Bitte schenkt den zu hauf vorhandenen Rechtschreibfehlern keine Aufmerksamkeit
– und bedenkt: es geht nicht um die Geschichte, sondern die vermittelte Stimmung,
danke.
Viel spaß beim lesen.
Jan S.
1.
Eine nach der Anderen, so wie er es als Kind gelernt hatte. Seine Mutter achtete sehr auf ihren kleinen Liebling. Nichts sollte ihm schaden, weder andere noch er
selbst. Deshalb kontrollierte sie stündlich ob seine Schnürsenkel auch in der ihren Norm gebunden waren, nicht zu fest – jedoch fest genug sich nicht selbst zu lösen. Mehrere Stufen auf einmal zu nehmen war für sie undenkbar, da ein viel zu hohes Risiko bestünde zu stolpern und sich den Fuß oder gar den Hals zu brechen. Sobald der kleine Joel mit seiner Mutter das Treppenhaus betrat, umschloss sie seine kleine Hand mit einem mütterlich fürsorglichen Griff um ihn im Fall eines Sturzes auch halten zu können.
Joel würde es nie zugeben, aber hin und wieder vermisst er den schützenden Griff seiner Mutter. Am Mittelfinger trug sie immer den Ring den ihr Opa ihr mit den Worten „ich weiß, Oma konnte dich nie leiden, aber hätte sie dich gemocht, hätte sie gewollt das du ihn bekommst “ an seinem Sterbebett übergab. Der Lungenkrebs ließ ihn ende der 80'er erst langsam abmagern, dann streute er sich, so das sein Körper mehr einem Hohlkörper glich als allem anderen. Er rieb genau auf dem 2. Glied des Mittelfingers. Am schlimmsten war es, wenn er wirklich fiel, denn dann wurde aus dem führsorglichen ein schraubstockfester Griff, der an seinem Arm riss und ihn nach oben zog. In dem falle hätte er am liebsten geschrieen. Nicht weil der Griff seiner Mutter ihm fast die Hand zerquetschte, mehr war es der Ring der sich mit seinem leichten Grad in seinen zartrosernen Handrücken bohrte.
2.
Eine Stufe nach der anderen. Tag für Tag. Jeden Morgen ging er, nachdem er seine kalte Dusche genoss, sich ein Ei kochte, es in Alufolie wickelte und in seinen fleckigen Beutel aus Leinen legte, zu seinem einzigen Buch, das Buch ohne Umschlag und Rücken; nachdem er in sein graues Sportsako gleitet, seine schwarze Krawatte im den aufgesellten Kragen mit einem Manhattenknoten befestigt, den Kragen herunter klappt und zweimal über den fest sitzenden Knoten streicht; nachdem er einen letzten Blick vor dem Verlassen der Wohnung auf das Portrait von sich selbst, das ein Freund seiner Mutter vor Jahren für ihn gemalt hat, wirft; nachdem er die Tür leise hinter sich in Schoß fallen lässt, den Hausflur durchquert, vorbei an den anderen Wohnungen, versehen mit Klingelschildern deren Aufschrift unlesbar verschmutzt ist; vorbei an Türen, gefasst in Holzzargen, die an das alte Schreinerhandwerk erinnern lassen würden, wären nicht risse und Astlöcher so dominant; vorbei an den beiden Aufzügen, die seit seinem Einzug vor mehr als sieben Jahren unbewegt und unbeleuchtet in der 15. Etage auf den abriss des Hauses zu warten scheinen; durch die alte Feuerschutztür, die seit mehreren Jahren nur noch den Ansatz einer klinke besitzt, ins Treppen haus.
Jeden morgen stufe für stufe. Er ist mit jeder einzelnen per du. Die Sohlen seiner bräunlich grauen Schuhe scheinen im Einklang mit den stufen. Es wirkt wie ein
genüssliches gleiten, er scheint kaum die Füße zu heben, wenn er von einem Betonabsatz auf den folgenden herab steigt. Die Gummierung des gusseisernen
Geländers ist größtenteils abgeplatzt oder durch Hitzeeinwirkung in blasen geschlagen, eng um den Handlauf geschmolzen. 17 Etagen, jeden morgen, stufe für stufe. Würde er jemals erblinden, könnte er am Relief des Geländers preziese die stufe der jeweiligen Etage bestimmen.
3.
