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Unheimliche Weih-Nacht

Als am Abend des 20. Dezember 1974 die Sonne am Horizont versank und sich Dunkelheit über die Lande legte, leuchteten in der Ferne noch die Fenster der kleinen Siedlung. Der Wind trug nur noch ganz leise den Klang der Kirchenglocken bis an den Waldrand. Still und heimlich nahm die erste Schneeflocke ihren Weg vom Himmel hinab zum Erdboden und schon bald hatte das kalte Weiß das gesamte Dorf in Puderzucker gehaucht.

Doch der friedliche Schein konnte auch trügen, wie wir in dieser Geschichte erfahren werden. Denn ganz in der Nähe des Waldes stand ein kleines Haus, kaum mehr als eine Hütte. Hier hauste der alte Bernie, der, so erzählte man sich in der Siedlung, schon länger hier lebte als jeder andere in der Gegend. Und der zudem der beste Geschichtenerzähler des kleinen Dorfes war. Die Eltern hielten ihre Kinder von dem verrückten Alten, wie sie ihn bezeichneten, stets fern. Von Geburt an bläuten sie ihren Sprösslingen ein, sich bloß nicht dem Haus des alten Bernie zu nähern.

„Er hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen!“ warnten sie jeden, der es hören wollte. „Außerdem bildet er sich ein, für den Weihnachtsmann zu arbeiten. Pah! Der doch nicht, der alte Zausel!“ rief der alte Ollek und zwar jedes Jahr aufs Neue.

„Obwohl er ein wenig aussieht, wie Knecht Ruprecht, findet ihr nicht?“ fragte die Älteste der alljährlichen Tratschrunde. Doch die anderen lachten Mamutschka, wie sie seit Jahrzehnten genannt wurde, nur lauthals aus und schüttelten ihre Köpfe, die nur mehr aus Mützen bestanden, weil es saukalt war. Deshalb stob die Lästerrunde auch kurz später auseinander, um sich in ihrer warmen Behausung die eingefrorenen und müden Knochen aufzutauen. Jedes Jahr kurz vor Weihnachten die gleiche Prozedur. Jedes Jahr die gleichen Geschichten und jedes Jahr verirrten sich doch ein paar Zwergnasen in Bernies kleine Hütte mit dem rauchenden Schornstein. Aber weshalb nur aus seinem Kamin pinkfarbener Rauch stieg, das wollte oder konnte keiner der Dorfeinwohner den Kindern erklären. Da der Qualm noch dazu nach Einhornpups mit Glitzer roch, machte die außergewöhnliche Farbe zumindest den kleinen Menschen im Dorf keine Angst. Sie waren noch unschuldig, hatten eine reine Seele und waren auch für Andersartiges offen. Diese Eigenschaft war den meisten der übrigen Einwohnern schon lange abhanden gekommen.

 „Was hat der da in der Hand?“ fragte die elfjährige Ute und drückte sich neugierig die vor Kälte rote Nase an Bernies Fenster platt. Der blonde Olli neben ihr zuckte unwissend die Schultern.

„Keine Ahnung, aber er tippt ununterbrochen darauf herum und dann leuchtet es blau...“

Auch Anni, die genauso alt wie Ute war, klebte fasziniert mit der Stirn am kleinen Fenster.

„Ui! Das will ich auch haben, so etwas schönes habe ich noch nie gesehen. Das wünsche ich mir zu Weihnachten!"

„Wenn es stimmt, dass der alte Bernie für den Weihnachtsmann arbeitet" meinte nun auch Thomas grinsend, der vierte im Bunde, „dann könnten wir ja ihm auch direkt unsere Wunschzettel geben.“

Er und Olli waren zwei Jahre älter als die Mädchen und besuchten das Gymnasium im nächstgelegenen Ort hinter dem Dorf.

Plötzlich hörten die vier ein Knacksen hinter sich und stoben erschreckt herum. Alle waren leichenblass geworden, als sie sich plötzlich dem alten Bernie gegenüber sahen.

Ute fand als erste ihre Stimme wieder. „Aber...aber, er war doch gerade noch in der Hütte...wie ist er auf einmal...so schnell...so plötzlich...?“

Mit seinem grauen Vollbart und den dichten Augenbrauen sah er grimmig drein. Die Augen zu kleinen Schlitzen verengt blickte er schnaubend auf sie herab.

„Lauft!“ rief der schlaue Thomas und machte es den anderen vor. Flink wie der Wind war die Viererbande im Wald verschwunden und wähnte sich in Sicherheit. Doch von überall her drangen unheimliche Geräusche zu ihnen herüber. Ein Ächzen aus Osten, ein Rascheln aus Süden, ein Knacken aus Norden und leises Kichern aus Westen.

