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Wir machten uns auf den Weg

Mein Bruder Michi besuchte die dritte Klasse und die Anmeldung zur Kommunion stand an. Meine Eltern bauten gerade ein Haus, die Fundamente, Bodenplatte sowie die ersten Kellerwände standen bereits. Sicher haben sie abends zusammengesessen und darüber gesprochen, welche Kosten denn nun auf sie zukommen mögen. Da weder meine Mutter noch mein Vater Kirchgänger waren und keineswegs besonders gläubig waren, beschlossen sie kurzerhand, dass ich mit Michi in einem Aufwasch angemeldet werden soll. Zwar besuchte ich erst die 2. Klasse und war erst sieben Jahre alt, aber das war ihnen egal. Im Pfarrbüro von St. Peter stellten sie sich zwar etwas an, aber nach einigem Hin und Her, wurde meine Anmeldung akzeptiert.

Kurze Zeit später fand der erste Unterricht in unserer Grundschule statt. Wir saßen in dem Klassenraum meines Bruders mit circa dreißig Kindern, in der Parallelklasse ebenso viele. Als der Pastor hereinkam, sind alle aufgesprungen und standen neben ihrem Stuhl. Ich kannte dies nicht, bin aber instinktiv den anderen gefolgt. Er begrüßte uns und im Anschluss beteten wir. Dieses Gebet kannte ich offensichtlich aus dem Religionsunterricht. Ich erinnere mich noch so gut daran, weil mich im Anschluss der Pastor nett ansprach:

„Sag mal Mädchen, wer bist du denn und was machst du hier?“

Ehe ich etwas sagen konnte, war mein Bruder aufgesprungen und antwortete für mich.

„Das ist meine Schwester, sie ist auch angemeldet und soll mit uns zur Kommunion gehen.“

Mit hochrotem Kopf setzte er sich wieder.

„Dann ist es ja gut“, erwiderte er meinem Bruder, dann bat er mich um meinen Namen und ich möge mich doch kurz vorstellen.

Ich nannte ihm meinen Namen und fragte ihn verständnislos:

„Die kennen mich doch alle, warum soll ich mich vorstellen, die wissen doch alle, wer ich bin.“

Die Gruppe fing an zu kichern und Faxen zu machen.

„Ihr braucht gar nicht zu kichern, lest mal diesen Text durch. Jens, teile bitte die Blätter aus!“

Anschließend rief er mich zu sich. Während die anderen lasen, sollte ich ihm etwas von mir und meiner Familie erzählen. Sicher habe ich ihm erzählt, dass ich außer meinem Bruder noch zwei jüngere Geschwister habe, die den Kindergarten besuchen und wo wir wohnen. Jedenfalls als ich mich wieder setzen durfte, hatten die anderen in der Zwischenzeit gelesen und begannen über die Geschichte zu sprechen. Ich las sie gar nicht, sondern hörte einfach nur zu.

Auf dem Rückweg erzählte mir Michi die Geschichte, weil ich gar nicht verstanden habe, worum es ging, erst da ging mir ein Licht auf und ich stellte ihm Fragen. Die konnte er mir nicht beantworten. Zuhause angekommen, fragte ich meine Mutter, doch sie erklärte mir, dass sie erst getauft wurde, damit sie heiraten konnten. Sie kenne sich nicht aus und ich soll doch beim nächsten Mal fragen, was ich dann auch machte. Der Pastor beantwortete mir sehr geduldig meine Fragen.

 

So gingen die Wochen ins Land, jede Woche hatten wir zwei Stunden Unterricht, die stets im Fluge vergingen. Wir hörten und lernten nicht nur das Leben Jesu und seine Wunder, die er während seiner Zeit, in der er predigte und von Gott erzählte, kennen. Wir spielten gemeinsam kleine Spiele und sangen. Es waren nicht nur kirchliche Lieder, sondern auch Wanderlieder und Kinderlieder.

