Der junge Wüstenkrieger hatte danach keine Bedenken mehr, dem Kind zu helfen. Er riet ihr, nach Ablauf der Zeit zum damaligen Herrscher zu gehen und um Hilfe zu bitten. Denn eine Kriegerin würde sie niemals werden können, und sie durfte auch nicht leugnen, dass sie die Prüfung nur mit Hilfe bestanden hatte.
Ihr Vater hatte sie daraufhin aus der Sippe verstoßen. Das Mädchen hatte ihren Vater geliebt und verehrt, seine Ablehnung schmerzte sie entsetzlich. Dazu hatten die Todesangst und Verzweiflung in der Wüste sie geprägt, und ihre Art zu Denken verändert. Sie ertrug das Wissen um das eigene Versagen nicht und glaubte auch, die ständigen Erinnerungen an ihre Angst in der Wüste nicht ertragen zu können. Das Mädchen beschloss, sich von nun an nur noch um sich selbst zu kümmern. Nichts und niemand sollte ihr jemals wieder einen solchen Schmerz zufügen können.
Einige Jahre hatte sie bei anderen Sippen gelegt, doch ihre immer stärker werdende Kälte und Gleichgültigkeit anderen gegenüber machten ihr das Leben nicht leicht. Irgendwann begann Levania zu glauben, sie könne auf dieser Welt nicht mehr leben. Heimlich war sie in eines der damals noch selten auftauchenden Fremdweltlerschiffe geschlichen.
Wie sie es geschafft hatte, nach Terra zu kommen, wusste der Fürst nicht, doch er kannte ihren Lebensweg bis zu ihrem Verschwinden, da er sich immer nach ihr erkundigt hatte. Sie hatte ihn mit ihrer Schönheit sehr beeindruckt, doch größer war sein Mitleid mit ihr gewesen. Er konnte ihren Schmerz fühlen, ebenso wie er ihre Verzweiflung in der Wüste gespürt hatte.
Nach einigen Jahren war Levania plötzlich wieder aufgetaucht. In ihrem Fühlen und Handeln kälter als je zuvor und damit in einer Einsamkeit gefangen, die den Fürst der Wüste erschreckte. Er liebte sie nicht, doch er war wie als Knabe von Mitleid erfüllt. Und so hatte er sie zu seiner Gefährtin gemacht. Auf diese Weise konnte er sie beschützen.
Das Wüstenkind sah den Fürst nachdenklich und bestürzt an. Konnte es sein, dass die Geschehnisse, die Levania als Jugendliche zugestoßen waren, sie so geprägt hatten? Dass ihre Gefühllosigkeit ihren Ursprung darin hatte, sich selbst vor Schmerz zu schützen? Dann verdiente sie eher Mitleid als Verachtung. Das Wüstenkind wollte in Zukunft versuchen, geduldiger mit ihr zu sein.
Und hatte die Herrin mit ihren Vermutungen vielleicht tatsächlich Recht? Sie hatte ihr einmal berichtet, dass der vorherige Herrscher ihr vorhergesagt hatte, dass ein ungewöhnliches Wüstenkind auftauchten würde. Als Marian dann aus der Wüste gekommen war, hatte die Herrscherin darin die Erfüllung dieser Vorhersage gesehen. Sie war überzeugt, dass die Geister für die Entstehung eines Wüstenkind verantwortlich waren, das die Gefahren der Fremdweltler verstehen konnte. Und damit die Welt besser schützen konnte, als jeder andere. Konnte es sein, dass Levania dazu gebracht worden war, diese Welt zu verlassen? Damit ein Kind geboren werden konnte, das die Gene dieser Welt in sich trug, und doch die Kultur und Technik anderer Welten kannte?
Das Wüstenkind glaubte weder an Geister noch an Götter. Doch sie wusste nur zu gut, dass es auf dieser Welt tatsächlich etwas gab. Sie hatte eine geistige Verbindung dazu. Diese Kräfte – von den Menschen hier Geister genannt – konnten Raumschiffe explodieren lassen, was auf ein Kraftfeld hinwies. Doch es musste mehr dahinter stecken. Denn ein Kraftfeld konnte man schlecht um Schutz bitten. Und die Geister reagierten auf die Wünsche der Menschen.
Auch spürte das Wüstenkind, dass eine Art Kraft von einem Sterbenden auf diese Geister überging. Es war, als würde die geistige Kraft der Menschen diese Geister stärken – oder vielleicht sogar der Ursprung dafür sein. Sie selbst spürte ihre eigene Verbundenheit mit den Geistern ständig, ohne jemals die ganze Wahrheit darüber herausfinden zu können.
Am späten Nachmittag kamen die Wachen zurück, erschöpft, aber ohne die Gefangenen. Sie hatten keine Spuren von ihnen finden können. Aber nicht weit weg hatten sie ein Feld mit Treibsand entdeckt. Sie vermuteten nun, dass die Opfer dort hineingeraten waren. Dann waren sie längst erstickt.
Der Priester nahm diese Nachricht entgegen. Wie im befohlen worden war, verkündete er nun, dass die Opferung von den Geistern abgelehnt worden war, da der Todestanz nicht mehr notwendig sei. Jeder, der dazu bereit war, könne seine Kraft bei seinem Tod den Geistern übermitteln – sein Wille dazu reiche aus. Er selbst würde diese neue Erkenntnis zum Anlass nehmen, seine Kraft den Geistern zu schenken. Blass aber entschlossen ging er danach in die Wüste. Jeder wusste, dass der Priester keine Wüstenerfahrung hatte und deshalb sehr rasch ein Opfer der vielen Gefahren dort werden würde.
Die Menschen kehrten nun zu ihren Sippen zurück und die Herrin wanderte mit ihrem Gefolge im Schutz der Wüstenkrieger wieder zu ihrem Palast in der Stadt am Rand der Wüste. Das Wüstenkind jedoch ging zusammen mit Nikola in die Wüste. Doch nur zwei Tage, dann machte sie kehrt und marschierte zu den von allen Menschen gefürchteten Todesfelsen.
Die Männer hörten Schritte und lauschten aufmerksam. Stimmen erklangen. „Ich bin es, Marian. Bleibt hinten.“ Nur wenige Sekunden später sahen sie die Silhouette zweier Menschen in die dunkle Höhle treten.
„Ich habe Nikola mitgebracht.“
Das junge Mädchen lächelte die beiden Männer an. Die sahen erstaunt, dass sie an einem Seil hantierte, das sie mit Marian verband.
Das Wüstenkind jedoch sah angespannt zu ihrem Vater. Er hatte sie beim Todestanz gesehen, vom Feuer umhüllt. Wie würde er darauf reagieren? Doch dann sah sie die Freude in seinen Augen und ihre Befürchtungen lösten sich in Nichts auf. Wie von selbst bewegten sich ihre Beine auf ihn zu, und sie umarmte ihn stürmisch.
„Dad. Ich bin so froh, dass euch nichts passiert ist.“ Sie sah die beiden forschend an. „Es ist doch alles in Ordnung?“
„Sicher, du weißt, dass ein paar Brandblasen bei uns schnell heilen.“
Sie sahen zu dem jungen Mädchen, das jetzt auch näher kam. Dann sahen Perry und Atlan völlig verdutzt, wie sie sich auf die Knie niederließ – in der Haltung, in der man Höhergestellte begrüßte, wie sie inzwischen wussten. Das Wüstenkind grinste und bewegte die Hand. Nikola stand verwirrt wieder auf.
„Du kannst nicht erwarten, dass Dad und Atlan darauf richtig reagieren. Nikola weiß, wer ihr in Wirklichkeit seid, deshalb die respektvolle Begrüßung“, wandte sie sich dann an die Männer.
Ihr Vater sah sie forschend an, er hatte tausend Fragen. Doch würde bzw. konnte Marian sie beantworten? Diese lächelte. „Du bekommst deine Antworten, Dad. Ich habe es versprochen.“
„Können wir das vielleicht draußen machen? Ich bekenne, ich würde gerne aus diesem dunklen Loch herauskommen.“
„Sicher“, sie wandte sich Atlan zu. „Aber es gibt Bedingungen. Zu allererst, dieses Gebiet hier – die Todesfelsen wie es genannt wird – ist, wie der Name sagt, absolut tödlich. Nur diese Kammer hier ist frei davon.“
Sie streckte die Hand aus und nahm Seile, die ihr Nikola entgegenstreckte.
„Wenn wir hinausgehen, dürft ihr euch auf keinen Fall weiter als einige Schritte von mir entfernen. Deshalb die Seile. Sie verhindern, dass ihr aus Versehen weiter weg geht.“
Das Wüstenkind seufzte, die Gesichter der Männer spiegelten deutlich ihre Fragen wider.
„Ich habe es gesehen. Wenn jemand das Gebiet der Todesfelsen betritt, selbst wenn es nur ein Schritt ist und er sofort wieder zurückspringt, stirbt derjenige. Es dauert dann circa einen halben Tag. Bleibt man in den Todesfelsen dauert es höchstens eine halbe Stunde. Es fängt mit Kopfschmerzen an, dann kommt Übelkeit. Schließlich bricht man zusammen.“
Perry Rhodan runzelte die Stirn. „Strahlung?“
„Ich vermute es, auch wenn es ungewöhnliche Faktoren gibt.“ Das Wüstenkind sprach weiter, als sie in die gespannten Gesichter sah. „Strahlung nimmt eigentlich langsam ab. Doch die tödliche Wirkung der Todesfelsen endet schlagartig. Jeder Mensch hier kennt die Grenzen dieser Gebiete. Die Spiegelfelsen zum Beispiel liegen gerade noch außerhalb. Wenige Schritte weiter beginnt die tödliche Zone. Es gibt keinen Übergang.“
„Das ist allerdings ungewöhnlich. Aber warum können wir dann in diese Strahlung hinaus, wenn wir in deiner Nähe bleiben?“
Marian seufzte. Sie hatte gewusst, dass diese Frage kommen würde. „Um mich herum bildet sich eine ungefährliche Zone. Sie ist nicht groß, deshalb die Vorsichtsmaßnahme mit den Seilen.“
Sie vermutete längst, dass die Ursache darin lag, dass sie die Strahlung in sich aufnahm. Sie war sich sogar sicher, dass diese seltsame Strahlung die Kraftquelle für ihre Fähigkeiten war. In den Todesfelsen waren ihre Fähigkeiten am stärksten, fast ebenso stark waren sie in der Wüste. Wenn sie diese verließ, spürte sie jedes Mal, wie sich die Kraft in ihr verringerte. Doch auf dieser Welt gab es viele Wüsten, fast 80 Prozent der Landmasse bestand aus Sand- und Felsenwüste.
Die Männer knüpften nun bereitwillig die Seile um sich und das Wüstenkind verband diese mit ihrem Gürtel. Auch Nikola knotete das Seil wieder an das Wüstenkind. Sie verließen die Höhle und die Männer genossen das helle Licht, obwohl die Wüstensonne grell leuchtete und die Hitze unangenehm war.
„Die Rucksäcke?“
„Wir holen sie später. Ich sollte wohl erst mal einige Fragen beantworten. Beim Laufen geht das schlecht.“
Sie setzten sich auf glatte Felsen. Perry Rhodan musterte seine Tochter aufmerksam. „Das mit dem Feuer ist kein Trick?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Dann – vielleicht solltest du einfach erzählen. Wie bist du hierhergekommen? Woher wusstest du, dass deine Mutter hier lebt?“
„Ich wusste es nicht. Ich wurde hierher gerufen.“ Das Wüstenkind setzte sich etwas bequemer hin und begann zu berichten.
Sie hatte sich auf Terra nie wirklich wohl gefühlt. Sie mochte die Ansprüche nicht, die als Tochter des Großadministrators immer wieder an sie gestellt wurden. Zumindest glaubte sie, dass dies die Ursache ihres Unbehagens war.
Als sie Terra dann verließ, war Marian überzeugt davon, dass es ihr sofort besser gehen würde. Niemand auf dem Schiff wusste, wer sie war – außer dem Kommandanten. Und der hatte versprochen zu schweigen. Doch mit jedem Tag der verging, fühlte sie sich schlechter. Statt Vorfreude auf das neue Leben zu empfinden, wurde sie missmutiger, bis hin zur echten Übelkeit.
Dann fiel Marian auf, dass sie immer wieder die Sternkarten studierte – und immer wieder minutenlang auf ein bestimmtes Gebiet starrte. Als würde sie davon angezogen. Dieses Gebiet lag jedoch entgegengesetzt ihrer Flugrichtung. Fast unbewusst entschloss sie sich, nicht wie geplant nach Kornan zu fliegen – eine Kolonialwelt, die sie ursprünglich als Ziel ausgewählt hatte.
