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Wasser!

Seit ungefähr sechs Stunden war ich hier und irrte durch die Gegend. Nun gut, ich möchte diesen Sandhaufen nicht als Gegend bezeichnen, es ist – eine Landschaftsform, die in ihrer Kargheit einen eigenen Reiz hat. Mit einem Liter kühlen Mineralwassers würde ich den Ausblick durchaus genießen können, doch genau den hatte ich nicht.

Genauer gesagt hatte ich nichts, was ich hier brauchen konnte. Die Gummistiefel waren voll mit Schwitzwasser und die Regenjacke hatte ich schon vor Stunden abgelegt. Auch der Pullover war zu warm – ach, im Prinzip war alles zu warm, was ich am Leibe trug. Doch nackt hier herumzulaufen schien mir auch nicht ratsam, denn ein Sonnenbrand wäre unvermeidlich.

Aus meinem Hemd hatte ich mir eine Art Turban gebastelt, und während ich nun die nächste Düne in Angriff nahm, dachte ich zurück zu dem Moment, in dem ich hier aufgeschlagen war. Genauer gesagt an den Augenblick davor. Das war nämlich so…

 

Ich stand bis zu den Knien im Wasser in meinem Haus in der Nähe von Geesthacht, das ist unweit der Elbe. Die Regenfälle der vergangenen Wochen, zusammen mit dem Hochwasser des Flusses, hatten aus dem Grundstück, auf dem die alte Kate stand, einen See gemacht. So schöpfte ich nun sinnlos mit einem Eimer das Wasser aus dem Fenster, so dass es gleich darauf unter der Haustür wieder hereinsprudeln konnte. Eine sinnlose Beschäftigung, aber was sollte ich sonst tun? Nach Fernsehen war mir nicht und überhaupt war alles Scheiße.

Der Pegel würde erst in einer Woche sinken, hatten die im Radio jedenfalls gesagt. Na, die mussten es ja wissen, denn sie schienen eine direkte Verbindung zum Wettergott zu haben, wie kam man sonst an solche Exklusivinformation? Ich fluchte auf die braune Brühe, auf den Regen und die Elbe, als plötzlich – mit einem zarten ‚Puff‘ – sich neben mir eine Dame mit Flügeln materialisierte.

Eine Fee, schoss es mir durch den Sinn, verdammt, bestimmt sollte ich mir jetzt etwas wünschen, doch was? Das Wasser lenkte mich total ab und ließ mich nur an eines denken: Endlich raus aus der Suppe und rein ins Trockene. Allerdings musste ich zugeben, dass ich nicht wirklich an diesen Feenquatsch glaubte, weshalb ich es nicht richtig ernst meinte, als ich meinen Wunsch hastig formulierte

„Ich hasse das hier und wünschte, alles wäre trocken“, sagte ich unbedacht und das Wesen grinste irgendwie hinterhältig, da machte es auch schon ‚Fluff‘ und ich stand am trockensten Ort der Welt: der Sahara. Herzlichen Glückwunsch!

 

Eines mal für die Nachwelt: Vor dem Wünschen: nachdenken. Ein Tipp, den ich aber wohl mit in mein Sandgrab nehmen würde. Überall nur Sand und ich wünschte mir nichts so sehr, als zurück in meinem überfluteten Haus zu sein. Tja, so kann sich die Sichtweise ändern.

 

Die Sonne näherte sich dem Horizont, als ich erneut eine Dünenspitze erklomm. Meine Kehle war so ausgetrocknet, wie das Flussbett, das ich unten erkennen konnte. Der Boden war aufgesprungen und glich damit meinen Lippen. Damit war es dann aber mit den Vergleichen und ich glaubte, in der Ferne eine Oase zu sehen. Bestimmt eine Fata Morgana.

 

Zwei Dünen weiter war dann aber klar: keine Spiegelung sondern echte Palmen waren da vor mir. Ich wollte ‚Juchu‘ oder etwas Ähnliches schreien, doch ich konnte keinen Ton hervorbringen. Stolpernd und mit langen Schritten lief ich durch den tiefen Sand und sah die Oase immer näher kommen, da haute es mich unversehens aus den Gummistiefeln. Der Wassermangel machte sich bemerkbar, ich kippte einfach um.

