"Das beste Mittel, jeden Tag gut zu beginnen, ist: beim Erwachen daran zu denken, ob man nicht wenigstens einem Menschen eine Freude machen könne ..." (Friedrich Nietzsche).
Die Lüneburger Heide (niederdeutsch Lümbörger Heid) ist eine große, geografisch überwiegend flachwellige Heide-, Geest- und Waldlandschaft im Nordosten Niedersachsens in den Einzugsbereichen der Städte Hamburg, Bremen und Hannover. Sie ist nach der Stadt Lüneburg benannt und umfasst den Hauptteil des früheren Fürstentums Lüneburg.
Besonders in den zentralen Teilen der Lüneburger Heide sind weiträumige Heideflächen erhalten. Sie bedeckten bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts weite Teile Norddeutschlands, sind aber inzwischen außerhalb der Lüneburger Heide fast vollständig verschwunden. Die Heidelandschaften sind seit der Jungsteinzeit durch Überweidung der ehemals weit verbreiteten Wälder auf unfruchtbaren Sandböden im Bereich der Geest entstanden. Die noch vorhandenen Reste dieser historischen Kulturlandschaft werden vor allem durch die Beweidung mit Heidschnucken offengehalten.[1] Mit Hinblick auf ihre Landschaftsform ist die Lüneburger Heide für den Tourismus in Norddeutschland von Bedeutung. Sie wird teilweise in Naturparks gepflegt.
Die Lüneburger Heide liegt zwischen der Elbe im Nordosten und der Aller im Südwesten, zu deren breiten, als Urstromtäler entstandenen Niederungen die Heide markant abfällt. Im Westen geht die Lüneburger Heide in die von Niederungen durchsetzte Stader Geest über und im Osten in die Altmark mit der Lüchower Niederung (Wendland). Biogeographisch gehört die Lüneburger Heide zum östlichsten Rand der Atlantischen Region.[2]
Geomorphologisch wird das parallelogrammförmige Gebiet durch Höhenrücken gegliedert, die grob die Form eines N beschreiben. Der Haupthöhenzug der Hohen Heide streicht diagonal von den steilhängigen Harburger Bergen (bis 155 m ü. NHN) im Nordwesten, unmittelbar südlich Hamburgs, über das Hochgebiet um den Wilseder Berg (169 m; mit den Quellgebieten von 4 bedeutenden Heideflüssen) zu den Lüßmoränen im Südosten und ihrem halbinselartigen Ostausläufer Wierener Berge (bis 136 m). In der Ostheide im Osten bildet der nordsüdlich streichende, kuppige Göhrde-Drawehn-Höhenzug (bis 142 m) eine spürbare Grenze zu den Niederungen der Jeetzel in der Altmark. Nach Norden, zum Tal der Elbe, fällt die Ostheide vergleichsweise schroff ab.
Zwischen den nördlichen Teilen von Hoch- und Ostheide, an den Unterläufen von Luhe und Ilmenau, liegt die insgesamt weniger hohe, im Relief bewegtere Luheheide, in deren Osten auch Lüneburg liegt; südöstlich schließen sich das kleinere Bevenser Becken bei Bad Bevensen und das größere Uelzener Becken bei Uelzen an.
Im Südwesten zweigt die inselhafte Falkenberg-Endmoräne (150 m) von der Hohen Heide ab und stellt die mit Abstand höchste Erhebung der Südheide dar. Im Südteil grenzt die Lüneburger Heide westlich an die Lintelner Geest, den Ostteil der zum Naturraum Stader Geest gehörenden Achim-Verdener Geest. Hier finden sich enge Täler, die auch das kennzeichnende Merkmal der angrenzenden Fallingbosteler Heidmark in der westlichen Südheide sind.
Die landschaftsräumliche Bezeichnung Lüneburger Heide ist zwar historisch gewachsen und deckt sich weitgehend mit dem Territorium des Fürstentums Lüneburg, bezieht sich aber dennoch auch auf ein nach geographischen Raumkriterien fassbares Gebiet. Sie ist charakterisiert als Naturraum mit einer spezifischen Kombination von abiotischen Faktoren (Klima, Relief, Wasserhaushalt, Boden, geologischer Bau) und biotischen Faktoren (Flora und Fauna), zum anderen als darauf fußender und wiederum gestaltender Kultur- und Wirtschaftsraum.