Bei der nächsten Landung verließ sie unauffällig das Schiff – und fühlte sich sofort besser. Erst nach Tagen begann die Übelkeit wieder. Zu diesem Zeitpunkt begann Marian, misstrauisch zu werden. Es war, als ob sie dazu gebracht werden sollte, einen bestimmten Ort aufzusuchen. Beeinflussung? Sie studierte sich, prüfte ihren Willen und ihre Entschlussfähigkeit. Nein, sie konnte ihre eigenen Entschlüsse treffen. Und dennoch, es zog sie eindeutig zu diesem Sternengebiet.
Marian war neugierig genug, um sich darauf einzulassen. Allerdings würde es schwierig werden, ein Schiff zu finden, das sie in dieses Gebiet bringen würde. Natürlich könnte sie sich an ihren Vater wenden, doch genau dies wollte sie nicht. Sie hatte gerade erst den goldenen Käfig verlassen, sollte sie bei der ersten Schwierigkeit aufgeben und um Hilfe bitten? Das kam nicht in Frage. Sie fand eine andere Lösung. Marian grinste, als sie erzählte, dass sie kurzerhand ein Kurierschiff der USO gestohlen hatte.
„Ich nehme an, dein Agent auf Lousonnen hat das Schiff als gestohlen gemeldet, Atlan.“
Der zuckte mit den Schultern. „Du hast die USO bestohlen? Einfach so? Und gleich ein Kurierschiff? Das macht dir vermutlich keiner so leicht nach. Vielleicht sollte ich die Sicherheitsfaktoren überprüfen lassen.“
„Würde nichts schaden, es war ziemlich leicht, zumindest wenn man genug Insiderwissen hat. Du wirst das Schiff als Totalverlust abschreiben müssen. Es existiert nicht mehr.“
„Das ist vermutlich schon längst geschehen.“
Marian erzählte weiter. Sie hatte sich auf den Weg gemacht und nach einigen Tagen konnte sie das Gebiet, das sie so anzog, schon besser eingrenzen. Schließlich erkannte sie, dass sie eine verbotene Welt ansteuerte. Dies war der Zeitpunkt, an dem sie fast umgekehrt wäre. MR540 war nicht nur verboten, es war auch lebensgefährlich, dort zu landen. Die Kultur dieser Welt duldete keine Fremden.
Doch sofort als sie den Kurs ändern wollte, tauchte wieder der unheimliche Drang auf, doch dorthin zu fliegen. Jetzt jedoch mit der eindeutig erkennbaren Beruhigung, dass ihr nichts geschehen würde. Marian war jetzt fest davon überzeugt, beeinflusst zu werden, ohne jedoch sagen zu können, weshalb und von wem.
Immer wieder überprüfte sie, inwieweit sie ihre eigenen Entscheidungen treffen konnte. Und stellte fest, dass sie die Beeinflussung überwinden konnte. Es war nicht so, dass ihr Wille ausgeschaltet wurde, eher also ob sie verzweifelt überredet werden sollte, diese Welt anzufliegen.
Marian war abenteuerlustig und neugierig genug dazu. Sie holte sich aus der Bordpositronik alle verfügbaren Daten über diese Welt – sehr viel war es allerdings nicht. Dann näherte sie sich vorsichtig dem System. Tagelang umkreiste sie die Welt und weigerte sich, dem immer stärker werdenden Drang zu landen, nachzugeben.
Sie studierte die Welt so gut es ging und beschloss dann, am Rand der Wüste zu landen. Das Gebiet war völlig menschenleer, die Wüste ging rasch in dichten Wald über, so dass sie sich würde verbergen können. Der unheimliche Drang hatte sie dazu bringen wollen, direkt in der Wüste zu landen – in einer Steinwüste voller Felsen. Dazu war Marian nicht bereit.
Nach der Landung jedoch geschah etwas Seltsames mit ihr. Anstatt wie geplant das Schiff sorgfältig zu verbergen und die Umgebung zu erforschen, sah sie wie gebannt in die Wüste hinaus. Sie wollte – nein, sie musste dorthin. Jetzt wurde auch die unheimliche Beeinflussung deutlicher. Sie sollte ohne jede Ausrüstung losgehen. Marian weigerte sich, dieser Aufforderung zu folgen. Sie war jedoch bereit, zumindest ein kleines Stück in die Wüste zu gehen. Schon nach wenigen Schritten fühlte sie, dass sie im Sand graben sollte. Fast belustigt folgte sie der Anweisung und bemerkte verblüfft, dass sie Wasser fand. Gleichzeitig spürte sie die Versicherung, dass sie überall Wasser finden würde. Sie zögerte nicht mehr länger und marschierte los. Ohne Ausrüstung!
Perry Rhodan schnappte nach Luft. „Du konntest dich nicht mehr gegen diese Suggestion wehren?“
„Ganz sicher kann ich das nicht sagen. Irgendwie wurde mir immer wieder versichert, dass mir keine Gefahr drohte.“
Sie wanderte tagelang durch die Wüste. Wasser war kein Problem, sobald Marian Durst bekam, zeigte ihr unbekannter Führer ihr, wo sie graben musste. Ein größeres Problem wurde jedoch die Nahrung. Sie sah zwar immer wieder Tiere und begriff rasch, dass ihr Führer sie direkt auf die Tiere aufmerksam machte. Doch wie sollte sie mit bloßen Händen ein Tier fangen? Dieses Problem hatte ihr Führer anscheinend nicht erkannt. Nach zwei Tagen wurde der Hunger unangenehm. Marian konnte nur hoffen, dass der Marsch nicht mehr allzu weit war.
Am nächsten Tag fand sie den Kadaver eines kleinen Tieres. Das Tier war noch warm, war also gerade erst gestorben. Obwohl sie sich vor Ekel schüttelte, grub Marian die Fingernägel in das Fell und zwang sich, das Tier zu zerreißen und das rohe, blutige Fleisch zu essen. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr unsichtbarer Führer das machte, doch sie fand noch zweimal ein gerade verendetes Tier. Obwohl das auf keinen Fall als Nahrung ausreichte, schaffte Marian es auf diese Weise, ohne größere Schwierigkeiten den Rand der Steinwüste zu erreichen.
Sie begriff, dass ihr Führer ihr diesen Marsch hatte ersparen wollen, als er sie dazu bringen wollte, in der Felsenwüste zu landen. Sie spürte, dass sie nun so viel Wasser trinken sollte, wie nur möglich war. Dann wurde sie in die Felsen geführt.
Marian lächelte dünn. „Kein Mensch dieser Welt betritt freiwillig die Todesfelsen. Jeder weiß, dass dies absolut tödlich ist. Doch ich hatte ja keine Ahnung davon und marschierte ohne weiteres weiter. Und mir geschah nichts.“
Allerdings merkte sie rasch, weshalb sie so viel wie möglich trinken sollte. Hier gab es nicht einmal Wasser. Ihr Führer trieb sie deshalb immer wieder an, so rasch wie möglich vorwärts zu kommen. Dennoch brauchte Marian fast zwei Tage und war völlig erschöpft, als sie eine Oase erreichte. Sie fiel fast ins Wasser und trank erst einmal so viel wie sie nur konnte. Danach schlang sie einige Handvoll Obst in sich hinein, das an den Büschen hing. Dann schlief sie völlig erschöpft ein.
Als sie wieder aufwachte hatte sie Fieber, Schüttelfrost und Krämpfe. Marian hätte sich ohrfeigen können, dass sie ohne alle Vorsichtsmaßnahme das Obst gegessen hatte. Sie war sicher, dass das Zeug für sie nicht verträglich gewesen war und konnte nur hoffen, dass sie nicht zu viel davon gegessen hatte.
„Ich weiß nicht genau wie lange das dauerte, vermutlich zwei oder drei Tage. Hin und wieder kam ich so weit zu mir, dass ich zum Wasser kriechen und trinken konnte. Irgendwann jedenfalls wurde ich wieder wach – und es ging mir hervorragend. Ich fühlte mich besser als jemals zuvor.“
Marian lächelte, als sie ihren Vater ansah. „Ich hatte keine Lebensmittelvergiftung gehabt. Ich merkte es recht schnell. Ich hätte erschöpft sein müssen und hungrig. Doch nichts davon war der Fall. Allerdings glaubte ich zuerst, an einem anderen Ort zu sein, als dem, an dem ich zusammengebrochen war.“
Ihr Vater sah sie genauso erstaunt an wie Atlan. Sie grinste, als sie sich an ihr eigenes Erstaunen erinnerte. Die Oase hatte anders ausgesehen als in ihrer – zugegebenermaßen verschwommenen – Erinnerung. Doch als Marian sich genauer umsah, stellte sie fest, dass Bäume, Büsche und der See genauso waren, wie vor ihrer „Krankheit“. Es sah nur anders aus, vor allem die Farben.
Und als sie an den Rand der Oase ging und die Felsenwüste sah, wurde der Unterschied noch deutlicher. Marian war lange genug durch diese Steine und Felsen gewandert, um zu wissen, wie öde und gleichförmig diese Gegend war. Doch jetzt konnte sie deutliche Unterschiede in den Felsen erkennen.
Perry Rhodan blickte sich um und runzelte die Stirn. Marian lächelte wieder. Sie zeigte auf zwei der fast menschengroßen Felsen um sie herum.
„Sieh sie dir an und sage mir, welche Unterschiede du erkennen kannst.“
Beide Männer studierten die Felsen und schüttelten dann die Köpfe. Bevor sie antworten konnten, nickte die junge Frau. Sie wusste, was sie sahen und wie die Antwort lautete.
„Sie sehen für euch gleich aus, wie alle anderen auch. Für mich jedoch sind sie völlig unterschiedlich. Sowohl in der Farbe, wie in ihrer Struktur. Ich sehe anders als alle anderen Menschen. Auch der Sand sieht für mich nicht gleich aus. Ich erkenne, wo Wasser darunter ist, wo Treibsand ist, wo Tiere sich darunter verstecken.“
„Was ist mir dir geschehen? Während dieser scheinbaren Krankheit?“ Ihr Vater brauchte keine weiteren Erklärungen, es konnte nur diese Zeit gewesen sein, in der sich die Sinne Marians geändert hatten.
„Ich bin zum Wüstenkind geworden. Ich höre auch anders, doch der Unterschied ist nicht so deutlich als beim Sehen. Ich kann unter dem Sand leben, Sand essen. Ich beherrsche den Sand.“
Marian grinste, zeigte auf eine Stelle vor ihnen. Der Sand zwischen den Steinen hob sich, begann sich zu drehen und eine kleine Sandhose zu bilden. Sie stieg in die Höhe, überschlug sich plötzlich und fiel wieder in sich zusammen. Die Männer blickten von ihr zu dem Sand. Sie hatte bewegungslos dagesessen, nicht einen Finger gerührt. Doch es war auch kein Windhauch zu spüren.
„Es gibt Sandhosen und Sandstürme in der Wüste. Manche sind nur lästig, andere tödlich. Für mich sind sie uninteressant. Ich kann sie steuern, zum Erliegen bringen – oder auch entstehen lassen.“
Wieder lächelte Marian dünn. „Und natürlich das Feuer. Es ist in mir.“
Sie hob die Hand. Die Männer holten zischend Luft, obwohl sie erkannt hatten, was die junge Frau beabsichtigte. Ihre Hand brannte plötzlich. Dann schnippte sie mit den Fingern und ein Blitz fuhr in den Sand.
„Eine praktische Waffe. Obwohl ich in der Wüste nicht jagen muss. Der Sand ersetzt mir sowohl das Wasser als auch die Nahrung. Was recht angenehm ist. Ich bin nicht darauf angewiesen, nach Tieren zu suchen. Und was das Wasser angeht …“, Marian grinste. „Es erspart mir, der Wirkung des Wassers ausgesetzt zu sein.“
Ihr Vater nickte, dann zogen sich seine Augen jedoch finster zusammen. „Was oder wer hat diese Veränderungen verursacht?“
„Die Frage ist schwieriger zu beantworten“, murmelte das Wüstenkind. „Die Geister haben mich hierher geführt. Ich glaube jedoch nicht, dass sie für die Veränderungen verantwortlich sind. Die Voraussetzungen dafür sind vermutlich in mir selbst gewesen. Nach der Legende wird das Wüstenkind von der Sonne gezeugt, vom Sand geboren und vom Wind genährt. Wenn man das nicht wörtlich nimmt, könnte es sogar stimmen. In der Oase gibt es Sonne, Sand und Wind. Dort habe ich mich verändert. Vorher geschah nichts. Ich vermute, dass mehrere Faktoren zusammenkommen mussten, damit ich mich zum Wüstenkind entwickeln konnte.“
„Welche?“
„Nach den Legenden dieser Welt entsteht etwa alle vier bis fünf Generationen ein Wüstenkind. Die Geister entscheiden, wann dies notwendig ist und bringen die Elemente dazu, einen solchen Menschen zu schaffen.“ Sie wiederholte den Satz, den alle Menschen der Welt kannten: „Von der Sonne gezeugt, vom Sand geboren und vom Wind genährt. Das Wüstenkind taucht dann irgendwann aus der Wüste auf und zeigt sich den Menschen. Es schützt die Welt vor Gefahren und hilft dem jeweiligen Herrscher.“
„Und warum bist du zu diesem Wüstenkind geworden? Was war die Ursache?“
„Zum einen die Gene. Meine Vermutung ist, dass ein Mensch, der zum Wüstenkind werden kann, bestimmte genetische Voraussetzungen erfüllen muss. Ähnlich wie die Gene parapsychisch begabter Menschen gewisse Veränderungen zu normalen Menschen zeigen. Dann ist die Verwandlung wohl auch nur in den Todesfelsen, vermutlich sogar nur in der Oase möglich. Es gibt übrigens in jeder Wüste der Welt ein solches tödliches Gebiet und in allen Todesfelsen gibt es eine Oase. Doch freiwillig geht niemand hierher. Es muss also ein ganz besonderer Anlass sein, der einen Menschen dazu bringt, die Todesfelsen zu betreten.“
Perry Rhodan überlegte, wenn diese Gebiete derart verrufen waren, was konnte dann jemanden dazu bringen in den sicheren Tod zu gehen?
