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Ruhe in Frieden, Mammi

So, jetzt haben wir den Salat. Dieser blöde Krebs hat gewonnen, du bist nun im Himmel und Papi und ich hier unten allein.

Die Augen haben wir uns schon aus dem Kopf geweint. - Ja, ich weiß, du wolltest nie, dass wir um dich weinen. Du wolltest immer, dass wir weiter fröhlich sind und unser Leben leben. - Aber es weint von ganz allein! Der Kopf kennt deinen Wunsch und das Herz hat das Kommando übernommen. Tut mir leid, aber du fehlst hier ohne Ende.

 

Ich sehe dich gerade, wie du auf deiner Wolke sitzt und auf uns runter schaust. - Hast du dir auch deine Beerdigung angesehen? Hat sie dir gefallen? - Blöde Frage... Kann einem eine Beerdigung überhaupt gefallen?

Und was sagst du zu Papi? - Er ist tapfer, oder!?

Ich würde ihm gern helfen. Ich meine, mehr helfen, als ich es bisher versucht habe. Dabei bin ich mir nicht mal sicher, ob ich eine Hilfe oder eine Last war, damals als ich ihm über den ersten Schmerz hinweg helfen wollte. - Am Ende haben wir uns zwar viel gehalten, aber wer wen getröstet hat, war irgendwann nicht mehr wirklich klar. - Ich weiß, Mammi. Wir sollen nicht weinen. Aber wie gesagt, es weint von ganz alleine. Ich kann das wirklich nicht verhindern.

 

Ach Mammi, du fehlst mir so unendlich. Ich kann keine Worte finden, um meine Sehnsucht nach dir irgendwie auszudrücken. Immer wieder muss ich an dich denken. Immer wieder sehe ich dein liebes Lächeln vor mir. Und immer wieder habe ich dieses unbändige Verlangen nach deiner Umarmung. Ich würde mein Leben so gern gegen deines eintauschen. Dann könnten du und Papi gemeinsam glücklich sein und ich würde euch von meiner Wolke aus zuschauen und helfen. - Was? Das ist egoistisch? Tut mir leid, aber das wünsche ich mir nun mal.

Ich meine, Papi sitzt da allein in der Wohnung. Er hat die ganzen Erinnerungen um sich herum. Er ist so einsam und allein, weil ich so verdammt weit weg wohne. Und dann kann er nicht mal flüchten. Er sitzt den ganzen Tag auf der Couch, wo ihr beziehungsweise wir immer gekuschelt haben. Er bekommt kaum mal Besuch, geschweige denn Hilfe und ist immer schlechter beieinander. - Aber das siehst du sicher, da oben, von deiner Wolke aus... Kannst du da nichts machen? Kannst du ihm nicht irgendwie helfen?

Ich habe Angst. Er redet davon, dass er zu dir möchte, weil er ja doch von allen verlassen worden ist. - Ich kann es verstehen, möchte das aber nicht. Wenn er auch weg ist, dann bin ich ganz allein.

Immer wenn er erzählt, wer ihn wieder im Stich gelassen hat, oder welche Gemeinheiten online wieder abgehen, könnte ich irgendwas oder irgendwen mal so richtig... - Tschuldigung! Ich weiß, dass diese Wutausbrüche nicht magst.

Aber gerade der Pflegedienst. Als ich da war, haben sie so megafürsorglich getan. Und jetzt kommen solche Geschichten wie keine Zeit oder andere ach so wichtige Patienten. Papi ist auch wichtig, verdammt noch mal! - Tschuldigung, ich werde schon wieder impulsiv.

Was ich meine, die bekommen Geld dafür, dass sie sich um ihn kümmern, tun es aber nicht!

Und Pü... - Sie hat ja auch eine eigene Familie mit Kindern. Da fehlt die Zeit auch an allen Ecken und Enden. Sie würde Papi sicher auch viel öfter besuchen und ihm helfen. Aber ihre Kinder und ihr Mann verlangen auch nach Aufmerksamkeit.

