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Remi

 

„Feierabend“, freue ich mich, während ich aus meiner Kabine trete. Trixi steht am Tresen und sucht mit einer heißen Blondine nach einem Termin. Das knappe Kleid lässt der Phantasie kaum Spielraum und ganz automatisch wird mein Jagdtrieb aktiviert. Provozierend mustere ich sie, als sie mich ansieht und zwinkere. Nicht die feine Art, aber ich bin nur auf ein bisschen Spaß aus. Angewidert verzieht die Schönheit ihr Gesicht und wendet sich kopfschüttelnd ab. Ich nehme es schulterzuckend zur Kenntnis. Macht überhaupt nichts, denn eigentlich stehe ich mehr auf kleine, hübsche Kerle und knackige Ärsche. Aber ich mache Ausnahmen. Man sagt mir nach, dass ich mir nehme, was gerade da ist. Und ich kann es nicht bestreiten. Warum sich festlegen und auf so viel Spaß verzichten?

„Bist du soweit?“, will ich von Trixi wissen, als ihre Kundin weg ist.

„Da bist du ja eiskalt abgeblitzt“, grinst sie unter ihrem schwarz-lila Pony hervor.

„Man kann nicht immer gewinnen. Wollen wir jetzt los?“ Trixi nickt, holt ihre Tasche und wir schließen ab. Jerome hat Urlaub und ist irgendwo in der Karibik. Darum beneide ich ihn schon ein bisschen, um den langen Flug allerdings nicht. Da bleibe ich lieber hier, steche ein paar Tattoos oder Piercings und lasse es abends im Club ordentlich krachen.

„Hast du deine Termine für morgen gecheckt?“, will Trixi wissen.

„Hab nur eine Sitzung, aber die wird sicher hart.“

„Eine Herausforderung für Rembrandt?“, neckt mich Trixi.

„Wo bliebe denn sonst der Spaß? Obwohl Jerome besser für den Job geeignet wäre. Dieses Japanzeugs liegt mir nicht.“

„Dann ist es ein heißer Termin“, schlussfolgert Trixi abfällig, aber ganz richtig. Die Kleine weiß genau, wie sie einen Mann glücklich machen kann, da ist es nur fair, dass sie ihr Tattoo von mir gestochen bekommt. „Ja, Mum, aber ich verspreche, ich werde sie nicht vernaschen.“

„Hast du schon, nehme ich an.“ Trixi kann es nicht leiden, wie ich mich durchs Leben hure und fordert mich mal mehr, mal weniger direkt dazu auf erwachsen zu werden. Aber wozu? Mein Leben ist völlig okay so wie es ist.

 

Wir machen uns nur schnell eine Pizza warm und setzen uns gemeinsam vor den Fernseher. Mit Trixi zusammenzuwohnen hat durchaus seine Vorteile. Es gibt immer sauberes Geschirr, die Wäsche liegt fein säuberlich im Wäschekorb und wird regelmäßig gewaschen und ich esse nur noch selten alleine.

Knatsch gibt es nur, wenn meine One-Night-Stands nicht schnell genug verschwinden, das Bad blockieren, oder völlig ungeniert nackt durch die Wohnung laufen. Wobei letzteres nur einmal vorkam. Könnte aber öfter passieren, denn unsere WG gibt es erst seit zwei Monaten. Es war Trixis Vorschlag, weil wir beide nach einer kleinen Wohnung in der Nähe unseres Geschäftes suchten und nichts fanden.

„Gehst du noch aus?“, fragt sie beiläufig, aber ich kenne sie gut genug um zu wissen, dass sie mich kontrollieren will. Dabei bin ich noch nie zu spät zu einem Termin erschienen, war immer stocknüchtern und frisch gewaschen.

„Nur ein paar Kugeln schieben.“ Misstrauisch sieht mich Trixi an. So lieb sie auch ist, kann die Kleine ganz schön aufdrehen.

„Billard“, schnaube ich.

„Vergiss deinen Termin nicht.“

„Mach ich nicht. Habe ich noch nie“, kann ich mir letzteres nicht verkneifen. Unseren Laden gibt es seit etwa einem Jahr und wenn es um die Arbeit geht, mache ich keine Kompromisse. Schließlich laufen die meisten meiner Kunden ein Leben lang mit meinen Tattoos oder Piercings rum. Das muss passen, ohne Wenn und Aber.

„Fang besser nicht damit an“, knurrt Trixi und schiebt sich das letzte Stück Pizza in den Mund.