„Ich kenne inzwischen viele Erzählungen und Legenden. Es gibt Menschen, und zwar in jeder Generation, die sich seltsamerweise von den Todesfelsen angezogen fühlen. Natürlich wird niemand dieser Anziehung Folge leisten. Es sei denn, jemand will sterben. Ich vermute, dass die Wüstenkinder Menschen waren, die den Tod gesucht haben. Die meisten werden tatsächlich durch die Strahlung getötet worden sein. Doch bei denjenigen, bei denen die genetischen Bedingungen vorhanden waren, dürfte die Verbindung zu den Geistern genügt haben, um sie zur Oase zu bringen.“
„Wer sind diese sogenannten Geister?“ Atlans Stimme klang hart, doch Perry Rhodans Tochter lächelte nur.
„Auf jeden Fall keine Menschen oder andere Personen. Und bevor du weiterfragst, nein, ich werde nicht beeinflusst. Weder mein Denken noch mein Handeln. Ich entscheide absolut selbst über mich. Doch was diese Geister wirklich sind, kann ich dir nicht sagen. Ich weiß es nicht. Ich habe verschiedene Vermutungen, vielleicht liegt die Wahrheit in einer Mischung aus diesen.“
Auch Perry Rhodan sah sie zweifelnd an. „Wie kannst du dir da sicher sein? Du wurdest mehr oder weniger suggestiv hierhergebracht.“
Sie nickte. „Ich habe auch eine Verbindung zu den Geistern. Eine sehr starke sogar. Doch es ist eigentlich sogar genau anders herum. Ich benutze die Geister, nicht sie mich.“
Marian sah das Unverständnis in den Mienen der Männer.
„Wenn ich um Schutz bitte, bekomme ich ihn. Wenn ich Kraft benötige, bekomme ich sie“, erklärte sie.
„Das alles erklärt immer noch nicht, warum ausgerechnet du zu einem solchen Wüstenkind wurdest? Du bist nicht einmal ein Mensch dieser Welt.“
Sie seufzte. „Das ist noch schwieriger zu beantworten. Es gibt verschiedene Vermutungen.“ Marian sah ihren Vater an. „Eine davon wird dir überhaupt nicht gefallen.“
Perry Rhodan hob nur die Augenbrauen. „Ich bin mir nicht sicher, ob mir von dem, was du uns hier erzählst, überhaupt etwas gefällt. Versteh mich nicht falsch, Marian. Wenn es deine eigene Entscheidung war und ist, hier zu leben, dann kann ich das akzeptieren. Doch wenn du gezielt dazu gebracht und dahingehend beeinflusst wurdest ...“ Er beendete den Satz nicht.
Marian schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass es schwer zu glauben ist, aber du kannst dir sicher sein. Ich werde und wurde nicht beeinflusst.“
Sie berichtete davon, dass der vorhergehende Herrscher schon auf ein besonderes Wüstenkind gewartet hatte. Und dass die Herrin davon überzeugt war, dass die Geister irgendwie dafür verantwortlich waren, dass ein Wüstenkind auf einer fremden Welt geboren wurde. So, dass es die Gefahren der Fremdwelten erkennen und einschätzen konnte und diese Welt hier besser schützen konnte, als jeder andere Mensch hier.
„Das würde bedeuten ...“, Atlan verstummte rasch wieder, doch Marian vervollständigte seinen Satz. „... dass Levania – Elaine – dazu gebracht worden ist, diese Welt zu verlassen. Ja. Und das war vermutlich tatsächlich Beeinflussung, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mensch hier freiwillig zu Fremdweltlern geht. Und ganz sicher nicht Levania. Und ich weiß inzwischen, das Levania – Gründe dazu hatte, diese Welt zu verlassen. Ob diese Gründe gezielt hervorgerufen wurden, weiß ich nicht. Aber ich bin ihre Tochter, das heißt, dass ich genetisch auch ein Mensch dieser Welt bin.“
Perry Rhodan stand auf und wandte sich um. Atlan sah ihm besorgt nach, doch das Wüstenkind schüttelte den Kopf. Der Großadministrator knurrte nur, als das Seil sich straffte. Eine ganze Weile sah er in die Felsen hinaus, dann wandte er sich um.
„Wie denkst du darüber?“
Marian sah ihn an, in ihrem Blick – und ihrem Lächeln – sah er endlich seine Tochter wieder. So hatte sie ihn immer angesehen, wenn er nach längerer Abwesenheit wieder nach Terra kam. „Es ist mir gleichgültig. Ich werde immer deine Tochter sein, egal ob Levania gezielt dazu gebracht wurde, ein Kind zu bekommen.“
„Und Elaine? – Levania?“ verbesserte sich Perry Rhodan.
Das Wüstenkind fauchte wütend, dann erinnerte sie sich daran, dass sie nicht mehr so hart über sie urteilen wollte.
„Sie lebt nach ihren eigenen Regeln. Es tut mir leid, aber ich denke, sie hat mit Terra“, sie weigerte sich zu sagen ‚mit dir‘, „abgeschlossen. Wir gehen uns aus dem Weg. Ich begreife diese Frau einfach nicht“, knurrte sie, als ihr Frust wieder überhandnahm. Dann riss sie sich zusammen. „Aber vermutlich hat sie ihre Gründe für die Art, wie sie lebt.“
Irgendwie rührte es Perry, wie seine Tochter versuchte, ihn zu schonen. Er hatte schon viel zu lange gelebt und zu viel erlebt, um den Verlust eines Menschen nicht zu verkraften. Auch wenn Elaines Verschwinden damals schmerzhaft gewesen war.
Nachdenklich sah er Marian an, es waren noch viele Fragen offen geblieben. Doch sie hatte bei einigen Themen deutlich ausweichend geantwortet. Die Frage war, weshalb? Wenn es Loyalität gegenüber den Menschen war, denen sie sich offensichtlich zugehörig fühlte, dann konnte er das akzeptieren. Perry beschloss, erst einmal abzuwarten.
„Wie geht es jetzt weiter? Wenn ich das richtig verstanden habe, sind wir offiziell tot“, wechselte er das Thema.
Das Wüstenkind nickte, sie wunderte sich ein wenig. Es sah ihrem Vater nicht ähnlich, offene Fragen nicht weiter zu verfolgen. Doch sie fühlte sich zwiespältig. Sicher, sie wollte, dass er sie verstand, andererseits gab es viele Dinge, die Fremdweltlern einfach nicht offenbart werden sollten und durften.
Atlans Mundwinkel zuckten, er ahnte Marians Gedanken. Leise sagte er: „Du unterschätzt wieder einmal deinen Vater, Kleines. Er kennt dich vielleicht besser, als du denkst.“
Er beachtete den missbilligenden Blick nicht, den der Freund ihm zuwarf. Perry mochte es überhaupt nicht, wenn andere seine Gefühle offenlegten. Marian hingegen sah ihn dankbar an, dann wandte sie sich an ihren Vater. Plötzlich war es ganz einfach.
„Ich liebe dich, Dad. Daran wird sich nie etwas ändern. Aber – und ich kann dich nur bitten, dies zu akzeptieren – ich gehöre zu dieser Welt hier. Ich bin ein Mensch dieser Welt. Selbst genetisch. Denn ich bezweifle, dass ich zum Wüstenkind hätte werden können, wenn ich nicht genetisch mehr hierher gehören würde, als zu Terra.“
Dann stand Marian auf. „Und um deine Frage zu beantworten. Ich bringe euch an einen Ort, von dem aus ihr Verbindung mit Terra aufnehmen könnt. Wir müssen jedoch mehrere Tage durch die Todesfelsen gehen. Das bedeutet, wir müssen so viel Wasser wie möglich mit uns nehmen. Und es bedeutet, dass ihr in dieser Zeit sozusagen an mich gekettet seid.“
Sie deutete auf die Seile. Die Männer seufzten, als ihnen die Konsequenzen klar wurden. Nikola war dem Gespräch bisher still gefolgt. Sie wusste, wie wichtig es ihrer Schwester war, dass ihr Vater sie verstand und akzeptierte. Jetzt grinste sie jedoch. Das Wüstenkind hatte ihr vorhergesagt, dass den Männern die Peinlichkeiten, die sich aus der erzwungenen Nähe ergaben, weit mehr stören würden, als der beschwerliche Marsch. Sie schien Recht zu haben.
Das Wüstenkind führte sie stundenlang durch die gleichförmig öde Steinwüste. Es gab hier tatsächlich nichts weiter als hellgraue Steine und Felsen jeder Größe und hellgelben Sand. Sie sprachen nicht. Trotz der Wüstengewänder, die sich als Schutz auch vor das Gesicht binden ließen, drang der Sand langsam aber sicher überall durch. Er knirschte zwischen den Zähnen und ließ Zunge und Rachen kratzig werden.
Die Sonne berührte fast schon den Horizont, als das Wüstenkind im Schutz einiger größerer Felsen Halt machte. Sie verteilte die Wasserportionen und die getrocknete Nahrung. Den Männern fiel sofort auf, dass sie selbst nichts trank und auch nichts aß. Trotz Marians Worte konnten sie sich nicht vorstellen, dass sie nicht durstig war. Doch das Wüstenkind schüttelte lächelnd den Kopf und griff in den Sand.
„Das Wasser wird knapp genug werden. Ich brauche es nicht.“
Sie aß mehrere Handvoll von dem gelben Sand, und die Männer bemühten sich, nicht das Gesicht zu verziehen. Der Felsen, an dem sie lagerten, war genauso groß, dass die Seile auf die andere Seite reichten. So konnten sie wenigstens einzeln ungesehen dorthin verschwinden und im weichen Sand diverse Löcher für ihre Notdurft graben.
Perry Rhodan musterte das junge Mädchen, das die Strapazen dieses langen Marsches erstaunlich gut überstanden hatte. Nun, vielleicht war es nicht ganz so bemerkenswert, Nikola stammte ja wohl aus einem der Wüstenstämme. Er blickte von Marian zu dem Mädchen. Dass seine Tochter nicht mit einem Mann zusammen war, sondern mit einem Mädchen, verwunderte ihn zwar, doch er hatte damit kein Problem. Auch wenn er selbst aus einer Zeit stammte – ursprünglich –, in der gleichgeschlechtliche Liebe nichts Selbstverständliches war.
Doch inzwischen wusste Perry, weshalb ihn das Mädchen an jemanden erinnerte. Sie sah Elaine ähnlich. Und wenn er sich alles überlegte, was er über sie gehört hatte, musste sie Marians Halbschwester sein. Und Marian musste das wissen. Wie konnte sie dann ihre Geliebte sein?
Das Wüstenkind sah seinen Blick. „Du hast Recht, Dad. Nicki ist meine Schwester“, bekannte sie leise. „Und sie ist meine Geliebte.“ Sie seufzte auf. „Und bevor du etwas sagst … ich hatte damit durchaus meine Schwierigkeiten.“ Sie warf Nikola einen amüsierten Blick zu. „Nur, dass Nicki dies nicht im Geringsten interessierte.“
„Hey, das stimmt nicht“, lachte das Mädchen. „Ich habe mehrere Jahre gewartet, bis du dich an unsere Welt und unsere Art zu denken gewöhnt hast.“
Sie kicherte, als sie die verblüfften Blicke der Männer sah. Das Wüstenkind öffnete den Mund, wenn Nicki jetzt weitersprach, würde ihr Vater gleich den nächsten Schock bekommen. Dann schloss sie ihn jedoch wieder. Die Selbstverständlichkeit und Gleichmütigkeit, mit der Nikola erzählen würde, wären vielleicht hilfreicher und überzeugender, als wenn sie selbst dieses heikle Thema erklären würde.
