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Prolog: Blumen haben immer Recht

„Teo! Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du deine Liebschaften nicht immer mit nach Hause nehmen sollst?!“ Ich sitze verkatert am Küchentisch und murre genervt auf. Valentin scheint wieder einen kleinen Ausraster zu haben, weil einer meiner Kerle das Bad belegt. Tja, muss der kleine Emo eben damit klar kommen! Ich sehe nicht auf, als Valentin die Küche betritt, sondern schlürfe weiter meinen Kaffee. „Ich habe langsam wirklich die Nase voll von dir!“ Er holt sich eine Tasse aus dem Schrank, gießt sich etwas Milch ein und nimmt sich dann das letzte bisschen Kaffee, ehe er eine neue Kanne aufsetzt. „Anstatt dich durch die Bars zu vögeln könntest du mal mehr für den Haushalt machen! Ich putze hier ständig und koche und räume auf!“

„Liegt vielleicht daran, dass du die Wohnung nicht verlassen willst, Emo!“, keife ich zurück, allerdings in einer angenehmeren Lautstäke. Kurz ist es still. Ich sehe auf und in Valentins wutentbranntes Gesicht. Unbemerkt rolle ich mit den Augen und stehe auf, als mein Kaffee leer ist und ich höre, dass die Dusche ausgeschaltet wird. „Entschuldige mich. Ich werde mich mal um meinen Gast kümmern~“ Valentin weiß genau was das heißt, doch bevor er etwas erwidern kann, bin ich aus der Küche verschwunden.

Wieso sind wir eigentlich zusammengezogen? Wir kannten uns damals wirklich nicht gut, aber war es nicht vorherzusehen, dass ich mit einem Emo und er mit einem Schwulen nicht klar kommen würde? Das war wohl einfach die schlechteste Idee in meinem Leben. Mit einem Kopfschütteln betrete ich das Bad und schließe die Tür hinter mir.

Er liebt mich...

 

Valentin und ich haben in letzter Zeit sehr wenig miteinander gesprochen. Genaugenommen scheinen wir uns beide irgendwie aus dem Weg zu gehen. Warum weiß ich auch nicht so genau. Ich sitze in meinem Zimmer an meinem Laptop und schreibe mit ein paar Sexdates, wann es denn mal wieder fällig wäre. In der Küche höre ich Valentin hantieren und hoffe, dass es wenigstens bald Essen gibt… Und vor allem, dass er etwas für mich mit kocht! Ich stehe von meinem Bett auf und strecke mich. Mir entwischt ein Gähnen und ich merke, dass ich den ganzen Tag wieder nichts getan habe und dadurch müde geworden bin. Also erst mal einen Kaffee! Als ich in die Küche stapfe schaue ich über Valentins Schulter. Ich streiche ein paar seiner dunklen mittellangen Haare zur Seite, damit ich mehr sehen kann. „Was soll das, Teo?!“, keift er sofort und ich hebe abwehrend die Hände, wende mich um und mache die Maschine an. Während der Kaffee durchläuft, sehe ich Valentin beim Kochen zu. „Du machst Chili? Auch für mich?“ Er hat in letzter Zeit die nervige Angewohnheit, meine Lieblingsgerichte für sich selber zu kochen, um mich zu provozieren. Valentin sieht mich mit einem abschätzenden Blick an, zuckt dann jedoch mit den Schultern. „Wenn du willst.“ Oh, heute scheint er ja mal gut gelaunt zu sein. Ich lächele ihn an und er wendet seinen Blick wieder ab. Mit meiner Tasse Kaffee setze ich mich an den Küchentisch und blättere die Zeitung durch. „Kannst du heute putzen?“, bittet Valentin mich. Ich murre, nicke jedoch. „Wenn du schon für mich mitkochst, dann kann ich auch putzen“, meine ich freundlich, auch wenn ich eigentlich besseres zu tun hätte.

