"Die meisten verwechseln Dabeisein mit Erleben" - Max Frisch.
Die nackten Äste, die sich in allen Richtungen räckelten, ließen den großen alten Baum beinahe Wirklichkeit erscheinen. Der eiskalte November Wind streifte mich, schien meinen Körper zu lähmen. Vom weitem holperten Leuchtwerfer einiger vorbeifahrender Autos über tiefe Gruben. Sie erhellten für einen kurzen Moment die Dunkelheit, bevor wieder die unheimliche Finsterniss einkehrte. Meine klammen Finger konnten die Spraydose in meiner Hand nicht länger halten. Achtlos warf ich sie auf den verstaubten Boden, das laute Klirren durchbrach die Stille, die sich über Nacht eingelegt hatte. Ich rieb meine unterkühlten Hände aneinander und hauchte sie an, betrachtete mein Werk dabei unzufrieden. Etwas fehlte.
,,Noah?"
Zitternd fischte ich nach der Zigarettenschachtel in meiner Jackentasche und brauchte einige Anläufe, bis die Flammen des Feuerzeugs Schatten auf meine Gesichtszüge warfen.
,,Noah!", fauchte Tom wieder, seine Stimme zog meine Aufmerksamkeit auf sich und ich zwang mich, den Blick von dem Gemälde abzuwenden, das nun die einst so kalte Wand zierte.
,,Was?"
,,Wir bekommen Besuch."
Meine Lungen füllten sich mit dem giftigen Nikotin. ,,Wurde aber auch mal Zeit."
Mein alter Freund schüttelte amüsiert den Kopf, als er meinen erwartungsvollen Blick bemerkte, der auf die pure Dunkelheit gerichtet war, bis das grelle Licht einer Taschenlampe über die bröckelnden Fassaden der aneinandergereihten Wohnungen wanderte. Es brauchte eine Weile, bis der Strahl an uns hängen blieb.
,,Hey, ihr da!"
Die vertraute Stimme des Wachtmeisters ließ meine Mundwinkel unwillkürlich zucken. Tom wirkte jedoch nicht im geringsten so erfreut über den Polizisten wie ich es war. Er wippte unruhig mit seinem Fuß, wartete, bis ich den ersten Schritt trat.
,,Komm schon, Noah", murmelte er. ,,Komm schon."
Ich beachtete ihn nicht. Stattdessen wartete ich, bis ich die Umrisse einer Gestalt erkennen konnte, die uns immer näher kam.
,,Noah", drängte Tom. Er öffnete seinen Mund, als er etwas sagen wollte, doch es kam nur ein überraschter Laut aus seiner Kehle, als ich losrannte und ihn mit mir zog. Er stolperte einige Male über seine eigenen Füße, ehe er sein Gleichgewicht fand und seinen Schritt beschleunigte. Wir hörten den Kies, der unter unseren Schuhen knirschte und sahen die Schwaden, den unser Atem gab.
Aber vor Allem spürten wir das Adrenalin, das uns zum Leben erwachte.
Wir liefen, bis unsere Lungen brannten und gerade, als ich nach rechts abbiegen wollte, wurde ich am Kragen meiner Lederjacke gepackt und zur Seite gezogen, sodass ich mein Gleichgewicht verlor und auf einen der vielen Müllsäcke fiel, die sich in der dreckigen Gasse stauten. Noch immer etwas überrumpelt versuchte ich mich hochzuhieven, aber Tom griff nach meinem Ärmel und zog mich wieder runter.
,,Was...?"
Die Schritte, die immer näher kamen ließen mich verstummen und ich rückte näher an die muffige Wand. Während Tom unsicher an seinem Daumennagel kaute, fanden meine Augen die hohe Feuertreppe, die sich ihren Weg zum Dach hochschlängelte.
Langsam richtete ich mich auf, hielt mich dabei im Schatten versteckt und ignorierte den entsetzten Blick von Tom.
Schisser.
,,Du willst jetzt aber nicht weglaufen, hab ich recht?"
Ich musterte ihn, wie er so auf den Boden hockte und schüttelte verständnislos den Kopf. Warum noch gleich war er mein Freund?
,,Mach dir nicht gleich ins Hemd. Jetzt steh schon auf!"
Ächtzend - als würde es ihm größte Mühe bereiten - erhob er sich und schaute mich erwartungsvoll an.
Die Schritte kamen näher. Ich hielt ihm meine ineinander gefalteten Hände hin, und er verstand. Im nächten Moment spürte ich die dreckige Sohle seiner Schuhe und das alte Kaugummi, das daran klebte und bewahrte mich davor, etwas zu sagen, rümpfte stattdessen bloß die Nase. Seine langen Finger langten erfolglos nach dem Ende der Feuerleiter und ich hievte ihn mit aller Kraft hoch.
,,Gott, bist du schwer", keuchte ich, beräute es in dem Moment, als ein Lichtkegel durch die Müllkontainer wanderte. ,,Beeil dich!"
Das Gewicht verließ meine Hände und Sekunden später - wenngleich es sich auch anfühlen mochte wie Stunden - hielt man mir eine Hand hin.
,,Hey!"
Schnell ergriff ich die Hilfe von Tom. Er zerrte mich hoch. Meine Finger streiften das angerostete, eisige Metall der Leiter und gerade als ich die Stufe umschloss, packte mich schon zum zweiten Mal an diesem Tag jemand an der Lederjacke und riss mich runter. Ich sog scharf Luft ein, als ich hart auf dem Rücken landete, wölbte mich stöhnend. Ich bemerkte nicht, wie sich Jemand neben mich kniete, bevor ich zwei kalte Handschnellen spürte, die sich mit einem leisen Klicken um meine Handgelenke schlossen.
,,Sie haben das Recht zu schweigen. Alles was sie sagen wird im Gericht gegen sie verwendet."
,,Leck mich doch."
,,Sie werden hiermit zu zweihundert Sozialstunden verdonnert."
Und um diesen Worten Ausdruck zu verleihen, schwang er dramatisch seinen kleinen Hammer, den ich ihm liebend gern ins Gesicht gedonnert hätte.
Das erfüllte jedes Klischee.
Ich atmete tief ein, um mich dran zu hindern, dem blöden Richter die Meinung zu geigen und wand mich an den schmächtigen Wachtmeister, der neben mir stand. Mir entging das sadistische Glitzern in seinen Augen nicht, als er mich von der Handschellen befreite. Anstatt ihm alle möglichen Schimpfwörter an den Kopf zu knallen - wie ich es üblicherweiße täte - rieb ich mir nur die schmerzenden, pink angelaufenden Handgelenke, verließ das mir bekannte und verhasste Gebäude, in der es nur so von ebenso bekannten und ebenso verhassten Polizisten wimmelte.
,,Und?"
Die gelangweilten Gesichter meiner Freunde schauten mir entgegen, als ich zu der kleinen Gruppe trat, die sich um den alten Audi geschart hatte.
,,Zweihundert verdammte Stunden", fauchte ich, kickte wütend den kleinen Stein weg, der vor meinen Füßen lag. Mike scheiterte kläglich dabei, das Lächeln zu verstecken, das sich auf seinem dämlichen Gesicht ausbreitete.
