Januar
Stevans Jahr begann bereits mit einem schweren Schicksalsschlag, denn seine Mutter starb an den Folgen einer Lungenentzündung. Sie war schon lange pflegebedürftig, da sie an Altersdemenz litt und ihr Herz Probleme machte. Sie lebte aber trotzdem noch in ihrem kleinen Haus und wurde von einer Pflegerin betreut. Stevan besuchte sie so oft er konnte, aber die Arbeit und sein anspruchsvoller Freund ließen dies nicht derart häufig zu, wie er es gern wollte.
März
Der nächste Schock erfolgte bei der Testamentseröffnung. Seine Mutter hatte hohe Schulden bei der Bank und auch bei Versandhäusern. Wie das sein konnte, entzog sich Stevans Kenntnis. Sie hatte scheinbar alle möglichen Kaufverträge unterschrieben. Dass da jemand anders dahintersteckte, konnte er nicht beweisen, also blieb er auf dem Schuldenberg sitzen.
Er verkaufte das Haus, aber die Immobilie war in einem so maroden Zustand, dass der Erlös gerade mal reichte, um die Kredite zu bezahlen. Es blieb nur etwas Geld übrig. Dieses legte er auf zwei Sparbücher, damit er für Notfälle ein Polster hatte.
April
Sein Arbeitgeber ging in Konkurs, weil dieser das Geld lieber für Nutten und Alkohol ausgab, als damit Rechnungen zu bezahlen.
Juni
Er tat alles, um einen neuen Job zu finden, aber das Glück war ihm nicht hold. Als er am Ende des Monats, nach einem weiteren misslungen Bewerbungsgespräch, nach Hause kam, fand er seinen Freund mit einen anderen im Bett vor.
„Was ist? Ich habe auch Bedürfnisse und du badest in Selbstmitleid. Ich brauchte mal eine Abwechslung. Du bist seit Monaten nur fertig und Sex gibt es auch fast keinen mehr. Ich hab es satt und ich glaube es ist besser, wenn du ausziehst“, meinte Andreas cool und ließ ihm gnädiger Weise ein paar Tage Zeit, um seine Sachen zu packen. Sein zukünftiger Ex würde erst am Sonntag wiederkommen, um die Schlüssel zu übernehmen und die Zeit bis dahin beim neuen Lover verbringen
Stevan packte all sein Hab und Gut ein und brachte es in dem Lagerhaus unter, in dem er schon die Sachen seiner Mutter verstaut hatte. Er behielt nur einen Koffer mit Kleidung, sein Waschzeug und die Ordner mit allen wichtigen Unterlagen. Als er dabei zufällig in seine Sparbücher schaute, wäre er fast vor Schreck in Ohnmacht gefallen: 20.000 Euro waren weg. Die konnte eigentlich nur einer genommen haben.
Als er entsprechend Andreas am Sonntag zur Rede stellte, lachte dieser dreckig und höhnte: „Selber schuld. Wieso nimmst du auch so ein leichtes Passwort.“
Stevan verstand die Welt nicht mehr. Sie hatten sich doch mal geliebt. Wie konnte ein Mensch so etwas einem anderen nur antun?
Die nächsten Wochen kam er bei seiner besten Freundin unter. Sie kümmerte sich um ihn, auch wenn er ihr das oft nicht leicht machte. Er lag nur auf dem Sofa herum und jammerte, wie schlecht es ihm ging. Sabine schimpfte, wenn ihr mal der Kragen platzte, dass er sich nicht so anstellen sollte. Es gäbe schließlich Menschen, denen es weitaus schlechter ging als ihm.
Ende September änderte sich einiges. Sabine bekam einen Anruf, dass ihr Cousin im Krankenhaus lag, weil der einen Unfall gehabt hatte. Stevan brachte Sabine hin, weil sie zu aufgeregt zum Fahren war.
Er eilte mit ihr durch die Gänge. Als sie die Unfallstation betraten, kam ihnen eine ältere Dame entgegen, die sichtlich aufgelöst wirkte.
Sie umarmte seine Freundin. „Gut, dass du da bist. Martin ist angefahren worden.“ Die Frau schien den Tränen nahe.
Sabine drückte sie noch einmal ganz fest. „Bist du okay? Und können wir zu Martin?“
Die Frau gab eine beruhigende Antwort und ging voraus. Sie folgten ihr bis zum Ende des Flurs. Es war das letzte Zimmer auf der rechten Seite, ein heller Raum mit drei Betten, die alle belegt waren. Stevan überlegte, welcher dieser Patienten wohl mit seiner Freundin verwandt war. Sabine und die Dame blieben beim zweiten Bett stehen und begrüßten den Mann. Einen recht attraktiven Typen, schätzungsweise Mitte vierzig.
