Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir - für immer.
Konfuzius
Miguel. Miguel. Miguel.
Statt sich mit dem Problem der Wurzeln aus negativen Zahlen zu beschäftigen, schrieb Linus immer wieder Miguels Namen auf das Papier. In Blockbuchstaben, in verspielt gekringelten Buchstaben, in Herzchen. In seinen Gedanken sah er die sanften dunkelbraunen Augen, träumte von dem Mund und dem süßen Grübchen, das sich auf seiner linken Wange bildete, wenn er lächelte. Stellte sich vor, wie er seinen Kopf schräg legen würde, sich langsam vorbeugen und dann…
„Linus!“ Die Stimme seiner Mutter riss ihn aus seinem Tagtraum. „Abendessen ist fertig.“
„Ja, ich komme gleich“, rief er und betrachtete sein Heft. Miguel! Niemals würde dieser ihn ansehen, oder gar küssen. Seufzend riss er die Seite aus dem Block und schmiss sie zerknüllt in seinen Papierkorb.
Auch wenn er wusste, dass Miguel ihn wahrscheinlich noch nie wahrgenommen hatte und dies voraussichtlich niemals tun würde, lag er später im Bett und träumte von ihm.
Was würde… nein, könnte passieren, falls er Miguel außerhalb der Schule begegnen würde? Vielleicht an der Bushaltestation… an einem Tag, an dem es regnete… Miguel hätte keinen Schirm… aber er! Wie selbstverständlich würde er Miguel anbieten, zu ihm unter den Schirm zu kommen. Dichtgedrängt ständen sie nebeneinander, ihre Körper berührten sich… Ihre Blicke begegneten sich und er würde in Miguels Augen versinken, dieser lehnte sich vor, strich eine feuchte Strähne aus seinem Gesicht und… küsste ihn.
Er konnte die Lippen spüren, das sanfte Kribbeln, das von dieser Berührung ausgehen würde. Sein Blut würde anfangen zu rauschen, Miguel würde den Arm um seine Taille legen und ihn heran ziehen, so lang, bis er ihn mit jeder Faser spüren konnte. Das Blut würde in seinen Unterleib strömen – so wie jetzt –. Miguel würde es nicht besser gehen, leise würde er seinen Namen in ihren Kuss stöhnen. Ihre Körper würden beginnen, sich aneinander zu reiben…
Linus führte seine Hand unter die Decke, streichelte über seinen erigierten Penis, stellte sich vor, es sei Miguel. Gleichzeitig überkam ihn ein schlechtes Gewissen. Aufhören konnte er jedoch nicht, schob die Hand zusammen mit einem Taschentuch unter den Bund der Pyjamahose, umfasste sich selber, dachte an Miguels Lippen und kam, jeden Laut unterdrückend.
Wie immer war er früh in der Schule, stand halb verborgen neben dem Eingang und betrachtete die anderen, die schwatzend und lachend auf den Schulhof kamen. Natürlich nicht alle, dazwischen waren auch die Loser und Ausgestoßenen wie er, mit denen keiner etwas zu tun haben wollte. Sie kamen still und leise, die Köpfe gesenkt, in dem Bestreben nicht aufzufallen.
In der sechsten, siebten und achten Klasse war es am schlimmsten gewesen, jetzt in der zehnten Klasse ignorierten sie ihn meistens nur.
Endlich entdeckte er Miguel. Wie jeden Morgen kam er zusammen mit Marie und Sophia, die beide in seiner Nähe wohnten, auf den Schulhof geschlendert. Kaum näherten sie sich dem Eingang des Schulgebäudes, hob er den Kopf und sah sich um. Wenn sich ihre Blicke dann zufällig begegneten, bildete Linus sich manchmal ein, Miguel hätte ihn angelächelt.
Kaum waren sie bei ihren Freunden angelangt, verließ Linus seinen Platz und ging in die Schule. Nicht zu schnell, damit er nicht die Aufmerksamkeit auf sich lenkte, immer darauf bedacht, niemandem in den Weg zu laufen. Dies war der schönste Tag der Woche. Zusammen mit Miguel hatte er Spanisch und Biologie. Spanisch war der Unterricht, in dem Miguel kurz nach Schuljahresbeginn, von Herrn Wagner in die Schule eingeführt wurde. Sein Vater arbeitete bei einem großen Automobilkonzern und wurde alle paar Jahre quer durch die ganze Welt versetzt.
