Name: Rainer Göcht
Buchautor und Schriftsteller
Zitat: Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben
Texte und Bildmaterialien:
Rainer Göcht
Alle Rechte vorbehalten
Tag der Veröffentlichung:02.04.2014
Diese Geschichte erzählt einen Beitrag zum 44. Dear Diary-Wettbewerb im April 2014 der Bio-Gruppe.
Thema, wie lernte ich meinen Partner/in kennen.
Die Geschichte schrieb den 26. Februar 1968. Ein sonniger, strahlenblauer Rosenmontagshimmel, die Stadt Wipperfürth feierte intensiv Karneval, ein Ereignis, was ich in der Art vorher noch nicht erlebt hatte. Ich, als Norddeutscher und Karneval, das passte zusammen, wie der Klabautermann mit dem Funkenmariechen. Klar, hier in der Region nannte man es Karneval, in anderen Regionen schüttelte man über so vielen Unsinn nur den Kopf. Ich wurde in diesem Jahr gerade mal 17 Jahre alt, verließ mit meinen Eltern ein halbes Jahr vorher die Stadt Wilhelmshaven, um in Wipperfürth einen neuen Beginn zu starten. Schnell fand ich Anschluss an Gleichaltige, musste aber meine Ostfriesenart mehr oder weniger hinter dem Deich lassen, weil hier andere Maßstäbe galten, nämlich das Oberbergische Platt, vermischt mit den kölschen Begebenheiten. Diese Art sorgte bei mir anfangs für viel Unverständnis und einer Gänsehaut auf dem Rücken. Das kam natürlich daher, dass ich wenig von dem Kauderwelsch verstand. Aber lieben mit den Wölfen heulen, als sich zu verkriechen, so tat ich einfach so, als wenn ich vorher nie etwas anderes gehört hatte. Wenn gelacht wurde, lachte ich mit, wenn getanzt wurde tanzte ich mit, wenn lauthals die Karnevalslieder gegrölt wurden, passte ich mich dieser Stimmlage an. In Wilhelmshaven sprach man zum Teil ostfriesisches Platt, was natürlich hier in den Karnevalshochburgen wie eine Sprache vom anderen Stern gehandelt wurde.
Weiberfastnacht war die Krönung aller Benimmaktivitäten. Ich hatte vorher noch nie so viele betrunkene Frauen gesehen, hemmungslos, total aus dem Häuschen. Harmlos war, den Männern den Schlips abzuschneiden. Dreister wurde es, als einige der „anständigen Hausfrauen“ verschiedenen Männern auf der Straße bis auf die Unterhose auszogen, weil sie keine Schnapsrunde ausgaben.
Die Karnevalslieder sang ich einfach mit, auch wenn meine Textsicherheit ein wenig zu wünschen übrig ließ. So langsam gewöhnte ich mich an die Rolle eines Zugezogenen. Der Rosenmontag nahte, ich war mit ein paar Jungen meines Alters unterwegs, als wir von ein paar Mädchen unseres Alters, oder jünger, angesprochen wurden. Einige meiner neuen Kumpels waren mit ihnen bekannt. Am Abend sollte eine private Karnevalsfete, etwas außerhalb von Wipperfürth, in einem Keller starten, wozu wir ganz zwanglos eingeladen wurden. Natürlich sollten wir uns entsprechend verkleiden, was meine leichte Antistimmung gegen die karnevalistische Verkleidung noch mehr verstärkte. Bis jetzt amüsierte ich mich nur über die vielen Phantasieklamotten aus der Mottenkiste, jetzt sollte ich selbst „Flagge“ zeigen?
Meine Stimmung war etwas angeknackst, weil ich mich überhaupt nicht mit diesem Gefummele identifizieren konnte. Irgendjemand meinte dann, eine Matrosenverkleidung würde mir bestimmt stehen. Na, gut, der Kompromiss gefiel mir einigermaßen.
Wir trafen uns auf dem Busbahnhof, um mit mehreren Mopeds die etwa 8 Kilometer weite Strecke zu dem kleinen Dorf außerhalb von Wipperfürth zu fahren. Zwölf Jungen, im Alter von 16 bis 18 Jahren, voller Tatendrang, in der Hoffnung, einen „liebevollen“ Abend zu erleben. Wir erreichten das angegebene Haus, gingen den selbstangebrachten Schildern nach, und wurden in einem alten Gewölbekeller, mit halbrunden, nach oben gewölbten Wänden, bereits von einer größeren Gruppe Mädchen erwartet. Vom großen Hallo bis zur zärtlicher Umarmung, alle Varianten im Teenalter waren vertreten.
Ich stand im Türrahmen und schaute auf die sich schon schnell bildenden Pärchen. Klar, von diesen Mädchen kannte ich Keine, denn sie wohnten fast Alle im Raum Gummersbach, und gingen dort, oder in Marienheide, zur Schule.
Jetzt wanderte mein Blick langsam durch den schön geschmückten Kellerraum und ich schaute auf ein Mädchen, was neben einem Tonbandgerät auf einem Tisch saß, und die ganze Szenerie aufmerksam, aber mit einem leichten Abstand betrachtete. Ihre Karnevalsverkleidung bestand lediglich aus einem bunt bemaltem Männeroberhemd, ansonsten war sie ganz normal angezogen. Ich war von ihrem Anblick, dunkle Haare, dunkelbraune Augen, schlank, gutaussehend, so fasziniert, dass ich mich auf die andere Seite des Tonbandgerätes ebenfalls auf den Tisch setzte, um mit ihr zusammen dieses bunte Treiben zu betrachten. Wir schwiegen eine gewisse Zeit. Dann schaute sie mich an, ich schaute sie an, wir fassten uns an der Hand, gingen zur kleinen Tanzfläche und begannen langsam an zu tanzen.
Wir verbrachten den ganzen Abend zusammen, und hatten nur noch den Blick für den Anderen.
Draußen vor dem Kellereingang stand ein große gelbblühende Forsythie, dort haben wir uns das erste Mal intensiv geküsst. Man kann sagen, es war Liebe auf den ersten Blick.
Das Ganze geschah vor etwas mehr als 46 Jahren, davon sind wir seit 39 Jahren verheiratet.
Text: Rainer Göcht
Images: Rainer Göcht
Publication Date: 04-02-2014
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