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Sahara Tour

Die Dünen Erg Chebbi

Sahara Tour

 

 

 Wir hatten gerade die algerische/marokkanische Grenze passiert, als mein Mann vorschlug, zu den großen Dünen Erg Chebbi zu fahren. Er hatte in einem Reiseführer davon gelesen und wollte sie nun unbedingt in Natur sehen.

Wir, das waren mein Mann, unsere beiden Söhne, der 6jährige Markus und der neun Monate alte Bernhard, meine Wenigkeit und nicht zuletzt unsere Hündin Cora, unsere Beschützerin und bester Freund der Kinder. Wir waren auf einer Reise quer durch den Maghreb unterwegs, Tunesien und Algerien lagen bereits hinter uns und nun waren wir in Marokko gelandet.

 

In Rissani, das im Südosten Marokkos liegt, versorgten wir uns noch mit Lebensmitteln und fuhren weiter in Richtung Merzouga, einem kleinen Ort zu Füßen der Erg Chebbi. Schon beim Näherkommen sah man die gewaltigen Sandberge hinter dem Ort. Diese Dünen sind mehr als 150m hoch und haben eine Ausdehnung von ca. 22km Länge und 5km Breite und sind damit selbst in der Sahara eine Seltenheit. Heute reihen sich dort Hotels, Restaurants und Herbergen aneinander, aber 1989/90 war Merzouga ein verschlafenes Nest, wo sichtlich die Zeit stehengeblieben war, fast ganz aus Lehm gebaut und praktisch ohne Touristen.

Wir fanden mit unserem Campingbus einen Platz im Hof einer Herberge, Hotel konnte man den halbverfallenen Lehmbau wirklich nicht nennen, und konnten gegen ein paar Münzen Wasser nehmen. Mehr brauchten wir nicht, denn unser Bus war mit allem ausgestattet, aber wir konnten alle wieder einmal ausgiebig duschen und ich Wäsche waschen. Wasser ist in der Wüste ein gar kostbares Gut und man lernt, sehr sparsam damit umzugehen.

Es gefiel uns hier sehr gut und nach einer sehr langen Fahrt durch die Wüste Algeriens und dem in diesen Breiten immer mühsamen Grenzübertritt hatten wir Ruhe nötig, so dass wir beschlossen, ein paar Tage zu bleiben. Natürlich stöberten wir auch im Bazar nach Mitbringsel und natürlich verlangten die Händler von uns „reichen Ausländern“ überteuerte Preise. Am dritten Tag meinte mein Mann zu einem Händler, dass wir nun doch schon genug „Deppensteuer“ gezahlt hätten, worauf dieser erst verdutzt schaute, aber dann in schallendes Gelächter ausbrach, er rief etwas den anderen zu, worauf auch diese lachten und siehe da, ab diesem Augenblick kostete alles nur mehr einen Bruchteil!

Bald waren wir immer von einem Tross von Fremdenführern umgeben, mein Mann machte ihnen klar, dass wir keinen bräuchten und auch keinen bezahlen würden, aber das wollten sie auch nicht. Sie waren ganz einfach begierig darauf, zu erfahren, wie es in Europa aussah und wie wir lebten. Sie konnten es einfach nicht fassen, dass es bei uns selbstverständlich ist, dass es auch bei uns viele arme Menschen gibt und die Frauen mitarbeiten müssen, damit wir Europäer uns das ach so „reiche“ Leben überhaupt leisten können.

Hier mitten in der Wüste, am hintersten Rand von Marokko konnten sich die Leute nicht mal vorstellen, wie es zum Beispiel in Agadir oder Casablanca aussah. Weg konnten sie nicht, denn dazu hätten sie auch fürs Inland einem Pass gebraucht und das Geld, um die Beamten dafür zu bestechen, hatte keiner. Damals war noch keine Rede von den Flüchtlingsströmen viele Jahrzehnte später. Natürlich liefen all diese Gespräche nicht so flüssig, wie es sich hier liest, es war ein Kauderwelsch aus Französisch, Englisch, ganz wenig Deutsch und vielen Handgebärden.