Nach einem kurzen Wortwechsel entsann sich Sabine offenbar, dass sie ihn mit ihren Verwanden nicht bekannt gemacht hatte. Sie räusperte sich und meinte entschuldigend: „Es tut mir leid. Ich habe ganz vergessen, dass ihr euch gar nicht kennt. Das ist mein bester Freund Stevan.“ Sie deutete auf ihn und fuhr mit der Vorstellung fort: „Das ist meine Tante Rosi und mein Cousin Martin.“
„Ist das der schwule junge Mann, von dem du schon mal erzählt hast?“, fragte ihre Tante neugierig. Als Sabine nickte, mit einem um Verzeihung heischenden Blick in seine Richtung, fügte Tante Rosie hinzu: „Sie sind der erste schwule Mann, den ich kennenlerne. Man sieht es Ihnen aber gar nicht an.“
„Mutter, bitte, könntest du noch lauter sprechen? Denn ich glaube, dass es nicht jeder auf der Station gehört hat“, protestierte Martin und wandte sich anschließend an ihn „Entschuldigen Sie das Benehmen meiner Mutter. Sie hat es nicht böse gemeint. Sie sagt halt immer, was sie denkt, aber eigentlich ist sie eine ganz liebe.“
Stevan nickte nur, denn es hatte ihm gerade die Sprache verschlagen. Es war megapeinlich, dass jetzt alle im Raum über seine sexuelle Ausrichtung Bescheid wussten.
„Wie ist das passiert?“, fragte Sabine und deutete auf Martins Gipsverband
Martin schnaubte verächtlich. „Ich war bei der Gemeinde, da ich Felder umwidmen lassen wollte. Als ich wieder zu meinem Auto ging, hat mich jemand angefahren. Das Schwein beging Fahrerflucht. Mein Glück war, dass sich ein Zeuge das Kennzeichen gemerkt hat, sonst würde ich auf dem Schaden sitzen bleiben. Ich hab eine Gehirnerschütterung und meine linke Hand ist gebrochen. In ein paar Tagen darf ich wieder nachhause, weiß aber nicht, wie ich mich in dem Zustand um den Hof kümmern soll. Die Tiere gehören versorgt und Mutter kann sich nicht mehr darum kümmern. Ich bin nur froh, dass die Ernte schon eingebracht ist.“
Stevan sah die Resignation in Martins Augen und spürte das Bedürfnis zu helfen. Seine Freundin hatte Recht: Es gab Menschen, die hatten wirklich mehr Grund zum Jammern als er.
Er dachte nicht lange nach und bot an: „Ich könnte einspringen. Da ich arbeitslos bin habe ich reichlich Zeit. Für Kost und Logis mache ich das gerne. Auch wenn ich nicht weiß, was genau zu tun ist.“
„Das ist ja nett gemeint, aber Sie sehen nicht so aus, als hätten Sie Ahnung von den Aufgaben, die jeden Tag auf einem Bauernhof anfallen.“ Martin musterte ihn skeptisch.
Es brauchte einiges an Überredungskunst, bis Martin zustimmte. Letztendlich verdankte er es Sabine und Rosi, dass der Mann überhaupt einlenkte. Es schien Martin hauptsächlich Unbehagen zu bereiten, einen schwulen Mitarbeiter zu beschäftigen. Jedenfalls nahm Stevan das an, so, wie jener ihn immer wieder kritisch taxierte.
Noch am selben Tag holte er seine Sachen aus Sabines Wohnung und zog auf den Bauernhof, wo ihn Rosi freudig empfing.
Hätte Stevan vorher gewusst, wie anstrengend die Arbeit war, hätte er niemals angeboten zu helfen. Jeden morgen um 6 Uhr stand er auf und versorgte die Kühe und Schweine, holte die Eier aus dem Hühnerstall. Das dauerte ungefähr eine Stunde, danach gab es Frühstück. Anschließend mussten die Kühe gemolken und die Ställe ausgemistet werden. So vergingen die ersten Tage im Nu. Mit Rosi verstand er sich gut und sein Zimmer war auch ganz nett. Wenn er abends ins Bett ging war es im eh egal, wie es rundherum aussah und tagsüber so viel zu tun, dass er es selten bei Tageslicht sah.
