Cover

Titel

 

 

 

 

Melanie Jungk

 

 

 

 

Ekeltod

 

 

 

Ein Fürstenauer Kriminalroman

 

 

 

Einleitung

Lieber Leser, liebe Leserin,

 

dies ist der vierte Teil meiner Fürstenauer Kriminalromane. Er spielt in dem schönen Städtchen Fürstenau im Osnabrücker Nordland. Die Örtlichkeiten der Stadt wurden so beschrieben, wie es sie auch wirklich gibt.

Hier und da wurden zum Wohle der Handlung kleine Veränderungen vorgenommen, die der Wirklichkeit nicht entsprechen.

Die Personen, sowie die Handlung wurden von mir frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind reiner Zufall. Sollte eine Person doch namentlich erwähnt sein, dann hat sie es so gewollt…

Prolog

Die alte Tür quietschte, als sie geöffnet wurde. Durch das kleine Dachfenster drangen Sonnenstrahlen hinein und erhellten den Raum. Staub tanzte durch die Luft. Unglaublich, was hier herumstand! Die vielen Spinnweben und eine dicke Staubschicht ließen erahnen, wann das letzte Mal jemand diesen Raum betreten hatte.

Wo sollte man anfangen? Ein großer, alter Schrank stand heroisch in der Mitte. Auch ohne jedes Fachwissen konnte man sehen, dass er handgemacht war. Der würde sicherlich einiges bringen! Mit Freude bemerkte man, dass die Schlüssel noch in den Türen steckten. Das war gut. Erwartungsvoll öffnete man die Tür, aber der Schrank war leer! Zum Glück war dies nicht das einzige Möbelstück auf diesem Dachboden. Dort standen noch sechs Stühle, zwei Kommoden und ein kleiner Tisch. Der Schaukelstuhl, der unter diversen Kartons zum Vorschein kam, war leider nicht mehr zu retten. Schade. Aber hier lag noch genug herum, was man zu Geld machen konnte. Ein sehr alter Reisekoffer samt Reiseutensilien aus Elfenbein war das persönliche Highlight. Das hier war eine richtige Goldgrube.

Die letzte Ecke wurde langsam leergeräumt und brachte erst einmal nur Krimskrams zutage. Altkleider, Säcke voller Schuhe und kaputtes Kinderspielzeug konnte man nicht brauchen. Für die alten Aus-fertigungen des Bersenbrücker Kreisblattes gab es aber vielleicht Interessenten.

Dann fand man ein Schränkchen, in dem unzählige Porzellanfiguren standen. Hiermit kannte man sich nicht aus, aber aus einer gerade beliebten Fernsehserie, in der Menschen ihre Waren an Händler verkaufen konnten, wusste man, dass so etwas durchaus kostbar sein konnte. Vorsichtig begutachtete man jede einzelne Figur und versuchte, sich an die Marken aus dem Fernsehen zu erinnern. Ganz hinten in der letzten Ecke stand ein bunter Vogel. Er war viel größer als die anderen Figuren und sah auch anders aus. Als man die Marke auf der Unterseite betrachtete, stockte einem der Atem. Diese hatte man sich merken können. Auch war ein Datum, zumindest eine Jahreszahl aufgedruckt: 1823. Man konnte sein Glück gar nicht fassen. Das Ding war uralt. Man drehte es vorsichtig in der Hand. Keine Macken oder Fehler waren zu erkennen. Es war perfekt! Das würde sicher ganz viel Geld bringen. Sollte man damit in diese Fernsehsendung gehen? Versuchen konnte man es ja mal.

Das Knie schmerzte und man stellte sich wieder auf. Wie schön er war! Früher hatten die Handwerker noch was drauf. Eine Taube landete geräuschvoll auf dem Dachfenster. Man schrak so sehr zusammen, dass einem die Figur aus der Hand fiel. Hektisch versuchte man, sie noch aufzufangen, aber es gelang nicht.

