Cover

Wichtiger Hinweis

Diese Serie erschien bei Kelter im Jahr 2002 in 20 Bänden und dreht sich rund um Teufelsjäger Mark Tate. Seit Band 21 wird sie hier nahtlos fortgesetzt! Jeder Band (siehe Druckausgaben hier: http://www.hary.li ) ist jederzeit nachbestellbar.

 

TEUFELSJÄGER 163/164


W. A. Hary

Herrin der Bestien

Sie lauert auf dich – und sie ist nicht allein!“


Die Opferstätte befand sich mitten im undurchdringlichen Dschungel. Sie war umgeben von einem Kranz aus abgestorbenen Pflanzen und wurde beherrscht von unnatürlicher Stille. Wie die Ruhe vor einem alles vernichtenden Sturm. Und jeder, der es wagte, näher zu kommen, spürte die Macht des Bösen und floh, ehe sie ihn bezwingen konnte.

Es sei denn, er war gekommen, um sein Opfer darzubieten. Sein Opfer in Blut…


Impressum

Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

ISSN 1614-3329

Copyright dieser Fassung 2017 by www.HARY-PRODUCTION.de

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Titelbild: Anistasius

Coverhintergrund: Anistasius


1


Vor tausend Jahren


Das stetige Tam-tam der Trommeln überlagerte die nächtliche Geräuschkulisse im Dschungelgebiet des Amazonas.

Es war das Tam-tam des Todes.

Es war das Tam-tam des Schrecklichen, des Bösen, der Hölle auf Erden.

Es kündete von der Bereitschaft, erneut zu opfern.

Menschenopfer!

Ein kleines Mädchen duckte sich in die hinterste Ecke der Hütte, in das man es eingesperrt hatte. Finsternis beherrschte diese Hütte. Das Kind war über und über mit eiternden Wunden bedeckt, verursacht von grausamen Folterungen. Es war verdreckt, und wenn es schreien wollte, erzeugte es nur noch ein Krächzen, seit man dem armen Kind auch noch die Zunge herausgerissen hatte.

Aber der Schrei hätte nicht seinen Ursprung im Ausdruck des Schreckens gehabt. Er hätte nicht von den unsäglichen Schmerzen gezeugt, die das Kind erbeben ließen. Nein, er wäre Ausdruck des Hasses gewesen, der Wut, des Vernichtungswillens, des unbändigen Rachedurstes an all jenen, die ihr solches angetan hatten.

Das Kind war nämlich kein normales Kind. Es war ein Kind des Bösen. Das hatte der Zauberpriester des Stammes zumindest behauptet, und jedes Mitglied des uralten Stammes hatte ihm gern Glauben geschenkt. Zumal es wieder an der Zeit war, ein lebendiges Menschenopfer zu erbringen.

Normalerweise brachten sie ihre Toten zur Opferstätte tief im Dschungel. Nur diejenigen, die ein Opfer darbieten wollten, durften sich ungeschoren dieser Opferstätte nähern und durften ihr auch wieder entrinnen.

Es handelte sich um einen fast kreisrunden Wall, halb so hoch wie die Baumriesen, die ihn in respektvollem Abstand umstanden. Eine Rampe aus aufgeschütteter Erde, befestigt mit Steinen, führte an einer Seite hinauf. Und dort oben war der Wall nur noch einen halben Meter hoch. Man konnte über ihn leicht hinweg sehen, um einen Blick auf das inmitten geduckt da stehende Gebäude mit dem Turm zu werfen, der wie ein warnender Knochenfinger aussah.

Doch sobald man dies wagte, kamen die Bestien der Opferstätte zum Vorschein. Sie verließen ihre Deckung im Innern dieses Gebäudes, und ihre Augen glühten erwartungsvoll, während sie drohendes Grollen ausstießen.

Dann war es höchste Zeit, die Opfergabe über den Wall zu werfen, damit die Bestien sich darüber her machen konnten.

Die meiste Zeit eben ein Leichnam. Entweder aus den eigenen Reihen oder aber auch von einem der Nachbarstämme, die nur so lange verschont wurden, wie sie ebenfalls ihre Leichen zur Verfügung stellten.

Doch heute würde es mal wieder ein richtiges Menschenopfer sein müssen.

Die Zeichen waren eindeutig. Das jedenfalls hatte der Zauberpriester behauptet, der angeblich mit allen höheren Kräften in ständiger Verbindung stand, sowohl mit den bösen als auch mit den guten.