,,Das kann nicht sein. Du hast gesprayt, und niemanden umgebracht", meldete Lukas an, steckte sich eine Zigarre in die Munwinkel und zündete sie an. Die Flammen verscheuchten für einen kurzen Augenblick die Dunkelheit des späten Herbstnachmittages.
,,Unser lieber Noah hier", sagte Mike, schlang einen Arm um meine Schultern und zog mich an sich. ,,Hat es für nötig befunden, dem Richter mitzuteilen, was für ein Arschgesicht er doch ist."
Lukas schüttelte schmunzelnd den Kopf.
,,Dein Adrenalinkick muss dringend aufhören."
Ich schnaubte, denn alle in diesem Freundeskreis wussten, dass dies nie passieren würde.
Wie sonst sollte ich wissen, ob ich noch am Leben war?
Bunte Blätter segelten friedlich und geräuschlos auf den feuchten, schimmernden Boden, bloß um Sekunden später vom späten Herbstwind weggefegt zu werden. Die eisige Böe streifte mich, zerrte an meinen Haaren, bis sich einige dunkle Strähnen von dem Band lösten, das meine dichten Locken zusammenhielt. Mit klammen Fingern raffte ich den blauen Parker enger um mich, meine Sneakers sogen sich mit dreckigem, eiskaltem Regenwasser voll, als ich die große Pfütze übersah, die direkt vor mir lag.
,,Kuhmist", murmelte ich, ehe ich meinen Schritt beschleunigte und auf das triste Gebäude trat, das von tiefhängenden Wolken umgeben war, die für mich reines Unglück symbolisierten.
,,Musst du immer so spät dran sein?", war das erste, was ich zu hören bekam, als ich die Schule betrat.
,,Wahrscheinlich, ja", erwiederte ich und lächelte leicht bei dem Anblick meiner jahrelangen Freundin. Ihr blassblaues Haar ließ die meisten Menschen denken, sie sei das Ideal eines Rebellen. Aber der Anblick täuschte. Wenn ich die vollendete Chaotin war, so war Lea die komplette Organisatorin.
,,Zwei Stunden. Das ist ein neuer Rekord!"
,,Warte, ich hab einen Attest."
Ich fing an, wie wild in meinem Rucksack herumzuwühlen, fand dabei abfällige Hausaufgaben und zerknitterte Skizzen für neue Zeichnungen, die ich während dem Unterricht entwurfen hatte. Aber keinen Attest.
,,Oder ich hatte zumindest einen", seuftze ich, ließ meine Schultasche an meinem Arm herunterbaumeln. Lea schenkte mir ein kleines Lächeln, als sie sich bei mir unterhackte und mich den Gang hinunterlotste, in welchem sich noch einige Schüler taumelten. Sie plapperte munter drauf los, während sie uns zur nächsten Stunde führte und ich schaltete auf Stumm, konzentrierte mich auf den kalten, abgenutzen Boden und darauf, nicht über meine ungebunden Schnürsenkel zu stolpern und der Länge nach auf die Nase zu fallen.
,,Das hab ich doch überhaupt nicht gesagt!", rief Luca, als wir den Klassenraum betraten, und warf frustriert die Hände in die Luft. ,,Ich finde nur, du solltest deinen Zynismus etwas runterschrauben. Deine Einstellung zieht mich runter."
,,Ach, jetzt gilt es schon als Zynismus, realistisch zu sein", zischte Grace empört. ,,Nun ja, zumindest schwebe ich nicht auf Wolken."
,,Nicht schon wieder", seuftze Lea neben mir entnervt, und eilte augenblicklich zu den Streithähnen, die sich Freunde schimpften, während ich einen großen Bogen um sie machte und mich an meinen gewohnten Platz am anderen Ende der Klasse niederließ. Hastig kramte ich meinen Zeichenblock hervor und widmete mich meinen groben Skizzierungen, verlor mich an den starken Kontrasten und sanften Kurven, den spitzen enden meiner Zeichnungen. Und als ich mich schließlich zurück lehnte, um mein Werk betrachten zu können, blickte mir ein Gesicht entgegen, dessen Schönheit mich immer wieder aufs neue bezauberte. Doch anderes als sonst, strahlten ihre Augen und ihr Lächeln wirkte aufrichtig.
Sie wirkte glücklich.
Wie sie es war, bevor sie bemerkte, dass sie anders als andere war.
Ich stieß erschöpft Luft aus, als die kalten Neonlichter mich in empfang nahmen. Die Träger meiner tonnenschweren Tasche gruben sich in mein Fleisch und ich wechselte sie umständlich auf die andere Schulter. Das Quietschen, das der alte Linoleumboden von sich gab, wenn meine Schuhsohlen auf ihn landeten erschien mir unglaublich laut. Aber das lag wahrscheinlich bloß an der drückenden Stille, die hier herrschte. Vereinzelt hörte man die Patienten keuchen und würgen. Die Schwester, die ich hier schon viel zu oft gesehen hatte, hob ihren Kopf von ihren Unterlagen und ich zwang mich zu einem höflichen Lächeln. Die dunklen Ringe unter ihren Augen zeugten von den reichlichen Überstunden, die sie bereits hinter sich hatte.
Ich wand meinen Blick ab, straffte meine Schultern und atmete tief ein, wappnete ich innerlich davor, was gleich passieren würde.
Meine Schritte verhallten, als ich zum Stehen kam. Das leise Summen, das zuvor von der geschlossenen Tür gedrungen war, erstarb, als ich an sie klopfte und ich seuftze tief, als keine Antwort kam, weswegen ich sie leise öffnete. Ein blasses, verwirrtes Gesicht schaute mir entgegen.
,,Geh weg, Mia", wurde ich begrüßt.
Doch statt seiner Anweisung zu folgen, trat ich in das Zimmer. Der penetrante Geruch von verdreckten Socken hing schwer in der Luft. Angewiedert rümpfte ich meine Nase, schlenderte zum Fenster und kippte es auf. Er murmelte etwas unverständliches vor sich hin und ich ließ die abartig schwere Tasche auf den Boden fallen, bevor ich zu ihm schlenderte. Seine dunkelblonden, strubbeligen Haare, die ihm auf die abgemagerten Schultern fielen hatten jeglichen Glanz verloren.
Wie seine Augen. Aber ich weigerte mich, Mitleid für ihn zu empfinden, als ich mich auf seiner Bettkante niederließ. Sekunden der Stille verstrichen, in denen wir uns anstarrten, ganz so, als wären wir das faszinierende auf diesem Planeten.
,,Was? Nun frag mich schon, wie es mir geht!"
Sein verächtlicher, sarkatischer Tonfall entging mir nicht, aber ich ignorierte ihn.
,,Mach platz", forderte ich ihn stattdessen auf. Wiederwillig rückte er zur Seite und ich kletterte neben ihn, schlang meine Arme um seinen mageren Bauch und legte meinen Kopf auf seiner hageren Brust ab.
,,Ich hab dich vermisst", murmelte ich an seinem Shirt und spürte klar und deutlich wie sein Hass und seine Wut auf die Welt für einige Augenblicke schwand. Mein Blick verfing sich an seinem Handgelenk. Die weißen Verbände schienen sauber.
Ich kniff meine Augen fest zu. Ich wollte nicht daran denken. Die schmächtigen Arme meines besten Freundes schlangen sich um mich. Tränen tropften auf sein Shirt und Stille folgte.
,,Ich will nicht, dass du gehst!"