Die rothaarige Ute fing an zu heulen. „Ich habe Angst, ich will nach Hause“, jammerte sie und klammerte sich bei jedem neuen Geräusch enger an Thomas.

„Olle Heulsuse“, schimpfte Olli und sah grimmig drein.

„Halt die Klappe, Blondie, sonst lernst du mich mal von einer anderen Seite kennen!“ knurrte Thomas und drückte Ute noch enger an sich. Da war nicht nur der Beschützerinstinkt in ihm erwacht, er mochte jede Sommersprosse an ihr, sie sahen aus wie klitzekleine Sterne, fand er. Auch Olli mochte Ute gern, aber er war nicht fähig, ihr das zu zeigen, deshalb ärgerte er sie oft. Für Ute jedoch fühlte sich das so an, als könnte der Blondschopf sie nicht leiden. Ein lauter Schrei, der allen durch Mark und Bein ging, holte die vier aus ihren ganz eigenen Gedanken zurück in die kalte, dunkle Realität. Jetzt heulte auch Anni und Olli legte schützend einen Arm um sie. Ute wollte gerade los schimpfen, weil ihr das gar nicht gefiel, als plötzlich aus dem Nichts ein schwarzer Mann vor dem Vierergespann auftauchte. „Lauft!“ befahl Thomas erneut an diesem Abend und alle sprinteten in Richtung Dorf.

„Teilt euch auf und dann treffen wir uns alle am heiligen Brunnen!“

Thomas war ein schlauer Bub, ihm schoss durch den Kopf, dass es für den schwarzen Mann schwieriger wäre, wenn die vier Freunde in alle Richtungen stoben. Und die im Dunkeln sieht man nicht, oder?

Bereits einige Minuten später fanden sich die Halbwüchsigen atemlos am Dorfbrunnen ein.

„Schnell, taucht eure Hände in das heilige Wasser, beeilt euch, bevor der schwarze Mann uns holen kommt!“ rief Ute panisch. Die Weisen aus dem Dorf hatten den Kindern schon früh die Legende vom schwarzen Mann erzählt und auch vom heiligen Brunnen, der alle Schande in Gutes verwandelte, wenn man seine Hände noch vor Mitternacht ins Wasser tauchte. Und es war erst sieben am Abend, aber eben schon sehr duster. Hinter dem Schutzbrunnen war eine kleine Kapelle, in der die vier sich nach der Reinwaschung aufwärmen wollten. Aber erst lugte Thomas vorsichtig hinein, ob auch die Luft war rein. Es saß jedoch nur eine alte Frau in der ersten Reihe und schien zu beten.

„Lasst uns reingehen, es sitzt nur eine harmlose Alte auf der Bank“, meinte Thomas und schob seine Freunde ins Innere der warmen Kapelle. Die alte Frau hatte ihre Hände zum Gebet gefaltet und murmelte vor sich hin. Die Vier setzten sich auf die Bank ihr gegenüber und wärmten sich gegenseitig. Dann schaute Anni zu der Alten rüber und direkt in ihre Augen. Diese waren glutrot. Das Mädchen erschrak fürchterlich und starrte sie mit offenem Mund an.

„Was glotzt du denn so blöd, du kleines Biest?“ wetterte die Alte und nun schauten sie alle entgeistert an.

"Noch nie eine arme, alte Frau in einer Kirche gesehen?“ kam es dann etwas netter von ihr und von den roten Augen keine Spur mehr. Also glaubten die anderen drei Anni natürlich nicht, als diese panisch davon berichtete.

„Du schaust zu viele schlechte Filme, Kind!“ mutmaßte die Alte und grinste übers ganze Gesicht. Doch das schwarzhaarige Mädchen wusste genau, was es gesehen hatte. Und das würde sie auch nie wieder vergessen können, das war Anni klar. In einem Moment, in dem die anderen nicht hinsahen, verwandelten sich die Augen der Alten wieder in ein Flammenmeer. Sie hielt das elfjährige Mädchen zum Narren, ohne dass ihre Freunde etwas davon merkten.

„Jetzt, wo wir hier alle so nett beisammen sitzen, erzähle ich euch mal die Wahrheit über euren ach so tollen Weihnachtsmann und dem heiligen Rest!“ bestimmte die Alte und hob drohend den Zeigefinger. „Und ihr werdet schön zuhören, ihr unreifes Pack!“

Für einen kurzen Moment leuchteten ihre Augen erneut rot und diesmal hatte es auch Ute gesehen und rückte noch enger an Thomas. Ihr Herz pochte laut, genau wie Annis. Sie hatten beide den Eindruck, man könne es in der ganzen Kirche schlagen hören, doch es waren lediglich die Glocken, die plötzlich einsetzten.