An der Feuerschutztür zu Etage 14 greift er in seine linke Satzkotasche und holt zwei kleine klumpen wachs heraus. Er braucht genau 4 Etagen lang um sie mit seinen fingern durch druckvolles rollen weich werden zu lassen. Ab Etage 10 sind sie aus den klumpen leicht formbare Kügelchen geworden, welche seine Gehörgänge absolut verschießen. Beide Ohren sind so verschossen, dass er den wachs auch wieder mühelos entfernen kann. Während dieser täglichen Prozedur gleitet er weiter die stufen hinab, ohne aus dem Rythmus zu fallen. Jeden tag starrt er die Feuerschutztür von Etage 8 an. Unverändert ist sie ca. 10 cm geöffnet und lässt ihn durch einen schwarzen spalt ins unbekannte schauen. Eine zeit lang hätte Joel wirklich gern gewusst, ob andere Bewohner beim Anblick dieses dunklen Strichs ähnlichem Unbehagen empfinden würden wie er es tut. Da er auf diese frage jedoch nie eine antwort erhalten wird, interessiert es ihn mittlerweile nicht mehr. Mit erreichen von Etage 6 nimmt er den wachs aus beiden Ohren und legt ihn behutsam zurück in seine linke Sakotasche.
4.
Zerschlagene Glastüren im Erdgeschoss lassen an die hochzeiten dieses Hauses erinnern. An Zeiten in denen nicht alle Fenster mit Backsteinen zugemauert oder
Stahlplatten hermetisch versiegelt wurden; an Kinder, die unbedarft in farbenfroher Kleidung durch das Gebäude rannten, mit Büchern und heften unter den Armen, deren Inhalt sie ohne mühe entziffern und sich einprägen konnten. Doch Joel ist zu jung um diese zeit selbst erlebt zu haben. Wie immer, wenn er das Haus verlässt, taucht sein Körper in das rötliche licht, dass zu jeder Tageszeit die Außenwelt in eine mohnfarbende Landschaft verwandelt.
Einatmen, ausatmen!
Sobald die Hauseingangstür sich hinter ihm schließt und das Gewölbe vor jeglicher art Fremdkörper abschirmt, bleibt er stehen. Seine Äugen schließen sich fast automatisch. Durch seine Nase saugt er die kühle Luft in sich, genießt den Geruch der sich ihm bietet. Ein duft der ihn tag für tag neu und fremd in seiner Heimat vorkommen lässt.
Er verweilt nicht lang vor seinem haus, da seine Füße nach einigen Minuten, sich und damit ihn wie von selbst in Bewegung setzten. Der bevorstehende 5 ½ stunden Spaziergang ist keine Belastung für ihn. Es ist mehr eine Erleichterung, eine Befreiung – fast eine Reinigung des Geistes. Auf diesem weg ist sein kopf frei von Gedanken. Seine Äugen liefern ihm auf dem weg die einzigen Informationen die er unbedacht in sich aufnimmt ohne zu filtern was von Bedeutung ist. Für diese Momente könnte er der ganzen Welt danken, jedem einzelnen Lebewesen, jeder pflanze, sogar den sinnlos an Straßenrand zu wuchtigen Hügeln aufgetürmten Trümmern.
5.
Auf halber strecke jedoch hält er für 20- 30 Minuten inne. Er weiß nicht wie lang seine pause dort ist. Jedoch fühlt er, dass sie jedes Mal exakt dieselbe Dauer hat. Dort, an diesem Ort, einem Ort voll von Melancholie, der Ort an dem das rot der Umgebung sich in seinem Auge in eine fülle von zarten, in sich fließenden Grautönen wandelt, weiß er, liegt sein Ursprung und seine Verwehung. Nie würde er einem anderen Menschen von diesem Ort erzählen, da eh niemand die Vollkommenheit und das absolute reine auch nur ansatzweise erfassen könnte. Es war sein mittlerweile bester Freund, der ihn zu dem Felsen zwischen den stummen bäumen führte. Worte waren nicht notwendig. Als er ihn sah, wusste er dass er ihm folgen würde, und am ende der wundervollste Augenblick seines Lebens auf ihn warten wird. Hin und wieder, wenn er in seinem räumen zur ruhe kommt, seine Gedanken sich verwirren und er das unwichtige von dem wichtigen filtert, fragt er sich ob jedes Geschöpf einen solchen Ort für sich beanspruchen kann. Die bäume um diesen Ort sind alt. Mit jedem besuch wirken sie weiser, ihre Haltung scheint dieser platz der Vollkommenheit vor unerwünschten Personen ab zu schirmen. Nur ihm und seinem Freund gewähren sie einlass, da nur diesen beiden diesen Ort wirklich schätzen können.
