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Zwischenfall an der Grenze

 

Wir fuhren schon immer gerne nach Ungarn, auch als der eiserne Vorhang noch Österreich und Ungarn trennte. So waren wir auch im Frühjahr 1984 mit unserem damals 7 Monate alten Sohn Markus und unserem 3jährigen Schäferhund Hektor zu einer Rundreise unterwegs. Wir hatten die Grenze bei Nickelsdorf in Richtung Györ passiert und bummelten in Richtung Budapest, wo wir ein paar Tage blieben. Danach durchstreiften wir die berühmte Puszta im Südosten, eine vollkommen ebene Heidelandschaft. Wir suchten uns anschließend einen hübschen Campingpatz am Plattensee, damit wir uns etwas ausruhen konnten und ich auch mal die Schmutzwäsche waschen, mit einem Baby an Bord gab es ja davon immer genug!

Nach zwei Wochen mussten wir uns wieder auf die Heimreise machen und da wir im Süden Ungarns waren, wählten wir als Rückreise nicht die große Grenze bei Györ, sondern eine kleine Grenze in Richtung Steiermark, da wir noch Freunde in Graz besuchen wollten.

 

Als wir an die Grenze kamen, waren wir das einzige Auto weit und breit. Nichts desto weniger sperrte ein Baumstamm dicker Schlagbalken die Straße ab. Ein ungarischer Zollbeamte nahm unsere Pässe und auch den Pass unseres Hektors und besah sich ganz genau Seite für Seite, er sah unseren kleinen Sohn an, zeigte in den Pass meines Mannes und sagte etwas auf Ungarisch. Damals war es noch üblich Kleinkinder bei den Eltern in den Pässen eintragen zu lassen und da wir ja viel unterwegs waren, hatten wir selbstverständlich in beiden Pässen den dementsprechenden Eintrag. Mein Mann, der glaubte, dass der Beamte diesen Eintrag suchte, zeigte darauf, doch der Beamte schüttelte den Kopf und ließ einen Wortschwall auf uns niedergehen, leider verstanden wir kein Ungarisch und der gute Mann weder Englisch noch Deutsch. So zuckten wir nur hilflos mit den Schultern, waren uns keiner Schuld bewusst. Der Mann sah uns der Reihe nach an und verschwand dann samt unseren Pässen im Zollgebäude.

„Weißt du, was da los ist?“ fragte ich meinem Mann etwas besorgt.

„Nein keine Ahnung, irgendetwas dürfte ihn an unseren Pässen stören“, war auch mein Mann ratlos.

Das konnten wir uns eigentlich gar nicht vorstellen, denn die Pässe waren ziemlich neu und bei der Einreise hatte es auch keinerlei Schwierigkeiten gegeben.

Der Zollbeamte kam mit einem zweiten Mann, der sichtlich der Uniform nach einen höheren Rang innehatte, aus dem Gebäude und auch dieser zeigte auf den kleinen Markus und in unsere Pässe. Doch konnte dieser Mann wenigstens ein paar Brocken Deutsch und so erfuhren wir, dass sie ein Formular suchten, dass man bei der Einreise extra für ein Kind bekommen würde. Aber wir hatten keines bekommen, die Einreise war wie immer, zwar langsam, aber ohne Schwierigkeiten abgelaufen und so machten wir dem Mann klar, dass wir nichts bekommen hätten. Nun forderte uns der Mann zwar höflich, aber unmissverständlich auf, auszusteigen.

Mit einem Baby auf dem einen Arm und der Hundeleine an der anderen Hand stieg ich aus und setzte mich auf eine Bank vor dem Zollgebäude nieder. Es war besser, etwas Abstand zu halten, denn unser Schäferhund Hektor mochte es gar nicht, wenn seiner Familie oder seinem Besitz jemand zu nahe kam. Mein Mann war bei den Beamten geblieben, die nun den Bus von oben nach unten durchsuchten. Angst, dass sie verbotene Dinge finden könnten, hatten wir nicht, denn wir hatten nicht mal eine kleine Tüte Suppe aus Ungarn mit. Das damals so beliebte Schmuggeln von Zigaretten und Alkohol der Österreicher, fiel bei uns weg, da wir beide Nichtraucher sind und auch kaum Alkohol trinken. Ich war nur besorgt, dass sie mir den Bus ganz ausräumten und ich dann wieder alles mühsam verstauen musste.

Aber die Zöllner suchten auch nicht solch triviale Dinge, das wurde uns klar, als sie mit kleinen Handkarren auftauchten, auf denen Spiegeln montiert waren. Diese schoben sie unter unseren Bus, um damit die Unterseite absuchen zu können. Mein Mann war mittlerweile zu mir gekommen und hatte sich neben mich gesetzt.

„Was suchen die denn da unten jetzt noch?“ fragte ich ihn, „Zigaretten würden da unten doch bei der Fahrt gleich rausfallen.“

Unser Bus war ein alter Mercedes LKW und die Zwischenräume zwischen seinen Trägertraversen dementsprechend groß, wir hatten auch vor, da unten mal einen großen Wassertank und auch Abwassertank zu installieren, aber bisher hatten wir es aus Zeitmangel oder auch aus Faulheit noch nicht getan.

