Cover

1 CHAMPAGNER & ZAHNPASTA

 

Auf der Suche nach THE ONE AND ONLY: STEFANIE KOCH, 44 Jahre, lange, rote Haare, weiblich, sinnlich und Single

KÖNNTE WAS SEIN 1: BERND BARDER, 54 Jahre, Ingenieur, Single

KÖNNTE WAS SEIN 2: Dr. JOCHEN KAUFMANN, 49 Jahre, Zahnarzt, Modelltyp, Ästhet, Single

DARF NICHT SEIN: PABLO, 39 Jahre, feuriger Italiener, Kellner im BE LA VO und verheiratet

AM ENDE IST DANN WAS …

 

Sollte es einen Kurs im NICHT-MEHR-WUNDERN geben, dann geben Sie mir bitte Bescheid. Ich, geborene Stefani Koch, kurz Steffi, habe so viel Erfahrungen mit Begegnungen der dritten Art, dass ich fast glauben muss, dass es auf der Erde irgendwo ein Versteck unter der Erde für diese besondere Spezies geben muss. In irgendwelchen unterirdischen Höhlen haben jene Männer den Anschluss an die Evolution verpasst. Haben sie dann irgendwann den Ausgang gefunden und sind ins Licht gegrabbelt, oder wurden womöglich von ihren Kumpanen wegen Platzmangels ausgestoßen, dann müssen sie erstmal lernen, sich hier auf der Erde zurechtzufinden. Aber wofür gibt es Frauen wie mich, die sich solch hilfloser Geschöpfe annehmen und ihnen mit Geduld und Spucke die verschiedensten Alltagslektionen beibringen? Zu diesen Lektionen gehören zum Beispiel der richtige Umgang mit Messer, Gabel, Licht, Putzmitteln und vielem anderen mehr. Eine solche Spezies, oder wie man in Bayern sagen würde, solche "Spezln",  durfte ich über eine Kontaktanzeige kennenlernen. Zwei an der Zahl, wobei es genau genommen drei waren …

 

Nach einer längeren Pause von dem anderen Geschlecht und meiner wiederbelebten Hoffnung, es gibt ihn da draußen doch noch irgendwo den Mann, der mit mir alt werden möchte, gab ich ganz old-school ein Inserat in einer Zeitung auf. Es gibt ja immer noch Menschen, die Zeitung lesen, wobei alle Printauflagen und zwar sämtlicher Zeitungen und Zeitschriften in den Keller purzeln. Ungefähr drei Wochen später erhielt ich so viel Post, dass mir fast schwindlig wurde. Das war übrigens auch der Grund, warum ich mich für diese Variante entschieden hatte. Ich liebte es, Sendungen aller Art, ausgenommen Rechnungen, Werbungen und Bekanntmachungen, vom Postboten gebracht zu bekommen. Und so öffnete ich mit großer Vorfreude einen Brief nach dem anderen und sortierte sie nach IDIOTEN, PERVERSEN, NICHT LESBAR (Kleiner Tipp an dieser Stelle: Nennt man schon eine Sauklaue sein Eigen, dann nutze man doch bitte ein Schreibprogramm!) und KÖNNTE WAS SEIN aus. Auf dem Stapel KÖNNTE WAS SEIN „stapelten" sich genau zwei Briefe.