Naturräumliche Gliederung
Naturräumlich stellt die Lüneburger Heide eine Großregion 3. Ordnung und Haupteinheitengruppe (zweistellig) innerhalb des Norddeutschen Tieflandes (Großregion 1. Ordnung) dar. Sie spaltet sich wie folgt in Haupteinheiten (Regionen 4. Ordnung; dreistellig)[3] und Regionen 5. Ordnung (eine Nachkommastelle; Quellen siehe je bei den Haupteinheiten) auf:
Die Einheiten 643 und 644 werden auch unter Nordheide zusammengefasst; nach dieser Interpretation bestünde die Lüneburger Heide aus nur vier Haupteinheiten.[17]
Viele der gezogenen Landschaftsgrenzen sind nicht linienhaft festlegbar – so etwa die Westgrenze der Hochheide, wo die Endmoränen allmählich in Plateaus und Sander übergehen. Daher weichen auch die Haupteinheiten-Grenzziehungen der verfeinernden Einzelblätter Hamburg-Süd (1964),[9] Lüneburg (1980),[10] Celle (1959)[11] und Salzwedel (1970)[12] sowie, am Südostrand, Braunschweig (1962)[15] erheblich von denen des Handbuchs der naturräumlichen Gliederung Deutschlands (7. Lieferung 1961, Karte von 1960) aus dem gleichen Hause ab. Signifikant verkleinert gegenüber dem Handbuch erscheint speziell der Norden der Hochheide mit den Harburger Bergen. Dieser erscheint auf Blatt Hamburg-Süd als schmaler Streifen, der nur die bewaldete Endmoräne umfasst, während im Handbuch noch die West- (nunmehr Ostflügel der Apenser Lehmgeest, Zevener Geest, Haupteinheitengruppe Stader Geest) und Ostabdachung (nunmehr Harburger Hügelland, Luheheide) den benachbarten Haupteinheiten zugerechnet wurde.
Da sich auch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) nach den Grenzen der Einzelblätter richtet bzw. diese sogar vermessen hat, können die Flächenangaben des Handbuchs – 7539,0 km² für die Gesamtheide, 2090,2 km² für die Haupteinheit 640, 2165,4 km² für 641, 2049,8 km² für 642, 518,0 km² für 643 und 715,6 km² für 644[3] – als obsolet betrachtet werden.
Mit Vorsicht zu genießen sind die abweichenden, zum Teil auch irreführenden Namen der BfN-Landschaftssteckbriefe. So werden gelegentlich zwei Einheiten unter dem Namen von einer von beiden zusammengefasst oder aber unter dem Namen einer Haupteinheit wird nur ein Teil von ihr geführt.
Die Einheit 640.1 führt BfN unter „Lüß“, welches zunächst der Name der Bewaldung um Unterlüß ist. Diese beschränkt sich jedoch nicht auf die Endmoräne, und so taucht der Name sowohl als Lüßmoränen (640.10) und Lüß-Hochfläche (640.11) in der Hochheide auf als auch, an dessen Westabdachung, als Lüßplateau (641.19) in der Südheide. Diese erreicht am Haußelberg immerhin 118 m ü. NHN und übersteigt auch insgesamt ihre westlichen und südlichen Nachbarlandschaften deutlich, unterscheidet sich jedoch in Böden und Vegetation deutlich von den Endmoränen.[11]
Hohe HeideDie Hohe Heide besteht aus einer Staffel von Endmoränen des Inlandeises der Saale-Eiszeit (230.000–130.000 Jahre vor heute) mit dem Wilseder Berg als Zentrum. Mittlere Höhe und Reliefenergie sind hier größer als in den anderen naturräumlichen Einheiten der Lüneburger Heide. Kennzeichnend sind trockene Hügelkuppen, periglazial entstandene Trockentäler und Senken wie beispielsweise der Totengrund. Insbesondere hier finden sich noch Heidelandschaften. Die meisten davon liegen im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide und sind von hoher touristischer Bedeutung. Daneben existieren aber auch ausgedehnte