Und er hatte dieses Kind auserkoren, das bereits vom Bösen beseelt war und das sich jetzt ebenfalls wie eine Bestie gebärdete und längst nicht mehr wie ein Kind.

Damit schien der Beweis erbracht zu sein, dass es richtig war, in diesem Kind das nächste Menschenopfer zu sehen für die Bestien der Opferstätte.

Und jetzt trat der Zauberpriester persönlich in die Hütte. Er sah mit seinen Hexersinnen das zitternde, unsäglich geschundene Kind in der Ecke, trotz der Finsternis.

„Ich spüre deinen Hass, deinen Zorn!“, sagte er abfällig in der gutturalen Sprache des Stammes. „Und ich weiß, es ist höchste Zeit, dich zu opfern, bevor die noch in dir schlummernden Kräfte deinen Körper heilen können.

Ja, rechtzeitig, bevor du mir gefährlich werden kannst. Oder glaubst du, ich wüsste nicht, was mir blüht, wenn ich es zulasse, dass aus einem Hexenkind eine ausgewachsene Hexe wird?

Du würdest mich sehr bald schon besiegen können. Aber noch bin ich der Stärkere, und das wird so bleiben. Nicht nur, weil ich dafür gesorgt habe, dass man dich bricht, sondern weil die Bestien bereits darauf warten, dich zu zerfetzen!“

Er legte den Kopf in den Nacken und lachte ein grässliches Lachen, wie von einem Fleisch gewordenen Teufel.

Und das war er auch tatsächlich: Der Fleisch gewordene Teufel.

Es war der Zeitpunkt, an dem das Kind aufhörte zu zittern und wie lauschend den Kopf hob. Es spürte die Kräfte in sich. Sie waren nicht wirklich geschwächt durch die grausamen Folterungen und Verstümmelungen des noch kleinen Körpers, sondern sie waren ganz im Gegenteil dadurch erstarkt, angepeitscht vom Durst nach Vergeltung.

Das Kind stand auf.

Der Zauberpriester wurde aufmerksam. Seine Augen weiteten sich.

Da griff etwas nach seinem Geist, das ihn auf der Stelle lähmte.

Er konnte es nicht begreifen, aber aus dem kindlichen Körper erhob sich ein finsterer Schatten und schwebte auf ihn zu.

„Du sahest in mir eine Konkurrenz, die du rechtzeitig beseitigen wolltest“, klagte der Schatten ihn an. „Du hast mich foltern und verstümmeln lassen, in dem Glauben, mich dadurch zu brechen. Aber wisse, kein Irrtum könnte größer sein.

Die Kräfte in mir waren neutral gewesen, weder gut noch böse. Ich hätte mich für das Gute entschieden, hätte mich zu einer Heilerin und Beschützerin des Stammes entwickelt, ohne das Bestreben, dir jemals in die Quere kommen zu wollen.

Doch durch dein Vorgehen hast du dies zunichte gemacht. Du hast das Böse in mir geweckt. Du hast mich gezwungen, mich mit der Hölle zu verbünden, weil ich ansonsten dies alles niemals hätte überstehen können.

Und jetzt werde ich dich vereinnahmen!

Nein, ich werde dich nicht töten. Nicht deinen Geist in die Ewigkeit zurückschicken, sondern nur deinen Körper entseelen. Du wirst für immer ein Bestandteil von mir bleiben, damit ich mich an deiner endlosen Pein laben kann für alle Ewigkeit!“

Ein letztes Aufbäumen, bei dem er all seine schwarzmagischen Kräfte mobilisierte. Doch dann hatte ihn der Schatten erreicht und wurde eins mit ihm.

Gleichzeitig begann die ewige Pein, wie angekündigt. Eine Pein, bei der jede Sekunde selbst zur Ewigkeit geriet. Zu einer Strafe, wie sie grausamer niemals hätte sein können.

Das kleine, geschundene Mädchen verlor den Halt und landete bewusstlos am Boden. Es hatte sich völlig verausgabt, um sich an ihrem Peiniger zu rächen.

Und so hatten die eindringenden Indios, die den entseelten Körper ihres Zauberpriesters vorfanden, leichtes Spiel mit dem kleinen Körper des Kindes, das sich jetzt nicht mehr wehren konnte.

Sie beschlossen, nicht mehr länger zu warten und sogleich den Pilgergang zur Opferstätte zu beginnen.


2


Sie hatten nicht nur den toten Leib ihres ehemaligen Zauberpriesters dabei, sondern auch das bewusstlose Kind.