Mein erster auserwählter Kandidat, Bernd, hatte in seinem 13-seitigen Brief eine ausführliche Beschreibung seiner Person abgegeben. Darin enthalten waren seine körperlichen und inneren Attribute, seine Ziele bezogen auf seinen weiteren Lebensweg und Wünsche, seine Traumfrau betreffend. Als Bonus gab er noch Einblicke in seine gescheiterte Ehe, seine missglückten Beziehungsversuche und die daraus resultierenden Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Partnerschaft. Beruflich war er als Ingenieur sehr erfolgreich und hatte eine eigene Firma. Da ich seinen Kurzroman an mich komplett gelesen hatte und dabei nicht eingeschlafen war, staunte ich A) nicht schlecht darüber, dass er seinen Kontoauszug nicht noch gleich mitschickte und B) dass es solche Männer wie ihn überhaupt noch gab. In seinem Brief an mich entblößte er sich regelrecht, was sein Emotionsleben anging, ohne dabei irgendwie Mitleid zu erregen, ganz im Gegenteil. Er schien genau zu wissen, was er wollte! Gegenseitiges Vertrauen stand bei ihm ganz oben. Mein Ex und mein Vor-Ex und überhaupt meine letzten Ex-Bekanntschaften konnten das Wort Ehrlichkeit nicht einmal schreiben, geschweige denn aussprechen. Und ohne Ehrlichkeit auch keine vertrauensvolle Beziehung. Tja, dieser Mann hier war irgendwie anders. Wie anders, das sollte ich noch früh genug zu spüren bekommen. Ich griff zu meinem Handy, da er mir praktischerweise seine kompletten Eckdaten „verraten" hatte und beauftragte eine Suchmaschine damit, mir einige Fotos des Herrn Bernd Barder, seines Zeichens Ingenieur, zu liefern. Jede Menge Bildmaterial wurde mir präsentiert. Bernd auf Einweihungen, Preisverleihungen, Bernd mit männlicher Begleitung, Bernd mit weiblicher Begleitung und überall sah der Bernd ganz sympathisch aus. Das Gewicht schwankte zwar auf dem einen oder anderen Foto deutlich hin und her. Mal spannte das Sakko, mal weniger. Aber das machte mir nichts. Mein Mann durfte ruhig etwas Bauch haben. Und so schrieb ich Bernd eine SMS, welche auch sofort beantwortet wurde. War das Zufall oder saß er den ganzen Tag mit Handy in der Hand da? Egal! Wir schrieben uns eine Weile recht spannungsarm hin und her und verabredeten uns für ein Telefonat am nächsten Tag. Ganze zwei Stunden quasselten wir, vornehmlich er. Die Zeit verging wie im Fluge. Ein gutes Zeichen, wie ich fand, danach köpfte ich sogleich eine angestaubte Flasche Champagner, die schon viel zu lang im Weinregal, neben dem Kühlschrank, ruhte. War schon ganz verstaubt, die Gute. Unser Date war für Samstag geplant. Perfekt! Ich war euphorisch und wie von Sinnen und mit einem prickelnden Kristallkelch in der Hand befragte ich meinen Kleiderschrank. Dieser war völlig überfordert und konnte es mir so gar nicht recht machen. Ein Kleid nach dem anderen bot er mir an, aber für diesen besonderen Anlass gab er einfach nichts Passendes her. Und so düste ich am nächsten Tag, es war Freitag, nach der Arbeit noch schnell in meine Lieblingsboutique. Wie immer hatte ich Glück und Manuela zeigte mir die soeben eingetroffene Neuware und ich kaufte mir gleich zwei schöne Kleider der neuesten Kollektion von SPORTALM. Zuhause angekommen probierte ich diese gleich noch einmal und leerte dabei die angefangene Flasche vom Vortag. Hm, welches Kleid ich wohl anziehen sollte? Bunt und frech oder schwarz und sexy?

Samstagvormittag. Ich lag in einem blubbernden Meer und genoss den karibischen Duft des Schaumbads. Quer vor mir hatte ich auf meiner hölzernen Badewannenablage (was für ein Wort) für entsprechende Stimmung gesorgt. Kerzen, Erdbeeren und ein Glas Sekt – das fand ich für meine Date-Vorbereitung ganz nett. Mein Handy vibrierte und mit pitschnassen Händchen zog ich es unter dem Buch, welches ich nur als Deko aufs Brett gelegt hatte, hervor und blickte auf das Display. Bernd fragte an, ob wir uns statt 19 Uhr auch schon 18 Uhr treffen könnten? Eigentlich hätte ich ihn ja zappeln lassen müssen, mindestens eine Stunde hätte ich ihn warten lassen müssen. Aber das war mir zu viel HÄTTE und außerdem wäre mir in dieser Zeit eine Fischflosse gewachsen. Und als Mermaid hätte ich schlecht zu ihm gehen können. Also schickte ich ihm fünfzehn (eigentlich waren es nur zwei) Minuten später ein JA.

