Die Menschen lebten wie im Schlaraffenland. Milch und Honig kauften sie rund um die Uhr ein, wenn es sein musste um teures Geld an der nächsten Tankstelle. Ihre Bäuche wurden rund, ihre Bewegungen träge, ihre Handlungen gedankenlos.
Diesem Treiben sahen die Götter nun bereits viel zu lange zu. Sie fragten sich, ob sie die Menschen überschätzt und zu früh aus ihrer schützenden Obhut gelassen hatten?
Der König des Westens baute bereits hohe Mauern um sein Reich. „Ich verschenke unser Land nicht an heimatlose Flüchtlinge!“ Begeistert jubelt sein Volk ihm zu. Großzügig bewaffnete er es zum Dank. Schon zogen Amokläufer mit Maschinengewehren mordend durch Kinos und Schulen. Mit seiner Wirtschaft tötet er bedenkenlos die Natur und versklavt Menschen in dem er ihnen ihre Würde nimmt.
Der König des Ostens entlässt hunderttausend Beamte, Richter und Lehrer und lässt seine Gläubigen bespitzeln. Manche Journalisten und Menschenrechtler äußern sich kritisch, woraufhin er sie in den Kerker werfen lässt und ihnen mit der Todesstrafe droht. Ohne Bedenken schürt er Krieg und Terror.
Der König der ewigen Stadt, stellt als einziger seinen Tempel auf den Kopf und ist für sein Volk ein neuer bescheidener Hoffnungsträger. Damit machte er sich viele Feinde unter seinen eigenen, den feudalen Glanz vermissenden, Hirten. „Es muss nicht immer alles beim Alten bleiben!“, ruft er ihnen zu. Sie nehmen es ihm trotzdem übel und sägen seinen Thron an.
Das Glück der Menschheit war den Göttern aber nicht gleichgültig. Die ältesten unter ihnen berieten sich und riefen schließlich die in die Unterwelt verbannten Titanen herauf um den Menschen einen gehörigen Schreck einzujagen.
Diese freuten sich und berieten sich eifrig welche Qualen sie anwenden könnten.
„Wir träufeln unbemerkt Gift auf die Haut der Menschen!“, kam der erste Vorschlag. „Sie vergiften sich längst selbst“, antworteten die Götter.
„Wir verwirren ihren Geist und lassen sie Amok laufen!“, war der nächste Vorschlag. „Auch das geschieht bereits, ihr müsst Euch schon mehr bemühen.“
„Dann werden wir die Naturgewalten entfesseln und schicken ihnen Flutwellen und Erdstöße!“. Als ihnen die Götter bedauernd mitteilten, dass die Menschen auch diese Qual bereits selbst heraufbeschworen hatten, wurden die Titanen vom Zorn gepackt und zerfleischten sich in ihrer Raserei gegenseitig.
„Wir müssen wohl einen aus unseren Reihen zu den Menschen schicken!“, entschieden die Götter schließlich. Doch keiner wollte sich freiwillig melden. „Diese Erde, das ist doch einfach unzumutbar!“, winkte ein Held nach dem anderen ab. „Er darf nicht weiß sein, nicht braun, nicht gelb, nicht schwarz, das würde alles nur noch schlimmer machen!“, meinten die einen. „Wie wäre es mit einem Engel? Das hat doch schon einmal funktioniert! Nein, die Wissenschaftler würden ihn sezieren und in Spiritus einlegen.“ So stritten die Götter und die Jahre vergingen inzwischen auf der Erde.
Unbemerkt hatte sich Eiras, die Tochter des Apollodorus, aus dem Reich der Götter hinabbegeben auf die Welt der Menschen. Ihr Vater hatte ihr, Zeit seines Lebens, immer von den Menschen vorgeschwärmt und viele ihrer Tugenden hervorgehoben. Diese Tugenden will sie nun einsetzen und die Erde zu einem Ort voller Liebe und Eintracht machen.
Als Eiras vom Götterhimmel aus auf die Erde niederfuhr, hatte sie nicht bedacht, dass die Schwerkraft sie mit voller Wucht erwarten würde. Im letzten Moment verdichtete sie ihren Körper, bevor sie die Erde betrat. Dabei erschlug sie versehentlich den Großrechner der Wall Street.
