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Yella und der Weihnachtsmann

Geschrieben von Summa Dornigen (summa@geit.de)


Yellas erstes Weihnachten ohne ihren Vater bringt sie auf eine magische Reise, die ihre Sicht des Weihnachtsfestes für immer verändert.


Yella und der Weihnachtsmann

Es war wieder so weit. Weihnachten. Genauer gesagt der Heilige Abend. Yella hatte mit ihrer Mutter zu Abend gegessen und schaute aus dem Fenster. Sie mochte die Gegend nicht. Sie kannte niemanden und war fremd hier. Dieser schmuddelige Platz umringt von Hochhäusern. Hunderte von schäbigen Wohnungen gab es in diesen Betonklötzen und sie wohnte in einer davon. Sie war mit ihrer Mutter kurz nach dem Tod ihres Vaters hergezogen. Etwas besseres konnten sie sich nicht leisten.

Es war das erste Weihnachten ohne ihren Vater und es machte Yella traurig. Sie spürte diese Leere in ihrem Herzen. Alles zog sich zusammen, wenn sie an ihn dachte. "Wenigstens keine Schule.", dachte sie. Dort war sie auch alleine und war bestenfalls mal nicht Ziel von gemeinen Streichen. Sie war nicht hipp, hatte kein Handy und auch sonst nichts, von den tollen Sachen, die die Anderen hatten. Eigentlich war es ihr egal. Markenklamotten und sowas brauchte sie nicht. Aber es würde das Leben erträglicher machen. Es würde die Hänseleien abstellen. Naja, zumindest bis sie wieder etwas neues bräuchte um weiterhin "in" zu bleiben.

Weihnachten war wie Geburtstag, nur länger. Sie war mit ihrer Mutter alleine. So war es auch im November an ihrem 15. Geburtstag. Die Geschenke waren funktionell und praktisch. Mal eine Hose, mal eine Jacke oder Schuhe. Mehr war nicht drin. Yella war es egal. Sie wußte, dass ihre Mutter ihr bestes gab, auch wenn es oft nicht reichte. Bei der Klassenfahrt konnte sie auch nicht dabei sein. Die Fahrt hätte das Amt bezahlt, aber eben nur die Fahrt und nicht die für einen Skiausflug nötige Winterkleidung. Die Parallelklasse war auch nicht besser. Es waren nur andere Gesichter, die sie quälten.

"Los, die Kinder warten. Wir haben keine Zeit!", hörte sie eine ihr fremde Stimme. Unsicher schaute sie sich um. Was war los und überhaupt wo war sie? Was hatte sie da an? Komplett in Grün gekleidet stand sie auf dem Dach eines Hochhauses. Das mußte ein Traum sein. Vor ihr stand ein großer Schlitten mit Rentieren und die Stimme kam von einem dicken roten Weihnachtsmann. "Yella! Der Beutel!", hörte sie den Mann rufen: "Rani! Was ist mit euch Kindern nur los?" Yella wurde aufgerüttelt. Da war noch ein anderes Mädchen, auch in Grün, dass genauso verwirrt wie sie zu sein schien. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke und dann bemerkten sie den großen Sack, den ihr gegenüber hatte. Rani schaltete als erstes und hob den Sack an. Er sah viel schwerer aus, als er war. Mit einer Leichtigkeit hob sie das Objekt an und trug es zum Schlitten. Yella machte es ihr instinktiv nach.

Schließlich saßen Beide im Schlitten und der alte Mann merkte noch einmal an, dass es ja wohl auch Zeit würde. Er zog an den Zügeln und die Rentiere rannten los. Der Schlitten holperte über die Dachkante und dann waren sie in der Luft. "Ist das wirklich der Weihnachtsmann?", fragte Rani. "Den Weihnachtsmann gibt es nicht. Das ist nur eine Werbefigur. Ich bin übrigens Yella.", erwiderte Yella. "Ich bin Rani. Aber das ist doch der Weihnachtsmann, oder nicht?" Yella war erstaunt. Dieses Mädchen war in etwa genauso alt wie sie und glaubte ernsthaft an den Weihnachtsmann? "Bist du nicht zu alt um an den Weihnachtsmann zu glauben?", formulierte sie ihre Gedanken laut.