Bilder von blutigen Messern schossen in mein Gedächtnis. Scharlachrote Bandagen.
,,Pssht, ist ja gut, du Heulsuse. Ich gehe nirgends hin."
Er hielt mich fest. Und irgentwann schliefen wir ein.
In einer Psychatrie. Wie sooft.
Die geschlossene Tür dämpfte das kindliche Gekicher und das verträumte Summen, das vom Flur drang. Die einzige Nachttischlampe beleuchtete den düsteren Raum in dem ich mich befand und die spärlichen Möbel, die Schatten auf die dunklen Wände warfen.
Meine Augen huschten über die Zeilen des dicken Buches, das auf meinem Schoß lag. Sie brannten vor Anstrengung, und ich blinzelte, um nicht einzuknicken.
Minuten der friedlichen Stille vergingen, ehe das leise Knarren der Holzdielen an meine Ohren drang und es im nächsten Augenblick an der Tür klopfte. Ich ignorierte es, in der Hoffnung, derjenige würde wieder verschwinden, aber die Tür öffnete sich dennoch und eine schlanke, aschfahle Frau trat ein.
,,Was liest du da?"
Die Ausgeglichenheit in ihrer sanften Stimme verfehlte auch diesmal nicht ihre Wirkung und so legte ich das Buch seuftzend beiseite.
,,Charles Dickens. Was willst du, Mom?"
Sie sagte nichts, als sie sich auf die Bettkante niederließ und die Muster meiner Bettdecke mit dem Zeigefinger nachfuhr, um mich nicht ansehen zu müssen.
Aber ich sah ihre blutunterlaufenden Augen.
,,Ich wollte mit dir reden", sagte sie. ,,Da nächste Woche doch dein Vater kommt."
Ich nahm wieder das Buch in die Hand und suchte die Stelle, an der ich aufgehört hatte, zu lesen, las die nächsten Worte.
,,Der kann mich mal."
,,Noah!", tadelte sie leise, die Erschöpfung war ihr anzusehen. ,,Er ist immer noch dein Vater!"
Ich blätterte die Seite um, unbeteidigt, als ginge mich das Alles nichts an.
,,Er hat dich geschwängert. Das kann jeder Idiot, der in die Pupertät gekommen ist."
,,Hör mal, ich bin mir sicher, dass er sich bessern wird! Er wird uns öfter besuchen!"
Sie sagte das mit solcher Entschlossenheit, solcher Überzeugung, das es mir beinahe schon leid tat. Ich wagte es nicht, ihr zu wiedersprechen.
,,Wenn du das sagst, Mom."
Stille folgte und ich spürte ihre bohrenden Blicke, aber ich hielt meine Augen fest auf die Zeilen gerichtet.
,,Nikolas freut sich. Mach ihm das bitte nicht kaputt."
Sie schielte zur Tür, als hätte sie Angst, dass mein kleiner Bruder jeden Augenblick reingestürmt käme.
,,Werde ich nicht", versichte ich.
,,Wer weiß? Vielleicht wirst du ja wieder glücklich, wenn er uns öfter besuchen kommt", sagte sie irgentwann. Sie wollte meine Aufmerksamkeit, und ich war gewillt, ihr den gefallen zu tun. Langsam ließ ich das Buch sinken, schaute sie endlich an. Die geplatzten Adern auf ihrer Stirn waren blau angelaufen, ihre verstopfte Nase war rot und die Flecken auf ihrem Gesicht zeugten von den unzähligen Tränen, die sie bereits vergossen hatte. Nachdenklich legte ich den Kopf schief und fixierte sie.
Womit hatte sie das verdient?
,,Was soll das, Mom?"
Sie sog scharf Luft ein, als könne sie nicht atmen. ,,Du weißt, was ich meine!"
,,Nein, das weiß ich nicht", sagte ich nachdrücklich. ,,Ich bin glücklich."
Meine Mutter fixierte mich, um meinen Gesichtsausdruck zu deuten. Und da ich nicht wusste, wie glückliche Menschen aussahen, versteckte ich mich hinter dem Buch.
,,Nein, bist du nicht."
,,Wer ist das schon?"
Sie ließ ihren Kopf sinken, ein verträumtes Lächeln auf ihren Lippen. Ihre Hand fuhr über den seidigen Stoff meiner Bettdecke.
,,Du warst es, bevor er gegangen ist", flüsterte sie. ,,Tut mir leid."
Sie hatte mein Interesse verloren. Es war mir egal. Mein Vater war mir egal. Und so konzenztrierte ich mich wieder auf die Worte des Autoren, hörte mich selbst nur mit einem Ohr reden.
,,Er ist ein Arschloch. Er ist weggelaufen und er wird es wieder und wieder tun. Vergiss ihn."
Sie sagte nichts, nickte bitter. Ihre Unterlippe bebte.
Ich würde gern sagen, dass mich ihr Anblick verletzte, mich auch nur im entferntesten störte. Aber das wäre gelogen. Und als sie sich erhob, um zu gehen, hielt ich sie nicht auf, um sie in den Arm zu nehmen. Obwohl ich wusste, dass sie sich in ihrem Zimmer einsperren, und weinen würde.
,,Aber warum sollte Woyzeck seine Marie umgebracht haben, wenn er doch so unsterblich in sie verliebt war?"
Herr Schneider schaute die Schüler erwartungsvoll an, die ihm alle an den Lippen hingen, während er die schwarze Mappe zusammenrollte, die er in der Hand hielt, und durch den Klassenraum schlenderte. Doch entgegen seiner Erwartungen brach keine hitzige Diskussion über den Autoren und sein Werk aus. Stattdessen schwiegen alle, unsicher, was sie sagen sollten.
,,Aus moralischen Gründen."
Die Stimme, die Herrn Schneider vom Wutausbruch bewahrte, zog allermanns Aufmerksamkeit auf sich. Die Sicherheit in ihr ließ mich aufschauen.
Das war kompletter Schwachsinn.
,,Das wäre ein Wiederspruch in sich", hörte ich mich sagen. Nachdenklich legte ich den Kopf schief. ,,Immerhin ist Mord unmoralisch."
Mike, der plötzlich sehr interessiert am Unterricht zu sein schien, legte seinen großen Kopf auf seinen Handballen ab und betrachtete mich von der Seite, als wäre ich das faszinierendste Geschöpf, das auf Gottes Erde wanderte.
Ich beachtete ihn nicht, wartete auf eine Antwort von dem Mädchen mit den wiederspenstigen, dunkelroten Locken, das in der erste Reihe saß.
,,Woyzeck brachte Marie um, weil er sich hintergangen fühlte", erklärte sie zögernd. Sie wand sich langsam in ihrem Stuhl und drehte sich nach mir um. Selbst wenn uns drei Reihen trennten, sah ich die dunklen Augenrinnen, die sich von ihrer blassen Haut hervorhoben.
,,Betrogen von seiner großen Liebe. Mal abgesehen von der Tatsache, dass er unzurechnungsfähig war, wegen dem Experiment mit der Erbsendiät."
Herr Schneider, der sehr zufrieden mit unserer Diskussion zu sein schien, zog sich zurück und setzte sich an die Kante seines Pultes, in dem sich die Papiere stapelten.
,,Wenn auf der Erde die Liebe herrschen würde, wären alle Gesetze entbehrlich", gab ich zurück.