Nach all dem UNGEWÜNSCHTE-HAARE-ENTFERNEN-, KOPFHAARE-IN-FORM-DREHEN-, NÄGEL-ROT-LACKIEREN-, VON-KOPF-BIS-FUSS-EINCREMEN-, ICH-SCHMINK-MICH-NOCH-SCHÖNER-PROZEDERE war ich endlich fertig und entschied mich aus dem Bauch heraus für das kleine Schwarze. Ein tailliertes Jerseykleid mit dezenten Ledereinsätzen und einem in der vorderen Mitte eingesetzten Zwei-Wege-Reißverschluss. Super sexy. Ein paar glitzernde Ohrhänger und einen dezenten Armreif angelegt, Duftwässerchen aufgelegt, meinen Lieblings-Longmantel im angedeuteten Leo-Look übergeworfen und fertig.

So stand ich dann pünktlich 18 Uhr, wie verabredet, vor dem kleinen charmanten Restaurant und wartete. Die Minuten plätscherten dahin. Ich zog das Handy aus meiner kleinen, schwarzen Handtasche und las nochmals seine Nachricht, nicht, dass ich bedingt durch heiß dampfenden Badeschaums und Erdbeersekt irgendetwas verwechselt hatte. Nö, da stand genau: „Wunderbar! Dann 18 Uhr vor BE LA VO. Bernd"

