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Klappentext

Kimberly Montgomery hat es nicht leicht im Leben. Während eines Autounfalls bezahlt die Mutter den höchsten Preis um Kim zu retten: Ihr eigenes Leben. Für das Mädchen bricht damit die bisher gekannte Welt vollständig auseinander.

 

Kim – siebzehn Jahre – ist seit dem Tod ihrer Mutter ein völlig anderer Mensch. Seit zwei Jahren lebt die Vollwaise bei ihrer Tante in Wien, weit weg von ihrem früheren Zuhause. Sie interessiert sich für kaum etwas mehr wirklich richtig und lässt keinen näher an sich ran. Gleichaltrige, die Freunde werden könnten, schon zweimal nicht. Bis Adrian – der neu in ihre Klasse kommt – Kim zum Schwänzen überredet. Der reiche Schnösel ist nett zu ihr. Es entsteht eine Freundschaft zwischen den beiden, die ihr immer wichtiger wird. Adrian zeigt ihr wieder was Leben bedeutet und flirtet gerne mit ihr, doch sie stellt immer wieder klar, dass sie nur Freunde sind. Und doch kommt es immer wieder zu Situationen, die Kims Herz mehr als verwirren. Eines ist klar, der Südtiroler stellt ihr komplettes Gefühlsleben auf den Kopf.

Prolog

Ein trauriges Lied – eine traurige Geschichte.

Es war dieses Lied, das mich zum Weinen brachte; dieses Lied, das mir Herzleiden bereitete, ich am liebsten auf der Stelle sterben wollte. Ich musste an jenen Tag denken, an dem ich es zum ersten Mal gehört hatte – und wo ich den wohl wichtigsten Menschen im meinem Leben verloren hatte. Es war Ende Juli 2011 gewesen, als ich gerade mit meiner Mutter vom Urlaub heimfuhr. Wir hatten dieses Lied – es war eines von Mummys Lieblingssänger Bon Jovi – gehört.

Er sang sanft und die Musik war langsam und einfach wunderschön. Auch ich verliebte mich in dieses Lied, genau wie meine Mum. Wir sangen mit und lachten an diesem Tag viel. Wir kamen uns noch näher als es bisher schon der Fall war. Ihre Stimme klang gleich sanft und zärtlich. Ganze genauso wie in diesem Lied. Sie lächelte mich an und sang weiter.

«…and love is not a victory march. It’s a cold and it's a broken hallelujah. Hallelujah, hallelujah.»

In diesen Moment dachte ich sie wäre ein Engel – so sanft und voll klang ihre Stimme. Ich hatte sie bewundernd angesehen, voller Staunen. «Ich werde uns Konzertkarten besorgen. Bon Jovi muss man gesehen haben.»

Sie strahlte mich wieder an.
Es war nur ein kleiner Moment gewesen wo sie zu mir sah – aber da passierte es schon. Vor uns bremste ein Auto, blieb quietschend stehen. Mum wendete innerhalb einer Sekunde den Blick von mir, bremste ab. Doch sie schaffte es nicht mehr, sie lenkte das Auto in die andere Richtung, das über die Gleitschiene hinausfuhr und sich überschlug – mehrmals. Ihr Kopf knallte gegen das Lenkrad, Blut strömte aus ihrer Nase. «Mum! Mummy!» Meine Schreie wurden immer lauter, bis ich nur noch kreischte und hysterisch weinte. Obwohl ich nicht viel erkennen konnte, erhaschte ich einen kurzen Blick zu meiner Mutter. Ihr Gesicht war voller Blut, dass ihre Wangen hinunterfloss.

Mit einer Hand versuchte sie mich festzuhalten, damit mir nicht so viel passieren konnte. Es gelang ihr nicht immer und ich spürte wie ich ein paar Mal mit dem Kopf auf die Scheibe knallte. Ich wusste noch genau, wie ich schrie, wie sie mich versuchte zu beruhigen und unsere Hände sich vereinten. In diesem Moment dachte ich nichts, mein Kopf war leer. Ich hoffte nur, dass wir beide es überleben würden. Taten wir nicht.

Sie hatte mir mein Leben gerettet.

Wenn ich so zurückdachte, wünschte ich mir, sie hätte es nicht getan und ich wäre ebenfalls gestorben. Denn während sie mich immer festhielt, knallte sie mit ihrem Kopf auf die Scheibe. Nicht nur einmal. Ich hatte jeden einzelnen Knall gehört aber nicht gesehen. Meine Mum hätte es nie überlebt – auch ich nicht, so sagten die Ärzte. Doch ich lebte nun mal.

Und jeder Tag war eine Qual für mich.

 

Kapitel 1 – Dienstag, 09. April 2013

«Kimberly!»

Ich zuckte leicht zusammen, als ich diese Stimme hörte. «Was ist?», fragte ich. Meine Tante – groß, schlank und blond – kam zu mir und hielt mich am Arm fest. Sie war nicht schrecklich, nicht vollkommen. Sie war ein wenig gewöhnungsbedürftig. Nachdem ich fünfzehn Jahre meines Lebens mit meiner Mum verbracht hatte, die so liebenswürdig und immer freundlich war, war es ein wenig komisch jetzt eine launenhafte und nicht immer freundliche Person um mich zu haben.

«Kannst du mir Eier mitbringen?»

Ich nickte und verabschiedete mich um – leider Gottes – zur Schule zu gehen. Als meine Mum starb, wollte man mich zuerst in ein Heim stecken, denn mein Daddy war vor meiner Geburt bei einem Einsatz im Irak gestorben. Und da seine Eltern und Mums Eltern schon lange tot waren, konnte ich auch nicht zu ihnen. Meine Mum hatte keine Geschwister und Daddy hatte nur eine Schwester – Tante Madeleine. Es grenzte an ein Wunder, dass sie meine Tante gefunden hatten, sie hatte nie von mir erfahren und kannte sich mit Kindern überhaupt nicht aus, weshalb ich auch sofort wusste, dass sie keine hatte. Tante Madeleine wohnte weit weg von meinem alten zuhause in Tirol.

Nun lebte ich in Wien im 22. Bezirk – Donaustadt. Keine Ruhe und nur Autolärm. Ich sah zum Himmel hinauf und musste wieder feststellen, dass das Wetter für einen April herrlich war. Die Sonne schien jetzt schon und spendete mir Wärme. Ich stieg in die Straßenbahn ein, die zu meiner Schule führte – die Theodor Kramer Schule – und musste wieder einmal erfahren, dass ich keinen Platz bekommen konnte. Ich hatte mich drastisch verändert.

Früher war ich so lebhaft, jederzeit fröhlich und hatte immer ein Lächeln für die anderen übrig.

Meine smaragdgrünen Augen hatten geleuchtet und gefunkelt – jetzt waren sie trüb und leer.
Meine goldblonden Haare waren jeden Tag perfekt gestylt – jetzt kämmte ich sie nur mehr oder band sie manchmal zu einem Pferdeschwanz.

Meine neue Schule war fürchterlich.

Ich ignorierte meine Mitschüler und sie waren glücklich mich zu ignorieren. Wie nicht zu erwarten, war die Straßenbahn überfüllt mit Leuten, die redeten oder sich stritten. Eine junge Frau telefonierte sehr laut über das Wetter und schien die anderen Passagiere nicht zu bemerken oder ihr war es einfach egal. Naja, nun wusste ich, dass die ganze Woche schönes Wetter zu erwarten war. Nach drei Stationen stieg ich aus und ging zu meiner Schule.

Es war wie jede andere Schule auch – die Mädchengruppe mit den superengen Tops und den zu kurzen Röcken; die Jungengruppe, wo einer besser aussah wie der andere; die Nerds, die sich etwas von Atomkraftwerken erzählten oder die normalen Leute … und dann gab es noch mich.

Ich war Kimberly Montgomery, war siebzehn Jahre alt, war Schülerin dieser Schule und mein Leben war die reinste Katastrophe.

Doch wer hatte behauptet, dass das Leben einfach wäre?

 

 

****

«Begrüßt euren neuen Mitschüler. Das ist Adrian und er kommt von Südtirol. Kimberly, wo wir gerade Geographieunterricht haben – wo befindet sich Adrians Heimat?» Ich blickte von meinem Block auf, wo ich irgendwelche Linien und Kreise gemalt hatte und sah sie an. Neben ihm stand ein Junge und obwohl ich mich von jedem hier fernhielt, musste ich feststellen, dass er zum Beißen war.

Seine schwarzen Haare waren lässig gestylt, seine Hose saß so gut an ihm und dieses T-Shirt betonte seine Muskeln, die wie ich sah, doch einige waren.

Die Augen waren von einem wunderschönen Meeresblau.
«Hm?», fragte ich und riss den Blick von ihm. «Wo liegt Adrians Heimat» Ich wusste nicht mal, wo er wohnte? Ich sah sie nur an und sagte nichts. «In Italien, Kimberly. Südtirol liegt in Italien. Sie ist nicht besonders redselig … oder schlau.»

Die blödeste Kuh in meiner Klasse – Mandy hieß sie, glaube ich – kicherte und ich hätte am liebsten gekotzt. Sie wusste genau, dass ich hier die beste Schülerin war. Wahrscheinlich wollte sie mich nur schlecht vor Adrian machen und ich ließ es zu. Also nickte ich nur und malte weiter. Ich wollte nichts von diesem Jungen, egal wie gut er aussah.

«Gut Mandy, aber Kimberly wusste es gewiss auch, oder Kimberly?» Wieder sah ich meine Lehrerin an. Da Mandy mir seine Heimat verraten hatte, konnte ich sogar hinzufügen:

«Ja Miss Florenzer. Vor dem Weltkrieg gehörte es zu Österreich, aber da wir verloren hatten, mussten wir einige Länder abgegeben … und Südtirol gehörte dazu. Südtirol grenzt an Österreich, die Fläche beträgt circa 7.400km², hat ungefähr 509.600 Einwohner und die Hauptstadt ist Bozen.»

Sie nickte mir zu.

«Gut. Adrian setze dich bitte hin. Georgia? Kannst du deine Tasche vom Stuhl entfernen?» Georgia – die manchmal noch schlimmer war als ich und unausstehlich – nickte wie verrückt und plapperte irgendetwas, das nie jemand wirklich verstand. Der Neue flüsterte der Lehrerin was zu und sie nickte verständlich. «Kimberly, bitte deine Tasche vom Stuhl.» Wieder sah ich sie an. «Okay», sagte ich nur und stellte meine Tasche auf den Boden.

Wie Unfair!
«Ich bin Adrian. Ich hatte so das Gefühl, dass du meinen Namen und den Rest was sie geredet hat, nicht mitbekommen hast.» Ich drehte mich zu dem Neuen um – Adrian hieß er also – und lächelte trocken. «Meinen Namen kennst du ja schon», waren meine einzigen Worte an Adrian.

Was war nur mit mir passiert?

Früher einmal da konnte ich jeden Typen um den kleinen Finger wickeln, konnte mit ihnen flirten und lachen – jetzt ignorierte ich sie einfach, so wie den Rest der Welt auch. Wenn Adrian erstaunt darüber war, dass ich so schroff war, dann ließ er sich nichts anmerken. In Physik und Chemie suchte ich mir einen Platz, wo ich ganz alleine sitzen konnte. Doch irgendwie hatte der Neue nicht kapiert, dass ich ein Einzelgänger war und setzte sich wieder neben mich. «Adrian! Hier wäre auch noch ein Platz frei.» Mandy saß in der letzten Reihe, genau hinter mir.

«Ich sitze schon gut, danke», ließ er sie abblitzen. Ich konnte mir schon genau vorstellen, welches Gesicht sie machte. «Was haben wir nach Physik und Chemie?», fing er erneut ein Gespräch mit mir an. «Danach haben wir Mathematik», sagte ich schroff und schlug das Buch auf, damit ich schnell den Stoff der letzten Stunde ansehen konnte.

«Danach?»
Ich atmete hörbar aus.

«Haben wir aus. Und du kannst gehen», sagte ich gereizt und las mir sämtliche Mineralien durch. Ich spürte die Blicke von ihm auf mir, trotzdem ignorierte ich ihn die letzten Stunden. Nach der Schule war ich gerade auf dem Weg zu meinem Spind, als mich Adrian aufhielt. «Kannst du mir ein gutes Restaurant sagen?», fragte er. «Frag jemand anders, ich habe keine Lust und auch keine Zeit mit dir zu reden.» Er lächelte mich an. «Du hast eindeutig zu wenig Spaß. Magst du ein bisschen Gras?» Ich stieß ihn weg. «Idiot!», fauchte ich und ließ ihn alleine stehen.

Er war ein Idiot und kiffte.

Und egal wie gut er aussah, das Kiffen ruinierte alles. Meine Straßenbahn kam wie jeden Montag zehn Minuten zu spät und ich konnte wie immer in den Supermarkt gehen und die Eier zu besorgen. In letzter Zeit war immer wieder diese junge Verkäuferin, die kaum älter war als ich, da. Sie lächelte mich immer an, doch ich hatte sie bisher, wie jeden anderen auch, einfach ignoriert. Doch diesmal kam sie auf mich zu und quatschte mich an. «Hey ich bin Melinda, aber jeder nennt mich nur Linda. Ich musste dich einfach mal anreden, sorry wenn ich zu aufdringlich bin. Wie heißt du denn? Gehst du noch in die Schule? Das war eine schöne Zeit, naja bis ich abgegangen bin.»

Sie redete die Wörter ohne Punkt und Komma, ohne Pause. Ich musste kurz lächeln, da sie mir sofort sympathisch war. Ich mochte sie jetzt schon. «Ich bin Kimberly. Und ja ich gehe noch in die Schule. Ich bin siebzehn und du?» Sie kicherte und wir gingen in den dritten Gang, wo die Eier standen. Ich holte mir zwei Schachteln und ging zur Kassa. «Ich bin achtzehn. Gestern geworden.» Ich gratulierte ihr und wartete darauf, bis ich dran kam.

«Ich werde dieses Wochenende bei mir zuhause feiern. Möchtest du auch kommen?» 

Ich sah mich unsicher um. Obwohl ich sie nicht kannte, wollte ich kommen. Ich wollte mein Leben wieder auf die Reihen bekommen … und da gehörte nun mal eine Freundin dazu, oder?

«Gerne. Wo und wann?»

Sie strahlte mich an. «Du kommst echt? Man ist das cool. Warte, kannst du mir deine Nummer geben und dann schreibe ich dir alles. Wenn du willst, kann ich dich abholen. Ich habe ein Auto bekommen.» Wieder strahlte sie. Und mit jeder Minute die ich neben ihr stand, ging meine Laune bergauf. «Hast du eine Kundenkarte?» Die alte Verkäuferin sah mich grimmig an und ich schüttelte den Kopf. Ich bezahlte rasch, gab Linda meine Handynummer und ging.

Zuhause wartete Tante Maddy auf mich und drückte mich einmal kurz. Unsere Beziehung war am Anfang ziemlich komisch gewesen. Sie wusste nicht, wie man Kinder erzog, geschweige denn eines das gerade ihre Mutter verloren hatte. Und ich wusste nicht, wie ich auf meine neue Erziehungsberechtigte reagieren sollte. Doch jetzt waren wir so was wie Freundinnen, zwar erzählten wir uns nicht alles, aber trotzdem wusste sie viel von mir und was in mir vorging.

«Die Eier», sagte ich und gab sie ihr.

«Du bist ein Schatz! Kommst du essen?»
Ich nickte und ging hinter ihr her.

Der Tisch war wie immer reich gedeckt. Zwei verschiedene Sorten Fleisch – Pute und Schwein – standen in der Mitte, daneben eine große Schüssel Gemüse – bestehend aus Kartoffeln, Erbsen, Bohnen, Karotten und Mais – und eine Schüssel Tomatensalat – mein Lieblingssalat. Dann standen nur mehr zwei Gläser, eine Flasche Orangensaft und Gewürze auf dem Tisch. Sie hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. «Warum kochst du denn immer so viel?», fragte ich und sah sie fragend an. «Ich koche gerne, Kimberly. Das weißt du ja. Und am Abend bin ich wie immer nicht da…» Dann wünschten wir uns nur mehr guten Appetit und fingen an unsere Teller zu füllen.

 

 

****

Um vier Uhr musste Tante Maddy arbeiten gehen. Sie war Köchin in einem Restaurant. Und eine tolle war sie obendrein. Ich ließ mich liebend gern von ihr bekochen. Als sie ging, fühlte ich mich wieder einsam. Wie immer ging ich ein wenig spazieren um das Gefühl loszubekommen. Ich ging zum Park, wo die Leute mit ihren Hunden Gassi gingen oder auf der Parkbank saßen.

Wie gerne ich jetzt hier sitzen würde – mit meiner Mutter. Ich stellte mir vor, wie sie, Tante Maddy und ich über einen Witz lachten oder die beiden über die Arbeit redeten.

Dieser Gedanke trieb mir Tränen in die Augen, die ich vergebens versuchte zu unterdrücken. Ich wendete mich tränenüberströmt von den Leuten ab und ging wieder nachhause. Es war kein Trost mir immer wieder vorzustellen, dass sie hier war.

Sie würde nicht wieder kommen…

Ich lief auf mein Zimmer und geradewegs auf mein Bett. Ich vergrub meine Hände auf das Gesicht und gab mich den Tränen hin. Es würde nie wieder so werden wie davor. Und das machte mich traurig. Ich weinte wie schon lange nicht mehr. Ich wusste einfach keinen Weg hinaus. Keinen Weg aus dieser Hölle hinaus. Erst als mein Handy klingelte und ich auf die Uhr schaute, wurde mir bewusst, dass ich zwei Stunden durchgeheult hatte.

Die Nummer, die anrief kannte ich nicht, doch ich ging dran. «Kimberly Montgomery», meldete ich mich. «Hey Kimberly, Linda hier. Ich wollte dir nur Bescheid geben, dass die Party am Freitag ist. Und falls ich dich kommen holen sollte, musst du mir deine Adresse geben.» Ich spürte, dass sie lächelte. Ich sagte ihr die Adresse. «Hast du gerade Zeit? Ich bin gerade fertig mit der Arbeit und weiß nicht, was ich jetzt tun sollte.» Ich richtete mich auf und wischte meine Tränen weg. «Gerne», sagte ich und lächelte, während mir neue Tränen die Wange hinunterflossen.

«Ich hole dich ab», meinte sie gutgelaunt und ich verabschiedete mich. Dann zog ich mir eine Jeans an und ein Top, kämmte meine Haare und packte meine Tasche mit den wichtigsten Sachen. Eine Viertelstunde später klingelte es und ich nahm mein Handy und die Schlüssel. Dann öffnete ich die Tür und begrüßte Linda, die mich angrinste und so gut gelaunt wie am Handy war. «Ich hatte nicht gedacht, dass du willst. Im Supermarkt wirkst du immer so traurig.»

Dann strahlte sie mich an und ihre Augen weiteten sich.
«Oh Gott, hast du geweint?»

Sie drückte mich an sich.

Obwohl wir uns überhaupt nicht kannten, verstanden wir uns so gut, als würden wir schon ewig befreundet sein. «Mir geht es gut», sagte ich wie immer. «Rede keinen Unsinn. Ich merke, wann es jemanden nicht gut geht. Und dir geht es definitiv nicht gut! Da hilft nur eine Linda-Ablenkung.» Ich musste lachen. Ihre Worte munterten mich auf. «Ich nehme die Linda-Ablenkung liebend gern an. Ich hoffe sie hilft mir.» Sie nickte lachend und wir stiegen in ihr Auto. Sie fuhr ins Kino und wir sahen uns einen Film an. Danach gingen wir durch die Stadt und sie erzählte mir die peinlichsten Sachen, die sie erlebt hatte. Und es gab eine Menge, wie ich merkte.

«Meine kleine Schwester hatte mich früher immer geschminkt. Ich hatte an diesem Tag ganz vergessen, dass sie mich geschminkt hatte und ich ging für meine Mutter einkaufen. Und ich traf den coolsten Jungen überhaupt. Ich war schon etwas länger in ihn verknallt, aber ich hatte mich nie getraut. Also, da war ich und da war er. Ich begrüßte ihn und er fing sofort an zu lachen. Als ich ihn fragte warum er lachte, sagte er, dass ich aussehe wie ein Clown. Meine Schwester wollte diesmal etwas anderes probieren. Das war so peinlich, aber nach einem Monat oder so waren wir ein Jahr zusammen. Aber er wird sich immer daran erinnern.»

Ich fing an zu lachen.

«Jetzt komme ich. Meine frühere Freundin und ich waren in unserer Klasse, da wir unsere Mittagspause dort verbrachten. Eine Ausnahme. Uns beiden war langweilig und ich nahm mein Handy und machte Musik. Unser Lieblingslied kam und wir beide kreischten wie die Verrückten mit. Dass nebenan noch Schüler Unterricht hatten, hatten wir völlig vergessen. Ich weiß noch, dass wir sicherlich eine Viertelstunde gesungen haben. Mega falsch. Dann kamen Schüler, ein fettes Grinsen im Gesicht, konnten sich kaum mehr heben vor Lachen. Sie sagten, dass man uns bis in die Cafeteria der Schule hören konnte. Wir ließen uns in der Mittagspause nie wieder in der Schule blicken.»
Linda hob sich an einer Wand, damit sie nicht umfiel, vor lauter lachen. «Das kann ich nie toppen. Das ist ja das Peinlichste der Peinlichkeit», sagte Linda. «Ich weiß. Noch Monate danach, sahen uns einige mit einem fetten Grinsen an», pflichtete ich ihr bei. Als ich ihr nach einer Weile von dem Unfall erzählte, munterte sie mich sofort auf. Um zehn Uhr fuhren wir zu mir und ich lud sie zum späten Abendessen ein. Im Wohnzimmer sahen wir uns noch einen Film an, während wir das Essen von Mittag aßen. Um halb zwölf musste sie wieder gehen. «Danke für die Linda-Ablenkung. Sie hat fantastisch geholfen.»
Ich spürte neue Tränen.

Doch diesmal waren es Freudentränen, da Linda klasse war. «Nicht weinen, Kimberly.» Sie drückte mich kurz. «Du bist die erste richtige Freundin für mich», flüsterte sie dann. Ich nickte. «Meine auch.» Wir lächelten uns an. «Und ich weine vor Freude, Linda. Wir sehen uns.» Sie lächelte. «Das freut mich.» Dann stieg sie in ihren Wagen und fuhr weg. Ich wartete noch eine Weile. Linda war wirklich toll.

Mit ihrem Humor und ihrem Charme hatte sie mich sofort gewonnen.

Ich ging schnell duschen und hörte Tante Maddys Auto. Ich schlüpfte lächelnd in mein Bett. Das erste Mal seit langem freute ich mich auf den nächsten Tag und dieses Gefühl konnte mir keiner nehmen.

Kapitel 2 – Mittwoch, 10. April 2013

Ausgeschlafen wachte ich vor dem Wecker auf.

Ich streckte mich und gähnte, dann sah ich auf die Uhr. Zehn Minuten bevor der Wecker klingelte. Ich schaltete ihn ab und sprang in die Küche, wo Tante Maddy – munter wie immer – mein Frühstück herrichtete. «Du hattest gestern aber großen Hunger», begrüßte sie mich lächelnd.

Ich aß nie viel, weswegen sie sich auch riesig zu freuen schien, dass ich so viel aß. Und ich hatte gestern wirklich eine Menge gegessen.

«Ich hatte Besuch», sagte ich. Tante Maddy zog eine Augenbraue in die Höhe. «Besuch? Ach, das freut mich für dich. Wen hast du kennengelernt?» Ich grinste meine Tante an. «Melinda. Sie hat mich für Freitag zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen.»

Meine Tante behielt ihr fröhliches Grinsen auf dem Gesicht und ich musste auch lächeln. «Das freut mich ja so, Kim.» Sie drückte mich. Kim sagte sie nur, wenn sie wirklich glücklich war. Es erinnerte mich immer schmerzlich an meine Mum.

Sie hatte mich dauernd Kim genannt.
Doch diesmal spürte ich Freude.

Tante Madeleine erinnerte mich in diesem Moment an meine Mum, obwohl sie überhaupt nicht so aussah. Wir aßen zu Frühstück und ich richtete mich noch her, dann war ich schon weg. Die Straßenbahn hatte heute wieder mal Verspätung und ich ging nervös die Haltestelle auf und ab. Ich war nicht die einzige die hier einstieg. Mit bedauern musste ich feststellen, dass einer von ihnen Adrian war. Als ich ihn kurz betrachtete, sah er von seinem Handy auf und direkt in meine Augen. Er grinste und ich drehte mich wieder um. Er war ein Kiffer. Die ganze Schönheit war verschwendet.

«Siehst du mich gerne an?»
Adrian war zu mir gekommen. «Nein, aber ich sehe mir gerne blöde Arschlöcher an», gab ich bissig zurück. «Ich fühle mich geschmeichelt, Kimberly.» Warum konnte er mich nicht – wie der Rest der Schule auch – ignorieren? «Schwänze mit mir die Schule, Kim. Und zeige mir die Stadt. Ich glaube kaum, dass die Bahn heute noch kommt.» Ich sah ihn mit offenem Mund an und dann sah ich die Straßenbahn. «Hier ist sie.» Ich grinste ihn an.

«Willst du echt in die Schule?»

Ein Teil von mir wollte in die Schule, der andere wollte das Leben genießen und einmal die Schule schwänzen – mit Adrian. Ich konnte es kaum glauben, als der zweite Teil die Oberhand gewann. «Okay. Komm mit.» Sein Grinsen wurde breiter.

«Kimberly, Kimberly, Kimberly. Das hätte ich nie geglaubt. Nicht nachdem ich gehört habe, dass du mit niemanden hier an unserer Schule befreundet bist.» Ich blieb stehen. Was erzählten sie sonst noch über mich? In diesem Moment verfluchte ich mich, dass ich das tat. Was dachte ich dabei? Wollte ich wirklich mit Adrian was machen? Aber vielleicht freundeten wir uns an. Und ich hätte einen Freund an der Schule. «Hey, was ist los?» Er spürte mein Unbehagen an meiner Haltung. «Ich dachte nur nicht, dass sie mich überhaupt wahrnehmen», murmelte ich.

«Wie könnte man dich nicht wahrnehmen? Du bist so … gottverdammt heiß und schön. Ein paar Jungs von der Schule schwärmen sogar für dich.» Wieder blieb ich stehen und starrte ihn mit offenem Mund an. «Was erzählst du denn da für einen Mist! Du bist erst seit gestern in der Schule!», fauchte ich. «Ich werde immer schnell beliebt. Wer kann es den anderen auch verübeln. Ich bin hinreißend.»
Das erste Mal brachte mich Adrian zum Lachen.

«Was ist? Bin ich nicht hinreißend und klasse?», sagte er und spielte sein Entsetzen. Ich fing an diesen Adrian zu mögen. «Klar doch!», sagte ich kichernd und diesmal blieb er stehen. Ich glaubte, dass er etwas sagen wollte, doch er schüttelte den Kopf und ging weiter. «Im 22. Bezirk gibt es kaum Sehenswürdigkeiten, die sich lohnen anzuschauen», sagte ich.

Außerdem wohnte ich hier erst seit 2 Jahren und kannte mich nicht gut aus. «Möchtest du einen Kaffee trinken gehen.

Im Donauzentrum, dass das einzige Einkaufszentrum in diesem Bezirk ist. Und das größte in Wien», erzählte ich ihm. «Wir könnten auch die Donauinsel bestaunen?», sagte ich, nachdem er nur stumm blieb. «Wir können beides tun.»

Je mehr Zeit ich mit Adrian verbrachte, desto mehr mochte ich ihn … irgendwie. Wir stiegen in die Straßenbahn, die uns direkt ins Einkaufszentrum brachte, ein. Draußen mussten wir noch zehn Minuten warten, da das Einkaufszentrum erst um 9 Uhr auf tat. Adrian lehnte an der Wand, nahm eine Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche und zündete sich eine an. Dann hielt er mir eine hin und zog fragend eine Augenbraue hoch. Wie sexy.

«Nein, danke», sagte ich und schüttelte den Kopf. «Das ist eine schlechte Angewohnheit», ich deutete auf die Zigarette. «Eine von vielen.» Er zuckte mit den Schultern und inhalierte weiter seine Zigarette. Immer wieder blies er den Rauch zu mir und ich wedelte mit den Händen, um nichts zu einzuatmen. «Idiot!», fauchte ich ihn an, als er es schon wieder tat.

«Aber ein hübscher Idiot.» Ich erwiderte nichts, denn in dem Moment öffneten sich die Türen und wir gingen rein. «Das Donauplex liegt auch hier. Im Obergeschoss glaube ich. Du weißt schon was das Donauplex ist oder?»

Er sieht mich fragend an.
Klang ich ein wenig eingebildet?

«Du bist neu, sorry. Früher wusste ich nicht mal was das Donauzentrum war. Das Donauplex ist so ein Entertainment-Center. Kulinarische Speisen, Unterhaltung und das Cineplexx.» Er sah sich um und musste sicher so wie ich damals staunen, was das Donauzentrum alles zu bieten hatte. Es war erstaunlich. «Und für Partytiere – so wie du wahrscheinlich – gibt es im Untergeschoss die Diskothek. Den Namen weiß ich gerade nicht. Es heißt, dass es ein beliebtes Party-Ziel ist. Natürlich kann ich es nicht bestätigen, da mich so was nicht interessiert.» Und warum zur Hölle erzählte ich ihm etwas? Freunde.

Genau ich wollte mein Leben wieder auf die Reihe bringen. Und Adrian schien nett zu sein. Nett, sexy, unberechenbar und witzig.

 

 

****

Um zehn Uhr wurde das Einkaufszentrum voll. Teenager sprangen kichernd in die Läden, alte Leute tranken einen Kaffee und manch Erwachsener war zum Shoppen da oder um zu Frühstücken, ehe er arbeiten musste. Adrian und ich saßen in einem Café, tranken einen Kaffee und aßen Schokokuchen. Wie sich herausstellte war Adrian schon Achtzehn, besaß einen Führerschein und wohnte in meiner Nähe. Sein Nachname war DiMonti, was richtig italienisch klang.

Die Straße kannte ich nicht, doch wie ich so bald wusste, war es eines der reicheren Viertel. Obwohl meine Tante auch wohlhabend war, wohnte sie in einem normalen Wohnviertel. Ich wusste nicht, ob es an mir lag oder ob sie einfach nur nicht zu den reicheren zählen wollte. Mir war es egal woran es lag, ich wollte einfach normal sein. Ein normales Leben und normale Freunde. So wie es jetzt aussah, war Adrian nicht normal, doch ich hatte es von Anfang an gewusst. Und er war reich! Reiche Leute benahmen sich wie Arschlöcher. «Erzähle mir was über dich», forderte Adrian mich auf und stopfte sich ein Stück Kuchen in den Mund. Wie konnte das so edel bei ihm aussehen?

«Ich bin leider noch siebzehn, wohne bei meiner Tante Maddy. Sie ist Köchin und ich bin Schülerin. Mein Dad ist vor meiner Geburt im Irakeinsatz gestorben. Also musste mich meine Mutter alleine aufziehen. Erst vor zwei Jahren hatten wir einen Autounfall und sie kam dabei ums Leben.» Das erste Mal musste ich nicht weinen, ich war traurig ja, aber ich musste nicht weinen. Und ich sah Adrian sprachlos. Er sah mich mitfühlend an und suchte meine Hand, die er sanft tätschelte. Er lächelte mich aufmunternd an und ich erwiderte sein Lächeln leicht.

«Kim, das ist … schrecklich und … es tut mir echt leid.»
Es war ihm ernst.

Er meinte diese Worte ernst und ich wusste, dass er auch anders sein konnte. «Danke Adrian…», flüsterte ich. «Willst du darüber reden? Über deine Mutter? Deinem Vater?» Wollte ich?

«Meinen Dad kannte ich nicht. Meine Mutter hatte mir einmal ein Bild gezeigt. Da oben war mein Vater zu sehen und meine Mum. Er streichelte sanft ihren Babybauch und beide wirkten unglaublich stolz und fröhlich. Er konnte mich nie in den Arm nehmen. Meine Mum war die unglaublichste Frau der Welt. Sie hatte mich großgezogen und das wirklich gut. Wir fuhren jedes Jahr in den Urlaub, dafür sparte sie immer und gönnte sich wenig. Ich selber bekam alles. Auch wenn ich es nicht wollte…»

Ich holte kurz Luft, denn zum zweiten Mal seit nicht mal 24 Stunden erzählte ich von dem Unfall.
«Wir fuhren gerade von Russland zurück. Wir hatten dort unseren letzten Urlaub genossen. Im Radio lief Mums Lieblingssänger. Und er sang so traurig und wunderschön das Lied Hallelujah. Mum sah zu mir, sang mit. Dann sagte sie, dass sie uns Konzertkarten besorgen würde und strahlte mich wieder an. Einen Moment – und es passierte. Da sie mich angesehen hatte, hatte sie nicht gesehen, dass vor ihr ein Auto abbremste und sie wendete das Auto. Unser Auto fuhr über die Gleitschiene hinaus und überschlug sich. Meine Mum hielt mich fest.»

Ich wischte mir schnell eine Träne weg und fuhr fort.

«Die Ärzte konnten nichts mehr für sie tun. Sie war schon am Unfallort tot. Mich hatten sie noch gerettet, obwohl niemand daran glaubte. Mein Herz war für einige Minuten stillgestanden und plötzlich schlug es wieder, obwohl sie schon aufgegeben hatten. Ich hatte einen Schutzengel – zwei um genau zu sein.» Ich lächelte schwach und trank Kaffee.

Die Geschichte zu erzählen machten meine Augen wieder feucht.

«Zuerst wollten sie mich ins Heim schicken, da niemand von meinen Verwandten noch lebte. Daddy und Mums Eltern waren schon tot und Mum hatte keine Geschwister. Doch sie fanden dann Tante Maddy, Daddys einziges Geschwisterchen. Wir hatten uns nie gesehen, geschweige denn wussten wir voneinander. Dennoch nahm sie mich auf und sorgte sich um mich», beendete ich meine Geschichte und wollte am liebsten heim gehen und weinen.

Es tat zu sehr weh, darüber zu reden. Gleichzeitig war es befreiend. Adrian stand auf und kam zu mir. Kniete sich vor mir nieder und wischte mir die Tränen weg.

«Es wird alles wieder gut, Kim. Eines Tages wird es wieder bergauf gehen.» Ich sah ihn unter meinem Tränenschleier an und war in dem Moment so dankbar, dass Adrian zu uns an die Schule gekommen war. Er half mir, obwohl er ein Arschloch war.

Ein Kiffer, Raucher und Arschloch.

Aber manchmal war er wieder so nett, sexy und in Flirtstimmung. «Lass uns bezahlen. Ich will was machen», sagte ich und Adrian zog eine Braue hoch.

«Und was willst du machen?», fragte er. «Spaß haben. Bringe mich auf andere Gedanken.» Er grinste mich an. «Das bekomme ich hin, Miss Kimberly Montgomery. Ich bezahle.» Er wendete sich ab und suchte eine Kellnerin, der er sein zauberhaftes, sexy Lächeln zeigte. Sie kam und fragte, was der junge Herr noch benötigte. «Die Rechnung bitte. Ich bezahle auch ihres.»

Er deutete auf mich und ich hätte schwören können, dass die Kellnerin mich wütend anstarrte. Dann verschwand sie und kam mit der Rechnung wieder. Zehn Minuten später waren wir im New Yorker und Adrian gab mir irgendwelche Kleidungen.

«Willst du, dass ich aussehe wie eine Prostituierte?» Ich ging aus der Kabine und funkelte ihn an. Ich hatte einen Rock an, der so kurz war, dass er nur mit knapper Not meinen Arsch verdeckte. Dazu ein Oberteil, das nur meinen Busen verdeckte und ein paar Schlitze hatte, wo man einen Teil meines Rückens sah, sowie meinen schwarzen BH. Er sah mich an und seine Augen nahmen alles auf.

Ich errötete. «Das ist … heiß. Wie kann man nur einen so sexy Körper haben? Ich glaube sogar in den dreckigsten Klamotten würdest du hinreißend aussehen.» Ich schüttelte verlegen den Kopf. «Hol mir gefälligst etwas zum Anziehen. So kann ich mich doch nirgends blicken lassen!» Ich zog die Kabine zu und zog mir den Rock und das Oberteil aus.

«Hier. Omalacken.»

Er öffnete den Vorhang und trat ein. Dann blieb er stehen und musste mich nochmals mustern. «Adrian!» Ich riss ihm den Omalacken aus der Hand und verdeckte meinen Körper. «Sorry…», murmelte er und ging wieder raus.

«Nächstes Mal stellst du ein Schild heraus, wo ‚Vorsicht, heißes Ding‘ steht. Dann hätte ich zumindest eine Vorwarnung», sagte er. Gott sei Dank war ich in einer Kabine, den ich lief feuerrot an. Dann nahm ich den Lacken wahr und schmiss ihn wieder raus. «Ein Omalacken? Willst du mich verarschen?!» Adrian lachte. «Du willst keine heißen Sachen anziehen, keine Omasachen. Was willst du dann?», fragte er nach. «Etwas womit ich rumlaufen kann, ohne mir billig oder alt vorzukommen!», gab ich zurück, dass Adrian wieder zum Lachen brachte.