Von dem einen Tag zum anderen änderte sich vieles zum Guten. Alle Schuldscheine waren vernichtet worden und auch die Aufzeichnungen über die genaue Vermögenslage jedes einzelnen Menschen blieben verloren. Plötzlich besaßen die Armen dasselbe wie die ehemals Reichen.
Die Mehrzahl der Leute reagierte erfreut. Sie bedankten sich überschwänglich feierten tagelange Feste und ließen es sich nicht nehmen ihr einen sprechenden Papagei zu schenken.
Red, so hieß der Papagei, erzählte ihr seine Lebensgeschichte. Dass er im brasilianischen Urwald zur Welt kam, aber bei einer illegalen Brandrodung seine Familie verloren hatte. Eiras ist empört und versichert dem Papagei den schuldigen Verantwortlichen zu suchen und ihn zur Verantwortung zu ziehen. Gemeinsam machten sie sich auf, um den Bösewicht zu stellen.
Eines Tages verliefen sie sich im dunklen Dschungel, das Blätterdach war so dicht, dass Red nicht in den Himmel fliegen konnte, um nach dem rechten Weg zu suchen. Es wurde dunkel und sie wussten nicht, wo sie die Nacht zubringen sollten. Da sahen sie einen jungen Indianer. Eine rote Feder steckte in einem Band, das er um den Kopf gebunden hatte. Sein langes schwarzes Haar fiel ihm bis auf die Schultern. Unter den Augen war er mit roter Farbe bemalt. Sie redeten den Indianer an und fragten, ob er ihnen für die Nacht ein Dach über dem Kopf verschaffen könnte. „Ja, “ sagte der Indianer, „aber es könnte das letzte sein, was ihr in eurem Leben sehen würdet. Mein Stamm befindet sich auf Kriegspfad gegen die weißen Sklavenhändler. Ein hübsches blondes Mädchen und ein Papagei mit vielen roten Federn würde ihnen gerade recht kommen.“
Eiras zeigte sich entsetzt. „Ich dachte, die Zeit der Sklavenhändler wäre längst vorüber.“
Was Eiras nicht wusste war, dass die wegen ihr verarmten Reichen in den Dschungel gezogen waren, um einer alten Legende nach, den Goldschatz von El Dorado zu suchen und so ihren alten Reichtum und damit einhergehend ihre verlorene Macht, wieder zurückzuerlangen. Die Indianerstämme dachten aber berechtigterweise, sie wären gekommen um ihr Land zu zerstören. Hania, so hieß der junge Indianer, begleitete sie fortan auf ihrer Suche nach Reds alter Heimat. „Mein Stamm wird meine Hilfe nicht benötigen. Der Fluch von El Dorado wird alle treffen, die so gierig nach seinem Gold suchen.“
Eiras fühlte sich sehr zu dem Indianerjungen hingezogen. Im Laufe ihrer Bekanntschaft, die sich schnell zu einer Freundschaft entwickelte, vermittelte er ihr Verständnis für die Natur und für seine Kultur, was die von den Göttern Entsandte zum ersten Mal Hoffnung schöpfen ließ. Nicht alle Menschen hatten engstirnige und intolerante Ansichten. Die Tugenden, von denen ihr Vater ihr immer erzählt hatte, lebten, hier in diesem jungen Indianer.
Hanias Kenntnisse des Dschungels ließen sie bald Reds alte Heimat wiederfinden. Wo einst das Paradies auf Erden herrschte, wurden nun tausend und abertausende Rinder gehalten. Schon von weitem roch man ihre Ausdünstungen. Ihre Angst und Panik stank zum Himmel. Verendete Rinder lagen zwischen den Hufen ihrer verzweifelten Artgenossen.