„Was hab ich denn nun schon wieder ausgefressen?“

„Nichts.“

„Und warum deine Laune?“

„Ich bin vorsorglich wütend auf dich.“ Verständnislos sehe ich sie an, aber sie kräuselt nur misstrauisch ihre Stirn. „Ich habe eventuell einen Mitbewohner gefunden.“

„Großartig“, freue ich mich ehrlich. Seit wir die WG gründeten suchten wir jemanden, der sich für das dritte Zimmer interessierte. Aber entweder nahmen sie reiß aus, oder wir konnten nichts mit ihnen anfangen.

„Nur so lange du dich benimmst. Er ist ein guter Freund und wenn er nicht unbedingt ein Zimmer bräuchte, würde ich ihn hier nicht anschleppen.“

„Also ist er süß“, grinse ich und Trixi hat nun meine volle Aufmerksamkeit.

„Er ist nicht zu haben.“

„Eine Hete?“

„Dein neuer Mitbewohner“, sagt Trixi bestimmt. Also doch schwul. Mein Grinsen wird breiter.

„Bestimmt ist er alt genug, das selbst zu entscheiden.“

„Remi versprich mir, dass du ihn in Ruhe lässt.“

„Ich tu doch gar nichts.“

„Er ist genau dein Typ, aber mit viel mehr Herz gesegnet, als ihm gut tut. Lass die Finger von ihm, klar?“

„Aber…“

„Scht! Kein aber! Du wirst freundlich zu ihm sein, mehr nicht“, befiehlt Trixi und verdirbt mir den Spaß. „Er hat definitiv etwas Besseres verdient, als dich.“

„Autsch.“

„Du wirst es verkraften“, grinst Trixi und hat verdammt recht damit.

„Vielleicht brauche ich aber heute ein bisschen Frischfleisch, um das zu verdauen.“

„So lange er nicht wieder nackt am Tisch sitzt.“

„Einmal, Trixi, nur einmal“, tue ich genervt und stehe auf. Zeit sich fertig zu machen.

„Einmal zu viel“, ruft sie hinter mir her und provoziert ein Grinsen.

 

Das Schöne an meinem Billardschuppen ist, dass er sich seit etwa fünfzehn Jahren kaum verändert hat. Immer noch total verraucht, noch immer gemischtes Klientel und noch immer ziehe ich die Aufmerksamkeit auf mich, wenn ich den Laden betrete. Letzteres mag ich besonders. Nicht umsonst schmücke ich mich mit Kunstwerken auf und in der Haut und halte mich fit.

„Hey Remi, wieder hier um ein paar Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen“, begrüßt mich Steffi, die Besitzerin und stellt mir ein Glas Cola hin.

„Nur, wenn sie es unbedingt wollen“, grinse ich und trolle mich zu den Billardtischen. Ein paar bekannte Gesichter haben sich bereits versammelt, aber noch bevor ich die Meute erreiche, hält mich ein Kerl im Anzug auf.

„Du bist mir eine Revanche schuldig“, sagt er ernst. Dunkel kann ich mich erinnern, ihm ein bisschen Geld abgenommen zu haben. War aber nicht meine Idee um Geld zu spielen.

„Jederzeit.“

„Leg für uns auf, Süße“, unterbricht er sein Spiel und scheucht seine Freundin herum, während ich meine Cola auf den Stehtisch daneben stelle und den Jungs weiter hinten im Lokal zuwinke. Kopfschüttelnd lacht einer von ihnen und gesellt sich zu mir. „Der wird immer wieder Nachschlag wollen“, seufzt Mark und mustert den Anzugträger.

„Manche lernen es eben nie“, sage ich schulterzuckend und befreie meinen Queues aus dem Koffer.

„Willst du den Anstoß?“, will der Anzug-Typ wissen.

„Mach nur. Ich brauch noch ein bisschen“, deute ich auf meinen Queues und schraube ihn seelenruhig zusammen. Schon wie die Spiele vorher, verhaut er den ersten Stoß total und Mark kichert schadenfroh neben mir.

Bevor ich an den Tisch trete, lockere ich meine Schultern und den Nacken. Ein bisschen Show muss schließlich sein und meine Billardjungs lachen laut genug, dass ich sie hören kann. Grinsend sehe ich kurz zu ihnen, drehe eine obligatorische Runde um den Tisch und beuge mich erst dann hinunter, um meinen Stoß auszuführen. Dabei ziehe ich mein Zungenpiercing zwischen die Lippen und bewege es hin und her, bis ich zuschlage. Die erste Kugel geht rein, auch die zweite und dritte, bis der Anzugträger sich energisch meldet.

