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Marie hat einige Jahre geraucht, doch genau vor fünfundzwanzig Jahren stand sie eines schönen Morgens vor dem Badezimmerspiegel und schüttelte über sich selbst den Kopf.
Ihr Hals tat weh, sie hatte einen fürchterlichen Geschmack im Mund, und außerdem sah ihre Haut fahl aus.
„Bist du eigentlich verrückt?“ fragte sie ihr Spiegelbild, „du gibst einen Haufen Geld für Zigaretten aus, die dich krank und hässlich machen, und wenn du dann krank bist, brauchst du erneut Geld, um wieder gesund zu werden, wenn das überhaupt noch möglich ist. Schluss damit, ab heute rauchst du nicht mehr, basta!“
Und tatsächlich, von Stund an rauchte sie nicht mehr. Sicher, es folgten Wochen, in denen sie Marzipanschokolade tafelweise verschlang, sie nahm auch ein paar Kilo zu, doch nach einiger Zeit relativierten sich sowohl das Schokoladenessen als auch ihr Gewicht.
Und noch etwas Gutes stellte sich ein, ihr Teint wurde feinporiger und frischer, außerdem fühlte sie sich von Tag zu Tag wohler, und dieser ewige morgendliche Husten verlor sich ganz.
Ob sie noch einmal geraucht hat?
Ja, im Juni 1992 war es, Sohn Oliver hatte sein Abitur bestanden, und Marie und ihre Männer stießen des Abends mit Sekt darauf an. Plötzlich hatte Marie einen ungeheuren Drang nach einer Zigarette, sie ließ sich von ihrem leider immer noch rauchenden Mann eine geben, nahm einen Zug, und warf sie von der Terrasse in hohem Bogen in den vorbeifließenden Bach.
Igitt, war das eklig. Noch heute ist sie dankbar, dass sie diese Qualmerei los ist.
Kürzlich nun war Marie zum runden Geburtstag einer sehr guten Freundin eingeladen. Es war ein wunderschöner Tag, mit angenehmen Temperaturen, gutem Essen, netten Leuten, kurzum, alles in allem ein Traumtag.
Ein sehr sympathisches Paar saß mit an Maries Tisch, das sich nach dem Essen erhob, um draußen zu rauchen. Die junge Dame war die Hausärztin der Freundin, erfuhr Marie später.
Das erinnerte sie an den Hausarzt ihrer Kindheit und Jugend Dr. Röder-Sorge.
Wann immer man zu dem unglaublich freundlichen und stets gutgelaunten Arzt ins Sprechzimmer kam, als erstes steckte er sich eine Zigarette an, und später, als Marie junges Mädchen war, wollte er gerne, dass sie eine mit ihm rauchte.
Damals fand Marie das toll, doch im Nachhinein gesehen findet sie das weniger toll, denn der gute Doktor erlag relativ früh einem Herzinfarkt, und darüber waren damals die Bewohner des ganzen Ortes sehr traurig.
Und die Moral von der Geschicht’? Nun, auch Ärzte sind nur Menschen, und obwohl sie am besten um die Schädlichkeit des Rauchens wissen, sind auch sie gegen die Nikotinsucht nicht gefeit!

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Text: copyright by rosenjule
Publication Date: 11-06-2009

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