Mitte der Woche wurde Martin entlassen. Anfangs folgte ihm der Mann auf Schritt und Tritt, sah aber bald ein, dass er gut zurechtkam.
Als er am Samstag aus dem Stall kam, saß Martin mit gerunzelter Stirn am Esstisch. und studierte irgendwelche Unterlagen
„Alles okay bei dir?“, erkundigte er sich.
Martin seufzte. „Eigentlich ist es nicht meine Art in anderer Leute Angelegenheiten zu schnüffeln, aber du hast deine Kontoauszüge im Drucker vergessen. Ich hab einen Blick darauf geworfen und da fiel mir was auf. Du hast mir gesagt, dass du keine Wohnung hast. Wieso werden bei dir dann Miete und Strom abgebucht?“
Er nahm die Auszüge aus Martins Hand. „Scheiße, ich bin so ein Trottel.“
Mit der flachen Hand klatschte er sich gegen die Stirn und fluchte leise. Fragend blickte Martin ihn an.
„Wie es aussieht hat mir das beschissene Jahr derart zugesetzt, dass ich glatt vergessen habe, dass ich allein im Mitvertrag stehe. Mein Ex hat es ausgenutzt, dass ich etwas neben der Spur war. Das ist aber auch kein Wunder. Erst stirbt meine Mutter, dann erfahre ich, dass sie hohe Schulden hat, muss mein Erbe zu Geld machen und verliere auch noch meinen Job. Danach erwische ich Andreas, meinen Ex, in unserer Wohnung mit einem anderen. Ich war so durch den Wind, dass ich seiner Bitte folgte und auszog. Als ich sah, dass er meine Sparbücher abgeräumt hat, konnte ich auch nichts mehr machen. Du hältst mich sicher für dumm?“
Martin war hin und hergerissen. Er wollte Stevan einerseits trösten, andererseits einen Schlag auf den Hinterkopf geben. Schlussendlich überwog sein Mitleid, ging er zu Stevan, zog ihn in seine Arme und sagte: „Irgendwie verstehe ich das alles, aber jetzt musst du dein Leben wieder auf die Reihe bekommen. Das heißt, du brauchst einen Anwalt, der dir hilft. Morgen früh suche ich im Internet nach einem geeigneten und begleite dich zu ihm.“
Stevan lächelte zwar, aber sein Blick war so traurig, dass es Martin einen Stich ins Herz versetzte. Verwirrung machte sich in ihm breit, aber jetzt war der falsche Zeitpunkt um darüber nachzudenken. Vorrangig musste er Stevan helfen, denn in ein paar Wochen kam sein Gips runter und danach benötigte er keine Hilfe mehr. Bis dahin sollte Stevan wieder auf eigenen Beinen stehen.
Die Zeit verging wie im Flug.
Martin gefiel es, wenn Stevan ihm beim Anziehen behilflich war. Er wählte sogar absichtlich Kleidung, bei der er Unterstützung brauchte. Es jagte ihm erregenden Schauer über den Rücken, wenn er abends im Bett lag und davon träumte, wie Stevan ihn berührte. Von Tag zu Tag wurden seine Fantasien immer konkreter.
Es war nicht das erste Mal, dass er solche Anwandlungen spürte. Als Jugendlicher hatte er sich eine Zeit lang Magazine mit halbnackten Männern als Wichsvorlage besorgt. Irgendwann wurde seine Mutter misstrauisch, woraufhin er die Zeitschriften wegwarf und offen welche mit barbusigen Weibern herumliegen ließ. Einige Jahre später gab’s erneut solchen Anflug von gleichgeschlechtlichem Interesse, aber letztendlich blieb er den Frauen zugewandt. Wieso es mit keiner von ihnen längerfristig geklappt hatte ... vielleicht war er diese Rätsel jetzt auf der Spur.
Die Spannung, unter der er stand, war zunehmend unerträglich, aber er traute sich nicht Stevan körperlich näher zu kommen. Zum einen aus Angst vor Zurückweisung, zum anderen aus Unsicherheit. Schließlich hatte er noch nie etwas mit einem Mann – außer in seinem Kopfkino – angefangen.
***
Jeden Abend sah Stevan vor dem zu Bett gehen noch mal nach Martin, ob alles in Ordnung war. Er klopfte stets an, doch diesmal hatte Martin das wohl nicht gehört. Als Stevan durch einen Türspalt ins Schlafzimmer spähte, verschlug es ihm die Sprache. Mit geschlossenen Augen lag Martin auf dem Bett, holte sich einen runter und bettelte flüsternd darum mehr zu bekommen. Dann stöhnte er laut auf und ergoss sich in seine Faust.