Ja, es lebte noch, und das erschien ihnen wichtig, weil der Zauberpriester ihnen ja erklärt hatte, dass es wieder an der Zeit war, ein echtes lebendes Menschenopfer zu erbringen.

Der entseelte Körper des Zauberpriesters war dabei so etwas wie eine Dreingabe bei der bevorstehenden Opferung.

Gemessenen Schrittes ging die gesamte Stammesgemeinschaft den vorgeschriebenen Weg entlang. Nun, da sie kein Zauberpriester mehr führte und dieser auch nicht für einen würdigen Ersatz gesorgt hatte, wohl aus Furcht vor jeglicher Konkurrenz, waren sie ohne geistlichen Beistand. Eine Katastrophe für sie, eigentlich. Aber damit würden sie sich später beschäftigen. Erst einmal mussten die Götter des Guten und des Bösen besänftigt werden mittels Opfergaben.

Weit am Horizont graute bereits der neue Tag, als sie ihr Ziel erreichten.

Jeweils vier Auserwählte aus ihren Reihen trugen je eines der Opfer. Sie hatten die leblosen Körper mit Lianen an dicke Äste gebunden, die von den jeweils vier Trägern geschultert worden waren.

Zuerst wurde der Leichnam des Zauberpriesters hinauf gebracht, um ihn über den Wall zu werfen.

Aber erst dann geschah dies, als die Bestien ihre Deckung verließen und zu ihnen herauf grollten.

Jetzt, wo die ersten Strahlen von Tageslicht über den Dschungel griffen, um die Opferstätte zu erhellen, sahen die Indios, dass es sich um pechschwarze Raubkatzen handelte. Der Wall, der sie umschloss, war zu hoch für sie. Es war ihnen nicht möglich, hier herauf zu gelangen, um so ihrer Gefangenschaft zu entgehen. Deshalb waren sie auf die Opfergaben zwingend angewiesen, wollten sie nicht verhungern.

Obwohl es ihnen höchstwahrscheinlich zu wenig war. Kein Wunder, dass sie die Indioträger anfauchten, während diese vor Angst erstarrten und alle Kraft benötigten, um ihr Opfer endlich zu erbringen.

Der Leichnam des Zauberpriesters hatte noch nicht ganz den Boden berührt, da wurde er bereits in der Luft zerfetzt.

Rasch zogen sich die Indioträger wieder zurück, um Platz zu machen der nächsten Vierergruppe.

Das kleine, zerschundene Mädchen war immer noch ohne Bewusstsein und hing schlaff in den Seilen.

Es war keine besondere Last, die von den vier Trägern hinauf gebracht wurde auf die Höhe des Walls.

Zu ihren Füßen tobten die Bestien. Ein grausiger Anblick, mit all dem Blut und der ungezügelten Gier der Bestien.

Die Indios verloren die Nerven. Sie warfen das noch lebende Opfer mitsamt dem Tragesystem hinunter und rannten schleunigst über die Rampe wieder zurück.

Darauf hatte der Rest des Stammes nur noch gewartet. Alle suchten jetzt ihr Heil in der Flucht, denn sie spürten auf einmal, dass diesmal alles ganz anders war als sonst.

War es, weil sie ihren toten Zauberpriester geopfert hatten?

War denn in dem toten Körper noch ein Rest der unbeschreiblichen Macht gewesen, die er all die Jahre über den Stamm ausgeübt hatte?

Oder war es das noch lebende Opfer des zerschundenen Kindeskörpers?

Sie wussten es nicht, und sie wollten es auch gar nicht mehr wissen.

Noch in der Nacht darauf duckten sich die Indios ängstlich in ihre Hütten und fanden keine Ruhe, als würden sie befürchten, ihnen könnte Schreckliches widerfahren.

Aber wieso eigentlich?

Hatten sie denn nicht alles richtig gemacht, eben so, wie der Zauberpriester es von ihnen verlangt hatte?


*


Das noch lebende Opfer fiel auf die pelzigen Leiber der Bestien. Vielleicht wäre das Kind tatsächlich zu Tode gekommen, wäre es auf dem harten Pflaster des Innenhofes aufgekommen.

Die Bestien fuhren auseinander und wollten sich auf die neue Opfergabe stürzen, doch hielten sie in der Bewegung inne, denn in diesem Augenblick schlug die Kleine die Augen auf.

Nicht das war es jedoch, was die Bestien zurückschrecken ließ, sondern die Macht, die aus dem kleinen Körper empor stieg, trotz des erwachenden Tages. Ein Schatten, der alles Licht verschlang und wie schützend über dem kleinen Körper schwebte.