Lukas, der bisher im Halbschlaf auf seinem Tisch gelungert hatte, schielte zu mir auf. Er runzelte die Stirn.
,,Hast du grad Aristoteles zitiert?", flüsterte er. Die Ungläubigkeit war ihm anzusehen, aber auch ihn ignorierte ich. Meine ganze Aufmerksamkeit galt dem Mädchen mit den Locken, die ihr ins Gesicht fielen.
Sie öffnete ihren Mund. Die laute, schrille Schulglocke ließ sie verstummen. Schüler sammelten ihre Sachen zusammen und stürmten aus dem Klassenzimmer, als stünde er in Flammen. Meine Freunde und ich folgten der Masse. Selbst sie bemerkten den Blick, den Herr Schneider mir dabei zuwarf und Lukas schlang stolz einen Arm um meine Schultern.
,,Hah!", rief er aus. ,,Der dachte du seist Strohdumm! Arschloch!"
,,Was denkt er sich eigentlich?", knurrte Mike, während wir den Flur entlangliefen und uns von dem Strom der Schüler mitzogen ließen. ,,Wenn das der Fall wäre, würdest du kein Abitur machen! Idiot!"
Lukas strahlte, als würde man ihn in den höchsten Tonen loben. ,,Dem Arschloch hast du's gezeigt!"
,,Glaub mir, Mia war auch überrascht!"
Ich wand meinen Kopf zur Seite, um den Großschädel ansehen zu können, der sich Freund schimpfte, während wir den Schülern auswichen, die uns entgegenkamen. ,,Wer?"
,,Mia Winter", wiederholte er. ,,Die Kleine mit dem Vogelnest auf dem Kopf."
,,Ich versteh nicht, warum du nicht gleich hier einziehst, wenn du doch ohnehin jeden Tag vorbeikommst."
Der triefende Sarkasmus, der stehts der treue Begleiter meines besten Freundes zu sein schien, schwang auch diesmal in Justus tiefer Bass-stimme mit und übertöhnte das Heulen des Windes, der die kahlen Bäume vor uns zum Winden brachte und mir eine Gänsehaut bescherte. Er vergrub seine Hände tief in seinen Jackentaschen, um der widerlichen Kälte zu entgehen.
Meine Haare wehten mir ins Gesicht und ich strich mir die losen Strähnen hinter mein Ohr, schloss die Augen und wog es ab, seine dämliche Bemerkung zu ignorieren.
,,Weil ich glaube, dass die Schwestern etwas dagegen einzuwenden hätten", seuftze ich schließlich. ,,Außerdem würde das nicht viel bringen, da du bald wieder zu Hause sitzen, und deiner Tante auf den Geist gehen wirst."
Er blinzelte in die späte Herbstsonne, schaute überall hin, bloß nicht zu der Psychatrie, die ihn in seinen Augen gefangen hielt. Und zu mir.
,,Wusste gar nicht, dass du eine Optimistin bist", murmelte er.
Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung, lehnte das Gefühl von Schuld ab, das mich überkam, als ich seine bleiche Haut sah. ,,Das nennt man Realismus."
Justus schüttelte sich die langen Haare aus dem Gesicht, die so aussahen, als hätten sie für eine Ewigkeit keine Bürste mehr gesehen. Er senkte den Kopf, schien fasziniert von seinen Schuhspitzen zu sein.
,,Manchmal hasse ich dich dafür", sagte er irgentwann, jedliche Ironie aus seiner Stimme gewichen. Aber meiner Miene was nichts von dem Schmerz anzusehen, den er in mir verursachte.
,,Weshalb? Weil ich eine Realistin bin?"
Er legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, war sichtlich genervt von meinem Versuch, die Stimmung zu heben.
,,Nein. Nicht deswegen."
Er linste zu der Schwester, die uns im Auge behielt und seuftze ergeben. Es gab eine Zeit, in der er wutentbrannt aufgesprungen wäre und sie angeschnautz hätte. Nun war es so, als hätte er keine Kraft mehr dafür. Und die Tatsache saugte meine Kraft aus.
,,Dafür, dass du mich hier eingewiesen hast."
,,Ich hab versucht dir zu helfen, Justus, und das weißt du."
Er fuhr sich müde über sein Gesicht. ,,Ich kann mit meinem Leben anstellen, was auch immer ich will."
Ein ekelhafter Klumpen bildete sich in meinem Hals. Er wusste, was dieses Thema mit mir anstellte, und dennoch machte er weiter.
,,Nein, dass kannst du eben nicht", fauchte ich. Ein Schauer durchfuhr mich, als ich an die Blutlache dachte, in der er lag, als ich ihn aufgefunden hatte, und ich schüttelte mich angewidert.
,,Was ist bloß los mit dir? Spinnst du?"
Zum ersten Mal an diesem Tag schaute er mich an, entsetzt über meinen Wutausbruch. Er öffnete seinen Mund, schloss ihn aber in dem Moment, als ihm klar wurde, mit wem er sprach.
Seiner besten Freundin.
Reuevoll presste er seine blassen Lippen zusammen.
,,Sorry." Justus schüttelte überrumpelt den Kopf, als wüsste er nicht, was in ihn gefahren war. ,,Sorry", wiederholte er.
Ergeben und ausgelaugt lehnte ich meine Stirn an seiner Schulter an, sorgfältig darauf bedacht, ihm nicht wehzutun. Ich spürte, wie er sich für einen kurzen Augenblick unter meiner Berührung anspannte, bevor er näher an mich heranrückte. Es erschien mir nicht länger als einige Minuten, wenn nicht sogar Sekunden, in der wir so verharrten, bis ein schrilles Klingeln uns aus der Starre riss, in der wir gefangen waren.
Ich tastete in meinen Jackentaschen nach dem Telefon. Frustration über mein eigenes Chaotendasein packte mich, als ich es dort nicht finden konnte. ,,Wo steckt das verdamte Ding?", murmelte ich.
Neben mir hörte ich Justus leise in sich hinein lachen, aber das ignorierte ich gekonnt. Er fand mein chaotisches Ich schon immer amüsant. Ich schaute auf, als das nervige Klingeln plötzlich verstummte und fuhr mir über die Stirn, um die aufkommenden Kopfschmerzen zu vertreiben.
,,Woher hast du es?"
Ich riss das Telefon aus Justus Klauen, als er gerade damit beschäftigt war, daran zu tippen. Er zuckte mit den Schultern.
,,Es ist dir aus deiner Jackentasche gefallen", erklärte er, ein Lächeln auf den Lippen. ,,Hab mich schon die ganze Zeit gefragt, wann du es endlich merkst."
Ich langte nach meinem Rucksack, das auf dem Boden neben der Bank lag.
,,Wozu brauchst du eigentlich den Wecker?"
,,Du weißt genau, wieso."
,,Erklär es mir trotzdem."
Er machte sich lustig über mich. Und ich vergaß für einen Moment, weshalb ich mir das gefallen ließ, aber dann sah ich dieses lebendige Feuer in seinen sonst so dumpfen Augen, das ich so sehr liebte.
,,Weil ich die Verabredung mit Hannah nicht vergessen wollte", seuftze ich.
Justus lächelte, und seit Wochen lächelten seine Augen mit. Er nickte zufrieden.
,,Genau."