Leise schloss Stevan die Tür, stürmte in sein Zimmer und befreite seine Härte aus der Hose. Er wichste sich so hart wie er konnte. Vor seinem inneren Auge sah er Martins gut gebauten Körper und großen Schwanz, den er gerne geblasen, oder noch besser, in sich gespürt hätte. Dabei ging es nicht um Sex allein. Er wollte Martin küssen, umarmen, überall berühren dürfen. Amors Pfeil hatte ihn voll erwischt. Viel schlimmer, als alle Male zuvor.
Leider sprachen zwei Gründe gegen ein mögliches Zusammenkommen: Martin stand nicht auf Männer und brachte ihm auch bestimmt keine Gefühle entgegen. Jedenfalls keine romantischen. Mögen tat Martin ihn schon, das hatte er wohl bemerkt, aber eher auf kumpelhafte Art. Obwohl das auch schön war, blutete sein Herz.
***
Es war kurz vor dem Jahreswechsel, als der Anwalt vorbeikam, um ihnen die neuesten Erkenntnisse mitzuteilen. Martin führte ihn in die Küche, wo seine Mutter das Mittagessen vorbereitete und stellte ihr Dr. Engel vor. Sie bot ihm, mit einem Lächeln auf den Lippen, einen Kaffee an. Rasch holte er Stevan von der Arbeit im Stall.
Einige Wochen zuvor war Martins Gipsverband abgenommen worden, daher brauchte er eigentlich keine Hilfe nicht mehr. Dennoch hatte er Stevan gebeten zu bleiben, bis die Sache mit dem Anwalt geregelt war und außerdem behauptet, bei der Waldarbeit eine helfende Hand zu benötigen.
Sie setzten sich gemeinsam an den Esstisch und der Anwalt berichtete von den Fortschritten. Als er einen Detektiv mit den Namen Teufel erwähnte, brach Rosi in Gelächter aus. Sie verstummte jedoch sofort und murmelte eine Entschuldigung.
Stevan wirkte erleichtert. Der Anwalt hatte großartige Arbeit geleistet. Nicht nur, dass das Geld, das der Ex Stevan gestohlen hatte, eingeklagt worden war. Nein, sogar die Miete und Betriebskosten zahlte jener zurück und zudem auch eine Ablöse für die Möbel. Worüber sich Stevan offensichtlich am meisten freute: Die Pflegerin seiner Mutter wurde wegen Betruges verhaftet.
Nachdem sich der Anwalt verabschiedet hatte, glitt Stevans Blick ins Leere. Anscheinend war jener in Gedanken ganz weit weg. Um Stevans Aufmerksamkeit zu erlangen, wedelte Martin mit der Hand vor dessen Gesicht herum.
„Hallo? Hörst du mich? Erde an Stevan. Wo bist du gerade mit deinen Gedanken?“
„Tut mir leid. Was hast du gesagt?“
„Ist schon okay. Ich finde, dass wir das heute Abend feiern müssen“, verkündete Martin grinsend.
Aus der Feier wurde nichts, da eines der Tiere erkrankte und sie keine Zeit hatten. Sie mussten die Kuh isolieren und das andere Vieh in Auge behalten.
Am Silvestertag glätteten sich die Wogen. Das Tier hatte nichts Ansteckendes, sich am Fuß verletzt und daraus resultierte die Entzündung. Gott sei Dank, denn eine Krankheit hätte teuer kommen können.
Sie beschlossen lieber zuhause zu bleiben, anstatt um die Häuser zu ziehen, wie ursprünglich geplant. Martin besorgte eine Feuerwerksbatterie, die sie um Mitternacht zünden wollten, ansonsten war nichts Großartiges angedacht.
***
Rosi kündigte an, den Abend mit Freunden zu verbringen. Sie hatte einen verwegenen Plan geschmiedet und wenn der klappte hoffte sie, dass Stevan für immer blieb. Sie mochte den Mann sehr und akzeptierte auch, dass ihr Sohn sich in jenen verliebt hatte.