Ein Führer bot an, dass uns sein fünfzehnjähriger Sohn zu den Sanddünen führen könnte, es wäre nicht weit, denn er kenne eine Abkürzung und vor allem eine Stelle, wo es besonders schön sei. Obwohl die Dünen so nahe schienen, musste man doch noch einige Kilometer hinfahren und natürlich wollten wir, schließlich waren wir ja deswegen in Merzouga!

Dazu muss man wissen, dass man die Bilder, mit den weiten und hohen Sanddünen, die man üblicherweise von der Sahara sieht, nur einen sehr kleinen Teil der Wüste ausmachen, der größte Teil besteht aus Schutt und Geröll mit dornenartigen dürren Gewächsen dazwischen. Die Sahara ist eigentlich eine riesige Schutthalde!

 

Wir fuhren mit unserem jugendlichen Führer auf einer Sandpiste los und ein paar hundert Meter hinter Merzouga war mitten auf der Piste eine kleine Pfütze zu sehen, es war ja Winter und da kam es hin und wieder vor, dass es auch in der Wüste regnete. Mein Mann zögerte, weiter zu fahren, wir hatten schon einige schlechte Erfahrungen mit sandigem Untergrund hinter uns, aber der Führer meinte nur, es wäre nur eine ganz kleine flache Pfütze, kein Problem. Mein Mann fuhr weiter, es ruckelte und wir steckten mit der kompletten Hinterachse im Schlamm, so tief, dass man die Räder fast nicht mehr sah. Wir saßen in der wohl einzigen Schlammpfütze, die es in den Weiten der Sahara gab, fest!

In mir stieg Panik auf, solche „Überraschungen“ kosten mich immer Nerven, aber ich musste vor den Kindern Ruhe bewahren und Sicherheit ausstrahlen.

 

Wir hatten zwar Sandbleche mit, aber schon bald bemerkten wir, dass die hier nicht viel ausrichten konnten. Vielleicht hätte man damit ein normales Auto rausgebracht aber keinen 6Tonner mit doppelter Hinterachse!

Wie aus dem Nichts tauchten die männlichen Bewohner der Gegend auf und versuchten meinem Mann und unserem Führer zu helfen. Mit viel Geschrei und Gefuchtel wurden Äste und Steine herbeigeschleppt und untergelegt. Ich war mit meinem jüngeren Sohn und unserem Hund im Bus geblieben, da ich ohnehin nicht helfen konnte und unser zusätzliches Gewicht da wirklich keine Rolle mehr spielte, aber Markus war ganz begeistert und wollte ebenfalls helfen. Bald waren alle bis über die Ohren mit gelbem Schlamm bespritzt, aber der Bus saß noch immer fest. Nach längerem hin und her Diskutieren und weiteren sinnlosen Versuchen, die nichts brachten, verschwanden ein paar Männer, um einige Zeit darauf mit einem uralten, aber riesigen Lastwagen angeruckelt zu kommen und mit diesem gelang es dann nach ein paar Versuchen, wobei sogar unser Abschleppseil riss, uns mittels einer schweren Kette rauszuziehen. Unter Winken und Rufen fuhren wir nach Angaben unseres Führers weiter.

 

Leider hatte die „Schlammsache“ ziemlich lange gedauert und nun fing es zu dämmern an und da diese im Süden nur ganz kurz dauert, war es nur allzu bald dunkel. Unser Führer lenkte meinen Mann bald dahin und dorthin, aber man sah ihm seine Unsicherheit an, bis er endlich kleinlaut gestand, sich verirrt zu haben. Mein Mann versuchte ihn zu beruhigen und beschloss an Ort und Stelle stehen zu bleiben, denn wir wollten nicht nochmals irgendwo einsinken.

So standen wir mitten in der Wüste, es war Nacht und keiner von uns wusste, wo wir waren!