„Scheiße, nein!“, schrie man, aber dann war es schon geschehen. Das Kunstwerk fiel auf den Boden und zersprang in tausend Teile. Es dauerte einen kleinen Moment, bis man realisierte, was passiert war. Tränen rannen über die Wangen, als man die Einzelteile aufsammelte. Aber dann geschah etwas Unglaubliches.

Als man nach den Flügeln griff, die fast unbeschädigt geblieben waren, entdeckte man, dass etwas darin steckte. Was war das? Die zusammengerollte Pergamentrolle war mit einem Siegel verschlossen. Das hatte man schon einmal gesehen! Nach kurzem Überlegen fiel einem wieder ein, wo. Man ging zurück zu dem Schaukelstuhl und schaute in einen der Kartons, in denen sich unzählige alte Bücher befanden. Das gesuchte Buch lag oben auf. Nach kurzem Blättern hatte man die richtige Seite gefunden. Es war das Siegel des Fürstbischofs Erich von Braunschweig-Grubenhagen. Kein Zweifel. Damit war das Schriftstück aus dem 16. Jahrhundert! Aufgeregt las man, was über den Mann geschrieben stand. Er war 1532 während eines Festmahles in Fürstenau gestorben. Ein Zufall? Man zog sich einen Stuhl heran und suchte weitere Informationen. Dann fand man ein Schriftstück, in dem sein Tod genauer beschrieben wurde. Mit rotem Kopf musste man die Zeilen gleich drei Mal lesen, bevor man es glauben konnte. Es hielt sich eisern das Gerücht, dass der Fürstbischof vergiftet, also ermordet worden war. Dafür konnte es viele Gründe geben. Vielleicht verbarg er einen kostbaren Schatz, der nicht in die falschen Hände fallen sollte. Nun begann das Herz schneller zu schlagen. Wie versteinert schaute man auf die Pergamentrolle, die auf dem kleinen Schränkchen im Staub lag. Hatte man vielleicht die Lösung dieses Rätsels gefunden? War dies eine Karte zu dem Schatz? Oder enthielt sie Details zu seinem Tod? Die Hände zitterten und man ließ sie langsam in den Schoß sinken. Was hatte man da nur gefunden? Nach mehrmaligem lautem Ausatmen stand man auf und ging zu dem Schränkchen hinüber. Harmlos lag sie da. Durfte man sie überhaupt behalten? Ja. Sie gehörte einem ja. Alles auf diesem Dachboden gehörte einem. Gefunden ist gefunden. Also konnte man damit machen, was man wollte. Sollte man sie öffnen? Was würde man finden? Man wusste es nicht. Vorsichtig nahm man sie erst einmal in die Hand. Und wenn man durch das Öffnen irgendetwas zerstörte? So wie in Filmen? Eine gefühlte Ewigkeit blieb man stehen und dachte angestrengt nach.

Dann siegte die Neugierde und man öffnete ganz vorsichtig das Siegel. Auf den ersten Blick schien das Schriftstück echt zu sein. Man hatte einige Probleme, die verschnörkelte Schrift zu entziffern. Aber das war nicht der einzige Grund, warum man es mehrmals lesen musste. Man konnte nicht glauben, was man da las! Wenn das der Wahrheit entsprach! Mit dem Schreiben in der Hand setzte man sich wieder auf den Stuhl. Die Handflächen waren feucht geworden und man wischte sie in der Hose ab. Was für ein Fund! Ohne sie zu lesen, schaute man auf die mit Tinte geschriebenen Wörter. Hier hielt man vielleicht die Lösung aller Probleme in der Hand. Nein, nicht nur vielleicht! Das war die Lösung. Man konnte es gar nicht glauben. Das war die Chance, sein eigenes eintöniges Leben zu ändern. Komplett zu ändern! Damit würde man unabhängig werden. Ein Traum! Man konnte sein Glück gar nicht fassen! Aber jetzt durfte man nicht übermütig werden, sondern musste bedacht handeln. Was sollte man jetzt tun? Wie sollte man sich verhalten? Jetzt nur nicht den zweiten vor dem ersten Schritt machen! Als Erstes brauchte man einen verdammt guten Plan.