Die Bestien duckten sich zu Boden, in Demut, aber auch in namenloser Frucht vor diesem Schatten.

„Fürchtet euch nicht!“, sagte dieser jedoch sanft. „Ihr seid meine Bestien und werdet es für immer bleiben. Wartet nur erst ab, bis meine Wunden geheilt sind und ich wieder zu Kräften komme. Dann werde ich dafür sorgen, dass ihr endlich ausreichend zu fressen bekommt.

Ich bin eure neue Herrin, aber ich werde auch eure Hüterin sein. Für jetzt und für immer.“

Ein unheiliges Versprechen, und die Bestien wussten in ihren dumpfen Gehirnen, dass sie sich dennoch darauf verlassen durften.

So hielten sie die nächsten Tage und Nächte geduldig durch, bis das Kind wieder vollends geheilt war. Es sah aus wie zuvor, bevor der Zauberpriester die Indios angewiesen hatte, dem kleinen Körper solches anzutun.

Die Kleine trat vor das geduckt da stehende Gebäude inmitten des hohen Walls, der auch für sie unüberwindbar blieb, und schaute umher.

Dies war ihr kleines Reich, und das würde es auch bleiben!

Aber in ihren Eingeweiden knurrte der Hunger, und sie wusste, dass diese Art von Hunger nur durch eines gestillt werden konnte:

Weitere Menschenopfer!

Die Toten würde sie den Bestien überlassen, aber sie brauchte Lebende, um sich an ihrer Lebenskraft zu laben.

Sie würde ihre Erinnerungen in sich aufnehmen, um ihr gesamtes Leben nachempfinden zu können. Das würde ihr Elixier werden, um ihren Horizont über den schützenden aber auch einengenden Wall hinaus zu erweitern.

Gleichzeitig hörte sie in ihrem Innern das endlose Kreischen des Zauberpriesters, der für alle Ewigkeiten spürte, wie er am lebendigen Leib zerfetzt wurde, auf grausamste Weise.

Wie sie ihm versprochen hatte.

„Denn ich bin die Herrin der Bestien!“, schrie sie in die Stille hinaus.

Und dann versuchte ihr Geist, die Indios ihres Stammes zu erreichen.

Sie kannte keinerlei Gnade. Bei allem, was diese ihr angetan hatten…

All ihre Verwandten hatten sich zurückgehalten. Niemand hatte auch nur Anstalten gemacht, ihr zu helfen. Nicht einmal ihre eigenen Eltern und Geschwister.

Sie würde alle zu sich holen, einen nach dem anderen. Allerdings immer nur so viele, dass der Stamm niemals ganz ausstarb. Damit er für immer unter ihrer Strafe zu leiden hatte.

Und sie freute sich bereits über das erste lebende Opfer, dem sie alles nehmen würde, um sich daran laben zu können.


3


Gegenwart


Die Glocke von San Migel schlug zwölfmal: Mitternacht in Manaus, der Stadt inmitten des Amazonasgebietes.

Enrico Valeros ließ die Zeitung sinken und blickte zum Fenster. Er lauschte den Glockenschlägen.

Noch einmal versuchte er, sich in die Wirtschaftsnachrichten zu vertiefen. Es gelang ihm nicht. Er konnte seinen Blick nicht vom Fenster lösen.

Sein Butler hatte vergessen, den Blendladen zu schließen. Oder hatte ihn Enrico Valeros beauftragt, gerade diesen hier offen zu lassen?

Er runzelte die Stirn und versuchte, sich zu erinnern.

Etwas stimmte nicht. Er wusste nur noch nicht was…

Ein unruhiges Gefühl pochte in seiner Brust. Es war unbeschreiblich.

Seine Handinnenflächen wurden feucht.

Er ließ die Zeitung los. Sie flatterte zu Boden, ohne dass er es bemerkte.

Langsam erhob Enrico Valeros sich aus seinem Sessel. Seine Augen weiteten sich. Draußen breiteten sich die Schatten der Nacht aus, und er hatte auf einmal die Vision, als würden diese Schatten Leben besitzen.

Und hörte er nicht einen fernen Ruf — den Ruf nach ihm?

Mit hölzernen Schritten ging er zum Fenster. Er hörte nichts mehr, sah nur die Schatten, die sich draußen bewegten und einen irren Reigen tanzten.

Um ihm zu gefallen?

Es war der Zeitpunkt, an dem sich ein Gesicht über die Fensterbank schob — und das fünf Meter über dem Boden.