„Pünktlich auf die Minute!“ frohlockte die Alte und lachte schauderlich. Einer Bewegung unfähig saßen die Freunde nur stocksteif auf ihrer Holzbank und starrten ungläubig die Frau an, die mit einem Mal wie eine böse Hexe wirkte. Kraftvoll stieß sie mit ihrem Gehstock auf den Marmorboden der Kapelle, um sich Gehör zu verschaffen.

„Ich erzähle euch jetzt die wahre Geschichte von Weihnachten.“

Wortlos nickten die vier und fassten sich bei den Händen.

„Also hört gut zu, ihr niederen Kreaturen, ihr kleinen Erdlinge!“ forderte sie und begann zu erzählen:

„Vor vielen Jahren war ich mit Jossip unterwegs, meinem Mann und Zimmerer von Beruf.“

Olli musste kichern. „Die hat einen Mann abgekriegt?“

„Ja, kaum zu glauben“, flüsterte Thomas zurück. Wieder rammte die Alte ihren Stock in den Marmorboden und diesmal bebte die Kapelle bedrohlich. Sofort war wieder Totenstille eingekehrt.

 „Eines Abends gingen wir durch ein armes Viertel und kamen an einem kleinen Stall vorbei, in dem ein spärliches Licht brannte. Neugierig wie wir waren, schauten wir durchs Fenster. Und ratet mal, was wir dort gesehen haben?“

Thomas hatte schon wieder einen frechen Spruch auf den Lippen, doch dieses Mal verkniff er sich diesen. Er hatte doch ein wenig Muffe vor der Alten, die war ihm irgendwie unheimlich.

„Nun sag schon, was ihr gesehen habt in dieser Nacht, du alte Klapperschlange!“ dachte er sich deshalb nur.

„Ein kleines, schwarzes Baby lag in einer Krippe und nuckelte am Daumen.“

Ein Raunen ging durch die Kirche und brach die Stille.

„Und die Eltern?“ fragte Ute neugierig.

„Psst, hältst du wohl den Rand, du vorlaute Göre!“ schimpfte die Alte und ließ erneut den Stock sprechen.

„Das kleine Balg lag da völlig allein in der Krippe, die Eltern hatten sich wohl aus dem Staub gemacht. Offenbar wollten sie das kleine verlauste Ding nicht mehr haben“, erzählte sie weiter.

Ute und Annis Gesichter wurden traurig.

„Also sind wir in den Stall rein und haben uns dem kleinen Bündel angenommen. Eine gute Entscheidung, denn es lagen auch Geschenke, Gold und allerlei Zeugs im Stroh herum und das haben wir uns natürlich auch nicht entgehen lassen, mein guter Jossip und ich. Keine Ahnung, welche Deppen das ausgerechnet dort versteckt haben. Das Baby hat fürchterlich gestunken, weil es ein Pfund in die Windel gehauen hatte. Man, was hat der Jossip sich angestellt. Gott hab ihn selig, den guten Kerl.“

Plötzlich schimmerten die Augen der Alten verdächtig. Eine Gefühlsregung? Mit offenen Mündern starrten die vier die Frau an. Damit hatte keiner gerechnet. Schnell wischte sie mit dem Handrücken das verräterische Nass fort und erzählte weiter:

„Als wir dann endlich das kleine Bündel vom Dünnschiss befreit und in eine neue Windel gepackt hatten, bekamen wir Besuch von drei merkwürdigen Gestalten.“

Vielsagend sah die Alte die vier Freunde an, die langsam neugierig auf die Erzählung wurden.

„Die hatten einen äußerst eigensinnigen Kleidungsstil und ihre Pupillen waren so groß wie die Linsen in der Suppe meiner Oma. Gott hab auch sie selig. Der Jossip und ich wussten sofort, dass die unter Drogen standen, bei all dem wirren Zeugs, das die erzählt haben. Ein Stern hätte sie zu dem Stall geführt und der schwarze Windelpupser wäre heilig und so. Der Jossip musste so sehr lachen, dass er einen Hustenanfall und keine Luft mehr bekam. Aber einer der Drei hat es tatsächlich geschafft, ihn wieder hinzubekommen, den guten alten Jossip.“

Ein Raunen ging durch die Kirche.

„Sie wollen uns also erzählen, dass die drei Weisen aus dem Morgenland high waren und der Stern, dem sie gefolgt sind, in Wirklichkeit damals nur ein Ufo war?“ fragte der schlaue Thomas.

