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Ich bin Lucky

 

Uns geht´s gut. So richtig gut. Das denke ich so oft, wenn mein Frauchen und ich, so wie jetzt gerade, auf dem Sofa liegen und fernsehen, während sie mir dabei den Bauch krault. In der Glotze läuft „Tiere suchen ein Zuhause“. Das Schicksal der Tierheimhunde und -katzen berührt mich sehr. Ich saß ja selbst lange Zeit hinter Gittern. Eingesperrt, wie ein Schwerverbrecher im Knast. Aber am besten erzähle ich Ihnen meine Geschichte von Anfang an.

 

Als kleiner Welpe von zwölf Wochen wurde ich von Mike und Cindy adoptiert. Anfangs war es dort super, ein besseres Zuhause hätte ich mir nicht wünschen können. Cindy hat mich immer mit ins Büro genommen. Na gut, manchmal war mir schon ein wenig langweilig, aber immer noch besser als alleine daheim zu sitzen, oder? In unserer Mittagspause sind wir zusammen im Stadtpark spazieren gegangen. Fast jeden Abend ist Mike mit mir gejoggt oder wir haben mit dem Ball gespielt. Ich durfte sogar bei den Beiden im Bett schlafen, und sie haben mich ganz oft gestreichelt und mit mir gekuschelt. Wie gesagt, ich hatte ein super Leben. Doch dann wurde Cindy schwanger, und sie bekam Zwillinge, Nils und Jannik. Von da ab änderte sich alles. Cindy war mit den Kindern völlig überfordert und ständig genervt. Mir gingen die Babys auch total auf den Keks. Dauernd haben die geschrien, vor allem nachts. Wenn eines aufgehört hat zu schreien, fing direkt das andere damit an. Cindy hatte überhaupt keine Zeit mehr für mich. Sie ist immer nur ganz kurz mit mir raus gegangen, damit ich am erstbesten Baum meine Geschäfte erledigen konnte. Und sie hat sehr viel mit mir geschimpft. Wenn ich mir zum Beispiel mal einen Beißring oder eine Babyrassel von den Kindern geschnappt hatte, um mich damit selbst zu beschäftigen, denn mit mir spielte ja nun niemand mehr, dann hat Cindy sich furchtbar aufgeregt. Manchmal hat sie sogar völlig die Nerven verloren und mich mit ihrem Hausschuh geschlagen. Das muss man sich mal vorstellen! Total unfair war das, denn die Babys haben sich meine Sachen ja auch dauernd gegriffen und darauf rumgekaut, und die haben nie Ärger gekriegt. Einmal lag ich auf dem Sofa und habe mein Vormittagsschläfchen gehalten. Ich befand mich gerade im Tiefschlafmodus, als plötzlich Jannik auf mich zugerobbt kam und mich ganz doll in die Pfote gekniffen hat. Vor Schreck habe ich ihn in die Wange gebissen, also im Affekt. Unter normalen Umständen würde ich niemals jemanden beißen, erst recht nicht eines der Kinder. Noch am selben Tag brachte Mike mich ins Tierheim. Und da saß ich dann, unendlich lange. Zwei Jahre und vier Monate, um genau zu sein. In dieser Zeit habe ich viele Hunde kennengelernt, die im Tierheim abgegeben wurden. Über kurz oder lang sind sie aber dann von jemandem adoptiert worden. Sogar die 14-jährige Tiffy, die taub und blind war, hatte ein neues Zuhause gefunden. Nur mich wollte keiner. Hin und wieder interessierten sich schon mal Leute für mich, auch welche, die mir durchaus sympathisch waren. Als sie jedoch hörten, dass ich ein Kind gebissen hatte, entschieden sie sich lieber für einen anderen Hund. Denn Auswahl gab es ja genug. Doch dann, als ich die Hoffnung auf ein neues zuhause schon aufgegeben hatte, kam Vanessa ins Tierheim. „Och, du bist ja ein Süßer“, hat sie zu mir gesagt. Sybille, die im Tierheim arbeitet, hat natürlich sofort gepetzt, dass ich bissig bin, was ja natürlich gar nicht stimmt. Vanessa hat sich davon aber nicht abschrecken lassen. Sie meinte, dass es immer einen Grund habe, wenn ein Hund beißt, denn kein Hund werde als Bestie geboren. Dieser Satz hat mich echt beeindruckt, den habe ich mir eingeprägt. Vanessa ist eine sehr kluge Frau. Ich hatte schon fest damit gerechnet, dass sie mich mitnehmen würde, und war völlig entsetzt, als sie dann ohne mich wieder gegangen ist. Ich habe ihr hinterhergebellt wie verrückt. „Bleib hier, geh´ bitte nicht ohne mich. Bitte lass mich nicht hier!“, sollte das heißen. Die Tage danach waren die schrecklichsten meines Lebens und ich habe gedacht, wenn Vanessa mich nicht will, dann will mich keiner, und außerdem würde ich auch gar kein anderes Frauchen oder Herrchen haben wollen, jetzt, wo ich sie kennengelernt hatte. Aber dann, zwei Wochen später, kam Vanessa doch wieder, und diesmal nahm sie mich mit nach Hause. Endlich hatte ich ein Zuhause, und zwar für immer, denn eines weiß ich genau: Niemals würde mein Frauchen mich abgeben, da könnte passieren, was will.

 

Anna-Lena und ihr Smartphone

 

Mein Frauchen arbeitet immer von zu Hause aus. Das ist ganz schön praktisch. Sie schreibt Texte auf ihrem Computer, die andere Leute dann lesen, und dafür bekommt sie Geld. Das ist ihr Job. Mein Job ist es, mein Frauchen ab und an daran zu erinnern, dass sie auch mal eine Pause machen muss, denn sie ist ganz schön ehrgeizig und kann sich von ihrem PC kaum losreißen. Ich frage mich, ob sie wohl nie eine Pause gemacht hat, bevor ich bei ihr eingezogen bin. Egal, jetzt bin ich ja da und sorge dafür, dass sie auch mal an die frische Luft kommt. Um das durchzusetzen, muss ich einfach nur meinen Kopf auf ihren Schoß legen und ganz traurig gucken. Das wirkt fast immer. Meistens seufzt sie dann und sagt: „Ja ich weiß, Lucky. Es ist Zeit für deine Gassirunde.“ Spätestens fünf Minuten später sind wir dann auch schon unterwegs.

 

Neulich hatte sie jedoch einfach keine Zeit. Sie musste eine Arbeit am nächsten Tag abgeben und war mit dem Projekt noch lange nicht fertig, weil sie damit geschludert hatte. Deshalb hat sie Anna-Lena, die bei uns im Haus wohnt, gefragt, ob sie nicht vielleicht mit mir rausgehen würde, dafür bekäme sie auch zehn Euro. Das Mädel war natürlich sofort einverstanden. Die Anna-Lena braucht immer Geld, schon für Handykosten und sowas. Immer wenn wir die sehen, schaut sie auf ihr Handy. Ich glaube, die kriegt von ihrer Umwelt gar nix mit. Mich wundert, dass sie nicht schon längst von einem Auto oder Bus überfahren worden ist, weil sie ständig wie ein Lemming durch

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Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Text: Anja Pompowski (anjas.buchprojekte@t-online.de)
Publication Date: 03-29-2020
ISBN: 978-3-7487-3395-9

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