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Prolog

Sie blickte mit wehenden schwarzen Haar über die stille Meeresdecke, eine salzige Duftnote lag in der Luft und dazwischen schwebte eine leichte Brise welche den Duft von Jasmin mit sich trug. Ihr Körper wirkte fragil im Angesicht der hohen, gezackten Kliften. Eine tiefe, herzzerreißende Traurigkeit umgab sie wie eine dunkle Aura. Der Wind wurde stärker und für einen kurzen Augenblick lang dachte ich er würde diese fremde Frau  mit sich ziehen wie eine luftleere Puppe. Ich trat Näher an ihre Gestalt heran, etwas zog mich mit reißender Macht zu ihr, es war wie eine eiserne Verbindung. Sie wirkte so einsam und so unsicher mit ihrem dünnen weißen Kleidchen zwischen den scharfkantigen Gestein. Mein Herz erhob sich und ein befremdliches Bedürfnis überkam mich. Meine nackten Füße klatschten auf dem steinigen Untergrund als meine zaghaften Schritte schneller wurden, ich hatte Angst,  angst um sie . Wer war diese Frau? Alles in mir drängte nach einer Antwort, doch bevor ich sie erreichen konnte sprang sie still und leise von der Klippe und stürzte geradewegs in die messerscharfen Steine.                                                       

 

Keuschend und verschwitzt erwachte ich, mein Herz schlug so schnell wie die Flügel eines Kolibris. Nur ein Traum, es war nur ein Traum gewesen. Die stille, friedliche Atmosphäre in meinem Zimmer wirkte im Kontrast meines Traumes fast bizarr. Ich fuhr mir über meine nasse Stirn, so fühlte sich also ein Albtraum an. Bisher bin ich davon immer verschont geblieben. Seufzend fiel ich in mein Bett zurück und blickte an die Decke, die aufgeklebten Leuchttürme und Sterne strahlten mir entgegen. Papa sagte immer sie würden böse Träume effektiver abwehren als Traumfänger, da ihr Licht böses aufsaugte, aus diesem Grund leuchteten sie auch Giftmüllgrün. Heute hatten sie mich verraten. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein. Abrupt richtete ich mich auf und blickte mich verwirrt um. Mein Zimmer war leer und doch lag der leichte fremde Duft von Jasmin und Salz in der Luft.

Weit,weit weg

 Ich blickte stumm aus dem Fenster und verabschiede mich innerlich von meinem alten Zuhause. Schade eigentlich, ich hatte gerade angefangen das kleine Dorf mit seinen charmanten eingefallenen Häuschen, den trotteligen Bewohnern und seinen stinkenden Bauernhöfen zu mögen.  Aber so war es immer, gerade wenn ich anfing es zu mögen zogen wir weiter. Papa sagt immer das sei unser Ding. Eine glatte Lüge, Dad hielt es nie lange an einem Ort aus, während ich mich still danach sehnte endlich wirklich ankommen zu können. Diesmal zog es uns an die Küste, das Meer machte mir Angst und ich tröstete mich mit dem Gedanken,dass wir recht schnell weiterziehen würden. In meinen Händen hielt ich das einzige Überbleibsel unserer zahlreichen Umzüge, die kleinen Leuchttürme und Sternaufkleber welche Nachts leuchteten. Während wir den Highway entlangfuhren zirkulierten meine Gedanken um meinen Traum. Seit Wochen verfolgte mich nun der tragische tot dieser Fremden, und die Tatsache dass ich seitdem Traumlos war, machte die Sache irgendwie auch nicht besser "Du bist doch nicht so still weil du beleidigt bist oder?" Mein Dad warf mir einen traurigen Blick zu, ich schüttelte nachdenklich den Kopf und rieb mit meinen Daumen über den schwach glimmernden Stern in meiner Hand. Wieder so eine Lüge aber inzwischen hatte ich mich an diesem Teil meines Lebens gewöhnt. "Gut das ist schließlich unser Ding oder Maus? Unser Papa und Tochter gegen  den Rest der Welt Ding" Ich rollte mit meinen Augen und grinste "Dir wird es dort Gefallen, du könntest Surfen lernen und du wirst das Haus lieben Luna! Wir haben einen riesigen Garten an dem du herumwerkeln kannst ohne zu befürchten dass dir ein neugieriger Nachbar auf die Finger guckt. Und heute Abend weihen wir unsere neue Küche mit Pancakes ein!" Dads Pancakes waren die besten Pancakes des Universums und er nutzte dies gerne mal aus um sein schlechtes Gewissen zu stillen "Okay und jetzt guck auf die Straße" Papas braune Augen leuchteten auf "Erst wenn du bitte sagst" Manchmal war er wirklich kindisch mit seinem leichtlebigen Lebensstil, der zerknitterten Kleidung, den Knopfaugen und seiner sensiblen, Kind gebliebenen Seele. Aber er war alles was ich hatte, er unser Welpe Sam und meine Sterne und Leuchttürme. 