„Die suchen auch nicht so etwas Kleines“, schüttelte mein Mann den Kopf, „die haben im Bus auch nur nach großen Dingen gesucht. Sie haben in den Toilettenraum und in die Bett Truhen geschaut. Ich glaube, sie suchen die Mutter.“

„Was?“ verwirrt sah ich ihn an, „aber ich sitze doch da!“

„Soviel ich mitbekommen habe, hätten wir bei der Einreise ein Formular für Markus bekommen sollen und weil wir das Ding nicht haben, glauben sie nun, dass Markus gar nicht uns gehört und wir ihn samt Mutter in den Westen schmuggeln.“

„Aber er ist doch in unseren Pässen eingetragen, samt Amtsstempel darauf“, erwiderte ich hilflos.

„Ja, aber sichtlich kennen sie hier an dieser kleinen Grenze das nicht, oder sie vermuten eher, dass der Eintrag gefälscht ist“, zuckte mein Mann mit den Schultern, „sie wollen uns auf jeden Fall nicht ausreisen lassen, bevor sie das nicht zu ihrer Zufriedenheit geklärt haben.“

„Und wenn sie es nicht klären?“ wurde ich nun doch zunehmend besorgt.

„Wenn sie uns wirklich nicht ausreisen lassen, muss ich entweder allein nach Österreich und dort Alarm schlagen, oder wir fahren zurück nach Budapest zur österreichischen Botschaft und wir beschweren uns dort.“

Na super! Das waren ja tolle Aussichten!

Ich sah zu den Zöllnern, die nun zusammenstanden und miteinander diskutierten, dabei sahen sie immer wieder zu uns herüber.

„Egal“, sagte ich verärgert, „wir haben nichts getan, also können sie uns auch nichts. Und was sie auch immer tun und wie lange es auch immer dauert, ich bleibe mit Markus beim Bus, denn da habe ich alles für ihn. Keine zehn Pferde und auch keine Mannschaft von ungarischen Zollbeamten bringt mich vom Bus weg!“

 

Die Zeit verging, inzwischen dauerte das Prozedere schon fast zwei Stunden und Markus begann zu quengeln, es war heiß und wir hatten alle Durst. Mein Mann holte eine Wasserflasche für mich und Markus Teefläschchen aus dem Bus und er gab auch Hektor mit der hohlen Hand Wasser zu trinken.

Einer der Zöllner verschwand wieder im Gebäude, blieb einige Zeit drinnen, um dann mit einem weiteren Mann herauszukommen. Dieser musste ein hohes Tier sein, denn auf seiner Uniform prangten ganze Reihen von Orden und Abzeichen, aber was uns mehr interessierte, er hatte unsere Pässe in der Hand. Auch er besah sich unseren Bus ganz genau und diskutierte mit anderen Zöllnern, denen man aber ansah, dass sie froh waren, die Entscheidung, was mit uns weiter geschehen sollte, auf ihn abwälzen zu können.

Nun sah er abwechselnd uns an und unsere Passbilder, verglich uns mit den Bildern, dabei sah man deutlich, wie es in seinem Kopf arbeitete…

,Wenn ich diese Leute jetzt ausreisen lasse und die schmuggeln wirklich das Kind, bekomme ich einen Anschiss von ganz oben, wenn ich sie hier festhalte und sie sind unschuldig, dann machen mir die Österreicher die Hölle heiß. Was soll ich nur tun?‘

,Mein Gott‘, dachte ich nun doch zunehmend ungeduldig werdend, ‚Mann, siehst du nicht, dass uns Markus wie aus dem Gesicht geschnitten ist? Der KANN gar keine anderen Eltern haben!‘

Der Blick des hohen, oder was auch immer, Offiziers, traf auf meinem und der Anflug eines klitzekleinen Lächelns tauchte in seinen Mundwinkeln auf…

Plötzlich straffte der Mann seine Schultern, gab meinem Mann unsere Pässe und bedeutete uns, dass wir fahren könnten und dass möglichst rasch, so nach dem Motto, wenn ihr weg seid, bin ich auch die Ungewissheit und die daraus folgenden möglichen Schwierigkeiten los!

Wir fuhren los, aber erst nachdem wir auch die österreichische Grenze passiert hatten, die wie immer reibungslos und von Seiten der Zöllner gelangweilt über die Bühne gegangen war, waren wir erleichtert und sahen das Ganze eher als Abwechslung an.

Dazu muss ich sagen, dass sich die ungarischen Zöllner die ganze Zeit uns gegenüber sehr höflich benommen haben, sie mussten halt gemäß ihrer Pflicht handeln.

 

Wir reisten und reisen noch immer sehr oft und regelmäßig nach Ungarn und hatten seither nie wieder Schwierigkeiten an der Grenze, wir lieben Land und Leute und vor allem auch die ungarische Küche!

 

Ende

 

 

Imprint

Text: Margo Wolf
Cover: Pixabay
Publication Date: 12-08-2019

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