Ja, und da stand ich (mittlerweile geschlagene 15 Minuten) mir die Beine in den Hals, oder wie das heißt. Punkt 18.20 Uhr wurde es mir zu blöd, mir war auch kalt, und ich ging hinein. Schließlich war ich viel zu aufgebrezelt und zu wohlduftend, um einfach wieder nach Hause zu fahren. Mal schauen, vielleicht ergab sich ja noch etwas bei BE LA VO. Mit einem Lächeln im Gesicht betrat ich das geschmackvoll eingerichtete Lokal und sogleich kam mir ein Kellner entgegen, stellte sich mit Pablo vor, bat um meinen Longmantel und machte mir - einzig nur mit seinen braunen Augen - ein Kompliment, welches mir rote Wangen zauberte. Vielleicht, so dachte ich mir, vernasche ich ja heute zum Dessert den Kellner. Pablo bat mich höflich darum, ihm zu folgen, was ich auch artig tat und mir seinen knackigen Hintern anschaute. Gerade, als er mich an einen Zweiertisch platzieren wollte, da durchdrang die Stille eine Männerstimme: „Stpppphnie?"  Ich schaute mich in dem von anmutigen Kerzenglanz illuminierten Raum um, Pablo gab mir einen Wink und dann sah ich ihn, Bernd. Bernd fuchtelte mit seiner linken Hand wild durch die Luft, als wöllte er Aasfliegen verscheuchen oder Pablo heranwinken oder mich? Mit den Fingern seiner rechten Hand umklammerte er den leeren Weinkelch. Als Pablo und ich "endlich" zu ihm blickten und nicht so recht wussten, was er mit seiner Gestik bezweckte, und wir daher stehen blieben, nahm er die Hand endlich runter und stopfte sich die Garnelen in Cocktailsoße weiter rein. Seine rechte Hand mit dem leeren Glas schnellte dafür in die Luft. Pablo räusperte sich und schaute mich aus mitleidsvollen Augen an. An dieser Stelle hätte ich eigentlich die Flucht ergreifen müssen, eigentlich. Stattdessen schlenderte ich, mit Pablo an meiner Seite, zum mampfenden Bernd hinüber. Der blieb natürlich schön sitzen und zeigte – immerhin – mit dem Löffel in seiner Pranke, auf den Stuhl gegenüber von ihm. Wie höflich! Sein Handy vibrierte in einer Tour und ich saß da wie erstarrt. Fassungslos darüber, wie manN sich so verhalten kann. Kaum war der Mund leer, legte er auch schon wieder nach. Fast hätte ich gesagt, dass er sich doch besser gleich eine Suppenkelle statt eines Löffels ordern sollte, schluckte diese Bemerkung aber hinunter. Ich war- Scheiße noch eins- einfach zu nett erzogen! Und so beobachtete ich dieses Fressschwein vor mir und fragte mich insgeheim, ob ich wie seine Fressfeindin aussah? Derweil trug ich doch gar keine Übergröße! Er aber auch nicht, heißt also nichts. War das der Futterneid? Hatte er irgendwo den Krieg miterlebt? Fragen über Fragen, die ich fürs Erste gedachte hinunter zu spülen. Kaum zu Ende sinniert, stand auch schon Pablo an meiner rechten Seite. Ich orderte sogleich aus der Karte eine Flasche Champagner und musste mir anhören, wie er mich von diesem Vorhaben abzubringen versuchte. Leider beziehungsweise Gott sei Dank verstand ich kein einziges Wort. Pablo kam und stellte den silbernen Kühler auf einem Bein neben den Tisch und zog die Flasche aus dem Eis. Bernd versuchte indes immer noch etwas zu sagen, bei diesem Versuch landeten rosafarbene Spritzer vor mir auf dem weißen Tischtuch. Ich hätte kotzen wollen und SOLLEN! Aber „Plopp", nun war der Korken aus der Flasche und ich beschloss noch etwas zu bleiben, vielleicht lernte ich ja auch heute etwas von Bernd. So wie Bernd etwas von mir, zum Beispiel die Tischregel Nummer eins: Mit vollem Munde spricht man nicht!
Als Bernd dann unter mehreren schnellen Schluckversuchen so langsam wieder der deutschen Sprache mächtig war, kam weder ein Kompliment noch eine Begrüßung, stattdessen eine Erklärung darüber, warum er am liebsten Wein oder Sekt trinkt und keinen SCHAMPANJER! Wie edel doch andere perlende Trauben seien und Blablabla. Tja, zu spät. Wer sich nicht richtig benehmen kann, der muss eben fühlen! Außerdem kann ich mir meinen Champagner auch selber bezahlen. Meine Güte, sein ganzes Menü samt Wein kostet locker mehr als meine Flasche RUINART ROSÉ. Soll sich nicht so haben. Na, schauen wir mal, wie gentlemanlike er ist. Außerdem trifft es ja keinen Armen, schließlich hatte er in seinem Brief immer wieder betont: „ICH BIN BIG IM BIG BUSINESS."
Als er die Getränkekarte erneut aufschlug und einen Blick in die Rubrik Sekt und Champagner riskierte, wurde er kreidebleich. Das war für mich an diesem Abend das schönste Gefühl. Na, das Zweitschönste, für das Erstschönste hatte Pablo heute gesorgt. Ach, dieser Pablo ging mir gar nicht mehr aus dem Kopf. Zurück zum schmierigen Theater am Tisch. Ich erhob das Glas und prostete Bernd zu und stellte mir die Frage, was ich falsch gemacht hatte, denn dieses Exemplar war auch schon wieder so ein Schuss in den Ofen. Sein verheißungsvoller Brief, unser Telefonat, alles klang so vielversprechend und dann, dann so ein SPEZL der ganz anderen Art. Nun, irgendetwas sollte dieser Abend mir aber noch bringen, Erfahrung auf alle Fälle. Mit jedem Schluck wurde ich ruhiger und ich hörte Bernd zwischen den Gängen nur noch zu. Es folgten der Hauptgang, irgendein Fisch auf irgendeiner Soße, der Nachtisch, irgendein PLUM DUDELBREI mir war das einerlei. Ich blieb bei meinem SCHAMPANJER! Bernd schien sichtlich aufzuatmen, dass ich keinen Hunger hatte und so – so schien es mir zu mindestens – fraß er langsamer. Am Ende des Berndschen Dinners machte ich mich schon auf ein Rülpskonzert bereit, aber so viel Kinderstube hatte er dann doch noch. Dafür rammte er sich die Finger in den Rachen, um irgendwelche Speisereste zwischen den Zähnen hervorzuziehen und machte dann immer solche Zischel-Laute. Wie meine Oma Erna, nur schlimmer. Ekelhaft! Der konnte seinen Mund so weit aufreißen, als könnte er seinen Unterkiefer ausrenken, das kannte ich bis dato nur von Würgeschlangen. Und überhaupt erinnerte er mich zusehends ans Tierreich. Jetzt fing er nervös an sich zu kratzen und zu scharren, erst hinter den Ohren, dann auf dem Rücken. Der machte mich ganz nervös. Wollte ihm aus Spaß schon meine Gabel reichen, brauchte ich ja sowieso nicht, aber ich war zu spät. Er hatte seine bereits in der Hand. Lieber sollte er sich mit dieser blutig kratzen als noch auf den Gedanken zu kommen, mich zu fragen. Ob er Flöhe hatte? Vielleicht fraß er deswegen so schnell und so viel? Kennt man ja von Bandwürmern, die als Parasit im Menschen wohnen und großen Hunger haben. Bei Läusen verhält sich das womöglich ähnlich. Ui, jetzt ward der Nacken dran. Eine Art Grunzen vernahm ich. Überhaupt erinnerte er mich immer mehr ans Tierreich. An eine „SchwAffPy", eine SCHWEINE-AFFEN-PYTON.