«Typisch Mädchen…», dann verschwand er, um mir neue Klamotten zu bringen. «Kann ich reinkommen?» Ich verdeckte meinen Körper mit meinem Top. «Ja. Komme rein.» Er kam rein und hatte einige passable Klamotten mitgenommen. «Hier ein wunderschönes Kleid, das sicher deinen Po verdecken wird … und die Hälfte deines Beines.»

Er wirkte enttäuscht und ich kicherte.

«Werde ich anprobieren. Bitte fahren Sie fort», sagte ich und nahm das Kleid, das in einem schönen Rot leuchtete und schulterfrei war. «Dann wären hier noch ein Top, in dem man weder Bauch noch Rücken je zu Gesicht bekommen wird. Aber ein wenig die zwei da vorne. Und eine schwarze Hotpants. Bitte beachten Sie nicht die Größe, die ist für solche Hosen in Ordnung.»

Ich seufzte und riss ihm auch diese beiden Sachen aus seiner Hand. «Idiot! Sonst noch was?» Er sah mich belustigt an. «Natürlich. Hier noch ein atemberaubendes, vielleicht etwas zu kurzes Kleid in Türkis. Einen Jeansrock und ein weißes Trägershirt. Wenn Sie noch weitere Kleidung suchen, würde ich Ihnen H und M oder Tally Weijl empfehlen.»

Ich kicherte wieder.

«Vielen Dank für die Information. Ich würde mich dann gerne umziehen.» Adrian verschwand und ließ mich in der Kabine alleine. Ich zog zuerst das türkise Kleid an und zeigte es Adrian, dann zog ich die restlichen Sachen an. Zu meiner Überraschung gefiel mir alles und stand mir auch gut. Ich nahm sogar das etwas zu kurze Kleid mit und Adrian verstaute meine kleine Tasche in seinem Schulrucksack. Adrian quengelte auch nicht, als wir zu Tally Weijl und H und M gingen. Dort hatte ich jedoch weniger Glück und ich fand nichts. «So nach diesen beiden suche ich einen Laden.»

Er studierte eine Karte, wo alle Läden aufgezeichnet waren und zog mich dann mit. Als ich sah wohin er mich schleppte, blieb ich stehen. «Nein, Adrian. Nein!» Er blieb stehen. «Was nein? Ach komm schon. Hollister ist eine super Marke.»

Ich lachte auf.

«Das weiß ich auch. Es ist auch super teuer!» Er zuckte mit den Schultern. «So teuer ist es nicht.» Er zog mich wieder mit und schon befand ich mich im Hollister. Das einzige was ich mir leisten konnte, war ein Viertel einer weißen Hotpants. Die Preise hier störten mich gewaltig, aber was hatte ich erwartet? «Ich will hier raus», sagte ich.

«Komm schon, Kim. Wie oft warst du schon in Hollister?», fragte er mich. «Einmal und das genügt mir. Ich habe nicht das nötige Geld!» Ich ging wieder raus und stampfte wütend umher. Er wusste, dass ich mir das nicht leisten konnte. Klar, ich hätte Tante sofort um mehr Geld bitten können, doch ich wollte nicht. «Keine teuren Läden mehr. Das willst du nicht.»

Adrian legte einen Arm um meine Schulter.

«Dann möchtest du bestimmt nicht zu Chanel oder Dolce und Gabbana gehen? Oder Zara und Mango? Das willst du nicht.» Ich blieb stehen. «Genau, das will ich nicht. Und jetzt Hände weg von mir.» Er nahm seinen Arm weg und verstaute sie in seiner Hosentasche. «Gehen wir kurz raus?» Die Frage warum brauchte ich nicht zu stellen. Ich wusste die Antwort. Als wir draußen standen, nahm er sofort einen Zigarette und fing an sie zu inhalieren.

Den Rauch blies er wieder zu mir und ich musste die ganze Zeit herumfuchteln, damit ich ja keinen Rauch einatmete. «Du Idiot!», fauchte ich. «Ich weiß. Und ein Arschloch, Blödmann, Schnösel. Weißt du was ich jetzt gerne tun würde?» Ich sah ihn fragend an. «Eine Runde Sex. Im Einkaufszentrum gibt es so viele Möglichkeiten dafür.» Er schüttelte grinsend den Kopf. «Du willst Sex?» Ich schüttelte ungläubig den Kopf. «Klar warum nicht? Hier. Jetzt. Und mit dir.»

Ich schüttelte wieder den Kopf.
«Vergiss es!»

Danach sprachen wir das Thema nicht mehr an. Als ich auf mein Handy sah, musste ich feststellen, dass es schon zwölf Uhr war. «Wie spät?», fragte Adrian. Unsere Stimmung war ein wenig komisch geworden. Er versuchte, die peinliche Stimmung zu ignorieren und ich versuchte ein anderes Gesprächsthema anzusprechen. Beiden gelang die Aufgabe nicht. «Zwölf Uhr», sagte ich. «Gehen wir essen. Ich habe Hunger. Und ich werde dich einladen.»

Ich nickte nur dankbar.

Ich hatte sowieso fast kein Geld mehr, da ich alles wegen dem kleinen Shopping im New Yorker ausgegeben hatte. Adrian ging lange umher, bis er schließlich das richtige gefunden hatte. «Subway? Kein nobles, nur für reiche Leute-Restaurant?» Er schüttelte den Kopf. «Ich dachte mir, dass du das eher magst. Es soll auch frisch zubereitet werden.» Und tatsächlich freute ich mich nach Hollister, dass wir in einen Laden gingen, der preislich okay war. Ich war im Subway schon einige Male und der Sub Italian B.M.T. war der absolute Traum.

«Bist du da schon gewesen?», fragte er mich. Ich nickte. «Ja ein paar Mal. Wenn ich gerade mal wieder alleine war und nichts zu tun hatte.» Adrian sah mich wieder traurig an. «Das muss doch schrecklich gewesen sein. Der ganze Verlust. Du hast mir erzählt, dass du hier hingezogen bist. Wo hast du früher gewohnt?» Ich dachte zurück in meiner Zeit, als ich noch in Tirol gewohnt hatte. «In Tirol. In der Nähe von Innsbruck. Es ist nichts im Vergleich zu da. Wien ist schön, aber zu überfüllt.»

Adrian lachte kurz.

«Das ist auch die Hauptstadt von Österreich. Die muss doch groß sein.» Ich zuckte mit den Schultern. «Du hast wahrscheinlich Recht. Was willst du essen?», wechselte ich das Thema und Adrian sah mich hilfesuchend an. «Hilfst du mir?» Ich lachte und nickte.

 

 

****

«Ich bin vollgestopft…», jammerte ich. Ich hielt den Becher von Subway in der Hand und klammerte mich an Adrian fest. «Und ich wusste nicht, dass du dich da so gut auskennst», sagte er. «Ich liebe Subway. Das einzige tolle an Wien. Und Starbucks.» Ich gab Adrian meinen Becher und zeigte auf die Toilette. «Ich muss mal für kleine Mädchen», sagte ich und verschwand. «Wenn ich auch müsste?», schrie er mir nach, doch da war ich schon um die nächste Ecke.

Als ich wieder kam – meine Blase war geleert – stand Adrian lässig an der Wand und hielt meinen Becher. «Vielen Dank fürs Halten.» Adrian reichte mir galant den Becher und grinste. «Für Sie immer», sagte er. «Was machen wir jetzt? Uns gehen gleich die Ideen aus. Oh, die Donauinsel.» Ich nahm seine Hand und wir fuhren mit der Bahn Richtung Donauinsel. Als wir ankamen erklärte ich ihm, dass diese Insel für Sportaktivitäten, zur Erholung, zum Liegen oder zum Schwimmen geeignet war. «Bitte pass auf in welchen Bereich du gehst. Es gibt nämlich auch einen FKK-Badebereich.» Ich sah ihn angewidert an. «Aber das müsste genau das richtige für dich sein», fügte ich grinsend hinzu.

«Klar, kommst du mit?», fragte er mit einem sexy Grinsen im Gesicht. «Nein, dazu wirst du mich niemals überreden können…», sagte ich, felsenfest von der Überzeugung, dass er es nie schaffen würde. «Wetten doch.»

Sein Grinsen wurde noch verführerischer und ich schüttelte den Kopf. «Ende Juni findet immer das Donauinselfest statt. Es geht drei Tage und da treten Musiker oder Bands auf. Das Fest ist unglaublich. Auf jeden Fall treten dieses Jahr DJ Antoine, Sportfreunde Stiller und Hurts auf. Das zumindest behauptet man. Vielleicht ändert sich das ja wieder…», sagte ich und sah mich um. Das Donauinselfest war bis jetzt jedes Jahr toll gewesen.

Ich war mit meiner Tante immer eine Weile da gewesen. Bis sie oder ich nicht mehr mochten. Wir hatten die ganze Zeit über den Bands gelauscht oder einige Sportarten ausprobiert. «Heuer wird das Fest 30 Jahre und es wird gewiss spektakulär. Sie haben es sogar jetzt schon verkündet wann es ist und manche berühmte Bands und Sänger gesagt», sagte ich und zeigte mit den Fingern über die ganze Donauinsel. «Überall werden Podeste aufgestellt, ein Kinderprogramm wird sein, Sportaktivitäten da und da und da. Wohin das Auge reicht. Alles wird voll sein», fügte ich hinzu.

Adrian starrte mich nur mit offenem Mund an.

«Da müssen wir hin», sagte er und hielt mich fest. «Was? Nein!», sagte ich. Es war reiner Instinkt andere immer abzuweisen. «Ich meine ja klar», sagte ich schnell. Er grinste mich an. «Du bist viel cooler, als die anderen gedacht haben. Mensch, bin ich froh, dass du heute mit mir blau gemacht hast.» Das hatte ich ja komplett vergessen… «Was hatte ich mir dabei nur gedacht…», murmelte ich, doch ich war auch froh. Ein bisschen…

«Ach komm schon. Du wolltest auch. Kannst du ruhig zugeben», sagte Adrian und lachte mich an. «Am Anfang nicht. Aber dann … dann wollte ich», flüsterte ich und sah mich um. Warum hatte ich das getan? Er hatte irgendetwas an sich … und ich wollte es entdecken. «Komm setzen wir uns.» Er führte mich in den Liegebereich und wir saßen uns nieder.

«Es ist atemberaubend. Ich dachte immer, die Donauinsel sei naja … wie sollte ich sagen …. normal? Nicht so wie das hier», murmelte Adrian und beobachtete ein paar Leute, die an uns vorbeigingen. «Hast du eigentlich keine Angst, dass uns jemand von der Schule sieht?», fragte Adrian mich. Ich zuckte mit den Schultern.

«Ich habe gehofft, dass sie nicht hierhin gehen werden.»

Er schüttelte lächelnd den Kopf.
«Dann wird es dir nicht gefallen, wenn ich dir beichte, dass ich Mandy sehe?», fragte er und beugte sich über mich, da ich mich hingelegt hatte. «Was?!» Ich schreckte hoch und sah mich panisch um. «Hier hinten. Die, die mit dem Rücken zu uns steht», antwortete er. «Mist!», fluchte ich – das erste Mal seit langem. «Sie sieht nicht hin …. oder doch. Mist! Ja nicht schreien.» Er beugte sich noch näher und drückte mich an sich. Dann zeigte er auf das Wasser, drehte uns ein Stück und somit sah Mandy nur mehr unseren Rücken. «Was sollte das?», fragte ich nach.

«Mandy sieht nur mehr unsere Rücken. Und wenn du dich wie die anderen verhältst merkt sie nichts», sagte Adrian und strich meine Haare glatt. Ich lag vor ihm, mein Rücken berührte seinen Bauch und ich spürte seinen Atem an meiner Schulter. «Du kannst das morgen erklären», flüsterte ich Adrian zu. «Was sollte ich erklären?», gab er zurück.

«Wenn sie uns gesehen hat. Das schaut nicht gerade freundschaftlich aus.» Ich hatte den Kopf gedreht, um ihn zu sehen. «Nein, dann kannst du das erklären. Ich versuche, dass Mandy dich nicht sieht und du drehst den Kopf!» Er sah mich belustigt an. «Sexuelle Belästigung. Das wird meine Erklärung sein!», fauchte ich und stand auf. Ich nahm meine Tasche und ging. Adrian holte mich jedoch schnell auf. «Sexuelle Belästigung? Das nennst du echt sexuelle Belästigung?», fragte er amüsiert.

Ich wollte lachen, denn das war nicht annähernd sexuelle Belästigung. Und Adrian wusste das … und wusste, dass ich es nicht ernst meinte.

«Adrian? Und Kimberly?»

Ich wusste nicht, worüber sie erstaunter war – dass Adrian hier war oder dass er mit mir hier war? Ich drehte mich zu Mandy um und haute dann endgültig ab. «Ich bin gerade beim Gehen! Viel Spaß mit Mandy, Adrian.» Mandy hatte uns gesehen. Und ich wusste genau, dass Mandy nicht nur die Zicke unserer Klasse war, sondern auch Klassensprecher. Und das hieß, dass sie uns verriet. Das musste sie. Es war meine Schuld, dass sie uns gesehen hatte. Meine, meine, meine.

Ich drehte mich nicht um, denn ich wusste nicht was ich sehen würde. Mandy, die sich an Adrian ranmachte oder Adrian, der die Situation klarstellte, damit niemand darauf kam, dass wir was hatten. Hätte ich mich umgedreht, hätte ich nichts von beiden gesehen, sondern etwas völlig anderes.

 

 

****

«Linda? Wann hast du Feierabend?» Nachdem ich gegangen war, wollte ich unbedingt mit Linda alles durchgehen. Und da es schon etwas nach vier war, fand ich, dass sie sicher Zeit für mich hatte. Es war schon komisch, dass ich ihr jetzt schon alles möglich erzählen wollte, aber für mich war sie schon jetzt eine Freundin. Meine einige. «Was für ein Glück du hast. Bin gerade fertig. Hast du Lust mit mir einen Kaffee trinken zu gehen?», fragte sie.

«Ja und wie. Ich muss dir so viel erzählen, was heute passiert ist…», gab ich zurück. «Gut, ich habe auch einiges zum Erzählen. Treffen wir uns vor dem Supermarkt. Ich warte auf dich.»

«Bin in fünf Minuten da», beendete ich das Gespräch und legte auf. Ich war tatsächlich in fünf Minuten bei ihr und wir gingen in ein Café.

«Ich hatte heute einen total komischen Tag. Ein Typ hatte total mit mir geflirtet und seine Freundin stand direkt neben ihm. Seine Exfreundin, wenn ich den Streit richtig mitbekommen hatte, nachdem die beiden Richtung Kassa gingen und ich wieder arbeiten konnte. Er hat mir seine Nummer gegeben. Aber ich habe nicht vor anzurufen. Wenn er eine Freundin hatte und mit mir ungeniert flirtete, dann macht er es bei jeder. Egal ob Freundin oder nicht! Oder sollte ich doch?»

Sie sah mich fragend an.

«Warum nicht? Lass ihn aber ein bisschen zappeln», antwortete ich und kicherte. «Gut, das werde ich machen. Wie war die Schule?», fragte sie und ich blieb stehen. «Ich war nicht. Ich habe geschwänzt … mit dem Neuen…», murmelte ich. «Was?! Kim, Kim, Kim… Ist er zumindest heiß, sexy und unglaublich scharf?» Ich lachte. «Ja, ja und ja. Aber ich habe kein Interesse an ihm. Er ist ein … unglaubliches Arschloch. Aber befreundet kann ich schon mit ihm sein.»

Ich grinste Linda an und öffnete die Tür zum Café.

«Das wird nie gut gehen. Ein sexy Mann und eine sexy Frau. Nur befreundet? Ganz sicher nicht, Kim. Einer wird sich verlieben – und ich glaube das wirst du sein. Nichts gegen dich, aber es sind zu 95 Prozent die Mädchen, die sich als erstes verlieben. Nicht gleich, aber mit der Zeit. Und dann kommt die Katastrophe, denn wie sollte man so was lösen? Vor allem wenn der andere nicht so für dich empfindet, wie du für ihn.» Ich setzte mich nieder und sah sie belustigt an.

«Glaube mir. Das wird nicht passieren. Er hat nicht nur die sexy, charmante und flirtende Seite. Er ist Raucher, trinkt Unmengen von Alkohol und kifft. Linda, zu 0,001 Prozent ist die Wahrscheinlichkeit dass ich mich verlieben werde. Die restlichen Prozente werden sich nicht, niemals in Adrian verlieben», sagte ich und ich war fest davon überzeugt. Adrian war ein Fall für sich.

«0,001 Prozent. Nur so wenige?»

Erschrocken drehte ich mich um und öffnete den Mund, doch in diesem Moment konnte ich nichts mehr sagen. Adrian stand da, lässig so wie ich ihn kannte und grinste mich an. «Das ist echt wenig. Möchtest du nicht zumindest 50 zu 50 machen?», fragte er, nahm den Platz neben mir und sah uns beide an. «Ich bin Adrian», begrüßte er Linda, die ihn ebenfalls mit offenem Mund anstarrte.

«Linda», murmelte sie dann und warf mir einen Blick allà ‚Diesen Typ hast du gemeint? Schätzchen, du bist geliefert!‘ hin. Ich seufzte und schüttelte den Kopf. «Ach komm schon. Ich bin klasse», sagte Adrian überheblich. «Ja und? Wir sind Freunde. Freunde, auf die man sich verlassen kann», sagte ich und wollte mir ienen Latte Machiato bestellen.

Die Kellnerin jedoch hatte nur Augen für Adrian und himmelte ihn an. «Einen Latte. Und wenn es geht heute noch?!», fauchte ich und funkelte sie an.

«Ja, was wollen Sie beide?», fragte sie und wandte sich wieder an Adrian. «Ein Cola, bitte. Ein kaltes mit Eiswürfel und keines dass Zimmertemperatur hat. Und nicht zu viele Eiswürfel. Ich zahle für ein Cola und nicht für Eiswürfel mit einem Schluck Cola!», beantwortete Adrian ihre Frage.

«Ich nehme auch einen Latte», sagte Linda und sah mich verwirrt an. Stinkreich, formte ich mit den Lippen. Sie verdrehte die Augen.

«Hatte ich das nicht erwähnt?», fragte ich Linda. «Nein, hast du wohl vergessen. Und lass mich raten, dass gehört zu dem negativem?» Ich nickte. «Über was redet ihr?», hakte Adrian nach. «Warum bist du hier?», fragte ich stattdessen.

«Ich wollte ein Cola trinken gehen», sagte er. Ich sah ihn fragend an. «Okay, okay. Ich wollte nicht hier ein Cola trinken gehen. Ich wollte nachhause. Aber dann habe ich dich gesehen und ich dachte mir, du bräuchtest unbedingt männliche Gesellschaft. Und hier bin ich.» Die Kellnerin brachte unsere Getränke und Adrian beäugte sein Cola.

«Das nennt ihr …», fing er an, doch ich brachte ihn zum Schweigen. «Vielen Dank!», wandte ich mich an die Kellnerin und stieß Adrian mit meinen Füßen. «Halt die Klappe», zischte ich. Er grinste mich an und ich verdrehte die Augen.

«Was hast du jetzt wieder zu meckern?», fragte ich. «Die Eiswürfel! Einen, einen! Ich hatte an zwei oder drei gedacht, aber einer? Das ist ja eine bodenlose Frechheit!» Seine neue Seite. Die reiche Seite… «Schreib ihr nächstes Mal ganz genau deinen Wunsch!», sagte ich genervt. «Das werde ich. Und die Kündigung gleich dazu!» Er klang total eingebildet.

Nicht so wie heute.

«Könntest du dich vielleicht benehmen? Warum bist du denn so … keine Ahnung wie?!», fragte ich nach. «Tut mir leid. Ich hatte einen Aushänger…», murmelte Adrian und rieb sich die Stirn. «Und wie hast du Mandy abgehängt?» Die Frage war mir einfach so rausgerutscht. «Gut dass du mich daran erinnerst. Sie wollte uns tatsächlich verpetzen! Keine Sorge, ich habe sie umgestimmt.» Er lächelte mich an. Ich wollte unbedingt erfahren wie er sie umgestimmt hatte, doch ein Teil von mir wollte es auf keinen Fall erfahren. Der zweite gewann die Oberhand.

«Also verpetzt sie uns nicht?», fragte ich stattdessen. «Ähm ja … also nein sie wird uns nicht verpetzen. Willst du nicht wissen, wie ich das geschafft habe?» Ich zuckte mit den Schultern. «Ein Date? Ein Kuss? Sex? Mir doch egal, was du mit ihr gemacht hast oder machen wirst! Linda? Gehen wir dann zu mir?» Linda sah von ihrem Latte Macchiato auf.

Ich hatte sie seit Adrian hier war, komplett vergessen. «Ja klar. Also meinst du, dass ich ihn anrufen sollte?» Ich trank einen Schluck. «Ja, solltest du. Wenn er ein Arsch ist und sich scheiße benimmt, schieß ihn in den Wind.» Ich lächelte und sah Adrian an. «Ich bin gekränkt, Kim», sagte er und schüttelte den Kopf, als könnte er nicht glauben, dass auch er damit gemeint war. «Du wirst es überleben», meinte ich lachend und widmete mich Linda und meiner Latte.

 

 

****

«So einfach werde ich stehengelassen?» Ich drehte mich um und sah Adrian an. «Viel Spaß heute noch», sagte ich und ging weiter. «Hey Kim! Ich wollte dir noch etwas sagen.» Bevor ich mich umdrehen konnte, wurde ich von Adrian hinten umarmt. «Sag ja nicht, dass dich das so kalt lässt? Und vorher hat es das sicher auch nicht», hauchte er in mein Ohr und zog mit seinen Zähnen leicht daran. In diesem Moment wollte ich, dass wir nicht hier standen sondern in meinem Bett lagen. Ich nahm das letzte Stück, das Adrian noch nicht leiden konnte und schüttelte den Kopf.

«Es lässt mich kalt. Wir sehen uns.»

Ich befreite mich und marschierte mit Linda zum Supermarkt, wo ihr Auto noch stand. «Das hat dich kaltgelassen?», fragte sie ungläubig nach und schluckte. «Ich hätte ihn auf der Stelle genommen. Egal ob es auf der Straße oder auf dem Klo wäre.» Ich musste lachen. «Danke, dass du mir das gesagt hast Linda. Es hat mich nicht kalt gelassen. Nicht ganz…», hauchte ich. «Aber das muss er ja nicht wissen…» Linda kicherte. «Es klang so, als hättest du es ernst gemeint.» Ich lächelte. «Gut, so wollte ich es auch», sagte ich und öffnete die Haustür. Tante Maddy war schon weg, doch sie hatte mir einen Brief hinterlassen. Erst da fiel mir auf, dass sie mich zu Mittag erwartet hatte. Ich schrieb ihr sofort eine Nachricht.

 

Bin gerade nachhause gekommen. Bin gesund und munter. Mach dir bitte keine Sorgen und tut mir leid, dass ich dir nicht Bescheid gegeben habe.

Bussi Kim

 

«Also das ich jetzt mitkomme. In der Früh bist du nicht in die Schule sondern hast mit Adrian geschwänzt? Und du bist bis kurz vor vier mit ihm unterwegs gewesen?» Ich nickte. «Ja, was ist jetzt?», fragte ich nach. «Nichts. Es ist nur lang. Du hättest zu Mittag wieder gehen können…», sagte sie. «Nein, da haben wir im Subway gegessen.» Ich holte zwei Gläser heraus und füllte sie mit Orangensaft, nachdem ich sie fragend ansah. «Jetzt musst du mir den ganzen Tag mit Adrian erzählen. Gar alles, verstanden?» Sie ging hin und her und hielt kurz inne, als ich ihr keine Antwort gab.

«Ja werde ich. In der Früh fahren wir in derselben Straßenbahn und müssen an der gleichen Haltestelle warten. Die Straßenbahn kam zu spät und ich sah mich um, wobei mein Blick bei Adrian hängen blieb. Ich hatte ihn gerade angesehen und da schaut er von seinem Handy auf und direkt zu mir. Er kam zu mir, fragte ob ich schwänzen wollte, da die Bahn sowieso nicht kam. Aber in dem Moment fuhr sie zu uns und ich sagte es ihm. Schlussendlich stiegen wir beide nicht ein und ich zeigte ihm das Einkaufszentrum. Ich habe ein paar Kleider gekauft.»

Dann erzählte ich ihr von der Kabine und dass Adrian mich halbnackt gesehen hatte. Von Hollister und von unser Mittagessen, gefolgt von unserem Trip zur Donauinsel. «Und nachdem Mandy uns gesehen hatte, bin ich sofort gegangen. Mandy ist eine Klassenkameradin und muss uns immer verpfeifen», beendete ich und sie stellte mir Fragen.

«Was hast du gefühlt, als er vor dir stand – du halbnackt und er so sexy wie heute?», fragte sie. «Es war mir peinlich, dass er mir so sah. Schließlich kenne ich ihn nicht und will nicht, dass er das jemals wiedersieht», beantwortete ich ihre Frage. «Und was war mit diesem Moment bei der Donauinsel, wo er hinter dir saß und du dich eng an ihn pressen musstest?»

Ich zuckte mit den Schultern.

«Das einzige woran ich gedacht hatte war, dass Mandy uns nicht sehen durfte.» Sie stöhnte. «Mensch Kim! Er ist heiß und du denkst nur, dass sie dich nicht sehen durfte?» Wieder zuckte ich mit den Schultern. «Okay. Du bist immun gegen Adrian-Charme. Darf ich deine Kleider sehen?», wechselte sie das Thema. «Klar, ich … Mist! Adrian hat sie in seine Tasche verstaut, bevor wir ins Subway gegangen sind.» Meine schönen Kleider. Und jetzt waren sie bei Adrian. Hatte er noch alle oder musste er für Mandys Stillschweigen ein paar meiner Kleider hergeben? Okay, das hatte er bestimmt nicht tun müssen.

«Ruf ihn an und sag, dass er sie dir bringen soll», forderte mich Linda auf. «Ich habe keine Nummer von ihm… Und im Telefonbuch wird er noch nicht stehen. Aber ich weiß wo er wohnt. Nicht weit von mir entfernt. Sollten wir zu ihm gehen?», fragte ich.

«Ja klar. Hier geht es schließlich um Kleider!» Ich verhob mir ein Lachen. «Und wenn er noch nicht zuhause ist?»

«Dann wartest du auf ihn. Ganz einfach. Und vielleicht fragst du auch noch nach der Handynummer?» Ich schlug sie leicht auf den Arm. «Nein, das werde ich gewiss nicht tun!» Ich zog mir wieder Schuhe an und Linda schlüpfte in ihre Ballerinas. «Auf geht’s. wir müssen deine Kleider retten!» Sie gab mir einen Klaps auf den Po und rannte dann weg.

Ich flitzte ihr hinterher und wir beide kreischten.

Als ich sie hatte, packte ich sie am Arm und zog sie zurück, während ich ihr einen Klaps gab. Das ging so weiter, bis wir das Nobelviertel erreicht hatten. Dann benahmen wir uns, obwohl wir hin und wieder anfingen zu kichern. «Ich muss zugeben, dass Adrian mir nicht die genaue Adresse gesagt hat, also müssen wir schauen, was auf den Briefkästen steht», sagte ich leise und sah mich um. Ein Haus war teurer als das andere. Vorne waren die nicht so noblen Villen.

Zwar waren sie auch nobel, doch je weiter wir die Straße entlang gingen, je nobler wurde es. «Heilige Scheiße», murmelte Linda und las einen Familiennamen vor. «Lechner. Klingt doch total nicht reich», flüsterte sie und ich nickte. «Ich wette mit dir, dass sie alle so einen Bodenputzerhund haben.» Ich lachte. «Ein was?», fragte ich. «Chihuahua. Kleine Hunde. Bodenputzer. Hm. DiFlorentis. Klingt doch schon eher nach nobel.»

Ich kicherte.

«Nein, das klingt nur italienisch.»

«Okay, okay. Aber schau hier lebt Familie Fitzpatrick. Dass ist aber keine reiche Familie!» Sie verbeugte sich vor dem Briefkasten. «Wenn Sie reich sind, dann bin ich tausend Mal reicher als Ihr.» Ich musste wieder lachen und in dem Moment kam eine alte Frau aus dem Haus und auf dem Arm war … der Bodenputzer … äh ein Chihuahua.

«Was wollt ihr hier?», fragte sie streng. Alles an ihr schrie nach Geld und hiermit hatte Linda die Bestätigung, dass diese Familie oder die alte Frau Geld hatten. «Wir suchen die Familie DiMonti», schrie ich ihr zu, da ich glaubte, dass sie nicht viel hören konnte. «Ich verstehe dich auch, wenn du nicht schreist!» Sie wedelte mit den Händen und griff sich auf die Stirn. «DiMonti. DiMonti… Die neue Familie? Letztes Haus von dieser Straße.»

Ich bedankte mich und ging weiter, doch vorher machte Linda der Frau ein Kompliment für ihren Garten. Als ich Adrians Haus sah, wusste ich sofort dass dieses hier am protzigsten war. Es war das schönste und auffallendste dieser Straße. Vielleicht sogar von ganz Wien. Man konnte nicht in den Garten gelangen, da eine Mauer, das Haus vor ungebetenen Gästen schützte. Ich klingelte bei dem Knopf, dass die Familie aufmerksam machte, dass jemand sie besuchen kam.

Ich hatte mir seine Familie ebenfalls protzig und nobel vorgestellt, aber als der Mann heraustrat und fragte, wer wir waren, konnte ich nicht anders als mich zu fragen, ob sie vielleicht alle normal gekleidet waren. Okay nicht normal. Man sah sofort, dass der Anzug maßgeschneidert war und doch einiges gekosten hatte. Doch ich hatte mir was anderes vorgestellt. «Ich bin Kim Montgomery. Wir wollen zu Adrian.» Ich ging nervös mit meinen Füßen auf und ab. E

r würde uns nicht hereinbeten, das wurde mir bewusst, als er uns musterte. Was für einen Eindruck weckten wir?

«Sie kennen Adrian?», fragte er nach. «Ja, er ist mein Schulbanknachbar», sagte ich und fing dann an zu lügen. «Ich muss nur fragen, was wir als Hausaufgabe aufhaben. Ich war heute in Mathe beim Zahnarzt und Adrian ist der einzige, der in meiner Gegend wohnt. Und wenn ich sie nicht habe, dann bekomme ich eine Fünf.» Linda stieß mich leicht. Ich hatte angefangen unnötiges Zeug zu schwafeln. «Wer sind Sie nochmal?», fragte er.

«Kimberly Montgomery und das ist meine Freundin Linda.» Ich lächelte ihn an. Die Tür, damit man eintreten konnte wurde geöffnet und der Mann verbeugte sich. «Miss Montgomery, ich bin Juliano Kuwak und ich werde Sie in das Haus geleiten.»

Okay jetzt war klar, dass der Mann nicht der Vater oder ein sonstiges Familienteil von Adrian war. Er war der persönliche Butler der Familie. Der Butler ging voran und Linda und ich hinterher. «Leider ist Herr Adrian noch nicht da, doch er wird bald eintreffen.» Er öffnete die Haustür und öffnete eine Tür links von der Haustür. Der Empfangsraum, wie ich vermutete. «Wollen Sie einen Tee oder einen Kaffee, während Sie auf Herr Adrian warten müssen?»

In dem Moment wollte ich nur ein Wasser oder Cola. Oder sonst ein Getränk, doch ich wusste nicht, was sie hier hatten, weswegen ich dankend ablehnte. Linda jedoch wollte einen Kaffee. Mister Kuwak verließ den Empfangsraum und ließ uns alleine. Oder fast alleine, denn ich konnte mir vorstellen, dass überall Kameras waren.

«Abgefahren…», murmelte Linda und sah sich um. «Wie viel glaubst du kostet der Raum?», hakte sie nach. «Keine Ahnung. Eine Menge.» Sie berührte ein Bild von einer Frau und einen Mann, die streng aber dennoch lächelnd zu sehen waren.

«Hier Ihr Kaffee, Miss. Und Kekse.»

Er lächelte mich leicht an und ich griff nach dem Keks. Ein guter, leckerer Keks. Dann stellte sich Mister Kuwak neben die Tür und blieb so stehen. Es war still, deswegen versuchte ich nicht so laute Geräusche wegen dem Keks zu machen. Ich wollte den Butler fragen, wo Adrians Eltern waren, doch ich wusste nicht, wie ich am besten fragen sollte.

‚Hey, wo sind denn Adrian Eltern? Weißt eh, die lästigen Großen, die nur scheiße erzählen?‘

Also blieb ich still und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie protzig ich es hier fand. Zu protzig für meinen Geschmack. «Mister Kuwak?» Eine Frau, etwas um die Vierzig aber wunderschön, kam herein und betrachtete die Gäste.

Uns.
«Wer sind die beiden?», fragte sie den Butler. «Miss Montgomery, Adrians Klassenkameradin und ihre Freundin, Mrs. DiMonti.» Sie sah uns eine Sekunde lang an, dann wandte sie sich wieder an ihren Butler. «Wo ist mein Mann? Und Adrian?» Der Butler deutete nach draußen. «Ihr Mann ist draußen im Schwimmbad und Ihr Sohn müsste jeden Moment kommen.» Wie auf ein Stichwort kam Adrian. «Mister Kuwak! Ein Cola. Und Eiswürfel!» Mister Kuwak öffnete die Tür und begrüßte Adrian.

«Besuch ist für Sie da, Herr Adrian.»
Adrian stöhnte.

«Wenn es eine Mandy ist, gib ihr einen Tritt in den Arsch. Die sollte sich von mir fernhalten. Kann man das der Polizei vielleicht melden. Verrückte sollten sich von mir fernhalten.» Mister Kuwak sah kurz zu mir, unschlüssig ob ich einen falschen Namen gesagt hatte. «Nein, eine Miss Montgomery wartet auf Sie.» Adrian trat ein und sah den Butler an. «Kim?», fragte er, sah mich jedoch nicht an. Die Frage war für den Butler. «Ja, Sir.» Ich stand auf. «Ich möchte dich nicht länger stören. Ich wollte nur wissen, was wir als Hausaufgabe aufhaben?»

Adrian kam zu mir und nahm mich in den Arm.
Völlig überraschend.

«Hey Linda», wandte er sich an meine Freundin.
«Meine Cola!», schrie Adrian dann. Wie konnte jemand so sein? Süß zu mir, nett zu Linda und überheblich bei dem Personal. Und das innerhalb weniger Minuten. Der Butler verschwand und ließ mich, Linda, Adrian und seine Mutter zurück. «Ich hole deinen Vater zum Abendessen», sagte seine Mutter und verschwand, ehe ich noch Ciao sagen konnte.

«Hausaufgaben? Soso. Du hast mich wohl vermisst.» Ich schüttelte den Kopf. «Nicht dich, aber meine Kleider.» Adrian lachte. «Genau, die habe ich ja eingesteckt. Willst du sie wieder?»

«Nein, behalte sie ruhig. Wie kommst du denn darauf, dass ich sie wieder haben will?», fragte ich, den Sarkasmus nicht verbergend. «Schon klar, du willst sie. Und du bekommst sie. Aber nur wenn ihr beide heute hier zu Abend esst.» In dem Moment kam Mister Kuwak und brachte Adrian sein Cola. «Kim und Linda werden mit uns speisen. Sorge dafür, dass für sie ebenfalls getischt wird.» Mister Kuwak nickte Adrian kurz zu und ging wieder.

«Was hat es mit Mandy auf sich?», fragte Linda, die nicht wie ich, solche Fragen vermied. «Sie wollte herumknutschen. Aber ich nicht. Sonst noch Fragen?» Linda überlegte kurz. «Ja. Warum deckt der den Tisch jetzt für uns auch noch? Wir haben nie ja gesagt. Vielleicht wollte Kim, dass du ihre Kleider behältst, damit du am Abend mit ihnen kuscheln kannst. So als Ersatz.» Ich fing an zu husten. «Was? Nein! Ich will die Kleider.» Adrian legte einen Arm um mich. «Warum als Ersatz? Ich kann Kim auch hierbehalten.» Ich befreite mich aus seinem Arm.

«Vergiss es! Ich wollte doch nur meine Kleider…», jammerte ich und setzte mich wieder hin. «Ich esse nichts, dass ich nicht kenne!» Adrian grinste. «Hast du eine Ahnung, was es heute gibt. Heute ist Mittwoch.» Linda sah misstrauisch zu Adrian. «Und das bedeutet?», fragte sie. «Überraschung. Kommt mit.» Er führte uns ins Esszimmer und deutete auf zwei Plätze.

«Eure Plätze.»

Zu meinem Bedauern saß ich neben Adrian, Linda gegenüber von mir. Am Anfang des Tisches saß Adrians Vater, links von ihm seine Frau und rechts Adrian. Wir wollten uns gerade hinsetzen, als seine Eltern kamen. «Wir haben Besuch. Das ist Miss Montgomery, Adrians Mitschülerin und das ist ihre Freundin», sagte Adrians Mutter und gab mir ihre Hand.