 

Das nächste, was ich sah, waren samtbraune Augen, die mich besorgt beobachteten. Ein Scheich? Der Mann trug einen Turban, einen Schnurrbart und hatte ein so hübsches Gesicht, dass ich hätte weinen mögen, doch ich hatte keinerlei Flüssigkeitsreserven mehr.

„Trink“, sagte der Kerl und hielt mir eine Flasche an die Lippen.

Ich war ausgesöhnt angesichts dieses Mannes, der sofort mein Herz gewann. Es musste inzwischen ein neuer Tag angebrochen sein. Um mich herum waren Zelte und Kamele, die Palmen schaukelten im Wind und ein kleiner See spendete Kühle. Wah! DAS hier war wirklich viel besser als meine Hütte.

 

Aus dem Augenwinkel nahm ich ein Glitzern wahr und glaubte, Flügel in der prallen Sonne zu sehen. Dann machte es auch schon ‚Fluff‘.

 

Das Sofa, auf dem ich mich wiederfand, war nass und ich begann sofort zu frösteln. Dieses Feen-Ding stand mit verschränkten Armen vor mir und kicherte unverschämt.

„Daf war ein Ferf“, sagte die Vettel zahnlos. „If wollte nur mal gucken, ob du wirklif in die Wüfte wollteft.“

„Sehr witzig“, knurrte ich und stemmte mich hoch.

Die braune Brühe schwappte und ich wünschte mich – insgeheim – zurück zu meinem Scheich, doch das war sicher keine gute Idee. DIESMAL würde ich besser überlegen. Oder – hatte ich gar keinen Wunsch mehr?

„Oh dof. Du haft noch fwei Wünfe“, sagte die Fee, die anscheinend Gedanken lesen konnte.

„Hm, gut. Sehr gut“, murmelte ich nachdenklich.

Ich grübelte und verwarf Wunsch um Wunsch, während die Geflügelte langsam unruhig wurde. Sie wippte mit dem Fuß, was ich nur durch die Wasserbewegung mitbekam, mich aber trotzdem nervös machte.

„Also gut. Ich wünsche mir, dass das Wasser aus dem Haus verschwindet und nie wieder zurückkehrt“, sagte ich schließlich nach reiflicher Überlegung.

‚Plopp‘ machte es und meine Kate war trocken, obwohl draußen noch immer das Wasser schwappte wie zuvor. Wie von Geisterhand wurde es aus dem Haus gehalten, doch so hatte ich mir das nicht vorgestellt. Die Fee kicherte.

„Verdammich noch mal“, rief ich erbost, „Ich wünsche mir, dass die Flut endlich vorbei ist.“

‚Schupp-di-wupp‘ waren die braunen Wassermassen weg. Die Fee auch. Nur die Spuren waren noch da, in Form von Schlamm und Ablagerungen. Ich seufzte und lief in die Küche, um mir eine Flasche Mineralwasser zu holen, denn die Wüstensonne war mir immer noch im Gedächtnis. Die Flaschen waren da, jedoch leer. Auch aus dem Wasserhahn kam kein Tropfen. Mir fiel ein, dass ich das Haus Wasserfrei gewünscht hatte.

 

Ein guter Tipp: Feen sind – zumeist – böse Geschöpfe. Sexuell frustrierte, alte Schachteln, die nichts lieber tun, als dem Kunden die eigenen Wünsche schlechtzumachen. In meinem Fall war der Schuss voll nach hinten losgegangen. Ich rate jedem, sich das Gewöhnliche zu wünschen: Reichtum, Schönheit und ein langes Leben. Mit anderen Wünschen sind diese fiesen Flügelträgerinnen denkbar überfordert.

 

P.S.: Ich musste übrigens ausziehen, da in meinem Haus absolute Dürre herrschte. Eine Reise in die Sahara ist fest geplant, aber es mangelt noch am nötigen Kleinkapital. Okay, bei der nächsten Fee wird alles anders…

 

ENDE

Imprint

Text: Sissi kaiserlos
Images: Google and I
Publication Date: 06-10-2013

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