Kiefernforsten. SüdheideIn der Südheide dominieren ausgedehnte, wellig bis sanft hügelige Sanderflächen, Grundmoränenplatten und Endmoränenreste älterer Eiszeiten. Lediglich die Falkenberg-Endmoräne weist eine Reliefenergie auf, die in Teilen sogar die der Hohen Heide übertrifft. Große Heideflächen sind noch auf den Truppenübungsplätzen bei Bad Fallingbostel und Munster vorhanden, die aber für den Tourismus gesperrt sind. Aber auch die Osterheide bei Schneverdingen im NSG Lüneburger Heide gehört zu dieser naturräumlichen Einheit. Auf den Höhen zwischen Schneverdingen und Walsrode finden sich größere Moore wie das Pietzmoor und das Grundlose Moor. Einen großen Anteil der Südheide bedecken inzwischen Kiefernforste. OstheideDie von zahlreichen Endmoränen durchzogene Ostheide erstreckt sich am östlichen Rand der Lüneburger Heide von Lüneburg bis nördlich von Wolfsburg. Teilweise wird der Boden dieser Region intensiv landwirtschaftlich genutzt. Die nördlichen Teile, die so genannte Göhrde und der stark kuppige Drawehn, sind dagegen genauso wie die südlichen Endmoränenzüge größtenteils bewaldet. Uelzener und Bevenser BeckenDie Grundmoränenlandschaft des Uelzener Beckens wird überwiegend agrarisch genutzt. Auf den umliegenden Höhenzügen finden sich aber auch einige Kiefernforste. Ausgedehnte Heideflächen gibt es hier zum Beispiel noch in der Ellerndorfer Heide im westlichen Landkreis Uelzen oder der Klein Bünstorfer Heide. LuheheideDie Endmoränenzüge der Luheheide fallen mit einer deutlichen Randstufe zum Elbtal ab. Sie ist durch die sämtlich nach Norden zur Elbe hin entwässernden Flüsse wie Seeve, Aue, Luhe stark zerschnitten. Die dazwischen liegenden Bergrücken sind bewaldet und kaum besiedelt. Siedlungen drängen sich in den Tälern zusammen. Heideflächen sind in diesem Teilgebiet kaum mehr vorhanden, sie wurden meistens mit Kiefern aufgeforstet.[18]Administrative Gliederung
Das Gebiet der Lüneburger Heide erstreckt sich über die Landkreise Celle, Gifhorn, Heidekreis, Uelzen, Lüneburg, Lüchow-Dannenberg und den Südostteil des Landkreises Harburg. Es umfasst damit den Hauptteil des Regierungsbezirks Lüneburg in seinen Grenzen bis 1978.
Der Landkreis Rotenburg (Wümme) gehört historisch zum ehemaligen Regierungsbezirk Stade, naturräumlich zur Stader Geest und ist somit eher zum Elbe-Weser-Dreieck zu rechnen. Das heute zu Visselhövede gehörende Kettenburg gehörte jedoch ebenso wie die Gemeinde Lauenbrück zum Fürstentum Lüneburg. Außerdem reichen Ausläufer des Naturraumes Lüneburger Heide auch auf den Südosten des Rotenburger Kreisgebiets. Aus Gründen des Regionalmarketings versuchen mehrere Orte des Landkreises Rotenburg, in der Außendarstellung einen Bezug zur deutschlandweit bekannten Lüneburger Heide herzustellen.
Berge und Anhöhen
Die Lüneburger Heide ist allgemein flachwellig reliefiert. Das Relief ist jedoch sehr ungleichartig und umfasst breite Höhenrücken wie den Wilseder Berg (mit 169,2 m höchste Erhebung der Lüneburger Heide), steile Kegel wie den Falkenberg in den Harburger Bergen oder den Tutenberg östlich von Bad Fallingbostel, Hochplateaus wie das Lüßplateau südlich von Uelzen, ausgedehnte, meist nach Süden abfallende Sandebenen (Sander), breite, vernässte Flussniederungen, enge Bachtäler mit verblockten Bachbetten, oder hohe Steilhänge wie am Elbufer bei Hitzacker oder im Böhmetal bei Bad Fallingbostel.