 Am späten Nachmittag erreichten wir unser neues, vorübergehendes Zuhause.  Es war ein warmer Tag und die Küste war gut besucht, überall huschten lachende Menschen umher, Kinder planschten im Wasser,  Jugendliche aalten sich in der Sonne und vor den Eiscafes war eine lange Schlange.  Obwohl ich mich vor der Weite und Tiefe des Meeres fürchtete welches sich hier praktisch überall ausbreitete,  steckte mich die gute Laune der Menschen hier an. Ich kurbelte das Fenster runter und atmete den frischen Duft von Strand, Sonne und Meer ein. Wir drangen tiefer in dem Vorort von Daileys vor , fasziniert saugte ich die Eindrücken von  Backsteinfassaden der Häuser auf, die steinigen, engen Straßen und die vorbeiziehenden Gesprächsfetzen der Menschen. Daileys wirkte recht malerisch und diente bestimmt so einigen Künstlern als heimliche Muse. Wir fuhren recht weit Abseits und passierten weitere noch viel engere Straßen bis wir unser Ziel erreichten. Mein Herz blieb für einem Augenblick lang stehen um danach viel schneller weiter  zu schlagen "Dad was ist das?" Flüsterte ich Fassungslos. Mein Vater grinste spitzbübisch "Unser neues Zuhause " Sprachlos fiel ich zurück in meinem Sitz. Wir würden in einem Leuchtturm wohnen "Habe ich dir schon mal gesagt das du der coolste Dad der Welt bist?"

 

Okay in einem Leuchtturm zu wohnen war echt cool, aber ich hatte vor lauter Euphorie ganz vergessen das man von hier aus eine recht  gute Aussicht auf das Meer hatte. Unsere "Wohnung" war unterteilt in mehreren Stockwerke und mein Zimmer lag sozusagen direkt unter dem Dach, ich hatte ein kleines Bett, einen alten Ahornschreibtisch und einem Kleiderschrank mit lebensgroßen Spiegel, also weit mehr als in unserer letzten Wohnung. Nur noch an die Aussicht müsste ich mich gewöhnen. Und dennoch fühlte ich mich hier wohl, es fühlte sich zum ersten mal richtig an. Eigentliche sollte mich diese Erkenntnis glücklich machen aber sie traf mich härter als erwartet, denn wir würden weiterziehen wie wir es immer taten. Denn das war unser Ding, wir blieben nicht.

 

Ein Stückchen Heimat

 "Mum? Muum? Wo bist du?"  Ich befand mich in einem hellen, typischen Teenagerzimmer. Dieses Zimmer erinnerte mich an mein Zimmer in Brooklyn, zu der Zeit hatte ich noch versucht mich heimisch einzurichten, irgendwann hatte ich es dann aufgegeben. Poster hielten keine zwei Umzüge aus, jedenfalls nicht wenn man so nachlässig packte wie ich. Vor mir stand die Fremde, ich wusste sofort dass sie es war. Sie stand mit dem Rücken zu mir und rief nach ihrer Mum. Ihr schwarzes Haar fiel ihr in wilden Locken über den schmalen Rücken, sie erinnerten mich an meine eigenen Haare. Ihre Stimme klang rauchig "Mum du musst mir die Pancakes einpacken, ich bin spät dran!" Ich vernahm eine leise Antwort und wollte der jungen Frau gerade folgen als ich davon gerissen wurde.

 

