Damals wohnten wir in einem kleinen Dorf, indem es außer einem Fußballverein und einen Reitstall nichts gab, wo Jugendlichen sich treffen konnten. So trafen wir uns entweder bei Freunden oder an dem kleinen Fluss, welcher am Dorf vorbeiführte.
Soweit ich mich erinnere, waren wir zu viert, damals vierzehn oder fünfzehn Jahre. An diesem Abend kamen wir von meiner Freundin und wollten zum Fluss. Auf dem Weg dorthin, welcher durch eine Neubausiedlung mit vielen kleinen verwinkelten Wegen führte, alberten wir herum. Am den Straßenrändern oder an den größeren Wegen stand Sperrmüll, dieser sollte am nächsten Tag abgeholt werden.
Plötzlich sagte Biene: „Kommt lasst uns irgendwo Klingelmäuschen machen, ich hätte Lust darauf.“ „Nee, keine Lust“ erklärte Susi und ich schüttelte einfach nur den Kopf. Dabei nahm ich aus den Augenwinkeln gerade noch wahr, wie Gabi auf den Klingelknopf am gerade vorbei gekommenen Haus drückte. Ich nahm meine Beine in die Hand und verschwand hinter der nächsten Hecke. Keine drei Sekunden später standen die Anderen neben mir und wir beobachteten, wie ein älterer Herr die Tür öffnete, sich umschaute und anschließend seiner Frau zurief: „Die Rotznasen spielen mal wieder Klingelmäuschen“.
Wir gingen ein Stück weiter und Gabi meinte: „Dort wohnt der Hirni, der mich letztens angemacht hat, weil ich mit dem Rad hier durchgefahren bin, der hat doch nen Knall, dem würde ich gern eins auswischen.“
„Ich weiß auch schon, wie“, antwortete Susi begeistert, „Wir sind doch eben am Sperrmüll vorbei gekommen, da stand ein Ofenrohr, das stellen wir dem vor die Tür, klingeln und hauen ab“.
„Langweilig“, erwiderte ich.
„Eben nicht“, widersprach Susi „wir machen ein Feuer im Rohr und Schitte, damit er dort rein tritt“. „Wo willst du den die Schitte herkriegen“, fragte Gabi. „Dort drüben auf der Wiese stehen Kühe, und wie ihr es denken könnt, verlieren sie ja ständig was Ekliges.“
„Feuer machen wir keins, in das Rohr können wir ein Wachslicht stellen, ich habe keine Lust, dass nachher etwas abfackelt“, erklärte ich fest.
„Woher nimmst du den das Wachslicht?“, fragte Biene. „Dann dreh dich mal um“, antwortete ich ihr. „Nee, ohne mich, es ist schon dunkel“, gab sie ängstlich zurück. „Brauchst ja nicht mitzukommen, holen es auch so“, erklärte ihr Susi und lief in Richtung Friedhof. Dort kletterte sie einfach auf die Mauer und kam nach wenigen Minuten zurück. In der Hand hielt sie ein Wachslicht.
„Das lag ehrlich neben dem Mülleimer, ist aber noch nicht ausgebrannt, können wir sicher gebrauchen“, erklärte sie uns, denn sie wusste, dass wir anderen es nicht gut fanden, wenn Lichter von Gräbern genommen werden. Schließlich wollten wir niemals mit Friedhof – Vandalen in Verbindung gebracht werden. In den Müllkörben lagen oft genug angebrannte Wachslichter, die nicht ausgebrannt waren.
„So jetzt fehlt noch die Schitte“, meinte Susi. Gemeinsam suchten wir im Sperrmüll nach einem Eimer, ein Gefäß oder Schaufel, da wir die Kuhfladen ja nicht mit den Händen anfassen wollten.
Auf dem Rückweg von der Kuhweide besorgten wir uns noch einen flachen Karton, damit wir dort die Schitte einfüllen konnten. Biene erinnerte sich noch genau, wie ihre Mutter schimpfte, weil Hundekot so schlecht vom Naturstein zu entfernen war.
Im Schein der Straßenlaterne, die etwa 15 m entfernt stand, stellten wir zuerst den Karton auf das Eingangspodest und füllten vorsichtig die Schitte um. Der Gestank war widerlich, deshalb passten wir besonders auf, damit wir nicht unsere Kleidung bekleckerten. „Mist, die Kerze geht nicht an, kein Wunder, das die im Müll gelandet ist“, schimpfte Susi leise und lief zum nächsten Sperrmüllhaufen.
Als sie zurückkam hielt sie eine kleine Dose und etwas Papier in der Hand.
Diese stellte sie in die Mitte des Kartons, stopfte Papier hinein und entzündete es. Gabi gab ihr das Ofenrohr und das stülpte sie über die Dose. Nun rauchte es aus dem Rohr. Biene und ich warfen gerade den Restmüll auf den nächsten Sperrmüllhaufen, als Susi leise rief: „Ich klingele jetzt“.
Sofort verdrückten wir zwei uns in die nächste Hecke.
Es dauerte keine Minute und die Haustür wurde geöffnet.
Er sprach kein Wort, aber sein Gesicht war verzerrt, dabei stieß das Rohr wütend um, drehte sich um, schnappte sich seine Jacke und zog seine Schuhe im Eiltempo an. Dann kam er heraus, schaute erst nach links, dann nach rechts und schließlich schlug er unsere Richtung ein.
Mit Schrecken drückten Biene und ich uns weiter in die Hecke und waren froh, dass wir keine hellen Sachen trugen. Susi und Gabi standen hinter einem Gestrüpp etwas weiter entfernt und als sie erkannten, das er unsere Richtung einschlug, liefen sie los. Leider lief der Mann auch los und rannte ihnen hinterher. Als er an uns vorbei lief, stellten wir zu unserem Entsetzen fest, das der Typ recht sportlich aussah. Die beiden anderen gaben Fersengeld und liefen so schnell sie konnten. Kurz darauf verließen wir unser Versteck und schlichen zum Friedhof, von dort aus um die Siedlung zum Fluss. Wir hofften, Susi und Gabi dorthin kämen, aber sie kamen nicht.
Am nächsten Morgen erzählten sie uns, dass sie fast jedes Gässchen durchliefen, um ihn abzuschütteln. Er blieb ihnen immer auf den Fersen, bis sie endlich bei Susi vorbei kamen, liefen sie noch ums Haus und verschwanden dort im offenen Schuppen. Da der Schuppen an einer Wegzweigung lag, stand er dort, leise vor sich hinfluchend, bis er sich entschied, welche Richtung er einschlagen sollte.
Beim Sportunterricht an diesem Vormittag erzählte unsere Sportlehrerin, welche Schweinerei sie gestern Abend vor ihrer Haustür vorfand, als sie von der Chorprobe zurückkehrte und ihr Mann hätte leider die Schuldigen nicht gefasst. Einerseits hatten wir Mitleid mit ihr, anderseits mussten wir uns das Lachen unterdrücken.
Text: Schnief
Images: Schnief
Editing: Schnief
Publication Date: 11-04-2012
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