 

Im Spätherbst bastelten wir Laternen, doch diese fertigten wir  in einem alten Haus mit Bruchsteinen an, denn wir Kommunionskinder sollten mit den Kindergartenkindern gemeinsam am Martinstag in die Pfarrkirche St. Peter einziehen und einige von uns führten das Martinspiel auf.

 

Gerade an dieses Bruchsteinhaus erinnere ich mich genau, da auf der rechten Außenseite eine Treppe mit einem schwarzen verschnörkelten, schmiedeeisernen Geländer war. Mir gefiel dieses Geländer. So betrachtete und bewunderte ich es oft still sitzend, während die anderen bis zum Beginn des Unterrichts vor dem Gebäude tobten. Und der Innenraum war gemütlich eingerichtet. Auch dort hatten wir oft Kommunionsunterricht und ein älterer Junge begleitete mit einer Gitarre ab und zu unseren Gesang.

 

Wir lernten auch etwas über unsere Pfarrkirche St. Peter: dass sie 1830 eingeweiht wurde und das erste Gotteshaus der Katholiken nach der Reformation in unserer Stadt war. Der Pastor erklärte uns bei einem einstündigen Rundgang, dass der Hochaltar barock sei und dass wir zur Erzdiözese Köln gehörten. Weiter erzählte er, dass  zu der katholischen Kirchengemeinde St. Peter, außerdem ein Kinderheim, ein Kindergarten, der Petershof und ein Pfarrhaus gehörten. Auf meine Frage, was denn ein Pfarrhaus sei, erklärte mir der Pastor, das er in dem Haus mit seiner Haushaltshilfe lebe und dort sei auch das Pfarrbüro untergebracht, indem alle Heiratsanträge, Taufanträge und vieles mehr bearbeitet würden.

 

Während der Vorbereitungsstunden erhielten wir auch kleine Bildchen, eine Art wie die Glanzbilder, die wir Mädchen besonders liebten.

 

Diese beiden Bilder befinden sich noch heute in meinem Gotteslob (Gesangs- und Gebetsbuch)

 

 

 

Wir machten auch einen Wandertag und wanderten entlang der Ruhr, setzten irgendwo über und wanderten auf der gegenüberliegenden Seite zurück. Dort besichtigten wir noch die Kirchen St. Laurentius in Mintard.

 

 

Hier die Innenansicht (Wikipedia)

 

 

Und zum Schluss ein Blick vor der Brücke St. Joseph

 

 

In dieser Kirche war später mein Bruder Michi jahrelang Ministrant,als er bei meiner Oma lebte und  aufwuchs.

 

Langsam, aber sicher näherte sich unser großes Fest.

Zuvor fuhr ich mit meiner Patentante mit dem Zug nach Essen und wurde eingekleidet. Zu meiner Freude durfte ich mitentscheiden und ich suchte mir ein wunderschönes Kleid aus. Zudem erhielt ich schwarze Lackschuhe mit einer Schleife, auf die ich besonders stolz war.

 

Am Freitagabend kam der Bruder meines Vaters und gemeinsam schleppten sie die Möbel aus unserem Wohnzimmer auf den Speicher. Im Wohnzimmer wurden Tische und Stühle, die man sich aus der Nachbarschaft geliehen hatte, aneinander geschoben und eine große Tafel in Form  eines U`s entstand. Auf die weißen gestärkten Tischdecken wurde das Geschirr gestellt, Servietten besonders gefaltet. Gerade an die Servietten erinnere ich mich noch sehr gut. Ich wollte so gerne helfen, was mir allerdings nach zwei missglückten Versuchen untersagt und stattdessen ins Bett geschickt wurde.

 

An dem Samstagnachmittag trafen sich alle Kommunionskinder zur Beichte in der Kirche.

 

Was ich beichten sollte, war mir eigentlich immer etwas suspekt und wahrscheinlich habe ich ihm erzählt, dass ich geschwindelt habe. Jedenfalls sollte ich drei „Vater unser“ beten.

 

Dann kam er, der weiße Sonntag am 05.04.1970.

 

Es sollte der schönste Tag unseres bisherigen Lebens werden.