6.
Bei jedem besuch scheint sein kleiner Freund schon seit stunden geduldig auf ihn zu warten. Meist sitzt er auf dem großen Stein zwischen den mächtigsten Bäumen und putzt sein Gefieder. Wenn Joel sich neben ihn setzt, unterbricht er diese Prozedur und schaut mit seinen tiefschwarzen Augen forschend in Joels. Für wenige Augenblicke kann Joel den Augenkontakt aufrechterhalten, dann wendet er seinen blick ab, lässt ihn über die warme, samtiggraue Landschaft vor ihm gleiten. Sein kleiner Freund schaut ihn noch wenige Sekunden länger an, eh er seinen Schnabel samt kopf in dieselbe Blickrichtung wendet. Bei der Drehung seins Kopfes schimmert sein Gefieder in einem der schönsten schwarzgrau tönen die Gott je schuf. Der Schein von veredeltem Öl kommt ihm am nächsten.
Geduldig sitzen die beiden dort, schauen achtsam in die stille. Hätte Joel nicht noch dieselbe strecke, die er schon absolviert hat, vor sich, könnte er endlos in dieser Gesellschaft dort verweilen und auf die Ewigkeit warten. Nach einigen Minuten greift er, wie immer, in seinen Leinenbeutel, holt behutsam das sorgfältig eingewickelte ei hervor, befreit es von der makellosen, weißen schale und hält es seinem Mitbeobachter hin. Wie jedes Mal fängt sein Freund an mit seinem kraftvollem Schnabel sanft das Eiweiß stück für stück zu fressen. Er schlingt nicht, er scheint es zu genießen. Bei jedem bissen zuckt sein dünnes, linkes Bein einwenig. Für Joel ist dies ein Zeichen der Zufriedenheit, eine art Wertschätzung, die sein kleiner Freund ihm zukommen lässt. Nach dem letzten bissen streckt er seinen Schnabel diagonal zum Himmel und schüttelt seinen kopf aus dem Genick heraus. Dann hüpft er meist ein paar schritte, unbeirrt von dem was vor ihm liegt, sei es der feuchte Moosboden, ein paar Äste oder Steine. Seine Beine mit den insgesamt acht krallen, kommen immer genau richtig auf. Manchmal bewundert Joel den kleinen schwarzen Kerl, der seine Anwesenheit duldet. Für ihn scheint alles gegeben, nichts worüber man nachdenken müsste. Egal welche umstände herrschten – es ist wie es ist!
7.
Doch diesmal hatte er das erste Mal ein ungutes Gefühl diesen platz aufzusuchen. Irgendwas war anders als die unzähligen male zuvor. Es war die innere ruhe und Ausgeglichenheit, die sich bei ihm bei jedem besuch einstellte. Sie fehlte und dass ließ sein herz auf die Größe einer Glasmurmel schrumpfen. Nie zuvor hatte er dieses drücken der Umgebung so deutlich gespürt. Selbst als seine Mutter vor 11 Jahren von ihm ging, sich verabschiedete und ihm klar machte, dass es kein Wiedersehen geben werde, war er gefasster. Als in diesem Moment. Seine Augen schnellten in den Höhlen seines Kopfes umher, versuchten zu erkennen was dieses mal von den anderen unterschied. Doch alles war wie immer. Keiner der weisen bäume hatte seinen Standort verlassen. Schützend standen sie unverändert um diesen, den seinen ort. Schlagartig merkte er wie seine Gänsehaut sich von seinen Ellebogen wellenartig Richtung Nacken seinen weg bahnte. In diesem Moment merkte Joel das sich nicht die einzelnen dinge verändert hatten. Es war das unbekannte weinrot, was seinen geliebten platz des inneren Friedens ertränkte. Alles schien überzogen von diesem viskos wirkenden Farbton. In gewisser weise wirkte es als pulsierte die gesamte Umgebung in der er sich befand und versuchte Joels äußeres mit seinem inneren zu verschmelzen und auf eine Essenz zu pressen. Jeglicher wohlige Grauton der vergangenen male schien verschlungen, getilgt und von dem rot verdaut zu werden. Was ihm bisher entgangen war, ist das weder das Laub der alten Riesen, noch das ihm zu Füssen liegende Grass auch nur einen winzigen Ton zu erzeugen schafften. Unterbewusst nahm er nur ein unrythmisches brummen war.
