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Der Steffl zu Wien

 

Der Steffl, wie die Wiener ihren Stephansdom liebevoll nennen, ist das Wahrzeichen von Wien und steht tatsächlich im Zentrum der Stadt. Es ist ein typisch gotischer Dom und doch weicht er von ähnlichen Domen wie dem Kölner oder Regensburger Dom ab. So hat der Steffl zwar zwei Türme, aber nur einer, der Südturm ist fertig geworden, 136,44m hoch und er ist nicht mit dem Kirchenschiff verbunden, sondern hat ein eigenes Fundament und schmiegt sich nach dem italienischen Vorbild der Camapanile, seitlich an das Kirchenschiff, macht so den Stephansdom unverwechselbar. Er beherbergt außerdem in luftiger Höhe die sogenannte Türmerstube, die früher als Feuerwache benutzt wurde. Dort saß ein Mann, der nach Feuern, die oft in der Stadt ausbrachen, ausspähte und dann mittels einer roten Fahne, oder in der Nacht mit einer Laterne, die er schwenkte, die Bewohner darauf aufmerksam machte. Heute dient die Türmerstube als Souvenirladen und ist als Aussichtspunkt sehr beliebt.

Der Nordturm wurde nie fertiggestellt, er muss sich mit einer Höhe von 68m zufrieden geben und jede Menge Sagen ranken sich um ihn, sogar der Teufel wurde dafür verantwortlich gemacht, doch die Realität ist wie so oft viel nüchterner,

Kriege und eine leere Staatskasse verhinderten die Fertigstellung des Turms. Doch dieses Fragment eines Turms beherbergt die Pummerin, eine Riesenglocke, die nur zu ganz besonderen Anlässen zu hören ist. Wohl jeder Österreicher kennt die tiefen vollen Schläge, mit denen die Pummerin das neue Jahr zu Silvester einläutet.

Die westliche Fassade des Doms mit dem Haupteingang, dem Riesentor und den beiden Heidentürmen stammt noch von der romanischen Kirche aus dem 13. Jahrhundert, die vorher hier gestanden hatte. Der heutige Bau geht auf das Gründungsjahr 1282 zurück und dann wurde gebaut und gebaut…, unterbrochen von vielen Kriegen bis zur letzten Renovierung nach der Zerstörung von 1945.

Das Dach des Doms besteht aus unzähligen glasierten Ziegeln, die ein wunderschönes Zickzackmuster bilden. Auf der einen Seite Ist das Wappen des österreichischen Kaisertums mit dem Monogramm Kaiser Franz Josephs abgebildet und auf der anderen Seite das Wappen der Republik Österreich und daneben das der Stadt Wien.

So, nun aber genug der trockenen Materie…

 

 

Ich war ungefähr 7 Jahre alt, als mein Vater beschloss, mit meiner damals elfjährigen Schwester und mir den Stephansturm zu besteigen, um uns mal Wien von oben zu zeigen. Ich war ganz begierig darauf, denn ich kannte schon damals die alten Sagen Wiens, konnte sie nicht oft genug lesen, sobald ich auch nur fähig war, in Buchstaben mehr zu erkennen als nur eigenartige Zeichen.

Unser Vater führte uns durch den ganzen Dom, der mich ob seiner Düsternis und der scheinbar endlosen Höhe in Furcht versetzte und ich ganz brav und still neben meiner Schwester und meinem Vater ging. Dieser zeigte und erklärte uns dies und das, wusste zu fast jedem Stein eine Geschichte, doch ich war hauptsächlich am „Fenstergucker“ interessiert, eine Steinbüste unter der Domkanzel, die einen Mann zeigt, der aus einem Fenster blickt und es heißt, dass sich hier Meister Pilgram verewigt hatte, einer der vielen Baumeister des Doms.