Die höchsten Erhebungen der wichtigsten Höhenzüge sind – mit Höhen in Meter über Normalhöhennull (NHN):
Weitere Anhöhen über 100 m Höhe sind: Hingstberg (126 m), Staffelberg (126 m), Hengstberg (121 m), Höpenberg bei Schneverdingen (120 m), Haußelberg (118 m), Breithorn (118 m), Mützenberg (115 m), Tellmer Berg (113 m), Wümmeberg (107,9 m), Schiffberg (107 m), Hummelsberg und Wulfsberg (je 106 m), Drullberg und Thonhopsberg (je 104 m), Kruckberg und Wietzer Berg (je 102 m) sowie Höllenberg (101 m).
Einige dieser Berge wie den Wilseder Berg, den Falkenberg, den Haußelberg, den Breithorn und den Elmhorstberg benutzte der Mathematiker Carl Friedrich Gauß bei seiner Vermessung des Königreichs Hannover (1821–1825) als Dreieckspunkte.[20]
Einige Höhenzüge weisen deutliche Höhenunterschiede auf, auf 1 km erheben sich beispielsweise der Blaue Berg um 60 m, Ahrberg, Wierener Berge und Falkenberg um 70 m, sowie in den Elbhöhen bei Hitzacker der Kniepenberg um 75 m und die Weiße Lissa um 95 m.
Fließgewässer Die Schmale Aue, ein Nebenfluss der Seeve, bei Sudermühlen
Die Heide wird von ihren Flüssen entweder nach Norden zur Elbe hin entwässert oder nach Süden zur Aller hin. Entsprechend dem annähernd diagonal verlaufenden Haupthöhenzug steigert sich die Länge der Aller-Nebenflüsse von Osten nach Westen, die der Elbe-Nebenflüsse in umgekehrter Richtung. Nur die Wümme, die zusammen mit ihrem Hauptquellast Haverbecke im Westen des Wilseder Berges entspringt, mündet, als Lesum, in die Weser. Zur Aller fließen die durch das Große Moor bei Gifhorn fließende Ise, die das Lüßplateau entwässernde Lachte, die in der Zentralheide entspringende Örtze, die von der Falkenberg-Endmoräne herabkommende Meiße und, als längster Fluss, die Böhme. Auch sie gehören damit zum Flusssystem der Weser. Zur Elbe hin entwässern die Ilmenau als größter Fluss der Heide überhaupt, die rasch fließende Luhe, die den nördlichen Haupthöhenzug entwässernde Seeve und die durch Buxtehude fließende Este. Im Luhetal nordwestlich von Schwindebeck liegt die Schwindequelle, die zweitstärkste Quelle Niedersachsens.
Geologie
Die Lüneburger Heide ist oberflächennah fast ausschließlich aus Ablagerungen des Eiszeitalters (Quartär) aufgebaut. Die Landschaft besteht aus flachwellig reliefierter Grundmoräne, aus hügeligen Endmoränenzügen und aus vor der Eisfront abgelagerten ebenen Sandern.
In der Saale-Kaltzeit (230.000–130.000 Jahre vor heute) war das Gebiet der heutigen Lüneburger Heide dreimal von einem Inlandeisschild bedeckt. In der Weichsel-Kaltzeit (110.000–10.000 Jahre vor heute) bedeckte das Inlandeis das Gebiet der Lüneburger Heide nicht mehr; es reichte nur noch bis an die Elbe. Aufgrund der Vegetationsarmut wurde das damals noch stärker ausgeprägte Relief durch Abspülung, Ausblasung und Solifluktion vergleichmäßigt. Es entstanden allerdings auch ausgeprägte Täler wie das der Schmalen Aue mit bis zu 90 Metern Tiefe und Talkessel wie der über 30 Meter eingesenkte Totengrund. Verbreitet liegt an der Oberfläche ein durch Frostwechsel und Bodenorganismen umgelagertes sandiges Grundmoränenmaterial. Es wird als Geschiebedecksand bezeichnet und hat in der Lüneburger Heide eine Dicke von 0,4 bis 0,8 Metern (in Hanglagen bis zu 1,5 Metern).
Klima
Die Lüneburger Heide liegt großklimatisch in der subatlantischen gemäßigten Zone mit milden Wintern und kühlen Sommern bei ganzjährigen Niederschlägen. In der Hohen Heide hat sich ein kleines Bergklima mit niedrigeren Temperaturen und, besonders im Westteil, höheren Niederschlägen als im Umland ausgebildet. Das Lüßplateau ist durch eine besondere Frosthäufigkeit gekennzeichnet.