«Danke, dass wir bei Ihnen essen dürfen. Ich bin Kimberly.» Ich schüttelte ihre Hand. «Dafür musst du dich nicht bedanken. Ich bin Emily.» Dann wurde ich noch seinen Dad vorgestellt, der Christopher hieß. Danach setzten wir uns alle und die Vorspeise wurde von einer jungen Frau mit roten Haaren gebracht.

 

 

****

Mitten im Nachtisch – es gab Mousse au Chocolat – fing Adrians Mutter mit den Fragen an. Sie wollte wissen, wie es in der Schule war, was mein Hauptfach war, wie gut ich war. Das schlimmste Thema das sie ansprach war die Frage, wer meine Eltern waren. Ich antwortete ihr so kurz wie möglich, ging kaum ins Detail. «Also wohnst du jetzt bei deiner Tante?», fragte sie.

«Ja. Meine Tante ist Chefköchin eines Restaurants.»

Sie fragte mich nach dem Restaurant und ich nannte es ihr. «Da waren wir gestern am Abend. Es ist sehr köstlich und delikat», sagte sie. «Ja meine Tante kann gut kochen. Sie müssen Ihrer Köchin von mir ausrichten, dass es sehr appetitlich … Ah!»

Alle im Zimmer sahen mich an.

«Das Mousse ist wunderbar», sagte ich, während mein ganzer Körper Adrians Hände wahrnahm. Seine Hände, die mein Bein hinaufwanderten und es erkundeten. Ich sah zu ihm, der mich angrinste. «Gefällt es dir?», fragte er. Jetzt konnte ich kaum lügen. «Ja», hauchte ich und schloss die Augen. «Gut», flüsterte er und nahm seine Hände von meinem Bein.

Ich wollte seufzen.

«Bin jetzt ich dran?», fragte ich leise und bevor er begriff was ich tat, massierte ich seine Beine und ging hinauf, wo ich seinen besten Freund massierte. «Das Spiel können wir zu zweit auch spielen», flüsterte ich. «Mrs. DiMonti? Wo sind hier die Toiletten? Ich möchte mich gerne frisch machen», fragte ich. «Wenn du den Raum verlässt musst du den Gang entlang und dann ist es rechts», antwortete sie mir und in dem Moment spürte ich, dass sein Freund erregt war. Wegen mir. Ich grinste Adrian an und ließ ihn los. Dann verließ ich den Raum um aufs Klo zu gehen.

Nachdem ich für kleine Mädchen war, ging ich wieder zurück. Adrian lehnte an seinem Stuhl, seine Eltern unterhielten sich eifrig mit Linda und bemerkten mich nicht. «Komm jetzt wieder ich?» Ich schüttelte den Kopf, doch da fing er an, meinen Rock hochzuziehen und an meinem String zu spielen. «Wenn du noch weiter gehst, reise ich dir deinen besten Freund raus!», sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. «Nur noch ganz kurz.» Er berührte sanft die Haut und gab meinem Bein einen leichten Klaps. «Normalerweise höre ich nie auf. Erst recht nicht, wenn man das mit mir anstellt.» Er sah hinunter zu seinem Freund und ich musste grinsen. «Rache ist süß, Kim», meinte er.

«Es wird kein zweites Mal geben, da wir Freunde sind. Freunde!», flüsterte ich und versuchte mein Mousse zu essen. Als ich aufsah, sah ich, dass Linda uns beobachtet hatte. Und ihr Gesicht grinste mich förmlich an. «Ihre Tante muss eine erstaunliche Persönlichkeit sein. Wenn man so gut kochen kann und dazu noch dich erzogen hatte, obwohl sie keinen Schimmer von Kindern hatte. Richtig erstaunlich», sagte Adrians Mutter zu mir. «Ich würde Sie gerne vorstellen. Ich frage meine Tante, wann sie Zeit hat und dann laden wir Sie zum Abendessen ein.»

Ich lächelte seine Mutter an und sie lächelte zurück.

«Das wäre großartig. Christopher findest du nicht auch?» Christopher nickte. «Ja, ich lerne gerne neue Menschen kennen. Rufen Sie uns einfach an oder sagen Sie Adrian Bescheid.» Ich musste zu Adrian sehen, der mich ebenfalls angrinste.

Ein Blick auf seinen Freund ließ mich erkennen, dass er immer noch erregt war. Ich wandte den Blick ab und suchte die Augen von Adrians Vater. «Werde ich machen, Mr. DiMonti.» Mr. DiMonti lachte. «Nenne mich bitte nur Christopher. Und wir sind nicht per Sie.» Auch Emily bot mir das per Du an und bestand darauf, sie ebenfalls mit dem Vornamen anzusprechen.

«Mrs. DiMonti – äh Emily – wie gefällt Ihnen Wien? Ähm ich meine dir.» Sie lächelte mich wieder an. «Es ist wunderschön. Früher haben wir in Südtirol gelebt, doch wir sind weggezogen, wegen bestimmten Gründen. Wien ist eine große Stadt, viel größer als unsere Heimatstadt. Du lebst schon seit … wie vielen Jahren hier?», fragte sie mich.

«Seit zwei, aber ich werde mich nie so richtig daran gewöhnen können, dass hier so viel Verkehr herrscht.» Mit einem Mal wollte ich unbedingt weg von Wien, wieder zurück wo ich herkam. Ich wollte meine alten Freunden sehen und ihnen alles erzählen. Doch meine alten Freunde und ich hatten uns auseinander gelebt und wir schrieben nicht mal mehr via Facebook. Wir hatten uns alle weiterentwickelt. Als die rothaarige Frau wieder kam, nahm sie unsere leeren Schüsseln mit und verschwand wieder durch die Tür. «Würdet ihr uns kurz entschuldigen. Ich würde Kim jetzt gerne die Hausaufgaben sagen. Meine Tasche ist oben im Zimmer.» Adrian stand auf und wartete darauf bis ich mich ebenfalls erhob.

«Gut. Ich war heute in Mathe nicht da und ich will nicht eine Fünf kassieren, nur weil der Lehrer wieder schlecht gelaunt ist und ihm egal ist, ob ich da war oder nicht», sagte ich, dann sagte ich zu seinen Eltern: «Vielen Dank für das Abendessen, es war fantastisch.» Wir lächelten uns an und dann zog mich Adrian mit. «Nie wieder lade ich dich ein», sagte Adrian leise, als wir in sein Zimmer gingen. «Warum? Ich war doch höflich.»

Ich musste grinsen.

«Nicht wegen dem, Kim! Wenn man was anfängt, beendet man es auch!» Und ich wusste sofort Bescheid, was er wirklich meinte. «Ach komm schon, Adrian. Gehe in die Disco. Da sind genügend Mädchen, die liebend gern mit dir schlafen würden … oder sich um deinen Schwanz kümmern!» Adrian lachte. «Ich gehe doch nicht wegen dem in die Disco. Vor allem nicht wenn das Mädchen, dass mir das angetan hat, hier ist.» Diesmal musste ich lachen.

«Tja, ich werde nichts machen. Außer, dass ich meine Kleider will!» Adrian kam zu mir geschlendert. «Und das klingt so, als hätte ich dich verprügelt», fügte ich kichernd hinzu. «Feige. Du bist wirklich feige.» Er war keinen Zentimeter mehr von mir entfernt. «Ich nenne es nicht feige. Ich würde mich als normales Mädchen bezeichnen. Und nicht als Flittchen!» Adrian grinste amüsiert. «Das habe ich auch nie gesagt, oder?» Ich schüttelte den Kopf.

«Nein, aber so werde ich mich fühlen…»

Adrian blieb stehen und musterte mich.

«Warum?»

Er war sichtlich verwirrt. «Weil ich nicht mit jemanden schlafen werde, denn ich erst einen Tag kenne. Und es würde mein erstes Mal sein…» Die letzten Worte waren nur mehr ein leises Flüstern, doch Adrian hatte es gehört. «Okay, ich werde dir nicht deine Jungfräulichkeit nehmen. Du hattest echt noch nie? Wow. Du bist die erste die ich kenne. Gibst du mir zumindest einen Kuss?» Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste seine Wange.

«Natürlich. Und jetzt meine Kleider.»

Ich grinste und Adrian zog mich in seine Arme. «Nicht deine Küsse sondern meine», hauchte er und plötzlich hörte ich Stimmen. «Adrian! Warum braucht das so lange? Wir gehen heute ins Theater.» Dann hörte ich Schritte und ich befreite mich rasch von Adrian. «Hopp, gib mir sie.» Adrian gab mir den Sack und fing dann an zu reden.

«Also Seite 183 Nummer sechs bis neun. Ich gebe dir meine Handynummer, dann kannst du anrufen, falls du Hilfe brauchst. Ich helfe dir gerne weiter. Mutter, was ist?» Emily stand in der Tür und deutete auf die Tür. «Wir müssen ins Theater. Wir haben doch Karten gekauft. Es tut mir wirklich leid, dass wir jetzt aufbrechen müssen, ich hätte noch gerne mit dir geplaudert, Kimberly», sagte seine Mutter. «Können wir auch. Wenn ich euch zu mir zum Abendessen einlade.» Ich stopfte unauffällig den Sack in meine Tasche und nahm den Zettel mit Adrians Handynummer in die Hand.

Mister Kuwak geleitete uns hinaus und Linda und ich bedankten uns für das Essen und wünschten ihnen noch viel Spaß. Den Weg bis zu mir nachhause schwiegen wir. Erst als ich sie hineinbat und wir uns auf die Couch lümmelten und irgendeinen Liebesfilm sahen, fing sie an zu reden. «Ihr habt euch ziemlich viel getraut.» Ich sah von dem Fernseher weg.

«Er hat damit angefangen. Und ich wollte mich nur rächen.» Linda kicherte. «Es ist ein Wunder, dass seine Eltern nichts gemerkt haben. Irgendwie hat man das richtig gespürt. Ich glaube Adrian ist verrückt nach dir» Ich schüttelte den Kopf. «Nein ist er nicht. Er will mich nur ins Bett kriegen. Jetzt nicht mehr. Wir sind jetzt Freunde. Hoffentlich…», murmelte ich.

«Was war im Zimmer? Hausaufgaben wohl kaum.» Sie lächelte mich an. «Er war beleidigt, weil ich unser Spiel nicht fertig gespielt habe. Äh nicht unser Spiel, sein Spiel. Und er wollte Entschädigung. Zum Schluss einigten wir uns auf einen Kuss. Ich gab ihn einen auf die Wange, aber das genügte ihm nicht. Er wollte einen richtigen Kuss, aber bevor es dazu kam, kam seine Mutter.» Linda lachte. «Warum treffe ich nie so einen Jungen?», fragte sie.

«Sei froh. Ich will einen Mann, der mich liebt und bei mir bleibt. Ich kuscheln kann und Sonnenuntergänge ansehen. Und nicht einen, der es nur auf Sex abgesehen hat.» Und wen lernte ich kennen? Genau die Sorte Jungs, die ich nicht wollte.

«Man nimmt im Leben das was man bekommt. Und du bekommst Adrian. Kim, denk darüber nach. Adrian. Heiß, scharf, sexy, zum Sterben?» Ich stand auf. «Ich bekomme nicht Adrian. Vielleicht für eine Nacht, aber um ehrlich zu sein, kann ich auf das pfeifen. Da will ich noch lieber, dass er mein Kumpel wird.» Linda betrachtete ihre Fingernägel.

«Vielleicht hast du Recht. Das ist es nicht wert. Oder vielleicht doch?» Ich zuckte mit den Schultern. «Im Moment fühle ich nicht so, dass ich mit ihm schlafen werde. Ich fühle Freundschaft. Und die will ich haben. Vielleicht ändert sich das und dann … darüber brauche ich jetzt nicht nachzudenken, das wird nicht passieren.» Ich setzte mich wieder.

«Schauen wir weiter den Film. Jetzt kommt gleich die Stelle wo sie feststellt, dass er der Richtige ist und läuft zu ihm.» Ich hatte den Film schon oft angeschaut, konnte jedoch nie genug davon bekommen. «Ich liebe sie», sagte ich und deutete auf die Schauspielerin, die für mich einfach super war. Linda kicherte. «Du bist wohl ein richtiger Anne Hathaway Fan, hm?», fragte sie.

«Ja und wie. Und jetzt sei leise.»

Irgendwann gegen zwölf musste Linda gehen. Wir hatten die ganze Zeit herumgealbert und irgendwelchen Mist erzählt. «Wir sehen uns morgen … oder ist es schon heute?», fragte ich nach. «Nach zwölf. Also heute. Ich hole dich von der Schule ab.»

Sie gab mir einen kurzen Kuss auf die Wange und stieg in ihr Auto. Dann sah ich nur noch einen kleinen Punkt, der immer kleiner wurde. Linda war weg. Ich ging wieder zurück ins Haus und musste feststellen, dass ich tierisch müde war. Also ging ich schnell duschen und kuschelte mich dann in mein Bett. Ich wusste, dass ich Adrian mochte. Wie man einen Freund eben mochte. Deswegen nahm ich mein Handy in die Hand und schrieb ihm eine Nachricht. Das Theater würde doch schon zu Ende sein, oder?

 

Danke für den schönen Tag und das köstliche Abendessen. Beides könnten wir wieder mal wiederholen? Gute Nacht.

Kim

 

Ich drehte mich zur Seite, als ich sah, dass meine Jalousien noch offen waren.

Widerwillig stand ich auf, schloss sie und hörte das vertraute Piepen, dass mir verkündete, dass ich eine Nachricht bekommen hatte. Ich öffnete sie schnell und musste schmunzeln.

 

Fand ich auch und ja wir werden es wiederholen. Freue mich schon darauf mit dir zu schwänzen. Und Kim? Den Kuss werde ich doch noch bekommen, oder?

Adrian

 

Sofort schrieb ich zurück.

 

Das kannst du vergessen. Wir sind doch Freunde, Adrian. Ich gehe jetzt ins Bett, bin müde. Gute Nacht und schlaf gut.

Kim

 

Die Antwort kam rasch und ich öffnete sie schnell.

 

So schnell gebe ich nicht auf. Gute Nacht und schlafe auch gut.

Adrian

 

Ich legte mein Handy mit einem Lächeln hin und war froh, dass ich heute mit Adrian geschwänzt hatte. So langsam kam mein Leben zurück und dafür war ich dankbar. Und ich wusste, dass ich Wien nicht länger hasste. Ich hatte zwei Freunde, eine tolle Tante und ein wunderschönes Haus, das ich mein Zuhause nennen konnte. Ich würde mein Leben wieder auf die Reihe bekommen, das wusste ich jetzt gewiss. Ich wollte mehr denn je das alles wieder so wurde wie vor dem Tod meiner Mum.

Nicht alles, aber einiges. Ich wollte Freunde haben, vielleicht sogar einen richtigen festen Freund. Ich wollte wieder lachen können, so wie heute mit Adrian oder gestern mit Linda. Ich wollte, dass die alte Kim wieder kam und wie es jetzt aussah, kam sie so langsam aus ihrem Versteck. Ich drehte mich zur Seite und wünschte in Gedanken auch Linda eine gute Nacht, dann überkam mich die Müdigkeit und ich döste ein.

Kapitel 3 – Donnerstag, 11. April 2013

«Kim! Du hast verschlafen. Aufstehen, Kimberly.» Müde öffnete ich meine Augen und sah Tante Maddy vor mir.

«Was ist Tante?», fragte ich schlaftrunken. «Du hast verschlafen. Es ist schon nach neun Uhr.»

Plötzlich war ich hellwach und sah auf mein Handy. Zwei Anrufe in Abwesenheit und zwei Nachrichten. Und Mist – es war schon fünf nach neun.

«Scheiße!»

Ich stand auf und ging schnell ins Bad. «Tante? Machst du mir ein Butterbrot mit Schnittlauch?», fragte ich meine Tante. «Klar mein Schatz.» Ich wusch mir mein Gesicht, kämmte mein Haar und schlüpfte in das erste Outfit das ich sah: die neue Hotpants und das schöne Top von gestern. Ich zog meine Ballerinas an und machte mir einen Seitenzopf. Stopfte mein ganzes Schulzeug in die Tasche und nahm mein Handy und einen Labello. Als ich hinunterlief, gab mir meine Tante das Brot und sagte mir, dass die Straßenbahn in wenigen Minuten kommen würde.

Also rannte ich los, stopfte mir nicht ladylike das Brot in den Mund und fluchte, als ich die Straßenbahn sah. Und wie sie gerade losfahren wollte. Ich wedelte mit den Händen wie eine Irre und sie blieb tatsächlich stehen. Ausgepowert stieg ich ein und bedankte mich. Um meinen Atem ringend, suchte ich mir einen Platz weiter hinten. Um diese Uhrzeit waren echt noch ein paar Plätze frei. Ich schüttelte ungläubig den Kopf und stieg ein paar Haltestellen später wieder aus. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich keine Entschuldigung hatte. Weder für heute noch von gestern. Ich nahm mein Handy und las die beiden Nachrichten, die ich bekommen hatte. Beide waren von Adrian.

 

Hast du heute vor, ohne mich zu schwänzen? Ich bin echt traurig.

Adrian

 

Hey Kim, ruf mich bitte sofort zurück, wenn du die Nachricht liest. Ich mache mir Sorgen. Wenn du nicht zurückschreibst oder rufst, dann bin ich gezwungen zu dir zu kommen.

Adrian

 

Ich schrieb nicht zurück, ich würde in weniger als fünf Minuten neben ihm hocken. Ich öffnete die Schultür und suchte meine Klasse. Wir hatten gerade Deutsch, also würden wir in unserer Stammklasse sein. Ich klopfte kurz, dann öffnete ich die Tür. All meine Mitschüler sahen zu mir und ich suchte nach der Professorin, die Georgia gerade etwas erklärte.

«Ich habe verschlafen», murmelte ich und setzte mich hin. «Endlich. Ich habe schon gedacht, dass du wegen gestern nicht mehr kommst.» Adrian lächelte mich an und ich erwiderte sein Lächeln. «Nein, ich habe nur verschlafen», flüsterte ich.

«Gut, dass Sie dann hier sind, Miss Montgomery. Die Aufgaben, die Sie erledigen müssen, stehen auf der Tafel. Der Rest ist Hausaufgabe.»

Ich nickte und schlug mein Buch auf. «Die fünf Seiten musst du mit deinen eigenen Worten zusammenfassen. Auf der sechsten Seite ist eine Grafik, die du beschreiben solltest und dann sollten wir die nächsten zehn Seiten wieder zusammenfassen. Kurz zusammenfassen, nur das Wichtigste», erklärte mir Adrian. «Will die uns umbringen?», fragte ich.

Adrian lachte

«Nicht uns, aber unsere Hände.» Für den Rest der Stunde versuchte ich mich auf die Aufgabe zu konzentrieren und so schnell zu schreiben wie noch nie. Das Ergebnis: Ich hatte die Grafikbeschreibung – nicht meine beste – fertig, den ersten Teil fertig zusammengefasst und den letzten Teil angefangen. Meine linke Hand schmerzte jedoch. «Du schreibst wie eine Verrückte», sagte Adrian, als es klingelte und er meine Zettel anstarrte.

«Ich will so wenig wie möglich machen. Vor allem, wenn ich heute was vorhabe.» Adrian zog eine Braue hoch. «Was machst du heute?» I

ch stand auf und ging aus dem Raum, Adrian folgte mir. «Ich treffe mich mit Linda im Schwimmbad. Wir wollen uns heute entspannen. Und ich muss ihr wegen heute Abend helfen. Sie hat ein Date und ich werde sie auf Vordermann bringen. Danach habe ich Zeit. Machen wir was?»

Adrian hakte sich bei mir ein.

«Auf jeden Fall. Wann sollte ich kommen?», hakte er nach. «Wir werden bis halb fünf im Schwimmbad sein, dann werden wir zu ihr fahren, wo ich sie herrichte. Um halb sieben kommt ihr Date und dann fahre ich mit der Straßenbahn um viertel vor sieben heim. Um acht oder halb neun bin ich bei meiner Haltestelle. Komm so um Viertel nach acht. Aber nur wenn das okay ist?»

Adrian nickte.

«Ich hole dich bei der Straßenbahn ab. Dann bin ich schon früher bei dir.» Ich grinste. «Gut. Und was machen wir dann?» Diesmal grinste Adrian. «Da fällt mir schon was ein.» Ich stieß ihn in die Seite. «Solange es nichts mit Sex oder sonstigen Sachen zu tun hat, ist es mir egal. Es muss aber noch unter die Kategorie ‚Gute Freunde‘ liegen?», sagte ich.

«Jetzt sind wir schon gute Freunde. Gestern waren wir nur Freunde.» Ich nickte. «Ja, du wurdest befördert. Gratulation!»

Ich musste kichern und wir bogen wieder ab. «Wo gehst du denn hin?», fragte er mich schließlich. Ich sah mich um, und musste feststellen, dass wir in eine völlig falsche Richtung gingen. «Ich habe keinen Plan», murmelte ich und in dem Moment klingelte es zur nächsten Stunde. «Bitte nicht Französisch», flüsterte Adrian und zog mich mit. Anstatt das wir zurückgingen, brachte mich Adrian zur Turnhalle, in der zurzeit niemand Turnunterricht hatte so wie es schien. «Wir haben jetzt Stunde», sagte ich zu Adrian, der sich auf eine Matratze legte.

«Ja, aber ich habe keinen Bock auf Französisch. Lieber bin ich hier. Mit dir.» Er nahm meine Hände und zog mich zu sich. Da er aber lag, fiel ich auf ihn und musste lachen. «Was ist daran so witzig, Kim?», fragte er leise. «Nichts, Adrian. Gar nichts.» Meine Stimme war nur mehr ein Hauchen. Adrian streichelte meine Wangen und nahm alles in sich auf, was er sah. Was er von mir sah. «Das ist ein schönes Top. Und eine heiße Hotpants», raunte er und berührte den Saum meines Tops.

«Findest du? Hat mir ein super Verkäufer gezeigt», flüsterte ich. «Echt? Du solltest ihm sagen, dass er ein fantastischer Verkäufer ist. Und vielleicht gibst du ihm einen Kuss?» Ich lächelte Adrian an. «Dann sieht es so aus, als würde ich ihn zu gerne haben.»

Sein Grinsen wurde noch breiter.

«Und das willst du vermeiden, oder?» Er fuhr unter mein Top und streichelte meinen Bauch. Er berührte meinen BH und streichelte meine Brüste. «Willst du das vermeiden?» Adrians Stimme klang so verführerisch, so sexy. «Ich … Adrian?!» Er fing an meinen Hals zu küssen, mein Dekolleté. «Was ist, Kim?», fragte er, immer noch so sexy. «Hör auf … nein doch nicht.»

Er zog mir mein Top aus und küsste meinen Bauch, ging hinauf zu meinen Brüsten. «Du bist so gottverdammt sexy», flüsterte er. Ich konnte nichts mehr sagen, alles in mir zog sich zusammen und genoss Adrians Küsse auf meiner Haut.

Seine warmen Lippen, die sexy Lächeln konnten und in einem Moment so geschickt küssen konnten. «Oh Gott. Adrian!» Er sah mich kurz an. «Was ist denn, Kim?»

«Ich kann nicht mehr», gab ich zurück. Er streichelte meine Wangen und drehte uns, sodass ich unten lag. «Wir werden Freunde bleiben. Solange ich dich nur küsse.» Ich nickte kurz und fuhr mit meinen Händen unter sein Shirt.

Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ich streichelte seinen Bauch, während er weiter eifrig meinen Körper küsste. «Auf jeden Fall, werde ich mich von ihm trennen. Er hat mit zwei anderen geschlafen und hat dann noch die Frechheit mir zu sagen, dass das alles meine Schuld wäre»

«Oh mein Gott!», unterbrach die eine die andere. Adrian und ich schreckten auseinander.

«Shit!», fluchte Adrian und reichte mir mein Top. «Das kannst du laut sagen!» Ich zog mir mein Top an und stand auf. «Was ist denn hier los?» Die Professorin der Schüler kam in dem Moment herein, als ich mir mein Top anzog. «Habt ihr keinen Unterricht?», wurden wir gefragt.

«Nein. Doch. Nein. Doch.»

Ich stammelte vor mich hin und versuchte irgendeinen sinnvollen Satz zu bilden. «Wie heißt ihr beide?», fragte sie streng und ging weiter zu uns. «Kimberly Montgomery», flüsterte ich. Mist, Mist, Mist! «Adrian DiMonti», sagte Adrian. Seine Stimme klang fest und so, als würde er mit Mister Kuwak reden. «Hannah? Du wirst kurz aufpassen. Spielt Basketball. Miss Montgomery und Mister DiMonti? Ihr kommt mit mir!»

Lautlos gingen wir mit der zickigen Lehrerin mit. Hatte ich Adrian nicht gesagt, dass ich wollte, dass wir Freunde waren? Konnte er nicht meinen Wunsch akzeptieren? Ich mochte Adrian im Moment nicht und mich ebenso. Konnte ich so schlecht nein sagen?

Zu meinem Vermuten gingen wir genau den Weg, den ich nur ein einziges Mal gehen musste. Als ich neu war und beim Direktor war. Und genau dahin führte uns die Lehrerin. Zum Direktor. Verdammt!

 

 

****

«Nein! Lass es! Verdammt, das ist alles nur deine schuld!» Ich stampfte wütend zurück in die Klasse. Eine Woche nachsitzen. Schwämme säubern, Tafel wischen und meterlange Aufsätze schreiben. «Kim, es tut mir leid. Ich werde es nicht wieder tun.» Ich drehte mich blitzschnell zu Adrian um. «Das wirst du auch nicht mehr tun! Weil ich dich nie wieder sehen will!»

Ich bog ab und ging aus der Schule.

Ich wollte alleine sein.
«Es tut mir echt leid, Kim», versuchte es Adrian nochmal. Ich wurde wütender und zeigte ihm den Mittelfinger. «Fick dich.» Dann war ich weg und ließ einen verdutzten Adrian zurück. Tränen fanden den Weg hinaus und ich weinte lautlos vor mich hin. Einen Eintrag ins Klassenbuch. Nachhocken. Anruf bei den Erziehungsberechtigten. Ich hatte es verbockt. So hatte ich mir das alles nicht vorgestellt. Mein einziger Wunsch war es, meiner Tante vor dem Direktor zu erzählen, was passiert war.

Doch als ich heimkam, telefonierte Tante Maddy gerade. Ihr Blick verriet, dass es der Direktor war und ich stürmte auf mein Zimmer. Meine Tränen fielen einfach auf den Boden und ich versuchte nicht mal sie zu stoppen. Ich wollte einfach im Selbstmitleid baden!

 

 

****

Irgendwann kam meine Tante ins Zimmer und setzte sich zu mir. «Willst du mir vielleicht erzählen, was passiert ist?», fragte sie mich und zog mich zu sich. «Das wirst du doch schon sicherlich wissen!», murmelte ich. «Ich will es aber von dir hören. In den zwei Jahren, die du schon da wohnst, hatte es noch nie Ärger gegeben. Und kaum ist der Neue hier, gibt es Ärger.» Ich sah sie verwundert an. «Woher weißt du von Adrian?», fragte ich.

«Der Direktor hat es mir erzählt. Er hat mir auch erzählt, dass du sonst nie solche Sachen machst und nie auffällst. Daher wird er deine Strafe mildern. Mister DiMontis Strafe wird jedoch schlimmer ausfallen. Er soll schon öfters so aufgefallen sein.» Ich hörte augenblicklich auf zu weinen. «Inwiefern mildern?», hakte ich nach. «Kein Klassenbucheintrag. Aber nachhocken lässt sich nicht vermeiden. Aber nur zwei Tage, Kim.» Ich umarmte meine Tante.

«Gott sei Dank! Ich hatte schon richtige Panik», flüsterte ich. «Willst du mir jetzt erzählen was passiert ist?» Ich nickte und fing an, ihr von der Turnhalle zu erzählen. Tante Madeleines Gesicht wurde mitfühlend, als ich ihr erzählte, dass ich die letzten zwei Jahre niemand hatte. Ihr Gesicht wurde wütend, als ich ihr von Adrians Anmache erzählte. Ihr Gesicht wurde neugierig, als ich ihr erzählte, dass ich es irgendwie wollte. «Magst du den Jungen?»

Ich schüttelte den Kopf.

«Momentan hasse ich ihn, da er mich in diese Situation gebracht hat. Ich habe ihm immer gesagt, dass wir Freunde sind. Und Freunde küsst man nicht!» Ich berührte meinen Hals. Es hatte sich so verdammt gut angefühlt, so verdammt heiß. Doch ich wusste auch, dass ich nicht Liebe für Adrian empfand … und ich wusste, dass er das auch nicht tat. Er war Adrian. Diese Sorte Typ, die mit jemanden schlafen können ohne Gefühle zu haben. «Ich werde mich von ihm fernhalten. Danke fürs zuhören, Tante.» Ich umarmte sie und sie verließ mein Zimmer.

Ich schrieb Linda eine Nachricht, dass sie nicht vor der Schule auf mich warten sollte, sondern dass ich schon zuhause war. Sie rief mich an. «Warum bist du zuhause? Geht es dir nicht gut? Soll ich zu dir kommen?», fing sie an, als ich dranging. «Mit mir ist alles in Ordnung. Wir können jetzt schon schwimmen gehen, falls du Lust hast. An deinem freien Tag musst du doch das Wetter in vollen Zügen genießen», sagte ich. «Okay, ich bin in einer halben Stunde bei dir. Und dann kannst du mir erzählen, was passiert ist!» Sie hatte irgendwie ein Gespür wie es mir immer ging.

«Bis dann», verabschiedete ich mich und ging hinunter in die Küche, wo meine Tante einen Kucken buk. «Kann ich schwimmen gehen. Ich weiß, dass ich in der Schule sein sollte, aber ich brauche Ablenkung.» Meine Tante sah mich an. «Und mit wem gehst du?», fragte sie. Dachte sie, dass ich mit Adrian dorthin ging? «Auf keinen Fall mit Adrian. Ich gehe mit Linda. Die, die mich zur Party eingeladen hat.»

Meine Tante lächelte.

«Okay, gehe schwimmen. Wie kommst du ins Schwimmbad?» Ich lachte. «Linda ist schon achtzehn … und besitzt ein Auto. Sie holt mich ab. So kann sie dich kennenlernen. Und du sie», fügte ich hinzu. «Es freut mich, dass du eine Freundin gefunden hast, Kim. Ich dachte schon, dass du nie wieder so richtig leben willst. Es freut mich, Kim.» Ich drückte meine Tante und küsste sie auf die Wange. Das erste Mal. «Und ich bin froh, dass ich dich habe, Tante.»

Sie fing fast an zu weinen, so froh schien sie zu sein. Also gab ich ihr ein Taschentuch und sagte ihr, dass ich meine Sachen packen würde. Als ich fertig war, ging ich hinunter und wartete auf Linda, während ich meiner Tante beim Backen half. Gerade als wir den Kuchen in den Backofen stellten, klingelte es. Ich sprang auf und öffnete die Tür.

«Adrian ist ein Idiot…», begrüßte ich sie und sie drückte mich kurz. «Das dachte ich mir schon. Er schlendert mit einer Flasche Wodka durch die Stadt. Der traut sich was!» Ich nahm ihre Hand und ging in die Küche. «Meine Tante will dich kennenlernen», flüsterte ich. «Tante, das ist Linda. Linda, das ist meine Tante Maddy», stellte ich die beiden vor. «Du bist also das Mädchen, das Kim als einzige in Betracht gezogen hat einzuladen oder mit der sie befreundet sein will.»

Sie fing fast schon wieder an zu heulen.

«Ähm ja, das werde ich sein. Es freut mich Sie kennenzulernen.» Meine Tante umarmte Linda. «Nenn mich bitte Madeleine und bitte – wir sind per Du und nicht per Sie.» Linda nickte lächelnd. «Wir gehen schwimmen. Vielleicht kommen wir Nachmittag kurz um einen Kuchen zu essen», sagte ich zu meiner Tante und wir machten uns auf den Weg ins Schwimmbad. Im Auto war laute Musik und wir sangen laut mit, als ich plötzlich Adrian sah.

Unsere Blicke trafen sich, doch ich sah weg.

«Du hast echt nicht gelogen», sagte ich zu Linda. «Nein und die Flasche Wodka war auch nicht gelogen. Ich mache doch nicht über so was einen Scherz, Kim. Willst du schnell mit ihm reden? Ich kann noch umdrehen?», fragte sie mich.

«Nein!»
Linda nickte. Mit Adrian würde ich heute am Abend reden. Und ihn zur Sau machen, weil er seine Probleme mit Wodka und anderem Alkohol ertränkt. Feige, so was war doch nur feige! Zum Glück hatte ich Linda. Sie half mir meine gute Laune wieder zu finden und brachte mich zum Lachen. «Wir sind hier, Kim-Kim.» Ich grinste. «Danke, Linda-Linda.» Sie lachte. «Lassen wir das lieber. Klingt nicht gut. Ich bezahle für uns den Eintritt.» Bevor ich sie abhalten konnte, war sie schon bei der Kassa und bezahlte auch meinen Eintritt. «Und ich werde das Eis bezahlen», sagte ich, als wir uns einen Weg suchten.

«Mach nur, du Dummi.»

Sie hakte sich bei mir unter und deutete auf eine große Fläche grüne Wiese. Mit Schatten und Sonne. Ich breitete die Decke aus und wir zogen unsere Kleidung ab. Ich hatte meinen Bikini schon daheim angezogen und Linda wie es schien auch. Sie hatte einen kurzen giftgrünen Bikini an. Bei jedem anderen hätte er scheiße ausgesehen, doch ihr stand er super.

Ich hatte einen knappen Leopardenmuster Bikini an, den ich mir vor einigen Monaten im Internet gekauft hatte. Wir schmierten uns gegenseitig mit Sonnencreme ein und legten uns dann auf die Decke, um uns zu bräunen. Ich versuchte mich zu entspannen, doch das Bild von Adrian und der Flasche Wodka ging mir nicht aus dem Kopf.

War ich vielleicht zu hart?

Hatte ich überreagiert?
Schließlich hatte ich doch auch Schuld. Ich hatte nicht nein gesagt. Und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr Schuldgefühle bekam ich. Am Mittag hatte ich dann so große, dass ich fast anfing zu weinen. «Gehen wir essen?», fragte Linda mich. Ich nickte und wir gingen zum Restaurant. «Mach dir jetzt wegen Adrian keine Sorgen. Er hat doch selber schuld, wenn er dauernd versucht dich flachzulegen.» Linda legte einen Arm um mich.

«Hätte ich klipp und klar nein gesagt, hätte er es vielleicht gelassen», flüsterte ich. «Vielleicht, vielleicht auch nicht. Was willst du haben? Ich lade dich ein», sagte Linda. «Linda!», mahnte ich sie. «Was? Ich gehe arbeiten und verdiene Geld. Du noch nicht. Also, was willst du?» Ich sah sie kurz zornig an, doch ihre gute Laune ging langsam auf mich über und ich musste lächeln. «Ich nehme Pommes.» Sie zog eine Augenbraue hoch.

«Nur eine Portion Pommes?»

Ich nickte.
«Ich habe nicht sonderlich Hunger», murmelte ich. «Okay. Suchst du einen Platz. Ich bestelle schon mal.» Ich nickte und suchte uns einen Platz. Ich setzte mich hin und spielte mit dem Ende des Zopfes. «Das könntest du mir auch mal machen. Ich kann keine Zöpfe bei mir. Und du scheinst das ganz gut zu können.» Linda saß sich mir gegenüber hin und gab mir meine Pommes. Sie selber hatte einen Schnitzelburger. «Guten Appetit», wünschten wir uns und fingen an zu essen.

 

 

****

«Wer als erstes im Wasser ist!», schrie Linda und fing an wie eine Verrückte loszurennen. Ich lief ebenfalls los und hielt sie fest, damit ich als erstes im Wasser war. Das ging so eine Weile bis wir beide lachend ins Wasser fielen, da wir nicht mehr auf den Weg achteten, sondern nur mehr darauf, den anderen zu hindern, der Erste zu sein. Als ich auftauchte, schnappte ich nach Luft und lachte dann weiter. Linda schwamm zu mir und grinste mich an. «Wer war jetzt der erste? Gibt es hier irgendwo Kameras?», schrie sie dann und ein paar drehten sich zu uns. «Blödmann! Hör auf, die denken sich schon, dass wir verrückt sind.» Linda zuckte mit den Schultern. «Das ist mir egal. Ich glaube ich war der erste.» Ich schüttelte den Kopf. «Nein, das war ich. Oder waren wir es beide?», fragte ich.

«Super. Unentschieden.»