Etwas traf schlagartig seine Schulter. Frontal von oben, prallte ab und fiel keinen handbreit vor seinen rechten fuß. Zu schwerfällig um zusammen zu zucken erstarrte Joels körper. Seine Äugen gebannt nach vorn gerichtet traute er kaum nach untern zu schauen, doch wie automatisch wanderte sein blick auf den Gegenstand der ihn überraschte. Dort lag er. Ruhig. Als einziges im zu erkennen umkreis komplett in schwarz. Er muss auf einem der über Joels kopf hängenden äste auf ihn gewartet haben bis etwas ihn veranlasste, unfreiwillig vom Baum auf ihn zu fallen. Für den Bruchteil einer Sekunde kehrte, beim Anblick des kleinen Kerls, das innere Gefühl der Reinheit in Joel zurück. Fast zu kurz als das er es bemerkte, doch lang genug um nicht unbemerkt wieder zu verschwinden. Unschwer zu erkennen fielen seinem kleinen Freund die tiefen Atemzüge alles andere als leicht. Langsam hob sich sein gläsern wirkender Brustkorb, senkte sich jedoch rasend schnell und verharrte einen Moment eh er sich erneut beim einatmen hob. Die tiefschwarzen Augen waren weit aufgerissen und wirten als hielten sie wachsam Ausschau nach dem ende der zeit, um sich dann schließen zu dürfen. Behutsam nahm ihn Joel mit beiden Händen auf nie zuvor hatte er ihn berührt, es war auch nie notwendig gewesen. Das Gefieder war samtig und kribbelte bei jeder Bewegung in seinen Händen. Als hatte man ihm soeben flüssiges Gold in die Hände geträufelt, probierte Joel seinen kleinen Freund ohne jegliche Erschütterung zu sich hoch zu heben. Erstaunlicherweise wog der Leidende nicht mehr als eine gehäufte hand voll erde. Ihn sanft an sich drückend, setzte Joel, der alles um sich, wenn überhaupt, als rotes brummen wahrnahm, sich mit seinem rücken an den stamm des größten Baumes.
8.
Kühle Feuchtigkeit dran langsam durch sein Sportsacko. Sein blick glitt liebevoll über den scheidenden. Trotz der ungleichmäßigen Atmung sah sein Begleiter friedlich, fast entspannt aus. Und langsam erkannte Joel, dass das Ende der Zeit erreicht war, dass es zeit war bis zum ende ein guter Freund zu sein. Er wartet mit ihm, hielt ihn und wandte den blick nicht ab. Atemzug um Atemzug wurden die abstände länger bis auf den vorletzten der letzte nicht folgte. Alles Schöne starb in diesem Moment mit dem kleinen Vogel. Mit leicht geöffnetem Schnabel lag er in den mäßig großen Händen. Unvollendet. Es fehlte noch eine Bewegung. Seine jetzige Haltung war zu lebendig als das Joel sie als angemessen gut heißen könnte. Als er ihn in seinen Händen liegend betrachtete, bemerkte er, dass sich etwas Hellgrünes durch den Spalt der Schnabelöffnung ins freie schob.
9.
Langsam, Zentimeter um Zentimeter wuchs es aus Ihm heraus. Verwundert betrachtete Joel was dort in seinen Händen geschah. Ein Blatt, zart und jung, drängte sich aus dem noch wenig geöffneten Schnabel des leblosen Tieres. Leicht leuchtend schien es die Umgebung zu neutralisieren. Unschuldig und anmutig entfaltete es sich. Wie fremdbestimmt richtete es sich auf und wuchs in einen perfektem 90° Winkel in die Höhe. Hinter sich zog es einen samtigen Zweig, bedeckt mit kleinen Flimmerhärchen hinter sich her. Wie Joel so da saß, beschäftigt damit zu klären, ob er seinen Augen trauen konnte, oder ob er zu der Erkenntnis kommen müsse, dass sein Geist ihm entsagt hatte, bemerkte er nicht, dass der Vogel nicht unwesendlich an Gewicht zunahm. Nach und nach kamen immer mehr Blätter zum Vorschein. Blatt um Blatt nahm auch die Stärke des Zweigs zu. Schon jetzt war aus dem Zweig ein Ast geworden. Der Ast begann sich zu teilen und ein weiterer kam zum Vorschein. Mittlerweile zitterten Joels Arme unter dem Gewicht. Er erhob sich und brachte den Vogel, der er ja noch war, zu einer Stelle die nur von Moos bedeckt war. Dort legte er ihn behutsam hin