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Labyrinth der Vergangenheit

 

Wärmende Strahlen der Sonne weckten Nina an diesem Morgen. Was für ein herrlicher Tag! Nina freute sich jetzt schon auf das Treffen mit ihren Freunden, mit denen sie zum Jahrmarkt im Nachbarort gehen wollte.

Nachmittags traf sie sich mit ihren Freunden am Eingang des Jahrmarkts. Vertrauensvoll und innig war ihre Umarmung, denn es waren ihre liebsten Freunde.

Lachend und ausgelassen genoss Nina die gemeinsame Zeit. Vor einem Spiegelkabinett mit der Aufschrift Labyrinth der Vergangenheit hielten sie an. Das hörte sich spannend an und Nina wollte unbedingt wissen, was sich dahinter verbarg. Aber keiner ihrer Freunde unterstützte dieses Vorhaben. Alle rieten ihr ab und niemand wollte mit ihr hinein. Aber sie war viel zu neugierig, was das wohl zu bedeuten hätte und ihre Stimmung war so abenteuerlustig und ausgelassen, dass sie es sich auf jeden Fall nicht entgehen lassen wollte. Also löste sie ein Ticket für sich allein und ging zum Eingang. Drin erwarteten sie viele Spiegel. Sie betrachtete sich in ihnen und musste über sich selbst lachen, denn in manchen erschien sie klein und dick und in anderen ganz verzerrt oder verschwommen. Dann kam ein Spiegel wo sie lange überlegte, in welcher Form er wohl verzerrte, aber sie fand nichts. So stellte sie sich ein wenig abseits und verglich die Leute mit ihren Spiegelbildern, aber auch das war nur authentisch. So stellte sie sich erneut vor den Spiegel und betrachtete sich intensiv. Ihr gefiel was sie dort sah. Sie drehte sich in alle Richtungen und nickte sich anerkennend zu, um sich dann dem weiteren Weg zuzuwenden, mit dem glücklichen Gefühl so gut zu sein, wie sie war.

 

Der Raum mündete in ein Labyrinth aus lauter Spiegeln und sie tastete sich vorsichtig weiter, denn man verlor sehr schnell die Orientierung, wenn man sich von allen Seiten hundertfach wiederholt sah und keinen klaren Weg erkennen konnte. Nina war schon ganz aufgeregt. Sie tastete sich um eine Ecke und da änderte sich etwas. Sie blickte in einen Spiegel und dort sah sie nicht sich, sondern ihr zu Hause vor etlichen Jahren. Ihre Eltern standen dort und sie wunderte sich, wie sie in diesen Spiegel kommen konnten. Sie verweilte und blickte sie lange an. Tausend Gedanken gingen durch ihren Kopf und die Ausgelassenheit des Nachmittags schien wie abgeschnitten. Während sie ihre Eltern betrachtete fühlte sie Nähe aber auch Schmerz der tief in ihr verborgen schien. Die Augen ihrer Eltern sahen sie nicht nur liebevoll an. Nina spürte Angst, Wut und Traurigkeit, die sie nicht deuten konnte. Sie wollte das gute Gefühl des Nachmittags aber wieder haben und so löste sie sich von dem Spiegel, um den weiteren Weg zu suchen, um zu ihren Freunden und der Ausgelassenheit zurück zu kehren.

Hinter der nächsten Ecke kamen weitere Spiegel die sie magisch anzogen. Sie blieb stehen und sah sich, in ihrem Kinderzimmer. Angstvoll lag sie auf ihrem Bett und es entstand ein unglaublicher Sog, der sie in diesen Spiegel hineinziehen wollte. Mit aller Kraft wehrte sie sich und schaffte es gerade noch, diese Szene von außen zu betrachten. Sie lag in ihrem Bett und wusste, dass etwas Schlimmes passieren würde. Sie hatte wahnsinnige Angst und begann zu zittern, obwohl sie alles nur als Zuschauer erlebte. So deutlich konnte sie ihre Gefühle von damals nachempfinden, dass sie fast ohnmächtig vor Angst war. Sie war wie gelähmt und das Bild im Spiegel verwirrte sie. Deshalb versuchte sie, sich von diesem Bild zu lösen, sie versuchte auf andere Gedanken zu kommen und schaffte es schließlich sich abzuwenden. Sie wollte, nein sie musste, einen Weg aus diesem Labyrinth finden, um nicht in ihrer eigenen Angst und der Starre gefangen zu bleiben.

Also tastete sie sich weiter, aber ihre Beine waren noch ganz weich und zittrig und die Panik verfolgte sie weiter, was sie gar nicht verstehen konnte. Es war so anstrengend sich weiter voran zu arbeiten und schier hoffnungslos, es jemals zu schaffen, so unsicher und kraftlos fühlte sie sich. Aber sie fand den nächsten Weg und neue Spiegel taten sich vor ihr auf.

Erneut sah sie sich in einem Spiegel. Wieder saß sie in ihrem Zimmer auf dem Bett und erwartete das Schlimmste. In Ninas Kopf arbeitete es, was denn passieren könnte, warum sie solche Angst hatte. Diese Gedanken nahmen sie so gefangen, dass sie die Kontrolle verlor und immer mehr in den Spiegel hinein gezogen wurde. Immer mehr beherrschte sie die Angst von der Nina, die dort auf dem Bett saß. Immer mehr war sie in ihrer eigenen Vergangenheit gefangen, die sie doch schon geglaubt hatte, vergessen zu haben. Aber nun fühlte sie wieder die Unerträglichkeit, den nächsten Moment nicht überstehen zu können. Nicht überleben zu können. Schreie blieben in ihrem Hals stecken, während sie unbeweglich dort auf ihrem Bett saß. Die Gedanken rasten durch ihren Kopf und diese schrecklichen Gefühle nahmen sie vollständig gefangen. Die Tür ging auf und eine dunkle Gestalt zeichnete sich groß im Türrahmen ab. Wieder erstarrt sie. Aber das durfte nicht sein. Mit aller Kraft wehrte sie sich gegen diesen Zustand des ausgeliefert sein. Mit aller Kraft dachte sie daran, dass sie doch eigentlich mit ihren besten Freunden fröhlich und ausgelassen auf dem Jahrmarkt sein wollte.

Ganz fest dachte sie an ihre Freunde, an das Gefühl der innigen Umarmungen, an die Vertrautheit zwischen ihnen. Das half ihr Abstand zu nehmen und es war, als würde sie der Spiegel ausspucken, als könne er nichts mit ihr anfangen. Sie fand sich mitten auf dem Gang wieder und war geschafft von diesen Erlebnissen, die sie doch schon so lange verdrängt hatte. Aber sie konnte schon den Ausgang sehen.

Sie sah ihre Freunde die dort draußen in der Sonne standen und lachten und sie stürzte hinaus in ihre Arme, in Vertrautheit und Freiheit, in Gemeinsamkeit und Leichtigkeit. Tränen der Erleichterung traten in ihre Augen, dass sie die Schrecken der Vergangenheit hinter sich gelassen hatte. Das gute Gefühl, gut zu sein, wie sie war, was sie im ersten Spiegel empfunden hatte, breitete sich wohlig in ihr aus. Was für ein herrlicher Tag!

 

 

 

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Publication Date: 10-07-2018

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