„Wirst du wohl still sein, du ungläubiger Knilch!“ donnerte die Alte, dass man meinen könnte, es zöge ein Gewitter auf.

Sie schnäuzte sich kräftig und erzählte dann weiter:

„Die verwirrten Herren waren so nett uns Milch für den Furz in der Krippe zu geben, die wir auch dankbar annahmen. Bald darauf verschwanden sie und wir konnten uns endlich schlafen legen.

Am nächsten Morgen jedoch schneite ein fein gekleideter Herr bei uns rein. Sabbelte was von Volkszählung und fragte uns dann ganz verblüfft, wie das gehen würde, dass der Jossip und ich ein schwarzes Kind bekommen hätten.

'Ach, der is nur schmutzig'“, versuchte mein Gefährte dem Anzugmann weiszumachen.

'Ja, verehrter Herr, der hat sich halt voll gekackt und hier liegt ja nur Stroh herum zum sauber machen', habe ich den Jossip dann unterstützt, 'was glauben Sie, wie Sie aussehen würden?'

Das wollte sich der feine Herr dann doch lieber nicht vorstellen und verschwand nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder. Als der Schokoladenwurm dann ein Nickerchen hielt und wir uns ebenfalls zur Ruhe legen wollten, schneiten plötzlich drei bunt gekleidete Frauen bei uns rein. Man kam sich fast vor wie am Bahnhof. Nicht einmal eine Stundel hatten wir unsere Ruhe an dem Abend.

'Wir sind die drei Weiber aus dem Morgenland und suchen unsere Männer', lallten die dummen Gänse fast synchron, als hätten sie noch einen in der Krone, weil sie wahrscheinlich am Vorabend eine wilde Party gefeiert haben. Die sahen aus als kämen sie aus der wilden Hippiezeit, die bunten Fetzen taten richtig weh in den Augen.

'Hier gibt es nur einen tollen Kerl und das ist meiner', klärte ich sie auf und stellte mich vor meinen Jossip. 'Den grauhaarigen Opa kannst du gerne behalten!' traute die blonde der drei sich tatsächlich zu sagen. So eine Unverschämtheit! Als ob die auch nur den Hauch einer Chance bei meinem treuen Jossip gehabt hätte. Gott hab' ihn selig“, wurde die Alte nicht müde, zu erwähnen.

Thomas und Olli konnten nur mühsam ein Kichern unterdrücken, doch die Alte merkte es und ließ wieder ihren Stock sprechen. Dann schaute sie auf die Uhr und erzählte weiter:

"Diese Weibsbilder waren wie die Pest! Die rothaarige mit den grasgrünen Lumpen am Leibe fragte uns doch tatsächlich, wie wir es geschafft hätten, in unserem biblischen Alter noch ein Kind zu machen. So eine Unverschämtheit! Und die dritte im Bunde war die ganze Zeit am schmatzen, weil sie einen Kaugummi malträtierte und grinste nur blöd. Man, was waren das freche Gören! Die hätte ich am liebsten übers Knie gelegt!“ Beim letzten Satz flackerten die Flammen in ihren Augen auf.

Ängstlich wichen die vier zurück und drückten sich in die Bank.

Plötzlich ertönte ein Geräusch, das wie eine Melodie klang. Nervös nestelte die Alte in ihrer Umhängetasche herum.

„Wieso muss er ausgerechnet jetzt stören?“ murmelte sie, aber Thomas hörte es trotzdem.

„Was meint die? Wer stört?“ flüsterte er leise.

Als die Alte dann ein rechteckiges, blinkendes Teil hervor zauberte und dies an ihr Ohr hielt wie ein Telefon und in das Ding rein sprach, schauten die Freunde ungläubiger denn je. Ute fand als erste ihre Stimme wieder:

„Das ist doch das Ding, das wir auch bei dem alten Bernie gesehen haben!“ rief sie und erntete dafür einen bitterbösen Blick von der Alten.

„Das nennt man Handy, dummes Ding!“ polterte sie, nachdem sie das Minitelefon wieder verschwinden lassen hatte. Die vier hielten den Atem an vor Erstaunen.

„Was ist ein Handy?“ fragte Anni neugierig.

Die Alte ließ erneut ihren Stock sprechen und sofort kehrte Totenstille in der Kapelle ein.

„Ihr Untermenschen müsst noch 20 Jahre darauf warten, bis ihr dieses geniale, sowie gefährliche Teufelswerkzeug in Händen halten könnt!“

„Das erklärt einiges“, konnte Thomas sich nicht verkneifen. Die Alte strafte ihn mit einem bösen Blick und widmete sich wieder ihrem Handy.