Enrico Valeros ging weiter, erreichte das Fenster genau zu dem Zeitpunkt, da sich die Fensterflügel wie von Geisterhand bewegt öffneten.

Hereinwehender Wind bauschte die Gardinen. Und da war er wieder, der ferne Ruf:

„Enrico Valeros!“

Er nickte gegen seinen Willen.

Das Gesicht war da, aber es war kaum erkennbar, erschien durchsichtig, mehr wie ein Nebelstreif, unwirklich.

„Ja“, sagte Enrico Valeros glücklich, „ich komme, um dir zu gehören!“

Das Gesicht verzog sich zu einem liebenswürdigen Lächeln. Es schwebte zurück, von ihm weg.

Enrico Valeros wollte vergeblich danach greifen. Es war das wunderschöne Antlitz einer Frau. Und er wollte diesem Antlitz nahe sein — viel näher als jetzt. Deshalb ging er weiter und wusste nicht, dass er über die Fensterbank nach unten stürzte!

Fünf Meter tief!

Ziemlich unglücklich kam er auf dem gepflasterten Weg auf, sich dabei mehr als nur einen Knochen im Leib brechend und beinahe sogar sein Genick.

Es wäre das Ende gewesen für ihn. Und so erwachte er nur wie aus einem bösen Traum, allerdings in einer Wirklichkeit, die von ziemlich starken Schmerzen geprägt waren und Bewegungslosigkeit.

Sekunden später schon gingen an verschiedenen Stellen die Lichter an. Das Haus wurde unruhig.

Man sah nach ihm, rief sofort den Notdienst.

Dieser fand mehr als nur die Wunden und Knochenbrüche, die er sich bei dem unglücklichen Sturz geholt hatte:

Auf seiner Brust fand man das Zeichen des Todes: einen Totenkopf.

Er war wie mit Feuer eingebrannt!


*


May Harris erwachte mit einem leisen Schrei auf den Lippen. Sie fuhr hoch.

Das Laken rutschte vom Bett. Es war schweißgetränkt.

May brauchte Sekunden, um sich zurechtzufinden.

Dies war der Zeitpunkt, an dem auch ich erwachte. Ich lag im Bett nebenan.

„He, was ist los mit dir?“, erkundigte ich mich, besorgt um meine Freundin.

May Harris schüttelte den Kopf.

„Nur schlecht geträumt!“

Was sagte sie da? Nur ein Traum?

Und wieso konnte auch ich mich daran erinnern?

Enrico Valeros, der sich aus dem Fenster seiner Villa in Manaus stürzte, von einer unheimlichen Macht dazu verleitet...

May Harris sprang auf. Einen Moment lang wurde ihr schwindlig. May nahm keine Rücksicht darauf. Sie lief zum Telefon, das sie ausnahmsweise nicht neben das Bett gestellt hatte.

Ich reagierte auf meine Weise, indem ich endlich das Licht aufflammen ließ.

Ein Blick auf den Schavall, den ich auf dem Nachttisch abgelegt hatte.

Kurz, aber nur zu gern, erinnerte ich mich an die heißen Liebesspiele kurz vor dem Einschlafen. Dabei hatte der Schavall definitiv gestört. Nur deshalb hatte ich ihn abgelegt.

Da lag er nun, wie ein kitschiges Schmuckstück. Er reagierte auf Schwarze Magie, doch derzeit verhielt er sich neutral.

Und wieso hatten May und ich denselben Traum geträumt?

Das konnte doch nur eine Vision gewesen sein!

Und wieso wusste ich überhaupt so genau, dass wir gleichzeitig diese Vision erlebt hatten? Sie hatte ja mit keinem Wort erwähnt, was denn nun der Inhalt ihres Traumes gewesen war.

Ich hatte es einfach so gewusst!

Ein Blick auf die Uhr. Es war eine halbe Stunde nach Mitternacht.

Nachdenklich betrachtete ich meine Freundin. Sie war nicht nur in meinen Augen wunderschön. Das leicht durchsichtige Nachtgewand ließ ihre vollendeten Formen durchschimmern. May Harris war unbestimmbaren Alters, und niemand sah ihr an, dass sie kein gewöhnlicher Mensch war, sondern eine echte Hexe.

Ich sah, dass sie eine lange Nummer in die Tasten tippte, aber am Ende vergaß,

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Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Publication Date: 05-30-2017
ISBN: 978-3-7438-1638-1

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Dedication:
Nähere Angaben zum Herausgeber und Autor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary

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