Herr Wagner hatte ihn dem Kurs vorgestellt: Miguel Leon Fernandez. Frau Porter hatte ihn anschließend aufgefordert, sich einen Platz zu suchen, es gab genügend freie Tische. Kurz hatte Miguel sich umgesehen, ihn angelächelt und sich neben ihn in die erste Reihe gesetzt. Der Platz neben ihm war normalerweise immer frei. Keiner riss sich darum, neben ihm zu sitzen. Miguel jedoch suchte sich an diesem Tag genau diesen Platz aus.
Seit diesem Moment war er verloren.
Warum Miguel später nicht den Platz gewechselt und sich woanders hingesetzt hatte, zum Beispiel neben Tabea oder Marc, die ihn, wie er selbst gehört hatte, mehrfach dazu aufgefordert hatten, wusste er nicht. – Und letztlich war es ihm egal, wichtig war nur, dass er neben ihm saß. Vier Stunden die Woche.
Kurz vor dem Klingeln kam Miguel in die Klasse, schenkte ihm ein atemberaubendes Lächeln und setzte sich. Gerne hätte er ihn angesprochen, er wusste jedoch, dass er kein Wort herausbekommen würde. Zigmal hatte er sich schon Fragen überlegt, kluge Bemerkungen einfallen lassen, doch gesagt hatte er noch nie etwas.
Frau Porter betrat die Klasse, schwenkte einen Haufen Zettel in der Hand und rief fröhlich: „Vokabeltest!“
Linus konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken, er hatte es an diesem Wochenende nicht geschafft, sich auch nur eine Vokabel anzusehen. Aufmunternd sah Miguel ihn an, doch er war sich sicher, heute total zu versagen.
Ein DIN A4 Bogen voller Vokabeln. Schon beim Überfliegen wurde Linus klar, dass er nicht einmal die Hälfte fehlerfrei wusste. Dabei konnte er sich keine schlechte Note leisten. Rings um ihn herum schrieben die anderen kratzend die Antworten auf das Blatt, während er sich mit den paar Vokabeln quälte, bei denen er sich sicher war. Frau Porter verließ ihren Platz vor der Klasse, ging langsam durch die Reihe. Ein sanfter Stupser an seinem Arm, er hob ein wenig den Blick und sah, dass Miguel ihm seinen Bogen so hingeschoben hatte, dass er die Antworten lesen konnte.
Abschreiben hatte für beide, den Abschreibenden, sowie denjenigen, der abschreiben ließ, die gleiche Konsequenz, eine Sechs für den Test oder die Arbeit. Noch nie hatte jemand ihn abschreiben lassen! Mit fahrigen Fingern begann er die Worte hinzukritzeln. Miguel hatte eine schöne, steile Schrift, die er gut lesen konnte.
Damit es nicht auffiel – noch nie hatte er einen fehlerfreien Test geschrieben – baute er drei kleine Fehler ein. Das Miguel einen Fehler gemacht hatte, war ausgeschlossen, er war Spanier und hatte bei keinem Test bisher auch nur einen einzigen Fehler gemacht.
Die Schritte von Frau Porter kamen zurück und Linus schrieb hektisch das letzte Wort auf.
„Zeit ist um. Bitte die Tests zu mir.“
Während des folgenden Raschelns und Flüsterns, wandte sich Linus an Miguel: „Danke.“
„Für dich gern“, sagte die dunkle Stimme, die nur der Hauch eines Akzents färbte. Miguel klang genauso männlich, wie der Rest von ihm aussah. Im Gegensatz zu Linus war er groß, hatte breite Schultern und – Bartwuchs. Gegen ihn kam sich Linus wie ein kleiner Junge vor. Seine Größe entsprach einem Vierzehnjährigem, sein Körper war sehr schmal und er hatte nicht den Hauch von Bartwuchs. Na ja, seine Stimme war vielleicht ein ganz klein wenig dunkler geworden, klang aber in seinen Ohren immer noch sehr kindlich. Das Schlimmste jedoch war seine Brille, die Glasbausteinen ähnelte. Später, wenn sich seine Augen nicht mehr so schnell veränderten, könnten sie operiert werden, solange musste er mit diesem Ungetüm leben. Nicht, dass er anschließend keine Brille mehr brauchen würde, würde es nicht mehr dieses Monstrum sein. Heute sah er ohne Brille fast nichts. In der schlimmsten Zeit war es den anderen ein besonderes Vergnügen gewesen, ihm diese wegzunehmen.
Nur langsam sickerte die Antwort in Linus‘ Bewusstsein: Für dich gern. Rasch warf er einen Seitenblick zu Miguel, der jedoch Frau Porter ansah, die mit dem Unterricht und der nächsten Lektion begonnen hatte.