Oft war ihr die Frage durch den Kopf gegangen, ob Martin an beiden Geschlechtern Interesse hegte. Damals, in seiner Pubertät, hatte sie unter seinem Bett einen Stapel Magazine mit halbnackten Männern gefunden. Wenig später waren die Hefte verschwunden, dafür lagen welche mit nackten Mädels herum. Sie lebte ja nicht hinterm Mond und hatte sich schlau gemacht, wie das mit der beidseitigen Orientierung funktionierte. Generell war sie – mit einem promiskuitiven Gatten gesegnet – aufgeschlossen gegenüber jedweder Beziehung, die mehr Glück versprach als ihre gescheiterte Ehe.
Sie erklärte das Wohnzimmer für gesperrt, bis sie alles vorbreitet hatte. Schmunzelnd machte sie sich daran, ihre Einkäufe in den Raum zu schleppen. Nur zu gern würde sie die dummen Gesichter sehen, wenn die beiden den Film starteten, angeblich eine Komödie laut der leeren Hülle, die sie auf den Couchtisch legte. Na gut, vielleicht übertrieb sie damit ein bisschen, aber irgendwie hatte sie im Sex-Shop der Hafer gestochen.
***
Stevan wollte eigentlich nicht ohne Rosi feiern, denn wenn sie da war traute er sich nicht irgendetwas Dummes zu tun, wie zum Beispiel Martin zu küssen. Er würde den Abend aber irgendwie überstehen und in ein paar Wochen zog er ohnehin aus. Ach, wieso konnte Martin nicht ebenfalls schwul sein? Sie waren sich in den letzten Wochen so nahe gekommen, redeten über alles, auch über Martins Pläne den Hof zu vergrößern. Stevan half bei der Planung und hielt ihm Rücken frei, wenn er wieder mal irgendwo hin musste, irgendwelche bürokratischen Dinge erledigen.
***
Um 19:00 Uhr brachte Martin seine Mutter zu ihrer Freundin.
Bevor sie das Auto verließ, sagte sie: „Junge, ich bin bis morgen Nachmittag weg. Das heißt, du hast genug Zeit, das mit Stevan zu klären. Die letzten Wochen schleicht ihr beiden ständig umeinander herum. Das ist kaum noch zum Aushalten. Macht endlich Nägel mit Köpfen.“
Sie ließ ihm keine Zeit zum Antworten, stieg aus und warf die Wagentür zu. Er brauchte einen Moment, um den Schock zu überwinden. Dann atmete er einmal tief durch und fuhr heim.
Als die beiden fort waren, hielt Stevan es nicht mehr aus und ging ins Wohnzimmer. Er traute seinen Augen kaum. Rosi hatte zwar alles sehr schön hergerichtet, doch das Thema total verfehlt. Es sollte ein gemütlicher Abend unter Freunden aber es sah eher nach einem romantischen Abend zu zweit aus. Er verließ den Raum und wartete in der Küche auf Martin.
Als dieser heimkam schien er sofort zu merken, dass mit Stevan etwas nicht stimmte, denn er hakte nach: „Was ist los?“
„Es war ganz bestimmt nicht meine Idee. Ich wusste echt nicht, was Rosi im Schilde führt“, erwiderte er nervös.
Martin begann schief zu grinsen, ging ins Wohnzimmer und er folgte mit etwas Abstand. Als er ein Lachen hörte, war er ziemlich irritiert. Im nächsten Augenblick bekam er eine Erklärung.
„Sie hat mir auf der Fahrt schon gesagt, dass ihr unser Eiertanz auf die Nerven geht. Warum auch immer, wir haben offenbar ihren Segen.“
Er nahm Stevan an der Hand und fasste sich ein Herz: „Ich brauchte einige Zeit, um mir klar zu werden, was ich für dich empfinde. Übrigens hab ich dich belogen: „Ich benötige gar keine Hilfe bei der Holzarbeit, aber ich wollte verhindern, dass du gehst, bevor ich den Mut gefunden habe das hier zu tun.“
Martin zog ihn näher heran und küsste ihn sanft auf den Mund. Im ersten Augenblick war Stevan zu überrascht, um zu reagieren, doch dann erwiderte er die Liebkosung. Nach und nach gewann sie an Hitze, drängte sich Martins Zunge in seine Mundhöhle. Wow, was für ein Kuss! Stevan hoffte, dass er nie enden würde, aber Martin löste sich von seinen Lippen und schnappte vernehmlich nach Luft.
Ebenfalls außer Atem stieß Stevan hervor: „Ich verzeihe dir die Lüge. Allerdings nur, wenn du mich nochmal küsst.“
Erneut versank er in dem Rausch, den Martin mühelos auszulösen vermochte, bis plötzlich ein Magen knurrte. Dem leeren Gefühl in seinem Bauch war das wohl seiner.