Ich beschloss, meine wieder aufkeimende Panik auf den Morgen zu verschieben und richtete alles für die Nacht her. Unser Führer wollte draußen unter dem Bus schlafen, aber es war Jänner und die Nächte daher ziemlich kalt, deshalb schickten wir ihn auf unser Bett über dem Fahrerhaus, wo eigentlich Markus samt unserer Hündin schlief. Wir kuschelten uns zu viert in unserem Bett im Heck zusammen, wo zu guter Letzt auch noch unsere Cora dazu kam, denn sie liebte es immer, ganz nah bei ihrer Familie zu sein. So war es ziemlich eng, aber auch schön warm.

 

Am Morgen bewunderten wir einen der wunderschönen Sonnenaufgänge in der Wüste, wer das einmal erlebt hat, wird für immer süchtig danach sein!

Cora wollte nach einiger Zeit raus und auch klein Bernhard quengelte nach seinem Morgenfläschchen. Unser Führer schlief noch tief und fest, trotz des unvermeidlichen Lärms, den wir verursachten. Wir standen auf, machten notdürftig Morgentoilette, ich versorgte Bernhard, machte das Frühstück und unser Führer schlief seelenruhig weiter. Wahrscheinlich schlief er zum ersten Mal in seinem Leben auf einer weichen Schaummatratze!

Wir wollten aber weiter und weckten ihn auf, was einige Mühe erforderte. Doch als er raus sah, begann er zu strahlen und meinte, wir hätten uns gar nicht verirrt, er wüsste genau, wo wir seien!

Wir standen neben den verfallenen Ruinen einer Karawanserei, die er uns hatte zeigen wollen. Nachdem wir ihn genötigt hatten, etwas zu frühstücken, er war ganz hin und weg von unserer österreichischen Erdbeermarmelade, fuhren wir weiter. Er zeigte uns nun zielgenau den Weg, nannte die verwischten Reifenspuren im Sand doch tatsächlich Straße, aber wie auch immer, schließlich landeten wir vor einem langestreckten Gebäude direkt am Fuß der Dünen. Vor dem Gebäude lungerten ein paar Männer in Anorak und Jeans herum und daneben ruhten ein paar gesattelte Kamele im Sand. Wir wurden begrüßt, bekamen den obligatorischen Tee, unsere Söhne wurden geherzt, blonde Kinder waren in dieser Gegend etwas ganz Besonderes, Markus bekam ein paar Sandrosen geschenkt, Bernhard wurde herumgetragen und ich als Mutter von zwei Söhnen wurde auch hier so wie im ganzen Maghreb mit Respekt behandelt.

Mein Mann machte sich mit Markus auf, ein wenig in den Dünen zu wandern und um zu fotografieren. Ich blieb mit Bernhard lieber in der Nähe des Busses, lief mit ihm nur am Rand des Erg entlang, denn auf Sanddünen zu steigen oder zu laufen ist sehr mühsam und noch mehr mit einem Kind auf dem Arm.

Wenn man im Sand, den man bei uns an Stränden oft vorfindet, ein wenig gräbt, so wird dieser schon wenige Zentimeter unter der Oberfläche feucht, dadurch fest und man kann gut darauf laufen, aber nicht der trockene Sand der Wüste. Egal, wie tief man gräbt, er bleibt so trocken und weich, man sinkt bei jedem Schritt tief ein und er rieselt bei der kleinsten Berührung. Schon ein sanfter Windhauch wirbelt den puderzuckerfeinen Sand hoch und setzt ihn überall ab und das meine ich wörtlich, aus jeder Falte der Kleidung rieselt es, er knirscht in den Zähnen, die Schuhe sind immer voll mit Sand, selbst vor den Pampers von Baby Bernhard hatte der Sand keine Ehrfurcht. Hier im Maghreb ist der Gesichtsschleier kein Zeichen religiöser Unterdrückung, sondern oft notwendig, um überhaupt atmen zu können, ohne dass Mund und Nase vom Sand verklebt werden. Auch wir hatten uns dünne Schals gekauft und damit zeitweise den Mund abgedeckt, denn Sand in der Lunge ist ziemlich unangenehm. So war es nicht ungewöhnlich, dass selbst die Fahrer, die am Steuer oft abenteuerlicher Lastwagen saßen, verschleiert waren und man nur die Augen sehen konnte.

