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Bärbel Schoening

Der Wettbewerb

Seit ein paar Jahren schreibe ich Kurzgeschichten und beteilige mich an allen Wettbewerben, die das Netz hergeben. Bisher leider ohne einen Erfolg verbuchen zu können. Aber wie heißt es so schön? Die Hoffnung stirbt zuletzt.
An diesem Samstagmorgen sitze ich schon sehr früh mit einer Tasse Kaffee an meinem Schreibtisch, und das hat seinen Grund.
Heute werden die Gewinner des Kurzgeschichtenwettbewerbes bekannt gegeben, die in einer Anthologie veröffentlicht werden sollen. Immerhin ist auch ein Beitrag von mir dabei und zwar habe ich einen Knaller geschrieben, wie mir mein familiäres und befreundetes Umfeld bestätigte, als ich ihnen meine Geschichte zum Durchlesen gab.
„So detailliert hast du noch nie geschrieben, Beate!“, rief meine beste Freundin und umarmte mich stürmisch und dann noch:
„Man kann sich genau die Atmosphäre im Raum vorstellen, in dem dein Mörder sich aufhält um sein Opfer zu töten. Die komplette Stimmung bringst du aufs Papier. Toll, einfach toll!“, jubelte sie und die anderen nickten heftig dazu. Nach soviel Lob und Bestätigung war auch ich der Meinung, dass mein Meisterwerk sofort per E-Mail Anhang abgeschickt werden sollte, ja um nicht zu sagen: Es war ein Muss!
Da dieses alles schon einige Wochen her ist, war ich in der Zwischenzeit natürlich nicht untätig. Ich hatte mich auch an weiteren Ausschreibungen beteiligt und wartete nun jeden Tag auf Post.