Leise glucksend ging Martin etwas auf Abstand. „Lassen wir es langsam angehen. Du scheinst ja am Verhungern zu sein.“
Sie setzten sich auf das Sofa. Rosi hatte sich wirklich sehr viel Mühe gegeben, trotzdem musste Martin unbedingt ein ernstes Wort mit ihr reden. Unter einem Tuch, das neben der Sektflasche lag, fanden sie nämlich eine Flasche Gleitgel, Gummis und Sexspielzeuge. Martin sah aus, als er erlitte er gleich einen Herzkasper. Darüber, dass diese Dinge zur Dehnung des Schließmuskels dienten, brauchte er seinen Schatz nicht aufklären. Kopfschüttelnd meinte Martin, ein bisschen amüsiert, dass das Gespräch mit seiner Mutter schlimmer werden würde wie das, als sie ihm die Sache mit den Bienchen und Blümchen enthüllt hatte.
Stevan schenkte Sekt in die bereitstehenden Gläser.
Sie stießen an und Martin verkündete: „Es ist zwar erst 20 Uhr, aber ich möchte jetzt schon einen Toast aussprechen. Ich hab keine Ahnung, was der heutige Abend bringt, doch es fühlt sich jetzt schon großartig an.“
Sie tranken und lächelten sich dabei an. Dann aßen sie eng aneinander gelehnt ein paar Happen von dem Fingerfoods, die Rosi liebevoll zubereitet hatte. Anschließend schaltete Martin die Glotze an und drückte auf die Starttaste, um den Film zu starten, gemäß der leeren Hülle auf dem Couchtisch eine Komödie. Wenigstens in der Hinsicht hatte Rosi keinen groben Fauxpas begangen. Sie küssten sich noch einmal ganz zärtlich, als plötzlich Stöhnlaute aus Richtung des Fernsehers ertönten. Sprachlos starrten sie einander an. Das schlug dem Fass den Boden aus. Gleichzeitig griffen sie nach der Fernbedienung und stießen dabei beinahe die Sektflasche um.
Martin guckte sauer und Stevan war auch alles andere als amüsiert.
„Ich finde es ja schön, dass deine Mutter nichts gegen eine Beziehung zwischen uns hat, aber es gibt Grenzen. Du musst das mit ihr klären, denn ich möchte keine Einmischung in unser Liebesleben. Okay? Aber jetzt lass uns den Abend genießen.“
***
Martin nickte und zog seinen Freund mit sich in die Waagerechte. Sie begannen einander wild zu küssen. Mit jedem Kuss wurde er erregter und sehnte sich nach intimeren Berührungen. Stevan hielt ihn jedoch nur fest und schien ganz aufs Küssen konzentriert. Mit einem Mal wurde ihm klar, wieso sich Stevan zurückhielt: Er wollte Martin Zeit lassen, um sich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen.
Martin verlangte es nach mehr und wenn Stevan nicht anfing, musste er es eben tun, also schickte er seine Hände auf Wanderschaft. Ganz langsam ließ er sie nach unten gleiten und ertastete jeden einzelnen Muskel des Rückens, legte sie auf Stevans muskulösen Hintern. Er knetete die Backen und zog ihn näher an sich heran; genoss die Reibung an seinem Schwanz und sehnte sich nach noch mehr, nach viel mehr. Jedoch nicht hier, sondern auf einer weichen Unterlage.
Er löste sich von Stevan. „Lass uns ein gemütlicheres Plätzchen aufsuchen.“
Stevan sprang auf und hielt ihm eine Hand hin. Er ergriff sie, stand ebenfalls auf und betrachtete unschlüssig die Sachen, die seine Mutter für sie besorgt hatte.
Mit einem schiefen Lächeln raffte Stevan den Kram zusammen und meinte: „Wir sehen, wie weit wir gehen wollen, aber wenn wir das Zeug hier lassen und es doch brauchen, ist das auch blöd.“
Händchenhaltend gingen sie in sein Schlafzimmer. Dort legte Stevan die Sachen auf den Nachtschrank. Als er sich zu Martin umdrehte, entdeckte er wohl die Unsicherheit in seinen Augen. Er schlang ihm die Arme um den Hals und versicherte ihm, jederzeit die Notbremse ziehen zu dürfen. Dann beugte er sich vor und küsste ihn.