Sie tauchte unter und schwamm davon. Ich schwamm ihr hinterher. «Wir sollten öfters schwimmen gehen. Wenn nur nicht die Arbeit wäre», sagte Linda und tauchte mich unter. Lachend kam ich wieder auf und rang nach Luft. «Ja, das sollten wir in der Tat.» Diesmal tauchte ich sie unter und wartete einige Sekunden, bis ich sie losließ. «Komm schwimmen wir wieder zurück.» Wir schwammen zurück, nach rechts, nach links, vor und zurück. Wir schwammen ewig wie mir schien. Dann gingen wir erschöpft hinaus und ich stellte fest, dass wir jetzt schon zwei Stunden im Wasser waren. Und es war schon drei. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und schaltete es auf. Ich hatte unendlich viele Anrufe von Adrian. Auch drei Nachrichten von ihm.

 

Kannst du mir bitte noch einmal verzeihen? Ich werde versuchen, nur ein Freund zu sein. Ich mag dich gerne, Kim und ich hasse es mit dir zu streiten.

Adrian

 

Die zweite deutete schon darauf, dass er getrunken hatte, denn er schrieb ein paar Wörter falsch und fing an, blödes Zeug zu schreiben.

 

Biiiitte verzieh mir, Kim. Können wir nicht refen? Ich warter vor der Tür.

Adrian

 

Ich hatte keinen Schimmer, welche Tür er meinte… Die letzte jedoch machte mir ein wenig Angst. Nicht Angst um mich, sondern um Adrian. Würde er sich so zu saufen, bis er ins Krankenhaus kam?

 

Ich willll, dass du weißt, daff ich noch nie sooooo ein schle chtesss Gefüühll hatte. Ic mag mit dirr reden. Bitteee, Kimberlyy. Ich halte es nicht mer aus.

Adrian

 

«Du schaust so entsetzt? Was ist los?» Linda rückte zu mir und starrte auf das Handy. «Das klingt nicht gut. Du solltest mit ihm reden, Kim.» Ich nickte. «Aber nicht jetzt», sagte ich. «Wir können auch jetzt gehen? Einen Kuchen bei dir essen und du machst mich bei dir fertig?» Ich nickte. «Okay, machen wir.» Wir nahmen unsere Sachen und gingen schnell unter die Dusche. Nach der Dusche zogen wir unsere Bikinis aus und zogen unsere Kleidung an.

Ich cremte mich mit Bodylotion ein und föhnte meine Haare. Eine Viertelstunde später saßen wir im Auto. «Linda? Ich hab Angst, dass Adrian es mit dem Trinken übertreibt», sagte ich leise. «Dann hast aber nicht du die Schuld, Kim. Er hat es dann übertrieben.» Ich verzog leicht das Gesicht. «Ich habe zu ihm gesagt, dass ich ihn nie wieder sehen will. Und jetzt ist er so.»

Linda sah kurz zu mir.

«Mach dir keine Sorgen.» Ich sah hinaus aus dem Fenster und hoffte, dass Adrian daheim lag. Wieder nüchtern wurde und wir darüber reden konnten. Stattdessen musste ich mitansehen, wie Adrian sich mit ein paar Jungs prügelte. Meine erste Reaktion war ein lautes Schreien, dass Linda fast aus der Bahn brachte. «Halt an, Linda!» Sie blieb sofort am Rand stehen und ich sprang aus dem Auto. «Hört auf, hört auf!», schrie ich die Typen an und stellte mich dazwischen. Linda kam auch herbei und schmiss einen Jungen zur Seite. «Verpisst euch!», schrie sie. Ich nahm Adrian in den Arm und half ihm ins Auto zu kommen. «Kim?» Ich wollte gerade die Tür zumachen, als Adrian meinen Namen sagte.

«Was ist, Adrian?», fragte ich.

«Es tut mir Leid»
Dann schlief er ein und Linda fuhr weiter. «Konntest du nicht einen normalen Freund finden?», fragte sie mich, als sie zu mir nach Hause fuhr. «Nein, ich musste unbedingt den Neuen haben», sagte ich gereizt. «Okay, passt schon. Wir sind hier.» Ich sah weg von Adrian und stieg aus. «Wie sollte ich das jetzt meiner Tante erklären?», fragte ich. «Hmm, wie wär es mit: ‚Hey, das ist Adrian. Er säuft seine Probleme lieber weg, anstatt richtig zu reden.‘ oder wie wär es mit ‚Tante, kann ich dir Adrian vorstellen? Leider, kann er jetzt nicht reden, da er zu viel gesoffen hat.‘»

Ich stieß Linda in die Seite.

«Du bist echt ein Arsch. Das ist nicht witzig, Linda.» Ich weckte Adrian auf. «Stütz dich bei mir und halt einfach den Mund.» Adrian sah mich verdutzt an, als wüsste er nicht so recht, wo er war und was ich damit zu tun hatte. Doch er nickte nur und er ging – mit meiner Stütze – zu mir ins Haus. «Geh zu meiner Tante und lenke sie ab», flüsterte ich zu Linda.

Sie nickte.

Ich brachte Adrian auf mein Zimmer, gab ihm einen Kübel, falls er sich übergeben musste und streichelte kurz seine Wange, ehe ich die Tür schloss. «Ruhe dich aus», flüsterte ich, doch er war schon längst wieder eingepennt.

«Hallo Tante.»

Meine Tante stand in ihrer Arbeitskleidung in der Küche und schnitt uns den Kuchen auf. «Hallo, Kim. Ich bin leider in wenigen Minuten weg. Wie war es?», fragte sie mich. «Gut. Bin ich braun geworden?» Tante betrachtete mich und nickte. «Ja. So hier eure Stücke. Ich muss jetzt gehen, Kim. Linda, war schön dich wieder zu sehen.» Linda und ich verabschiedeten uns und meine Tante ging. «Tut mir leid, dass ich zuerst so war», sagte Linda.

«Schon vergeben und vergessen.»

Wir aßen den Schokokuchen und gingen dann auf mein Zimmer. Adrian schlief, zusammengerollt wie ein Baby, und schien endlich seinen Rausch auszuschlafen. «Jetzt heißt es improvisieren, Linda. Leider kannst du nicht deine eigenen Sachen anziehen. Das Gute daran ist, dass wir gleich groß sind. Und so ziemlich gleich schlank.» Ich nahm einige Kleider, Röcke und Tops heraus und befahl ihr, sie alle anzuziehen. Schlussendlich entschieden wir uns für ein schwarzes Kleid, das fast bis zu den Knien ging und ihr atemberaubend gut stand. Ich machte ihr Locken und schminkte sie leicht. «Heute wird kein Kuss gegeben und kein Sex. Sex sowieso immer später», sagte ich zu Linda.

«Das weiß ich, Kim. Aber danke.» Ich nickte kurz. «Okay. Ich weiß, dass wir Mädchen oft reden. Versuche aber, ihn auch reden zu lassen. Und falls man irgendwo zahlen muss, suche deine Geldtasche. Wenn er zahlen will, ist das schon super und du kannst ihm zum Schluss einen Kuss auf die Wange geben.» Ich gab ihr noch weitere Tipps und um sechs musste sie gehen. «Wünsch mir Glück», sagte sie. Ich umarmte sie und wünschte ihr Glück. «Du wirst ihn umhauen», verabschiedete ich mich und sie fuhr mit einem Lächeln davon. Ich ging zurück ins Haus und sofort hoch in mein Zimmer. Ich lief zu Adrian und nahm seine Hand. «Du bist ein Idiot!», flüsterte ich und küsste kurz seine Wange. «Kimberly?» Adrian öffnete die Augen und sah hinunter zu seiner Hand, die ich hielt.

«Was ist?», fragte ich leise. «Es tut mir so leid.» Ich nickte. «Ich weiß, Adrian, ich weiß.» Er setzte sich auf und ich saß mich neben ihn. «Wie komme ich hierher? Oh Gott, sage mir bitte nicht, dass ich wie ein Idiot hier herumgebrüllt habe?» Ich musste lachen. «Nein, aber du hast dich wie ein Idiot mit ein paar Jungs geprügelt.» Adrian sah zur Seite.

«Ich hatte noch nie solche Schuldgefühle, Kim. Es tat mir unendlich leid. Du hast mir oft zu verstehen gegeben, dass du nichts von mir willst. Und ich will das jetzt akzeptieren.» Ich umarmte Adrian. «Danke, Adrian.» Adrian erwiderte die Umarmung. «Gehen wir eine Runde spazieren. Du musst einen klaren Kopf bekommen.»

Ich nahm Adrians Hand und ging mit ihm heraus. «Hat Mandy heute was gesagt?», fragte ich. «Nein, ich habe sie zum Schweigen gebracht. Das weißt du ja», sagte er. «Und wie? Du wolltest ja nicht herumknutschen», hakte ich nach. «Darüber brauchst du dir jetzt keine Sorgen mehr zu machen, Kim. Ich habe ihr angedroht, dass wenn sie etwas sagt, ich ihr Leben verändern werde. Und das nicht positiv! Sie wird still sein.»

Ich wollte wissen, was er genau getan hatte, damit sie still sein würde. Doch ich wollte ihn nicht zu etwas zwingen. Er wollte es mir nicht sagen und ich musste das akzeptieren. Also blieb ich leise und bekam mit, dass unsere Hände immer noch ineinander verschlungen waren. Ich sah schnell weg, damit Adrian nichts damit mitbekam, doch er sah mich fragend an.

«Soll ich sie los lassen?», fragte er.

«Nein heute nicht. Ich hatte Angst um dich. Als ich dich da herumtorkeln gesehen habe, hatte ich echt gedacht, dass ich dich nicht mehr zuhause besuchen brauche sondern ins Krankenhaus gehen kann.» Adrian lächelte mich schwach an. «Es tut mir leid, Kim. Ich wollte nicht, dass du Angst hast. Vor allem nicht wegen mir.» Ich sah Adrian an und drückte seine Hände fester.

«Entschuldige dich nicht immer. Lass es jetzt. Ich habe dir verziehen, obwohl ich auch schuld daran hatte.» Adrian blieb stehen.

«Du hattest keine Schuld. Du hast mir oft gesagt, dass ich es lassen sollte. Aber ich wollte unbedingt. Es ist nicht deine Schuld.» Ich ging weiter. «Warum? Warum wolltest du das unbedingt?», fragte ich flüsternd. «Weil ich wollte, Kim. Ich weiß nicht warum. Nein, sieh mich nicht so geschockt an. Ich bin nicht verliebt. Ich wollte nur wieder jemanden küssen, ihm nahe sein.» Ich stieß Adrian leicht. «Ich bin dir ja nahe. Wir sind Freunde, schon vergessen?»

Adrian grinste mich an.

«Du willst mich noch als Freund?»

Ich kicherte. «Unvorstellbar? Ja, aber ich will.» Adrian nahm mich in den Arm und wirbelte mich herum. «Danke, Kim!» Er küsste meine Stirn und sah mich dann geschockt an. «Das ist schon erlaubt. Solange du nur das tust, ist es mir egal.» Wir gingen in den Park und setzten uns auf eine Bank. «Wie lange habe ich geschlafen?», unterbrach Adrian die Stille. «Einige Stunden. Um halb vier waren wir bei mir und du hast bis sechs geschlafen.» Adrian rieb sich die Stirn. «Ich habe mich wie ein Vollidiot benommen», murmelte er. «Wir reden nicht mehr darüber. Es ist vergessen. Und du solltest es auch vergessen.» Ich deutete auf einen Schwan. «Hast du gewusst, dass sich Schwäne im Leben nur einmal binden? Sie finden einen anderen Schwan und bleiben dann für immer zusammen. Das ist doch faszinierend.» Adrian nickte. «Wird es ihnen da nicht zu langweilig?» Ich schüttelte den Kopf.

«Sie lieben sich.» Adrian zog eine Braue hoch. «Das ganze Leben lang? Das ist doch …. schrecklich», sagte Adrian.

«Ja schrecklich süß. Wir Menschen können das gewiss auch. Manche Menschen sind so ineinander verliebt, dass sie nichts trennen kann und bleiben dann für immer zusammen.» Adrian sah verwirrt zu den Schwänen. «Ich könnte das nicht» Ich seufzte. «Finde das richtige Mädchen und du wirst es können.» Danach ließen wir das Thema fallen und ich erzählte ihm von meiner Kindheit. Wie ich mit meiner Mum Kekse gebacken hatte oder wie wir im Kino waren.

Er wiederum erzählte mir von seiner schlimmsten Zeit in Südtirol.

«Das erste Halbjahr dieses Jahres habe ich fast immer nur geschwänzt. Ich hatte die falschen Freunde und wir gingen hinaus auf den Schulhof. Hinten in einer Ecke setzten wir uns hin und kifften uns voll. Tranken ein wenig Alkohol. Ich musste jede Woche nachsitzen mit meinen Freunden … und kein einziges Mal sind wir aufgetaucht. Er nahm meine Hand und strich geistesabwesend meinen Finger und zeichnete meine Innenseite nach. «Ich wusste keinen Ausweg mehr. Meine Eltern wollten sich scheiden lassen und ich bekam alles mit. Die Streitereien und dann noch der Schulstress. Und meine Freunde rieten mir, den Schmerz einfach zu ertränken oder mit einem Joint wegzublasen. Ich tat es – über ein ganzes halbes Jahr lang. Bis die Schulleitung die Nase voll von mir hatte. Sie schmissen mich raus und wir zogen um. Durch mein Benehmen fanden meine Eltern wieder zusammen.»

Ich sah Adrian geschockt an.

«Das muss eine schreckliche Zeit gewesen sein», flüsterte ich. Ich konnte es mir nicht vorstellen, wie Adrian ausgesehen haben musste.

Hätte ich ihn dort getroffen, was würde ich von ihm denken? Verabscheuung? «Ich weiß fast nichts mehr. Die ganzen Mädels, die ich flachgelegt habe sind nur mehr eine kleine Erinnerung. Ich weiß nicht, was ich zu dieser Zeit alles gemacht habe.»

Ich lächelte angewidert.

«Von deinen Mädcheneroberungen will ich nichts hören», sagte ich.

«Ich weiß noch als ich kurz vor dem Zeugnis – ich musste etliche Fünfer ausbessern – den Lehrer geschlagen hatte. Er mochte mich. Das werde ich wohl nie verstehen. Auf jeden Fall sagte er nicht, dass ich das war. Er hatte mich nicht verraten. Statt froh darüber zu sein, demolierte ich Schuleigentum und schrie irgendwelche Leute an. Ich musste aufs Polizeirevier und den ganzen Schaden bezahlen. Auch da hatte ich wieder Glück. Ich habe keinen Eintrag bekommen.»

Er beobachtete die Schwäne.

«Du könntest das gewiss», murmelte er und fuhr dann fort.

«An diesem Abend hatte ich den schlimmsten Rausch meines Lebens. Ich wusste nichts mehr. Gar nichts mehr von diesem Tag. Meine Freunde klärten mich später auf. Ich hatte ein paar Schlägereien angefangen und etliche Mädchen … naja du weißt schon. Den Tag darauf stritten meine Eltern wieder. Sie waren schon so weit, dass sie mich hineinbezogen. Sie stritten um mich und was aus mir geworden war. Sie gaben jeweils den anderen die Schuld. Auf meinem Zimmer rauchte ich einen Joint und war vollkommen weggetreten. Willst du das überhaupt hören?», fragte er mich.

Ich nickte. «Ja, Adrian.»

Ich lächelte ihn an und er redete weiter.

«Als das nächste Halbjahr anfing kam ich schon vollgekifft in die Klasse. Der erste Tag – und ich wurde schon suspendiert. Eine Woche lang. Irgendwie schaffte ich es jedoch bis April in die Schule zu gehen. Die Hälfte davon war ich zugedröhnt und habe geschwänzt. Ich habe mit Mädchen überall geschlafen. Und wurde dann zum Direktor geschickt, dem ich nur irgendwelche Schimpfwörter an den Kopf schmiss. Anfang April hatte ich mich selbst übertroffen.»

Er hielt kurz inne und sah sich um. Als er sich wieder zu mir drehte, verrieten seine Augen, dass er sich für diese Zeit hasste.

«Ich brach in die Schule ein. In der Schule haben wir ein Schwimmbad und ich feierte dort eine Party. Nackte Girls im Wasser, um mich herum wurde getrunken. Ich war in Partylaune, schmiss einige Möbel umher, beschädigte wieder das Schuleigentum. Wie ich schon sagte, ich hatte mich selbst übertroffen. Nicht nur was meine Pläne anging sondern auch mit Alkohol und Drogen. Diese Nacht hatte ich so viel von beidem intus, dass ich umfiel. Komasaufen. Ich war eine Woche in der Intensivstation. Als ich aufwachte sagten mir meine Eltern, dass ich eine Anzeige von der Schule bekommen hatte. Und ich wurde rausgeschmissen. Die Polizei verhaftete mich nicht wegen Drogenkonsum. Vielleicht wussten sie auch nichts davon. Meine Eltern redeten mit der Schule, hielt sie von der Anzeige ab. Sie taten es. Sie ließen die Anzeige fallen. Meine Eltern fanden zu sich und wir zogen um. Seit ich in Wien bin, halte ich mich von Drogen fern. Alkohol wird nur mehr in gewissen Mengen getrunken. Und heute trank ich schon wieder zu viel.»

Ich war sprachlos.

Adrian war ein drogensüchtiger und alkoholsüchtiger Junge gewesen. Und er kam wieder hoch. «Sag doch was», flüsterte Adrian und sah mich an. Ich sah ihn auch an, doch ich wusste nicht was sagen. «Ich weiß nicht was», sagte ich leise und umarmte Adrian. «Das tut auch gut», murmelte er. «Ich weiß nur, dass du ein starker Mann bist. Du bist ohne Hilfe wieder auf den richtigen Weg gekommen. Es waren schreckliche Dinge die du getan hast, aber all das hat dich zu mir geführt.»

Er streichelte meine Hände. «Das ist das schönste daran. Endlich habe ich richtige Freunde gefunden.» Wir standen auf. «Gehen wir wieder zurück», sagte ich und wir gingen nebeneinander zu mir nachhause. Zuhause angekommen aßen wir zu Abend und sahen uns im Fernsehen irgendeinen Film an. Ich wusste noch, dass wir nebeneinander in der Decke lagen und ich einschlief, ohne den Film fertig gesehen zu haben.

Kapitel 4 – Freitag, 12. April 2013

«Du bist also Adrian?», fragte meine Tante. Ich lag immer noch auf dem Sofa, meine Augen geschlossen. «Ja.»

Ich tastete das Sofa ab, doch Adrian lag nicht neben mir. «Und was machst du hier? Warum hast du neben Kim geschlafen?» Tante Maddys Stimme war laut und zornig. «Ich … wir haben uns vertragen. Wir haben einen Film gesehen und …wir mussten beide eingeschlafen sein», stotterte Adrian. «Ich glaube du solltest deine Finger von ihr lassen!»

Meine Tante ging umher … oder war es Adrian?

«Ich mag ihre Nichte. Sie ist ein nettes Mädchen», sagte Adrian und klang nun selbstbewusster. «Ja, sie ist ein nettes Mädchen. Das kann man von dir aber nicht behaupten. Du bringst sie in Schwierigkeiten. Und ich weiß, dass du früher zu viel Alkohol getrunken hast. Vielleicht sogar Drogen?»

Wieder waren Schritte zu hören.

«Ich trinke nicht mehr. Und von Drogen halte ich mich fern. Ich werde Kim nichts antun. Wir sind Freunde. Und ich glaube, dass sie Freundschaft gerade nötig hat. Oder wollen Sie, dass Kim wieder niemanden hat?», fragte Adrian.

«Doch das will ich und ich wünsche es ihr. Aber nicht dich. Du bist nicht gut für sie. Du bringst nur schlechtes in ihr Leben.» Je mehr ich von diesem Gespräch lauschte, je mehr wurde mir bewusst, dass sie Adrian verscheuchen würde. «Was wissen Sie schon über mich?!» Adrians Stimme wurde eine Spur lauter. Ich öffnete meine Augen.

Adrian stand ein paar Zentimeter von mir entfernt. Meine Tante hatte ihm den Rücken zugedreht und ging aus dem Wohnzimmer. «Du solltest gehen. Und das ist keine Bitte!» Adrian bückte sich und zog seine Schuhe an. Ehe er nur einen Schritt ging, hielt ich seine Hand fest. «Bleib hier», murmelte ich. «Deine Tante will das nicht», sagte Adrian.

«Aber ich.»

Und das genügte und Adrian setzte sich zu mir. «Guten Morgen.» Er küsste meine Stirn. «Morgen. Wie spät ist es denn?», fragte ich. «Zeit zum Aufstehen, Kim.» Er zog meine Decke weg und legte sie zusammen. «Was macht er noch hier?!» Meine Tante stürmte ins Wohnzimmer und funkelte Adrian an. «Ich will das er hier bleibt, Tante. Wir haben alles beredet und wir sind Freunde.» Meine Tante sah Adrian skeptisch an.

«Und ich dachte, er würde nur lügen. Hast du eine Ahnung, was der Junge alles in Südtirol angestellt hat?» Ich sah sie fragend an. «Woher weißt du davon?», fragte ich.

«Meine Freundin ist Polizistin und sie hat es mir erzählt. Er hat getrunken. Nicht nur eine Menge sondern wie ein Verrückter.» Ich nickte. «Das weiß ich schon, Tante. Aber er ist jetzt hier … und es ist Vergangenheit.» Tante nickte müde.

«Ich hoffe, du weißt, was du da machst. Ich gehe ins Bett», murmelte sie und schon war sie weg. «Deine Tante hasst mich», sagte Adrian, als wir in die Küche gingen. «Nein. Sie mag dich.» Er zog eine Braue hoch. «Das ist aber eine nette Art es zu zeigen.» Ich zuckte mit den Schultern. «Okay, sie mag dich nicht. Aber mit der Zeit wird sie dich genauso mögen wie ich dich. Kuchen?» Adrian nickte. «Und einen Kaffee, bitte», sagte Adrian. «Du kannst schon den Kaffee machen.» Adrian ging zu mir und grinste. «Ich habe noch nie einen Kaffee gemacht.»

Ich lachte. «Sag mir, dass das ein Witz war.» Doch Adrian schüttelte den Kopf. «Setz dich, ich mache schon, verwöhnter Adrian.» Adrian zog eine Braue hoch. «Ich bin doch nicht verwöhnt», sagte er mit gespielter Einbildung.

«Überhaupt nicht. Wie kommst du nur darauf, dass du verwöhnt bist. Du kannst keinen Kaffee machen, wahrscheinlich weißt du nicht mal, wo du Wäsche wäschst?» Adrian lachte «Ich würde sagen, dass das die Waschmaschine erledigt?» Adrian grinste mich an. «Glück. Das war nur Glück.» Er zuckte lachend mit den Schultern.

Ich stellte ihm den Kuchen hin und machte den Kaffee. «Bei unserer Kaffeemaschine – das ist das Gerät, das den Kaffee macht – musst du nur auf den Einschaltknopf drücken und dann auf die volle Tasse. Und schon kommt der Kaffee. Da steht sogar darunter Verlängerter. Hier ist ein Café Lungo, ein Espresso und hier sind spezielle Getränke, wie zum Beispiel heiße Milch, heißes Wasser, Latte Macchiato oder Tee.» Ich drehte mich mit der Tasse zu Adrian um. «Eine Tasse Kaffee. Was für ein Wunder.» Ich kicherte und Adrian sah mich belustigt an.

«Mache dich ruhig lustig über mich. Eines Tages werde ich über dich lachen.» Ich grinste und machte mir auch einen Kaffee. Dann aßen wir unseren Kuchen, tranken den Kaffee und machten uns für den heutigen Tag fertig. «Ich habe jetzt schon seit zwei Tagen in der Schule gefehlt. Ich habe weder eine Ahnung was wir im Unterricht durchmachen noch habe ich eine plausible Erklärung für mein Fehlen», sagte ich zu Adrian und zog meine Converser an.

«Außerdem muss ich für die Prüfung nächste Woche lernen. Es ist alles so schrecklich anstrengend», redete ich weiter und band meine Haare zu einem straffen Pferdeschwanz. «Ich muss alle Vokabeln auf Französisch, Italienisch und Englisch kennen. Auf allen drei Sprachen eine Übersetzung irgendwelcher schwierigen Sätze machen und dann noch ein auf Deutsch vorgegebenes Gespräch auf allen Sprachen niederschreiben. Und all das muss ich können. Bis nächste Woche.» Adrian sah mich mitleidig an. «Und warum musst du das alles können?», fragte er mich.

«Austauschprogramm. Unsere Schule ist sehr streng damit. Ich brauche mindestens eine zwei. Schlechter – und ich darf nicht teilnehmen. Und ich will unbedingt. Ich will weg von Wien.» Ich öffnete die Tür. «Und warum musst du alle drei Sprachen lernen?» Ich stöhnte. «Weil dieses Jahr drei Länder angeboten werden.» Ich strahlte Adrian an. «Italien, England oder Frankreich. Also muss ich diese Prüfung machen und wenn ich bei allen drei bestehe, kann ich mir ein Land aussuchen. Das muss jeder der Oberstufe. Die unteren können nicht teilnehmen, da sie nur zwei Sprachen lernen. Und wir dürfen, da wir die dritte schon gelernt haben.» Ich seufzte.

«Und ich brauche das. Ich muss eine Weile weg von Wien kommen. Ich fühle mich hier immer so eingeengt. Alles ist furchtbar laut. Ich werde mich wohl nie an das gewöhnen können…», fügte ich hinzu. Adrian blieb stehen. «Glaubst du, kann ich diese Prüfung ebenfalls machen?» Auch ich blieb stehen und musterte Adrian. «Warum willst du diese Prüfung machen?», hakte ich nach. «Warum nicht? Ich war noch nie in Frankreich oder England. Und wenn ich dann mit dir dorthin fliege ist es doch super.» Ich musste Adrian angrinsen.

«In der Tat wäre es cool. Aber das Austauschprogramm findet zwei Wochen nach unseren zweiwöchigen Ferien statt. Am 26. April beginnen die Ferien. Schule fängt wieder am 13. Mai statt. Anfang Juni, soweit ich weiß, ist das Austauschprogramm. Und sie werden zwei Wochen gehen. Zwei Wochen, wo man die Sprache des Landes besser lernen wird. Wo man die Sitte und Bräuche lernt. Aber man wird auch an manchen Tagen Spaß haben. Es sollte eine großartige Erfahrung werden. Und nach den zwei Wochen bekommt jeder der dort war ein Zeugnis, das gut für die weitere Zukunft ist.»

Ich grinste Adrian an und stieg dann in die Straßenbahn ein, die ausnahmsweise eine Minute zu Früh war. «Wo würdest du am liebsten hinfahren?», fragte Adrian mich. «England oder Italien. Frankreich gefällt mir auch, doch da fahre ich irgendwann mal mit meinem Freund hin.» Adrian lachte. «Du hast keinen…» Ich lachte auch. «Deswegen auch das Wort irgendwann!»

Zu unserem Bedauern war die Straßenbahn noch überfüllter wie sonst und ich musste eng an einem Mädchen stehen und an Adrian, der auch eng an irgendwelchem alten Sack stand. «Nächstes Mal sollte uns mein Chauffeur in die Schule fahren. Oder ich fahre selbst.» Ich beugte mich zu Adrian. «Du hast dein eigenes Auto?», fragte ich.

«Ja klar. Ich bin achtzehn, schon vergessen?»

Ich schüttelte den Kopf.

«Nein, ich dachte nur, dass du … naja dafür keine Zeit hattest, nachdem du mir das alles erzählt hast. Und ich dachte, dass du dich nur herumkutschieren lassen würdest.» Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern. «Falsch gedacht, meine Liebe. Ich besitze ein Auto.» Ich konnte mir kaum vorstellen, wie Adrian selbst ein Auto fuhr. «Und welches, lieber Adrian?», hakte ich nach.

«Einen Ferrari. Meine Eltern sind schon jahrelange Kunden von Ferrari und zum achtzehnten Geburtstag haben sie mir den neuesten gekauft.» Ich sah Adrian erstaunt an. «Einen Ferrari? Enzo?», fragte ich. Soviel ich wusste, war der Ferrari Enzo einer der besten Ferraris. «Nein, der wurde schon erlöst. Den LaFerrari. Hybridantrieb und über 950 PS.» Ich konnte nur staunen. Ich wusste, dass Ferraris teuer waren. Der letzte kostete doch schon über 600 Tausend.

«Wie viel?», fragte ich. «Eine Menge. Das Doppelte als der Enzo.» Mein Mund klappte auf. Was für ein teures Geschenk. Über eine Millionen Euro. «Ach du heilige Scheiße», flüsterte ich und war froh, als die Straßenbahn hielt und wir endlich aussteigen konnten. «Das ist für meine Eltern nichts. Mein Dad wird nächste Woche wieder auf Geschäftsreisen sein und meine Mum hat hier einen neuen Job als Staatsanwältin. Die beiden verdienen unglaublich viel und diesen Wagen hätten sie noch 100 Mal kaufen können.» Verdammte scheiße, verdammte scheiße, verdammte scheiße.

Wie hatte ich mich nur mit ihm befreunden können? Der war reicher als Heinz Fischer. Mein Kopf schwirrte und ich musste mich an Adrian festhalten, damit ich nicht umfiel. Was hatte ich nur gemacht? Ich würde ihm nie etwas kaufen können, da er so scheiße reich war! Sogar mein zuhause müsste ein Drecksloch gegenüber seiner Villa sein. Verdammt!

«Kim, was ist los?» Adrian beugte sich zu mir und betrachtete mich. «Ich glaub, ich muss kotzen», flüsterte ich. «Jetzt?» Ich funkelte Adrian an.

«Nein, erst morgen.» Adrian lächelte leicht.

«Ich bringe dich zu den Toiletten.» Als wir vor den Klos waren und ich ins Mädchenklo ging, verebbte das Gefühl langsam. Dennoch wartete ich einige Minuten und ging dann hinaus zu Adrian. «Doch nicht?»

«Doch nicht», wiederholte ich Adrians Worte.

«Vielleicht hast du heute zu schnell deinen Kuchen gegessen?», fragte Adrian mit einem Feixen im Gesicht. «Nein, gewiss nicht. Vielleicht war es auch nur die Erkenntnis, dass ich mit einem reichen Schnösel befreundet bin.» Adrian blieb stehen. «Ich bin nicht reich. Nur meine Eltern. Das Geld gehört nicht mir.» Ich nickte nur. «Ist egal. Mir ist es egal ob du reicher als Fischer bist oder ärmer, als eine kleine Maus. Ich mag dich.» Adrian lachte. «Reicher als Fischer, hm?»

Ich stieß Adrian in die Seite. «Das ist nicht witzig. Ich hatte mal ein Referat über Fischer und der verdient im Jahr über 300 Tausend Euro. Und deine Familie schenkt dir ein eine Millionen Auto.» Adrian legte einen Arm um meine Schultern.

«Ich sollte den Präsidenten Mal zu einem Kaffee zu mir einladen. Vielleicht werden wir eine Diskussion über unser Geld machen. Wer hat mehr, wer will mehr. Wird gewiss lustig.» Ich zwickte Adrian in den Arm. «Das ist nicht witzig», tadelte ich ihn. «Ein wenig doch», sagte er. «Okay. Ein wenig.» Ich schüttelte lachend den Kopf und schon klingelte es zur Stunde. «Ich habe es ernst gemeint, Kim. Ich will mit dir zu einer dieser drei Länder fliegen. Ich werde beim Austauschprogramm mitmachen. Und wir werden gemeinsam jede Minute des Tages lernen.» Meine Antwort war ein breites Grinsen und eine dicke Umarmung.

 

 

****

«Wir werden uns sofort bei Ihnen melden, wenn die Bestellung bei uns ankommt. Übersetzen. Auf allen drei Sprachen!» Adrian und ich lagen im Gras. Anstatt die große Pause in der Cafeteria zu verbringen, übersetzten wir Sätze. Adrian sagte den Satz auf Englisch, Französisch und Italienisch. «Vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne machen wir Ihnen ein Angebot», sagte Adrian und nun übersetzte ich den Satz. «Ich wünschte ich würde tot umfallen», sagte ich und Adrian lachte. «Das werde ich aber nicht übersetzen.» Ich musste kichern.

«Schade, wäre sicher witzig gewesen. I wish i could be dead. Hm, klingt nicht sonderlich höflich. May I could be dead?» Adrian lachte. «Yes, you can. But I will be sad.» Ich kicherte. «Really? I think, that you will make a party.» Adrian sah mich entrüstend an.

«Never, darling.»

Nun musste ich laut auflachen. Darling, klang bei Adrian so klasse und fehl am Platz. «Du bist blöd. Und sage nie wieder darling zu mir. Das klingt beschissen.» Adrian grinste mich an. «Wirklich? Klingt das so scheußlich, darling?» Ich stieß ihn in die Seite.

«Ja, das tut es. Und es bringt mich zum Lachen», sagte ich kichernd. «Okay, honey-bunny. Dann werde ich es lassen.»

Wieder fing ich an zu lachen.

«Hör auf mit den Kosenamen. Die klingen so … komisch.» Ich beruhigte mich und fing dann wieder an zu lachen. Seine Stimme schallte immer noch in meinen Ohren. Adrian sah mich fragend an, doch ich konnte nicht anders, als zu lachen. «Du Idiot!», schrie ich zwischen zwei Atemzügen, ehe ich erneut einen Lachkrampf bekam. Adrian lachte mit mir und nach einer Ewigkeit hatten wir uns wieder in den Griff. «Alles in Ordnung?», fragte er mich.

«Ja, bei dir?» Er nickte.

«Gut, dann widmen wir uns wieder dem Ernst des Lebens. Übersetzen der Sätze in drei Sprachen. Fangen wir an!» Ich kicherte wieder. «Ernst des Lebens? Wirklich?» Adrian nickte. «Natürlich. Wir wollen verreisen, oder?» Ich wollte echt versuchen nicht zu lachen, aber ich schaffte es nicht. Wir würden nicht richtig verreisen, wir würden mit einem anderen Schüler tauschen. Auch Adrian schien seine Bemerkung lustig zu finden, den er lachte mit mir mit.

«Wenn du jetzt nicht aufhörst mich zum Lachen zu bringen, dann gehe ich!», sagte ich lachend. Adrian nickte. «Ernst des Lebens wir kommen.» Ich sah ihn kurz wütend an. «Ich meine Vokabeln, Sätze. Wir freuen uns euch zu übersetzen.» Ich kicherte. «Idiot!», sagte ich. «Danke, ich fühle mich geschmeichelt.» Es klingelte wieder zur Stunde und wir gingen wieder hinein. «Mathe wir kommen. Leider», flüsterte ich und Adrian stimmte mir zu. «Ich freue mich ja so riesig.» Sein Sarkasmus war mit Händen zu greifen.

 

 

****

«Das war doch ein super Nachmittag, oder?» Adrian legte einen Arm um mich und sah mich fragend an. Es war gerade vier Uhr und wir beide gingen gerade zur Straßenbahn. Es war schon unfair, dass wir ausgerechnet an einem Freitag nachsitzen mussten. Wir hatten normalerweise bis 12.45 Uhr Schule und wären schon längst zuhause. Ich würde jetzt in meinem Zimmer auf dem Bett hocken und meine Nägel lackieren. Für die Party. «Scheiße!» Plötzlich wurde es mir klar.

Die Party. Eine Geburtstagsparty … und ich hatte kein Geschenk. «Ich muss ins Einkaufszentrum gehen. Ich muss Linda was kaufen!» Ich umarmte Adrian schnell. «Ich helfe dir beim Suchen», sagte Adrian kurzerhand und wir gingen rasch ins Einkaufszentrum. «Was will sie denn gerne?», fragte er mich. Ich sah ihn an. «Wenn ich das wüsste, würde ich nicht wie eine Irre ein Geschenk suchen!», fauchte ich und Adrian blieb still. Ich suchte nach Kleidung, ließ es aber sofort, als ich nicht wusste welche Größe sie hatte. Ich suchte nach Schuhen ließ es aber, als alles nur Mist war und ich auch hier nicht ihre Größe wusste. Adrian hatte dann die entzündende Idee.

«Schmuck? Jedes Mädchen liebt Schmuck. Oder kaufe ihr eine tolle CD?» Ich blieb augenblicklich stehen und drückte Adrian an mich. «Genial. Super, schlauer Adrian!» Also kaufte ich ihr zwei wunderschöne Ohrringe, eine Halskette und ein Armband. Da ich wusste, dass Linda unbedingt die neue Bravo Hits wollte, kaufte ich auch noch die.

«Und jetzt muss ich mich endlich fertigmachen. Um halb sieben holt mich Linda ab!» Wir gingen auf den schnellsten Weg zurück. Stiegen in die Straßenbahn ein und setzten uns auf einen Platz. «Willst du mitkommen? Linda hat sicher nichts dagegen», fragte ich schließlich.

«Warum nicht? Wir sicher toll.»

Adrian lächelte mich an und ich sah in seinen Augen, dass er sich tatsächlich zu freuen schien. «Um sechs bei mir», sagte ich zu Adrian, als wir ausstiegen und er in eine andere Richtung ging. «Bis sechs, Kim.» Wir lächelten uns beide an, dann gingen wir. Ich rannte nachhause, verfluchte die Schule, weil ich nur mehr eine Stunde Zeit hatte, um mich fertig zu machen.