Nachdem das Essen fertig ist, setzt sich Valentin damit zu mir an den Tisch. Ich mampfe glücklich mein Chili und schmunzele dann kurz. „Heute kommt noch Besuch“, erkläre ich ihm knapp. Sein Blick wird düster. „Lass deine Sexdates bitte außerhalb der Wohnung!“ Mir war klar, dass er so reagieren würde. Was soll ich darauf jetzt erwidern? „Und wenn es gar kein Sexdate, sondern mein fester Freund wäre? Würdest du den auch rauswerfen?“ Valentin verschluckt sich und muss husten. Dann starrt er mich fassungslos an. „Du- Du hast einen Freund?!“ Ich muss lachen und schüttele den Kopf. „Ganz sicher nicht. Das war nur hypothetisch gemeint. Du musst nicht gleich eifersüchtig werden!“ Ich sehe wie seine Gesichtsfarbe von Blass zu Rot wechselt. Leider muss ich zugeben, dass Valentin wirklich ein hübscher Junge ist und wenn er nicht immer so rummeckern würde und kein Emo wäre, dann würde vielleicht sogar was zwischen uns laufen. Aber für One-Night-Stands scheint er ja leider eh nicht viel übrig zu haben. Daher habe ich damals meine Hoffnung schnell aufgegeben.

„Ich bin nicht eifersüchtig! Schlag dir das sofort wieder aus dem Kopf! Du bist dafür nicht ansatzweise gut genug!“ Er steht auf, lässt seinen Teller stehen und verschwindet aus der Küche. Was war das denn bitte?! Ich schüttele verwirrt den Kopf. „Du bist eine prüde Pussy!“, rufe ich noch hinter ihm her, aber da höre ich auch schon seine Tür zuschlagen. Ok, das war mehr als merkwürdig. Dennoch esse ich mein Chili entspannt auf und räume alles in den Geschirrspüler, ehe ich zum Putzzeug greife und mich an der Wohnung zu schaffen mache.

 

Einige Stunden später klingelt es an der Tür. Ich bin gerade noch im Bad und kann daher leider nicht verhindern, dass Valentin zur Tür stapft und sie wütend aufreißt. Er weiß schließlich wer oder besser was sich dahinter befindet. „Was?!“, fragt er gereizt nach. „Hm, du bist also der mysteriöse Mitbewohner~“, meint der großgewachsene Kerl dreckig und besieht sich Valentin von oben bis unten. Ich beeile mich und stürme beinahe schon aus dem Bad, bevor es noch zu einer Auseinandersetzung kommen kann. „Ich übernehme ab hier, danke Val!“ Er wendet sich mit einem abwertenden Laut ab und geht ins Wohnzimmer. „Hey Steven!“, meine ich und lasse meinen Gast eintreten. Steven schlendert direkt auf mein Zimmer zu, nachdem er Schuhe und Jacke abgelegt hat und macht es sich gemütlich. Er betrachtet mich mit einem Blick, der mir einen Schauer über den Rücken fahren lässt. Irgendetwas daran gefällt mir nicht.

Ich gehe auf Steven zu und werde prompt herumgerissen. Er drückt mich auf die Matratze und ich kann mich nicht wirklich rühren. „Wir machen heute mal etwas Anderes~“, schnurrt er mir zu und ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das gut oder schlecht finden soll. Ich höre das Klappern der Handschellen, als er mich am Bett festmacht, kann durch den Knebel in meinem Mund jedoch nichts sagen.

 

Als Steven zwei Stunden später die Wohnung endlich wieder verlässt, liege ich blutend und noch immer angekettet auf meinem Bett. Mir fallen die Tränen aus den Augen, aber ich spüre sie kaum. Der fade Geschmack des Tuches in meinem Mund hat sich in der letzten Stunde auf meiner Zunge ausgebreitet und verursacht einen Brechreiz. Und ich kann mich nicht bewegen, geschweige denn befreien. Valentin! Valentin! Bitte hilf mir! Doch da ich meine Gedanken nicht laut aussprechen kann, kann ich wohl kaum auf seine Hilfe hoffen. „Teo? Ich gehe nochmal eben los einkaufen! Brauchst du was?“ Oh Gott nein! Geh nicht, lass mich hier nicht noch eine Stunde weiter so ausharren! Ich versuche irgendwie auf mich aufmerksam zu machen, damit Valentin hereinkommt, aber es funktioniert nicht. „Teo?! Was soll das? Nur weil ich angepisst war, musst du mich jetzt nicht ignorieren!“ Aber ich ignoriere dich doch gar nicht, Val! Ich kann nur nicht reden! Bitte komm einfach rein! „Ok, dann eben nicht! Bis später!“ Kurz danach höre ich das Türschlagen und bleibe alleine in der Wohnung zurück.