Diesmal erwachte ich ohne Herzrasen und nasser Stirn, dafür aber recht verwirrt. Einige Minuten lang blickte ich mit gerunzelter  Stirn an meine neue Zimmerdecke, erst gestern war Papa mit einer Leiter hinauf gestiegen und hatte meine Leuchtkleber verteilt. Ich hatte jetzt bereits zwei mal von der selben Frau geträumt, zwei Träume welche gegensätzlicher nicht sein konnten und dennoch von der selben Person handelten. Anscheinend hatte mein Gehirn eine blühende Fantasie entwickelt, ich sollte mich nicht allzu sehr darauf versteifen.  Ich seufzte leise und hangelte mich aus meinem Bett. Wir lebten nun schon eine Woche lang hier und es fühlte sich noch immer merkwürdig an. Einerseits war es wie ein Traum, ich meine wer hatte schonmal das Vergnügen in einem wohnungstauglichen Leuchtturm wohnen zu können? Andererseits fühlte ich mich bereits vollkommen angekommen, sogar an die Tatsache das dass Meer praktisch vor meinen Füßen schwappte hatte ich mich gewöhnt. Frei nach dem Prinzip, solange wir uns ignorieren gab es auch nichts zu befürchten. Ich trat an eines meiner vielen kleinen runden Fenster und blickte über das ruhige Meer hinweg zum Himmel. In der Dunkelheit wirkte es als gingen Meer und Himmel ineinander über, der Mond spiegelte sich verzerrt auf der Meeresdecke. Eine Gänsehaut rieselte über meinen Rücken, irgendwie wirkte das Wasser ohne Wellen noch gefährlicher,irgendwie verschlingend. Gerade als ich mich abwenden wollte, betrat eine Gestalt den Strand. Verdattert rieb ich über meine Augen "Was zum Teufel treibt ein Mensch um diese Zeit hier herum ?" Es handelte sich eindeutig um eine Frau, ihr Gang wirkte leicht und ihr schwarzes Haar wehte im sachten Wind. Sie ging zielstrebig auf das Wasser zu. Die Frau wollte doch nicht etwa Schwimmen gehen? Und was trug sie da eigentlich?  Es war doch viel zu kalt für so ein dünnes Kleidchen....Ich riss mein Fenster auf und wollte gerade etwas nach Draußen rufen als ich in der Bewegung erstarrte. Mir wurde auf einmal ganz heiß und mein Atem klang ganz abgehackt.  Die Frau aus meinem Traum! Sie hatte auch so ein Kleid getragen ! Ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden raste ich die vielen Treppen herunter und musste unten erstmal nach Luft schnappen. Ich riss die Tür auf und mein neugieriger Welpe folgte mein stolperndes Laufen. Ich musste diese Frau sehen, irgendwie wusste ich dass es mir helfen würde. Doch als ich nur im Pyjama, zusammen mit Sam den Strand erreichte war keine Menschenseele zu sehen. Das einzige was zurückgeblieben war, war der leichte Duft von Jasmin.

 

Man könnte meinen es sei recht angenehm vom Duft frischer Pancakes geweckt zu werden und das war es auch, aber wenn man praktisch am frühen Morgen ein ungeplantes walking über den Strand veranstaltet hat um seiner eigenen Fantasie nachzujagen und daraufhin durch das viele Adrenalin viel zu spät in den Schlaf viel, war dieser Weckruf nur halb so erfreulich. Zudem kam der Schock einer weit fortgeschrittenen Uhrzeit und die kleine aber nicht unbedeutende Tatsache dass heute mein erster Tag in meiner neuen Schule war. Und ich würde zu spät kommen . Sam schien nicht recht zu begreifen dass ich nicht nur so aus reinem Spaß an der Sache durch mein Zimmer wirbelte, er sah es als eine Art Spiel an und hüpfte laut bellend und mit strahlenden Knopfaugen durch meine Beine und in meine unmittelbare Laufbahn "Dad du musst  mir die Pancakes einpacken, ich komme sonst  zu spät!" Zum Glück hatte ich bereits am Vorabend meine Kleidung rausgesucht und musste nur noch reinschlüpfen und mein wildes Haar bändigen. Obwohl ich in gefühlter Lichtgeschwindigkeit die Treppe runterratterte, schaffte es Sam trotzdem mich zu überholen, er besaß sogar noch die Frechheit am Treppenabsatz  zu warten. Mein Vater saß entspannt mit Zeitung und einer Frühstückstüte am Küchtentisch. Ich schnappte mir die Tüte, nuschelte eine Verabschiedung und eilte aus unserem Leuchtturm auf meinem neuen Roller zu. Na gut, so neu war er nun auch wieder nicht, Dad hatte es irgendwie geschafft einen gebrauchten weinroten, leicht rostigen Roller aufzutreiben weil die nächste Bushaltestelle praktisch nicht vorhanden war. Ich warf mir meinen alten Rucksack über die Schultern und sauste die enge buckelige Straße entlang. Egal wie oft ich diesen "Ersten Schultag" Kram mitmachte, es war immer wieder aufregend und machte mich fürchterlich nervös.

 