„Fünfzig, dass du nicht komplett abräumst.“

„Lass es lieber bleiben“, rät ihm Mark und winkt gleichzeitig die anderen heran.

„Halt du dich da raus! Also? Bist du dabei?“ Meine Kugeln liegen gut und ich bin ziemlich sicher, dass ich es schaffe.

„Mark hat recht, besser du behältst dein Geld“, sage ich nur, um mein Gewissen zu beruhigen. Der Kerl wird bestimmt keinen Rückzieher machen.

„Angst, dass du es nicht schaffst?“ Schulterzuckend wende ich mich wieder meinem Spiel zu. Räume ab, bis nur noch die schwarze Acht zu versenken ist. Grinsend sehe ich zum Anzugstyp, der meinen Blick grimmig erwidert.

„In der oberen linken Ecke“, sage ich an. Nicht gerade einfach, aber absolut machbar.

„Ich leg noch einen Fuffi drauf, wenn du das schaffst.“

Meine Jungs grölen und lachen, sie wissen wie gut ich spiele. Ich konzentriere mich nur auf die verbleibenden Kugeln am Tisch. Blende die Leute und die Musik aus und verpasse der weißen einen kräftigen Stoß, ehe ich mich aufrichte und zusehe, wie ich hundert Euro in nur einem Spiel mache. Gleich neben mir atmet jemand heftig aus und zieht so meine Aufmerksamkeit auf sich. Ein hübscher kleiner Twink hat sich an mich ran geschlichen, lächelt breit, bis er merkt, dass er auf meinem Radar aufgetaucht ist. Räuspernd dreht er sich um und setzt sich zu ein paar Mädels an einen der Tische.

„Einen Hunderter und einen hübschen Arsch. Du bist echt zu beneiden“, grinst Mark und klopft mir auf die Schulter.

„Den hübschen Arsch hab ich noch nicht sicher.“

„Nur eine Frage der Zeit. Er himmelt dich an, seit du reingekommen bist. Gibst du ‘ne Runde aus?“, fragt Mark, macht sich aber schon auf den Weg an die Bar.

„Sag Steffi, sie soll dem Kleinen auch was bringen.“ Mark nickt und ich kassiere derweil ab. Zähneknirschend rückt der Anzugträger die Kohle raus, aber er tut es. Er hätte auf uns hören sollen, naja, vielleicht das nächste Mal.

 

Gemeinsam mit den Jungs ziehe ich mich an unseren Tisch zurück. Während sie herumalbern und sich über den Anzugkerl lustig machen, lasse ich den Kleinen nicht aus den Augen. Vielleicht nicht ganz mein Typ, mit der dicken Brille und dem biederen Outfit, aber warum nicht mal was Neues ausprobieren. Ich habe nicht damit gerechnet, heute irgendwen flachzulegen, aber Gelegenheiten nehme ich nun mal war.

Mark kommt mit einem Tablett voller Kurzer zurück, aber ich lehne dankend ab. Kein Alkohol, vor einem wichtigen Termin. Zwar setze ich mich so dem Gespött der Jungs aus, aber das prallt einfach an mir ab. Außerdem bin ich viel zu beschäftigt den Hübschen von vorhin zu beobachten. Leider sitzt er mit dem Rücken zu mir und so kann ich sein Gesicht erst sehen, als Steffi ihm ein Getränk bringt und auf mich zeigt.

Ich lächle charmant, während der Süße überrascht die Augen aufreißt. Seine Begleiterinnen kichern hinter vorgehaltener Hand und der Twink dreht mir wieder den Rücken zu. Irgendetwas muss er zu Steffi gesagt haben, denn sie zuckt mit den Schultern, sieht schadenfroh zu mir und nimmt das Getränk wieder mit.

„Auweia, da ist Mr. Ich-leg-alles-flach eiskalt abgeblitzt“, amüsiert sich Mark auf meine Kosten.

„Soll vorkommen“, sage ich abwesend und frage mich, warum. Für mich war die Sache eindeutig. Kurzerhand stelle ich den Queue beiseite und gehe zielstrebig auf den Tisch des Kleinen zu. Die Mädels gackern, als sie mich bemerken und bestimmt stecken sie ihm, dass ich im Anmarsch bin.