„Das Wüstenkind war völlig entsetzt, als ich das erste Mal zu ihr gegangen bin. Was ich wiederum überhaupt nicht verstehen konnte. Die Herrin hat dann versucht, mir zu erklären, dass das Wüstenkind etwas anders reagiert, als ich es gewohnt sei. Damals wusste ich ja auch noch nicht, dass wir Schwestern sind.“
Nikola lachte und sprach völlig gleichgültig weiter, obwohl sie innerlich vor Vergnügen fast zappelte. Sie konnte sich vorstellen, wie ihre weiteren Worte auf diese fremden Männer wirken würden. „Ich war damals ja erst neun Jahre alt.“
Sie übersah bewusst das deutlich sichtbare Entsetzen der Männer. „Mit dreizehn war ich dann überzeugt, endlich für das Wüstenkind alt genug zu sein. Zu der Zeit hat Sheina mir auch erzählt, dass wir Schwestern sind – was ich toll finde. Auch wenn das natürlich ein Geheimnis bleiben muss. Das Wüstenkind darf keine Herkunft haben und damit auch keine Familie. Aber das spielt für uns ohnehin keine Rolle.“
Jetzt grinste Nikola die Männer offen an: „Ich weiß, dass das ein Schock ist, aber auf unserer Welt ist es völlig normal. Und ich habe Sheina erklärt, wenn sie wirklich ein Mensch unserer Welt ist und sein will, dann muss sie sich daran gewöhnen.“
Der Großadministrator sagte sicherheitshalber erst einmal gar nichts. Das musste er erst verdauen. Atlan schluckte. Das vergnügte Funkeln in den Augen des jungen Mädchens zeigte zu deutlich, dass sie sich über die Wirkung ihrer Worte völlig bewusst war.
„Sheina?“ Atlan war froh, damit etwas Belangloses zu finden, mit dem er antworten konnte. Doch der bemühte Klang seiner Stimme verriet ihn dennoch. „Ich dachte, das Wüstenkind hat keinen Namen.“
„Doch, hat sie. Aber er wird nicht benutzt. Nur von mir, wenn wir alleine sind. Und manchmal, aber nur selten, von der Herrin.“
„Hm, und warum dann nicht Marian?“ Perry hatte eine Sprache wiedergefunden.
„Den Namen gibt es hier nicht.“ Das Wüstenkind blickte langsam von einem zum anderen.
„Ich glaube, genauer möchte ich über dein ‚Privatleben‘ nicht Bescheid wissen“, murmelte Perry Rhodan. „Die hiesige Kultur ist in mancher Hinsicht schwer verdaulich. – Was sagt Elaine dazu?“ fügte er dann doch noch hinzu.
„Es spielt für sie keine Rolle.“
„Obwohl ...“
Das Wüstenkind schüttelte den Kopf. „Es spielt für die Menschen hier tatsächlich keine Rolle. Selbst wenn sie wüssten – bzw. wissen dürften –, dass wir Schwestern sind. Sexuelle Beziehungen unter engsten Verwandten sind hier in einer Art selbstverständlich, wie wir es uns nicht einmal vorstellen können.“
Jetzt sah Atlan sie überrascht an. „Wir? Das ist das erste Mal, dass du dich nicht mit den Menschen hier identifizierst.“
Das Wüstenkind nickte ernst. „Mit den sexuellen Regeln hier werde ich vermutlich immer meine Schwierigkeiten haben.“ Sie zuckte mit den Schultern.
Fast vier Tage marschierten sie auf diese Weise durch die Wüste. Genauso schlagartig wie die Felsen begonnen hatten, endeten sie auch wieder. Vor ihnen breitete sich bis zum Horizont die helle, fast weiße Sandwüste aus.
Das Wüstenkind knüpfte die Seile los und warnte sie noch einmal, auf keinen Fall in den Bereich der Felsen zu gehen. Dann führte sie die kleine Gruppe weiter durch den Sand, aber in Sichtweite der Felsen. Perry Rhodan und Atlan waren erleichtert, ohne die Seile und die damit beengte Bewegungsfreiheit fühlten sie sich wesentlich wohler. Sie waren jedoch nur wenige hundert Schritte gegangen, als der Arm des Wüstenkindes plötzlich hochschnellte. Sie war abrupt stehengeblieben und hielt die anderen nun zurück.
„Nicht bewegen.“
Perry blickte über die Wüste, konnte jedoch nichts erkennen. Fragend sah er seine Tochter an.
„Dicht vor uns ist eine Morapiherde. Sie ziehen wohl gerade an einen anderen Jagdplatz.“
Nikola verzog das Gesicht. Die beiden Männer waren jedoch genauso ratlos wie vorher. Das Wüstenkind lächelte und erklärte bereitwillig: „Solange ihr euch nicht bewegt, werden sie nichts tun. Morapis leben unter dem Sand und kommen niemals an die Oberfläche. Aber sie spüren jede Bewegung über sich.“
Sie griff plötzlich in den Rucksack und holte eine große Tessorfrucht heraus. Langsam und vorsichtig ging sie einige Schritte vorwärts. Dann warf sie die etwa unterarmlange Frucht so weit sie konnte.
Einige Augenblicke lag das grünschillernde, kürbisähnliche Obst auf dem Sand. Dann schossen dünne Tentakel aus dem Boden und wanden sich um die Frucht. Die beiden Männer konnten nicht erkennen was dann geschah. Nur dass das Tessor nicht, wie es erwartet hatten, unter den Sand gezogen wurde.
„Die Morapis ziehen Fleisch vor, fressen jedoch eigentlich alles. Ihre Beute wird mit den Tentakeln auf den Sand gefesselt. Ist das Opfer sicher gefesselt, stoßen sie ihm unzählige Saugrüssel tief hinein und saugen – falls vorhanden – einen Teil des Blutes oder der Flüssigkeit aus dem Körper. Allerdings nicht so viel, dass ein Tier oder Mensch daran stirbt. Danach pumpen sie kleine Mengen Verdauungsflüssigkeit in die Beute. Immer nur so viel, dass eine geringe Menge des Fleisches zersetzt wird, dies wird dann durch die Rüssel eingesaugt.“
Die Männer starrten blass auf das Obst. Das Wüstenkind sprach gnadenlos weiter: „Bei einem Menschen dauert es mehrere Stunden, bis er auf diese Weise endgültig stirbt. Es ist ein unglaublich grauenvoller Tod.“
Atlan schüttelte sich. „Woran erkennt man eine solche Herde? Ich muss gestehen, für mich sieht die Wüste dort vorne genauso aus wie alles andere hier auch.“
Das Wüstenkind nickte. „Glaube ich dir. Ich sehe die Bewegungen der Morapis. Aber die Wüstensippen haben es schon schwerer. Nur wenige, sehr erfahrene Wüstenkrieger können Morapiherden erkennen. Jeder, der das kann wird in seiner Sippe hochgeachtet.“
Sie mussten noch eine Weile warten, bis das Wüstenkind sie weiterführen konnte. Schließlich ging die junge Frau auf eine große Sanddüne zu. Erst als sie direkt davor standen, erkannten die Männer, dass dies kein natürlicher Sand war. Das Wüstenkind betätigte den verborgenen Öffnungsmechanismus und eine Tür schwang auf.
Perry Rhodan und Atlan starrten in die Öffnung, sie glaubten ihren Augen nicht zu trauen. Sie standen vor einer USO-Station.
„Nikola, fass hier bitte nichts an.“
Das junge Mädchen nickte, sie sah sich mit großen Augen in der eigenartigen Umgebung um. Hier gab es nichts, das auch nur entfernte Ähnlichkeit mit dem hatte, was sie kannte.
„Es gibt hier Energie?“
Marian nickte. „Ich habe es überprüft.“
„Wann … Seit wann gibt es diese Station hier?“
Das Wüstenkind sah erst ihren Vater, dann Atlan an. „Diese Station wurde vor etwa vierzig Jahren hier errichtet.“ Ihr Tonfall wurde süffisant. „Damals war diese Welt schon verboten. Die Station hätte es nie geben dürfen.“
Atlan presste kurz die Lippen zusammen. Die USO hielt sich allerdings nicht immer an die terranischen Vorgaben. Was dann auch hin und wieder zu Streitgesprächen zwischen ihm und Perry führte. Im Moment war etwas anderes für ihn jedoch viel wichtiger.
„Was ist aus dem Agenten geworden? Mir ist nicht bekannt, dass wir jemals eine Meldung bekommen hätten.“
Marian zeigte auf ein Datenaufzeichnungsgerät. „Nach den Daten hat er die Station aufgebaut. Doch ehe er Meldung machte, wollte er die Gegend etwas genauer erkunden.“
„Er wurde entdeckt?“
„Nein. Auch die Station wurde nie gefunden. Sie steht genau am Rand der Todesfelsen. Er ist in die falsche Richtung gegangen.“
Perry Rhodan deutete in die Steinwüste und sie nickte. Das Wüstenkind zog eine Lade auf und holte einen Gegenstand heraus, den sie Atlan gab. Die Erkennungsplakette, die jeder USO-Agent bei sich trug.
„In der trockenen Hitze mumifizieren Körper. Ich habe seinen Leichnam nicht weit weg von hier gefunden. Vor Jahren schon, als ich zufällig über die Station hier gestolpert bin.“
Ihr Vater sah sie forschend an. „Du weißt seit Jahren über diese Station Bescheid.“
„Ja.“ Sie seufzte schwer. „Dad, was hätte ich in einer Funknachricht sagen sollen? Dass ich auf einer verbotenen Welt lebe? Wie hätte ich erklären können, was geschehen ist?“ Das Wüstenkind zuckte mit den Schultern.
Nur einen Moment zögerte ihr Vater, dann nickte er leicht. Er überflog die Einrichtung, ein ganz leises Summen zeigte ihm, dass die Energieversorgung lief.
„Welche Bedingungen gibt es?“
Die beiden Frauen wechselten einen Blick, das Wüstenkind amüsiert, Nikola eher verblüfft.
„Keine.“ Marian grinste über die ungläubigen Gesichter. „Ihr könnt mir glauben, es gibt keine Bedingungen.“
Perry Rhodan runzelte die Stirn, das konnte er kaum glauben. Weshalb sollte diese Herrscherin sie freilassen, ohne sich für die Zukunft abzusichern? Er hörte Nikola genervt aufstöhnen: „Musst du eigentlich immer Recht haben?“
Das Wüstenkind kicherte. „Ich kenne meinen Vater schließlich.“
„Haben wir das dir zu verdanken?“
„Oh nein. Im Gegenteil. Ich habe der Herrin erklärt, dass es für dich völlig selbstverständlich wäre, wenn sie Bedingungen stellt. Es war ihre Entscheidung.“
Auch Atlan war irritiert. „Nach allem, was ich bisher von dir gehört habe, bist du bereit, sehr viel für den Schutz dieser Welt zu machen. Und du bist nicht gewillt, uns Zugang hierher zu ermöglichen. Weshalb hast du dann deiner Herrscherin nicht geraten, sich irgendwie abzusichern?“
Ernst sah das Wüstenkind ihn an: „Wenn die Herrin entscheidet, dass dies nicht notwendig ist, dann werde ich nicht daran zweifeln. Ich kenne ihre Fähigkeiten. Sie kann viele Dinge erkennen – ich meine damit Zusammenhänge. Sie benötigt keine direkten Informationen, um Entscheidungen zu treffen. Sie spürt einfach, was richtig ist. Es ist schwer zu erklären. Im Grunde ist es eine Fähigkeit, wie ich das Feuer in mir habe. Es ist einfach so. Und sie war sich sicher, dass es nicht notwendig ist, euch Bedingungen zu stellen. Ihr könnt den Funkspruch nach Terra absetzen. Allerdings sollten gewisse Verhaltensmaßregeln eingehalten werden. Aber dies ist nicht für uns notwendig, sondern wegen eurer Sicherheit.“
Sie sprach weiter, als sie die fragenden Blicke sah: „Ich nehme an, dass Bully es sich nicht nehmen lassen wird, selbst zu kommen. Und er wird natürlich dein Flaggschiff – die Barbarossa – kommandieren. Ich bezweifle sehr, dass der Schutz dieser Welt ein derartiges Schiff wieder starten lässt. Es wird vernichtet werden, eine Landung ist also ausgeschlossen.“
Atlan unterbrach sie: „Dieser Schutz wird nicht von euch gesteuert?“
„Nicht direkt. Wir können um Schutz bitten und machen es auch. Wir steuern jedoch nicht, wie dieser Schutz wirkt.“
Das Wüstenkind würde sich hüten zuzugeben, dass es durchaus möglich sein würde, einem bestimmten Schiff die Landung zu gestatten. Doch einige Personen auf dieser Welt würden spüren, dass hier gezielt eine Ausnahme gemacht wurde. Das konnte sie sich nicht leisten. Der umständliche Weg war weitaus sicherer.