Als er mich fragte, ob er einen Schluck aus meiner fast leeren Champagnerflasche probieren dürfte, verneinte ich und setzte ein angewidertes Lächeln auf. Er dachte, ich machte einen Witz und streckte den Arm schon gierig danach aus. Mein Blick verfinsterte sich dermaßen und dermaßen schnell, dass er regelrecht zusammenzuckte und die Flasche wieder in den Kühleimer fallen ließ. Ich blitzte ihn an: „Also, als Genussmensch sollten Sie doch am besten wissen, dass sich Champagner und Rotwein so gar nicht vertragen.“ Er nickte, schaute irritiert und gab Pablo mittels Fingerschnipp zu verstehen, dass er immer noch nicht genug Wein intus hatte. Junge, Junge, der war aber im Training. Und als meine Flasche alle war und sich in meinem Kopf so ein, zwei Sternlein langsam drehten und ich schon aufstehen wollte, da ging es los. Wie aus heiterem Himmel. Der Wein in ihm schien den DON’T-STOP-ME-NOW-QUASSEL-SCHALTER gefunden und aktiviert zu haben. Er erzählte mir, wie gut er doch allein zurechtkam und eine Frau an seiner Seite bräuchte er schon, aber nicht so auf Dauer. Die würden doch eh nur auf seine Kosten leben und dafür nichts tun wollen, außer einmal im Monat die Beine breit machen. Pablo kam und mimte den Mundschenk. Noch dieses Glas und ich habe es geschafft. Dann schwafelte Bernd von seinen sexuellen Gelüsten. So kurz vor dem Einschlafen hört man die Stimmen nur noch von weit weg. Bloß gut! Er konnte die ganze Nacht, ach was, die ganze Woche ohne Hilfsmittel oder Müdigkeitserscheinungen. Ein Zuchthengst, wie er im Buche steht. Seine letzte Freundin konnte da nicht mehr mithalten und verließ ihn, als er im Bad unter der Dusche stand. Einmal hatte er sogar zwei Frauen eingeladen. Angeblich beste Freundinnen. Ich vermute eher bezahlte Profis. Wie auch immer. Die Peitschen wirbelten nur so durch die Luft und er mittendrin. Nach seinem Äußeren zu urteilen, war in der Hose noch viel Platz und wahrscheinlich auch nicht viel los. Sein Gelaber wiederholte sich und ich überlegte, wie ich nun endlich und so schnell wie möglich nach Hause kam. Im Restaurant blieben heute seltsamer Weise die Gäste aus, als hätten diese geahnt, wer heute zu Gast sein würde. Oder hatte er das ganze Lokal für uns gemietet, ha! Viel zu knausrig! Ich schaute ihn mir an, ganz passabel schaute er schon aus und nach einer Flasche SCHAMPANJER würde ich schon fast sexy sagen. Wäre da nur nicht sein ganzes Benehmen, seine Art, sein ganzes Gelaber. Nein, ich habe für heute genug gelernt! Ich schaute auf die Uhr, drei Stunden saß ich bereits hier mit SPEZL Bernd. Was ich heute als Erfahrungswert mitnahm? Vier Dinge.