Klimadiagramm von Soltau NaturNaturparks und Naturschutzgebiete
Lage des Naturparks Lüneburger Heide
Im Nordwesten der Lüneburger Heide befindet sich das 1077,92 km²[21] große Gebiet des Naturparks Lüneburger Heide. In dessen Kern liegt das schon 1921 um den Wilseder Berg gegründete Naturschutzgebiet Lüneburger Heide mit 234 km², von denen etwa 58 Prozent Wald- und 20 % Heideflächen sind. An das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide schließt sich im Nordwesten das Naturschutzgebiet Seeve an.
Weitere Naturparks in der Region Lüneburger Heide sind der Naturpark Südheide und der Naturpark Elbhöhen-Wendland.[22] Das NSG Lüneburger Heide stellt, zusammen mit den offenen Heideflächen der großen Truppenübungsplätze Munster Nord und Süd sowie dem Truppenübungsplatz Bergen, die größten zusammenhängenden Heideflächen Mitteleuropas dar. Innerhalb des ehemaligen Regierungsbezirkes Lüneburg befinden sich 212 einzelne Naturschutzgebiete (Stand 31. Dezember 2006).[23]
Entstehung und Entwicklung der Heidelandschaft Lüneburger Heide
Nach dem Ende der Weichseleiszeit (vor 115.000 bis 10.000 Jahren) entstanden auf dem Gebiet der heutigen Lüneburger Heide erste Wälder, die sich infolge der natürlichen Sukzession und aufgrund einer langsamen Klimaverbesserung von Birken-Kiefernwäldern über Haselwälder hin zu lichten Traubeneichenwäldern entwickelten.
Die Heide und ihr Umland gehören zu jenen Gegenden der Norddeutschen Tiefebene, in denen die jägerischen Kulturen des Mesolithikums schon früh von neolithischen Bauern verdrängt wurden. Auf den flachgewellten, sandigen Geestflächen der Lüneburger Heide entstanden bereits in der Jungsteinzeit seit 3000 v. Chr. durch intensive Beweidung der damaligen Traubeneichenwälder und der damit verbundenen Zerstörung des nachwachsenden Waldbestandes größere offene Flächen, die sich mit einer weitgehend beweidungsresistenten Pflanzenart bestockten, der Besenheide (Calluna vulgaris). Allerdings gelang es den Eichen- und Buchenwaldgesellschaften immer wieder, vom Menschen aufgegebene Heiden zu besiedeln. Über lange Zeiträume hinweg wechselten auf dem Gebiet der Lüneburger Heide Perioden mit einer großen Ausdehnung der Heiden und solche mit einer weitgehend geschlossenen Walddecke und nur kleinen Heideflächen. Zuletzt nahm nach der Zeit der Völkerwanderung der Waldanteil des Gebietes erheblich zu.[24]
Erst ab dem Jahr 1000 zeigen Pollendiagramme einen stetigen Rückgang der Waldbestände und eine erhebliche Ausbreitung der Calluna-Heiden. Dies wird mit der Umstellung von einer ortsungebundenen zu einer ortsgebundenen Landwirtschaft mit Dauersiedlungen in Verbindung gebracht. Es entstand die typische Heidebauernwirtschaft: Aufgrund der armen Böden mussten die wenigen vorhandenen Nährstoffe eines großen Gebietes auf verhältnismäßig kleinen Äckern konzentriert werden, damit dort überhaupt noch Getreide angebaut werden konnte. Dies geschah durch die regelmäßige Abtragung des Oberbodens (Plaggen), der als Streu für die Ställe der Heidschnucken verwendet wurde. Dieser wurde dann – angereichert mit dem Kot und Harn der Schafe – als Dünger auf die Felder aufgebracht.