„Es wird jedoch besser – und sicherer – sein, wenn Bully nicht einmal bis in die direkte Nähe der Welt fliegt. Zwischen dem dritten Planeten und dem äußeren Gasriesen liegt ein Asteroidengürtel. Von dort kann ein Beiboot ohne Schwierigkeiten zum Mondorbit gelangen. Näher würde ich nicht empfehlen. Gucky kann von dort springen. Er wird mehrere Sprünge benötigen, deshalb sollte er Raumanzüge mitbringen. Er wird keine Schwierigkeiten haben, euch zu finden und direkt hierherzukommen. Mit ihm könnt ihr dann zurückkehren.“
Perry Rhodan nickte. Atlan stellte derweil schon das Funkgerät ein. Nikola sah mit großen Augen zu. Damit konnte man einfach so mit jemandem auf einer anderen Welt sprechen? Das Wüstenkind berührte ihre Schulter. „Komm, wir gehen derweil ein wenig jagen.“
Ihr Vater sah sie erstaunt an. Das Wüstenkind lächelte. „Es ist besser so.“ Sie zögerte noch einmal. „Kann ich inkognito bleiben?“
„Du möchtest selbst Bully nicht sagen, dass du hier lebst?“
Sie lachte: „Nein, Bully kann es natürlich wissen. Und ich bezweifle, dass ich Gucky gegenüber eine Chance hätte, zu verbergen, wer ich bin. Ich meinte eher offiziell.“
„Sicher. Wir werden dich nicht erwähnen – oder nur als Wüstenkind.“
Die beiden Frauen gingen hinaus, während die Männer an den Geräten hantierten. Dem Wüstenkind war es lieber so. Sie durfte vielen Menschen gegenüber nicht lügen, und wenn sie dieses Funkgespräch mitanhören würde, wäre es weitaus schwieriger. Auch wenn es fast schade war, die Reaktion ihres Patenonkels Bully nicht mitzuerleben. Sie konnte sich vorstellen, welcher Aufruhr jetzt auf Terra entstand. Perry Rhodan und Atlan waren inzwischen seit einigen Monaten verschollen.
Als sie mit mehreren fuchsähnlichen Tieren zurückkam, sah ihr Vater sie lächelnd an. „Bully wird in fünf Tagen hier sein.“
Die nächsten Tage vergingen ruhig. Sie unterhielten sich viel, Marian beantwortete noch so manche Frage und erklärte vieles. Auch Nikola sprach oft mit den Männern. Von ihr erhielten sie einen anderen Einblick in die Gedankengänge dieser Menschen und ihrer Kultur. Perry Rhodan begriff immer mehr, wie groß die Unterschiede zwischen Terra und dieser Kultur hier waren – ganz abgesehen von den technischen und wissenschaftlichen Kenntnissen.
Dann sprang das Funkgerät an, und ein aufgeregter Bully rief nach ihnen. „Wir fliegen in das System ein. Und ich möchte endlich genauere Auskünfte, was mit euch geschehen ist. Weshalb antwortest du derart ausweichend?“
Perry Rhodan stutzte. Tat er das? Dann begriff er plötzlich: Er fühlte sich dieser Herrscherin gegenüber verpflichtet, sie und ihre Welt zu schützen. Und dazu gehörte auch, möglichst wenig Wissen weiterzugeben. Hätte sie Bedingungen zu ihrer Freilassung gestellt, würde er sich weitaus weniger verpflichtet fühlen. Konnte Marian Recht haben? Spürte diese Frau, welche Entscheidung die für sie vorteilhafteste war? Dann wäre es weitaus klüger, das Gefühl der Überlegenheit beiseite zu schieben, und sie nicht mehr als einfache, barbarische Herrscherin anzusehen. Dann war sie eine mindestens ebenbürtige Gegnerin. Obwohl Gegnerin vermutlich ein falscher Ausdruck war.
„Perry? Antworte!“
„Ja, ja, Bully, wir sind hier. Und ich versichere dir, uns geht es gut. Uns ist nichts geschehen. Du bekommst deine Antworten, wenn wir an Bord sind. Haltet euch einfach an die Anweisungen.“
„Worauf du dich verlassen kannst“, grollte Bully. „Ich werde mich hüten, euch zu gefährden. Gucky wird in wenigen Minuten mit dem Beiboot losfliegen.“
Perry Rhodan lächelte. „Es geht nicht um uns. Wir sind nicht in Gefahr. Es geht um eure Sicherheit. Du wirst die Informationen über diese Welt nachgesehen haben. Eine Landung hier wäre Selbstmord. Ich kann dir versichern, dass die Informationen den Tatsachen entsprechen. Es gelingt nur den wenigsten Schiffen, wieder zu starten.“
Dann wandte er sich an Marian. „Richte deiner Herrscherin bitte meine Hochachtung aus. Es kommt selten vor, dass ich derart gut eingeschätzt werde.“
Atlan lachte auf: „Das fällt dir erst jetzt auf? Sie hat dich völlig durchschaut, Barbar.“
Derweil hörte sich Gucky genervt Bullys tausend Ermahnungen an. „Ich springe nicht zum ersten Mal auf eine fremde Welt.“
Bully fuhr sich frustriert durch die rostroten Haare. „Wir wissen viel zu wenig über diese Welt. Perry hat bestätigt, dass eine Landung nicht möglich ist. Irgendetwas oder irgendjemand hat also die Möglichkeit, hochentwickelte Raumschiffe zu vernichten. Sei vorsichtig, Gucky.“
Der warf sich in die Brust. „Was sollen sie schon gegen mich unternehmen.“
„Perry und Atlan sind in ihrer Gewalt.“
Guckys Nagezahn verschwand. Natürlich würde er vorsichtig sein, aber er konnte doch sicher ein klein wenig sondieren, was diese Welt so geheimnisvoll machte.
„Du hältst dich an die Anweisungen, Kleiner. Die Kaulquappe nähert sich dem Planeten nicht weiter als bis zum Mondorbit. Captain Moonhouse hat eindeutige Befehle, die du nicht umgehen wirst. Von dort springst du direkt zu Perry. Keine Umwege, Kleiner. Das ist ein Befehl. Und ich will später auch keine Ausreden hören.“ Bully grinste: „Was aber nicht bedeutet, dass du dich nicht telepathisch ein wenig umhören kannst.“
Na, das war doch wenigstens etwas. Guckys Laune stieg wieder. Monatelang hatten sie mit wachsender Verzweiflung nach den beiden Verschollenen gesucht. Keiner von ihnen würde jetzt riskieren, sie in Gefahr zu bringen.
Sicher steuerte Kerrin Moonhouse das Beiboot durch das Gebiet der Asteroiden. Dann erhöhte er die Geschwindigkeit, sie würden dennoch mehrere Stunden benötigen, um in die Nähe des zweiten Planeten zu gelangen. Er warf einen Blick auf die kleine Gestalt, die sich in einen der Sessel gelümmelt hatte. Natürlich kannte er den Mausbiber, aber es war sein erster Einsatz mit ihm zusammen. Ob er tatsächlich die riesige Entfernung vom Mondorbit auf die Oberfläche dieser Welt per Teleportation überwinden konnte?
Er öffnete den Mund – der schrille Klang des Alarms tönte durch die kleine Zentrale. Mit einem grellen Kreischen schlugen die Strukturtaster aus. Kurzzeitig übertönte der Lärm alles andere.
Die Finger des Captains rasten über Schalter und Hebel. Gucky fiel fast aus seinem Sessel und teleportierte sich rasch zu den Ortungsgeräten. Beinahe trat er dabei dem dort sitzenden Lieutenant Linton auf die Füße. Auf dem Ortungsbildschirm wurde es hell. Fassungslos sahen die Männer – und der Mausbiber – auf die unzähligen Punkte, die dort erschienen. Jeder Punkt war ein Raumschiff.
Aus dem Funkgerät klang Bullys Stimme: „Sofort zurückziehen. Suchen Sie Ortungsschutz. Wir müssen herausfinden, wer da mit einer derart großen Flotte auftaucht.“
Auf der Barbarossa wurde es schlagartig hektisch. Dann kamen die ersten Ergebnisse herein. Die im System auftauchende Flotte waren eindeutig Akonen. Noch immer tauchten weitere Schiffe auf. Bully sah mit zusammengekniffenen Augen zu. Schon eine Weile hatten sie den Verdacht, dass das Verschwinden von Perry und Atlan auf das Konto des akonischen Geheimdienstes ging. Doch sie hatten nie Genaueres herausfinden können.
Was wollte diese Flotte jetzt hier? Konnte es Zufall sein, dass sie ausgerechnet jetzt auftauchten?
Endlich wurden die Strukturtaster wieder ruhig. „Einhundertzwölf Schiffe. Und ein lebhafter Funkverkehr zwischen ihnen.“
Bully horchte auf. „Können wir den abhören? Und wie sieht es mit der Ortung aus? Haben sie uns entdeckt? Gegen eine solche Flotte können wir nicht bestehen.“
„Ortungsschutz ist aktiv. Es ist unwahrscheinlich, dass sie uns hier finden können. Die Kaulquappe ist inzwischen im Ortungsschatten des dritten Planeten. Auch sie dürfte nicht mehr entdeckt werden. Und bisher haben die Strukturerschütterungen die Ortung mit Sicherheit sehr erschwert. Wir dürften also mit großer Wahrscheinlichkeit unentdeckt geblieben sein.“
Bully wartete ab. Durch die Glaswand konnte er die Funktechniker sehen. Sie versuchten mit allen Mitteln, die Funksprüche der Akonen aufzufangen.
„Sir! Lieutenant Trinn hier.“ Der Mann stotterte vor Aufregung, sein Gesicht auf dem Monitor war kreidebleich.
„Lieutenant Trinn, reißen Sie sich zusammen und machen Sie Meldung!“
„Ja, Sir.“ Seine Stimme war heiser. „Sir, die Akonen haben Arkonbomben an Bord. Sie wollen die Beiboote ausschleusen und die Bomben über dem zweiten Planten abwerfen. Sie sollen in der Atmosphäre gezündet werden.“
Jetzt wurde auch Bully bleich. Arkonbomben! Die fürchterlichste Waffe, die je erfunden worden war. War sie einmal gezündet, löste sie einen Atombrand aus, der nicht mehr zu löschen war. In der Atmosphäre würde dieser Atombrand die gesamte Gashülle der Welt verbrennen. Damit wurde jedes Leben auf der Welt vernichtet.
Die Menschen dort unten würden verbrennen. Und Perry und Atlan waren dort!
„Wie lange?“ krächzte er entsetzt.
„Acht Stunden.“
Bully schluckte. Niemals konnten sie in diesen wenigen Stunden eine ausreichende Flotte heranschaffen, um dieses Verbrechen zu verhindern. Und mit einem Schiff, selbst mit der Barbarossa, hatten sie keine Chance gegen die Akonen. Wie viele Menschen konnten sie retten? Wenn sie überhaupt an den Planeten herankamen.
„Funkspruch an den Großadministrator. Sofort! Abgeschirmt und verschlüsselt.“
Fassungslos hörten Perry und Atlan Bullys Bericht an.
„Ihr bleibt im Ortungsschutz. Niemand wird versuchen, uns hier herauszuholen.“ Perry wusste genau, dass dies hoffnungslos war. Kein Schiff würde es schaffen, unentdeckt nah genug zu kommen, um sie aufzunehmen. „Warte, Bully.“
„Wüstenkind“, bellte er.
Atlan riss die Tür auf. „Wüstenkind!“
Bei dem Klang der Stimmen riss diese den Kopf hoch und rannte in die Station.
„Deine Welt ist in tödlicher Gefahr. Eine Flotte der Akonen nähert sich. Sie haben Arkonbomben bei sich. Sie wollen sie in der Atmosphäre zünden.“
Marian starrte ihn an. Einen Augenblick glaubte sie, sich verhört zu haben. Das war nicht möglich. Niemand würde eine bewohnte Welt mit Arkonbomben vernichten. Dann kam die Erkenntnis: Diese Welt würde nicht vernichtet werden. Der Atombrand würde „nur“ jedes Leben zerstören. Und dann würde den Akonen der Reichtum dieser Welt gehören. Die begehrten Rohstoffe, die ihnen nicht nur unermesslichen Reichtum, sondern auch militärische Möglichkeiten eröffneten, von denen das akonische Reich derzeit nur träumen konnte.