Ich hatte Tante Maddy geschrieben, dass ich heute erst am Abend kam, da ich nachhocken musste und sie nichts kochen brauchte. Hastig suchte ich meinen Schlüssel, öffnete die Tür und lief ins Zimmer. Schmiss Tasche und Schuhe in eine Ecke und ging sofort unter die Dusche.

Frisch geduscht und geföhnt, zog ich mir BH und Höschen an, schminkte mich und machte mir eilig Locken. Ich schrieb Linda, ob ich Adrian mitnehmen konnte und sie schrieb sofort zurück, dass ich ihn mitnehmen konnte und ob wir uns wieder vertragen hatten. Um sechs klingelte es und ich ging hinunter. Ich öffnete Adrian die Tür, der mit den schwarzen Hosen und dem weißem Hemd zum Sterben sexy war. «Gehst du heute so? Sehr sexy.»

Ich sah an mir hinunter und lief rot an.

Ich hatte vergessen das Kleid anzuziehen. «Du siehst mich öfters so als mir lieb ist», murmelte ich und wir gingen hoch. Während Adrian meine hinteren Haare lockte, schminkte ich mich ein wenig stärker und lackierte meine Finger. Dann nahm ich das Kleid vom Kleiderständer und zog es mir an. Es war das türkise, dass ein wenig zu kurz war, aber höllisch heiß an mir aussah. Dazu zog ich schwarze Pumps an und überprüfte nochmals Make-Up und Frisur.

«Das türkise? Gefällt mir.»

Ich schenkte Adrian ein Lächeln und drehte mich einmal. «Wie sehe ich aus?», fragte ich. «Heiß und scharf», antwortete mir Adrian und es klingelte. «Bist du bereit?» Ich nickte, nahm meine kleine schwarze Tasche, das Geschenk und hakte mich bei Adrian unter. «Was hast du da eigentlich?», fragte ich. «Ein paar Gutscheine und eine Pralinenschachtel.» Adrian zuckte mit den Schultern. «Ich konnte kaum ohne Geschenk auf die Party gehen, oder? Vor allem wenn sie weiß wie reich ich bin.»

Ich grinste und öffnete die Tür. Draußen stand in einem kurzen, blauen Kleid und schwarzen High-Heels Linda vor uns. Ich umarmte sie und wir begrüßten uns. Die Fahrt dauerte wegen dem Verkehr fast eine Dreiviertelstunde. «Du hättest mir sagen können, dass so ein Stau ist. Dann wäre Adrian gefahren.» Linda zuckte mit den Schultern. «Das passt schon. Die Party fängt erst um halb acht an. Und wir haben noch eine Viertelstunde. Aussteigen bitte.»

Wir stiegen aus und gingen zum Haus.

«Wir sind ganz alleine. Meine Eltern sind seit gestern im Urlaub.» Sie bereitete die Musik her, füllte Schüsseln mit Punsch, Boule, Chips und anderem Knabberzeug. «Alkohol haben wir im Überfluss. Wo ist Adrian?» Ich sah mich um, fand jedoch keinen Adrian. «Adrian? Adrian!», schrie ich und sah mich wieder um. «Was ist? Ich bin draußen und schau mich um. Schöne Gegend», sagte Adrian und ging wieder hinein. «

Du hast eine geraucht», sagte ich und er nickte entschuldigend. «Du solltest damit aufhören…», sagte ich und strich sein Hemd glatt. «Ich sollte viel tun, Kim.»

Ich stöhnte.

«Themawechsel. Linda, hast du eventuell ein Brot oder so da? Ich habe noch nichts gegessen und ich will nicht auf leerem Magen Alkohol trinken.» Linda brachte mir ein Brot mit Paprikawurst und ich bedankte mich. Eine Viertelstunde später kamen die ersten Gäste. Ich kannte zwar keinen von ihnen, aber Linda war so nett und stellte uns vor. Alle Mädchen sahen Adrian entzückt an. Was hatte ich nur gemacht?

Ich ließ Adrian mit der Schar von Mädchen alleine und suchte Linda. Sie stand neben drei heiße Jungs und einem Mädchen, dass die rotesten Haare der Welt hatte. Für mich schien es auf jeden Fall so. Auch hier stellte mich Linda wieder vor.

«Kim, das sind Valentin, Richard, Sandro und Manuela.»

Ich begrüßte alle und schenkte ihnen ein Lächeln. Wie es schien war Sandro und Manuela ein Paar. Sie tauschten heiße Blicke und Küsse. «Hier wird es ja ziemlich heiß», flüsterte ich und die anderen gaben mir Recht. Also gingen wir weiter, setzten uns auf eine Couch und aßen Chips und tranken Wodka mit Redbull. In einer Ecke lagen die ganzen Geschenke, die Linda im Laufe des Abends öffnen würde. Bei jedem Geschenk stand der Name darauf, damit niemand im besoffenen Zustand das falsche Geschenk sagt.

«Und du gehst noch zur Schule?», fragte mich Richard. «Ja, ich gehe auf die Theodor Kramer Schule. Mein letztes Jahr. Was arbeitest du?», fragte ich Richard.

«Ich bin Elektriker», sagte er.

«Wenn ich also einen Elektriker brauche, kann ich dich anrufen?» Hier war ich wieder, Kim, die mit Jungs flirten konnte. «Jederzeit gerne», sagte Richard grinsend. «Welchen Schwerpunkt hast du genommen?», fragte Valentin.

«Sprachen. Naturwissenschaft war nichts für mich» Valentin lächelte. «Auf diese Schule bin ich auch gegangen und ich habe auch Sprachen genommen. Französisch und spanisch. Welche Sprachen hast du?», hakte Valentin weiter nach. «Französisch und Italienisch. Ich war fasziniert von dieser Sprache. Latein war mir zu alt. Und Spanisch hätte ich am liebsten auch noch dazu genommen. Aber wenn ich mit der Schule fertig bin, werde ich einen Spanischkurs belegen», antwortete ich. «Ich könnte dir gerne Spanisch beibringen?»

«Echt? Das wäre ja klasse. Ich würde mich freuen.» Ich grinste Valentin an und sah zu Linda, die sich eifrig mit Richard unterhielt. «Kim? Gehst du raus mit mir eine Rauchen?» Adrian stand vor mir und grinste mich an, Valentin nickte er kurz zu.

«Klar, ich komme gleich wieder», sagte ich zu Valentin. «Ich warte», war seine Antwort. Ich stand auf und ging mit Adrian raus. «Ich hatte gerade einen heißen Jungen an der Angel!» Adrian drehte sich um und sah Valentin an. «Versprich mir, dass du heute noch mit mir tanzen wirst?» Verwirrt sah ich Adrian an. «Okay, ich werde mit dir tanzen. Und warum musste ich mitgehen?», fragte ich. «Ich wollte nicht so alleine rumstehen.» Ich lachte auf. «Spätestens eine Sekunde lang, oder? Dann wäre doch schon die ganze Mädchenschar gekommen.» Adrian zuckte mit den Schultern. «Die Hälfte davon ist so heiß wie eine verschrumpelte Kartoffel.» Ich verzog das Gesicht.

«Sehr appetitlich.»

Ich verscheuchte das Bild von der Kartoffel, die schon anfing zu schimmeln und völlig verschrumpelt war. «Willst du, dass ich mehr Zeit mit dir verbringe?», hakte ich nach. Er müsste nur ja sagen und ich tat es. Ich hatte ihn mitgenommen und so musste ich auch bei ihm sein. «Nicht immer. Aber ich muss nicht immer, die ganzen Hühner um mich haben. Das nervt langsam.» Ich stieß Adrian leicht, als er wieder den Rauch zu mir blies. «Okay. Wenn es dir zu viel wird, kommst du zu mir und ich werde mich um dich kümmern», flüsterte ich und ging zur Seite, als zwei Männer an mir vorbeisprangen. Sie rangen miteinander und lachten. «Das gefällt mir. Komm gehen wir wieder rein. Ich habe gerade jemand heißes gesichtet.»

Er ließ mich alleine und ich ging zu Valentin, Richard und Linda zurück. Valentin strahlte als ich wieder kam und ich erwiderte es.

«Ich dachte schon, dein Freund nimmt dich jetzt ganz in Beschlag.»

Ich lachte.

«Er ist nicht mein Freund. Wir sind Freunde. Ich habe ihn mitgenommen, deswegen kann ich ihn nicht völlig sich selbst überlassen», sagte ich. Diesmal lachte Valentin. «Könntest du ruhig, er scheint sich zu amüsieren.» Ich sah in die Richtung, in die auch Valentin sah und lächelte gezwungen. «Ja, er scheint es sich richtig gut gehen zu lassen!», sagte ich mit zusammengekniffenen Zähnen. Er wollte, dass ich weg von Valentin kam und Zeit mit ihm verbrachte und er saß auf der anderen Couch, zwei Girls um sich, die ihn küssten. «Das scheint dir nicht zu gefallen», sagte Valentin und ich sah zu ihm. «Nein. Also es ist mir egal. Er kann mit jedem hier rummachen. Nur nicht mit zwei auf einmal.»

Ich verzog angewidert das Gesicht und widmete mich Valentin. «Ich habe Durst. Ich hole mir schnell was. Oder gehen wir lieber tanzen?», fragte ich. Valentin stand auf und legte einen Arm um mich. «Ich finde, dass tanzen genau das richtige jetzt ist.» Er drehte mich und zog mich dann ganz nah zu sich. Ich grinste Valentin an. «Komm mit.»

Ich zog ihn auf die Tanzfläche, erhaschte kurz Adrians saures Gesicht und fing an mit Valentin zu tanzen. Und wie er tanzen konnte. Er schwang mich herum, drehte mich und wirbelte mich herum. Wir tanzten eng beieinander, tanzten richtig heiß miteinander. Wir tanzten Lieder durch und ich genoss jeden einzelnen Tanz. «Kann ich ablösen?»

Plötzlich stand Adrian vor uns und Valentin nickte bloß. Adrian nahm meine Hand und falls ich dachte, dass Valentin super tanzte, tanzte Adrian wie ein Gott. «Was sollte das?», fragte ich, als ich mich mit den Rücken zu Adrians Bauch lehnte und mich hinuntergleiten ließ und wieder hinaufging. «Was sollte was?», fragte er nach und drehte mich.

«Du weißt genau was ich meine!» Ich tanzte um Adrian herum und ich sah, dass er grinste. «Ich war eifersüchtig. Das war alles.» Ich blieb abrupt stehen und starrte ihn an. Hatte er das jetzt ernst gemeint? Adrian nahm meine Hand und zog mich näher zu sich. «Du brauchst nicht eifersüchtig sein. Ich brauche keinen zweiten Freund. Ich brauche nur einen richtigen Freund», sagte ich grinsend. Adrians Augen wurden zu Schlitze. «Aber mich hast du nicht rangelassen?» Ich stellte mich wieder mit dem Rücken zu ihm und er legte einen Arm um meinen Bauch. «Lass es Adrian», flüsterte ich. «Nein! Das lasse ich nicht. Warum wolltest du nicht, dass ich derjenige bin?»

Seine Stimme klang sauer.
Ich befreite mich aus seinem Griff und funkelte ihn an. «Warum? Das fragst du wirklich? Du wolltest keine Beziehung, du wolltest mich nur flachlegen! Und das werde ich nicht zu lassen!» Ich ließ Adrian alleine stehen und ging zurück zu Linda, die jetzt schon auf Richards Schoß saß. Dann suchte ich nach Valentin, der an einer Mauer lehnte und Adrian ansah. Ich deutete Valentin zu mir zu kommen und er kam sofort. «Was war denn jetzt los?», fragte er.

«Er hat einen Vogel bekommen. Du musst mich jetzt ablenken. Egal wie, aber mache es bitte», sagte ich lächelnd. «Ich hätte ein paar Möglichkeiten. Ich quatsche dich voll bis du einschläfst, ich gebe dir eine Schlaftablette, damit du sofort einschläfst und mein Gequatsche nicht hören musst oder ich werde dich küssen. Ganz ehrlich, ich würde die ersten zwei nicht in Erwägung ziehen.» Ich musste kichern. Valentin war nett, heiß und süß. «Dann nehme ich das dritte. Das klingt doch richtig vielversprechend.» Valentin grinste mich an und beugte sich zu mir.

«Das finde ich auch, Kim», flüsterte er und fing an mich zu küssen. Ich erwiderte den Kuss und legte meine Hände um ihn und rückte noch näher zu ihm. Valentins Hände berührten inzwischen meine Hände, meinen Rücken und fuhren durch meine Haare. Was mit Adrian war, war mir völlig egal. Ich genoss den Augenblick, das Gefühl, das Valentin in mir weckte. Es war ein leichtes Glücksgefühl und ich wollte, dass er mich immer küssen würde. Immer und überall. Ich legte mich aufs Sofa und Valentin lag sich auf mich. Wir tauschten kleine, süße, heiße Küsse, bis Linda uns unterbrach. «Ich mache meine Geschenke auf, Kim. Valentin, ich wusste gar nicht, dass du so stürmisch bist und schon nach dem ersten Treffen mit dem Knutschen beginnst?» Valentin lächelte sie an.

«Das mache ich auch nicht. Aber Kim ist auch nicht irgendein normales Mädchen.» Ich grinste Valentin an und nahm seine Hand. Dann küsste ich ihn nochmals. Linda setzte sich auf einen Stuhl und öffnete ein Geschenk nach dem anderen. Sie strahlte bei jedem Geschenk und sprang den anderen an. Auch Adrian drückte sie an sich. Er hatte ihr einen dreihundert Euro Gutschein für Dolce und Gabbana gegeben und eine Schachtel teure Pralinen.

«Kim! Danke, danke, danke. Ich hab sie endlich!» Sie umarmte mich und drückte mich noch zehn Minuten lang, ehe sie weitermachte. «Kommst du nächsten Samstag mit ins ‚La Stella‘? Wir feiern Timothys Geburtstag.» Valentin deutete auf einen anderen heißen Typen. «Willst du, dass ich komme?», fragte ich ihn. Valentin lächelte und nickte. «Ja ich würde mich freuen», sagte er leise. Ich grinste und warf einen Blick zu Adrian, der uns nur mit Hassblicken ansah.

«Dann werde ich auf jeden Fall kommen.»

Ich stellte mich auf die Zehenspitze und küsste Valentin kurz, während Linda erneut aufschrie. Um zwölf wurde erst richtig gefeiert. Linda, Richard, Valentin und ich tanzten zu viert und erzählten irgendwelche Dinge aus der Vergangenheit. Als die Jungs uns ein Getränk brachten, beugte sie sich zu mir und flüsterte in mein Ohr: «Richard ist der Typ von gestern. Er ist doch unglaublich heiß, oder? Wo wir gerade beim Thema heiß sind, Valentin ist das auch, hm? Du scheinst es ihm völlig angetan zu haben. Er ist total verrückt nach dir. Und Adrian schaut manchmal zornig zu euch herüber. Und jetzt schon wieder!»

Ich drehte mich automatisch und tatsächlich sah er zu uns.

Er lächelte kurz und hob sein Glas. «Ich komme gleich. Ich will nur herausfinden, wie viel Gläser er schon hatte.» Ich stand auf und ging zu Adrian. «Amüsierst du dich?», fragte ich und lächelte Adrian leicht an. «Ja. Wird das was Ernstes zwischen euch?»

Ich zuckte mit den Schultern.

«Ich kenne ihn kaum. Wer ist denn das?», fragte ich und deutete auf das Mädchen neben ihn. «Das ist Jojo. Das Mädchen, das ich heute flachlegen werde.» Er grinste mich an und ich grinste zurück. «Da ist er wieder, Adrian, der Flachleger.» Ich stieß ihn kurz. «Viel Spaß», flüsterte ich in sein Ohr und ging wieder. «Dir auch, Kim, dir auch», schrie er mir nach. Adrian war wieder der alte und ich war froh darüber. Ich wusste nicht was er wollte. Und jetzt war er wieder der alte. Ich setzte mich auf Valentins Schoß und nahm das Getränk. «Vielen Dank.»

Ich beugte mich und küsste seinen Hals und fuhr mit meiner freien Hand unter sein Shirt, wo ich seine Bauchmuskeln und seine Brust berührte. Valentin streichelte meinen Rücken und seine Lippen suchten die meinen. Es kam mir vor, als würden wir die ganze Nacht feiern, bis in den Morgenstunden. Ich tanzte so viel mit Valentin, gelegentlich mit Linda. Vor allem aber hatte jeder Spaß. Ich wollte normalerweise um drei wieder nachhause fahren, doch als ich zufällig hinaus sah, sah ich schon die ersten Sonnenstrahlen. Und ich sah auch, dass die Hälfte nicht mehr da war. Adrian war unter ihnen. Linda saß in einer Ecke, Richard neben ihr, der ihr die Zunge in den Hals steckte.

Irgendwelche Typen lagen auf dem Boden, neben ihnen ein paar Girls. Valentin und ich lagen auf der Couch, engumschlungen und tauschten Küsse. «Wie spät ist es denn?», fragte ich leise. Ich wollte weder die betrunkenen Männer noch die Mädchen aufwecken.

«Sechs. Musst du nachhause?», fragte Valentin.

Obwohl wir die ganze Nacht durchgefeiert hatten, waren wir beide kaum betrunken. Ich hätte sogar locker heimfahren können, wenn ich einen Führerschein besitzt hätte. «Müssen nicht. Aber ich sollte.» Ich stand auf. Ich wollte mich von Linda verabschieden, doch ich glaubte kaum, dass sie das jetzt wirklich interessierte. Außerdem wusste ich nicht wie ich mich gegenüber Valentin verhalten sollte. Wir hatten herumgeknutscht aber ich hatte definitiv keine Gefühle. «Komm, ich fahre dich heim.» Er stand ebenfalls auf und legte einen Arm um meine Taille. Wenn er was von mir wollte, würde ich es probieren. Auf jeden Fall. «Danke. Kannst du noch fahren?», fragte ich und er kitzelte mich.

«Ja klar. Aber wenn du nicht willst, das ich fahre, können wir auch zu mir gehen», sagte Valentin.

«Das klingt auch gut.»

Valentin wohnte am Ende der Straße, also keine zehn Minuten entfernt. «Ich bin fix und fertig», murmelte ich und den Rest des Weges musste Valentin mich stützen, damit ich nicht sofort wegdämmerte. Er brachte mich auf sein Zimmer. «Willst du ein T-Shirt von mir anziehen?», fragte er mich. Ich nickte nur, zog mein Kleid aus und schlüpfte in sein Shirt. Valentin zog sich die Hose und das Hemd aus und wir legten uns ins Bett. Ehe ich mich zudecken konnte, schlief ich ein.

Kapitel 5 – Samstag, 13. April 2013

«Können wir draußen weiterreden? Du siehst doch, dass sie schläft.» Ich wachte wegen Valentins Stimme auf, hatte die Augen jedoch weiter geschlossen.

«Du hast von der Party ein Mädchen mitgeschleppt? Habe ich dich nicht anders erzogen?», fragte die weibliche Stimme.

Seine Mutter wahrscheinlich.

«Was ist daran so schlimm. Keine Sorge, wir hatten keinen Sex.» Er stand auf. «Da bin ich mal froh. Du bist gerade Mal vor nicht mal einem Jahr achtzehn geworden. Ein Kind in dem Alter ist … inakzeptabel.» Halt, halt, halt, halt. Kind? Wir hatten doch nur Spaß … und wie Valentin sagte, keinen Sex. «Wahrscheinlich kennt sie nicht mal deinen Namen!», schimpfte die Frau weiter.

«Klar und sie weiß auch nicht, dass ich sie hierhin gezogen habe!», sagte Valentin lachend. «Ich bin alt genug und sie ist ein tolles Mädchen.»

«Valentin?», flüsterte ich und öffnete leicht die Augen. Valentin bückte sich und küsste mich kurz. «Guten Morgen, Kim.» Ich lächelte und sah dann seine Mutter an. Definitiv seine Mutter. Die Ähnlichkeit sah man sofort. Gleicher Mund und die gleichen wunderschönen Haselnussaugen. «Guten Morgen», begrüßte ich seine Mutter. Valentin zog mich näher zu sich. «Mum, das ist Kim. Kim, das ist meine Mutter Luciana.» Ich gab seiner Mutter die Hand.

«Schön dich kennen zu lernen», sagte seine Mutter. «Es ist auch schön, Sie kennen zu lernen.» Valentins Mum lächelte. «Nenne mich einfach nur Luciana. Wir brauchen kein per Sie.» Ich erwiderte ihr Lächeln. «Ich habe Frühstück gemacht», sagte sie dann und verließ das Zimmer. Frühstück? Wie spät war es denn? «Valentin, wie spät ist es?», fragte ich.

«Zehn. Tut mir leid, dass du nicht länger schlafen konntest. Meine Mutter kann ziemlich stur sein, wenn sie was wissen will.» Ich stand auf und richtete das Shirt. «Ich werde kaum so hinuntergehen können», murmelte ich und fragte Valentin, nach einer Jogginghose. Ich hatte seine Mutter kennengelernt. Wie weit waren wir schon gegangen?

Ich wollte doch nicht seine Freundin werden oder? Gestern wollte ich noch und auch jetzt wollte ich. Valentin war ein Traum von Junge. «Ich bin fertig. Besser wäre natürlich meine Kleidung, aber das muss genügen. Wie sehe ich aus?» Ich drehte mich, das mich sofort an gestern erinnerte, als ich mich vor Adrian drehte. «Traumhaft schön.»

Er zog mich zu sich und küsste mich. Ich erwiderte ihn und lehnte mich an die Wand, während ich Valentin zu mir zog. «Du haltest mich auf, Kim. Wir müssen in die Küche, bevor meine Mutter erneut in das Zimmer stürmt.» Ich nickte und wir gingen hinunter, wo uns ein Frühstück entgegensprang, das meine Tante sonntags immer macht.

Am liebsten hätte ich sofort alles in mich hineingestopft, aber ich war nicht zuhause, weswegen ich meine besten Manieren suchte und wie eine Lady aß. Valentin war nur noch begeisterter von mir und auch seine Mutter lächelte mich immer an. Nach dem Essen bedankte ich mich bei seiner Mutter und wir gingen rauf in sein Zimmer. «Ich muss heim. Meine Zähne warten auf ihre Dusche», sagte ich und brachte Valentin damit zum Lachen.

«Ich habe im Schrank eine unbenutzte.»

Ich ging in sein eigenes Bad und putzte mir die Zähne. Dann nahm ich Klopapier und schminkte mich so gut es ging ab. Ich wusch mein Gesicht und machte mir einen Haarknoten. Zog Valentins Sachen aus und mein Kleid wieder an. Als ich raus kam, war Valentin angezogen. «Was ist mit uns? Ich bin bei dir zuhause, ich habe deine Mutter kennengelernt.» Valentin grinste. «Du kannst sein was du willst. Am schönsten aber wäre es, wenn du meine Freundin wärst. Du bist super und ich mag dich.» Ich lächelte. «Wird das was Ernstes zwischen euch?», Adrians Stimme hallte in meinem Kopf. «Wenn ich wirklich deine Freundin sein sollte, dann will ich drei Dates», sagte ich grinsend.

«Das sollst du haben. Date Nummer eins findet jetzt statt. Wir werden in den Park gehen. Und den Rest werde ich improvisieren.» Valentin grinste. «Ich bin dabei.» Ich hakte mich bei Valentin ein und wir gingen in den Park. «Erzähle mir was von dir. Wo wohnst du mit deinen Eltern? Hast du Geschwister?», fragte Valentin mich. Ich versteifte mich sofort.

«Meine Eltern sind tot und ich habe keine Geschwister», sagte ich tonlos. «Das tut mir leid. Ich habe das nicht gewusst.» Ich lächelte leicht. «Wie konntest du auch», murmelte ich. Die Lust war mir so was von vergangen. Und ich kam mir plötzlich so dämlich vor. Wollte ich allen Ernstes eine Beziehung mit Valentin? Wir kannten uns gar nicht, hatten eine Nacht lang rumgemacht. Und das war es. «Ich muss heim.» Ich lief los, ehe Valentin mich aufhalten konnte.

Ich bog ein paar Mal ab und fand mich dann vor Lindas Haus wieder. Ich hatte gestern die ganze Fahrt aus dem Fenster geschaut und suchte in meinen Erinnerungen einige Bilder, die mir halfen nachhause zu kommen. Oder zumindest zu einer Straßenbahn. Ich ging wahllos hin und her, bis ich schließlich eine fand, die mich in die richtige Richtung brachte. Als ich schließlich bei meiner Haltestelle ausstieg, war es schon nach halb zwei. Tante Maddy würde nur mehr einige Stunden daheim sein. Meine Füße brachten mich nicht nachhause. Sie brachten mich zu Adrian. I

ch wollte auf der Stelle kehrt machen, doch Mister Kuwak stand im Garten und betrachtete die Blumen. Und hatte mich gesehen.

«Miss Montgomery? Was machen Sie denn hier?» Mister Kuwak öffnete das Tor und ich ging gezwungener Weise hinein.

«Ich wollte Adrian besuchen», meinte ich. «Wir sind mittlerweile gut befreundet», fügte ich hinzu, als würde er eine Erklärung verlangen. «Oh, das habe ich gehört. Mrs. DiMonti ist nicht sehr erfreulich gewesen. Aber keine Sorge, Herr Adrian hat klargestellt, dass Sie immer dagegen waren. Mrs. DiMonti mag Sie also noch.» Ich lächelte leicht.

«Herr Adrian wird noch schlafen, aber Sie können gerne nachschauen. Vielleicht ist er schon wach. Sein Zimmer liegt im zweiten Stock ganz hinten. Sie werden Mr. DiMonti und Mrs. DiMonti nicht begegnen. Beide sind unterwegs», sagte Mister Kuwak und nickte mir kurz zu, ehe ich in das Haus ging. Ich streifte die Schuhe ab und ging die Stiegen hinauf.

Ich klopfte beim letzten Zimmer an, doch niemand öffnete mir oder schrie mir. Also öffnete ich sie und schrie ‚Überraschung‘. Doch die überraschte Person war ich. «Oh Gott!», rief ich und hielt mir die Hand vor die Augen. Adrian lag nackt neben dem Mädchen von gestern, die ebenfalls nichts anhatte. Keiner von beiden wachte durch mein Schreien auf.

Ich schloss die Tür voller Wucht und lief runter. Er hatte mir ja gesagt, dass er sie flachlegen würde. «Miss Montgomery?», Mister Kuwak schrie mir. «Sagen Sie Adrian, dass ich hier war. Ich habe gesehen, das er Besuch hat.» Und schon rannte ich endgültig nachhause.

Meine Gefühle fuhren Achterbahn. Ich wollte dass er glücklich war, andererseits war ich traurig, dass er nicht Zeit für mich hatte. Dann hasste ich mich dafür, weil ich Adrian für mich alleine wollte. «Hallo Tante.» Meine Tante kam die Treppen hinunter und drückte mich kurz. «Ich bekomme dich kaum mehr zu Gesicht», sagte sie und wir gingen in die Küche.

«Ich weiß nicht mal, ob ich noch für dich mitkochen soll.» Sie zeigte auf den Tisch, der mit Fisch und Gemüse gefüllt war. Und meinem leckeren, französischen Baguette, das ich so gerne mochte. Obwohl ich keinen Hunger hatte, setzte ich mich an den Tisch.

«Ich müsste noch alles aufwärmen. Es steht schon seit eineinhalb Stunde hier. Ich wollte gerade alles verräumen.» Ich wartete bis meine Tante alles aufgewärmt hatte, dann aß ich so viel ich noch konnte. «Du solltest am Abend auch noch was übrig haben», sagte Tante Madeleine und ich grinste. «Okay. Ich bin sowieso vollgestopft.»

In Wirklichkeit meinte ich mit vollgestopft nicht vollgestopft sondern zum Sterben voll. Ich räumte den Tisch ab und ging mit Tante Maddy ins Wohnzimmer. «Wie war die Party?», fragte sie mich, als ich den Fernseher anschaltete.

«War cool. Linda hat sich tierisch auf alle Geschenke gefreut und ich habe die ganze Nacht durchgetanzt.» Tante Maddy schien glücklich zu sein. «War auch dieser Adrian dabei?», hakte sie nach. «Ja.» Sie nickte und sagte dann völlig überraschend. «Er ist doch nicht so schlecht wie ich immer dachte. Er scheint dir tatsächlich gut zu tun. Und wahrscheinlich ist die Vergangenheit wirklich Vergangenheit.» Ich grinste meine Tante an. «Das wird ihn freuen. Er hatte schon Angst, dass du ihn völlig hassen wirst.»

Meine Tante lachte.

«Das könnte ich nicht, Kim. Nicht wenn du ihn magst.» Ich schmunzelte. «Und das tue ich tatsächlich.» Ich zippte weiter durch die Kanäle und blieb bei Pro Sieben stehen, wo gerade How I Met Your Mother kam. «Du schaust die Serie schon so lange. Und immer noch ist keine Frau zu sehen…» Meine Tante schüttelte den Kopf. «Warum schaust du das dann noch?» Ich zuckte mit den Schultern. «Ich finde es toll. Ich will endlich die Frau sehen. Und jetzt haben Marshall und Lily endlich ihr Baby. Das hat auch schon eine Ewigkeit gedauert», sagte ich lächelnd. «Die beiden sind immer noch zusammen?», fragte meine Tante, «Ich dachte bei allen Filmen würden sich die Paare wieder trennen…»

Ich fing an zu lachen.

«Nein, Tante. Aber Robin und Ted sind nicht mehr aktuell. Dafür Robin und Barney. Ach Tante» Ich kuschelte mich zu ihr. «Warum ist alles so kompliziert?», fragte ich leise. «Nicht immer, Mäuschen. Nicht immer.» Früher hatte ich das nie bei meiner Tante getan. ich kuschelte nie zu ihr und sie nannte mich nicht Mäuschen. Aber ehrlich? Mir gefiel beides und ich gab ihr einen Kuss auf die Wange. «Danke, dass du mich aufgenommen hast. Das hätte nicht jeder getan.»

Meine Tante war den Tränen nahe.

«Ich bedauere es keinen einzigen Tag.» Wir sahen weiter den Film, bis es klingelte. «Ich gehe schon. Du kannst deine Serie weiterschauen.» Meine Tante stand auf und ging zur Tür. Ich hörte wie die Tür geöffnet wurde und schrie meiner Tante. «Komm schnell. Ich glaube die beiden werden sich gleich küssen. Vielleicht ist das ja Teds Frau!»

Tante Maddys Antwort fiel anders aus. «Hier ist Adrian.» Wie der Blitz war ich aufgestanden und stellte fest, dass ich immer noch das Kleid von gestern anhatte. «Er soll reinkommen.» Mir war es doch egal, wie er mich sah. Er war mein Kumpel und ich hatte ihn auch schon nackt mit einer anderen gesehen. «Hey, Kim.» Adrian kam mir ein wenig näher, hielt jedoch Abstand. «Hallo», sagte ich und ging auf ihn zu. «Keine Umarmung?», fragte ich ihn.

Er erwiderte meine Umarmung und sah mich an. «Tut mir leid, dass du mich so sehen musstest.» Ich winkte ab. «Bitte reden wir nicht darüber. Ich hätte doch lieber warten sollen. Wie geht es dir?», fragte ich und strich sein Hemd glatt.

«Ich bin auf den schnellsten Weg zu dir gekommen. Um das Mädchen kümmert sich Mister Kuwak.» Wir beide gingen auf mein Zimmer. «Du hättest dich nicht so beeilen müssen», meinte ich, war aber dennoch froh, dass er es getan hatte. Ich war ihm wichtig. «Doch, nachdem ich von Mister Kuwak erfahren habe, dass du hier warst, musste ich doch kommen.»

Ich grinste Adrian an.

«Wäre aber nicht nötig gewesen. Du siehst – ich habe noch nicht geduscht und mich nicht mal frisch angezogen.» Adrian lächelte mich schief an. «Wo hast du geschlafen?» Mein Kopf wurde rot. «Bei diesem Typen», sagte ich leise.

«Nein! Sehe mich nicht so an. Wir hatten nichts miteinander!» Doch Adrian sah mich weiterhin grinsend an. «Du kannst es mir ruhig sagen, wenn du deine Unschuld an einem Typen, den du gerade auf der Party kennen gelernt hast, verloren hast? Das passiert einen Haufen Girls. Ich weiß es.» Ich lachte. «Tja, aber ich gehöre nicht dazu. Ich nicht, Adrian. Und wenn doch, nur wenn ich Gefühle für den Typen habe.» Meine Tante klopfte und öffnete die Tür. «Ich will mich nur verabschieden. Ich muss arbeiten. Morgen habe ich frei. Wir können endlich was unternehmen, Kim.»

Da kam mir die Idee.

«Adrians Eltern sind von deinem Essen begeistert. Wir könnten sie doch zu uns einladen?», fragte ich. «Klingt gut. Aber dann musst du einkaufen gehen. Ich habe nicht genügend da.» Ich nickte. «Klar. Haben deine Eltern Zeit?», wandte ich mich an Adrian. «Ich frage nach. Aber sie kommen bestimmt.» Meine Tante machte in Windeseile eine Einkaufsliste, was wir alles kaufen mussten, ließ mir Geld da und gab mir dann einen Kuss. «Viel Spaß», wünschte sie uns und verließ das Haus.

«Es ist jetzt drei. Wir haben noch zwei Stunden. Danke Tante, an das hat sie nicht gedacht. Ich bin auf die Straßenbahn angewiesen!»

Ich stöhnte.

«Nicht wenn ich hier bin. Wir fahren mit meinem Auto.» Ich strahlte Adrian an. «Mit deinem neuen Ferrari? Ich hoffe, dass du einen ordentlichen Bass hast. Ich gebe gerne an.» Adrian nickte. «Dann freut es mich, dass wir heute angeben werden. Das Auto ist klasse, Kim. Da bräuchte ich nicht mal einen Bass, um anzugeben.» Ich musste lachen. «Um über eine Million Euro darf es das auch. Du holst den Wagen und ich gehe schnell duschen.» Adrian verabschiedete sich und ich brauste mich schnell ab, ohne meine Haare nass zu machen. Die rochen immer noch toll nach Gelee Royal.

Schnell zog ich mir einen Rock und ein Top an und nahm meine Tasche und Tante Madeleines Geld. In dem Moment hupte Adrian und ich ging hinaus. Diesen Moment als ich das Auto sah, werde ich wohl nie vergessen. Denn es war unglaublich. Ich hatte mir Adrians Auto immer krass vorgestellt, protzig wie seine Familie. Doch dieses Auto war nicht protzig, es war unglaublich, unbeschreiblich. Und man sah schon, dass es teuer war, sehr teuer. Ich blieb einige Sekunden stehen und bestaunte den Wagen. Da werde ich gleich sitzen. In diesem Auto.

Die Tür öffnete sich – nicht wie die normalen Autos, sondern nach oben. «Willst du vielleicht einsteigen?» Adrian grinste mich an und ich setzte mich. «Das ist das abgefahrenste Auto der Welt. Und wahrscheinlich das teuerste, oder?» Adrian lachte.

«Soll das ein Witz sein? Dieses Jahr wurde der neue Lamborghini Veneno herausgebracht. Vier Millionen, Baby.» Ich kicherte.

«Idiot! Wie kannst du da sicher fahren? Über eine Million. Hast du nicht Angst, dass du einen Unfall hast oder dass jemand es zerkratzt?» Adrian lachte. «Wir haben Kameras installiert. Ich kann sie ein und ausschalten. Momentan sind sie ausgeschaltet. Und einen Unfall werde ich nicht bauen. Außerdem habe ich Vollkasko.» Ich sah mich um und entdeckte tatsächlich zwei Kameras. «Wann wirst du achtzehn?», fragte Adrian mich. «Im Mai, am 20. Wir müssen unbedingt feiern.»

Ich grinste Adrian an, der einen kurzen Blick auf mich warf und Gas gab. Es war unglaublich wie viel er in einer Sekunde hinauffahren konnte. «Was willst du zum Geburtstag?», fragte er mich. «Kauf mir doch den Porsche Boxster. Den neuesten», scherzte ich.

«Okay, werde ich. Wünsche?» Ich sah Adrian geschockt an. «Das sollte ein Scherz sein, Adrian», sagte ich und er fuhr in den Parkplatz des Spars. «Ich weiß. Aber ich werde ihn trotzdem kaufen.» Ich stieg aus und wurde sofort von neugierigen Augen betrachtet. Die Mädchen sahen Adrian an, als wäre er Gott höchstpersönlich und machten ihn sofort an. «Darf man eine Runde mitfahren?», baggerte ihn eine Blondine mit Riesentitten an.

«Tut mir leid. Ich bin ausgebucht», gab Adrian zurück und schaltete die Kameras an. Ich würde es keine Sekunde aushalten. Ich müsste jede Sekunde aus dem Laden springen und schauen, ob mit dem Auto alles in Ordnung war. Adrian legte einen Arm um meine Schulter und wir gingen hinein. «Magst du einen Porsche Boxster S oder den normalen?», fragte Adrian mich. Zwei Mädchen von vorhin gingen hinter uns und zogen scharf die Luft ein, als er von noch mehr geilen Autos sprach. «Was ist da der Unterschied?», fragte ich nach. «Der S ist besser. Warum willst du einen Porsche Boxster? Der ist nicht gerade teuer.»