Martin entspannte sich bei den Worten etwas, kam sich aber dennoch vor wie eine Jungfrau bei ihren ersten Mal. Stevan war geduldig, ließ ihm Zeit, strich über seinen Rücken und als er tiefer wanderte hielt er inne, um abzuwarten, ob Martin das guthieß.
Martin schwebte zwischen Furcht und Verlangen, wollte es unbedingt hinter sich bringen, also übernahm er die Führung. Er begann Stevans Hemd zu öffnen, ohne ihren Kuss zu unterbrechen, denn diese Verbindung gab ihn Sicherheit. Stevan folgte seinem Beispiel und fing an ihn ebenfalls zu entkleiden.
Es dauerte nicht lange, da standen sie nur mehr mit Shorts bekleidet voreinander. Er zog Stevan an sich und spürte dessen Härte an seiner eigenen. Seine Knie wurden weich, daher schob er Stevan in Richtung Bett.
Der ließ sich auf die Matratze sinken und zog Martin mit. Sie erforschten einander gegenseitig mit den Händen, bis Martin sich traute mit seinen Lippen auf Wanderschaft zu gehen. Er löste sich aus dem Kuss. Sein Mund glitt ganz langsam immer tiefer. Erst über die raue Wange zum Hals, dann über die leicht behaarte Brust. Seine Finger spielten mit Stevans Brustwarze. Das entlockte seinem Partner ein raues Stöhnen, machte ihn mutiger, so dass er sich Stevans Leibesmitte näherte. Mit einer schnellen Bewegung entfernte er den störenden Stoff und genoss den Anblick, der sich ihm bot. So etwas hatte er bisher bloß in Hochglanzmagazinen oder im Internet gesehen. Stevans Schwanz war nicht übermäßig dick, dafür ziemlich lang. Martin verspürte den Drang das Teil zu kosten und schritt zur Tat. Mit der Zunge führ er von der Wurzel bis zur Schwanzspitze und erntete dafür ein wollüstiges Stöhnen.
Beflügelt nahm er Stevan ganz in den Mund. Am Anfang bewegte er sich langsam, doch es dauerte nicht lange und er gewann an Sicherheit. Er wurde zunehmend erregter und traute sich immer mehr, massierte Stevans Eier, strich mit dem Finger um dessen Eingang.
***
Stevan war inzwischen so geil, dass er zu betteln begann; flehten, dass Martin ihn mit dem Finger fickte. Auf einmal hörten die Berührungen auf. Leichte Panik überfiel ihn. Hatte er Martin überfordert? Er spähte an sich runter, sah, dass Martin versuchte etwas ungelenk an das Gleitgel zu kommen. Unbewusst hatte er seine Beine um Martin geschlungen, damit sich der nicht von ihm lösen konnte.
Stevan ließ ihn frei, woraufhin sich sein Liebhaber die benötigten Sachen angelte. Martin legte ein Gummi bereit und drückte sich etwas Gel auf einen Finger, dann fuhr er damit über seinen Damm nach hinten. Scharf sog Stevan Luft ein. Ganz vorsichtig stupste Martin gegen seinen Eingang, drang langsam vor. Stevan, nicht zum Spielen aufgelegt, verleibte sich kurzerhand den Finger mit einem Ruck ein. Die Message kam an, denn Martin behandelte ihn endlich nicht mehr wie ein rohes Ei. Nach einem Weilchen forderte Stevan einen zweiten Finger, gleich darauf einen dritten.
„Darf ich dich richtig ficken?“ Martins Stimme war heiser und wackelte leicht.
Stevan wäre bei den Worten fast gekommen und stöhnte seine Zustimmung. Im nächsten Moment spürte er Martins breite Schwanzspitze. Sein liebster schob sich derart zögerlich in ihn hinein, dass Stevan das Gefühl hatte wahnsinnig zu werden. Er drängte sich Martin entgegen, bis dieser ganz in ihm war und das fühlte sich einfach perfekt an. Sein Herz setzte einen Schlag aus. In diesen Moment wusste er, er war angekommen.
***
Er steckte bis zur Wurzel in Stevan und empfand es als natürliche Verbindung. Noch nie in seinem Leben hatte er derartige Vollkommenheit erfahren. Das hier, mit Stevan, war seine Bestimmung und er wollte nie mehr etwas anderes.
Er spürte, wie Stevan unruhig die Fersen in seinen Hintern stemmte und begann sich zu bewegen. Erst gemächlich, dann mit wachsendem Tempo, bis ihn ein überwältigender Orgasmus überrollte und er mit Stevans Namen auf den Lippen kam. Warm spritzte Stevans Erlösung zwischen ihre Körper.