Durch die sogenannten Plaggenhiebe wurde die Regenerationskraft der Böden erschöpft. Die regelmäßige Abtragung des Oberbodens führte zur Ausbreitung der Heide. Bei der Zersetzung des Heidekrauts sinkt der pH-Wert des Bodens drastisch, gelangt bis in den Eisen-Pufferbereich bei pH 3, was den Prozess der Podsolierung initiiert. Das Bodenleben wird empfindlich gestört, was dazu führt, dass unterhalb der Wurzelschicht der Heide bei etwa 40 cm Tiefe eine verhärtete Bodenschicht entsteht, der undurchlässige Ortstein oder die Ortserde, an der die im Oberboden gelösten Eisen- und Humusteilchen wieder ausfällen. Der Unterboden schottet sich also quasi vom Säureeintrag aus dem Oberboden ab. Aus dem oberen Teil des Bodens sind die Nährstoffe weitgehend ausgewaschen, was zu einer Bleichung führt. Dies verursacht die typischen grau-weißen Wanderwege der Heide. Der Schafstall – ein für die Heide im 19. und frühen 20. Jahrhundert charakteristisches Gebäude.
Gemälde von Erwin Vollmer, 1904
Die vielfach auch in Büchern geäußerte Ansicht, die Heide sei im Mittelalter durch den Holzbedarf der Lüneburger Saline entstanden, ist nicht klar belegbar:[25] Die Lüneburger Saline benötigte große Mengen Brennholz zum Betrieb der für die Salzgewinnung erforderlichen Sudpfannen. Die benötigte Menge wäre selbst in der Hauptzeit der Produktion (Blütezeit der Hanse) von einer kleineren Waldfläche nachhaltig zu liefern gewesen, die Heide ist jedoch über 7000 km² groß. Auch kam das Holz nicht aus der Heide, sondern über den Wasserweg, insbesondere aus Mecklenburg über die Elbe und aus dem Gebiet des Schaalsees. Der Landweg (es fließen außer der auch damals nur bedingt schiffbaren Ilmenau keine Flüsse aus dem Kernbereich der Heide nach Lüneburg) wäre viel zu kostspielig gewesen. Dies lässt sich nicht nur durch die teilweise noch vorhandenen Lieferscheine nachweisen, sondern auch durch die Tatsache, dass sich um Lüneburg noch große Wälder gehalten haben, z. B. die Göhrde. Schließlich haben sich Heiden vielfach dort entwickelt, wo sich keine Salinen befinden, nämlich in den Schaf-Beweidungsgebieten an den Küsten von Norwegen bis Portugal sowie in Schottland und Irland.
Die Heide ist keine Naturlandschaft, sondern eine erst durch das Eingreifen des Menschen geschaffene Kulturlandschaft. Um ein Zuwachsen der halboffenen Heidelandschaft durch Bäume, vor allem Kiefern, teilweise auch Sandbirken, zu verhindern, lässt man regelmäßig Schafe die Flächen abweiden. Zum Einsatz kommen fast ausschließlich die einheimischen Heidschnucken. Damit wird verhindert, dass jahrtausendealte Lebensräume mit vielen an diese Landschaft angepassten, häufig sehr seltenen Tier- und Pflanzenarten verloren gehen.
Pflanzengesellschaften
Die potenzielle natürliche Vegetation des Gebietes der Lüneburger Heide wäre Hainsimsen-Buchenwald, an sehr trockenen Stellen mit extrem sauren Böden Flechten-Kiefernwald. Aufgrund der intensiven Nutzungseingriffe des Menschen ist diese Vegetation praktisch nirgendwo mehr anzutreffen. Es entstanden vielfältige Ersatzgesellschaften.[26]
In der Lüneburger Heide sind im 20. Jahrhundert zahlreiche Vegetationsaufnahmen durchgeführt worden, so dass sie zu den pflanzensoziologisch am besten untersuchten Gebieten Mitteleuropas zählt.
Heiden
Die Sandheiden sind auf etwa 20 % der Fläche des Naturschutzgebietes Lüneburger Heide anzutreffen. Sie lassen sich in mehrere Untergesellschaften gliedern, von denen die bedeutendsten hier aufgeführt sind:
Typische Sandheide bei Wilsede -
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Neben der Besenheide (Calluna vulgaris) kommen nur noch wenige höhere Pflanzen vor, von denen keine als gute Charakterart gelten kann. Hier wären insbesondere die Draht-Schmiele (Deschampsia flexuosa) und der Gemeine Wacholder (Juniperus communis) zu nennen. Die typische Sandheide nimmt den größten Teil der Heideflächen ein. Ihr Anteil hat in den letzten Jahrzehnten auf Kosten von anderen Heide-Untergesellschaften zugenommen. Diese Artenverarmung kann durch den zunehmenden Stickstoffeintrag aus der Luft, die Anhäufung von Rohhumusauflagen und die tendenzielle Überalterung der Heideflächen erklärt werden.