"Wir feiern kein Weihnachten. Mein Vater hält an den alten indischen Traditionen fest und hält nichts davon. Ich finde Weihnachten aber schön. Die Lichter und die geschmückten Bäume. Das ist wunderbar.", erklärte Rani. "Weihnachten ist nur längere Abfolge von schulfreien Tagen.", merkte Yella abwertend an. Der Schlitten flog bereits hoch über der Stadt. Die vielen Lichter in den Bäumen und Fenstern erstrahlen bis zu ihnen hinauf. Yella blickte nach hinten über die beiden Säcke hinweg, wo sich sich ein Schweif aus goldenem Glitzer hinter dem Schlitten bildete und langsam zu Boden regnete. Der Weihnachtsmann saß still auf der vorderen Bank und lenkte den Schlitten. "Das hier ist nur ein Traum!", merkte Yella an. "Und ich träume den gleichen Traum?", fragte Rani. "Nein, du bist Teil meines Traums und nicht echt." "Bist du immer so schlecht gelaunt?" Rani grinste frech und pustete sich eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Yella konnte nicht umhin ihre funkelnden Augen und die frechen fremdländischen Gesichtszüge mit einen Lächeln zu erwidern. "Wenigstens in meinen Träumen finde ich jemanden zum Reden.", merkte Yella an, die selbst merkte, dass sie sich noch nie mit einem Mädchen so lange unterhalten hatte und Rani machte auch keinen Versuch sie zu ärgern oder zu beleidigen.

Das lag vielleicht auch daran, das beide Mädchen diese alberne grüne Elfenuniform mit den Glöckchen an den Schuhspitzen trugen. Yella wackelte mit dem Fuß und er klingelte. Rani tat das gleiche und schließlich brachen sie beide in Lachen aus. Sie bemerkten gar nicht das der bereits Schlitten deutlich an Höhe verlor. Erst als das Gefährt mit der linken Kufe zuerst kraftvoll auf einem Dach aufsetzte und dann auf die Rechte krachte, wurden die Beiden auf die neue Situation aufmerksam. Das Fluggerät stoppte und der Weihnachtsmann stellte kleine Körbe vor die Rentiere, die sogleich begannen daraus zu fressen. "Vergesst eure Säcke nicht! Die brauchen wir!", ermahnte der Mann in Rot und die beiden Mädchen folgten ihm zu einer Dachluke. "Wir können das nicht einfach einsteigen. Das ist doch Einbruch!", hielt Rani Yella mit der Hand an der Schulter zurück. "Das hier ist nur ein Traum. Schon vergessen?" Yella grinste schnippisch und folgte dem Weihnachtsmann als erstes in das innere des Gebäudes.

Vorsichtig stiegen sie die kleine Rettungsleiter hinab und waren in einem Flur. Es stank moderig und eine schwere Feuchte lag in der Luft. Die Wände waren verschmiert. Es war sogar noch schlimmer als in Yellas Wohnturm. Ruckartig blieb der Weihnachtsmann an einer Tür stehen, streute etwas magisch Glitzerndes auf den Knauf. Auf eine unbeschreiblich magische Weise sprang die Tür einfach auf. Sie waren in einer fremden Wohnung. Yella bemerkte sofort, dass sich hier jemand sehr auf Weihnachten gefreut hatte. Die Wohnung war voller gebastelter Sterne und der etwas kümmerlich aussehende Baum war wunderschön durch kleine selbst gebastelte Engel und Sterne aus Folie verziert worden, die im Schein einer Lichterkette funkelten. Der Weihnachtsmann fiel gleich in einen der Sessel. Ein Glass Milch und Kekse schienen ihn magisch an zuziehen und er begann gleich damit die dargebotenen Gaben zu verdrücken.

"Fangt an!", grinste er nur und schob sich einen Keks in die Backen. Rani und Yella schauten sich an und blickten dann in die Beutel. Es waren viele kleine und große Geschenke darin, die sie ohne weiter zu überlegen unter den Baum legten, bis die Beutel leer waren. "Socken!", erhallte die Keksstimme des roten Faulpelzes erneut und deutete auf 4 Socken an der Wand. Einer war größer als die anderen. Es gab also 3 Kinder und einen Erwachsenen in dieser Wohnung. In den Eben noch leeren Beuteln fanden sich plötzlich einige Leckereien. Zuckerstangen, Lebkuchen und kleine Nikolause, die sie auf die Socken verteilten.

Plötzlich wurde es taghell im Raum. Ein kleines Mädchen, das wohl etwa 4 oder 5 Jahre alt war, hatte das Licht angeschaltet und stand sich die Augen reibend in der Tür. Es hielt sich mit der anderen Hand einen schon recht zerliebten Teddy vor das rosa Nachthemd. "Frohe Weihnachten, junge Dame!", wurde der Weihnachtsmann plötzlich aktiv und legte eine deutlich freundlichere Tonlage auf: "Danke für das Glas Milch und die Kekse." "Hast du die ganz alleine gegessen?", fragte das kleine Mädchen forsch nach. "Er hat gegessen und wir haben gearbeitet.", gab Yella ebenfalls forsch ihre Sicht der Dinge zum Besten. Das kleine Mädchen trat ohne Angst zwischen die Fremden und griff in den Baum. Sie holte zwei Tannenzapfen hervor, die golden bemalt und mit einer feinen Goldschnur versehen waren und reichte den beiden Elfen jeweils einen der Zapfen.