Erstens: Wenn mich ein Mann warten lässt (egal ob draußen oder drinnen), dann nicht zögern, sondern sofort gehen!

Zweitens: Wenn mir ein Mann weder ein Kompliment macht noch gedenkt seinen Arsch vom Stuhl zu heben, dann sofort umdrehen und gehen!

Drittens: Kein Champagner der Welt ist es wert, dass ich kostbare Zeit verliere!

Und damit verbunden Viertens: Wenn ich den richtigen Zeitpunkt verpasst habe, dann nach Alternativen suchen!

Okay. Ich bin bereit für den Abgang! Während der Herr immer noch monologisierte, verlangte ich die Rechnung. Diese flatterte auch prompt auf unseren Tisch, als Zugabe gab es zwei Schokoladenherzen. Bei der Schokolade zögerte Bernd nicht, griff gleich beherzt zu und schaute mich dann genüsslich kauend mit einem „Mmmmhmm…" an. Da war er wieder, der mir sehr vertraute Fressschwein-Anblick und „Ja“, sagte ich zu ihm, „Du kannst auch gerne noch mein Herz haben, also das auf dem Teller.“ Und gierig schnappte er sich auch dieses. Bei der Rechnung allerdings war er nicht so schnell. Wir schauten uns eine Weile an, eine ganze Weile und er kaute und kaute und kaute. Die Schokolade musste in seiner Mundhöhle bereits zu einem braunen Spucke-Teich zusammengelaufen sein und wenn er nicht bald runterschluckte, suppte die Suppe gleich zwischen seinen Lippen heraus. Wieder überkam mich ein Würgegefühl und ich war bereit zu zahlen und zwar alles. Hauptsache nur noch weg. Ich holte tief Luft und wollte den Kassenbeleg schon zu mir rüberziehen, da berührten sich unsere Hände. Seine Hand war sehr warm und weich, ich blickte ihn fragend an und er schob meine Hand sanft zur Seite mit den Worten: „Natürlich bist Du eingeladen.“

Oh, da war ich jetzt aber baff. Er griente und schnipste unseren Kellner Pablo herbei, reichte ihm einen grünen Schein und sagte: „Danke. Stimmt so!"

Wow! Krass! Das hatte ich nie und nimmer erwartet! Bernd hatte gut und gerne 200 Euro Trinkgeld gegeben. Nicht schlecht. Da hatte ich ihn womöglich ganz falsch eingeschätzt, oder wollte er mich testen? Ich war neugierig auf den weiteren Verlauf und schob den Gedanken, mich nach einer Alternative umzusehen, beiseite. Wenn ich etwas liebte, dann überrascht zu werden und zwar positiv!

Er half mir in meinem Mantel, hielt mir die Tür sogar auf, wir verabschiedeten uns und meine Vorfreude wuchs und wuchs. Und als wir so im Freien standen und die Tür hinter uns ins Schloss flog, da war sie auch schon verflogen, meine Vorfreude. „Du kannst Dich ja jetzt ordentlich revanchieren für den Champagner. Am liebsten in der Reiterstellung. Dort drüben ist ein Motel. Komm!" Mit seiner flachen Hand klatschte er mir eine auf den Hintern und mit meiner flachen Hand klatschte ich ihm eine in die Fresse.

Etwas, was ich fast verlernt hatte, mir aber dank Bernd wieder eingefallen war …

Fünftens: Wenn Dir jemand eine klatscht, dann klatsche ihm eine zurück und geh!

Und ich ging und zwar schnurstracks zurück ins Restaurant BE LA VO. Dort empfing mich schon mit einem Strahlemanngesicht Pablo, der das Spektakel offensichtlich an einem der großen Panoramafenster beobachtet hatte. „Wollen Madame vielleicht noch ein Glas Champagner? Geht auf mich. Ich muss mich für meinen Artgenossen entschuldigen, so mit einer Frau umzugehen."