„Wunderschönen guten Abend“, lächle ich zuerst die Mädels und dann erst den Hübschen an und hübsch ist er wirklich, trotz der Brille. „Ich bin Remi. Darf ich euch zu einem Spiel einladen?“

„Warum nicht?“, kichert eine von ihnen, aber meine Aufmerksamkeit ist nur auf den Twink gerichtet.

„Wir spielen nicht“, antwortet er knapp und weicht dann meinem Blick aus.

„Und ihr trinkt auch nicht?“

„Nicht, wenn damit eine Schuld eingegangen wird.“

„Erik“, tadelt eine seiner Freundinnen und gackert dann wieder los.

„Du warst mein Glücksbringer, Erik. Das ist mein Dankeschön.“

„Ist angekommen“, murmelt er.

„Darf ich dir etwas bringen?“

„Nein. Danke“, herrscht er mich an und richtet seine hellgrünen Augen auf mich, als wolle er Pfeile daraus schießen. Abwehrend hebe ich die Hände und mache einen halben Schritt rückwärts.

„Dann wünsche ich euch einen schönen Abend.“ Aua! Zweimal eiskalt abgeblitzt. Ist noch nie passiert. Für gewöhnlich reicht das erste Nein, damit ich mich zurückziehe.

„Du hast dich sowas von zum Trottel gemacht“, lacht Mark.

„Musst es ganz schön nötig haben“, schlägt Robi den gleichen Ton an.

„Haltet einfach die Klappe“, murre ich, setze mich auf den Barhocker und tue mir selbst ein bisschen leid. Nur ein paar Minuten, dann hab ich das weggesteckt. Wetten?

 

Aber so einfach macht es mir der Twink nicht. Immer wieder sieht er zu uns und Robi hält mich darüber auf den Laufenden, falls ich es mal nicht sehe. „Jetzt halt einfach die Klappe“, herrsche ich ihn irgendwann an.

„Schon gut“, grinst er. „Tut nur verdammt gut zu sehen, dass selbst du nicht alles kriegst, was du willst.“

„Schön. Seid ihr jetzt fertig mich runterzumachen?“, bin ich viel zu gereizt, um die Jungs zum Aufhören zu bewegen. Die Kosten meinen Misserfolg bei dem Kleinen unheimlich aus. Allein deshalb wurmt es mich noch immer und dann treten die Vier auch noch an einen der Tische. Von wegen, die spielen nicht. Grimmig sehe ich ihnen zu. Der Hübsche albert ausgelassen mit den Mädchen und quält mich mit seinem Lächeln.

„Du bist dran“, holt mich Mark zurück und kopfschüttelnd stehe ich auf.

„Ich bin für heute raus.“

„Gehst du jetzt nach Hause und heulst ein bisschen?“, hackt Robi weiter auf mir rum.

„Ja vielleicht, aber erst nachdem ich dir eine aufs Maul gegeben hab“, grinse ich, fühle mich aber gar nicht danach.

„Sei keine Pussy.“ Schulterzuckend packe ich mein Zeug zusammen, verabschiede mich und würdige den Twink keines Blickes, als ich den Billardschuppen verlasse. Morgen ist er schon wieder vergessen, wie die anderen.

 

„Silvia“, begrüße ich meine Kundin am nächsten Morgen und umarme sie herzlich.

„Du freust dich ja schon tierisch mich die nächsten Stunden zu quälen“, grinst sie.

„Und dich noch schöner zu machen. Ich hab schon ein bisschen gezeichnet.“

„Seit wann bist du Frühaufsteher“, zieht sie mich auf.

„Süße, je älter ich werde, desto weniger Schlaf brauche ich.“ Die Wahrheit ist, dass mich die Abfuhr des Kleinen bis in meine Träume verfolgt hat. Sieht mir gar nicht ähnlich, mich da so rein zu steigern, aber zumindest hat er dafür gesorgt, dass ich schon ein bisschen Vorarbeit für Silvia leisten konnte.

„Bevor ich dir die Zeichnungen zeige, weise ich dich noch einmal darauf hin, dass Jerome der bessere Mann für den Job ist. Seine Spezialität.“

„Und ich will mich heute aber nicht von ihm, sondern von dir stechen lassen.“

„Also gut“, seufze ich und zeige ihr meine Entwürfe. Bestimmt nicht schlecht, aber nicht perfekt. Und das sieht Silvia genauso. Sie sagt es nicht, aber bricht auch nicht in Begeisterung aus. „Und weil ich nun mal ein sturer Kopf bin, habe ich noch das für dich“, zeige ich ihr den Entwurf, den ich heute stechen werde. Bestimmt. Ich weiß es, kann es an ihrem breiten Lächeln sehen.