Innerhalb der nächsten Stunde habe ich es irgendwie geschafft, mich von dem Knebel zu befreien. Wenigstens etwas Gutes. Ich höre, wie die Tür aufgeschlossen wird und wende meinen Kopf, so gut es geht. „Valentin!“, meine ich mit krächzender Stimme. Meine Tränen sind längst erstickt, aber mein Hals ist noch immer ausgetrocknet. „Val!“, rufe ich nun deutlicher. „Ja doch! Warte doch erst mal, bis ich drin bin!“, keift er zurück. Er öffnet meine Tür und kommt herein. Vorerst sieht er mich jedoch nicht an. „Was ist schon wieder los?! Ich habe dich vorhin gefragt, ob ich etwas mitbringen soll, wenn du jetzt doch etwas-“ Er bricht ab, als er mich ansieht. „Oh Gott, Teo!“ Er geht auf das Bett zu und zum Glück scheint ihn nicht zu stören, dass ich splitterfasernackt bin. Er greift nach dem Schlüssel für die Handschellen, welchen Steven netterweise auf dem Tisch hat liegen lassen und löst sie von meinen Handgelenken. Ich klappe an ihm zusammen und er nimmt mich in den Arm. „Sag mir bitte nicht, dass du wirklich seit drei Stunden so hier herumhängst.“ Ich nicke schwach und spüre, wie mir die Tränen erneut hochkommen. Valentin hatte Recht gehabt! Ich hätte Steven niemals nach Hause einladen sollen! Jetzt weiß er, wo ich wohne und kann mich immer wieder auffinden. Valentin streicht mir beruhigend über den Rücken, sagt aber nichts. Meine Haut kribbelt da, wo er mich berührt. Seine Hand ist so warm und angenehm. Ich schließe meine Augen und merke, dass die Tränen wieder versiegen. Was soll ich sagen? „Ich glaube, du solltest erst mal ein Bad nehmen“, schlägt mir Valentin da vor und löst sich von mir. Na ja, wenigstens muss ich dann nichts zu ihm sagen. „Ich lasse dir das Wasser ein, warte hier solange.“ Er steht auf und geht ins Badezimmer. Ich glaube, dass ist das erste Mal, dass Valentin mich nicht mit einem abwertenden Blick ansieht und sich sogar ein Stück weit um mich sorgt.

Als Valentin wiederkommt, sitze ich noch immer elendig auf dem Bett. Es war der größte Fehler meines Lebens, mich auf Steven einzulassen. Aber jetzt war es passiert und damit muss ich nun mal Leben. „Komm, ich helfe dir“, bietet mir Valentin an und stützt mich bis zur Badewanne. Er hilft mir dabei, mich ins Wasser zu setzen und setzt sich dann auf den Klodeckel. Warum bleibt er hier? Er kann auch wieder gehen, mir geht es doch einigermaßen gut. Ich habe Schmerzen und bin beschmutzt, seelisch bin ich gerade auch nicht auf der Höhe, aber im Großen und Ganzen geht es mir irgendwie schon gut, denke ich.