Zwei Atemzüge lang stand sie wie zur Salzsäule erstarrt. Dann hob das Wüstenkind den Kopf. Erstaunt sah ihr Vater, wie das Entsetzen aus ihrem Blick verschwand und einer unbeugsamen Entschlossenheit Platz machte.
„Unserer Welt wird nichts geschehen. Wie lange brauchen die Schiffe, bis sie die Bomben zünden?“
„Acht Stunden.“
Das Wüstenkind holte tief Luft, das war nicht viel Zeit. Doch sie wusste, was zu tun war. Fest blickte sie ihren Vater an. „Dein Schiff wird sich zurückziehen. Mindestens bis an den Rand des Systems. Auch das Beiboot.“
Sie schüttelte den Kopf, als er versuchte, sie zu unterbrechen. „Keine Einwände. Ansonsten werden deine Leute sterben. Ihr beide bleibt hier. Ihr rührt euch nicht aus dieser Station. Egal, wie lange es dauert. Ich verlange, dass du tust, was ich sage! Die Funkverbindung mit dem Schiff wird nicht mehr lange möglich sein. Sage ihnen, dass sie sich zurückziehen sollen.“ Ihre Stimme war hart. „Niemand wird diese Welt vernichten.“
Damit wandte das Wüstenkind sich um und ging hinaus in die Wüste. Jetzt brauchte sie den Sand und die Verbindung zu den Geistern. Und diese war in der Wüste am stärksten.
Verblüfft sahen die Männer ihr nach. Nikola sah verstört von einem zum anderen.
„Nikola! Ich brauche dich!“
Das Mädchen rannte hinaus.
Die Männer sahen sich an.
„Deine Tochter weiß, wie man Befehle gibt“, knurrte Atlan.
„Was um alle Planeten will sie gegen diese Flotte unternehmen?“ Perry wandte sich langsam dem Funkgerät zu.
„Was willst du Bully sagen?“
Einen Moment lang zögerte der Großadministrator noch. „Ich werde ihr vertrauen. Eine andere Wahl haben wir nicht.“ Entschlossen schaltete er das Gerät an.
Bully tobte. Doch seine Einwände wurden abgewiesen. Perrys Befehle waren eindeutig.
„Wir lassen euch nicht im Stich!“
„Ihr könnt nichts ausrichten, Bully. Zieht euch zurück.“
„Perry, diese Menschen kennen keine Technik. Was wollen sie denn gegen Arkonbomben ausrichten?“
„Ich weiß es nicht, Bully. Aber wir haben keine andere Wahl, als ihnen jetzt zu vertrauen. Das Wüstenkind ist sich völlig sicher gewesen.“
„Verdammt. Diese Frau begreift doch nicht einmal, was ihrer Welt droht.“
„Oh doch, Bully. Sie weiß es ganz genau. Noch einmal. Ihr zieht euch an den Rand des Systems zurück. Auch die Kaulquappe. Und wundert euch nicht, wenn die Funkverbindung abbricht. Dies ist ein Befehl, Bully! Ende.“
Perry wartete keine Antwort ab. Er wusste, was er von dem Freund verlangte. Dann warteten sie.
Das Wüstenkind lief mit großen Schritten einige hundert Meter weit in die Wüste. Dann setzte sie sich in den Sand und bedeutete Nikola, sich neben sie zu setzen.
„Du musst jetzt singen, Nicki. Jeder auf dieser Welt muss jetzt die Geister rufen. Wir brauchen allen Schutz, den wir nur bekommen können. Sonst werden wir sterben.“
Nikola nickte, sie verstand immer noch nicht. Doch sie vertraute dem Wüstenkind blind. Sie setzte sich und schloss die Augen, konzentrierte sich auf die Geister und „sang“. All ihre Gedanken waren jetzt nur noch auf die Kräfte ausgerichtet, die ihre Welt seit vielen Generationen schützte. Sie hörte nichts mehr, spürte nichts mehr. Sie bestand nur noch aus einem einzigen Gedanken: „Schütze unsere Welt.“
Das Wüstenkind schuf in ihren Gedanken die Verbindung zur Herrin. Nur diese konnte alle Anführer der Sippen erreichen und ihre Forderungen weitergeben. Hätte jemand von außerhalb diese Welt beobachten können, würde er nun ein erstaunliches Geschehen erleben.
Die Anführer aller Sippen, gleichgültig ob klein oder groß, schraken auf, erstarrten und lauschten in sich hinein. Dann konzentrierten sie sich. Nur wenige Atemzüge später begannen die Menschen auf der ganzen Welt in sich hineinzulauschen. Dann setzten sie sich nieder, ganz egal was sie gerade machten. Ob auf der Jagd, auf den Feldern, in den Häusern. Selbst auf der Nachtseite setzten sich die Menschen auf und konzentrierten sich. Wie Wellen auf dem Wasser ging diese Reaktion von den Anführern aus. Zuerst die Menschen in ihrer unmittelbaren Nähe, dann in immer weiteren Entfernungen.
Nach nur eineinhalb Stunden schien die Welt erstarrt zu sein. Überall saßen die Menschen mit geschlossenen Augen. Vom Kleinkind bis zum Greis. Niemand bewegte sich, niemand sprach. Ein Telepath würde nur einen einzigen Gedanken empfangen können, der von der gesamten Menschheit dieser Welt gedacht wurde: „Schütze unsere Welt.“
Die Herrin spürte diesen Gedanken, bündelte ihn und schickte ihn an die Geister. Nur ein einziger Gedanke war anders. Das Wüstenkind war der einzige Mensch außer der Herrin, der eine bewusste Verbindung zu den Geistern hatte. Hochkonzentriert formulierte sie ihre Gedanken genauer, bat gezielt um bestimmte Reaktionen. Das Wüstenkind spürte, wie die Kraft, die die Welt schützte, sich verstärkte, sich ausweitete und in die Atmosphäre erhob. Höher und höher stieg diese seltsame Kraft, die kein Instrument messen konnte und die doch wie ein Energiefeld die Welt umschloss. Immer stärker wurde dieses Energiefeld, immer höher dehnte es sich aus, unsichtbar, unmessbar.
Auf der Barbarossa sahen die Offiziere in der Zentrale mit blassen Gesichtern auf die Monitore. Gucky stand mitten in der Zentrale, in seinen Augen schwammen Tränen. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass Bully ihn gezwungen hatte, wieder an Bord zu kommen.
Sie sahen wie die akonische Flotte einen Ring um den zweiten Planeten bildete. Dann lösten sich kleine Punkte von den Schiffen. Die Beiboote sanken tiefer bis knapp über die Lufthülle. Bully schluckte. Er wusste, was jetzt geschah, obwohl sie es nicht sehen konnten. Die Arkonbomben waren zu klein, um geortet zu werden. Aus den Funkgeräten erklangen die Befehle, mit denen die akonischen Kommandanten den Abwurf der Bomben koordinierten.
Bully zuckte zusammen, als die ersten Lichtblitze die kleinen Explosionen anzeigten, die die Zündung der Bomben verursachte. Dann stutzte er. Diese Explosionen geschahen oberhalb der Atmosphäre.
„Was geschieht dort?“
Die Ortungsspezialisten versuchten, genauere Werte zu bekommen. „Sir! Die Arkonbomben zünden außerhalb der Gashülle!“
Mit angehaltenem Atem starrten die Männer ungläubig auf die Bildschirme. Immer mehr Bomben zündeten ohne jede Wirkung. Denn im Vakuum richteten sie keinen Schaden an. Dann rissen sie entsetzt die Augen auf. Die ersten Beiboote – die, die dem Planeten am nächsten waren – explodierten. Wie eine Wand schob sich diese Vernichtungswelle in den Weltraum vor. Schiff um Schiff verging in einer lautlosen Explosion.
In den Funkgeräten wurde es lebhaft. Fragen wurden gestellt, Befehle gerufen. Die Schlachtschiffe der Akonen gerieten in Bewegung, steuerten von dem Planeten weg. Doch sie reagierten zu spät. Immer schneller dehnte sich die unsichtbare Vernichtung aus. Schon nach wenigen Minuten hatte sie die Flotte erreicht und die Schiffe vergingen im Feuer. Panik brach aus. Mit Alarmstarts versuchten die Kommandanten zu entkommen, doch nur den wenigsten Schiffen gelang die Flucht. Die Terraner zählten fünf Schiffe, denen es gelang, das System zu verlassen. Fünf Schiffe von einhundertzwölf!
Oberst Riffling, der Pilot der Barbarossa, war der Erste, der das entsetzte Schweigen brach. „Was war das? Sir, was hat diese Schiffe vernichtet? Wie – wie kann eine barbarische Welt eine solche Vernichtung hervorrufen?“
„Ich weiß es nicht“, flüsterte Bully heiser. „Ich glaube, es war gut, dass wir auf Perry gehört haben. Wie weit dehnt sich diese Vernichtungszone aus?“
„Wir können nichts messen, Sir. Aber die letzten Schiffe der Akonen explodierten in Höhe des dritten Planeten.“
Bully schluckte: „Perrys Warnung war mehr als berechtigt.“
„Sir? Was jetzt? Sollen wir weiter ins System einfliegen?“
„Wir bleiben, wo wir sind. Das Schiff wird ohne Erlaubnis auf keinen Fall weiter vordringen. Wir warten, bis Perry sich meldet.“
Auf der Wüstenwelt war von diesen Vorgängen nichts bemerkbar. Perry Rhodan und Atlan waren mehrmals nahe daran, die Station zu verlassen. Immer wieder sahen sie aus der Tür in die Wüste. Sie konnten die kleinen Gestalten der beiden im Sand kauernden Frauen sehen. Keine der beiden rührte sich.
Nach einigen Stunden wurde das Wüstenkind plötzlich von Flammen umhüllt. Doch aus dem lodernden Feuerschein lösten sich keine Blitze. Weitere Stunden vergingen. In der Nacht war die Wüste so dunkel, dass man keine zwei Schritte weit sehen konnte. Nur der helle Feuerschein um das Wüstenkind stand wie eine Fackel im Sand.
Die acht Stunden waren längst um. Wenn die Akonen nicht im letzten Moment selbst vor der Vernichtung dieser Welt zurückgeschreckt waren – und diese Hoffnung hatten Perry und Atlan eigentlich nicht – dann musste etwas die Zündung der Arkonbomben verhindert haben.
Es war schon weit nach Mitternacht, als der Feuerschein um das Wüstenkind endlich wieder erlosch. Doch noch immer hörten sie keinen Laut. Nur schwer konnten die beiden Männer dem Drang widerstehen, nach den Frauen zu sehen. Doch Marians Warnungen und Befehle hielten sie zurück.
Das Wüstenkind hatte erbarmungslos gewirkt, als sie erklärte, dass diese Welt nicht vernichtet würde. Wenn sie wusste, wie sie – ohne jede Technik – dies erreichen konnte, dann war es ratsam, ihre Befehle zu befolgen. Niemand konnte sagen, was sonst geschehen würde.
Immer wieder versuchten die Männer, die Barbarossa per Funk zu erreichen – vergeblich. Da das Gerät jedoch einwandfrei arbeitete, wurde der Hyperfunk irgendwie gestört. Welche Möglichkeiten kannte dieses seltsame Volk, das so primitiv und barbarisch wirkte?
Am Himmel zeigte sich der erste, leichte Schimmer der Morgendämmerung, als Nikola in die Station taumelte. Rasch griffen die Männer zu. Sie schien sich kaum auf den Beinen halten zu können. Atlan hob das Mädchen kurzerhand auf die Arme und legte sie in einen der Sessel, den er zur Liege machte. Nikola rollte sich zusammen und schlief sofort ein.
Perry öffnete die Tür und sah sorgenvoll hinaus. Fast wäre er über das Wüstenkind gestolpert. Sie saß an der Sandmauer. Ihre Augen waren geschlossen, und ihre Hände lagen schlaff und bewegungslos auf dem Sand. Ihre Kleidung war verbrannt, doch sie selbst wies trotz des stundenlangen Feuers nicht eine Brandwunde auf. Ihr Gesicht jedoch war aschgrau.
„Marian!“ Perry kauerte vor ihr nieder und strich ihr leicht über das Gesicht.
Sie legte den Kopf in den Nacken. Langsam, als wenn es sie große Anstrengung kosten würde, öffnete sie die Augen. „Das möchte ich nie wieder machen müssen. Niemals wieder“, flüsterte sie.
Ihre Hände gruben sich in den Sand. Mühsam hob sie die Hand zum Mund und schluckte den Sand hinunter. Perry sah wie ihre Hand zitterte, wie sie kaum die Kraft aufbrachte, den Arm bis zum Mund zu heben. Ohne darüber nachzudenken, schaufelte er Sand in seine Hand und begann, seine Tochter zu füttern.