Sie kann durch das Vorkommen verschiedener Rentierflechten (Cladonia), des Wimpernmooses (Ptilidium cilliare) und des Wacholder-Haarmützenmooses (Polytrichum juniperinum) von den anderen Heide-Gesellschaften unterschieden werden. Sie kommt hauptsächlich an trockenen südexponierten Hängen vor. Das Verbreitungszentrum dieses Heidetyps liegt westlich von Niederhaverbeck und bei Sudermühlen.
Sie unterscheidet sich von anderen Heide-Gesellschaften durch das Vorkommen von Dreizahn (Danthonia decumbens), Pillen-Segge (Carex pilulifera), Borstgras (Nardus stricta), Feinschwingel (Festuca filiformis), Kleinem Habichtskraut (Hieracium pilosella) und Feld-Hainsimse (Luzula campestris). Lehmheiden sind im NSG Lüneburger Heide inzwischen sehr selten geworden. Sie liegen am Wilseder Berg sowie südlich von Niederhaverbeck.
Sie zeichnet sich durch das Vorkommen von Heidelbeeren (Vaccinium myrtillus), seltener von Preiselbeeren (Vaccinium vitis-idaea) aus. Sie ist der zweithäufigste Vegetationstyp der Heideflächen und kommt bevorzugt an Nordhängen, Waldrändern und dichten Wacholderhainen vor. Besonders ausgeprägt ist diese Heide-Gesellschaft am Nordhang des Wilseder Berges, im Stein- und im Totengrund. Dort haben Heidelbeeren stellenweise die Besenheide (Calluna vulgaris) verdrängt.
Dort kommen Pfeifengras (Molinia caerulea), Glocken-Heide (Erica tetralix) und Rasige Haarsimse (Scirpus cespitosus) vor. Sie tritt auf grundwassernahen Standorten und im Übergang zu Mooren auf. Schwerpunkte sind Flächen nördlich von Wilsede und bei den Hörpeler Teichen.[27]
Der größte Teil des Naturschutzgebietes Lüneburger Heide (etwa 58 %) besteht aus Wäldern und zwar hauptsächlich aus Kiefernforsten, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf ehemaligen Heiden und Flugsanden in Monokultur gepflanzt wurden. Teilweise bewaldeten sich insbesondere die Dünen auch von selbst und zwar ebenfalls mit Kiefern. Ein besonders bekannter „natürlicher“ Kiefernwald sind die Döhler Fuhren zwischen Wilsede und Döhle. Er entstand im frühen 19. Jahrhundert durch Kiefernsamenanflug auf ehemaligen Sanddünen. Es existieren nur noch ganz wenige ältere Traubeneichenbestände, die auf königliche Holzungen zurückgehen, z. B. die Wälder der Hanstedter Berge. An vielen Stellen des Naturschutzgebietes, so auf dem Wümmeberg und beim Hof Tütsberg befinden sich auch sogenannte Stühbüsche, also Bäume, die im Niederwaldbetrieb genutzt und immer wieder geköpft wurden. Inzwischen sind sie jedoch aus dieser Nutzung herausgewachsen und es
Publisher: BookRix GmbH & Co. KG
Publication Date: 04-10-2020
ISBN: 978-3-7487-3558-8
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Dedication:
Der Autor, Journalist, Fotograf, Musiker Tork Poettschke aka Christopher Doemges wurde 1980 in der Westfalenmetropole Dortmund geboren. Nach Besuch des Gymnasiums Leben & Arbeit am legendären Borsigplatz, Dortmund-Nord, Gründungsstätte des BVB 09, in eiserner Junggeselligkeit als freier Journalist und Künstler. Zahllose Buchpublikationen in diversen Editionen, musikalische Lesungen, journalistisch-investigative Tätigkeit. Poettschke ist Vater zweier Söhne, welche er mit seiner afrikanischen Geliebten gezeugt. Zahlreiche Auslandsaufenthalte etwa im Nahen Osten, Afrika, dem Balkan oder Fernen Osten. Schließlich Rückzug in klösterliche Abgeschiedenheit. "Versorgungsbrücke steht", so Tork Poettschke alias Christopher Doemges.