Meine Hände sind klitschenass, als ich den Startknopf meines Laptops drücke. Die nächsten Minuten werden mein ganzes Leben verändern, da ich zu den Gewinnern gehören werde. Meine Mailbox ist mir einen Schritt voraus, denn sie weiß es längst.
„Meine Güte, ist der wieder langsam“, fluche ich beim Hochfahren des Laptops.
„Und nun meine Damen und Herren, öffne ich meine Mailbox und sehe in mein Postfach“, sage ich laut und bin ganz aufgeregt.
Jedoch Barry White ist es, der mit seiner hocherotischen Stimme mein Postfach öffnet indem er sagt:
„Welcome Baby, where have you been you´ve got mail”
“Thank you Barry, ich schaue schnell nach”, antworte ich ihm gut gelaunt und klicke auf den kleinen Brief oben links in der Ecke. Eine Sekunde später öffnet sich mein Postfach und ich sehe, dass elf neue Mails eingegangen sind. Ich will ja nichts überstürzen und so fange ich bei der ersten an, sie mit einem Klick zu öffnen.
Doc Morris, die Internetapotheke wirbt mit Karotinkapseln für den Urlaub.
„Kein Interesse“, sage ich laut denn ich habe kein Geld für einen Urlaub in diesem Jahr. „Es sei denn“ … denke ich weiter… „ich bin in der Anthologie vertreten mit ein paar Euro und würde dann ja auch schneller bekannt werden“. Ich klicke mit der Maustaste auf löschen und öffne die zweite Mail.
www.gewinner24.de lese ich und habe durch einen Link auf diese Seite die Möglichkeit, an vierundzwanzig Gewinnspielen teilzunehmen, kostenlos versteht sich. Natürlich nur in den ersten zwei Wochen, dann wird ein Betrag von vierundzwanzig Euro abgebucht und darum soll ich, wenn ich die AGB´s gelesen habe, meine Bankverbindung preisgeben.
„Die haben sie doch nicht alle“, schimpfe ich. Als hätte ich keine anderen Sorgen. Die nächsten drei Mails sind von Lotto, Viagra und Billigreisen.de. Hier drücke ich ganz schnell auf löschen und dann hat es sich. Die sechste Mail ist es, auf die ich sehnsüchtig gewartet habe.
Betreff: Der Mörder ist im Haus, so das Thema der Ausschreibung. Ich starre diese Zeile an und bin unfähig, sie sofort zu öffnen.
„Erstmal einen Schluck Kaffee. Das hilft bestimmt“, sage ich mehr zu mir selber. Leider ist er kalt und schmeckt nicht mehr.
„Jetzt oder nie“ flüstere ich und öffne die ach so sehnsüchtig erwartete Mail. Ich schiebe den Mauszeiger auf öffnen und schließe die Augen, während ich tausend Schwüre in den Himmel jage.
Dann setze ich mich gerade in meinen Sessel. Ich möchte alles richtig machen. Ich halte den Atem an und wage zunächst, erst mit einem halbgeöffneten Auge auf die Mail zu schielen. Was ich da zu sehen bekomme, lässt mich das andere Auge sofort aufreißen. Ich lese:
Herzlichen Dank für Ihre Kurzgeschichte zu dem o.g. Thema. Wie immer hatten wir die Qual der Wahl und der Jury ist es weiß Gott nicht leicht gefallen, unter den zweihundertundzwanzig Einsendungen zwölf Geschichten für unsere Anthologie zu beurteilen. Es war einen Monat harte Arbeit für unser Team und wir bedauern ehrlich, dass Sie mit Ihrer Kurzgeschichte nicht dabei sind. Dieses soll jedoch keine Wertung sein denn wir möchten Sie nicht entmutigen. Schreiben Sie einfach weiter. Alles Gute für die Zukunft und eine schriftstellerische Karriere wünscht Ihnen …
„Bla, bla, bla“, schreie ich laut und sacke zusammen. Es fühlt sich so an, als hätte mir jemand ein Messer ins Herz gestoßen und mit Genuss darin herumgestochert. Anschließend setzt sofort meine Depression ein. Ich habe es schon immer befürchtet. Ich bin einfach nicht gut genug. Kein Schwein ist an meinen Texten interessiert, die ich in meiner knapp bemessenen Freizeit nur am Wochenende schreibe und anschließend mich danach immer wie ausgetrocknet fühle.
„Keine Zeile werde ich mehr schreiben! Wer bin ich denn für die? Außerdem wer sind die überhaupt? Nicht weiter als ein popeliger und mickriger Haufen, der sich auch noch „Verlag“ schimpft. Mir reicht es nun endgültig!“ schreie ich wie wild herum und meine Augen füllen sich mit Tränen.
Nachdem ich mich so richtig ausgetobt und anschließend mit Selbstmitleid überschüttet habe sage ich kleinlaut zu mir:
„Vielleicht hat der Verlag meine Geschichte bloß nicht erkannt? Bei so vielen Einsendungen kann man ja auch mal etwas übersehen, oder?“ frage ich mich selber. „Womöglich haben sie nur die ersten Zeilen von meinem Werk gelesen und es dann aufgrund der vielen Einsendungen einfach auf die Seite gelegt und dann vergessen?“ führe ich mein Selbstgespräch weiter.
Ich rufe meine eingesandte Geschichte noch einmal auf und beginne sie laut zu lesen. Ich komme zu der Ansicht, dass ein derart wundervoller Text bei so einem Popelsverlag wirklich nichts zu suchen hat. Wie ich die Spannung aufgebaut habe, das Knistern im Kamin während der Mörder hinter einem Sessel hockt und auf sein Opfer wartet. Dann die Beschreibung des Tathergangs, einfach brillant! Diese meine Geschichte wäre sofort gegenüber den andern im direkten Vergleich
gefallen und darum bin ich mit ihr ausgeschieden. Ganz einfach. So muss es gewesen sein und nicht anders.
Die anderen Mails sind nicht mehr interessant für mich und ich lösche sie, ohne sie zu lesen.
„Ach, was ist denn die elfte? Etwa eine neue Ausschreibung?“, frage ich und öffne sie neugierig.
„Tatort Internet“ ist das Thema mit 15.000 Zeichen einschließlich Leerzeichen. Dazu habe ich sofort eine Idee und beginne zu schreiben. Schließlich habe ich nur dreieinhalb Wochen Zeit, denn dann ist Einsendeschluss.


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Publication Date: 09-20-2008

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