Die Sonne war längst hinter alle Berge, als ich den Gehsteig entlangging. Der kalte Wind schlug mir um die Ohren und durch die Dunkelheit konnte ich die Umrisse einiger Menschen ausmachen. Erwachsene, die sich wahrscheinlich einen Weg durch die Kälte bahnten, um so schnell wie möglich ins warme Innere ihrer Wohnung zu gelangen, und Erwachsene, die auf den Bänken saßen und fröstelten, um die Kinder im Auge behalten zu können, die trotz der Kälte durch das eingefrorene Graß liefen und spielten. Schwacher Nebel verschleierte meine Sicht und ich orientierte mich an das Bellen des Hundes, der mir mit der Zeit ans Herz gewachsen war.
,,Mia?"
Ich hörte die Angst in ihrer Stimme, selbst wenn sie versuchte sie zu unterdrücken, als ich vor der zierlichen Person zu stehen kam.
,,Hey, Hannah", begrüßte ich sie, bevor ich mich vor dem weißen Schäferhund hockte. Er ließ seine Wachsamkeit für kurze Zeit links liegen und begann unter meiner Berührung begeistert zu hecheln.
,,Na, Großer", murmelte ich, fuhr mit meinen klammen Fingern über sein weiches Fell, bevor ich mich seuftzend wieder aufrichtete und zu der Schönheit starrte, deren Augen von der Sonnenbrille versteck wurden.
,,Du fällst mit dem Ding auf deiner Nase mehr auf, als ohne."
Ich ließ mich neben ihr auf die Bank sinken, ehe sie meine Blicke auf ihre spüren konnte. Ihre Hand schoss unsicher zu dem Brillenbügel, dennoch machte sie keine Anstalten, sie abzunehmen.
,,Stimmt doch überhaupt nicht!"
,,Es ist stockdunkel."
,,Oh."
Völlig überrumpelt von der Tatsache, dass die Sonne bereits untergegangen war, nahm sie die dämliche Brille langsam ab. Trübe, wässrige Augen schauten disorientiert über meine Schulter.
,,Vor ungefähr einer Stunde habe ich mit Dr. Martin gesprochen. Da war es noch Tag."
Sie zuckte mit den Schultern, als täte es ihr leid, den Unterschied zwischen Tag und Nacht nicht ausmachen zu können. ,,Das liegt an der dämlichen Zeitumstellung!"
Das Lächeln, das ich mir zuvor aufgezwungen hatte, obwohl ich wusste, dass sie es nicht sehen konnte, verschwand. ,,Was hat sie gesagt?"
Balou spitze die Ohren. Er starrte mit steifter Haltung und alamierter Wachsamkeit in die dunkle Ferne. Normalerweiße hätte mich das aufmerksam gemacht. Aber diesmal ignorierte ich ihn.
Hannah griff nach dem Gummiband an ihrem Handgelenk und sammelte ihre Haare zusammen, bevor sie sie zusammenband.
,,Das Übliche", sagte sie. ,,Wahrscheinlich wird das nichts mehr mit dem Augenlicht."
Ich biss mir auf die Lippen. Sie schien das alles ziemlich gut hinzunehmen, wenn man bedenkt, dass es nicht allzu lange zurücklag, seit ihre Krankheit entschieden hatte, die Klauen auszufahren und ihr somit ihre gesamte Sehkraft zu rauben. Aber entweder lag das an ihrem vollkommenden Optimismus - denn wenn andere ihr weiß machen wollten, dass es zu neunundneunzig Prozent unmöglich war, jemals wieder irgentetwas sehen zu können, so legte sie ihre ganze Hoffnung in diesen einen letzten Prozent - oder aber es lag daran, dass sie eine geborene Schauspielerin war. Gefühle vortäuschen und verbergen lag ihr im Blut.
Ich öffnete meinen Mund, um höchst wahrscheinlich etwas komplett bescheuertes von mir zu geben, aber da bellte Balou lauthals los und zerrte an seiner Leine.
,,Hey, was ist denn, mein Großer?", murmelte ich, streichelte beruhigend über seinen Kopf. Normalerweiße hätte das auch geklappt. Aber er bellte wieder. Und da hörte ich das Gelächter, das näher kam.
Hannah versteifte sich merklich neben mir und setzte sich hastig wieder ihre Brille auf, sichtlich unsicher über ihre Blindheit. Und selbst mich überkam Beklommenheit, als ich die vier Silhouetten studierte, die lachend in das sperliche Licht der Straßenlaterne traten.
,,Bitte seit nicht betrunken", murmelte ich kaum hörbar.
Balou knurrte angriffslustig und trat einen bedrohlichen Schritt auf die Fremden zu. Sie schienen den riesigen Hund, der ihnen im Weg stand erst zu bemerken, als sie bloß einige Schritte von einander trennten. Ihr Gelächter erstarb.
,,Oh, mist", sagte Jemand. Die Stimme kam mir vage bekannt vor und ich verengte meine Augen, um etwas durch die Dunkelheit erkennen zu können, aber Fehlanzeige. Alles was ich sah waren die Umrisse und die glühenden Enden ihrer Zigaretten, die zwei von ihnen in den Händen hielten.
,,Tut mir leid", seuftze ich, kniete mich nun schon zum Zweiten mal an diesem Abend neben dem Blindenführerhund und schlang meine Finger um sein Halsband, um ihn davan abzuhalten, loszulaufen. ,,Er mag kein Rauch. Es erinnert ihn an Feuer."
Sie ließen ihre Zigaretten fallen und zertraten sie mit ihren Schuhen, in einer Schnelligkeit, die mich schmunzeln ließ. Ich merkte, wie sich Balou's angespannten Muskeln etwas entspannten, aber noch weigerte er sich, sich zu bewegen.
,,Mia?"
Ich schaute auf, überrascht die neue und dennoch vertraute Stimme zu hören, und lächelte. ,,Oh, Hey."
,,Hey", sagte Mike langsam und traute sich einen Schritt näher an mich heran, bevor ihn Balou's Knurren davon abhielt. Sein Blick wanderte von mir zu Balou. ,,Netten Hund hast du da."
Ich seuftze, fuhr mit meiner Hand über seinen Rücken. ,,Er ist bloß sehr... achtsam."
Mike nickte langsam. ,,Ich verstehe", sagte er. Aber er verstand sicherlich nicht. ,,Nun, wir habens eilig, also..."
Er machte Anstalten, uns zu umrunden, aber Balou knurrte erneut.
,,Gott, das tut mir leid", murmelte ich, fuhr mir mit meiner freien Hand beschämt über meine Stirn. ,,Er ist ein wenig durch den Wind."
,,Er sieht ziemlich aggresisv aus", sagte einer der restlichen drei Jungs. Ich sah ihn erst, als er von den Schatten trat, weit weniger verunsichert als Mike zuvor, aber seine Stimme hatte ihn schon vorher verraten.
Noah beäugte Balou neugierig, vergrub die Hände tief in seinen Jackentaschen.
,,Wie gesagt. Er mag kein Rauch."
Er reagierte nicht. Er starrte bloß weiterhin zu Balou, in Gedanken versunken, und runzelte die Stirn.
,,Noah?", fragte Mike und seuftze entkraftet, als auch er keine Antwort bekam. ,,Nicht schon wieder."