„Ich dachte wir ziehen es von hier“, halte ich meine Hand an ihren Hosenbund, „bis unter deine Brust.“

„Sieht sicher scharf aus, mit dem Nabelpiercing“, nickt sie zufrieden.

„War auch mein Gedanke. Du kannst es dir drin nochmal im Spiegel ansehen, bevor es ernst wird.“ Silvia nickt begeistert und geht voraus in mein kleines Reich. Ein perfekter Start in den Tag.

 

„Ist es okay, wenn ich noch ein paar Fotos schieße?“, frage ich Silvia routinemäßig und erschöpft stimmt sie zu. Ich habe sie die letzten Stunden ganz schön malträtiert, aber das Ergebnis kann sich jetzt schon sehen lassen, obwohl die Haut stark gerötet und geschwollen ist. Es passt perfekt zu ihr, besser als dieser quietschbunte Japankram.

Trixi wartet schon in unserem Vorraum und sieht verdammt neugierig aus. Ich mache die Rechnung fertig, während sie Silvia bittet, sich mein Werk ansehen zu dürfen.

„Wow. Sieht schon verdammt klasse aus“, lobt sie und Silvia lächelt müde. Ich will die Ärmste nicht überstrapazieren, packe ihr eine Tube Heilsalbe ein, lasse sie bezahlen und nach Hause gehen. In ein paar Stunden ist sie wieder ganz die Alte. Die Schmerzen werden sie allerdings noch ein paar Tage begleiten.

„Was wurde aus dem Japan Stil?“, grinst Trixi und hält meine Entwürfe hoch.

„Damit hätte ich sie nicht glücklich gemacht. Sieht doch so viel besser aus“, bin ich überzeugt und Trixi nickt. „Außerdem will sie nochmal zu Jerome. Sag Genie zu mir“, grinse ich.

„Darauf kannst du lange warten. Außerdem solltest du dich jetzt ein bisschen beeilen, wir haben gleich noch ein Date.“

„Wie? Du und ich?“, necke ich sie.

„Wir und mein Kumpel.“

„Neuer Mitbewohner, Finger still halten, freundlich sein“, zähle ich auf, während ich anfange aufzuräumen und zu putzen.

„Ganz genau“, tritt Trixi an den Vorhang und sieht mir zu.

„Sag mal, darf ich aus der Ferne schmachten, wenn er mir gefällt?“

„Aus weiter Ferne“, gesteht sie mir zu.

„Und wie ist er so, dein Freund?“

„Er ist lieb, freundlich, pünktlich, hat immer ein offenes Ohr und er ist verlässlich.“

„Klingt wie mein Traummann“, scherze ich, aber damit kann Trixi im Moment nichts anfangen.

„Versau das nicht, Christoph!“

„Hör auf mich so zu nennen“, schimpfe ich.

„Nur der Name wirkt, um dich zum Zuhören zu zwingen.“

„Ja, ja, hab‘s verstanden.“

Erst dann lässt sie mich in Ruhe und beginnt die Kasse zu machen. Dieser neue Mitbewohner ist bestimmt nicht mein Typ und selbst wenn, ich kann genügend andere süße, kleine Kerle flachlegen. Ein neuer Mitbewohner bedeutet weniger Miete. Schon allein deshalb werde ich mich schön zurückhalten.

 

„Das muss er sein“, freut sich Trixi und hüpft aufgedreht zur Tür. Ich höre wie sie ihn begrüßt, seine Antwort fällt aber um einiges leiser aus. Schadet bestimmt nicht, wenn wir hier jemanden haben, der ein bisschen Ruhe reinbringt.

„Bevor ich dir die Wohnung und das Zimmer zeige, stelle ich dich noch Christoph vor.“ Ich räuspere mich vernehmlich, um meinen Unmut kund zu tun.

„Erik, das ist Christoph“, kommt sie mit unserem potenziellen neuen Mitbewohner um die Ecke und überrascht reiße ich die Augen auf. Es gibt so verdammt viele Eriks, warum muss es gerade dieser sein? Gerade als ich ihn vergessen habe.