Trotz ihrer Erschöpfung riss Marian die Augen auf und sah ihn perplex an. Perry knurrte: „Iss und lass die dummen Bemerkungen. Wenn du unbedingt Sand essen willst, dann ist es eben so.“
Mit geschlossenen Augen ließ sie sich widerstandslos füttern und lehnte sich vertrauensvoll an seine Schulter. Ihr Vater setzte sich etwas bequemer hin und legte einen Arm um sie. Er lächelte. Trotz der langen Zeit und aller Veränderungen – Marian war immer noch seine kleine Tochter geblieben.
Er staunte kaum noch darüber, wie rasch sie sich erholte, jedenfalls körperlich. Der graue Schatten im Gesicht blieb. Sie sah aus, als habe sie Grauenvolles erlebt. Schon nach kurzer Zeit stand sie auf und lächelte ihm dankbar zu.
„Nicki?“
„Atlan kümmert sich um sie.“
Das Wüstenkind lächelte, als sie Nicki zusammengerollt auf der Liege sah. Atlan hielt der jungen Frau Kleidung hin, die sie im Arsenal der Station gefunden hatten. „Passt vermutlich nicht richtig, aber besser als nichts.“
Das Wüstenkind sah einen Moment auf die Hose, die eindeutig terranischen Ursprungs war, dann lehnte sie ab. „Danke, Atlan, aber die Herrin ist auf dem Weg hierher. Sie wird Wüstenkleidung mitbringen.“
„Kannst du uns sagen, was geschehen ist? Wir bekommen keine Verbindung zu Bully.“
„Das müsste irgendwann wieder funktionieren. Der Schutz zieht sich langsam wieder zurück.“ Das Entsetzen auf Marians Gesicht vertiefte sich. „Es war grauenvoll. Ich kenne die Wirksamkeit des Schutzes. Aber dass so etwas möglich ist, hätte ich niemals vermutet.“
Sie sah in die angespannten Mienen der Männer. „Ich kann nur hoffen, dass Bully sich mit der Barbarossa weit genug zurückgezogen hat.“
„Du weißt es nicht?“
„Bin ich ein Ortungsgerät?“ Das Wüstenkind schüttelte den Kopf. „Ich habe die Geister gespürt, wie immer.“ Sie seufzte. „Von mir aus kann ich auch das Wort Kraftfeld benutzen, wenn es euch lieber ist. Ich vermute zumindest, dass es eines ist.“
„Sag einfach, was passiert ist.“
„Der Schutz, der von den Geistern ausgeht, hat sich ausgeweitet, in die Höhe. Ich glaubte, er würde sich bis an den äußersten Rand der Atmosphäre ausdehnen und dort die Arkonbomben zerstören. Aber er dehnte sich immer weiter aus. Die Bomben wurden weit außerhalb im Raum vernichtet. Und das war nicht das Ende. Ich habe unzählige Explosionen gespürt. Ich kann nicht sagen wie viele. Doch da draußen gibt es keine Schiffe mehr. Sie wurden alle vernichtet.“
Jetzt wurden auch die Männer blass. Bully hatte von einer Flotte gesprochen. Akonische Flotten umfassten zwischen 80 und 120 Schlachtschiffe. Wenn Marian Recht hatte, waren in den letzten Stunden tausende Personen da oben getötet worden. In Perry Rhodan begann der Politiker zu denken. Wenn diese Welt derart wirksame Verteidigungsmöglichkeiten hatte, wäre sie ein wertvoller Verbündeter. Nahm man die Rohstoffe noch hinzu – er würde viel darum geben, diese namenlose Welt in das solare Imperium aufnehmen zu können.
Sein Blick ging zu seiner Tochter – und er beschloss, diesen Gedanken ersatzlos zu streichen.
„Du sagst, deine Herrscherin ist auf dem Weg hierher. Was bedeutet das für uns?“
„Sie weiß ja, dass ihr hier seid. Sie wird versuchen, alleine zu kommen. Aber es wird besser sein, ihr lasst euch draußen nicht blicken. Offiziell seid ihr tot, und es wäre nicht gut, wenn herauskommt, dass das nicht stimmt.“
Atlan sah sie forschend an. „Und du darfst oder willst uns nicht mehr über diesen Schutz sagen. Was sich dahinter verbirgt, und wie er funktioniert.“
Das Wüstenkind lachte leise. „Atlan, selbst wenn ich wollte – und du hast Recht, ich bin nicht bereit, die Geheimnisse dieser Welt preiszugeben. Aber ich könnte es nicht einmal. Nach den Vorstellungen der Menschen hier, sind die Geister dafür verantwortlich. Die Menschen – und zwar alle Menschen – haben eine Verbindung zu ihnen. Bei den meisten ist dies völlig unbewusst. Sie wissen, dass sie bei großen Gefahren von den Anführern aufgefordert werden, zu den Geistern zu singen. Das bedeutet, dass sich jeder selbst in eine gewisse Trance versetzt und sich nur noch auf seine Gedanken konzentriert.“
Sie sah ihren Vater an. „Das ist das, was in den letzten Stunden geschehen ist. Die Menschen haben die Geister um Schutz gebeten.“
Das Wüstenkind fuhr fort: „Manche Menschen jedoch haben – meiner Meinung nach – eine stärkere Verbindung zu den Geistern. Doch auch dies ist unbewusst, denn sie merken nichts davon. Sie haben jedoch gewisse Fähigkeiten. Das kann bedeuten, dass sie zum Beispiel Lügen erkennen – einfach, indem sie es spüren. Dadurch werden sie meist zu den Anführern oder zumindest zu hochgeachteten Menschen ihrer Sippen.“
„Wie du es kannst.“
„Meine Möglichkeiten gehen weit darüber hinaus. Aber so ähnlich. Oder sie können andere Dinge. Bei den Wüstensippen z.B. können manche die Wasserstellen finden, oder sie ‚sehen‘ wo eine Morapiherde ist. Bei den Bauern kann es sein, dass sie erkennen, welcher Boden am fruchtbarsten ist und so weiter. Es gibt ganz unterschiedliche Fähigkeiten.“
Das Wüstenkind begann zu lächeln. „Aber nur zwei Menschen sind sich dieser Verbindung zu den Geistern bewusst. Die Herrin und ich können ganz gezielt diese Verbindung suchen und nutzen. Sie für ihre Zwecke und Fähigkeiten, ich für meine. Dazu gehört der Schutz der Welt. Ich habe den Geistern in gewisser Weise erklärt, dass unbelebte Objekte aus dem Raum kommen werden und hoch in der Atmosphäre explodieren. Und dass dadurch unsere Welt und alles Leben darauf verbrennen wird. Das genügte.“
Ihr Vater runzelte die Stirn. „Das würde bedeuten, dass diese Geister bewusst denken. Also doch eine Gruppe von Menschen – oder ein ganz besonderer Mensch –, der im geheimen die Geschicke hier lenkt?“
„Nein“, das Wüstenkind schüttelte den Kopf. „Das glaubte ich anfangs auch. Aber es ist nicht so. Ich spüre zu viel von dieser Verbindung. Es steckt mit Sicherheit kein denkendes Wesen dahinter. Ich habe eine Vermutung, aber die ist reichlich fantastisch.“
„Und die wäre?“ Atlan war hartnäckig. Er wollte sichergehen, dass sich hier nicht eine Macht versteckte, die dem terranischen Imperium irgendwann gefährlich werden konnte.
„Es gibt Legenden. Manche gelten einfach als Märchen oder uralter Aberglauben.“ Das Wüstenkind zuckte mit den Schultern. „Aber wenn man alle Informationen nimmt, kann es sein, dass die ersten Siedler, die sich hier niedergelassen haben, keine normalen Menschen waren. Sondern eine Gruppe mit erstaunlichen, parapsychischen Fähigkeiten. Ich vermute, dass sie es schafften, eine Art Bewusstsein zu bilden. Obwohl Bewusstsein das falsche Wort ist, denn ich bin überzeugt, dass die Geister sich nicht selbst bewusst sind. Es ist wohl eher eine Möglichkeit auf telepathische Weise mit den Menschen in Verbindung zu treten, und auf deren Gedanken zu reagieren.“
Perry stutzte. Das klang zwar völlig fantastisch, aber wenn seine Vermutung über die Art der Rohstoffe, die es hier gab, stimmte, dann konnte daran etwas Wahres sein. Sollte er Marian einfach fragen?
Das Wüstenkind hob plötzlich den Kopf. „Die Herrin ist hier. Wartet.“
Als sie nach wenigen Minuten zusammen mit der Herrscherin eintrat, trug sie wieder die gewohnte Wüstenkleidung. Die Männer wussten einen Moment nicht, was nun von ihnen erwartet wurde – dieses alberne Hinknien?
Die Herrin neigte jedoch grüßend ihren Kopf: „Ich grüße dich, Herrscher eine anderen Welt. Und auch dich, Berater des Herrschers.“
Beide Männer grüßten auf dieselbe Art zurück. Hinter ihnen erwachte Nikola. Schlaftrunken hob sie den Kopf und rutschte hastig von der Liege.
„Herrin.“
Diese lachte. „Werde erst einmal wach, Nikola. Ich freue mich, dass du die Strapazen gut überstanden hast.“
Das Wüstenkind fragte leise: „Es gab viele Tote?“
„Die Menschen haben ihre gesamte Kraft gegeben, um unsere Welt zu schützen. Für einige war es zu viel. In allen Sippen hat man nach dem Erwachen Tote gefunden, deren Herz die Anstrengungen nicht verkraften konnte.“
Die Herrin wandte sich an die beiden Fremden. „Ich brauche euren Rat. Ihr kennt die Völker der fremden Welten besser als ich. Und auch das Wüstenkind wird die Antwort nicht so gut kennen wie ihr. Diejenigen, die unsere Welt vernichten wollten, sind tot. Was wird deren Welt, deren Herrscher, jetzt machen? Werden sie uns endlich in Ruhe lassen? Wir wollen nicht ständig gegen Angreifer vorgehen müssen. Und was jetzt geschehen ist, ist zu grauenvoll. Ich möchte dies niemandem noch einmal zumuten.“
Der Großadministrator sah sie nachdenklich an. „Es wird sich herumsprechen, was mit der akonischen Flotte geschehen ist. Für die meisten Abenteurer und Prospektoren wird das Abschreckung genug sein. Ich denke, dass deine Welt von ihnen nicht mehr angeflogen wird. Oder zumindest nur noch sehr selten. Doch diese Schiffe kommen ohnehin nicht, um euch anzugreifen, und ihr seid bisher gut mit ihnen fertig geworden.“
Er zögerte ein wenig. Ihm war bewusst, dass er diese Frau auf keinen Fall belügen konnte und Marian ebenfalls nicht. Er würde also vorsichtig sein müssen, um nicht in den Verdacht zu kommen, für sich selbst Vorteile herausschinden zu wollen.
„Bei den Akonen sind zwei Reaktionen möglich. Es kommt darauf an, inwieweit die akonische Regierung an diesem Verbrechen beteiligt ist. Ich gebe es nur ungern zu, aber ich bezweifle, dass sie nichts davon wussten. Vermutlich haben sie einfach die Augen geschlossen und abgewartet, ob das Unternehmen gelingt. Dann hätten sie alle Vorteile nutzen können, aber immer behaupten können, sie hätten mit eurer Vernichtung nichts zu tun.“
Die Herrscherin schüttelte ungläubig den Kopf, eine solche Denkweise erschien ihr unmöglich, doch sie spürte die grimmige Zustimmung des Wüstenkindes.
„In diesem Falle werden sie nichts weiter unternehmen. Es kann jedoch auch sein, dass dieser entsetzliche Angriff mit ihrer Billigung und Unterstützung unternommen wurde. Dann werden sie Vergeltung üben. Es kann also sein, dass sie mit einer weiteren Flotte über eurer Welt erscheinen.“
„Was bedeutet, dass wir weitere unzählige Menschen töten müssen, um uns zu schützen.“ Die Herrscherin war entsetzt.