Wieder wurde hinten die Luft eingezogen.

So langsam ging es mich an. «Ich mag das Auto. Ich habe ihn das erste Mal im Fernsehen gesehen. War schön.» Ich legte Gemüse in den Wagen und strich die Gemüseart auf der Liste durch. «Was brauchen wir noch?», fragte Adrian.

«Paprika, Salat, Tomaten und Gurken. Dann haben wir das Gemüse durch», sagte ich. «Dann gehen wir über zu unseren Wünschen. Wir bräuchten Sahne und Erdbeeren. Und deinen schönen Bauch.» Ich lachte. «Vergiss es. Und sei leise, da hinten haben wir Zuschauer.» Adrian drehte sich um und fuhr sich durch die Haare. So verdammt sexy.

«Genießt ihr die Show?», fragt er mit seiner sexy Stimme. Die eine nickte nur, die andere starrte ihn mit großen Augen an. «Schön. Und jetzt gönnt uns Privatsphäre.» Die Mädchen wurden rot und gingen sofort weg. «Ich war noch nie in meinem Leben einkaufen. Ist das so … normal?», fragte er. «Ja, aber manche Leute machen das Einkaufen witzig.»

Ich schmiss Adrian zwei Gurken hin, die er galant fing. «Und wie machen die das?», fragte er. Ich ging zu Adrian und nahm den Einkaufswagen. «So», sagte ich lachend, stieg darauf und fuhr davon. Ich konnte zwar nicht bremsen, doch auch Adrian lachte. Ich drehte mich um und Adrian lief mir hinterher. «Wir hätten zwei Einkaufswagen nehmen sollen!», schrie er mir nach und ich lachte. «Klar. Einer muss doch nachrennen!», schrie ich zurück und wich einer Frau mit einem Sack Kirschen aus.

In dem Moment kam ein Mann um die Ecke. Er und ich waren beide geschockt und ich lenkte den Wagen. Dabei kippte er um und der Wagen landete auf mir. Verdammt!

 

 

****

«Du musst schon zugeben, dass das witzig war», Adrian lachte und verstaute die Einkaufstüten im Kofferraum. Das da noch was Platz hatte, wunderte mich wirklich. «Lach ruhig!», fauchte ich und humpelte zur Tür. «Tut es weh?», fragte er mich und hielt mich fest. «Der Wagen ist auf meinem Fußknöchel gelandet! Was meinst du!», sagte ich bissig und lehnte den Kopf an seine Brust. «Wir können froh sein, dass sie uns nicht rausgeschmissen haben», fügte ich hinzu.

«Dann hätte ich Mister Kuwak gebeten einzukaufen.»

Adrian zuckte mit den Schultern, als wäre das was wir taten keinesfalls schlimm. War es auch nicht. Nur überhaupt nicht erwachsen. «Der Mann hat einen Schock erlitten», flüsterte ich, als ich mich an den Mann erinnerte, der am Boden lag und mich entgeistert ansah. «Er hat auch nie damit gerechnet, dass ein Mädchen im Einkaufswagen auf ihn zustürmt.»

Adrian grinste.

«Hoffe, du hast deinen Spaß. Das war nicht Absicht.» Adrian legte einen Arm um meine Taille und küsste meine Stirn. «Ich fahre dich nachhause», flüsterte er und hob mein Kinn. «Der Mann wird es überleben. Einen kleinen Schock wird er schon verkraften. Ansonsten wäre er ein Weichei.» Ich lächelte Adrian an. In dem Moment kam der Mann raus und als er mich sah, wurden seine Augen groß und er huschte davon. «Er hat Angst vor mir!», kreischte ich und verzog das Gesicht zu einer traurigen Grimasse. «Lieber das, als ein böses Gesicht. Hopp, steige in meinen tollen Wagen.» Meine schlechte Laune war verschwunden und ich kicherte. «Klar, Sir.»

Adrian ließ mich los und entsperrte das Auto. Wir beide stiegen aus und er schaltete die Kameras wieder aus. «Hast du dein Auto überprüft?», fragte ich. «Nein, muss ich auch nicht. Niemand wird sich trauen, das Auto anzufassen.»

Ich sah ihn lachend an. «Ich würde es berühren», sagte ich. «Das glaube ich nicht. Die Alarmanlage geht dann laut los. Nur ich kann es anfassen, da ich einen Zensor habe.» Adrian brachte den Motor zum Heulen und fuhr sofort weg. Wie geil das Auto doch klang. «Du bist dir sicher, dass du keinen besseren Wagen willst?», fragte er mich.

«Einen Audi? Aber wenn ich schon eines bekomme, dann will ich ein Cabriolet. Am besten wäre gar keines. Autos sind nicht billig und deine Autos erst recht nicht.» Ich sah aus dem Fenster. «Ich will dir eines kaufen. Kennst du den Audi R8? Gibt es auch als Cabriolet.» Ich sah Adrian verwirrt an. «R8? Ist der teuer? Wenn ja, vergiss es. Einen Gebrauchtwagen um drei Tausend ist schon zu viel. Gib mir eine Geburtstagsparty und ein Kleid. Mehr brauche ich doch nicht.» Adrian schüttelte den Kopf. «Ich schenke dir gerne ein Auto. Du wirst achtzehn Jahre.»

Ich stöhnte.

«Und habe deshalb noch das ganze Leben vor mir. Ich kann mir in einigen Jahren das Auto kaufen.» Adrian schüttelte den Kopf, während er Vollgas über gelb fuhr. Ich sah schon einige Leute, die uns mit offenem Mund anstarrten. «Der Audi R8 Spyder ist der beste unter den Audis. Er sieht nicht nur schön aus, ist außerdem auch elegant», versuchte Adrian es erneut. «Nein! Kein Wagen!», schnauzte ich Adrian an. Er schmollte und sah wieder zur Straße.

Es kam mir vor, als hätten wir nur ein paar Minuten Fahrt gehabt, als er an mein Haus ankam. Und wahrscheinlich waren es auch nur wenige Minuten. Er half mir beim Einräumen und verstaute die ganzen Lebensmittel. Als wir das nächste Mal wieder hinausgingen, war nichts mehr da. «Wir sind fertig», sagte Adrian stolz. «Wie kann jemand nur so ein protziges Auto haben?», fragte ich Adrian und sah, dass schon wieder einige mit riesigen Augen stehen blieben. Ausgerechnet eine meiner Nachbarn kam zu uns rüber. «Kimberly Montgomery, sieh an, sieh an. Da hat sich jemand aber einen reichen Typen geschnappt», sagte Bianca Van Blödmann. Natürlich hieß sie nicht Blödmann, aber das war mir egal.

Ich hasste sie, weil sie immer so abschätzig mit mir sprach. Als wäre sie was Besseres. «Oh, das Auto. Das haben wir geklaut», sagte ich und lächelte sie an.

«Mein Freund ist normalerweise ein Penner. Er lebt unter der Brücke.» Sie starrte mich mit offenem Mund an. «Komm, wir gehen rein. Einmal berühren und die Alarmanlage geht los und die Polizei kommt. Das ganze kannst du dann zahlen, Bianca.» Ich nahm Adrians Hand, der das Auto mit dem Entriegelungsknopf zusperrte. Im Haus lachte Adrian los.

«Ein Penner? Unter der Brücke leben?»

Ich stieß Adrian leicht. «Ich hasse sie. Komm, mein kleiner, unter der Brücke lebender Penner.» Ich führte Adrian in mein Zimmer, wo wir uns auf mein Bett legten und ich den Fernseher anschaltete. «Warum magst du sie nicht? Sie schien mir sympathisch zu sein.» Ich lachte auf. «Ja klar, sie ist ja so freundlich!», sagte ich, der Sarkasmus war mit Händen zu greifen.

«Immer wenn wir bei ihr eingeladen waren, musste sie von ihrem Goldkindchen die ganzen Auszeichnungen zeigen und damit prahlen. Mich fragte sie dann, wie viele ich denn hätte. Und sie wusste genau, dass mich das einen scheiß interessierte!» Adrian legte einen Arm um mich. «Beruhige dich, Kim. Diese Bianca ist blöd.» Ich schnaubte.

«Jetzt auf einmal? Fandst du sie nicht sympathisch?» Meine Stimme triefte immer noch voller Hass. «Der erste Eindruck trügt. Manchmal jedenfalls. Gerade du müsstest das wissen oder?» Ich sah zu ihm hoch. Ich fand Adrian am Anfang nicht gut, meine Tante fand ich auch nicht gut und Linda auch. Bis ich sie alle näher kennenlernte. «Du hast recht», flüsterte ich und küsste Adrian auf die Wange. «Was sehen wir uns an? Wie ich gehört habe bist du ein Fan von How I Met Your Mother?» Ich kicherte. «Das hast du mitbekommen?», fragte ich.

«Ja, meine Mutter schaut es gelegentlich.» Ich musste lachen. Ich konnte mir Adrians Mutter nicht vorstellen, wie sie vor dem Fernseher saß und diese Serie ansah. Mal im Ernst, ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass sie überhaupt jemals fernsah. «Lass mich raten, du hast gedacht, dass meine Mutter nie fernsehen würde?», fragte Adrian und traf genau ins Schwarze. «Es ist ungewöhnlich.» Diesmal lachte Adrian. «Wir sind auch nur Menschen.»

Ich kicherte. «Echt? Ich habe immer gemeint, dass ihr Aliens seid.» Ich kuschelte mich an Adrian und zippte weiter.

«Mist, blöde Sendung, nicht empfehlenswert, zum Kotzen, zu oft geschaut, oh ja – das schauen wir», sagte ich bei jedem Sender und blieb bei Sky Comedy stehen, wo gerade Scary Movie 4 anfing. «Magst du den schauen?», fragte ich und sah Adrian erwartungsvoll an. «Klar, können wir.» Ich drehte mich zu Adrian. «Der fünfte kommt schon im Kino. Kennst du Two and a half men? Dieser Charlie spielt da mit. Und Ashley Tisdale. Irgendwie komisch. Die ersten vier handelten von den gleichen Menschen, sofern sie nicht getötet wurden und dieser Teil kommt mit völlig neuen…»

Adrian lachte. «Ich würde gerne mitreden, aber ich kenne weder den ersten noch den zweiten und geschweige denn den dritten», sagte Adrian. «Warum willst du ihn dann schauen?», hakte ich nach «Weil du ihn schauen willst. Und jetzt leise sein – er beginnt.» Ich sah zum Fernseher und blieb für den Rest des Filmes still in Adrians Armen.

 

 

****

«Kennst du das Geräusch wenn eine Lawine abgeht? Oder wenn Steine hinunterfallen? So brummt mein Magen», sagte ich und schaltete den Fernseher ab. «Dann würde ich sagen, dass du was zu dir nimmst?» Adrian zog eine Braue hoch und half mir beim Aufstehen. «Das ist das schönste was du je zu mir gesagt hast», sagte ich und schniefte.

«Das du essen sollst?»

Adrian lachte und wir gingen runter in die Küche. Ich schaltete den Radio ein, wo jemand sofort von einem Big Bang sang, der der Grund war, das er lebte. Ich summte leise mit und wärmte das Essen von heute auf. Dann stellte ich zwei Teller hin und zwei Gläser, holte Orangensaft und füllte beide Gläser. Nachdem ich das Essen aus der Mikrowelle nahm und auf den Tisch stellte, setzten Adrian und ich uns hin. «Riecht das fantastisch.» Adrian nahm eine Riesenportion Fisch und Gemüse.

Das ganze Baguette hatte ich schon mittags vertilgt. «Dann hau rein!», sagte ich lachend. Adrian ließ es sich nicht zweimal sagen. «Wenn das Essen schon aufgewärmt lecker schmeckt. Wie wird das Essen dann morgen werden?» Ich stopfte mir einen Fisch in den Mund und kaute, bis ich ihn schließlich schluckte. «Unvergesslich, Adrian, unvergesslich.»

 

 

****

«Geh nicht, geh nicht, geh nicht», ich klammerte mich an Adrian und hielt ihn auf. «Ich will das du bleibst», flüsterte ich und zog ihn wieder ins Haus. «Meine Eltern werden mich gewiss schon vermissen … und ich muss ihnen auch noch sagen, dass sie zum Essen eingeladen sind.» Ich ließ ihn los. «Dann nehme mich mit. Ich bin sonst wieder alleine. Linda will ich nicht anrufen, ich weiß nicht mal, ob die im Moment Zeit hat oder überhaupt nüchtern ist.» Adrian lachte.

«Wie kann ich dir je was ausschlagen? Steig ein.» Ich kreischte und hüpfte auf Adrian. «Ich muss nur Tante eine Nachricht hinterlassen.» Ich schrieb auf einen Zettel, dass ich erst morgen kam und sie ruhig ausschlafen konnte. Außerdem würde ich ihr schreiben, wenn seine Eltern zusagten. Den Zettel legte ich auf ihr Nachttischchen und lief hinunter zu Adrian, wo ich in seine Arme hüpfte und wieder kreischte. Adrian lachte. «Du kannst dich freuen wie ein kleines Kind», sagte er kopfschüttelnd.

Ich zuckte lediglich mit den Schultern.

Wir stiegen in sein Auto und ich hatte mich gerade mal angeschnallt, schon fuhr Adrian wie der Wind davon. «So, was machen wir dann bei mir?», fragte Adrian und ich sah auf die Uhr. Es war gerade halb acht. «Dein Haus bietet sicher genug an», sagte ich und Adrian grinste mich kurz an.

«Wie Recht du hast.»

Ich konnte mich immer noch nicht an das Auto gewöhnen, dass so schnell fuhr, dass wir sofort bei Adrian waren. Er drückte einen Knopf, damit das Tor zu seiner Villa aufging und fuhr in die Einfahrt. Vor dem Haus blieb er stehen. Dann schloss er sein Auto mit dem Knopf, der an seinem Schlüsselbund hing und ich musste wieder einmal den Garten bestaunen. Wie wunderschön die Rosen aussahen, oder die Tulpen. Wie schön der Garten mit dem Haus harmonierte.

Die Hecken die so schön geschnitten waren. Die Grasskulpturen, die links und rechts neben dem Tor standen. Ein Paradies für jeden. Adrian öffnete die Haustür und schrie kurz nach Mister Kuwak, der sofort kam. «Herr Adrian was wünschen Sie? Guten Abend, Miss Montgomery. Es ist schön Sie wieder zu sehen.» Ich begrüßte Mister Kuwak auch und Adrian wollte zwei Colas mit Eiswürfel. Als er uns die Getränke brachte, wollte Adrian wissen, ob seine Eltern im Haus waren. «Nein, Ihre Eltern werden aber in zwei Stunden kommen. Wünschen Sie noch was?», fragte er Adrian.

Da er nichts wollte, fragte Mister Kuwak auch noch mich und ich schüttelte lächelnd den Kopf. Mit dem Cola in der Hand und Adrian neben mir, war ich wunschlos glücklich. Also verzog sich Mister Kuwak wieder. Adrian nahm meine Hand und ging mit mir in einem Raum. «Da ganz vorne ist der Empfangsraum. Dort warten alle Gäste auf uns. Hier ist das Klo.»

Er ging wieder raus aus dem WC und zeigte mir im unteren Stock alle Räume. Es gab eine vollausgestattete Küche, ein riesen Speiseraum, ein Abstellraum, wo alle Lebensmittel gelagert waren und ein Abstellraum, wo Putzzeug lag. Gegenüber der Küche war ein gigantisches Wohnzimmer, wo es mir die Sprache verschlug. Man konnte es mit einer Wand trennen.

Daneben lagen die Bibliothek, ein Spielzimmer und ein kleiner Ballsaal ganz hinten. In dem unteren Stock lagen auch noch zwei Toiletten und zwei Bäder. Im oberen waren teilweise nur mehr Schlafzimmer mit Bad, Balkon und einem begehbaren Schrank, ein extra Bad, ein Fernsehraum, falls das Wohnzimmer besetzt war und einem Raum, wo eine Bar und ein paar Partydinge standen. Eine Marmorstiege brachte uns wieder hinunter in den ersten Stock.

«Dann gehen wir in den Keller.»

Der Keller bestand aus einem Fitnessraum mit Dusche und einer Saune sowie einen Massagestuhl, einem separaten WC, einem Weinkeller und einem Heizraum. «Oben im Erdgeschoss gibt es noch ein Indoorpool mit Verbindung zum Outdoorpool. Im Untergeschoss ist auch noch ein Wäscheraum. Draußen sind noch das Schwimmbad – wie schon vorher erwähnt –, ein Teich, ein Grill mit Tischen und Stühlen, eine paar Liegen neben dem Swimmingpool, eine Liegematte und unser tropischer Garten. Das war mein Haus. Willst du was Bestimmtes tun?», fragte er mich.

Ich sah aus einem großen Fenster. Im Wohnzimmer war eine Hälfte nur aus Fenster und ich konnte problemlos den Garten ansehen.

«Ich würde gerne schwimmen gehen, aber ich habe keinen Bikini mit», sagte ich und versuchte die Fensterscheibe nicht zu berühren, da sonst ein Fingerabdruck oben wäre. «Man kann auch in Unterwäsche schwimmen», meinte Adrian und legte einen Arm um mich. «Das geht ganz einfach. Man zieht sich das Oberteil aus», flüsterte er dicht an mein Ohr und berührte mein Top und zog es langsam aus. «Dann kommt dein Rock dran.» Mit einem Ruck war mein Rock am Boden.

«Zum Schluss kommen noch die Schuhe und die Socken.» Er kniete sich vor mir nieder und zog mir meine Ballerinas aus. Socken hatte ich keine. Nun stand ich nur in Unterwäsche vor Adrian. In schwarzer Seidenunterwäsche mit Spitze obendrein. Ich spürte Adrians Blicke auf mir und ich biss mir auf die Lippen. Ich wusste, dass er mich gleich berühren würde, doch er tat es nicht. Hatte ich ihn abgeschreckt? Nach der letzten Abfuhr? «Und was machen wir mit dir?», fragte ich und Adrian stand auf.

Sein Blick war gefährlich erotisch.

«Ich werde mir meine Badehose anziehen. Meine Boxershort ist aus Satin und teuer.» Ich schüttelte den Kopf. «Ich muss auch in Unterwäsche schwimmen, mein Lieber. Du wirst ganz schnell deine Hosen und dein Hemd loswerden.»

Ich kniete mich vor Adrian hin und öffnete ganz langsam seine Hose. Dann streifte ich sie ihm zentimeterweise hinunter und berührte leicht sein Bein mit meinen Fingerspitzen. Ich schmiss die Hose auf meine Kleidung und stand auf. «Arme strecken und ein wenig bücken.» Adrian folgte jeden meiner Schritte und tat, was ich ihm sagte. Ich zog sein Hemd aus und ließ es fallen. «Wir sind fertig», hauchte ich dann. Adrian lächelte mich an.

«Das war ziemlich heiß», sagte er.

«Findest du? Vielleicht haben wir eine Spur zu dick aufgetragen.» Ich zuckte mit den Schultern. «Gehen wir jetzt endlich schwimmen? Ich will wieder draußen sein, wenn deine Eltern kommen.» Adrian nahm mich rittlings hoch und ich kreischte. Ich wusste, dass er mich jetzt ins Wasser werfen würde. Und genau das tat er. Er schmiss mich hinein und ich schrie, bevor ich untertauchte. Ich spritzte ihn mit Wasser voll, bis er ins Wasser kam. Er schwamm zu mir und ich tauchte ihn lachend unter. Leider befreite er sich rasch wieder und ich grinste ihn an. «Für was war das?», fragte er lachend.

«Meine Rache. Sie wird noch lange gehen.» Ich schlang meine Arme um seinen Hals und ging ein wenig zu ihm. Schon drückte ich ihn wieder hinunter. Diesmal gelang es mir, ihn einige Sekunden länger unten zu lassen. «Ganz schön frech», sagte Adrian und zog an meiner Hand, als ich wegschwamm.

«Aaahhh!», schrie ich und ich wusste, dass er es jetzt bei mir tun würde.

Und ich hatte Recht.

Er tauchte mich unter. Ich zog an seinen Füßen und schließlich bekam ich sie und ich zog sie weg. Somit war sein Kopf unter Wasser. Genau wie meiner. Ich winkte ihm zu und schwamm dann auf die Oberfläche. Das ging einige Male so und jedes Mal lachten wir uns kaputt. Nach über einer Stunde schwimmen und herumalbern gingen wir raus und Adrian holte uns zwei Badetücher. Da musste er nicht weit gehen. Er ging zu einem Schrank, der einige Meter vom Grill entfernt war und gab einen Code ein. Schon öffnete sich die Tür und verschwand nach oben.

«Hier zwei feine und kuschelige Frotteebadetücher.» Ich bedankte mich und wickelte eines um meine Haare. Mit dem anderen trocknete ich mich ab. Gerade als ich mir mein Rock und das Oberteil anzog kamen seine Eltern nachhause. Adrian hatte sich schon angezogen. Er sah aus wie immer. Nur seine Haare waren ein wenig feucht. Meine Haare hingegen waren pitschnass. Ich rubbelte weiter, bis ich die Hoffnung aufgab. Und es war sowieso zu spät. Adrians Eltern kamen ins Wohnzimmer und begrüßten mich. «Du hast nasse Haare», meinte dann seine Mutter.

«Mein Kopf wurde ins Schwimmbad getaucht», sagte ich kichernd. Adrian lachte. «Genau wie meiner», fügte Adrian dann hinzu. «Mrs. DiMonti, Mr. DiMonti?», fing ich an und hatte schon wieder das per Du vergessen. «Ich würde euch gerne zum Abendessen einladen. Ich habe gehört, dass ihr beide bald wieder geschäftlich viel zu tun haben werdet und ich dachte mir, dass wir das Abendessen schon morgen machen.» Mrs. DiMonti äh Emily und Christopher waren begeistert und freuten sich riesig auf morgen. «Wir nehmen die Einladung liebend gern an. Wir freuen uns wirklich darauf.»

Adrian öffnete die Tür.

«Kim, lernen wir ein wenig Französisch, Italienisch und Englisch. Wir haben die Prüfung.» Emily sah uns fragend an. «Welche Prüfung? Davon wusste ich nichts.» Adrian winkte ab. «Nur eine harmlose Prüfung. Wir wollen beim Austauschprogramm teilnehmen.» Ich lächelte Adrians Eltern an und folgte Adrian. Ich hatte sein Zimmer schon einmal gesehen, doch diesmal sah ich mich genau um. Ich öffnete alle Schränke, betrachtete das Bad und ging hinaus auf dem Balkon. Dort beobachtete ich zwei Vögel, die herumflatterten. «Das Haus ist der Wahnsinn», murmelte ich.

«Ja, es hat schon seine Vorteile hier zu wohnen.»

Ich grinste. «Lernen wir hier draußen?» Es war zwar schon nach zehn Uhr, aber mit ein wenig Licht ging das schon. «Klar», sagte Adrian und schaltete das Licht ein. Er holte die Bücher und gab mir Französisch. «Französisch kann ich am schlechtesten. Ich vergesse immer die halben Vokabeln oder übersetze falsch.» Ich grinste Adrian breit an. «Nur gut, dass ich eine Ass in Französisch bin.» Außerdem war ich spitze in Englisch, Deutsch und Italienisch. Sprachen lagen mir im Blut. Nur Mathe und Chemie nicht. Die beiden verstand ich null, aber wie sich herausstellte, war ich nicht die einzige die jemandem half. Adrian würde mir Chemie und Mathe beibringen. Bevor wir anfingen zu lernen, schrieb ich meiner Tante eine Nachricht.

 

Adrian und seine Eltern kommen morgen. Sie werden pünktlich um sechs Uhr erscheinen.

Bussi Kim

 

Wir lernten die halbe Nacht durch. Teilweise brachte ich Adrian Französisch besser bei, andererseits lernten wir selbstständig oder sagten für den anderen einen Satz auf Deutsch, den er dann übersetzen sollte. Es war drei Uhr in der Früh, als ich kaum mehr meine Augen offen halten konnte. «Komm gehen wir ins Bett.» Adrian nahm mich hoch und legte mich in sein Bett. Dann brachte er mir ein zu langes Shirt und ich zog es an. Er schlüpfte ebenfalls ins Bett und deckte uns beide zu. «Schlaf gut, Kim», flüsterte er und küsste meine Stirn. «Gute Nacht, Adrian.»

Kapitel 6 – Sonntag, 14. April 2013

Diesmal war ich die erste die aufstand. Einmal konnte ich ausschlafen, ohne von Valentin geweckt zu werden oder von Tante Maddy und Adrian. Ich ließ Adrian schlafen und stand auf. Es war schon Mittag. Und der halbe Tag war weg.

Verpennt.

Ich ging umher und wusste nicht recht, wohin ich gehen sollte. «Guten Morgen, Miss Montgomery.» Mister Kuwak lächelte mich an. «Guten Morgen, Mister Kuwak», begrüßte ich lächelnd. «Wollen Sie zu Mittag essen?», fragte er mich. «Nein, ich warte auf Adrian. Kann ich ein wenig raus gehen?», fragte ich ihn. «Natürlich. Wollen Sie sich vielleicht umziehen gehen?»

Ich sah an mir hinunter und nickte dann.

«Klar. Ich will mich nicht verkühlen», sagte ich und hüpfte wieder hoch in Adrians Zimmer. Zog meinen Rock an und schlenderte hinaus. Das Shirt von Adrian ließ ich an. Ich ging zum Swimmingpool und erinnerte mich sofort an gestern. Den schönen Tag mit Adrian. Ich ließ meine Füße ins Wasser fallen und spielte ein wenig mit dem Wasser. Ich hörte eine Stimme und schon kam Mr. DiMonti um die Ecke. Er hatte mich noch nicht entdeckt.

«Mir egal, ob er es braucht. Nein! Dann feuern Sie ihn halt. Habe ich nicht gesagt, dass es mir so was von egal ist?! Wer sich mit mir anlegt, hat selbst Pech! Nein, ab morgen bin ich ein Monat nicht zuhause.» Ich starrte Adrians Vater an und bekam eine Gänsehaut. Schließlich sah er mich und lächelte mich an. Ich lächelte zurück und tat so, als hätte ich das Gespräch nicht gehört. Christopher ging hinein und ich hörte noch die letzten Worte.

«Der wird nie wieder einen Job bekommen. Höchstens als Kloputzer.» Dann verschwand er und mit ihm seine Stimme. Was hatte der andere angestellt, damit Mr. DiMonti so sauer war? Ich ließ meinen Fuß hin und her treiben, malte in meinem Kopf aus, was der Typ wohl getan hatte. Ich grübelte darüber nach, doch mehr als Verrat fiel mir nicht ein.

Vielleicht hatte er Mr. DiMonti angelogen, betrogen?

Ich wusste nicht was. Ich hoffte nur, dass ich niemals in so einer Situation mit Mr. DiMonti sein würde. Trotzdem musste ich es mir vorstellen. Wie er mich anschrie und mich zur Schnecke machte. Ich schüttelte den Gedanken ab, er war ein wenig angsteinflößend. Plötzlich legten sich zwei Hände um meine Schulter und jemand setzte sich hinter mich.

«Guten Morgen», flüsterte Adrian in mein Ohr. «Morgen.» Ich drehte meinen Kopf, damit ich Adrian ansehen konnte. «Gut geschlafen?», fragte ich ihn. «Ja, neben einer wunderschönen Frau.» Ich kicherte. «Blödmann.» Ich lehnte mich zurück und genoss die Zweisamkeit. Lange hielt sie nicht. «Wollen Sie essen, Sir?» Mister Kuwak stand respektvoll einige Meter von uns entfernt. «Was gibt es?», fragte Adrian und legte mein Haar zur Seite.

«Spaghetti Bolognese mit einem griechischen Salat.» Adrians Augen fingen an zu leuchten. «Du magst Spaghetti gerne?», hakte ich nach. «Und wie», Adrian stand auf und reichte mir die Hand, die ich dankend nahm. «Spaghetti wir kommen», flüsterte ich und Adrian grinste mich an. Wie konnte jemand wie Adrian Spaghetti lieben? Ich dachte, dass er gewiss so ein reiches und ekliges Essen liebte. Doch Adrian verblüfte mich immer wieder. Der Tisch war schon gedeckt, als wir kamen und als würde die Köchin riechen, dass wir kamen, brachte sie uns das Essen.

 

 

****

«Ich muss gehen.» Ich lehnte an der Wand, Adrian stützte sich mit den Händen neben meinem Kopf. «Kann ich dich nicht überreden zu bleiben?», fragte er. Diese Situation erinnerte mich an gestern, als ich nicht wollte, dass er ging. «Tut mir leid. Meine Tante sollte nicht alles machen. Und ich muss mich noch herrichten.» Ich beugte mich weiter zu Adrian. «Heute kommt heißer Besuch.» Adrian grinste. «Was wirst du anziehen?», fragte er. «Leider nichts, dass kürzer ist als mein Knie. Ich muss guten Eindruck schinden.» Ich lächelte Adrian an.

«Meine Eltern mögen dich gerne und ich dich auch.» Ich schlüpfte unter ihm durch. «Das ruht auf Gegenseitigkeit. Wir sehen uns, Mister DiMonti.» Ich winkte ihm zum Abschluss und ging davon. «Und wie wir uns wiedersehen!», schrie er mir nach. Warum um alles in der Welt flirtete ich mit Adrian? Wir waren Freunde. Und mehr war da nicht. Ich hoffte, dass er das nicht allzu ernst nahm. Vor allem nicht, wenn der Flirtkönig das auch immer tat. Ich kam rasch bei mir an und wäre am liebsten wieder gegangen. In der Küche herrschte das reinste Chaos.

Es war nichts verbrannt, doch überall lag etwas herum.

«Soll ich dir helfen?», fragte ich nach. «Nein, nein, Mäuschen. Aber vielleicht könntest du schnell staubsaugen und wischen?», fragte sie mich. Warum machte sie sich so viel Mühe? «Tante? Es sind nur Adrians Eltern», beruhigte ich sie.

«Hat Adrian wirklich einen Ferrari? Bianca war gerade eben hier und hat es mir erzählt. Außerdem war sie beleidigt, da du nicht höflich zu ihr warst.» Ich lachte. «Ich habe nur gesagt, dass Adrian ein Penner ist. Und wenn sie das Auto angreift, die Polizei kommt und sie es bezahlen muss. Ihr passt es einfach nur nicht, dass ihr Sonnenscheinkind nicht diejenige war, die Adrian anbändelte.» Meine Tante sah von dem Topf auf. «Da hast du wahrscheinlich Recht.»

Sie lachte und machte sich dann sofort daran weiterzukochen. Ich sagte nichts mehr und fragte sie auch nicht was sie kochte. Stattdessen holte ich den Staubsauger und fing an die Räume zu saugen. Danach wischte ich den Boden und fragte doch nochmals, ob ich ihr denn nichts helfen konnte. Nach einem erneutem Nein ging ich hoch und duschte mich.

Es war fünf Uhr als ich fertig war und ich mich eincremte und föhnte. Die Haare machte ich zu einem französischen Zopf, den mir meine Mum beigebracht hatte. Ich zog mir den roten Spitzen-BH an und das dazu passende Höschen. Die Suche nach einem schönen Kleid beanspruchte die meiste Zeit. Ich fand einfach kein schönes Kleid, das mir bis zum Knie ging. Kurz vor sechs schlüpfte ich in mein rotes trägerloses Kleid, das mir fast bis zu den Knien ging und sich luftig leicht um meinen Körper schmiegte. Ich schminkte mich dezent und zog Ballerinas an.

Auf die Sekunde genau klingelte es und ich wunderte mich, wo die ganze Zeit geblieben war. Hatte ich nicht vor einigen Stunden mit Adrian am Swimmingpool gelegen und den Tag genossen? Auch meine Tante hatte sich rausgeputzt. Sie hatte eine wunderschöne hellgelbe Bluse mit einer schwarzen Hose an. Ihre Haare waren zu einem Knoten gemacht.

Meine Tante öffnete die Tür und begrüßte Adrians Eltern. Sie brachten sogar drei Flaschen Wein mit. Guten Wein, den ich sofort links liegen ließ, als ich Adrian sah. «Hallo Adrian.» Adrian blieb vor mir stehen und breitete die Arme aus. «Für den heißen Besuch?» Ich umarmte ihn kichernd und stellte fest, wie heiß er tatsächlich in diesem Anzug war. Dann setzten wir uns alle in unseren Essraum und die Erwachsenen fingen sofort eine Unterhaltung über die Arbeit an. Adrian und ich tauschten einen Blick und nahmen an unserer eigenen Diskussion teil.

«Du hast dich ganz schön angezogen», sagte ich zu ihm. «Ja, ich weiß. Das gleiche kann ich auch sagen. Ich sehe, dass dein Kleid nicht bis zu den Knien reicht.» Er berührte mein Knie und ging ein Stück hinauf, wo mein Kleid anfing. «Oh nein. Keine Berührungen, Mr. DiMonti. Sie wollen doch nicht, dass Ihre Eltern Sie wegzerren?» Adrian grinste. «Ein Versuch wäre es wert. Aber ich weiß auch, dass man das nicht macht. Wir sind schließlich Freunde.»

Ich nickte Adrian zu.

«Du hast es endlich gecheckt.» Ich musste grinsen. «Ja. Aber eines Tages wirst du meinem zauberhaften Charme unterliegen.» Ich lachte und jeder drehte sich zu mir. «Adrian ist nur witzig», murmelte ich. Meine Tante nickte und sie redeten weiter und tranken einen Aperitif. Um halb sieben wurde der erste Gang serviert. Meine Tante hatte sich übertroffen und ein vier Gänge Menü gezaubert. Meine Tante und ich gaben der Familie DiMonti eine Schüssel mit einer Tomatencremesuppe mit einer Ginmascarponehaube obendrauf. Ich musste schon sagen, dass es so lecker war, dass ich gerne noch einige Teller davon wollte. Ich wusste aber auch, dass ich nach dem vierten Gang mehr wie voll sein würde, weswegen ich keinen Nachschub verlangte. Auch die anderen wollten keinen mehr und nachdem wir alle mit dem ersten Gang fertig waren, räumten meine Tante und ich die Suppenteller weg und die Erwachsenen redeten weiter. «Lassen wir die Wir-sind-Freunde-Sache. Ich provoziere gerne.»

Ich sah ihn fragend an.

«Wie meinst du das?», fragte ich ihn. Er grinste mich an und streichelte sanft meinen Oberschenkel. «Das hier», flüsterte er und fuhr weiter hinauf. Adrian berührte mein Unterhöschen. «Was wird das?», fragte ich und atmete zu schnell. Es fühlte sich so fremd an, aber irgendwie auch so gut. «Ich verführe ein Mädchen», raunte Adrian und ich unterdrückte ein Stöhnen, als er in mein Höschen ging. Und ich wusste, dass wir das nicht tun sollten. Ich nahm Adrians Hand, die freie Hand auf meinen Körper hatte und legte sie zu seinen Schenkel. «Ich will nicht, Adrian. Ich will doch nicht einen Orgasmus bekommen, während deine Eltern und meine Tante hier am Tisch sitzen!», flüsterte ich streng zu ihm.

Adrian grinste mich an.

«Schade, wäre sicher unterhaltsam gewesen.» Ich warf ihm einen warnenden Blick zu und er grinste mich spöttisch an. «Was wirst du nach dem Schuljahr machen?», fragte Mr. DiMonti mich und lächelte mich an. Da die Matura erst Ende Juni stattfanden, hatte ich dieses Thema noch nie angesprochen oder darüber nachgedacht. «Ich will gerne irgendetwas mit Sprachen machen. Mir fällt das total leicht und ich liebe es», sagte ich.

«Vielleicht kannst du ja Dolmetscherin werden? Es ist nicht ganz leicht, aber der Job an sich ist gut. Vorausgesetzt man liebt die Sprachen – und das tust du ja.» Ich nickte. «Daran hatte ich auch schon gedacht. Es wird nur schwer sein so einen Job zu bekommen. Und wenn ich falsch übersetze bin ich hin.» Adrian lachte. «Ach, da fällt dir sicher was ein, was dich herausboxen wird.» Ich sah zu Adrian der mich angrinste. «Das glaube ich kaum», sagte ich. «Ich werde im Gericht nachfragen, ob sie einen Dolmetscher benötigen. Ich werde ein gutes Wort für dich einlegen.»

Wie oft hatte ich andere dafür gehasst, wenn sie ihre Beziehungen spielen ließen. Und das gleiche bot mir jetzt auch Mrs. DiMonti an. Und ich nahm es an.

«Das wäre nett. Danke.»

«Du bist zumindest ein zielstrebiges Mädchen, das schon ungefähr weißt wohin es will. Adrian liegt faul daheim und macht sich keine Gedanken.» Adrian zuckte mit den Schultern. «Ich bin reich. Ich brauche mir keine Gedanken darüber zu machen.» Ich wusste schon wo dieses Thema hinführte: zu Streit. Meine Tante und ich hatten den gleichen Gedanken, denn wir beide standen auf und brachten den zweiten Gang: Lachs auf Kartoffelrösti mit einer Honigsenfsauce.