„Du hast das nicht gewollt, oder?“, fragt Valentin zögernd nach. Ich sehe ihn verdattert an. Wer will sowas schon freiwillig?! Ich schüttele verwirrt meinen Kopf. „Nein, ich hätte nicht gedacht, dass Steven so drauf ist. Tut mir leid, dass du das miterlebt hast.“ Wenigstens eine kleine Entschuldigung muss ich ihm zusprechen. Ob er sie annimmt ist seine Sache. „Wie geht es dir jetzt? Tut dir was weh? Bereust du es? Denkst du jetzt vielleicht mal darüber nach, was du eigentlich machst, wenn du irgendwelche fremden Leute in unsere Wohnung lässt?“ Ok, er ist eindeutig sauer. Aber diesmal ist es ihm auch wirklich nicht zu verübeln. Ich schäme mich so sehr dafür. „Ich habe ziemlich starke Schmerzen im… unteren Bereich. Und natürlich geht es mir damit nicht gut. Aber was willst du denn jetzt von mir hören? Ich habe Steven schon vorher ab und an getroffen, da hat er so eine Scheiße halt nicht abgezogen. Und ich finde es auch nicht schlimm, wenn ich mit irgendwelchen Leuten vögle. Ist doch meine Sache!“ Ich spüre, wie mir die Hitze ins Gesicht steigt und tauche ein wenig weiter unter Wasser. Valentin soll mich nicht so ausfragen! Er sieht mich abschätzend an und schüttelt dann seinen Kopf. „Wie kann man nur so drauf sein?! Du lernst nicht mal aus der Situation? Was hast du denn gegen eine normale Beziehung?“ Ich starre erst böse vor mir her, dann grinse ich. „War das etwa ein Angebot?“, frage ich dann nach. Valentin erhebt sich abrupt, wird rot und wendet sich von mir ab. „Natürlich nicht!“ Mit den Worten verlässt er das Bad und lässt mich alleine im Wasser sitzen.

Was genau ist mit dem Jungen nur los? Erst ignoriert er mich und geht mir aus dem Weg und dann ist er die Freundlichkeit in Person. Na ja, jedenfalls für seine Verhältnisse. Verwirrt bleibe ich noch eine Weile im Wasser, ehe ich mich abtrockne und mich in mein Zimmer schleppe. Kaum dass ich mich hingelegt habe und unter die Decke gekrochen bin, klopft es an der Tür. „Ja?“, frage ich und sehe Valentin ein wenig lächelnd an, als er mein Zimmer betritt. Etwas wundert es mich dann allerdings schon, als er die Tür schließt. Er kommt ein wenig verlegen an mein Bett und bleibt davor stehen. „Ähm, tut mir leid, dass ich so oft so gemein zu dir bin“, beginnt er. Huch, was hatte er denn für einen Sinneswandel? Wieso ist Valentin plötzlich so reumütig? „Ich würde es gerne wieder gut machen, weil-“ Er bricht ab. Ich sehe ihn abwartend und geduldig an, rutsche dann ein wenig und klopfe neben mir auf das Bett. Ist doch blöd, wenn er da so unsicher herumsteht. Er setzt sich zögerlich und starrt auf den Fußboden. „Wenn ich ehrlich bin, bist du eigentlich mein bester Freund.“ Ok, das überrumpelt mich dann doch etwas. „Dein bester Freund?“, frage ich daher skeptisch nach. Er nickt. „Ich weiß, dass wir uns nur zanken, aber du akzeptierst mich wie ich bin und ich akzeptiere dich so, wie du bist. Und ich glaube wir wissen beide, dass das nicht oft vorkommt. Und ich kann dir eigentlich auch immer alles sagen, auch wenn du es vielleicht gar nicht merkst.“ Stimmt eigentlich. Wenn etwas passiert, dann erzählen wir es uns gegenseitig und hetzen dabei über den anderen her. Das ist wohl unsere Art der Kommunikation. Ich setze mich auf und lächele. „Mach nicht so ein betrübtes Gesicht! Mir geht es doch gut!“ Ich ziehe ihn ein wenig zu mir, nur um ihn in den Schwitzkasten zu nehmen und ihm die Haare zu zerzausen. Er beschwert sich lautstark und versucht sich zu befreien. Ich lache auf. Dann ziehe ich ihn neben mir ins Bett, sodass er zum Liegen kommt. Ich lege ihm die Arme um, nicht, dass er noch auf die Idee kommt, einfach abzuhauen. „Nur kurz, ok?“, frage ich, bevor er etwas sagen kann. Er murrt zwar, lässt es aber zu. Manchmal ist Valentin wirklich ein Rätsel für mich. Er tut Sachen, die ich ihm niemals zutrauen würde und lässt Dinge zu, wo ich denke, dass er mich dafür auspeitschen will. Aber es ist ok, solange ich es ausnutzen kann. Lächelnd ziehe ich ihn näher zu mir und schließe meine Augen. Kurz danach bin ich einfach eingeschlafen.

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Text: S. Wendler
Images: Internet
Editing: S. Wendler
Publication Date: 07-17-2016

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