Hatte er sich vielleicht verhört? Hatte er gehört, was er hören wollte? Oder maß er diesen Worten zu viel Bedeutung bei? Sein Herz war auf jeden Fall der Meinung, diese Worte gehört zu haben und hatte sie zum Grund erklärt, schneller und härter gegen seine Rippen zu schlagen.
Auf einmal wandte sich Miguel zu ihm um, lächelte und sein Herz explodierte. Innerhalb von Nanosekunden löste es sich in seine Bestandteile auf. Wenn es nur einmal wirklich ihm gelten würde…
„Linus? Willst du fragen oder antworten?“, fragte Miguel ihn mit einem Schmunzeln. Röte stieg brennend in sein Gesicht. Fragen? Antworten? Irgendetwas musste er verpasst haben.
„Die Aufgabe? Ein Interview mit seinem Sitznachbarn in Spanisch“, fasste Miguel zusammen.
„Äh…“ Super, konnte er nicht wenigstes antworten? „Antworten“, zwang er sich zu sagen.
„Wo wohnst du?“ – „Bergstraße 7.“ – Redeten die anderen nicht über etwas anderes?
„Was machst du in deiner Freizeit?“ – „Lesen, Computerspiele und…“ Sie sprachen über Jugendarbeitslosigkeit. „…ich gehe gerne ins Kino.“
„Gehst du mit mir Freitag ins Kino?“-…
Frau Porter trat an ihren Tisch und Miguel formulierte eine Frage, bei der sein Gehirn mindestens zehn Sekunden brauchte, um den Themenwechsel zu verkraften. Sie handelte von – Arbeitsförderungsmaßnahmen? Hoffentlich. Seine Antwort war halbwegs flüssig und Frau Porter nickte, lächelte Miguel zu und ging weiter.
„Und gehst du?“ – Er nickte, konnte nicht antworten, da sein Gehirn nicht wirklich verarbeitete, was da gerade geschah.
„Schön, ich hole dich ab. Ist 19:00 Uhr für dich in Ordnung?“
„Ja“, hauchte er und sein Herz, das gerade wieder eins geworden war, hämmerte gegen seine Brust, als wollte es sie sprengen.
Der restliche Unterricht floss an ihm vorbei. Nur Miguels Blicke, die dieser ihm ab und zu zuwarf, erreichten ihn. Sie würden ins Kino gehen. Sie würden zusammen ins Kino gehen! Er, Linus Weber, würde mit Miguel Leon Fernandez ins Kino gehen! – Nein, das konnte nicht wahr sein. Das musste ein Traum sein, gleich würde sein Wecker schrillen und ihn aus diesem einmaligen, wunderbaren Traum wecken.
Das Einzige, was schrillte, war die Schulglocke. „Bis später“, sagte Miguel zu ihm und Linus befürchtete, dass er ihn zur Antwort ziemlich debil angrinste. Nachher hatten sie noch Biologie zusammen.
Für den nächsten Unterricht war er ebenfalls verloren. Mathematik ging vorbei, ohne, dass er hätte sagen können, was das Thema der Stunde gewesen war. In seinem Kopf war nur noch Platz für Miguel und das Wunder. Es war ein Wunder – oder? Was, wenn dieses wieder ein perfider Plan war, um ihn zum Deppen zu machen? Konnte es sein, dass die anderen von seinen Gefühlen wussten und sie ausnutzen wollten, um ihn mal wieder richtig vorzuführen, zu demütigen? – Und würde Miguel, der ihn vorhin hatte abschreiben lassen, dabei mitmachen? Die Vorstellung, dass Miguel das tun würde, ließ ihn zittern. Nein. Nein! Niemals! Miguel war nicht wie die anderen – und außerdem hatte sie schon seit Längerem aufgehört ihn zu quälen. – Und wenn es wieder anfangen würde, grausamer als je zuvor?
Biologie. In diesem Fach saß er allein ganz hinten. Miguel saß neben Veit, einem von den ‘Coolen‘. Früher immer einer von den ersten, wenn es darum ging, ihn zu demütigen. In der siebten Klasse hatte er ihm die Brille fortgenommen und versteckt. Dann hatte er ihn im Kreis gedreht und, unter dem Gejohle der anderen, eine abartige Version von Topfschlagen mit ihm ‘gespielt‘. War es möglich, dass Veit hinter dieser Verabredung steckte?
Miguel kam mit Lisa in den Raum. Lisa war Veits Freundin, schlank, mit hellblond gefärbten Haaren, viel Farbe im Gesicht und immer stylishen Klamotten. Er sagte etwas zu ihr und deutet auf seinen Platz, mit einem leisen Lachen nickte sie und setzte sich neben Veit. Miguel ging durch die Reihen, ignorierte den Platz neben Veronique, der durch diesen Wechsel frei geworden war, und kam zu ihm. Die dunklen Augen hielten seinen Blick gefangen.