 

Eins

In ihrem Nacken spürte sie seinen Atem. „So, kleine Lady. Gleich ist es so weit. Die letzten Sekunden haben begonnen. Möchtest du mir noch irgendetwas sagen?“ Ihr Herz schlug wie verrückt und ihr Kopf versuchte mit Hochdruck, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden.

„Nenn mich nicht kleine Lady!“, knurrte sie ihn an. „Du wirst das bereuen! Ich schwöre dir, du wirst das bereuen!“ Sie hörte sein Lachen. Die Gurte nahmen ihr die Luft, als sie versuchte, sich nach ihm umzudrehen. Es war zu spät. Mit seinem ganzen Körpergewicht drückte er sich an sie, so dass sie nach vorne kippte und fiel. Im ersten Moment war sie so perplex, dass sie erst nach Sekunden wild mit Armen und Beinen strampelte und sich gleichzeitig die Lunge aus dem Hals schrie.

Der Boden mit den klitzekleinen Häusern unter ihr kam stetig näher. Nach einer gefühlten Ewigkeit gab es einen starken Ruck und der Fallschirm öffnete sich. Plötzlich wurde es ganz still. „Jetzt zappel doch nicht so“, ermahnte er sie. „Ich kann nicht anders. Das ist doch der reine Wahnsinn! Warum machst du das mit mir?“ „Weil du mal entspannen sollst. Das ist so ein befreiendes Gefühl! Findest du nicht?“ „Entspannen?“ „Ja. Das Wetter ist toll, der Himmel klar. Perfekt! Schau doch, wie weit man heute sehen kann.“

Die Landschaft unter ihr wurde langsam größer. Die grüne Fläche des Flugplatzes war ihr Ziel. Sie hörte die Menschen bereits jubeln und klatschen, als ihr Tandemmaster sie erinnerte: „Und jetzt die Füße ganz hoch!“

 

Endlich, der feste Boden hatte sie wieder. Die umstehenden Leute applaudierten. Jasmin konnte es gar nicht erwarten, die Ausrüstung wieder loszuwerden. Ungeduldig zog sie an den Gurten. „Nun warte doch einen Moment.“ Ihr Mann schob ihre Hände beiseite und schnallte sie von sich los. Arne war der Erste, der die beiden erreichte. „Mensch, Jasmin. Chapeau! Das hätte ich nicht gedacht. Du bist tatsächlich gesprungen! Wie war’s? Geil, oder?“

„Nee, gar nicht.“ Endlich stand sie wieder allein auf ihren Beinen. „Das mache ich nie wieder. Man muss in der Ehe nicht alles teilen!“

Die Vereinskollegen ihres Mannes kamen und gratulierten ihr ebenfalls. Arne lächelte verschmitzt. „Was machst du nie wieder? Fallschirm springen oder mit deinem Mann wetten?“ „Beides!“ Rainer trat zu ihr und gab ihr einen Kuss. Da er mehr als einen Kopf größer als seine Frau war, musste er sich bücken. „Ich bin stolz auf dich, kleine Lady.“ „Damit ist meine Wettschuld wohl beglichen. Nie wieder wirst du mich dazu kriegen. Und nenn mich nicht immer kleine Lady!“

 

Die Menschentraube löste sich langsam auf und Rainer war damit beschäftigt, seinen Fallschirm zusammenzupacken. Arne und Jasmin machten sich bereits auf den Weg zu ihrem Dienstfahrzeug. „Jetzt sag mal ehrlich. War das wirklich so schlimm?“, begann Arne. Jasmin zögerte. „Die Aussicht und so, das war schon beeindruckend. Aber das Gefühl, sein Schicksal nicht selber in der Hand zu haben, das ist irgendwie beunruhigend.“ „Aber er ist doch dein eigener Ehemann. Wem willst du denn vertrauen, wenn nicht ihm?“ Jasmin öffnete ihren Dienstwagen und blieb Arne diese Antwort schuldig.