«Rede über was anderes», flüsterte Tante Maddy, als wir in die Küche gingen und unsere Teller holten. «Über was?», fragte ich, doch sie setzte sich nieder und ich räusperte mich. «Wie gefällt euch Wien?», fragte ich, als alle Augenpaare mich ansahen. Nun fing eine Diskussion über Wien an. Es wurde mit Südtirol verglichen und mit Punkten vergeben. Adrian und ich wurden wieder einmal ausgeschlossen. «So langsam geht es mich an!», fauchte ich leise und stopfte mir Lachs in den Mund. Hatte ich nicht diese Frage gestellt? «Willst du jetzt für Unruhe sorgen?», hakte Adrian nach.

«Was? Nein! Meine Tante hat sich große Mühe gegeben, damit der Abend ein Erfolg wird. Und wir beide werden ihn nicht ruinieren!», sagte ich bissig.

«Der Nachtisch wird immer später serviert. Wir könnten hoch in dein Zimmer gehen?»

«..und fernsehschauen? Ja, das klingt super», beendete ich seinen Satz. Adrian lachte leise. «Ich hatte an was anderes gedacht, aber das können wir auch tun, während ich langsam mit meinen Fingern deinen Körper durchsuche. Vorher habe ich einen interessanten Platz gefunden.» Ich seufzte. «Oder ich werde dir oben im Zimmer deine Eier ausreißen.» Ich grinste ihn zuckersüß an. «Das klingt heiß», murmelte Adrian und sah mich verführerisch an.

«Vielleicht werde ich dein Angebot annehmen.» Ich sah ihn mit großen Augen an. Als ich mich gefasst hatte, schüttelte ich lachend den Kopf. «Es wird mir ein Vergnügen sein.» Ich nahm wieder eine Gabel voll Lachs mit der Sauce in den Mund. Ganz langsam und klimperte mit meinen Wimpern. Adrians Augen wurden wild und er biss sich auf die Lippe.

«Hast du was?», fragte ich nach und nahm einen Schluck vom Aperitif. «Versuchst du gerade das was ich meine?», fragte er leise. «Was meinst du denn?» Meine Stimme klang verführerisch und ich nahm wieder eine Gabel voll Lachs. «Das Spiel kann man auch zu zweit spielen, meine Liebe.» Ich hob meine Augenbraue. «Wirklich, Adrian? Bist du dir da sicher?» Ich berührte leicht sein Bein und spürte wie er unter meiner Berührung erregt wurde.

«Macht es dich an, wenn ich das tue? Oder das?», fragte ich und streichelte sein Bein und fuhr weiter hinauf. Adrian schluckte. «Welcher Mann findet das nicht toll?», fragte er. Ich grinste und biss mir auf die Lippen.

«Kim?» Ich schreckte hoch und sah mich um. «Ja?», fragte ich und hoffte, dass ich nicht rot wurde. «Ich wollte mich bei dir bedanken», fing Mr. DiMonti an und fuhr weiter: «Seit Adrian dich kennt ist er anders. Er lernt für eine Prüfung, die er gar nicht machen braucht und er sieht entspannter aus.» Was er mit entspannt wusste, konnte ich mir schon denken. Der Alkohol, die Drogen. Er wirkte entspannt. Aber so kannte ich ihn auch. Und als Adrian, den Flirtmeister.

«Das war sicher nicht ich, Mr. DiMonti. Ihr Sohn beginnt einfach den Ernst des Lebens zu kapieren», sagte ich und stieß Adrian mit den Füßen, da er – wie ich sah – lachen wollte. «Vielleicht fehlte Adrian einfach so ein Mädchen. Du bist wunderbar und tust Adrian gut. Sehr gut sogar.» Diesmal spürte ich wie ich rot wurde. «Ihr Sohn tut mir auch gut», sagte ich lächelnd. Ich fühlte mich unendlich freier mit ihm, als könnte ich die ganze Welt bereisen und ich hatte endlich mein Leben wieder. Ich war Adrian dankbar und ich mochte ihn gerne. Ich war gerne in seiner Nähe.

Am liebsten würde ich die ganze Zeit mit ihm verbringen. Und mit Linda und meiner Tante. Sie waren die wichtigsten Menschen in meinem Leben. «Meine kleine, süße Kim.» Adrian legte einen Arm um mich, obwohl das ein wenig schwierig wurde, da wir beide auf verschiedenen Sessel saßen. Ich lächelte Adrian an und seine Mutter fing fast an zu weinen.

«Ich danke Gott, dass er in deine Klasse gekommen ist», sagte sie und bevor alle anfingen zu heulen, fragte ich, ob jemand den dritten Gang haben möchte. Alle waren einverstanden und ich holte ihn. «Bleib sitzen, Tante. Ich mache das schon.» Ich stand auf und Adrian folgte mir. «Ich helfe dir.» Ich wollte protestieren, doch ich ließ es. Auf einmal fühlte ich mich richtig schlecht. Ich machte Adrian heiß und ließ ihn dann fallen. Ich würde mich entschuldigen müssen. Als wir in der Küche waren, fing ich an. «Ich bin ein Miststück!» Adrian legte die Arme auf meine Taille und zog mich näher zu sich. «Sind wir alle, Kim.» Er küsste meinen Hals und fuhr unter mein Kleid.

«Nein, ich bin das größte. Ich mache dich an. Und dann höre ich einfach auf. Ich mag dich Adrian. Ich bin gerne deine Freundin. Und als Freundin sollte ich das nicht machen.» Adrian hörte auf und sah mich verwirrt an. «Du machst ja nichts schlimmes», sagte er dann und nahm mich hoch. Er setzte mich auf der Theke ab und berührte mich überall wo er konnte. Doch. Das», Ich deutete auf Adrians Hände, die meine Beine streichelten, «darf man nicht machen. Oder das», Ich beugte mich vor und küsste seinen Hals, «gehört sich ebenfalls nichts. Vielleicht sollten wir beide lernen, diese Dinge nicht mehr zu tun.»

Adrian ging einen Schritt zurück.

«Vielleicht hast du Recht. Meine Eltern scheinen dich echt zu mögen. Und ich will dich nicht vergraulen.» Ich wollte sofort klarstellen, dass er das nie schaffen könnte, doch ich blieb still. «Sie werden sich schon fragen wo wir sind», flüsterte ich und hüpfte von der Theke. «Was gibt es denn?», fragte Adrian. «Schweinefilet mit einer Champignonsauce, frischem Gemüse, Speckbohnen und Gratin. Es wird dir gewiss schmecken», sagte ich grinsend und hatte Recht.

 

 

****

Nach dem dritten Gang gingen seine Eltern und meine Tante – ich glaube sie hatten schon ihr sechsten Glas Wein (?) – und gingen ins Wohnzimmer. Adrian und ich gingen hoch in mein Zimmer. Seit unserem Gespräch von vorhin, herrschte eine komische Stimmung. «Was ist Adrian?», fragte ich schließlich. Ich lag im Bett, Adrian stand immer noch bei der Tür, die jedoch abgeschlossen war. «Ich weiß nicht, was ich alles tun darf.» Er sah mich hilfesuchend an.

«Du kannst dich neben mich hinlegen und mich zum Lachen bringen?» Adria kam zu mir, legte sich neben mich und sah die Wand an. «Hören wir lieber Musik», sagte er und ich nickte. Ich schaltete den Radio ein und irgendein Mann sang davon, dass sein Leben eine Party war. «Dein Lied», murmelte ich und Adrian grinste mich an. «Ja klar. Mein Leben ist eine Party. Trotzdem bin ich hier und nicht in einer Disco.» Ich sah Adrian an. «Du hattest keine andere Wahl. Deine Eltern hätten dich mitgezerrt.» Adrian zuckte mit den Schultern. «Ich finde immer meine Wege. Nur – diesmal wollte ich nicht weg. Nicht, wenn ich weiß, dass ich ein hübsches Mädchen wiedersehen werde.»

Ich wurde rot.

«Hör auf damit.» Adrian grinste mich an. «Schauen wir mal was du alles hier hast.» Adrian stand auf und öffnete meinen Kleiderschrank. Er nahm ein paar Kleidungsstücke hinaus und warf sie zu mir. «Ein Rock, eine Hose, ein Top. Oh, das schöne rote Kleid», sagte er, während er die Sachen zu mir schmiss. Ganz plötzlich kam es und ich zog meine Hand sofort zum Bauch. Es kam wie jeden Monat pünktlich. Die Periode. Ich hatte schon ein gutes Gefühl dafür bekommen, was Bauchschmerzen waren oder was meine Regelschmerzen waren. Jeden Monat bekam ich, einen Tag vor der Menstruation, den netten Hinweis, dass ich sie bekommen würde. Und es hatte mich bis jetzt nicht enttäuscht.

Als ich wieder von meinem Bauch aufsah, sah ich, dass Adrian mich die ganze Zeit beobachtete. «Hast du Schmerzen?», fragte er und setzte sich. «Die sind in einer halben Stunde weg», sagte ich und Adrian nickte. «Oh, deine … wie sagen die Mädchen? Erdbeerwoche?» Ich wurde erneut rot. «Adrian! Darüber will ich jetzt wirklich nicht reden.» Er lachte nur. «Okay, okay. Wie lange hast du die denn noch?», hakte er nach. «Ich bekomme sie erst. Morgen ist es soweit und du wirst die nächsten paar Tage keine nette Gesellschaft haben.» Adrian stöhnte. «Warum müsst ihr dann immer so zickig werden?» Ich stieß Adrian vom Bett. «Weil wir es dürfen», meinte ich und lugte über mein Bett, um zu sehen ob Adrian weich gelandet war. «Und ihr werdet gewalttätig. Sehr sexy.»

Adrian lächelte mich verführerisch an und stand wieder auf. Ich öffnete meinen Mund. Hatten wir nicht ausgemacht, dass wir uns nicht mehr anmachten oder andere Dinge machten, die man nicht tat, wenn man nicht zusammen war? Ich kannte Adrian inzwischen richtig gut und ich wusste, dass er nun mal so war. Ich würde es nie schaffen, dass er damit aufhörte. Und ganz ehrlich? So gefiel er mir. Ich hatte mich an seine flirtende Seite gewöhnt. Ich hatte Recht mit den Schmerzen. Nachdem wir eine halbe Stunde lang im Bett lagen – die Kleidungsstücke wurden auf den Boden geschmissen – und Adrian mir eine Geschichte nach der anderen erzählte, spürte ich, dass die Bauchschmerzen verschwanden. «Mir geht es wieder gut», sagte ich und Adrian gab mir einen Rock und ein Top.

«Ich will sehen.»

Ich zog mir in einer Ecke die Sachen an und ging wieder zu Adrian. «Zu meiner Verteidigung, den Rock habe ich schon seit einigen Jahren. Ich bin herausgewachsen, doch ich konnte mich nicht von ihm trennen.» Dieser Rock konnte mit dem Rock im Einkaufszentrum mithalten. Er war sogar ein wenig kürzer. Adrian prustete los. «Ich sehe es.» Als er sich beruhigte, sah er mich wieder an. «Aber irgendwie ist es heiß.» Ich lachte. «Rock – bye, bye.» Ich ging wieder in die Ecke und zog ein Kleid an, das meine Tante mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte.

Es war aus einem wunderschönem meerblau und betonte meine Figur vorteilshaft. Außerdem zeigte es etwas von meinem Dekolleté und einen Teil des Rücken und meiner Schulter. Ich hätte es zuerst anziehen wollen, doch als ich die Länge betrachtete, wusste ich warum ich es nicht angezogen hatte. Es bedeckte nur einen kleinen Anteil meiner Oberbeine, doch es war sexy. Das wusste ich. Die Bestätigung fand ich bei Adrian, der mich intensiv musterte. Er schien alles aufzusaugen, nahm jeden Zentimeter von mir wahr. Ich bückte mich und schüttelte Adrian kurz. «Ich weiß, dass ich unglaublich scharf darin aussehe, aber würdest du nicht so schauen?», fragte ich und machte Adrians arrogante Stimme nach. Er blinzelte und lachte. «Zumindest weißt du wie du darin aussiehst. Unfassbar.»

Ich grinste. «Und jetzt ziehe es langsam wieder aus», raunte er und fasste sich ans Kinn. «Was?» Ich runzelte die Stirn. «Kostenloser Striptease oder?», fügte ich dann hinzu und schüttelte den Kopf. «Komm schon, Kim. Sei keine Spielverderberin. Ich habe dich schon fast nackt gesehen, also.» Er zuckte mit den Schultern, als würde das selbstverständlich sein. «Dann muss ich es dir ausziehen.» Er stand auf und zog den Reisverschluss auf.

«Adrian, das solltest du lassen. Haben wir nicht gesagt, dass wir das sein lassen?», fragte ich leise. «Ja, aber ich war nie gut darin etwas zu lassen, das ich immer tue.» Er berührte meinen Rücken, streichelte sanft meinen Arm. Ich versuchte ruhig zu atmen. Seine Berührung hatte etwas an sich. Ich wollte etwas erwidern, doch ich blieb still. Dann fiel mein Kleid zu Boden und ich stand in meiner Unterwäsche da. «Drehen», befahl er mir und ich drehte mich zu ihm um. «Du weißt, dass wir das nicht tun sollten.» Ich schüttelte ungläubig den Kopf. «Dennoch findest du es sexy, oder?»

Ich nickte.

«Ja und? Wir lieben uns nicht und ich lasse nicht jeden meinen Körper bestaunen.» Ich nahm wieder das Kleid in die Hand, das ich beim Dinner angezogen hatte. «Und soweit ich weiß, bin ich nur diejenige die sich auszieht!» Ich zog mein Kleid an und ging hinunter in die Küche. «Du kannst mich jederzeit ausziehen, Kim. Jederzeit.» Ich lachte. «Ich werde es mir merken, Adrian. In einem Moment wo du nicht damit rechnest, dann werde ich dein Angebot annehmen.»

Als wir unten ankamen, stand meine Tante und die Eltern von Adrians saßen. «Ich wollte euch zwei gerade holen. Es gibt Nachtisch.» Sie lächelte uns an und verschwand. «Habt ihr oben gelernt?», fragte sein Vater uns. Bevor ich antworten konnte, lachte Adrian. «Ja klar, Vater. Wir lernen.» Ich stieß Adrian in die Seite. «Adrian!», zischte ich und lächelte seine Eltern an.

«Wir haben geplaudert. Wir sind ein wenig zu müde um zu lernen.» Seine Eltern zeigten Verständnis. «Ja, das ist völlig in Ordnung. Wenn Adrian mit dir lernt, wird er es garantiert schaffen. Wann ist die Matura?» Seine Mutter schmiegte sich an ihren Mann. «Ende Juni. Ich glaube 24 bis zum 26 Juni. Ich bin mir aber nicht ganz sicher», antwortete ich ihrer Frage und in dem Moment kam meine Tante mit einem Tablett mit dem Nachtisch, einer Kanne Kaffee und Tassen. «Das sieht aber gut aus», sagte Emily und atmete den Duft ein. «Ich weiß, dass es Creme-Brulée ist. Aber welches?» Adrian und ich setzten uns zu ihnen und Tante Madeleine gab jeden einen Nachtisch.

«Espresso. Espresso-Creme-Brulée. Mit Vanilleeis», sagte meine Tante und Adrians Mutter stieß einen Schrei aus und entschuldigte sich sofort. «Ich habe das letztens bei dir gegessen, Madeleine. Es hat mich umgehauen.» Meine Tante bedankte sich und wir fingen an zu essen. Obwohl ich schon mehr als voll war, aß ich alles auf. Adrian sah mir fasziniert zu und ich musste kichern. «Beobachtest du gerne Leute, die essen?», fragte ich.

«Eigentlich nicht. Aber bei dir fasziniert es mich.» Ich schüttelte grinsend den Kopf. «Ich fühle mich zu beobachtet. Höre auf damit!» Adrian erwiderte mein Grinsen und aß weiter, ohne mich zu beobachten. «Wie ist es? Wie fühlst du dich dabei?» Ich beobachtete Adrian, wie er einen Löffel nach dem anderen aß. «Oh nein! Du tust das extra oder?», fragte ich und kniff die Augen zusammen. Er tat das, was ich vorhin gemacht hatte. Er aß verführerisch.

«Kleine Rache», flüsterte er sexy und aß weiter. Ich wendete sofort den Blick und nahm einen Löffel, ohne Adrian direkt anzusehen. Er konnte es verdammt nochmal viel besser. Ich schenkte Adrian keine Aufmerksamkeit und hörte der Unterhaltung zu, die die Erwachsenen führten. «Ich reise durch die ganze Welt. Einmal war ich in San Francisco. Auf Bildern sieht die Brücke riesig und wunderschön aus. Sie in echt zu sehen ist kein Vergleich dazu. Sie ist atemberaubend. Atemberaubend und so lang», redete Christopher und schenkte meiner Tante ein Lächeln.

«Warst du auch schon in Los Angeles? Die Stadt soll schön sein.» Christopher lachte. «Müll. Müll und Schmutz ist mir da sofort aufgefallen. Aber es hat auch seine schöne Seite, das muss ich zugegeben. Ich war im Griffith Park. Der hat ein Observatorium, von da aus kann man die Hollywood Hills sehen. Leider kann man in der Nacht nirgends unbeschwert herumgehen. Obdachlosen schlafen mit Matratzen oder auch ohne auf dem Boden und sind ein nicht schöner Anblick.»

Tante Maddys Augen leuchteten.

«Kim, wir müssen dort einfach hin. Egal ob Müll oder nicht.» Ich lachte. «Können wir Tante», sagte ich grinsend. «Wo warst du noch?», fragte meine Tante. «In Australien, Korea, Norwegen, Schweden, Afrika. Ich habe schon die ganze Welt gesehen. Bevor Adrian kam, gingen Emily und ich oft nach London und nach New York. Die beiden bieten viele Sehenswürdigkeiten. Wir haben da großartige zwei Wochen verbracht. Nicht war mein Schatz?» Emily lächelte.

«Ja.»

Sie sah zu Adrian und wieder zu ihrem Mann. «Nein! Bitte sagt mir jetzt nicht, dass ihr mich irgendwo in New York oder London erzeugt habt?» Adrian seufzte. «Ich glaube, das ist der falsche Ort um darüber zu reden, Adrian», tadelte seine Mutter ihn. «Das ist doch cool», sagte ich zu Adrian. «Ich wurde zuhause erzeugt. Du wurdest weit weg erzeugt.»

Adrian grinste.

«Themawechsel, bitte. Ich möchte nicht über so ein Thema reden», sagte er, doch er grinste. «Wie Sie wollen, Mr. DiMonti. Über was wollen Sie denn reden?» Adrian legte einen Arm um mich. «Wie um alles in der Welt hast du es geschafft, dass meine Eltern dich lieben?» Ich zuckte lachend mit den Schultern. «Wer könnte mich nicht lieben?», fragte ich und klimperte mit den Wimpern. «Keine Ahnung», murmelte Adrian. «Ich bin super. Mein Charme haut jeden um», sagte ich und Adrian grinste mich an. Meine Tante warf einen fragenden Blick zu mir und ich sah verwirrt zurück. Ich formte mit den Lippen ein ’Was ist?‘ und wartete auf eine Antwort. Sie deutete unauffällig auf Adrians Arm, der immer noch auf meiner Schulter lag. Ich schüttelte den Kopf, damit sie wusste, dass zwischen uns nicht lief. Sie lächelte mich an und redete weiter mit seinen Eltern. Adrian gähnte und ich musste kichern.

«Müde?», fragte ich und er nickte.

«Bitte. Was auch immer, aber lass uns was tun. Von mir aus auch spazieren.» Ich stand auf. «Dein Wunsch ist mir Befehl. Tante? Adrian und ich werden uns die Füße vertreten. Wir müssen unser Essen abbauen.» Emily lachte. «Das müssen wir alle, Kimberly.» Ich lächelte und Adrian und ich gingen hinaus. Er zuckte sein Handy heraus und sah auf die Uhr. Ich konnte sehen, dass es schon nach elf war. «Was ist das für ein Handy?», fragte ich und wollte es mir genauer ansehen. «Samsung Galaxy S4, meine Liebe. Kostet nur um die 600 Euro.» Ich schnaubte.

«Wie ungerecht die Welt doch ist. Manche bekommen alles, manche nicht», murmelte ich. «Ja es ist ein tolles Handy. Ich würde es dem Handy HTC One jederzeit vorziehen. Das ist auch erst neu herausgekommen. Aber das Samsung ist besser.»

Ich kicherte kurz.

«Tja, wir haben dieselbe Marke. Nur ist meines schon seit einigen Jahren out. Ich habe das Galaxy S2.» Adrian grinste und steckte sich eine Zigarette in den Mund. «Find ich super. Bleibe bei Samsung, außer es gibt ein besseres Handy.» Ich lachte. «Danke für den Tipp.» Wir bogen ab. «Weißt du überhaupt wohin wir gehen?» Ich sah Adrian an, der stehen blieb und sich umsah. So gut es halt ging. «Ich dachte du wüsstest den Weg», sagte Adrian und ich verhob mir ein Lachen.

«Weiß ich auch. Komm, weiter gehen.» Adrian lachte. «Ich habe jetzt echt gedacht, dass wir nicht mehr zurückfinden würden. Wir würden draußen übernachten müssen und eng beieinander schlafen müssen, da wir sonst erfrieren würden.» Diesmal musste ich lachen. «Gut, dass ich den Weg weiß, hm?» Adrian erwiderte darauf nichts und wir gingen schweigend weiter. «Weißt du, dass es in der Dunkelheit gruselig sein kann?», fragte Adrian mich leise.

«Das ist nur Irrsinn. Du bist alt genug, um das zu wissen, Adrian», tadelte ich ihn grinsend. «Ganz plötzlich kann es passieren. Und wuums!», er rüttelte mich, «Passiert es.» Ich kicherte. «War es das? Ich muss nämlich sofort heim und meine Unterhose wechseln. Ich hatte ja solche Angst.» Adrian stieß mich leicht in die Seite. «Du wirst schon sehen…», sagte er und grinste mich verschwörerisch an.

«Ich kann es kaum erwarten», murmelte ich und hakte mich bei Adrian unter. «Kannst du mich eigentlich gut sehen?», fragte ich ihn.

«Es geht so. Nicht alles, aber mit meiner Handytaschenlampe würde ich dich bestimmt super sehen. Warum?», fragte er skeptisch.

«Folge mir.»

Ich kannte den Weg schon in- und auswendig. Ich führte ihn zu einem Park, wo ein wunderschöner See stand, der nicht größer als 20 Meter war. Ich zog mir meine Schuhe und das Kleid aus und ging hinein. Das Wasser war kalt und ich unterdrückte einen Schrei. Ich tauchte auf und grinste Adrian an. «Komm, das Wasser ist nicht so kalt.» Adrian zog sich seine Hose, Schuhe, Socken und Hemd aus und ging auch hinein. «Verdammter Mist! Ist das arschkalt!» Adrian schwamm zu mir und spritzte mich an. «Dann musst du schwimmen. So gut es eben in diesem kleinen See geht», sagte ich und schwamm umher. «So wie ich», schrie ich ihm zu und schwamm wieder zu ihm. Ich nahm seine Hand und schwamm wieder. «Muss ich dir das Schwimmen beibringen oder was?», fragte ich ihn kichernd. «Nein, mir ist immer noch zu kalt.» Ich lachte. «Mein kleiner Hosenscheißer.» Ich ließ seine Hand los und spritzte ihn an. Adrian schrie auf und warf mir ebenfalls Wasser zu.

«Das nächste Mal wenn wir im Wasser sind, werden wir nackt schwimmen», sagte Adrian. «Ja klar», gab ich zurück und schwamm im Kreis. Auch Adrian fing an zu schwimmen. «Ich erinnere dich daran, Kim.» Ich konnte mir kaum vorstellen, wie er sich an das erinnern würde. Und sowieso werde ich demnächst nicht mehr ins Wasser springen.

Es war einfach noch zu kalt und das wusste ich jetzt. Im Schwimmbad war es wesentlich wärmer gewesen…

«An ein Handtuch hast du aber nicht gedacht.»

Ich drehte mich zu Adrian. «Oh… Wie sollten wir trocken werden? Wenn ich jetzt hinausgehe, erfriere ich!», sagte ich zu ihm und verzog das Gesicht. «Dummes Mädchen stürzte sich und ihren Freund in den Tod. Sie hatte nicht an die Konsequenzen oder an ein Badetuch gedacht», Adrian tat so als würde er tot sein. «Hör auf, Adrian. Das ist nicht witzig. Meine Tante bringt mich um, wenn ich mit einem nassen Kleid heimkomme. Du bist es wahrscheinlich schon gewohnt.»

«Dann musst du ein wenig die Kälte ertragen. Wir werden uns gegenseitig wärmen.»

Ein freches Grinsen breitete sich auf sein Gesicht auf.

«Okay.» Ich würde alles tun um nicht zu erfrieren. Um zwölf Uhr überkam mich die Müdigkeit und wir stiegen aus. Adrian und ich drückten uns fest, damit die Kälte nicht ganz zu uns kam. Und irgendwie half es. Ich schlüpfte in mein Kleid und hauchte meine Arme an, damit die Gänsehaut weg ging. Obwohl wir im Wasser waren, waren unsere Haare kaum nass geworden. Außer die Spitzen wurden feucht. «Nimm meine Jacke», sagte Adrian und legte mir die Jacke um.

Ich wollte protestieren, doch Adrian redete weiter: «Ich habe ein langes Hemd. Keine Widerrede, Kim.» Er zog sich seine Kleidung an und ich zog mir seine Jacke an. «Danke», flüsterte ich und wir gingen zurück. Er hatte einen Arm um mich gelegt und mich eng an sich gezogen. Sein Körper wärmte mich und ich war erleichtert, als ich mein Haus sah. Ich öffnete die Tür und ging ins Wohnzimmer, wo die drei immer noch redeten.

«Da bist du ja endlich!», sagte seine Mutter und stand auf. Sie drückte ihn kurz und ich gesellte mich zu meiner Tante, die mein Bein tätschelte. Dann warf sie mir einen strengen Blick zu. Ich grinste sie an und sah weg. Sie wusste Bescheid. «Wir waren nur im Park», sagte Adrian und setzte sich neben seinen Vater. «Wir werden jetzt fahren müssen. Du hast morgen Schule und dein Vater und ich müssen morgen auch früh auf sein.» Wir alle standen auf.

«Es war ein fantastisches Abendessen und ein toller Abend. Danke Madeleine.» Seine Eltern umarmten kurz meine Tante und dann mich. «Danke, Kimberly. Du veränderst Adrian», flüsterte seine Mutter mir zu und lächelte mich dankend an. Ich lächelte zurück und sie gingen. «Bye, bye Kim. Bis morgen.» Er umarmte mich und gab mir einen Kuss auf die Stirn.

«Schlafe gut, kleine Kim», hauchte er und ich wünschte ihm auch einen guten Schlaf. Nachdem sie weg waren, räumten wir das Geschirr weg. «Der See ist aber nicht fürs Schwimmen gedacht, Kim», tadelte mich meine Tante. «Ich weiß. Und es war eiszapfenkalt.» Meine Tante nickte. «Um so eine Jahreszeit geht man auch nicht schwimmen. Das müsstest du wissen. War es Adrians Idee?»

Ich schüttelte den Kopf.

«Nein meine. Weiß doch ich nicht, was mich da geritten hatte.» Ich verstaute das Geschirr im Geschirrspüler. Danach wünschte ich meiner Tante eine gute Nacht und ging ins Zimmer. Mir war immer noch zu kalt und ich zog mir einen kuscheligen Pyjama an. Dann deckte ich mich zu und versuchte zu schlafen, doch ein Piepen hinderte mich daran. Eine neue Nachricht.

 

Ich glaube ich werde morgen verkühlt sein. Trotzdem war es toll. Danke.

Adrian

 

Ich grinste und schrieb hastig zurück.

 

Du hast gerade ein müdes Mädchen beim Schlafen gestört. Fand den Abend auch super. Geh jetzt pennen.

Kim

 

Ich schickte sie ab und versuchte einzuschlafen, aber schon wieder piepte mein Handy.

 

Haha. Ich kann nicht pennen, ich bin kurz vor dem Erfrieren. Und nein, die zehn Decken nützen nicht viel.

Adrian

 

Ich musste kichern. So langsam wollte ich gar nicht mehr schlafen, sondern mit Adrian schreiben. Also drückte ich auf ‚Nachricht schreiben‘.

 

Zehn Decken und immer noch ist dir zu kalt? Suche bitte einen Arzt auf und lasse dich untersuchen. Vielleicht leidest du an Wahnvorstellungen?

Kim

 

Ich wartete auf die Antwort. Und wartete und wartete und wartete. Ich hatte mein Handy in der Hand, falls die Nachricht kam und ich sie öffnen konnte. Doch es kam nichts. Auch zehn Minuten später kam nichts und ich wollte schon die Hoffnung aufgeben. Er war wohl schon eingeschlafen. Es war ein langer Tag gewesen und die Müdigkeit hatte ihn einfach verschlungen. Ich legte mein Hady weg … und es piepte. «Willst du mich verarschen?!», fragte ich das Handy und sah es böse an. Doch dann öffnete ich die Nachricht und las sie durch.

 

Ich werde sofort einen Termin ausmachen. Soll ich für dich auch gleich einen ausmachen? Du weißt schon – du denkst, dass das Wasser im April warm ist. Das sollte unbedingt untersucht werden. Oder wir lassen das lieber, bevor man uns für gestört hält und in ein Narrenhaus steckt. Ich habe gehört, dass man da schwer wieder hinauskommt.

Adrian

 

Ich kicherte leise und schrieb zurück.

 

Morgen haben wir nachmittags Schule. Bis fünf, mein Lieber. Und ich brauche leider meinen Schlaf. Rufe ja nicht beim Arzt an, ich liebe mein Leben und will nicht umziehen müssen. Nicht dahin.

Gute Nacht, schlaf gut und träume nicht von dem Narrenhaus.

Kim

 

Diesmal kam die Antwort rasch.

 

Schwänzen klingt viel besser.

Gute Nacht, schlafe auch gut und träume von mir.

Adrian

 

Mit einem Lächeln auf dem Gesicht legte ich mein Handy beiseite und versuchte zu schlafen. Jedoch war ich nicht so müde, dass ich einschlafen konnte. Also stand ich auf und ging hinunter zur Küche, wo ich ein Glas mit Wasser füllte und es trank. Wahrscheinlich hatte mich meine Tante gehört, da sie mit ihrem Morgenmantel zu mir. «Kannst du nicht schlafen?», fragte sie mich und setzte sich zu mir auf die Theke.

«Nein. Irgendwie nicht. Habe ich dich beim Schlafen gestört?», fragte ich sie und sie schüttelte den Kopf. «Nein, nein, Kim. Ich konnte auch nicht schlafen. Vielen Dank, Kim. Adrians Eltern sind klasse und nett. Obwohl sie reich sind», sagte meine Tante.

«Oberreich; superreich; so reich, dass es reicher nicht mehr geht», fügte ich lachend hinzu und meine Tante lächelte. «Aber sie sind nett. Und in einem Monat sind wir bei ihnen eingeladen. Da kommt Christopher wieder von Australien und sie wollen, dass wir kommen. Ich habe zugesagt, da ich auch wusste, dass Adrian sich freuen würde.»

Ich runzelte die Stirn.

«Wir sind Freunde, Tante.» Sie nickte. «Ich weiß, ich weiß. Aber trotzdem habt ihr beide was an euch. Und das merke nicht nur ich.» Ich schüttelte den Kopf und versuchte zu verstehen was sie meinte. «Wie meinst du das?», hakte ich nach. «Wie ich es gesagt habe, Mäuschen. Ihr beide habt was an euch, wenn ihr zusammen seid», gab sie zu. Doch wieder verstand ich es nicht. Wir beide hatten nichts an uns. Gar nichts! «Haben wir nicht, Tante», murmelte ich und trank noch einen Schluck Wasser. «Ich brauche zwei Entschuldigungen für die Tage, die ich nicht in der Schule war.»

Meine Tante war zu müde um zu hinterfragen wofür eine Entschuldigung mit zwei Tagen. Sie schrieb irgendetwas auf einen Zettel und als ich es las, musste ich grinsen. Ich hatte schreckliche Kopfschmerzen und Übelkeit. Ich sah zur Uhr und erschrak. Es war schon zwei Uhr. Und ich hatte nichts geschlafen. «Ich würde gerne schlafen gehen, aber ich schlafe es nicht ein.» Meine Tante tätschelte meine Hand. «Versuche es. Du musst morgen fit sein. Wenn du heim kommst, erwarten dich Hühnerbruststreifen mit Salat und ein leckerer Nachtisch. Wir sehen uns wie jeden Montag nicht. Ich muss schon vor zwölf arbeiten. Die ganze Woche muss ich vor zwölf Uhr arbeiten.» Ich verzog das Gesicht. «Dann bekomme ich dich ja nie zu Gesicht», jammerte ich. «In der Früh könnte ich mit dir aufstehen», gab sie mir Hoffnung. «Nein, schlafe aus. Ich werde es überleben. Und jetzt gehe ich ins Bett. Ich bin müde und will schlafen.» Ich stand auf, trank mein Wasser fertig und gab meiner Tante einen Kuss.

«Gute Nacht», sagte ich. «Gute Nacht, Kim», gab sie zurück und ich ging in mein Zimmer. Da ich einen langen Pyjama angezogen hatte, war mir jetzt zu warm und ich zog mir ein Nachtkleid an. Danach kuschelte ich mich ins Bett – schon wieder – und versuchte diesmal in das Reich des Schlafes zu kommen. Doch auch diesmal ließ jemand es nicht zu. Mein Handy klingelte. Ich dachte schon es wäre Adrian gewesen, doch es war Linda.

 

Du hast mir eine Menge zu erzählen, Kim.

Ich hole dich morgen von der Schule ab. Wann hast du aus?

Linda

 

Ich schrieb jetzt nicht zurück, ich wollte verdammt nochmal schlafen! Und diesmal gelang es. So langsam spürte ich, wie die Müdigkeit Besitz von mir nahm und ich wegdriftete. Ich träumte von Adrian und wie wir im Einkaufszentrum im Subway ein Sub-Sandwich aßen und lachten.

Kapitel 7 – Montag, 15. April 2013

Trotz dem wenigen Schlaf, den ich diese Nacht bekommen hatte, stand ich es auf. Mein Handywecker ging nur zweimal ab und dann schlug ich die Decken weg und hüpfte aus dem Bett. Ich versuchte nicht laut zu sein, da meine Tante einen leichten Schlaf hatte. Unten machte ich mir ein Müsli, aß einen Apfel dazu und trank einen Pfirsich-Mango-Smoothie.

Es war das erste Mal seit Langem, dass ich nur das zum Frühstück aß. Meine Tante richtete sonst immer Rühreier oder andere leckeren Sachen her. Dennoch wurde ich satt und ich räumte alles in den Geschirrspüler und schaltete ihn auf. Ich ging hoch ins Bad und schon wieder enttäuschten mich meine Schmerzen nicht. Ich zog mir alles aus, schlüpfte in eine neue Unterhose und schob mir ein OB ein. Ich kämmte meine Haare, machte einen Pferdeschwanz, wusch mir das Gesicht und schminkte mich, nachdem ich meine Zähne geputzt hatte.

Als ich einen Blick nach draußen warf, sah ich, dass es heute nicht sonderlich schön wurde. Deswegen zog ich eine Jeans und einen dunkelroten, leichten Pullover an. Ich nahm meine Tasche, stopfte Schulzeug, die Entschuldigung, ein paar OBs, Schmerztabletten, meine Jause mit Wasser und Schminkzeug ein. Nahm mein Handy und schrieb dann Linda wegen der Nachricht von gestern zurück.

 

Habe erst um fünf Uhr aus. Was habe ich denn verbrochen?
Kim

 

Ich steckte mein Handy in die Hosentasche und machte mich auf den Weg zur Straßenbahn. Da Adrian in der anderen Richtung wohnte, musste ich alleine gehen, doch ich sah ihn in dem Moment, als er auch kam.

«Perfektes Timing!», schrie er mir zu, weswegen einige Leute hochschauten und zuerst ihn ansahen und dann mich. Adrian drückte mich und küsste meine Stirn.

«Hast du gut geschlafen?», fragte ich ihn. «Naja es geht. Den vorherigen Tag hatte ich irgendwie besser geschlafen. Du?»

Ich verzog das Gesicht.

«Um drei bin ich irgendwann ins Bett.» Ich hatte nur drei Stunden geschlafen. Das würde sich noch bemerkbar machen. Und ich hatte das üble Gefühl, dass es im Unterricht passieren würde. Ich musste gähnen. «Ich bin so müde!», sagte ich und lehnte mich an Adrian. «Falls ich irgendwann einschlafe, musst du mich sofort wecken. Ich habe keine Lust nachsitzen zu gehen. Oh! Morgen muss ich wieder gehen.», jammerte ich. «Dein letztes Mal. Ich habe noch die ganze Woche.» Ich schmiegte mich enger an ihn.