Red, der nicht nur mit Menschen, sondern auch mit Tieren sprechen konnte, fragte die Rinder nach dem Aufenthalt ihres Besitzers. „Das ist ein böser Mensch! All sein Trachten geht darauf aus, noch mehr Grundbesitz zu erobern und noch mehr von uns zu quälen. Nehmt euch vor ihm in Acht, er schreckt nicht davor zurück auch Euch Menschen Leid anzutun!“
Eiras schwor den Rindern sie aus ihrem Elend zu befreien.
Bald fanden Sie den Bösewicht. Sein Name war Black Sauron. Auch er hatte durch Eiras Absturz sein ganzes Vermögen verloren. Doch waren ihm die Ländereien, die er sich ergaunert hatte geblieben, die Rinder und sein Schloss, das er sich mitten in den Dschungel gebaut hatte. Red flatterte unbemerkt in dieses Schloss hinein und belauschte Black Sauron wie er mit seinem Spiegelbild sprach: „Ich habe nicht alles verloren, aber ich muss wieder mehr haben, viel mehr! Niemand soll mächtiger sein als ich.“
„Das werden wir verhindern!“, sprach Eiras. „Was könnten wir dagegen unternehmen?“, wandte sie sich Rat suchend an ihre Freunde. „Wir könnten ihn auf die Spur El Dorados locken, dann wäre er genauso verloren wie die anderen habgierigen Goldsucher“, antwortete Hania.
„Du weißt, wo das Gold El Dorados versteckt liegt?“
„Jeder hier weiß von El Dorado und dass dieser Ort verflucht ist!“
"Wohlan denn!", rief Eiras, "wir werden alle Habgierigen besiegen! Jetzt müssen wir sie nur noch auf eine Spur bringen."
„Ich weiß, wie wir es machen“, Hania lächelte verschmitzt. „Wir malen einen Stein mit goldener Farbe an, machen ein Foto und posten auf Facebook wo wir ihn gefunden haben.“
„Was weiß ein Indianer wie Du von Facebook?“, Eiras war erstaunt.
„Wir schreiben das 21. Jahrhundert, jeder weiß von Facebook!“
Voll Übermut machten sie sich an die Arbeit und bastelten einen Artikel der prahlerisch den unverhofften Goldfund, samt versteckter Hinweise auf El Dorado, beinhaltete, aber auch den Zusatz, dass alle die sich dem Ort näherten, verflucht sein würden. Sie teilten den Artikel mit Black Sauron und allen seinen Freunden und deren Freunden.
Blitzschnell verbreitete der Artikel sich auf der ganzen Welt und es bildeten sich zwei Lager. Das Lager der Glücksritter und das Lager der Tugendhaften.
Von allen Seiten strömte jetzt tobendes Volk herbei. Die einen schlossen sich Black Sauron an, die anderen wiesen mit Transparenten und Sprechchören auf die Gefahren von El Dorado hin und darauf wie gut es ihnen gegangen wäre, seit der Reichtum keinen Platz mehr auf der Erde gehabt hatte.
„Jetzt wird es sich weisen, wie tugendhaft die Menschen sind.“ Nervös beobachteten Eiras und ihre Freunde das Treiben.
"Ich werde El Dorado finden!", donnerte Black Sauron, "ich habe es geschworen, mein Wille muss geschehen!"
„Du wirst es mit uns teilen müssen!“, schrien die Glücksritter auf seinen Fersen.
Da tat sich mit einem Donner ein Abgrund inmitten des Dschungels auf und verschluckte die Rasenden. Zurück blieben die anderen und es waren ihrer viele. Manche weinten, hatten sie doch bis zuletzt versucht die Rasenden von ihrem Weg ins Unglück abzuhalten.
„Das werden die Menschen für immer und ewig im Herzen tragen“, titelten die Schlagzeilen.
„Alle werden glauben, es ist nur ein Märchen!“ Eiras reicht Hania ihre Hand und Hania nimmt sie an. Und wenn sie nicht gestorben sind …
Ja, das ist die ganze Geschichte!
Text: Thora Simon
Images: pixabay
Cover: pixabay
Editing: Thora Simon
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Publication Date: 04-10-2018
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Ich habe mich einmal an einem Märchen versucht. Es geht wie so oft um Tugend und Habsucht und um das geheimnisvolle El Dorado.