Darauf antwortete ich kokett: „Vielen Dank, Pablo. Aber ich habe für heute genug Champagner getrunken und bin aus einem ganz anderen Grund zu Ihnen zurückgekehrt …"

So schnell wie mich Pablo in seinen starken Männerarmen hatte, so schnell konnte ich gar nicht schauen. Sein erster Kuss auf meine linke Wange brachte mich glattweg ins Taumeln. Sein zweiter auf meine Stirn ließ mich halb ohnmächtig werden und sein dritter Kuss auf meine halb geöffneten Lippen ließ mich nur noch leise Stöhnen: „Ooooh …" Alles drehte sich in meinem Kopf, dann kam mir etwas in den Sinn. Ich wusste ja gar nicht, ob er Single ist. „Bist Du eigentlich verheiratet, verlobt oder sonst irgendwie, weil …"

„Weil, sonst was?“ Fragte er mich.

In diesem Moment war mir alles egal, scheißegal! So sorry! Schließlich hatte ich mich nicht umsonst poliert, rasiert, gepudert und geföhnt. „Sonst, sonst ... kann ich da leider heute so gar keine Rücksicht darauf nehmen. Hicks." Lautete meine Antwort.

Einige Stunden später, als der Morgen graute, graute mir vor meinem Anblick, ich zog mein Kleid an, Slip und BH konnte ich in der Eile nicht finden, fischte meinen Leo-im-Look-Mantel unterm Tisch hervor und fragte mich, ob wir es jetzt wirklich hier im Restaurant getrieben hatten? Hier sah es aus! Tischdecken lagen verstreut auf dem Boden, Kerzenhalter samt Kerzen ebenso. Mir wurde schwindelig. Hui. Ich schaute auf die Uhr. 4 Uhr morgens. Oh mein Gott, mein Kopf. Ich musste mich wieder hinsetzen. Wo war eigentlich dieser Pablo, dieser gnadenlose Einreiter? Hi, hi. Von dem hätte sich Möchtegern Berndo Casanova mehrere Scheiben abschneiden und einrahmen lassen können. Mama Mia! So wild und so lange hatte ich es ja noch nie getrieben. Auf allen Vieren krabbelnd, laufen konnte ich gerade noch nicht so gut, inspizierte ich das Restaurant und fand meinen FUCKER SUPITO MAXIMALE in der Küche. Lustig pfeifend. Ich angelte mich am Türrahmen hoch und wisperte ein: „BON GIO DINGENS" in den Raum. „Na, wie wäre es mit einem feurigen Frühstück und zwar rapidamente?! Wir müssen uns sputen, meine Frau wartet sicherlich schon! Andiamo!"

Na, bravo! Dachte ich bei mir. Den Mann einer anderen Frau verführt, darauf war ich alles andere als stolz und das wollte ich nie mehr! Aber es hatte sich dieses Mal wirklich gelohnt. Sorry! Ich musste breit grinsen. „Für mich nur einen Espresso und ein Taxi, danke."

Pablo kam mit hitziger Brust auf mich zu, seine Hände hielten mein Gesicht ganz zart in seinen warmen Händen und er gab mir einen Kuss, alles andere als zart; heiß, saftig und innig! „Von mir aus gerne ein weiteres Mal. Und noch eins und noch eins …", hauchte er mir anschließend ins Ohr,“... solange bis wir genug voneinander haben."

Und ich erinnerte mich schlagartig daran, dass ich auf der Suche nach einem Mann, nach meinem Mann war und nicht die Rolle eines netten, ungezwungenen Zeitvertreibs sein wollte, welcher dann immer wieder in einem Chaos für Herz und Seele endete. „Nein!" Antworte ich ihm und trank meinen Espresso während er mir ein Taxi rief. Er begleitete mich zur Türe, schloss diese auf und mit einem „Danke und Ciao!" verließ ich jenes BE LA VO. Im Rückspiegel des Taxis besah ich mein Antlitz und musste laut loslachen. Lidstrich und Mascara waren total verlaufen, von meinem Lippenstift war nix mehr zu sehen, dafür standen meine Haare nach allen Seiten ab. Kurz. Ich sah aus wie ALICE COOPER nach einer ELEKTROSCHOCKTHERAPIE.