Doch bevor ich fragen konnte, was er damit meinte, schaute Noah auf und trat einen Schritt zurück. Er lächelte zufrieden, als er sah, dass Balou ihm folgte.
Und das ließ mein Blut in meinen Adern gefrieren.
Ich war es von Justus gewohnt, angelächelt zu werden, obwohl es nicht aufrichtig gemeint war. Dann funkelten seine Augen immer vor Angst, Wut, Hass oder Traurigkeit.
Noah, jedoch, war gut darin, Gefühle vorzutäuschen. Er lachte, und es hörte sich ehrlich an. Und es mochte auch ehrlich aussehen. Aber in seinen Augen fehlte dieser gewisse Glanz, den ich in jedem suchte. Fast so, als wolle er uns alle täuschen.
,,Nun ja", sagte er irgentwann. Ich runzelte die Stirn. ,,War schön dich wiedergesehen zu haben, Mia."
Und unter den genervten Seuftzern seiner Freunde, und den unkontrollierten Bellen und Knurren Balou's, drehte er sich um und lief davon, Mike und Lukas, den ich erst jetzt erkannte, folgten ihm fluchenend.
Balou machte einen Satz nach vorne und riss mich mit, aber ich ignorerte den dumpfen Schmerz als ich auf dem feuchten, harten Asphalt auf meiner Brust landete. Voller Entsetzen starrte ich dem wildgewordenen Schäferhund hinterher, der den drei jungen Männern hinterherjagte, die anscheinend komplett ihren Verstand verloren hatten.
,,Kuhmist!"
Mit wurde kurz schwindelig, als ich schnell wieder auf die Füße kam. Meine Gedanken rasten, suchten nach einem Ausweg aus dieser skurielen Situation. Da machte ich vom Augenwinkel eine Bewegung aus, und mein Kopf schoss in die Richtung.
,,Gott sei dank", murmelte ich, als ich Tom sah, der seinen Freunden ebenfalls hinterherstarrte. Ich deutete auf Hannah, die komplett verwirrt schien. ,,Pass gefälligst gut auf sie auf."
Und damit sprintete ich dem Hund und den bescheuerten Jungs hinterher, bevor noch Köpfe rollten.
,,Aua", murmelte Lukas. Er hielt sich zischend das Kühlpack in Form einer Packung eingefrorener Erbsen an seine pochende, angeschwollene Nase, die man ihm rücksichtslos ins Gesicht geschmissen hatte, und warf mir dabei einen Blick zu, von dem ich vorgab, ihn nicht gesehen zu haben. Mike schloss genüsslich die Augen und breitete sich auf dem Einzelbett aus, ganz so, als wäre es sein eigenes. Seuftzend richtete er sich das riesige Kissen und ignorierte ebenso wie ich die tödlichen Blicke von Lukas.
,,Ihr seid solche Idioten", merkte Tom an und kämpfte erfolglos damit, das breite Lächeln zu verbergen, dass sich langsam auf seinem langem Gesicht ausbreitete.
,,Und ich bin kurz davor, dir den Hals umzudrehen", nuschelte Lukas, machte aber nicht die geringsten Anstalten, seiner Drohung nachzukommen. ,,Klugscheißer."
Es blieb bloß für einige Minuten still, bis aus Tom's überdimensionalem Grinsen ein leises Glucksen wurde. Seine Schultern bebten von dem Gelächter.
Mike seuftze entnervt, als hätte er selbst nicht erst vor Kurzem aus vollem Halse Witzte über Lukas Sehkraft gerissen, griff nach dem Kissen, auf das sein großer Kopf gebettet war und schmiss es nach unserem Freund, der nun den Kopf in den Nacken warf und hell auflachte. Anscheinend hatte er komplett vergessen, wo wir uns befanden.
,,Tom, ich schwöre dir", setzte Lukas an, doch ich hörte ihm nicht länger zu. Stattdessen wanderten meine Augen über das fremde Zimmer, das nach einer Verwüstung aussah. Die Schranktüren waren aufgerissen, Klamotten und Bücher lagen verstreut auf dem Holzboden, Papiere und Schulbücher sammelten sich auf dem Schreibtisch an. An den dunklen, weinroten Wänden hingen Poster von Bands und Artisten, die mir vollkommen unbekannt waren.
Ich spürte, wie sich Lukas neben mir versteifte, als sich die Tür mit einem leisen Quitschen öffnete und Jemandes Ankunft ankündigte. Ich schaute zu Mia, die die Tür leise mit ihrem Fuß zustoß, eine Wasserflasche und Schmerztabletten nahmen ihre Hände ein.
,,Wo ist der Hund?", fragte Lukas, seine Stimme genauso angespannt wie seine Haltung. Mia schaute ihn an und hob langsam ihre Augenbrauen, als hätte er genau das Falsche gesagt.
,,Hannah ist mit dem Hund nach Hause gegangen, um ihn zu beruhigen."
,,Um den Hund zu beruhigen?", fragte Mike ungläubig. ,,Den Hund?"
Sie trat unbesorgt vor Lukas, ungerührt von den Augenpaaren, die auf ihr gerichtet waren und dem Tonfall von Mike und hielt ihm die Wasserflasche und die Tabletten hin, die er großzügig annahm. ,,Was eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre, wenn ihr nicht davon gelaufen wärt."
Tom, ganz der Arschkriecher, der er war, schnaubte. ,,Danke."
Lukas grollte und richtete sich etwas auf. ,,Übertreib es nicht, Weber."
,,Ihr hattet Glück, dass Balou auf meine Rufe reagiert", sagte Mia beiläufig und beugte sich etwas vor, um Lukas Nase besser sehen zu können. ,,Vielleicht solltest du aber trotzdem ins Krankenhaus."
,,Er weigert sich", sagte Mike. ,,Wäre aber auch echt peinlich, wenn er den Grund dafür nennen würde."
,,Von einem blutrünstigen Hund wegzurennen ist nicht peinlich!", verteildigte Lukas sich und lehnte sich an die Wand, als würde er davon aussgehen, dass damit die Diskussion ein Ende hätte.
,,Naja", sagte Mia und wand ihm den Rücken zu. Ich wartete darauf, dass sie sich für das Chaos entschuldigte, doch ihr schien die Tatsache, das ihr Zimmer eine einzige Verwüstung war nicht weiter zu stören. Stattdessen bewegte sie sich als würde sie sich hier wohl fühlen. Irgentwo hier zwischen dem Haufen an Klamotten und Büchern fühlte sie sich geborgen. Als mochte sie das Chaos.
,,Eigentlich war es nicht Balou, sondern der Pfosten, den du übersehen hast, als du von dem blutrünstigen Hund weggerannt bist. Schreiend."
Mikes unterdrücktes Gelächter brachte seine Schultern zum beben und mich zum Lächeln. Mia schaute über ihre zierliche Schulter über zu mir, in ihren haselnussbraunen Augen leuchtete etwas ähnliches wie Skepsis und Misstrauen auf, bevor sie blinzelte und es verschwand. Nachdenklich legte sie den Kopf schief, ihre dunkelroten Locken fielen ihr sanft über die Schulter. ,,Steht euer Freund gerade unter Schock, oder ist er immer so gesprächig?"
Ich schaute sie über den Raum hinweg an, Spott auf meiner Zunge, doch Mike unterbrach mich. ,,Er redet bloß nicht gern."