„Bist du jetzt überhaupt diensttauglich oder spielt dein Adrenalin noch verrückt?“ „Mach dir da mal keine Sorgen.“ Arne nickte. „Aber ich fahre.“

҉

 

Etwa eine Stunde später betraten die beiden Kommissare ihre Arbeitsstätte. Arne ging schnurrstraks auf die Kaffeemaschine zu, als sie ihr Büro erreichten. „Willst du auch?“, fragte er und sie verneinte. Er griff nach der Glaskanne und hätte sie fast fallen lassen, weil Jasmin einen spitzen Schrei ausstieß.

„Was ist passiert?“, fragte er erschrocken.

Auf dem Schreibtisch der Kommissarin lag ein brauner Umschlag, auf dem mit großen Lettern stand: Für Frau Hauptkommissarin Jasmin Krüger.

„Der Fall war doch geklärt, oder?“, stammelte Jasmin. „Ist bei der Gerichts-verhandlung irgendetwas schiefgelaufen?“

Arne verstand sofort, was sie meinte. Sie dachte an den Morgengrauenkiller-Fall.

„Nein, alles normal verlaufen. Lebenslage Haftstrafe, wie erwartet.“

Er blickte auf seinen Schreibtisch und entdeckte auch dort einen Umschlag, nur mit seinem Namen.

„Genauso hat es damals angefangen“, begann Jasmin. „Nur dass ein Päckchen auf meinem Tisch stand. Die Schrift und die Wörter, alles ist gleich.“

„Aber wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass man zum zweiten Mal von einem Serienkiller zum perfiden Spiel herausgefordert wird?“ Arne schüttelte zweifelnd den Kopf. „Das ist genauso wahrscheinlich, wie die Möglichkeit, dass immer, wenn in diesem Kaff Fürstenau ein Mord passiert, wir darin verwickelt sind! Also, ich fahr da nie mehr hin. Ist besser für mich und die Gesundheit der Fürstenauer! Man sagt doch: Aller guten Dinge sind drei. Drei Verbrechen aufgeklärt, Pflicht erfüllt.“ Jasmin setzte sich auf ihren Platz.

„Und, was ist das hier nun? Wenn wir beide es bekommen, scheint es offiziell zu sein.“ Arne hatte inzwischen die Kaffeemaschine zum Laufen gebracht und ging neugierig zu seinem Platz. Jasmin öffnete den Umschlag und zog ein Blatt Papier heraus. Sie las die Zeilen zwei, drei Mal durch und konnte es einfach nicht glauben! Arne, der den Inhalt inzwischen auch kannte, sah seine Kollegin an. Diese warf das Schreiben auf den Tisch und schimpfte: „Auf gar keinen Fall! Ohne mich! Das kannst du alleine machen!“ Arne zog den gelben Haftnotizzettel von dem Papier und sagte: „Du musst aber! Befehl von ganz oben.“

Jasmin verzog das Gesicht, als ob sie weinen müsste. „Was ist das heute für ein Scheißtag? Zuerst der blöde Sprung, und nun das! Was habe ich getan? Bitte sag mir, dass das hier versteckte Kamera ist. Ihr wollt nur sehen, wie ich mich quäle.“ „Nein, ist es nicht!“ Arne grinste breit.

„Ich will aber nicht noch einmal nach Fürstenau, ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht! ICH WILL NICHT!“

Arne amüsierte sich über ihre trotzige Reaktion und goss noch einmal Öl ins Feuer: „Du wirst Fürstenau jetzt öfter besuchen

Imprint

Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Publication Date: 06-03-2020
ISBN: 978-3-7487-4437-5

All Rights Reserved

Next Page
Page 1 /