 

Als wir morgens erwachten und die Vorhänge zurückzogen, blieben wir mit offenem Mund vor dem Fenster stehen. Es hatte geschneit. Viel Zeit blieb mir und meinen Bruder nicht, denn meine Mutter rief uns in die Küche zum Frühstück.

Zwar sollten wir eigentlich nüchtern sein, wenn wir das erste Mal den „Leib Christi“ erhielten, aber meine Mutter fand das absurd und schwachsinnig.

Im Anschluss wurden wir angekleidet, da es aber sehr kalt war, erhielt ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Nylonstrumpfhose angezogen und darüber kamen die weißen Kniestrümpfe. Kaum waren wir angezogen, stampfte mein kleiner Bruder mit einem Marmeladenbrot herein und kleckerte.

 

Kurzerhand setzte meine Mutter uns auf den Kleiderschrank und sah uns an.

Ohne Worte teilte sie uns mit: „Wagt euch nicht herunter, sonst setzt es was!“

 

Alle Kommunionskinder trafen sich im Kinderheim, dort stellten wir uns in einer Zweierreihe als Pärchen auf und erhielten unsere Kerzen. Nochmals wurden wir darauf aufmerksam gemacht, diese bloß gerade zuhalten. Im Anschluss begann die Prozession zur Kirche. Vor uns gingen die Ministranten (damals durften es ja nur Jungen sein) mit dem Kreuz voran. Als wir aus dem Kinderheim traten, pfiff uns ein eisiger Wind entgegen, der sofort unsere Kerzen erlöschen ließ, doch vor lauter Aufregung bemerkten wir dies nicht. Viele Leute standen auf dem Bürgersteig und sahen unserem langen Zug zu, doch dies nahm ich nur aus den Augenwinkeln wahr, war ja viel zu aufgeregt und musste aufpassen, dass ich ja nicht in eine Pfütze oder sonstiges trat.

 

Endlich erreichten wir die Kirche.

 

Im Eingangsbereich wurden unsere Kerzen nochmals angezündet und wir marschierten im Schneckentempo durch den Mittelgang. Rechts und links saßen oder standen so viele Menschen, ich war mehr als beeindruckt. Doch zu mehr kam ich gar nicht. Plötzlich teilten sich die Ministranten und eröffneten mir einen Blick auf den Altarraum. Ich stockte, blieb stehen und riss meine Augen weit auf. 

„Standen da wirklich Engel“, fragte ich mich.

 

Doch da wurde ich schon von hinten angestupst. Mechanisch ging ich dem Mädchen vor mir nach, während mein Blick immer noch im Altarraum hing. Es dauerte etwas, bis ich begriff, dass rings um den Altarraum Nonnen in ihren schneeweißen Kutten standen.

Als ich meinen Platz in der zweiten Bank erreicht hatte, blieb ich wie alle anderen stehen, erst auf ein Zeichen einer Nonne stellten wir unsere Kerzen in die Halterung und der Gottesdienst begann. Es wurde eine schöne Messe und wir sangen sogar eines meiner Lieblingslieder "Fest soll mein Taufbund sein". Zum Ende der Messe sind wir Kommunionskinder wieder gemeinsam ausgezogen.

 

Zuhause erhielten wir unsere Geschenke und unheimlich viele Karten, die wir jedoch erst nach dem wunderbaren Mittagessen öffnen durften. Irgendwann waren wir dann noch zur Dankandacht. Anschließend gab es Kaffee und Kuchen. Den Kommunionkuchen, eine Buttercremetorte, den meine Patentante gebacken hatte, schnitt ich gemeinsam mit meinem Bruder an. Auf diese Torte freute ich mich besonders, denn niemand konnte bessere Buttercremetorten machen als sie.

 

Meine Brüder (beide außen), sowie meine Cousinen und Cousins beim Spielen.

 

 Anschließend wurde noch sehr lange bis in den späten Abend gefeiert.

Imprint

Text: Schnief
Images: eigene Fotos und alle Kirchenbilder Wikipedia
Publication Date: 05-31-2015

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