,,Nimm's nicht persönlich", meinte Lukas. Anscheinend dachten sie, ich hätte die Sprache verlernt.
,,Gut", sagte sie, in einem Tonfall, als wäre es ihr vollkommen gleichgültig, ob ich es nun persönlich meinte oder nicht. ,,Schön, jetzt, da wir die höflichen Flosken beiseite haben und es Lukas gut geht, mit Außnahme von dem Orientierungssinn, wäre es das Beste, wenn ihr geht."
,,Mit meinem Orientierungssinn ist alles bester Ordnung!"
,,Na gut", seuftzte Mike und richtete sich auf. ,,wir merken, wenn wir unerwünscht sind."
Wahrscheinlich wartete er darauf, dass sie etwas zwischen den Zeilen wie 'vielleicht wartet ihr doch noch einpaar Minuten' oder 'das war ein Witz' sagte, doch sie tat nichts dergleichen. Sie wartete. Und als Mike merkte, dass er das warme Bett verlassen musste, murmelte er: ,,du bist eine schlechte Gastgeberin", und sie lächelte.
,,Wo warst du?", fragte Mike vier Stunden später, als er mir die Tür öffnete. Inzwischen war die Dämmerung eingerochen, und die einzige Beleuchtung spendete die Lampe, die an der Wand neben der Tür befestigt war, doch selbst wenn die Nacht keinen Mond hätte, würde man die leuchtend rote Farbe in meinen Haaren nicht verfehlen können.
Mike räusperte sich und schaute weg. Ich sah noch, wie sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen. Mit einem Seuftzer lief ich an ihm vorbei und folgte den aufgeregten Stimmen, die aus dem Wohnzimmer dröhnten. Tom sah mit steigendem Interesse zum flickernden Fehrnseher, während Lukas das Basketballspiel bloß mit einem Auge verfolgte. Er pulte gedankenverloren an dem Etikett seiner Bierflasche. Er war der erste, der aufsah. Und er war nicht so gütig und diskret wie Mike, um sein Vergnügen zu verbergen. Er prustete los. ,,Neuer Look?"
,,Sieht ganz so aus", sagte ich, schnappte mir die halbleere Bierflasche aus seinen Händen und ließ mich auf den Sessel ihm gegenüber fallen. Seine Kissen verschluckten mich beinahe. ,,Ich dachte, ich probier mal was neues."
,,Sarkasmus?", fragte Mike, der am Türrahmen erschien, ein riesiges Grinsen im Gesicht. Er schien wohl vergessen zu haben, dass er seine Belustigung eigentlich verbergen wollte.
Statt einer Antwort nahm ich einen Schluck von dem warmen Bier.
,,Was ist passiert?" Tom hatte seinen Blick für einen kurzen Moment von dem Bildschirm gelöst und schaute mich erwartungsvoll an. Selbst er grinste.
Ein Selbstgefälliges Gefühl überkam mich, als ich mich Lukas zuwand. Und als ich sagte: ,,Leonie war bei den Sozialstunden dabei", und sein Grinsen langsam verfiel, wuchs dieses Gefühl. Das passierte oft. Bestimmte Gefühle kamen immer wieder, auch wenn sie noch so klein waren.
Große Gefühle, wie Hass, Zuneigung, Wut, Liebe, Reue, die das Leben ja grad so spannend machen, jedoch...
Nun, sagen wir, mein Leben fühlte sich bloß spannend an, wenn ich dem Tod nah war.
,,Scheiße", sagte Lukas. Er fuhr sich zerstreut über sein blasses Gesicht, das man trotz der schwachen Beleuchtung sah, seine nun kränklich gelbe Nase verstärke diesen Eindruck bloß. ,,Was hat sie gesagt?"
Ich zuckte ungerührt mit den Schultern. ,,Dass du ein Arsch bist. Sah ziemlich wütend aus. Dann hat sie Farbe über mich geschüttet." Meine Stirn legte sich über die Erinnerung daran in Falten. ,,Was ich übrigens ziemlich gemein fand. Ich meine, ich bin nicht mit ihr ins Bett gesprungen."
,,Noah", mahnte Mike streng.
Ich schaute ihn fragend an, bevor ich mich wieder Lukas zuwand. Sein ganzer Körper war angespannt.
Ich seuftzte. ,,Tut mir leid, Mann." Nicht wirklich. ,,Du weißt ja, dass ich mit sowas schlecht umgehen kann."
,,Mit was? Gefühlen?"
Lukas richtete sich auf und schaute mich an. Wahrscheinlich mit der Absicht, mich Schuld fühlen zu lassen. Nachdenklich legte ich meinen Kopf schief. Eigentlich sollte er es besser wissen. ,,Ja."
Ein bitteres Lächeln schlich sich auf seine blassen Züge, bevor er wissend nickte. ,,Okay."
Danach redeten wir nicht. Gelächter war vergessen, Anspannung lag schwer in der Luft. Aber keiner bewegte sich. Wir blieben wo wir waren, und schauten das Spiel zuende, wie wir es jeden Monat taten. Keiner beschwerte sich, dass ihr bester Freund ein kompletter Mistkerl war.
Ich konnte die Stille nie besonders leiden. Ich mochte das Laute, Zerstörerische, Chaotische. Das war etwas, das meine Konzentration beschlagnahmte, was mich nicht zum Nachdenken brachte, sondern zum Handeln, zum Leben. Und obwohl aufgeregte Stimmen aus dem Fehrnseher dröhnten und der Regen aggressiv gegen die Fenster prasselte, hörte man die Stille, lauter als alles andere im Raum.
Mein Vater saß auf dem Sessel, den er für sich beansprucht hatte, noch immer in seinen Arbeitsklamotten, und schaute mich an. ,,Du willst weg?"
Ich nickte. Innerlich wappnete ich mich für das Gespräch, von dem ich wusste, dass er mir bevorstand. Es war immer wieder das Selbe. Und als er endlich anfing, mich zu befragen, ratterte ich die Antworten geübt runter.
,,Wohin?"
,,Zu Lea. Wir wollten lernen."
,,Für was?"
,,Englisch und Biologie."
,,Und wie lange wird das dauern?"
,,Etwa drei Stunden."
,,Also bist du um zehn zu Hause?"
,,Ja."
,,Keine Sekunde später?"
,,Nein."
Er nickte zufrieden, bevor er seinen Blick wieder auf den Bildschirm richtete und ich wollte mich ebenso abwenden, um dann überall hinzugehen, nur nicht zu Lea, als meine Mutter am Türrahmen erschien, die schlanken, fast dürren Arme über der nicht vorhandenen Brust verschränkt. Ihr Blick wanderte über mein Äußeres und ich biss meine Zähne zusammen über den Ekel, den ich darin sah und den sie erfolglos versuchte zu kaschieren.
,,Hast du dein Zimmer aufgeräumt?"
Ich nickte. Ihre Augen verweilten auf meinem Shirt und ich wiederstand dem Verlangen, mich umzuziehen. Sie schafften es immer, mich so fühlen zu lassen. Aber ich hatte mal versucht, die perfekte Tochter zu sein. Es war trotzdem nicht genug. Also hörte ich irgentwann einfach auf.
,,Was hast du da an?"
,,Was meinst du?"
Ihre Augen schossen zu meinen. ,,Du siehst aus wie ein Hippi."