Und ich? - Ich kann auch immer nur anrufen. Ich wohne einfach zu weit weg. Aber ob die Telefonate so helfen... Die körperliche Nähe fehlt ja dann trotzdem. - Ich mag es nämlich auch, wenn ich mit Papi kuscheln kann. Da fühle ich mich immer so geliebt und geborgen. - Ach mensch. Alles nicht so einfach. Papi müsst mit hier wohnen! Das wäre doch die perefekte Lösung. Und dann am besten eine Wohnung, wo er auch wieder mehr allein machen kann. - So was wie ein Pflegeheim oder besser noch ein betreutes Wohnen. Er hat zu mir gesagt, dass er sich da schon einmal kundig gemacht hat, aber bei euch da ist ihm das wohl zu teuer. Da reicht seine Rente nicht mal mehr für die Miete. - Aber bei mir hier ist das doch sicher günstiger. Hier, am Arsch der Welt, verdienen wir doch auch weniger...

 

Danke Mammi, du bist die beste! Du hast mich da gerade auf eine Idee gebracht. So, genau so, mach ich das.

 

Ich verspreche dir hiermit, liebe Mammi, dass ich Papi auch weiterhin nicht im Stich lassen werde. Ich werde weiter mit ihm telefonieren. Und ich werde mich hier ringsherum mal kundig machen, was so ein Heimplatz bei uns kostet und wann Papi einziehen kann.

Der Jahreswechsel ist doch eine tolle Gelegenheit, sich so etwas vorzunehmen. Das wird mein Vorhaben für das neue Jahr sein. Nennen wir es doch „Operation Familienzusammenführung“.

 

Ich weiß Mammi, ich hab immer gesagt, dass ich so Vorhaben fürs neue Jahr ziemlich albern finde. Aber in diesem Jahr ist das alles ganz anders. Zum einen muss Papi geholfen werden und wenn er dann hier wohnt, kann ich ihm alles das zeigen, was er auf meinen Fotos gesehen hat. - Die Betteleiche zum Beispiel. Da kann man mit dem Rollstuhl hin. Oder wir können in meiner Lieblingseisdiele Kaffee trinken oder Eis essen. Die haben eine ganz tolle Terrasse gebaut. Es ist einfach nur herrlich, darauf zu sitzen und zu klönen.

Und dann könnte er euren Lieblingshund öfter mal sehen, wenn wir Papi bei uns zum Grillen holen... Und ganz wichtig! Wir sind näher beisammen und können kuscheln und uns gegenseitig trösten, wenn immer wir uns brauchen. - Das wird toll!

 

Aber Mammi, wir werden dich nie vergessen. Du wirst immer einen Platz in unserem Herzen haben.

Bist du glücklich da oben? Geht es dir jetzt gut? Keine Schmerzen mehr? - Ach wenn du mir doch nur antworten könntest...

 

Aber wir schaffen das, Mammi! Großes Töchterchen-Ehrenwort!

 

Ich hab dich ganz doll lieb!

Nachwort

 Zur Aufklärung möchte ich hier noch sagen, dass es sich nicht um meine wirklichen Eltern handelt. Es sind vielmehr elterliche Freunde.

 

Kennen gelernt haben wir uns über das Onlinespiel "Second Life". Hier stammt ja auch mein Autorenname her. Die beiden haben Raka Wächter als Tochter adoptiert und schon zogen wir gemeinsam durch die Onlinewelt. - Schon beim ersten Besuche im realen Leben war klar, dass meine "Mammi" und ich irgendwie seelenverwand sind. Ich habe ihr viel zu verdanken. Ihrer Engelsgeduld ist es zu verdanken, dass ich noch lebe. Sie hat mir immer und immer wieder die Augen geöffnet und mir klar gemacht, dass auch ich und mein Leben einen Sinn haben.

 

Dann hat sie, am 18. November 2014 der Krebs besiegt. - Dabei hat sie so hart gekämpft.

 

Zurück lässt sie mich, die sich jetzt irgendwie einarmig fühlt, und ihren Lebensgefährten, der in der Wohnung sitzt und auch nicht wirklich gesund ist. Er ist einsam und ich hätte ihn wirklich gern in meiner Nähe...

Imprint

Text: Rika Wächter
Images: Rika Wächter / Chantal Feila
Editing: * niemand *
Publication Date: 12-13-2014

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Dedication:
für dich, liebe Yvonne Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben.

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