"Die sind ja schön. Danke sehr!", war es nun Yella, die diese Geste sichtlich überraschte. Auch Rani bedankte sich für das Geschenk. "Wir müssen weiter!", erklärte der Weihnachtsmann und streute noch etwas von seinem Zauberpulver auf den Baum. Das Geäst schüttelte sich und Momente später stand er in saftigem Grün da. Keine Spur mehr von kahlen oder fehlenden Ästen. Er war auf wundersame Weise zu einem wunderschönen Baum geworden. Das Mädchen verschloss hinter ihnen die Tür und wenige Minuten später saßen sie wieder im Schlitten und flogen über die Stadt. "Weihnachten ist doch gar nicht so schlecht. Schade, dass es nur ein Traum ist.", grinste Yella zu Rani hinüber und beide gaben sich eine innige Umarmung. Yella schloss die Augen und genoss das erste Mal in ihrem Leben so etwas wie Freundschaft.

"Yella, sag' mal Träumst du?", hörte sie plötzlich die Stimme ihrer Mutter und sah vor sich wieder den leeren Platz mit den Bänken und Laternen. "Es war nur ein Traum. Aber ein wirklich schöner Traum.", dachte Yella und gab ihrer Mutter eine liebevolle Umarmung. "Was piekt da so?", fragte die Mutter schließlich und Yella stutzte. Sie hatte immer noch den goldenen Tannenzapfen in der Hand. Wie konnte das sein? "Der ist ja schön. Wo hat du den her?", fragte ihre Mutter neugierig. "Den habe ich von einem kleinen Mädchen geschenkt bekommen." Ihre Mutter fragte nicht weiter nach und Yella war froh sie nicht anlügen zu müssen. Die Geschichte mit dem Weihnachtsmann und Rani hätte sie ihr wohl nicht geglaubt. Yella dachte über ihr kleines geheimes Abenteuer nach. Sie hatte für einen winzigen Moment eine richtige Freundin gehabt. "So fühlt sich das also an.", dachte sie und verspürte gleich wieder dieses Gefühl des Vermissens in sich.

Eine Schneeflocke fiel am Fenster vorbei. Dann noch eine. Es wurden immer mehr und schließlich war die Luft voller weißer Watteflocken. Sie steckte den Finger durch das kleine goldene Fädchen und ließ den Tannenzapfen vor der Flockenpracht an ihrer Hand baumeln. Er schwang hin und her und blieb plötzlich stehen. Stehen war nicht das richtige Wort. Er zog regelrecht an ihrer Hand und wollte aus dem Fenster. Wie ein Kompass zeigte die Spitze immer in die gleiche Richtung und das kleine Band, an dem der goldene Schmuck hing, war straff und waagerecht gespannt. Yella überlegte kurz, schnappte sich ihre neue Jacke und meldete sich bei ihrer Mutter auf einen Spaziergang im Schnee ab.

Im Treppenhaus, im Lift und auch noch auf dem Platz zeigte der Zapfen in ein und die selbe Richtung. Yella ließ sich von dem Zapfen regelrecht durch die schon leicht schneebedeckte Betonlandschaft ziehen. Sie war so auf den goldenen Kompass fixiert, dass sie mit jemandem zusammenstieß und zu Boden ging. "Das tut mir leid, ich" Mehr brachte sie nicht heraus. Direkt vor ihr saß Rani mit dem anderen Tannenzapfen. Unsicher schauten sich die beiden Mädchen für einen Augenblick im Schnee sitzend an und fielen sich schließlich in die Arme.

Es war Yellas erste Weihnachten ohne ihren Vater, aber es war das Erste mit einer richtigen Freundin. Weihnachten war doch mehr als nur eine Reihe freier Schultage. Es hatte alles verändert. Diese fremden Häuser, diese vorher noch so feindselige Umgebung hatte viel von ihrem Schrecken verloren. Es war nicht wichtig wo man Weihnachten feiert. Es war nicht wichtig wie man Weihnachten feiert. Einzig das Gefühl nicht alleine zu sein war wichtig. Zu wissen, dass jemand an einen denkt. Dieses kleine Mädchen hatte mit einem angemalten Tannenzapfen eine richtige Freundschaft verschenkt. Wertvoller als jedes Spielzeug oder Markenkleidung. Gab es dieses Mädchen überhaupt wirklich? Und den Weihnachtsmann? Gab es ihn? Yella und Rani jedenfalls glaubten daran und vergaßen sich und dieses Abenteuer nie.

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Publication Date: 12-03-2010

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