Ein Lächeln formte sich unwillkürlich auf meinen Lippen. ,,Was ist so schlimm an Frieden, Mutter?"
Sie sagte nichts. Sie starrte bloß so lange und so tief in meine Augen, dass alles andere um sie herum verschwamm und zur Nebensache wurde. Wahrscheinlich um zu kontrollieren, ob meine Pupillen nicht geweitet waren. Ich wollte sie sagen hören, dass sie dachte, ihre Tochter nähme Drogen. Aber sie sprach es natürlich nicht aus. Das würde alle Zivilisation zwischen uns aus dem Fenster werfen.
Nach einer Ewigkeit nickte sie und trat zur Seite, um mich durch lassen zu können und ich lief an ihr vorbei, und als ich auch die Haustür hinter mir ins Schloss fiel, ging ich genau in die entgegengesetzte Richtung zu Lea's Haus.
,,Mia!", rief Mac als Begrüßung, als ich näher an den kleinen Freundeskreis trat, der von Rauchschwaden umgeben war. Sein ganzer Körper zitterte vor Spannung, trieb ein rießiges Grinsen auf sein breites Gesicht. ,,Wo warst du?"
Ich winkte ab. ,,Die übliche Hektik. Hab ich was verpasst?"
Olivia drehte sich mit einem ebenso aufgeregten Gesichtsausdruck zu mir um. Sie war zierlich und leise, aber bei dem Temperament, den sie besaß, bemitleidigte ich all die, die es irgentwie geschafft haben, auf ihre schlechte Seite zu landen. ,,Sie haben noch nicht angefangen", sagte sie, gerade als eine mir unbekannte Band anfing, ihre Instrumente zu stimmen.
Das House of the risin' Sun war nicht besonders groß, aber alle Sitze waren besetzt. Ich war zufällig drauf gestoßen, als ich nach einem Dach suchte, der mich von dem damaligen Hagel beschützt hätte. Seitdem kam ich oft hier her. Die wenigsten wussten von diesem Ort. Es war kein Geheimnis, es war nur nicht besonders ansprechend für all die Passanten die ahnungslos dran vorbeiliefen und all die Magie verpassten, die hier stattfand.
Als jemand sich räusperte, schob ich alle anderen Gedanken vorerst beiseite und wand meine Aufmerksamkeit den vier Personen auf der kleinen Bühne zu.
,,Wir sind die Clouds, ich hoffe ihr freut euch auf die Cover, die wir vorbereitet haben." Und mit diesen Worten schaute er über seine Schulter hinweg zu dem Jungen hinter dem Schlagzeug, bevor beide gleichzeitig anfingen zu spielen. Meine Augen wurden glasig, als ich mich entspannte.
Es würde sicherlich viel später werden als zehn.
Es wurde später. Mitlerweile war es bereits nach Mitternacht, keine Menschenseele trieb sich noch länger auf den Straßen rum, kein Licht brannte in einem der Häuser, an denen ich vorbeilief und ich hatte das ungute Gefühl, das ein Sturm aufkommen würde. Und mir war kalt, wirklich kalt.
Ich hauchte meine Hände an, rieb sie aneinander und raffte meine Jacke zusammen, denn irgentwie hatte es der blöde Reisverschluss geschafft, sich an dem Stoff zu verheddern. Ich war drauf und dran, mein Handy aus meiner Hosentasche zu fischen und ein Taxi zu rufen, aber ich hielt inne, als ich eine Person sah, die trotz der Kälte auf einem der Treppenabsätzte saß.
Für einen kurzen Wimpernschlag spürte ich Panik in mir aufsteigen, bevor ich mich zwang, mich zu beruhigen.
Wahrscheinlich bloß ein Obdachloser, dachte ich mir. Aber als ich näher kam, sah ich das Glühen seiner Zigarette und als er daran zog und das Glühen für einen kurzen Augenblick stärker wurde, beleuchtete es sein Gesicht. Ich runzelte die Strin.
,,Noah?"
Ganz ruhig, als ob es zu seinem Alltag gehören würde, dass jemand ihn um diese Uhrzeit an diesem Ort anspricht, hob er seinen Kopf. ,,Hey", sagte er.
Ich starrte ihn an. Hey?
,,Was tust du hier?", fragte ich, trat einen Schritt auf ihn zu. Dass meine Eltern mich später umbringen werden war mir zunächst egal.
Er zuckte mit den Schultern. ,,Ich warte auf Mike."
Meine Augen wanderten flüchtig über seine Lederjacke und den Kapuzenpulli, den er darunter trug. ,,Ist dir nicht kalt?"
Statt einer Antwort brachte er die glühende Zigarre zu seinen Lippen und zog kräftig dran. ,,Dir etwa?"
,,Ziemlich", nickte ich. Er schwieg, aber seine Augen ruhten schwer auf meinen zitternden Körper. Ich sollte gehen, aber etwas hielt mich auf. Wahrscheinlich der unschöne Gedanke, dass meine Eltern zuhause auf mich warteten.
Als er sah, dass ich nicht ging, hob er seine Augenbrauen, doch anstatt zu fragen, was ich hier machte, hielt er mir seine Zigarette hin.
Ich schüttelte den Kopf. ,,Ich rauche nicht."
,,Wirklich? Ich hatte dich für eine Raucherin gehalten."
Ich vergrub meine klammen Hände tief in meinen Jackentaschen und ballte sie zu Fäusten, um der Kälte zu umgehen. ,,Und warum?"
Er legte den Kopf schief. ,,Chaotisch, gewagt", sagte er. ,,Hätte zu deinem Image gepasst."
,,Huh", machte ich, überrascht. Selbst Fremde schienen zu bemerken, dass ich eine Chaoische Ader hatte. Langsam aber sicher befürchtete ich, so würde es schwer werden, einen Arbeitsplatz zu finden.
,,Du solltest gehen", sagte er, zog noch ein letztes mal an seiner Zigarre, bevor er sie zu Boden warf und sie mit seinem Schuh austrat. ,,Du frierst."
Oh, richtig, dachte ich. Das hatte ich ganz vergessen. ,,Und was ist mit dir?"
Er schaute mich an, sagte aber nichts. Jetzt, da die Zigarette kein Licht mehr gab, konnte ich so gut wie nichts sehen, nur seine Umrisse, bis hinter ihm eine Tür aufging und das Licht vom Hausflur die Dunkelheit vertrieb. Verwirrt kniff ich meine Augen zusammen. Hatten seine Haare einen Rotstich?
Mike und Tom, die aus der Tür kamen, stoppten meine Gedankengänge. Während Tom munter vor sich hin plapperte, hörte Mike ihm genervt zu, doch beide hielten inne, als sie mich sahen.
,,Mia?"
Ich winkte ihnen unbeholfen zu. ,,Hey."
,,Was machst du hier?", fragte Tom neugierig und ich zuckte mit den Schultern.
,,Ich wollt' grad nach Hause." Ich schaute zu Noah. ,,Wir sehen uns morgen in der Schule."
Er schaute mich bloß an.
,,Okay." Und damit wand ich ihnen meinen Rücken zu und ging schnellen Schrittes die leeren Straßen entlang, den kalten Wind als ständigen Begleiter.
Publication Date: 10-20-2014
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Dedication:
An All die, die leben.