„Du kannst Remi zu mir sagen. Tun alle, außer Trixi“, sage ich kühl und halte ihm meine Hand hin. Sein Erstaunen verbirgt er besser, nur das mit der Freundlichkeit müssen wir beide noch üben. Zumindest besteht keine Gefahr, dass ich den flachlege.

Trixi ist so glücklich, dass sie gar nicht merkt, was zwischen dem Kleinen und mir abläuft. Freudig zeigt sie ihm die Wohnung und im Anschluss sein Zimmer. Ich drücke mich so lange in der Küche rum, bis Trixi vor Erik aus dem Zimmer tritt und breit grinsend beide Daumen nach oben hebt. Klasse, offenbar haben wir einen neuen Mitbewohner.

„Erik zieht ein. Das schreit nach Prosecco“, ist zumindest Trixi glücklich.

„Eher nach Johnnie“, brumme ich und versorge mich selbst. Mal abwarten, vielleicht wird das Zusammenleben gar nicht so schlimm. Artig stoße ich mit den beiden an, ehe ich den Whiskey hinunterstürze. Heute Nacht einen knackigen Hintern und ich bin mit der Welt versöhnt, vielleicht sogar mit dem Kleinen.

„Nachher ziehen wir ein bisschen um die Häuser, dann könnt ihr beiden euch kennen lernen“, grinst Trixi glücklich.

„Geht nicht. Hab schon was vor.“

„Ich bitte dich! Du wirst doch wohl mal einen Samstag ohne vögeln aushalten“, schimpft sie dann und der Kleine versteckt sein Grinsen nicht geschickt genug.

„Ich schon, aber ob ihr dann mit mir klarkommt…“

„Remi“, sagt Trixi in ihrem ganz eigenen, warnenden Tonfall.

„Warum verheimlichen, was eine Tatsache ist“, zucke ich die Schultern.

„Stell dich nicht so an. Bloß ein Abend.“

„Mal sehen, vielleicht stoße ich später hinzu“, zwinkere ich dem Kleinen zu und mache einen Abgang. Heute steht Egostreicheln am Plan und das wird nix, wenn ich mit dem Kleinen abhänge.

 

Zum x-ten Mal ruft Trixi an und genervt drücke ich sie weg. Mein Hunger ist gestillt, das Ego gestreichelt und trotzdem habe ich keinen Bock die restliche Nacht mit dem Kleinen zu verbringen. Doch dieses Mal lässt Trixi nicht locker, mein Handy vibriert fast ununterbrochen. Sie zu ignorieren bringt nichts, wenn ich mein Handy ausschalte, lebe ich die nächsten zwei Wochen sowieso in der Hölle. Seufzend leere ich mein Glas und bewege mich ziemlich unwillig nach draußen. Neun verpasste Anrufe.

„Wo bist du?!“, herrscht Trixi mich lallend an.

„Im Club.“

„Dann kommen wir jetzt zu dir.“

„Bestimmt nicht“, blocke ich sofort ab. Wenn ich den Kleinen schon nicht haben kann, muss ich nicht auch noch zusehen, wie ein anderer ihn abschleppt. „Ich komme zu euch.“

„Wir sind bei Steffi, haben dich gesucht.“

Die Nacht wird besser und besser, na wenigstens kann ich zur Ablenkung ein bisschen Pool spielen. Oder nur Pool spielen. „Bin unterwegs.“

Die Fahrt mit dem Taxi dauert nur ein paar Minuten, aber ich wünschte, es wäre länger. Ich zahle die Fahrt und lasse mir mächtig Zeit das Köö zu betreten.

„Hi Remi“, grüßt mich Steffi, sobald ich durch die Tür bin, aber ich nicke nur, schaue mich suchend um und finde Trixi und den Kleinen an einem der Tische. Bei ihnen sind noch ein paar andere Mädels, die ich aber nicht kenne.

„Whiskey Cola?“, fragt Steffi sicherheitshalber nach.

„Unbedingt und bitte sorg dafür, dass mein Glas ständig voll ist.“ Grinsend nickt sie, bereitet mein Getränk vor und reicht mir meinen Zweitqueue, den ich immer hier deponiert habe.

„Was hast du ausgefressen, dass Trixi dich so quält?“

„Den falschen Kerl an gegraben. Der Kleine zieht bei uns ein“, erzähle ich viel zu bereitwillig.

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Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Publication Date: 12-28-2016
ISBN: 978-3-7396-9562-4

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