Und dann ging es an den Aufstieg auf den Turm, dazu mussten wir allerdings den Dom verlassen und direkt von außen in den Turm gehen. Die schmale Steintreppe, Jahrhunderte alt, ausgetreten von unzähligen Füßen, windet sich eng im Turm empor zur Türmerstube in 72 m Höhe. Es war ziemlich dunkel, nur erhellt von wenigen schmalen Fensterschlitzen und müde glimmenden Glühlampen, die an einem an der Wand mit Haken befestigten, offen liegenden Kabel hingen. 343 Treppen gab es zu erklimmen und für mich mit meinen kurzen Kinderfüßen waren die Stufen eigentlich zu hoch, doch unser Vater versprach uns mit einer tollen Aussicht über ganz Wien belohnt zu werden und meine Schwester hielt mich mit dem Erzählen einer Sage vom Dom bei Laune. Wirklich eng wurde es, wenn ein anderer Besucher uns entgegen kam oder uns überholen wollte.

Endlich hatten wir es geschafft und unser Vater hatte recht, ich konnte gar nicht genug sehen, war fasziniert, die für mich sonst so großen Gebäude plötzlich so klein zu sehen. Meine Schwester und ich zeigten auf verschiedene Gebäude und unser Vater erklärte uns geduldig, was wir sahen.

Als noch andere Besucher auftauchten, wurde es auch in der Türmerstube eng und unser Vater mahnte uns zum Abstieg. Abwärts ging es natürlich angenehmer als hinauf, doch plötzlich flackerten die Glühlampen und dann war es stockdunkel.

„Bleibt ruhig stehen“, sagte unser Vater, in der Hoffnung, dass die Lampen bald wieder Licht spenden würden. Doch nichts geschah, es blieb dunkel wie in finsterer Nacht und ich begann vor Angst zu weinen. Als nach gefühlten tausend Ewigkeiten noch immer nichts geschah, entschloss sich unser Vater, den Abstieg im Dunklen zu wagen, denn ich war mittlerweile in Panik, klammerte mich fest an ihn. Er nahm mich auf den Arm und nachdem ihm meine „große“ Schwester versichert hatte, es allein zu schaffen, machte er sich an den weiteren Abstieg. Durch die Bewegung des abwärts Gehens auf den Stufen schwankte ich natürlich auf seinem Arm und ich umklammerte so fest seinen Hals, dass er mich ein paarmal mahnte, ihm nicht die Luft so abzuschnüren.

Vorsichtig, Stufe für Stufe tasteten er und meine Schwester sich an der Wand entlang weiter hinunter, immer erleichtert, wenn einer der schmalen Fensterschlitze auftauchte und die Treppen bis zur nächsten Windung erhellte. Ich wollte immer, dass er bei den Fenstern stehen blieb und warten sollte, bis wieder die Lampen angingen, doch da nichts geschah, ging er weiter, immer eine Hand an der Wand entlang tastend, immer weiter…, nach meinem Gefühl war die Treppe nun unendlich viel länger als beim Aufstieg…, und dann, ein Schimmer auf den Stiegen, langsam schälten sich die Konturen heraus, die abgestandene Luft, die im Turm herrschte, wurde frischer.

„Siehst du das?“ fragte unser Vater mich, „gleich sind wir beim Ausgang.“

Es dauerte zwar noch etwas, eine Windung und noch eine und dann war endlich ebener Boden unter uns, noch ein paar Schritte und wir standen wieder im Freien zu Füßen des Turms. Mein Vater ließ mich runter, ich nehme stark an, dass ihm danach noch tagelang die Schulter und die Hand vom Tragen geschmerzt hatte, auf jeden Fall ließ er einen erleichterten Seufzer hören. Zur Beruhigung gab es dann noch ein leckeres Eis und bald war es für mich auch nur mehr ein aufregendes Abenteuer gewesen.

 

Doch irgendwie meide ich seit damals dunkle Höhlen, oder finstere Keller…

 

Zum Schluss noch ein paar Daten zum Dom:


1137 n.Chr. erste romanische Kirche, noch außerhalb der Stadtmauer, die Reste davon bilden noch heute die Westfassade mit zwei Türmchen und dem Riesentor

Ab dem 14. Jahrhundert Bau der gotischen Kirche:

Länge 107,2m

Breite 34,2m

Höhe des Kirchenschiffes 28m

Südturm 136,44m hoch

Zur Türmerstube 343 Stufen

Nordturm 68,3m hoch

Dach

Länge 110m

Höhe von Mauerkrone bis Dachfirst 37, 85m

Spannweite 35m


 

Imprint

Text: Margo Wolf
Cover: Pixabay
Publication Date: 06-02-2020

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