„Darf ich?“, fragte er und Linus konnte nur nicken. Reden war sowieso nicht seine beste Disziplin, aber in Gegenwart von Miguel verließ ihn die Fähigkeit völlig.
Warum tat Miguel das? Wenn er sich mit ihm abgab, würden die anderen ihn bald damit aufziehen, ihn aus ihrem Kreis ausstoßen. – Oder war das alles doch nur Teil eines großen Planes?
„Linus.“ Die Stimme von Dr. Winter erreichte ihn und erschrocken sah er auf. Offensichtlich erwartete der Lehrer eine Antwort von ihm, er wusste jedoch noch nicht einmal, wie die Frage gelautet hatte. Eine Berührung an seinem Bein, er senkte den Kopf und sah auf einen Zettel. ‘On the Origin of Species‘ stand darauf und kopflos las er dies vor. Okay, Darwins Buch.
„Sehr schön, dann erläutere bitte kurz die Darwinsche Theorie“, setzte die kalte, klare Stimme von Dr. Winter hinterher. Zum Glück kein Problem für ihn.
Erleichtert ließ er sich auf den Stuhl fallen, als Dr. Winter sich mit der nächsten Frage an den nächsten Schüler wandte.
„Noch einmal danke“, flüsterte er Miguel zu.
„Ich sagte es schon, für dich gern“, antwortete dieser und sah ihn ernst an. Diese dunklen Augen drangen tief in seine Seele ein, besetzten sie und hissten die Flagge als Zeichen des Eroberers. Er war verloren. Endgültig und unabänderlich. Was immer Miguel geplant hatte, er würde dem nichts entgegenzusetzen haben. Wenn er von ihm verlangen würde, nackt auf dem Marktplatz zu tanzen, er würde es tun. Nur für einen Blick, ein Lächeln von ihm.
Der Rest der Woche verging viel zu langsam. Linus befand sich in einem Zustand zwischen Hoffen und Angst. Außerhalb des Unterrichts sprach ihn Miguel nicht an, war wie immer mit den üblichen Verdächtigen zusammen. Nur manchmal begegneten sich ihre Blicke und er sah, – oder dachte zu sehen, – dass der andere ihn anlächelte.
Endlich kam der Freitag und mit ihm noch eine Doppelstunde Spanisch. Das Ende der Woche war ein Höhepunkt, fast wie der Beginn. Miguel kam wie immer kurz vor Frau Porter und setzte ihn mit einem Strahlen für die kommenden neunzig Minuten außer Gefecht. Wenn das so weiterginge, würde er nie wieder einer Unterrichtsstunde Spanisch folgen können. Statt Frau Porter zuzuhören, betrachtete er Miguels Locken im Nacken, seine schlanken Hände, die mit dem Stift spielten und auf dem Block Fantasietiere zeichneten. Eine winzige Narbe zog sich über den Knöchel des Zeigefingers seiner rechten Hand.
Gerade als Frau Porter sich an ihn wandte, rettete ihn der Gong. Niemals hätte er an diesem Tag eine Frage beantworten können.
„Um 19:00 Uhr?“, fragte Miguel, während er sein Buch in den Rucksack stopfte. Linus nickte.
„Magst du Actionfilme?“ – „Ja, gern.“ Hätte er nach schmalzigen Liebesfilmen gefragt, wäre die Antwort genau dieselbe gewesen.
„Super. Es ist gerade ein spannender Film angelaufen. – Vielleicht können wir hinterher noch eine Pizza zusammen essen?“ Erstaunt registrierte Linus, dass die Frage unsicher klang. Prüfend sah er Miguel an und nickte. „Klar.“ Hoffentlich würde seine Mutter dabei mitmachen. Belohnt wurde er für seine Antwort mit einem strahlenden Lächeln. Wenn Miguel ihn heute Abend den anderen ausliefern wollte, dann war er ein sehr guter Schauspieler und hatte den Sieg verdient.
Seit 18:00 Uhr stand er geduscht vor dem Schrank und überlegte, was er anziehen sollte. Zeitgleich versuchte er zu verstehen, warum Miguel mit ihm ins Kino gehen wollte. Was wollte der gut aussehende Junge von ihm? Er war langweilig, sein Spiegelbild zeigte es ihm deutlich: stumpfe blonde Haare, die Brille mit ihren dicken Gläsern, die seine grünen Augen verzerrt klein aussehen ließen und seine Nase war zu kurz über dem vollen Mund. Kussmund sagte seine Oma immer – und er hasste es.