„Was willst du damit sagen?“ traute sich nun auch Olli zu fragen.

„Na ist doch klar, die Alte hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen!“

„Wieso?“ fragte Anni jetzt ängstlich und kauerte sich noch tiefer in die Bank.

„Na, ist doch klar!“ stellte nun auch Ute fest, „sie hat einen heißen Draht nach unten in die Hölle, Anni!“

„Genau so ist es. Ich wusste gar nicht, dass du auch schlau bist, Ute!“ stellte Thomas anerkennend fest. Sofort tat ihm leid, dass er das tatsächlich ausgesprochen hatte. Aber es war zu spät.

„Wieso auch?“ fragte Ute beleidigt.

Doch, bevor Thomas versuchen konnte, das gerade zu biegen, ließ die sowohl gruselige wie nervige Alte zum wiederholten Male ihren scheiß Stock sprechen. Sofort verstummten alle und richteten ihr Augenmerk wieder auf die vermeintliche Hexe.

„Bevor er kommen und euch holen wird, verrate ich euch das größte Geheimnis von allen.“

Die Freunde zuckten zusammen und jeder einzelne von ihnen war wohl mehr daran interessiert, zu erfahren, wer sie holen will. Das Geheimnis juckte keinen von ihnen wirklich. Völlig eingeschüchtert saßen sie auf ihrer Strafbank. Doch die Alte ließ sich nicht erwichen und erzählte einfach weiter:

„Maria und Josef haben uns alle veräppelt. Den schwarzen Jesus haben sie nämlich von einer armen, dicken Afrikanerin adoptiert und gar nicht selbst gezeugt! Wie denn auch, Maria war ja eine eiserne Jungfrau!"

„Jesus ist adoptiert und schwarz?" Thomas konnte es nicht glauben.

"Nein, das kann nicht sein!" rief jetzt auch Ute, „das stimmt nicht mit meinen Recherchen überein!"

"Habe ich nicht gesagt, ihr sollt still sein, ihr dummen, kleinen Erdlinge?"

Eine Sekunde später wurde die schwere Tür der Kirche aufgestoßen und im Mondlicht zeichnete sich eine schwarze Gestalt ab, dessen Augen für einen kurzen Moment ebenso rot leuchteten wie die der Alten vorhin. Die vier Freunde schrien aus voller Kehle, so laut sie konnten und rückten so eng zusammen, dass kein Blatt mehr zwischen sie gepasst hätte.

 

„Du bist zu früh, Bernie, wie immer!“ rief die Alte mürrisch.

„Bernie aus der Hütte?“ entwich es den Freunden gleichzeitig.

Die Gestalt ließ das schwarze Cape zu Boden gleiten und zum Vorschein kam tatsächlich der wunderliche, alte Bernie aus dem kleinen Haus am Waldrand. Flink wie ein Wiesel und ohne ein Wort packte er die vier, verstaute sie in einen großen Sack, hing sich diesen über seine starken Schultern und machte sich auf den Weg.

„Er bringt uns in seine Hütte“, flüsterte der schlaue Thomas.

„Woher willst du das wissen?“ fragte Ute panisch.

„Weil ich den Duft seines Schornsteins riechen kann.“

Jetzt heulte auch Ute. „Mir ist kalt, mir ist so kalt!“ Sie zitterte am ganzen Körper.

 

Nur einen Augenblick später wurden die Freunde aus ihrem Stoffgefängnis befreit und an die frische Luft befördert. Sie standen mitten in einem wunderschön weihnachtlich hergerichtetem Kaminzimmer. Mit offenen Mündern vor Erstaunen schauten sich die Vier um. Auf einem Esstisch in der Ecke standen vier Becher Kakao und eine große Schüssel mit Keksen. Verständnislos blickten die Freunde sich an.

„Nicht so schüchtern, Kinder. Ihr müsst euch doch sicher erst einmal aufwärmen!“

Die vier stoben herum und erblickten einen freundlichen Bernie.

„Und Hunger habt ihr doch sicher auch, oder etwa nicht?“

Sie nickten nur stumm.

„Na, dann setzt euch mal hin. Und dann erzähle ich euch die wahre Geschichte über Weihnachten.“

„Nein, nicht schon wieder!“ riefen die vier Freunde im Chor.

 

ENDE gut, alles gut?

 

 

 

 

 

 

 

 

Imprint

Text: Alle Rechte bei der Autorin
Images: google
Publication Date: 12-23-2018

All Rights Reserved

Dedication:
Für meine Kinder, Weihnachten 2018

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