Es dauerte einige Zeit, bis er wieder klar denken konnte. Er befreite Stevan von seinem Gewicht, streckte sich neben ihm aus und genoss die entstandene Nähe.
Als er sich an den Jahreswechsel erinnerte und auf die Uhr schaute, war es kurz vor elf.
Er stand auf und lächelte Stevan zu. „Lass uns duschen und anschließend begrüßen wir das Neue Jahr gebührend.“
Rund eine halbe Stunde später standen sie angezogen im Wohnzimmer, schalteten den Fernseher auf eine Musiksendung, die jedes Jahr lief und knabberten noch ein paar Fingerfoods. Kurz vor Mitternacht gingen sie nach draußen, mit der Feuerwerksbatterie, dem Sekt und zwei Gläsern. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Es gab nur wenige Nachbarn und die meisten feierten wohl woanders ins neue Jahr. Es war ihnen sowieso egal, schließlich hatten sie einander.
Er breitete die Batterie vor, Stevan den Sekt. Eine Minute vor Mitternacht zündete er die Lunte an und ging zu Stevan, der auf die Uhr schaute. Beide ein Glas in der Hand, begannen sie abwärts zu zählen. Bei null stießen sie an, wünschten einander ein gutes neues Jahr und küssten sich liebevoll.
Genau als sich ihre Lippen berührten, begann das Feuerwerk. In Martins Innerem zündete ebenfalls eines. Mit Stevan hatte er endlich die Liebe seines Lebens gefunden, dessen war er sich sicher. Ein Kichern in unmittelbarer Nähe riss sie auseinander. Unbemerkt hatte sich die Nachbarin Gerti angeschlichen und anscheinend ein Foto von ihnen gemacht. Jedenfalls hielt die Frau eine Kamera in der einen Hand, in der anderen ein Sektglas. Sie wechselten einen bedrückten Blick.
Die alte Dame lachte laut auf und meinte begütigend: „Ich bin zwar alt, aber nicht auf der Nudelsuppe daher geschwommen. Außerdem: Wer glaubt ihr war mit Rosi im Sexshop, um all den Kram zu besorgen? Es war eine Interessante Erfahrung und ein Abenteuer natürlich auch. Prosit Neujahr!“ Sie grinste und hob ihr Glas.
Sie folgten dem Beispiel und Martin hoffte, dass Gerti es nicht an die große Glocke hängte. Das Dorf war klein und ein schwules Paar bestimmt Zielscheibe für alle Spießer. Andererseits: Egal was kommen mochte, sie würden es schon schaffen.
Ein paar Tage später erhielt Martin eine E-Mail von Gertis Tochter. Die Nachricht war nicht lang:
„Hallo,
meine Mutter bat, dass ich euch die Fotos schicke, die sie mit meiner Kamera von euch gemacht hat.
Ich wünsche euch ein gutes neues Jahr und viel Glück für eure Zukunft.
Liebe Grüße Susanne“
Er öffnete die Datei, die sie gesendet hatte und war überrascht. Er rief nach Stevan, der sofort herbeieilte und wies auf den Bildschirm. Das, was sie da sahen, war wundervoll. Es zeigte sie beide bei dem Kuss und über ihnen das Feuerwerk. Sie beschlossen das Bild auszudrucken und es als Erinnerung an ihr erstes gemeinsames Silvester aufzuhängen.
Ach ja: Seiner Mutter hatte er einen tüchtigen Einlauf verpasst. Sie versprach hoch und heilig, sich nie wieder in ihr Liebesleben einzumischen. Wie lange sie sich daran halten würde, stand allerdings in den Sternen.
ENDE
In der Geschichte ist die Rede von Holz- oder Waldarbeit, man kann auch Forstarbeit sagen aber ich kenne keinen Bauern, der das tut. Im Gegenteil: Bei uns in Österreich würden sie dich fragen, ob dir ein Baum auf den Kopf gefallen ist, weil du so hoch gestochen sprichst.
Ein Wald ist etwas Schönes und die Bauern tragen auch einen Teil dazu bei, dass es so bleibt. Also, wenn der Waldweg gesperrt ist, dann regt euch nicht auf oder geht weiter, es dient ja auch zu euren Schutz. Denn wenn euch ein Baum auf den Kopf fällt, wäre das nicht so gut.
Eure Maria C.Ö. Linde
Publication Date: 01-17-2018
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