Zuhause angekommen ließ ich mir ein Bad ein und in diesem schlief ich ein, bis mich die Kälte zwang aus den Fluten zu steigen. Noch einmal kurz heiß abgeduscht und dann schlenderte ich eingehüllt in meinen anthrazitfarbenen, flauschigen und übergroßen Bademantel in mein Schlafzimmer und flackte mich direkt ins Bett und schlief bis zum Mittag. Als ich erwachte, kamen mir schemenhafte Bilder des gestrigen Abends und der Nacht in den Sinn. Warum gab Bernd 200 Euro Trinkgeld und fiel fast vom Stuhl, als ich mir eine Flasche Champagner bestellte? Das passte sogar nicht zusammen. Sein ganzes Benehmen war irgendwie Frauen verachtend. Ja, das war es! Pablo war ein Mann, darum war er ihm gegenüber auch besonders großzügig. Apropos Pablo, alleine für ihn hatte sich dieses Date mit Bernd schon gelohnt. Ach, Pablo, wie gerne erinnerte ich mich an Deine Umarmungen und Küsse und jetzt war alles schon wieder vorbei. Das Leben ist so unglaublich schnelllebig. Ich zog die Schublade meines Nachttischschränkleins auf und angelte mir den zweiten Brief aus der Rubrik KÖNNTE WAS SEIN heraus. Mal sehen, wer sich hinter Jochen versteckt hielt. Ich las seine Zeilen erneut und musste schmunzeln. Vielleicht sollte ich mich auch gleich wieder im BE LA VO mit ihm treffen, sodass, wenn das wieder so ein Reinfall werden würde, Pablo alternativ mir zur Verfügung stand. Nein, ich wischte diese Gedanken gleich wieder weg. Pablo roch so lecker und war ein leidenschaftlicher Liebhaber, aber vergeben. Also, streichen! Widmen wir uns Jochen, Jochen schrieb etwas von Seelenverwandtschaft, war 49 Jahre und Zahnarzt. Hatte eine Tochter aus einer vorherigen Beziehung, die aber längst aus dem Hause war, genau wie seine Frau. Dies sollte wohl eine Spur von Witz enthalten, ich fasste es jedenfalls so auf. Männer, die mich zum Lachen bringen können, die brauchen nicht mehr viel. Doch, sie müssen unbedingt gut duften und Manieren haben! Ja, da ich gerade so in Fahrt und mutig war, schrieb ich Jochen eine SMS. An einem Sonntagmittag wird er wohl keine Sprechstunde haben und so schrieb ich: „Hallo lieber Dr. Jochen, hier schreibt Dir Stefanie, Stichwort: ARE YOU THE ONE?" Soeben scheint mir die Sonne frech ins Gesicht und ich dachte mir, ich schreibe Dir eine SMS. P.S. Meine Zähne könnten auch mal wieder eine saftige Hochglanzpolitur vertragen." Den letzten Satz löschte ich natürlich sogleich wieder. Das waren die frechen Nachwehen der letzten Nacht. Himmel! Die Büchse der Pandora war geöffnet. Nein. Ich musste und wollte warten und so verging eine Woche. Sonntag darauf, gleiche Stelle und wieder scheint die Sonne durch das Fenster direkt auf mein Gesicht. Okay, was schreibe ich ihm also? Kein langes BLIBLABLO, am besten kurz und knapp: „ARE YOU THE ONE?“

Jochen ließ sich da etwas mehr Zeit als Bernd zuvor. Eine geschlagene Stunde

Imprint

Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Text: GAB, Romy van Mader
Images: GAB,Romy van Mader, Danke an Pexels & Pixabay!
Cover: GAB, Romy van Mader
Editing: Armenti
Publication Date: 11-18-2023
ISBN: 978-3-7554-6133-3

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Dedication:
Für Dich!

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