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Prolog

Name: Rainer Göcht

Buchautor und Schriftsteller

Zitat: Wer zuletzt kommt, den bestraft das Leben

 Texte und Bildmaterialien:

Rainer Göcht

Alle Rechte vorbehalten

Tag der Veröffentlichung: 07.12.2013

Eine liebevolle Katastrophe

In der Vorortsiedlung einer Kleinstadt lebte eine ganz normale Familie, Herr Timmerbein, Beamter, Frau Timmerbein, Hausfrau, Sohn Max das Warum- Kind, denn er wollte alles ganz genau wissen, oder umgekehrt, er gab auf Alles eine oftmals „klugscheißerische Antwort. Seine Eltern, die Nachbarn, die Lehrer der Grundschule, oder seine Freunde hatten es nicht leicht mit ihm.

Max musste immer in Bewegung sein, etwas Neues ausprobieren, irgendwas führte er immer im Schilde. Auf seine Zahnlücke war er besonders stolz, denn dadurch konnte man aus dem Verborgenen wunderbare Fruchtkerne vorbeikommenden Leuten an den Kopf spucken. Manchmal machte er auf der Wiese einen Handstand, balancierte auf diversen Mauerkronen und kratzte sich an einem Bein. „Warum kratzt du dich andauernd?“ „Ich bin so ungeduldig.“ „Aber deshalb kratzt man sich doch nicht.“ Max gab nicht gerne eine weitere Antwort, weil er dieses einseitige Frage- und Antwortspiel hasste. Er fragte lieber selbst, weil er dann das Thema selbst aussuchen konnte.

Sein Vater, ein Pedant, ein ganz genauer Beamter, hatte oft Mühe, seinem Filius geistig zu folgen und meinte dann nur: „ Ich bin kein Lexikon, wo man einfach nachschlagen kann.“ Prompt erhielt Herr Timmerbein die Frage: „Was ist ein Lexikon?“ „Ein ganz schlaues Buch, was da drin steht, wissen nur Gelehrte.“ „Wie dick ist das Buch?“ Die Antwort blieb aus, weil sein Vater nur noch resignierend mit den Schultern zuckte. So ging es weiter und weiter.

Max wünschte sich einen Hund. Was lag da näher, als diesen Wunsch auf die Wunschliste des angehenden Weihnachtsfestes zu setzen. Er bettelte und bettelte, führte als Argument an, dass Frau Stranzig im unteren Stockwerk auch einen Hund besaß, der einem Kopfkissen ähnlicher sah, als einem richtigen Hund. Es wurde behauptet, er wäre ein Pudel, was bei näherem Hinsehen auch fast hinkam, wären da nicht die kurzen stämmigen Beine. Auf alle Fälle sah er Frau Stranzig sehr ähnlich, denn der Größenunterschied von ihr zum wandelnden Kopfkissen zeigte viele weitgreifende Übereinstimmungen. Zu allem Überfluss nannte sie ihren Vierbeiner auch noch Wotan, sodass Max Frau Stranzig auch Tante Wotan nannte, nur er hatte sie noch nicht bellen gehört.

„Hast du dir auch mal überlegt, was so ein Hund täglich frisst? Wer will das denn bezahlen?“ „Ach, das wird schon irgendwie gehen, der frisst sich durch.“ „Willst du denn auf Essen verzichten?“ „Wenn wir nichts mehr haben, dann muss der Hund eben selber nach etwas Fressbarem suchen, es jagen.“

Die Eltern blieben hart, auch wenn Max von nichts Anderem mehr redete.

Max versuchte, sich immer neue Tricks auszudenken. Nachts schrie er ganz laut, und behauptete: „Hier im Zimmer sind andauernd kleine Männchen. Sie saßen auf meinem Bett und wollten mich holen.“ „Wo sind die denn, ich kann keine sehen.“ „Diese Männchen kann auch nur ich sehen. Ich brauche einen Hund, der auf mich aufpasst.“ „Wir haben aber keinen Platz in der Wohnung.“ „Der Hund bleibt auch in meinem Zimmer, und schläft hier mit mir in meinem Bett.“

„Dann bekommst du Hundeflöhe.“„ Die verschenke ich weiter.“

Das Wetter änderte sich, es schneite, die Temperaturen sanken unter den Gefrierpunkt. Überall begann man bereits, die erste Adventsbeleuchtung aufzuhängen. Max stromerte durch die Gegend, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben, den Kopf gesenkt, um die Schneeflocken nicht sofort in die Augen zu bekommen.

Plötzlich hörte er etwas Winseln. Er schaute sich um, wieder dieser Ton. Unter einer Parkbank versuchte ein hundeähnliches Tier sich bemerkbar zu machen. Max schaute genauer hin und pfiff durch seine Zahnlücke. Da bewegte sich etwas, man konnte nur nicht feststellen, ob es ein Schwanz oder ein Kopf war. Doch jetzt, als Max „He“ rief, stellten sich zwei Ohren steil auf, an einer Stelle, wo man es nie vermutet hätte. Max ging näher, streckte seine rechte Hand aus und sprach diesen Wollknäuel ganz ruhig an. Der Hund jaulte und bellte, eine Tonfolge, die für Max wie Musik in den Ohren klang. Irgendetwas wedelte da, war es der Schwanz, der sich langsam aus dem Knäuel heraus wickelte? Max war total begeistert. Er nannte den Hund „Flocke“, weil er mit seinem grauweißem Fell und der gesamten Erscheinung wie eine große Schneeflocke aussah.