Seufzend entschied er sich kurz vor sieben für eine dunkle Jeans, ein schwarzes Hemd und schwarz-weiße Turnschuhe. Ihm war schlecht vor Aufregung.
Wenn Miguel ihn nicht vorführen wollte, was wollte er dann? Es konnte doch nicht sein, dass Miguel auf Jungs stand, oder? – Und selbst, wenn es so war, dann konnte es nicht sein, dass er auf ihn stand! – Oder?
Wieder sah er in den Spiegel. Nein, das konnte nicht sein! Niemals! Nicht er! Und wenn doch, was wäre dann heute möglich? Eine Berührung, wenn sie sich Popcorn teilten? Seine Finger waren eisig und er fühlte sich wie kurz vor einem Referat – oder dem Tod durch Herzstillstand.
Es klingelte und er stürzte die Treppe hinunter, schaffte es aber trotzdem nicht, vor seiner Mutter an der Tür zu sein. Schon öffnete sie. „Ja?“
„Guten Abend, Frau Weber, meine Name ist Miguel Leon Fernandez. Ich bin mit Linus verabredet“, sagte Miguel in höflichem Ton.
„Oh, Linus hat gar nicht gesagt, dass er abgeholt wird“, flötete seine Mutter, offensichtlich angetan von dem jungen Mann. „Kommen Sie doch bitte herein.“
Auf der untersten Treppenstufe stehend erwartete Linus Miguel und sein Herz schlug bis zum Hals, seine Finger verkrampften sich um das Geländer. Die Tür schloss sich und endlich erblickte er Miguel. Enge schwarze Jeans, schwarze Sneaker, eine olivfarbene Jacke, die Haar sorgfältig gestylt. Er war einfach nur – wow!
„Hallo, Linus“, sagte der Andere und lächelte zaghaft zu ihm hoch.
„Hallo, Miguel“, antwortete er. „Ich muss nur schnell meine Jacke anziehen, dann können wir los.“
„Wann bist du wieder da, Schätzchen?“, fragte seine Mutter. Linus schloss die Augen, er hasste es! Warum tat sie ihm das an.
„Wir wollten noch einen Pizza nach dem Film essen gehen“, sagte Miguel. „Ich würde Linus anschließend nach Hause bringen. – Ich bin mit dem Auto da“, erklärte er auf den fragenden Blick seiner Mutter. – Miguel durfte schon Autofahren? Linus wurde bewusst, dass er keine Ahnung hatte, wie alt Miguel war. Er hatte angenommen, dass er ungefähr so alt war, wie er selber, sechszehn.
„Aber selbstverständlich“, säuselte seine Mutter. In ihrer unnachahmlichen Art zerrte sie an seinem Kragen herum. „Ich wünsche euch viel Spaß.“ Es gelang Linus gerade noch, ihrem Kuss auszuweichen. Schnell verließ er mit Miguel das Haus.
„Entschuldige, sie ist manchmal etwas peinlich“, sagte Linus auf dem Weg zu dem kleinen dunkelroten Corsa, der vor der Tür stand.
„Vergiss es“, sagte er abwinkend und öffnete den Wagen. Zuvorkommend hielt er Linus die Tür auf. „Ich freu mich, dass du mitkommst.“
„Warum?“, fragte Linus leise, als Miguel eingestiegen war. Die Frage musste er stellen, zu groß war seine Angst, letztlich doch nur verarscht zu werden.
Miguel drehte sich auf seinem Sitz so, dass er Linus ansehen konnte. „Schon am ersten Tag in der Schule bist du mir aufgefallen. Ich mochte deine sanfte, zurückhaltende Art. Du bist anders, als die anderen – und ich würde gerne wissen, wie du wirklich bist.“ Sanft strich er mit der Hand über Linus‘ Wange.
Wieder einmal kroch die Röte über sein Gesicht, er konnte es fühlen. Nervös biss er sich auf die Unterlippe, senkte den Blick.
„Weißt
Publisher: BookRix GmbH & Co. KG
Text: Gabriele Oscuro
Images: Gabriele Oscuro
Editing: Lektorat: ulla
Publication Date: 06-14-2014
ISBN: 978-3-7368-2039-5
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Mein Dank gilt:
Rike, ohne die es Miguel nicht gegeben hätte.
Allen Kommentatoren bei Bookrix, die mich immer weiter getrieben haben.
Und Ulla, die als Beta der Geschichte den letzten Schliff gegeben hat :)