„Ich kann dir etwas anbieten – falls du damit einverstanden bist.“ Perry ließ sich von dem Stirnrunzeln der Frau nicht irritieren, er wusste, dass er seine Worte ehrlich meinte. „Du möchtest keinen Kontakt zu anderen Völkern. Und alles, was wir inzwischen von deiner Welt gesehen haben, zeigt uns, dass du damit wohl Recht hast. Für eure Kultur wäre es ein großer Umbruch, und es ist unwahrscheinlich, dass eure Mentalität dies unbeschadet übersteht. Doch wir können euch Schutz anbieten. Wir würden in diesem Fall eine Station auf dem dritten Planeten dieses Systems errichten. Offiziell würde deine Welt damit Mitglied des terranischen Imperiums werden. Doch dies wäre nur für andere Welten bedeutsam. Akon könnte es sich nicht mehr leisten, euch anzugreifen.“
„Was verlangst du dafür?“
Jetzt lächelte Perry. „Frage das Wüstenkind, ob ich die Wahrheit sage. Ich weiß, dass sie es spürt. Ich versichere dir hiermit, dass Terra keine Forderungen an dich und deine Welt stellt. Wir werden keinen Versuch unternehmen, mit euch Kontakt aufzunehmen oder Handelsbeziehungen aufzubauen. Auch wenn ich zugebe, dass die Rohstoffe deiner Welt, besonders das Tiaranerz, eine große Versuchung sind. Doch wir können und werden euch weder zu etwas zwingen noch in dieser Richtung beeinflussen.“
Das Wüstenkind riss den Kopf hoch. „Woher weißt du von dem Tiaranerz? Ich habe es nie erwähnt.“
„Also bitte, Marian – Wüstenkind“, verbesserte Perry sich. „Ich kann zwei und zwei zusammenzählen. Du hast erwähnt, dass der Rohstoff, hinter dem die Prospektoren her sind, äußerst wertvoll ist. Du hast es in den Bergen gefunden, das heißt, es ist auch an der Oberfläche erkennbar. Und nicht zuletzt sind wir tagelang durch diese Steinwüste gewandert. Meinst du nicht, dass die Anzeichen deutlich genug waren? Unter diesen Felsen finden sich mit Sicherheit riesige Vorkommen davon. Und zwar nur knapp unter der Oberfläche. Damit würden sich nämlich so einige Seltsamkeiten dieser Welt erklären lassen.“
Die Herrscherin überlegte. Vom ersten Augenblick an, als sie diese seltsamen Sklaven in den Minen gesehen hatte, hatte sie gewusst, dass sie wichtig waren. Dass sie diese Menschen nicht töten durfte. Erst hatte sie geglaubt, das wäre so, weil dieser Mann der Vater des Wüstenkindes war, und diese ihn liebte. War das etwa nicht die ganze Erklärung? Brauchte sie diesen Mann, um ihre Welt zu schützen?
Keinen Moment lang glaubte die Herrin daran, dass er ihr dieses Angebot gemacht hätte, wenn seine Tochter nicht hier leben würde. Konnten die Geister so weit vorausschauend gehandelt haben? Dass es nicht nur notwendig war, ein Wüstenkind zu schaffen, das die Fremdweltler kannte, sondern auch, dass durch sie ein Schutz möglich wäre, ohne ihre Kultur zu gefährden?
„Was für Seltsamkeiten lassen sich mit Tiaranerz erklären? Das Zeug wird für technische Bauteile gebraucht.“ Das Wüstenkind war verdutzt. Tiaranerz ermöglichte den Bau gewisser positronischer Bauteile für Raumschiffe. Es war äußerst selten und dementsprechend teuer.
„Deine Vermutungen.“ Perry Rhodan wollte nicht deutlicher werden. Wer wusste, wie dieser Herrscherin darauf reagieren würde, wenn er die Geister dieser Welt wissenschaftlich erklären wollte? Es war für die Einheimischen offensichtlich so etwas wie eine Religion, da sollte man vorsichtig sein.
Doch das Wüstenkind hatte solche Bedenken nicht. „Die Geister? Was meinst du damit? Gibt es parapsychische Komponenten bei Tiaranerz?“
Der Terraner nickte. „Die Berichte darüber sind geheim gehalten worden. Es gab bei den Untersuchungen Hinweise darauf, dass Tiaranerz bewusstseinserweiternd ist. Bei normalen Menschen führten die Versuche allerdings ausnahmslos zu Wahnsinn. Bei parapsychisch Begabten jedoch gab es erstaunliche Ergebnisse. Teilweise wurden die Begabungen wesentlich verstärkt, teilweise auch verändert. Allerdings wurden die Gehirne dabei derart angegriffen, dass bei den Betroffenen bei längerer Nutzung irreversible Schäden aufgetreten wären. Deshalb wurden die Ergebnisse geheim gehalten. Wir wissen ja leider nur zu gut, wie gewissenlos manche Wissenschaftler sind.“
Das Wüstenkind staunte. Ihr Vater grinste leicht. „Genaues könnte man allerdings nur erfahren, wenn eine wissenschaftliche Untersuchung dieser Geister möglich wäre. Und da das wohl in absehbarer Zeit nicht gestattet wird, werden eure Geister weiterhin ein Geheimnis bleiben.“
Die Herrscherin war jedoch weniger daran interessiert, das Geheimnis der Geister zu lüften. „Du würdest unsere Welt tatsächlich ohne Gegenleistung unsererseits schützen? Selbst wenn ich in Betracht ziehe, dass du wegen des Wüstenkindes zu einigen Zugeständnissen bereit bist, ist das sehr viel. Erkläre mir, weshalb du mir dieses Angebot machst.“
Atlan hustete. Von diplomatischen Umschreibungen hielt diese Frau wohl nicht allzu viel. Marian passte dann sehr gut zu ihr. Deren Ablehnung für alles, was mit Diplomatie zusammenhing, war ja nur zu gut bekannt. Perry Rhodan war nur einen Moment verdutzt. Dieser Frau konnte er nur mit Offenheit begegnen. Alles andere wäre kontraproduktiv.
„Wenn deine Welt unter die Herrschaft anderer Imperien gelangt, werden diese die Rohstoffe hier abbauen und verwerten. Das würde Terra schwächen. Es ist also für uns schon vorteilhaft, wenn wir verhindern können, dass deine Welt von anderen Völkern kolonisiert wird. Selbst wenn wir eure Bodenschätze nicht für uns nutzen können. Soweit die rein pragmatische Sichtweise. Als terranischer Mensch jedoch denke ich nicht rein pragmatisch. Und ich würde jederzeit versuchen, eine Welt zu schützen, die in Gefahr ist, vernichtet zu werden. Selbst wenn es nicht um tausende von Menschenleben oder wertvolle Rohstoffe geht.“
Er wich dem intensiven Blick der Frau nicht aus. Langsam nickte die Herrin. „Du lügst nicht. Und ich brauche das Wüstenkind nicht zu fragen, um zu spüren, dass du auch nicht versuchst, mich zu täuschen.“ Noch einen Moment überlegte sie, dann richtete sie sich auf. „Ich nehme dein Angebot an, Herrscher von Terra. Ich gestatte dir, in unserem System auf dem dritten Planeten eine Station zu errichten. Und ich bitte dich, dafür zu sorgen, dass wir nicht noch einmal in dieser entsetzlichen Art und Weise angegriffen werden.“
Die Herrin lächelte wissend, als sie weitersprach: „Und wenn ich das Wüstenkind richtig verstanden habe, so sind die Welten eines Systems sich oftmals ähnlich. Falls es auf dem dritten Planeten dieses seltene Erz geben sollte, so kannst du es verwerten. Ich verlange nur, dass dies in einer Weise geschieht, die unsere Welt nicht berührt.“
„Vermutlich nicht, sonst hätten die Prospektoren dies schon herausgefunden. Aber ich danke für das Entgegenkommen.“
Fragend sah die Frau das Wüstenkind an. Die zuckte mit den Schultern. „Prospektoren gehen gerne den Weg des geringsten Widerstandes. Wenn es im System anderswo Tiaranerz gäbe, würden sie nicht so hartnäckig versuchen, hier Fuß zu fassen.“
Kurz darauf verließ die Herrscherin die verborgene Station. Ihre Begleiter würden nicht ewig auf sie warten, und sie wollte verhindern, dass die Fremden bemerkt würden.
Perry Rhodan und Atlan mussten noch fast einen Tag warten, bis eine Funkverbindung mit Bully wieder möglich war. Von ihm erfuhren sie die Einzelheiten des fehlgeschlagenen Angriffs der akonischen Flotte und deren unheimlicher Vernichtung. Im Verlauf dieses Gesprächs riss Bully plötzlich die Augen auf. Das Wüstenkind war aus Versehen in den Aufnahmebereich der Kamera getreten. Sie trat sofort zurück, doch Bully hatte sie erkannt.
„Das ist das Wüstenkind.“ Perry sah ihn beschwörend an. Bully schnaufte und schnappte nach Luft. Sein Gesicht rötete sich besorgniserregend.
„Wüstenkind? Das … also …“, er riss sich zusammen. „Hm, tja, dann schicke ich das Beiboot mit Gucky wohl mal wieder los. Ich nehme an, die Bedingungen haben sich nicht geändert.“
Marian grinste vor sich hin. Gut, dass Bully nicht offen sprechen durfte, sonst würde sie jetzt so einiges zu hören bekommen. Sie trat vor die Kamera. Da er sie schon gesehen hatte, spielte es jetzt keine Rolle mehr.
„Die Bedingungen sind dieselben. Und sie dienen eurer Sicherheit. Ihr habt unseren Schutz erlebt. Ich kann nicht für euer Leben garantieren, wenn euer Schiff näher an unsere Welt kommt. Auch das kleine Schiff darf sich nicht weiter nähern als der Mond von uns entfernt ist. Es wäre zu gefährlich.“ Sie lächelte Bully an. „Ich versichere dir, dass die beiden – Fremdweltler – bei uns nicht in Gefahr sind.“
Bully schnaufte noch einmal lautstark, dann nickte er.
Gucky materialisierte in der Station, öffnete den Raumanzug und ließ ihn einfach fallen. Ohne sich um Perry Rhodan und Atlan zu kümmern, wandte er sich an das Wüstenkind: „Bully lässt ausrichten, du sollst dich kräftig geohrfeigt fühlen. Und er möchte wissen, warum du uns derart lange im Ungewissen gelassen hast, was Perry und Atlan angeht.“
Dann sprang er ihr in die Arme. „Und dir geht es hoffentlich gut? Ich freue mich ja so. Konntest du dich nicht irgendwann mal melden? Bully hat fast Purzelbäume geschlagen. Kommst du wieder nach Terra?“
Marian umarmte ihn und streichelte das weiche Fell. „Hallo, Kleiner. Es ist schön, dich zu sehen. Die Ohrfeige nehme ich gerne in Kauf.“ Sie kraulte seine Ohren, und Gucky begann genießerisch zu schnurren. „Ja, es geht mir gut. Aber ich komme nicht zurück. Ich gehöre hierher.“
Guckys Nagezahn verschwand. „Du gehörst nach Terra. Du bist Terranerin.“
Das Wüstenkind schüttelte den Kopf und sah ihren Vater an. „Nein, Gucky. Ich gehöre hierher. Dad wird euch alles erklären. Mir fehlt die Zeit dazu. Du darfst nicht lange bleiben. Es ist zu gefährlich. Du musst so schnell wie möglich mit Dad und Atlan zurückspringen.“
Jetzt erst sah Gucky Nikola, die ihn mit großen Augen anstarrte.
„Das ist Nikola – meine Gefährtin.“
Probeweise erschien der Zahn wieder.
Das Wüstenkind lachte: „Ich habe dir gesagt, du wirst staunen. Gucky ist etwas ganz Besonderes. Und ein wunderbarer Freund. Er mag es übrigens sehr, gestreichelt zu werden.“
Nikola wagte sich näher. Dieses Wesen sah aber auch zu exotisch aus. Die großen, dunklen Augen blickten sie freundlich an. Der seltsame Zahn schimmerte zwischen den Lippen. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und fuhr über das Fell. Gucky grinste. Mutiger geworden, begann das Mädchen ihn zu kraulen und lachte auf, als Gucky ihr kurzerhand in die Arme sprang.
„Du kannst gerne weiterkraulen. Hinter den Ohren mag ich es besonders.“
Atlan grinste. „Alter Schwerenöter. Und uns begrüßt du wohl gar nicht.“
Im nächsten Moment hielt er den kleinen Mausbiber in den Armen. Nikola blickte verdutzt hinüber. Gucky war teleportiert.
„Wir haben uns entsetzliche Sorgen um euch gemacht“, flüsterte er.
Auch Perry Rhodan strich ihm rasch über das Fell. „Das wissen wir doch, Kleiner.“
Das Wüstenkind drängte jetzt jedoch zur Eile. Sie befürchtete, dass der Schutz dieser Welt sich auf die Teleportationssprünge des Mausbibers einstellen würde. Dann würde es für die drei gefährlich werden. Sicherheitshalber konzentrierte sie sich, während die Männer die mitgebrachten Raumanzüge überstreiften. Sie beschwor die Geister, dass diese Sprünge keine Gefahr für die Welt waren.
Dann umarmte sie ihren Vater und Atlan. Sie wusste, dass sie sich vermutlich nicht wiedersehen würden. Einen Moment später waren die drei verschwunden. Das Wüstenkind verließ mit Nikola die Station und verschloss sie. Sie würde sie nicht wieder betreten.
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Publication Date: 04-28-2016
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