und trat einige Schritte zurück. Mittlerweile war der Ast zu einem dünnen Stamm gewachsen. Das obere Ende, geschmückt mit verflochtenen Ästen, bedeckt mit Blättern, die nun weder Neugeboren noch leuchtend aussahen. Herbstlaub schien an dem Bäumchen zu hängen. Schlagartig fielen die Blätter zu Boden und anderen Stelle waren nun Knospen an den Ästen. Die zu Boden fallenden Blätter bedecken seinen kleinen Freund komplett und zerfielen noch im selben Moment zu Erde. Wie benommen und frei von jeglicher geistiger Aktivität, stand Joel vor dem schon zu einem stattlich herangewachsenen Baum. In der Höhe überragte er Joel schon um fast einen Meter. Rasant wuchsen die Knospen zu vollwerteigen Blättern. Sobald sie ihre endgültige Größe erreicht hatten, verfärbten sie sich und fielen zu Boden, wo sie abermals sofort zu Erde wurden. Die Rinde dieses, innerhalb einer Minute ,so würde Joel zumindest den Zeitraum einschätzen, gewachsenen Baumes war spröde, hart und strahlte jene Weißheit aus, die er auch beim Anglich der anderen Bäume verspürte. Langsam kehrte die Ruhe in Joel zurück. Nun war er sich sicher, dass er dem Geschehen auch wirklich beigewohnte.
10.
Überraschend wuchs auf Augenhöhe aus dem dicken Stamm etwas Transparentes auf Joel zu. Beim genauen betrachten hatte das Etwas die Form eines der dünnen Äste. Nur war es im Vergleich zu den Andern nicht braun, sondern wirkte gläsern und spröde, als könne man es wie Eis mit einer Flamme zum schmelzen bringen. Doch irgendetwas Schwarzes schien in dem gläsernen Stab zu wachsen. Immer mehr wurde das Transparente erfüllt von tiefer Dunkelheit bis kein Licht mehr durch Es hindurch drang. Mit einem leisen Knacken zerbrach es und die Schwärze fiel in ihrer Gesamtheit zu Boden, wo es sich zu schütteln und zu bewegen begann. Den Blick gebannt auf das was sich vor ihm darbot, erkannte er, dass es sich um dunkles Gefieder handelte. Ein Schnabel war erkennbar, jedoch keine Vertrautheit, die er unterbewusst bei dem Anblick erwartete. Mehr breitete sich in Joel das Verlangen nach der sofortigen Flucht aus. Es war ein Rabe. Grazil stand er, komplementär wirkend, vor den bräunlich-grauen Schuhen, welche Joel im selbigen Moment nicht bewegen konnte. Gebannt starrte er in das tiefe Dunkel seiner Augen. Das Tier begann anmutig seinen Körper in Bewegung zu setzen. Schritt um Schritt wurde der Gang geschmeidiger, eine selbstbewusste Art, die auf absolute Furchtlosigkeit schlussfolgern ließ. Der Blick des Tieres vermittelte dem kleinen Joel das Gefühl der zu bestrafende zu sein. Derjenige zu sein, der durch seine Anwesenheit Leiden verbreitet; dem man mit Verachtung begegnen müsse um gerecht zu handeln.
11.
Von sich selbst überrascht, schnellt Joels Kopf in den Nacken und er fixiert das Rot des Himmel über sich. Er versucht sich des vorwurfsvollen Blickes zu entziehen, sucht in sich eine Ecke in der er sich vor dem Tier verstecken kann. Einen kleinen Spalt durch den er schlüpfen würde und welcher sich danach umgehend für immer schließt. Umso länger er in sich wühlt, panische Unordnung verbreitet, begreift Joel, dass die benötigte Höhle in seinem Inneren nicht vorhanden ist.
12.
Das Rot des Himmels ist von mittlerer Intensität. Ruhig hängt es über Ihm. Weder Vögel noch Wolken vermögen im selbigen Moment diesen milden Farbton zu verunreinigen. Beim genauen Betrachten ist es wie die traumlose Phase des Schlafes, allumfassend doch nicht wirklich spürbar. Für einige Momente nimmt Joel wieder dieses unterschwellige Brummen wahr. Es versetzt seinen Körper sogar in sanfte Schwingung. Fuß- und Fingerspitzen beginnen zu kribbeln und Emotionslosigkeit breitet sich aus. Sie scheint sich um ihn zu wickeln und nach und nach in ihn zu dringen.
Publication Date: 07-03-2009
All Rights Reserved