„Hallo Flocke, wo gehörst du denn hin?“ Natürlich verstand ihn der Hund nicht, kam aber unter der Bank hervorgekrochen und näherte sich dem Jungen, um ihn zu beschnuppern. Er ließ es zu, dass Max ihn vorsichtig hinter den Ohren kraulen konnte, dabei erblickte er zwei ganz traurig dreinblickende Augen. Man sah dem Tier an, dass es schon eine längere Zeit nichts mehr zu fressen hatte.

Für Max stand es fest, den Hund oder keinen, da gab es für ihn keine Diskussion. Ein kurzer Pfiff hin zum Hund, der sofort die Ohren steil und den Kopf etwas schräg stellte, um zu begreifen, was dieses Menschenkind von ihm wollte. Max ging sofort in Richtung Zuhause, Flocke folgte, als wenn er nie etwas anderes vorher gemacht hatte.

Was werden wohl die Eltern zu diesem Tier sagen? Bestimmt sind sie nicht einverstanden, dachte Max. Aber ich werde mich hier durchsetzen, denn das Tier hat Hunger, Durst, und ist bestimmt sehr müde. In dieser Kälte überlebt er nicht.

„Woher hast du diesen Hund?“ „Er jaulte unter einer Parkbank, er ist müde und hat Hunger.“ Max streichelte den Hund, der es ruhig über sich ergehen ließ. „Der Hund geht ja rückwärts“, rief seine Mutter verwundert aus. „Nein das ist alles nur Tarnung, er kann sein Äußeres verzaubern.“ „Hast du der Tarnung schon einen Namen gegeben?“ „Ja, ich fand Flocke ganz passend, wie eine große Schneeflocke.“

Herr Timmerbein freute sich auf einen geruhsamen Feierabend und war höchst erstaunt, auf dem Sofa ein neues Kissen zu finden, was sogar Töne von sich gab. „Was ist das?“ „Das ist mein Hund.“ Vater Timmerbein ließ sich schwer überzeugen, das seltsame Tier auch nur eine Nacht in den eigenen vier Wänden zu halten.

In der Nacht heulte „Flocke“ den Vollmond an, andere Tiere in der Nachbarschaft stimmten in dieses seltene Gesangsstück ein. Herr Timmerbein konnte es nicht mehr mit anhören, und wollte „Flocke“ aus dem Haus jagen. Max setzte sich wieder durch und nahm diesen seltsamen Hund mit in sein Zimmer, damit er unter seinem Bett die Nacht verbringen konnte.

In dieser Nacht mussten verschiedene Kleidungsstücke von Max dran glauben, der Hund zerfetzte sie in viele Teile. Selbst die Schuhe zerbiss er in etliche kleine Stücke. Natürlich konnte man diese Unarten nicht durchgehen lassen.

Vater Timmerbein packte sich den Hund und jagte ihn auf die Straße.

Max sah ein, dass so etwas nicht noch einmal passieren durfte, denn so viele Kleidungsstücke besaß er nicht. Er ging ganz gekickt zur Schule und schaute dort immer wieder aus dem Fenster. Wie mag es meinem Freund Flocke ergehen, dachte er immer wieder. Bei dieser Kälte kann er doch nicht alleine draußen bleiben. Ich werde ihn am Nachmittag suchen. Mir fällt bestimmt etwas ein.

Im sehr dichten Schneetreiben erreichte der Junge das elterliche Haus. Er wollte gerade die Stufen zu ihrem Wohnhaus hinaufgehen, als er auf einen klagenden, sehr weinerlichen Ton aufmerksam wurde. Sein Freund „Flocke“ rannte auf ihn zu, wedelte mit dem Schwanz, schüttelte sein zottiges Fell, dass die Schneeflocken herumwirbelten, und blieb bis vor der Haustür dicht an seiner Seite.

Mutter Timmerbein öffnete die Tür, schaute auf den Hund und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Siehst du, er möchte bei uns bleiben, und an Hundeknochen und Hundekuchen wird er sich noch gewöhnen müssen.“

Anscheinend war dieser Rausschmiss aus der Wohnung eine heilsame Erfahrung für das doch sehr seltsame Tier. Es änderte sich auch die Hundeeinstellung von „Flocke“. Man merkte, dass er sein neues Zuhause nicht wieder aufs Spiel setzen wollte. Selbst Vater Timmerbein fand bald Gefallen an Flocke, und ging mit ihm spazieren.

Max hatte endlich seinen Hund, der ihm nicht mehr von der Seite wich. Wenn die Nachbarschaft die beiden draußen herumtollen sah, meinten sie nur: „Ihr müsst beide zum Friseur, man weiß bald nicht mehr, wer Hund und wer Mensch ist.“ Diese Ähnlichkeit machte Max sehr stolz, und er nahm sich vor, nie wieder zum Friseur zu gehen.

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Text: Rainer Göcht
Images: Rainer Göcht
Publication Date: 12-09-2013

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