Mein Magen fuhr auf Talfahrt als ich meine Schule auf Zeit erblickte, versteckt zwischen einigen Bäumen erblickte ich ein riesiges Gebäudekomplex mit Altgotischen Fenstern und einem Doppelbögigen Eingang. Im Gegensatz zu meiner letzten Schule im Bauerndorf war diese riesiger und hatte eindeutig mehr Klasse. Leider konnte mich dieser Aspekt kaum beruhigen, hier nahm man es bestimmt nicht locker wenn Schüler zu spät kamen. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter und parkte meinen kleinen Roller zwischen einem azurblauen Mercedes. Anscheinend hatten auch die Schüler mehr Klasse als ich. Als ich eine riesige leere Halle betrat welche den leichten Duft von Desifizierungsmittel und Zitrone verströmte, fühlte ich mich noch ein bisschen unwohler. Jeder  meiner Schritte schallte unangenehm laut in meinen Ohren nach. Die Tür zum Sekretariat war aus Glas, hinter einem Apple Computer saß eine Frau mit rotem, streng zurückgebundenen Haar. Sie trug eine schwarze Brille, ihre Finger tippten schnell, ihr Blick flog über dem Bildschirm. Ich öffnete die Tür und betrat ihr Büro "Sie sind spät dran Miss. Wales "Ich schluckte "Entschuldigung ich äh..." Ihre Rechte Hand hob sich während ihre linke weiter tippte "Sehen Sie nur zu, dass dieses Ärgernis einmalig bleibt, vor ihnen liegt ihr Unterrichts und Raumplan." Ich griff danach und brauchte einen Moment bis ich fand was ich suchte. Die ersten zwei Stunden würde ich Englisch bei einem Herr Stone haben im Raum A1.1 "Worauf warten Sie noch? Hopp hopp" Diesmal lag ihr stechend grüner Blick auf mir, ich nuschelte  eine Entschuldigung und verließ fluchtartig ihr Büro. Es dauerte noch weitere 10 Minuten bis ich endlich den Raum erreichte, dieser Plan war ein einziges Labyrinth von verwurzelten Gängen und Treppen. Okay Augen zu und durch. Ich klopfte und betrat den Klassenraum, Köpfe hoben sich und blickten neugierig in meine Richtung und an einem Schreibtisch gestützt stand mein Lehrer, der kein Lehrer war sondern eine Lehrerin. Eine ziemlich gutausseuende Lehrerin. Ich runzelte meine Stirn "Entschuldigen Sie die Störung ich....Ähm bin ich hier richtig in Englisch bei  Mr,  ich meine Mrs. Stone?" Meine Lehrerin lächelte freundlich und warf ihr goldenes Haar über die Schulter "Sie müssen unsere neue Schülerin sein, Luna Wales. Man hat mich wohl wieder im Sekretariat als Mann ausgegeben, wissen Sie das geschieht häufig. Setzen sie sich doch auf einen freien Platz" Diese Lehrerin war wirklich nett und nahm mir ein wenig von meinem Unbehagen. Recht weit hinten im Klassenraum fand sich ein freier Doppeltisch, als ich dort hing in spürte ich die Blicke sämtlicher Schüler an mir kleben "Ich möchte das Sie die Seite 22 im Buch aufschlagen und das erste Kapitel aufmerksam  lesen" Wir schlugen alle das Buch auf und vertieften uns in die Lektüre, jedenfalls ein Teil der Schüler, einige beobachteten  mich noch immer heimlich. Ich hatte es satt auf ewig als "Die Neue" Verdammt zu sein. Der restliche Vormittag verlief recht ereignislos, ich blieb eher für mich und unterhielt mich nur vereinzelt mit einigen welche den Mut fanden mit mir in Kontakt zu treten. Die Namen derer vergaß ich recht schnell wieder, mein Gedächtnis war manchmal wie ein Sieb.

 

Nach der Schule entschied ich mich für einen Spaziergang mit Sam am Strand, irgendwann musste man sich ja seinen Ängsten  stellen. Es war angenehm warm und die Sonne strahlte unbesonnen zwischen flauschigen Wolken hindurch. Sam fühlte sich pudelwohl am Strand und hatte anders als ich keine Scheu vor dem Wasser. Er lief einige Meter voran und wühlte sich zwischen den Menschen hindurch. 

Auch ich ließ meinen Blick schweifen und erstarrte plötzlich. Mit dem Rücken zu mir stand einige Meter entfernt eine Frau mit schwarzen langen, lockigen Haar. Sie stand mit den Füßen im Wasser. Die Frau trug ein weißes Kleid und ihr rauchiges Lachen drang an mein Ohr. Vor ihr stand ein Mann mit schwarzen, zerzausten Haar. Die beiden schienen sich gut zu kennen und bespritzten sich mit Wasser. Ich konnte mir nicht erklären warum aber diese Szene überforderte mich, blinzelnd wisch ich einige Schritte zurück. 

Imprint

Publication Date: 06-28-2015

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Dedication:
Es fing an mit einem Traum, einem Traum der sich immer mehr mit meiner Persönlichkeit verwurzelte. Diese Frau scheint immer mehr in mein Leben zu tauchen, ihre Geschichte wird meine Geschichte. Doch was ist wenn man das Ende der Geschichte bereits kennt? Sie wird sterben, freiwillig. Ich kann nicht mehr zurück, ich bin zu tief drinnen, kann nicht mehr umkehren und es wird wie bei ihr sein. Er wird kommen und mit ihm wird mein Leben gehen. Ich werde sterben weil es die Liebe sein wird die mich tötet.

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