 

Dass ich beim Bus geblieben war, brachte unsere Hündin Cora in ziemliche Verlegenheit, denn wen sollte sie nun beschützen? So lief sie ständig zwischen uns hin und her, um ihrer wichtigen Aufgabe, die ihrer Meinung so hilflosen Menschen zu bewachen, nachzukommen.

 

Plötzlich entstand Unruhe unter den Männern und sie verschwanden im Gebäude. Kurz darauf erschienen sie wieder, aber nun zünftig mit Kaftan und dem dort üblichen Tagelmust,

dem blauen Tuareg Turban mit Gesichtsschleier, nichts erinnerte mehr an Jeans und Windjacke. Eine Staubwolke war am Horizont zu sehen und gleich darauf schälten sich daraus einige Jeeps, zünftig mit Zebrastreifen bemalt und voll mit Touristen. Diese waren von Rissani gekommen und ihnen war eine abenteuerliche Fahrt in die Wüste versprochen worden, wo sonst Fremde nie hinkommen würden. Die verdutzten Gesichter der Touristen, als sie unseren Campingbus mit österreichischer Autonummer mitten in der Wildnis stehen sahen, werde ich nie vergessen!

Nun waren die vorher so gemütlichen Marokkaner ganz geschäftig, die Touristen wurden umlagert, Kamelritte wurden ihnen aufgenötigt, denn die kurze Zeit, die die Fremden hier waren, musste voll ausgenützt werden. Die Touristen waren oft die einzige Einnahmequelle und von den paar Münzen, die die Marokkaner hier ergatterten, musste ganze Familien ernährt werden.

Nach einer Stunde war der Spuk vorbei, die Jeeps samt den Touristen wieder abgezogen und die Männer hatten sich wieder umgezogen. Auf die Frage meines Mannes, warum sie sich verkleideten, zuckten sie nur mit den Schultern und meinten, die Touristen wollten es so und für Geld würden sie eben das Tamtam mitmachen!

Wir verbrachten fast den ganzen Tag beim Erg Chebbi, wollten aber vor der Dämmerung wieder nach Merzouga zurück, um nicht nochmals in der Wüste zu stranden.

 

Zurück im Ort bekam unser Führer erst mal eine heftige Kopfnuss von seinem Vater und eine Strafpredigt, weil er uns in das Schlammloch geführt hatte. Der Vater wollte kein Geld nehmen, aber wir beruhigten ihn, es war ja nichts passiert, gaben ihm mehr als die verlangte Summe und steckten auch dem Jungen noch Geld zu. Daraufhin wurden wir zum Essen eingeladen und der Tag endete mit einem üppigen Mahl unter Freunden.

 

Wir hatten auf dieser Reise einige Abenteuer erlebt, aber überall begegnete man uns freundlich und hilfsbereit, nie gab es eine Situation, wo wir uns auch nur unbehaglich gefühlt hätten. Und obwohl inzwischen viel Zeit vergangen ist, ist noch immer ein Stück meines Herzens in der Sahara geblieben!

 

 

Zum Schluss noch ein paar Impressionen, leider sind die Bilder von nicht sehr guter Qualität, denn sie stammen von 30 Jahre alten Dias.

 

 

 

Halbwilde Kamele

 

Typische Gegend der Sahara

 

Und natürlich Sand…

 

Merzouga und im Hintergrund die Dünen Erg Chebbi

 

Die trügerische Schlammpfütze

 

Geschafft!

 

Morgensonne in der Wüste

 

Erg Chebbi

 

Dünenwanderung

 

Touristen werden „bearbeitet“

 

Mit diesem Wächter konnte uns gar nichts passieren!

 

Endlos weit…

Imprint

Text: Margo Wolf
Images: Margo Wolf
Cover: Margo Wolf
Publication Date: 10-05-2019

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