«Tut mir leid.», flüsterte ich und schloss die Augen. Ich war so müde… «Kim! Kim?! Nicht einschlafen, nicht einschlafen.» Adrian rüttelte mich leicht. «Tu ich doch nicht. Ich bin noch da.», murmelte ich. Am liebsten wäre ich nachhause gegangen.

Ich war tierisch müde und vor fünf konnte ich nicht mal schlafen. Da fiel mir ein, dass ich mit Linda was machte … oder redete. Ich hatte keine Ahnung was sie wollte oder was ich ihr erzählen sollte. «Es sind nur noch wenige Stunden.»

Ich sah ihn finster an. «Das sollte ein Scherz sein oder?», fauchte ich. «Sorry, hab vergessen, dass du diese Woche Erdbeersaft abgibst.» Ich stieß ihn in die Seite. «Lass das!», sagte ich bissig und vergrub mein Gesicht in seine Brust, da ich diese verflixten Schmerzen hatte. Das war die schlechteste Kombination: müde sein und Regelschmerzen zu haben. Zusammen war es schlimmer. «Ich bin tot. Lass mich hier liegen.», sagte ich. «Nein! Komm, die Straßenbahn ist da.», sagte er beruhigend.

Adrian stieg ein und suchte einen Platz, aber wie immer war keiner frei. «Vergiss es, da ist keiner frei.» Adrian ging weiter nach hinten und blieb bei einem Platz stehen, wo zwei Mädchen sich unterhielten. «Entschuldigung, ich wollte fragen, ob sich das Mädchen hierhin setzten kann. Sie hat ihre Tage und schreckliche Schmerzen.», sagte Adrian und setzte sein super Lächeln ein. Die Mädchen wurden weich und eine ließ mir den Platz.

«Danke.», sagte ich.

Adrian kam zu mir und ich lehnte wieder den Kopf an ihn. «Hast du keine Tabletten hier?», fragte er mich. «Doch, aber ich will sie jetzt nicht nehmen.» Ich verzog das Gesicht, als es wieder stach. «Seit ihr zwei immer in dieser Straßenbahn?», fragte das Mädchen, dass jetzt auf den Schoß ihrer Freundin saß. «Ja, immer.», gab Adrian zurück.

«Möchtest du auch hocken?», fragte ich ihn. «Wie denn, Kim?» Ich stand auf, ließ ihn hinsetzen und setzte mich dann auf seinen Schoß. Adrian streichelte meinen Rücken, während ich versuchte den Schmerz zu verbergen. «Seit ihr auch immer in dieser Bahn?», fragte Adrian. «Ja, immer.», beantwortete das andere Mädchen Adrians Frage.

«Ich bin Adrian und das ist Kimberly.» Wir reichten den Mädchen die Hand und sie schüttelten sie. «Ich bin Olivia und das ist Beatrice.», stellten sich die Mädchen vor. Beatrice war das Mädchen, das auf dem Schoß des Mädchens – Olivia hieß sie – saß.

«Vielleicht könntet ihr uns jeden Tag einen Platz besetzen?» Adrian schenkte ihnen wieder ein gigantisches Adrian-Lächeln und die beiden schmolzen dahin. «Ja klar. Beatrice wird uns einen Platz besetzen und ich auch zwei.», sagte sie und lächelte.

«Das wäre nett. Danke.» Danach widmete sich Adrian wieder mir und streichelte sanft meinen Bauch. Irgendwie hörten die Schmerzen auf und ich lehnte mich zurück. «Die ersten sind vorbei.», flüsterte ich und Adrian riss erschrocken die Augen auf. «Die ersten? Es wird heute noch mehrere geben?» Seine Stimme klang schockiert. «Ja, tut mir leid. Komm wir müssen aussteigen. Danke euch beiden.» Ich stand auf und Adrian verabschiedete sich auch.

«Bis morgen.», sagte er und wir stiegen aus. Die beiden schienen in eine andere Schule zu gehen, weswegen sie noch nicht ausstiegen. «Bis morgen!», schrien die beiden uns noch nach. «Der ist heiß.», hörte ich Olivia dann sagen und die andere kicherte. Adrian schien es nicht mitbekommen zu haben, oder aber er ignorierte es.

Ich hakte mich bei Adrian ein und wir gingen in unsere Klasse. «Hast du die Entschuldigungen mit?», fragte ich Adrian, der nickte. «Meine Mutter hat gestern nicht mal nachgefragt warum. Wahrscheinlich hatte sie ein wenig zu viel getrunken. Naja es war dann mein Glück.» Wir setzten uns hin und in dem Moment spürte ich, wie mein Handy vibrierte. Eine Nachricht.

 

Ich hatte gestern Besuch. Du wirst schon noch erfahren von wem. Viel Spaß in der Schule. Bin um fünf vor der Schule, vergiss das nicht.
Linda

 

Ich steckte mein Handy zurück, denn es klingelte zum Unterricht. «Du musst heute noch unbedingt mit mir lernen. Wegen dem Austauschprogramm. Ich habe mich am Freitag angemeldet.» Ich nickte. «Aber heute geht es erst um acht oder so. Linda will mit mir über was reden.», sagte ich.

«Okay. Hauptsache du lernst heute noch mit mir.» Ich grinste Adrian an. «Vielleicht komme ich heute früher weg. Ich habe so das Gefühl, dass es ein nicht nettes Gespräch wird.» Adrian wollte was erwidern, doch schon kam unsere Professorin für Sprachen in die Klasse. «Ihr habt eine neue Konkurrenz beim Austauschprogramm. Mr. DiMonti.»

Einige sahen Adrian an und tuschelten. Ein Junge von hinten schrie vor, dass er das nicht mehr schaffen würde und Adrian so wie er war, maulte zurück. «Wer ist euer Klassenbester?», fragte er in die Klasse und die Finger wurden auf mich gezeigt.

«Siehst du. Ich habe die besten Chancen es zu schaffen. Kim, wird mit mir lernen.» Er betonte extra meinen Namen. Keine Ahnung wieso. «Ohne mich hättest du dich doch nie angefreundet.», gab der Junge zurück. «Was redest du für einen Müll. Du hast nur gesagt, dass sie nicht so ist wie sie tut. Und ich weiß es jetzt besser, Mistkerl!»

«Mr. DiMonti!» Adrian zuckte mit den Schultern. «Nicht meine Schuld. Dieser Dreck … er hat sich einfach nicht im Griff. Das einzige was er wollte, war sie flachzulegen!» Ich schnappte erschrocken nach Luft. «Adrian!», tadelte ich ihn und versuchte ihn zu beruhigen. Ich hatte Erfolg, denn er wendete den Blick von dem Jungen, wessen Name ich nicht mal wusste, und sah mich an. Er lächelte und ich erwiderte es. «Sie werden wirklich mit Mr. DiMonti lernen?», fragt die Professorin mich und ich nickte nur.

«Ja, werde ich. Könnten wir jetzt den Unterricht fortsetzen?», fragte ich und sie tat, was ich sagte und wir lernten neue Vokabeln.

 

«Ich erwarte dich um halb sieben bei mir.», sagte ich zu Adrian, als wir hinausgingen. Es war fünf Uhr, wir hatten endlich aus. Der Nachmittagsunterricht hatte sich in die Länge gezogen und zweimal hatte ich herumgezickt. Natürlich nur bei Adrian.

«Halb sieben. Ich hoffe du bist da.» Ich grinste und umarmte ihn kurz, bevor ich zu dem Auto ging, das Linda gehörte. «Hey Linda.», begrüßte ich sie und sie begrüßte mich auch. «Hallo, Kim. Fahren wir zu mir heim.», sagte sie und fuhr los. «Was ist denn so wichtig zum bereden?», hakte ich nach. «Nicht jetzt. Warte bis wir bei mir sind.»

Sie fuhr ein wenig zu schnell, doch ich bemängelte sie nicht, da sie heute eine komische Stimmung hatte. Als wir ankamen, ausstiegen und in das Haus gingen, fing sie an. «Valentin war gestern bei mir.» Ich sah sie an. «Und?», hakte ich nach.

«Du hast dich benommen wie ein Arschloch, Kim. Er hat mir erzählt, dass ihr es versuchen wolltet und als er dich was persönlich gefragt hatte, bist du abgehauen.» Ich zuckte mit den Schultern. «Wir hatten auf einer Party rumgemacht, Linda. Mehr war nicht.» Sie machte sich einen Kaffee und sah mich dann fragend an. Ich schüttelte den Kopf.

«Ist es wegen Adrian?», hakte sie nach. «Nein? Mensch, was habt ihr alle? Wir sind Freunde!», zischte ich und funkelte sie zornig an. «Ich habe doch nur gefragt.» Ich setzte mich nieder. «Ich habe meine Tage, ich bin heute schon den ganzen Tag so drauf.» Sie sah mich mitleidig an. «Da werde ich auch immer zu einer monstergewordenen Zicke.»

Wir lachten. «Willst du Valentin wirklich keine Chance geben? Er ist nett und süß … und du hast es ihm angetan. Er hat mich allen Ernstes gefragt, ob er was Falsches getan hatte.» Ich sah zum Boden. «Hat er nicht. Das kannst du ihm sagen. Aber ich will derzeit nichts Festes. Vielleicht in ein oder zwei Wochen. Man kann nie wissen.», sagte ich. «Willst du es ihm nicht selbst sagen? Ich könnte ihn anrufen und her schicken.» Ich schüttelte den Kopf.

«Nein, wenn ich ihn ansehe, gebe ich uns beiden eine Chance. Und zurzeit will ich nichts.» Linda nickte. «Okay, ich werde es ihm sagen.» Meine Antwort bestand aus einem dankenden Lächeln. «So, da das geklärt wäre, gehen wir über zu dem normalen Zeug. Wie war das Wochenende?», fragte sie mich. «Gut. Adrian und seine Eltern waren bei uns zum Abendessen. Eigentlich habe ich das ganze Wochenende mit Adrian verbracht. Wie war deines?»

Sie grinste. «Ich habe meines mit Richard verbracht. Er ist überhaupt kein Arschloch. Er ist super. Und jetzt wieder zu dir. Das ganze Wochenende mit Adrian? Bist du dir sicher, dass zwischen euch nichts läuft?» Ich sah sie zornig an. «Ja bin ich mir.» Sie beruhigte mich. «Okay, okay. Einatmen und ausatmen. Ihr verbringt nur viel Zeit miteinander, das ist alles.» Ich sah nach draußen, wo es begonnen hatte zu regnen. Den ganzen Tag über war es bewölkt und windig gewesen.

Die Mittagpause verbrachten Adrian und ich in der Schule. Wir hatten uns eine Kleinigkeit gekauft und in der Klasse gegessen. Und dabei hatten wir eine Stunde lang lernen können, was wir auch taten. Ich hatte ihn die ganze Zeit ausgefragt und er hatte fast alles richtig. Fast. Als er einen Satz das Vokabel liefern mit fischen verwechselte, musste ich lachen, doch er hatte auch eine Menge gelernt. «Wetten, dass hätte jeder verstanden? Egal ob liefern oder fischen.»

Er hatte lässig mit der Schulter gezuckt. Meine Antwort kam lachend: «Klar, Adrian. ‚Wir liefern Ihre Bestellung so schnell wie möglich‘ klingt gleich wie ‚Wir fischen Ihre Bestellung so schnell wie möglich‘» Danach konnten wir uns vor Lachen kaum halten. Ich musste bei dieser Erinnerung schmunzeln und kehrte zurück zu Linda.

«Ja das tun wir, aber wir sind nur befreundet, Linda. Mit dir verbringe ich auch Zeit.» Sie lachte. «Ja, aber das ist ein bisschen anders. Wir sind Mädchen. Adrian ist ein heißer Feger und du bist eine unglaubliche und hübsche Frau. Lange wird es nicht mehr gut gehen und ihr werdet im Bett landen.» Ich kicherte. «Das war direkt, Linda. Sehr direkt. Aber bis jetzt habe ich ihn abgewimmelt. Es wird nicht zu Sex kommen. Ich weiß, was ich will. Und das ist seine Freundin zu sein. Freundschaftlich.»

Linda schien es endlich kapiert zu haben. Warum um alles in der Welt, dachte jeder so? Benahmen wir uns so oder was war es?

«Okay, ihr seid befreundet. Und mehr ist nicht. Gecheckt.» Wir standen auf und gingen ins Wohnzimmer, wo wir uns auf die Couch schmissen und Linda mir mehr von Richard erzählte. «Unser erstes Date war der Hammer. Er hat mich zum Essen eingeladen. Ein vornehmes Restaurant und er hat bezahlt. Danach gingen wir in den Park, spazierten umher und lachten viel. Nachdem gingen wir Kino und naja … wir haben die restlichen Dates vergessen und haben rumgeknutscht und uns betatscht.» Linda war auf Wolke Sieben. Das konnte ich sofort erkennen und so ließ ich sie weiter schwärmen.

«Er hat mir zum Geburtstag was geschenkt. Obwohl wir uns kaum kennen. Eine wunderschöne Halskette aus Silber. Hier ich trage sie sogar.» Sie zeigte mir die Kette und ich musste zugeben, dass sie traumhaft schön war. «Hast du Adrians Geschenk mitbekommen?», fragte sie plötzlich. Sie ließ mich jedoch nicht reden sondern tat es selbst. «Einen Dreihundert Euro Gutschein von Dolce & Gabbana. Und die geilsten Pralinen der Welt. Hier, ich habe noch welche.»

Ich nahm mir eine und ließ sie im Mund zergehen. Linda hatte Recht. Das war die leckerste Praline, die ich je gegessen hatte. «Ich würde gerne mit dir zu D&G gehen. Diese Woche noch. Ich würde gerne sehen, was für schöne und teure Kleider die haben. Oder eine abgefahrene D&G Tasche. Schuhe, Sonnenbrille. Egal was, Hauptsache es ist schön und von Dolce & Gabbana.»

Ich musste lachen, da sie sich wie ein Kind darauf freute. «Ich würde dich gerne begleiten und dir beim Aussuchen helfen. Aber bis Donnerstag wird es nicht gehen, ich muss lernen.» Sie strahlte mich an. «Das wird toll. Vielleicht bekommst du auch von Adrian einen Gutschein. Da er dich besser kennt, gewiss ein bisschen mehr.» Ich seufzte. «Daran will ich nicht denken. Er wollte mir zum Geburtstag einen Audi R8 Spyder kaufen.» Ich verdrehte die Augen und Linda quiekte.

«Was? Oh Gott, das ist ja abgefahren.» «Das finde ich auch.», gab ich zu und fügte hinzu. «Aber das will ich nicht. Ich werde nie so etwas für ihn kaufen. Und ein Auto um … keine Ahnung wie viel Geld will ich auch nicht.» Linda schüttelte mich. «Er ist reich. Lass ihn das Auto kaufen. Ein Audi R8 ist klasse, ein Audi R8 Spyder ist gigantisch.» Ich stöhnte.

«Ich will aber keines, Linda. Das ist zu viel.»

Doch sie verstand mich nicht.

«Für ihn ist es nichts. Wie ein Lollipop.» Das war dass, das uns unterscheid. Linda würde so etwas annehmen, sie wollte coole Dinge haben, die neuesten Kleidungsstücke. Ich hingegen nicht. Ich brauchte diese Dinge nicht. «Wofür brauche ich es? Ich habe noch keinen Führerschein und werde erst einen machen, wenn ich die Schule abgeschlossen habe.», sagte ich. «Ich würde es annehmen. Du wirst dir auf ewig Vorwürfe machen.», versuchte sie es erneut.

«Können wir über was anderes reden? Dieses Thema geht mir gewaltig auf die Nerven!» Linda sah nicht so aus, als würde sie über etwas anderes reden wollen, doch sie widerstand dem Drang und wechselte das Thema. «Wann musst du zuhause sein?», fragte sie mich. «Müssen muss ich nicht. Aber Adrian erwartet mich um halb sieben zum Lernen.»

Sie sah mich grinsend an. «Hör auf! Wir lernen die Sprachen, die wir für das Austauschprogramm benötigen!», sagte ich ein wenig bissig. «Dann haben wir fast keine Zeit mehr. Es ist fast sechs und ich brauche zwanzig Minuten zu dir. Tja, dann bleiben uns noch zehn Minuten.» Sie stand auf und ging wieder in die Küche. Nach zwei Minuten kam sie wieder.

In der Hand hatte sie die CD, die ich ihr geschenkt hatte. Sie steckte sie in die kleine Stereoanlage und die Stimme von keine Ahnung wem erklang. «Ich wollte sie unbedingt hören, bevor du gehst. Da oben sind so die tollen Lieder. Ich liebe sie – und ich denke, dass dir das eine oder andere auch gefallen wird.» Ich lauschte der Stimme, hörte mir die Sätze an, die er sang.

«Ja, das gefällt mir in der Tat. Wie heißt das Lied?», fragte ich. «Let her go. Ich liebe dieses Lied einfach. Er singt es so gefühlsvoll und ahhh einfach traumhaft.» Nach dem Lied kam Pink, etwas von Taylor Swift und Capital City. Danach mussten wir losfahren.

Die ganze Fahrt über summten wir ‚Let her go‘ von Passenger und verabschiedeten uns dann vor meinem Haus. «Wir sehen uns diese Woche noch fix, Kim. Nachdem du von dem Lernknast draußen bist.» Wir umarmten uns. «Ich werde mir Zeit für dich nehmen.», sagte ich und stieg aus. Wir winkten uns noch nach und ich ging zur Haustür. Adrian lehnte am Boden und ich sah panisch auf die Uhr. Ich hatte nur eine halbe Minute Verspätung.

«Sitzt du gut da unten?», begrüßte ich Adrian. «Eigentlich nicht. Ich habe nur auf dich gewartet.» Er stand auf und wartete bis ich aufsperrte. «Du musst dich noch ein wenig mit dem Lernen gedulden. Ich habe Hunger – da könnte ich sogar morden, damit ich was bekomme.» Adrian lachte kurz.

«So einen großen hast du schon?» Ich nickte eifrig und wärmte mir das Essen auf. Ich öffnete den Kühlschrank um zu sehen, welchen Nachtisch mir meine Tante gemacht hatte. Den hatte sie gestern zwar erwähnt, mir jedoch nicht gesagt, welcher Nachtisch.

Ich schrie auf, als ich sah, dass meine Tante mir Panna Cotta in einem Glas mit Beeren oben drauf gemacht hatte. Ich liebte meine Tante. «Gibt es was Gutes?», fragte Adrian mich, der meiner guten Laune nicht entgangen war. «Panna Cotta mit Beeren. Du darfst gerne was probieren. Aber zuerst esse ich die Hauptspeise.» Ich gab Adrian die Hälfte, da er auch noch nichts gegessen hatte.

Daneben lernten wir wieder.

Adrian wurde immer besser und schließlich konnte er meine Sätze sofort übersetzen.

«Das waren jetzt die eher einfacheren. Jetzt kommen die mittleren und dann die schweren. Die schweren muss ich auch noch üben, da ich nicht alle gut kann.» Adrian lachte. «Du solltest Nachhilfelehrerin werden. Wer hätte gedacht, dass ich jemals Französisch kapieren würde?» Ich lächelte und wollte etwas ansprechen, dass ich wahrscheinlich nicht tun sollte. «Heute in Französisch. Dieser Junge da – wollte er mich wirklich ins Bett bekommen?»

Adrian nickte. «Ja, aber der hat sie nicht mehr alle. Hat er dich je angesprochen?», hakte er nach. «Nein, das ist ja das komische. Geht ihr Jungs alle nur aufs Aussehen?» Wenn das so war – und das war es sicherlich – dann waren alle Jungs scheiße. Ich ging nicht nach dem Aussehen. Nicht ganz. Man sollte auch den Charakter des Menschen erfahren, wie er so war. Erst dann dachte ich über eine Beziehung nach. Und wenn ich eine hatte, kam erst Sex mit ins Spiel. Vorher nicht.

«Ja.» Adrian versuchte erst gar nicht zu lügen.

«Aber auch nach den inneren Werte. Ein paar jedenfalls.» Ich sah zu Adrian. «Gehörst du dazu?», fragte ich und wünschte mir nur eines: dass er Dazu gehörte. «Früher nicht. Jetzt schon.» Meine Zweifel verschwanden und ich musste grinsen. «Wie bist du dazu gekommen?», fragte ich. «Ein super Mädchen hat mich das gelehrt.», sagte er. «Das muss wirklich ein klasse Mädchen sein.», gab ich zu.

«Ja, sie sitzt neben mir.» Ich lächelte und drückte Adrian an mich. Vielleicht hatte Emily Recht und ich tat Adrian wirklich gut. Aber er tat mir auch gut. Er zeigte mir, was leben bedeutete. Und dazu gehörte auch einmal zu schwänzen und enorm viel Spaß zu haben.

Auch Adrian kam zu dem, denn er sagte: «Meine Mutter hatte Recht, Kim. Du tust mir gut. Ich hatte mein Leben bis jetzt nie hinterfragt, meine Zukunft war mir egal. Mädchen habe ich tonnenweise … naja du weißt schon was. Aber jetzt? Jetzt will ich einen guten Job haben, dazu gehört ein gutes Zeugnis. Ich habe sogar daran gedacht, die Zigaretten weg zu lassen.» Ich staunte.

«Wirklich? Adrian, das ist toll.» Ich musste ihn wieder umarmen. «Ich weiß, ich weiß. Aber hören wir jetzt damit auf, ich sollte lernen.» Und schon waren wir wieder beim Lernen.

 

 

****

«Was willst du für ein Zeugnis haben?», fragte ich. Adrian und ich lümmelten auf der Couch, eine Chipspackung neben uns. Das Lernen mussten wir nach zwei Stunden lassen. Jetzt war es kurz nach neun und ich freute mich, dass Adrian noch ein wenig länger blieb. Meine Tante kam erst um elf Uhr und ich würde sie wahrscheinlich nicht sehen, da ich zu dieser Uhrzeit im Bett sein würde.

«Ich will meine ganzen Vierer ausbessern oder zumindest nur mehr einen haben. Und die Matura sollte ich auch gut abschließen. Aber ich weiß, dass ich es schaffen werde.» Ich nahm mir Chips und stopfte sie in den Mund. «Ich werde dir natürlich helfen. So gut es geht.» Adrian zwickte mich leicht in den Arm. «Vielen Dank, Miss Montgomery.», bedankte er sich.

«Gern geschehen, Mr. DiMonti.», sagte ich kichernd. «Warum fährst du fast nie mit deinem Wagen zu mir?», fragte ich ihn. «Sollte ich? Ich dachte mir, so betreibe ich ein wenig Sport. So weit ist es ja nicht.» Ich nickte. «Das stimmt.», gab ich zu und drehte mich auf den Rücken. Adrian blieb weiterhin auf dem Bauch liegen. «Weißt du, dass ich noch nie so viel gelernt habe?» Ich schmunzelte.

«Das ist ein Witz, oder? Bitte sage mir, dass das ein Witz war...», murmelte ich. Adrian jedoch schüttelte grinsend den Kopf. «Das war mein voller Ernst. Ich bin die letzten Jahre immer so durchgekommen. Wenig lernen und viel Spaß war mein Motto.» Ich glaubte es sofort. So hatte ich Adrian am Anfang eingeschätzt. Doch er hatte sich verändert und mit ihm auch ich. «Ich bin froh, dass ich geschwänzt habe. Das war das Beste was mir passieren konnte.», sagte ich und Adrian umarmte mich.

«Weißt du, dass gleiche denke ich auch jeden Tag, wenn ich mit einem so fantastischen Mädchen Spaß habe.» Adrian konnte einfach manchmal seine süßen Momente haben. In diesen Momenten war er einfach klasse. War er so von überhaupt nicht Adrian-mäßig. Ich lächelte Adrian an und er erwiderte es sofort. «So jetzt haben wir unser Herz ausgeschüttet. Was machen wir jetzt?», fragte Adrian. «Was willst du machen?», hakte ich nach, bereute die Frage aber sofort. Ich konnte mir schon vorstellen, was er wollte. Doch statt dem üblichen Spruch, kam was völlig anderes.

«Wir sollten nur hier liegen und reden.» Ich sah ihn perplex an. «Reden?», rutschte es mir raus. Ich war so felsenfest davon überzeugt, dass er wieder anfing. «Ja reden. Reden wie Freunde, Kim.» Ich grinste. «Das ist ja toll. Ich habe heute mit Linda ein Gespräch über den Partyknutschgefährten geführt. Der ist allen Ernstes zu ihr gegangen um über mich zu reden!» Ich schüttelte den Kopf. «Vielleicht hat er dich gerne?» Wieder machte Adrian mich sprachlos.

Was war denn heute los? Was war mit dem üblichen draufgängerischen, verführerischen Adrian? «Er kennt mich doch überhaupt nicht! Das einzige was er kennengelernt hatte, war mein Name, mein Alter und meinen Mund!» Adrian grinste. «Manche Jungs haben ein Gespür für Mädchen. Du weißt ja gar nicht, was wir alles denken. Über Mädchen denken.»

Ich musste lachen. «Die will ich flachlegen und die auch. Boah, sie dir die heiße Braut da hinten an – mit der steige ich auch in die Kiste. Die hat riesen Titten, die wird auch mit mir im Bett landen. Was bekomme ich, wenn ich mit all diesen noch vor morgen Abend in die Kiste steige?», sagte ich mit einer Jungenstimme.

«Kim!», tadelte Adrian und verhob sich ein Grinsen. «Was denn? Ist meine Jungenstimme nicht sexy?», fragte ich in einer tiefen Stimmlage. Und da war es mit Adrian geschehen. Er lachte sich schief und ich konnte nur mitlachen.

«Du bist das verrückteste Mädchen der Welt.», sagte Adrian. «Vielen Dank.», gab ich zurück. «Wer hätte gedacht, dass wir zwei gute Freunde werden.», meinte er und ich pflichtete ihm bei. «Ich fand dich arrogant und als du mir Gras angeboten hast, dachte ich du seist vollkommen abgefuckt.» Adrian sah mich an. «Und ich habe mir gedacht, dass du der Inbegriff von Streber bist mit einem großen Hauch ‚Leckt mich alle‘» Ich sah ihn mit großen Augen an. «Wow.», sagte ich und stand auf. So langsam fragte ich mich wirklich wie ich auf die anderen gewirkt hatte.

War ich für alle das was Adrian sagte? Wenn ja, oh Gott, ich konnte daran nicht denken, ohne dass sich mein Magen beschwerte und ich sicherlich kotzen musste. Inbegriff von Streber. Großen Hauch ‚Leckt mich alle‘. Mir wurde schwindelig.

«Kim? Das hat sich geändert.», versuchte er die Situation zu retten, doch ich hatte dieses Bild vor Augen, wie ich jeden so ansah. Haltet euch ja fern von mir und leckt mich! Alles schwirrte in meinem Kopf und ich wollte am liebsten, dass er mir das nie gesagt hatte. Fand mich jeder so? «Kim?!» Er berührte meinen Arm und nahm mich in den Arm. «Mache dir nicht immer solche Gedanken.», beruhigte er mich.

«Mache ich mir aber!», fauchte ich.

«Wer denkt noch so über mich? Was denken sie über mich?!», schrie ich Adrian förmlich an.

Er zuckte kurz zusammen. Wahrscheinlich hatte er mich noch nie so aufgebracht gesehen.

«Nicht viele, Kim. Lass sie doch denken was sie wollen. Sie wissen es nicht besser. Nur du … und ich wissen es. Deine Freundin weiß es, deine Tante, meine Eltern, sogar Mister Kuwak. Der Rest sollte dir egal sein. Sie sind alle Arschlöcher, wenn sie was Blödes über dich denken. Du bist ein großartiges, hübsches und schlaues Mädchen, das es nicht immer einfach hatte.»

Ich sah ihn an und lächelte. «Das war jetzt das netteste was du mir zu mir gesagt hast.» Ich ging zu ihm und legte die Arme um ihn. Er erwiderte meine Umarmung. «Ich sage nur das, was ich denke.» Ich kicherte. «Du denkst zumindest was Normales.» Ich fuhr mir durch die Haare, um sie ein wenig zu richten, doch stattdessen fielen sie in alle Richtungen. Adrian musste lachen. «Aber nur manchmal. Manchmal denke ich nicht so. Da denke ich … etwas, dass nicht kinderfrei ist.» Ich sah ihn gespielt schockiert an. «Adrian, Adrian, Adrian. Du bist ein schlimmer Junge.»

Er grinste mich frech an. «Du bist auch nicht so heilig, liebe Kim.» Ich nickte mit einem breiten Grinsen. «Man soll nicht immer brav sein, Adrian. So wird das Leben doch schnell langweilig.» Diesmal nickte Adrian. «Ich finde es gut, dass du so denkst.» Ich legte mich wieder nieder und sah Adrian an. «Wirklich? Ich glaube, dass deine Eltern sich so langsam Sorgen machen.»

Adrian sah auf die Uhr. Es war fast zehn und er nickte. «So langsam ja. Aber sie wissen auch, dass ich bei dir bin. Und sie lieben dich, schon vergessen?» Ich kicherte. «Sie lieben mich nicht. Sie mögen mich.» Adrian lachte.

«Sie vergöttern dich, Kim. Ich weiß, dass du deine Erdbeer … ähm dieses Mädchenzeug hast, aber wenn ich dich fragen würde, ob du heute bei mir pennen würdest, würdest du ja sagen?» Ich stand auf und ging zur Tür. «Es ist ein nettes Angebot.», fing ich an und wurde sofort von Adrian unterbrochen. «Du kannst alles mitnehmen. Ich will dich nur nicht alleine lassen. Du warst vorher so durcheinander und aufgebracht.» Ich drehte mich zu ihm.

«Denkst du ich werde … etwas Schreckliches machen?», fragte ich. Er zuckte mit den Schultern. «Nicht wirklich. Ich denke nur … ich denke nur, dass du dir jetzt die ganze Zeit Fragen stellen wirst … keine Antwort findest und dann so langsam anfängst du weinen.» Ich ging wieder zu Adrian. «Nett formuliert, Adrian. Aber trotzdem werde ich ablehnen. Ich werde jetzt fernsehen, meine Hausaufgaben machen und dann ins Bett gehen. Vielleicht gehe ich noch schnell duschen.» Adrian stand nun ebenfalls auf und berührte mich am Arm. «Dann lade mich ein, hier zu schlafen.», sagte er.

«Adrian es geht mir gut. Klar, ich bin etwas komisch gewesen. Ich habe nur nicht gewusst, dass mich alle so … so finden.» Ich lächelte schwach. «Ich werde dich zur Tür begleiten.» Adrian jedoch blieb wo er war. «Lade mich ein oder ich lade mich einfach ein.», forderte er. Ich wollte gerade sagen, dass es mir gut ging, doch als ich in seine Augen sah, wusste ich, dass er um mich besorgt war. Er war besorgt. Um mich. «Möchtest du heute hier schlafen?», fragte ich.

Adrian lächelte. «Danke. Machen wir jetzt die Hausaufgaben?» Ich nickte und wir holten mein Schulzeug, während Adrian seiner Mutter eine Nachricht schrieb, dass er hier übernachten würde. Ich gab Adrian einen Zettel und Schreibzeug und wir fingen an alles zu machen. Nebenbei erzählten wir uns wieder Dinge von der Vergangenheit. Natürlich war es bei Adrians etwas chaotischer wie bei mir. Ich hatte kaum so viel Scheiße gebaut wie er.

«Als ich dreizehn war, hatte ich das erste Mal eine richtige Zigarette geraucht. Eine ganze. Ein Kumpel von mir hatte sie seinem Dad geklaut und uns eine gegeben. Ich weiß noch genau, wie wir in der Nacht in einem Park geschlichen sind. In dem Park war in der Mitte so eine Mauer errichtet. Sie war wie ein Halbkreis gebaut und innen waren Bänke. Was bekommst du bei der nächsten Aufgabe heraus?», fragte er nach. «Hey, unterbrich nicht. Nummer 177?»

Er nickte und ich sagte ihm die Lösung. «Danke. Also weiter. Wir setzten uns da hin. Jeder von uns war ein wenig aufgeregt. Es war von uns allen die erste richtige Zigarette. Am Anfang husteten wir, konnte keine Lungenzüge machen, da wir einfach nicht wussten wie wir das machen sollten. Nach der zweiten hatte ich langsam heraus wie es ging und sagte ihnen sofort wie es ging. Zwei meiner Kumpels konnten es nicht, der andere schon. Wir hatten uns gefreut und dann kam eine alte Frau und hatte uns verjagt.», beendete er seine Geschichte.

«Du warst ja schon mit dreizehn ein Schlingel. Wer hätte das gedacht? Naja, wahrscheinlich jeder.» Er schmiss mir den Radiergummi auf den Arm. «Mache dich ruhig lustig, Kim.» Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern. «Tut mir leid.», sagte ich kichernd. «Erzähl mir noch was, Adrian. Was spannendes oder lustiges.» Ich hob den Radiergummi auf und legte ihn neben das Heft.

«Einmal im Turnunterricht spielten wir Basketball. Unser Lehrer – der dümmste der Schule – lehnte an der Sprossenwand und er maulte die ganze Zeit nur rum. Als ich den Ball hatte, schmiss ich ihn auf das Bein von dem Lehrer und er knickte um. Wir alle hatten unseren Spaß und ich tat so, als würde es mir unendlich leidtun, was die anderen nur noch witziger fanden.»

Ich kicherte. «Hast du keinen Anschiss bekommen?», fragte ich ihn. «Nein. Ich habe so dick aufgetragen und fast angefangen zu weinen. Der Lehrer hat es dann nichts mehr getan. Dass ich nur so gespielt habe, wusste er nicht. Aber meine Klassenkameraden hatten eine witzige Stunde.» Ich schüttelte grinsend den Kopf.

«Ich habe noch nie so was gemacht. Ich könnte es auch nicht. Ich glaube, ich müsste anfangen zu lachen. Hast du die nächste Aufgabe schon erledigt?» Adrian nickte. «Ja, aber irgendwie kommt nur Blödsinn hinaus. Oder die Lösung ist wirklich 155,67.»

Ich sah ihn streng an. «155,67 was? Äpfel, Birnen, Käse?» Er lachte. «Prozent.», antwortete er mit einem Lachen.

«Es ist richtig. Und wir sind fertig. Du machst dich bettgehfertig und ich werde mich schnell abduschen.» Wir gingen hoch in mein Zimmer und ich nahm mir Unterwäsche und mein Nachtkleid mit. «Bin in zehn Minuten wieder da. Ich würde dir ja gerne ein Bett anbieten aber das wurde schon Ewigkeiten nicht mehr benutzt. Und ich weiß nicht so recht, ob Tante Maddy das Zimmer nicht schon mit Sachen vollgestopft hat. Ich bin aber keine schlechte Bettgenossin. Ich schlafe wie ein Murmeltier und schnarche nicht. Aber das müsste dir schon aufgefallen sein. Ist ja nicht das erste Mal. Hier schon.»

Ich ging ins Bad und rasch unter die Dusche. Genau zehn Minuten später ging ich ins Zimmer – frisch geduscht und angezogen – und kuschelte mich ins Bett. Adrian war schon eingeschlafen und ich deckte ihn noch zu. «Schlaf gut, Adrian.», flüsterte ich und schloss die Augen.

Kapitel 8 – Dienstag, 16. April 2013

«Wenn du nicht aufwachst, muss ich ohne dich frühstücken, Kim. Ich werde anfangen mit Eiern, dann esse ich Pfannkuchen und zum Schluss esse ich Müsli. Oder ich esse nur Müsli. Ich kann weder das erste noch das zweite.» Ich öffnete meine Augen und sah Adrian vor mir.

«Endlich. Ich rede schon seit zehn Minuten mit dir.» Ich lächelte und streckte mich. «Hast du gut geschlafen?», fragte ich. «Ja und du?» Ich nickte und stand auf. «Ich gehe schnell ins Bad und du gehst hinunter und machst uns Müsli. Das kannst du, habe ich gehört.»

Wir verließen das Zimmer und jeder marschierte in eine andere Richtung. Nachdem ich im Bad war, ging ich hinunter. Adrian hatte es geschafft, das Müsli zu machen und hielt mir eine Schüssel hin. «Gratulation.», sagte ich kichernd und nahm die Schüssel.

«Ich hoffe es schmeckt auch.» Adrian grinste. «Wenn ich nicht mal hinbekomme ein wenig von der Müslipackung und Milch in eine Schüssel zu geben, dann bin ich hoffnungslos.» Ich nahm einen Löffel und gab ihn in den Mund.

«Nein, du hast es geschafft.», nuschelte ich und setzte mich an die Kücheninsel. «Mach es dir nicht zu gemütlich. Wir müssen noch eine Straßenbahn rechtzeitig schaffen und in die grausame Welt eines Schülers schlüpfen.» Ich lachte.

«Das müssen wir immer tun, Adrian. Aber ich mag deinen Sinn von Humor.» Er setzte sich neben mich und wir aßen hastig unser Müsli. Danach ging Adrian ins Bad um sich frisch zu machen, während ich im Zimmer ein Outfit für den heutigen Tag suchte. Da es gestern geregnet hatte und es sicher noch frisch draußen war, zog ich mir eine schwarze Hose, ein hellgelbes Top und eine schwarze Strickjacke an. «Ja ich werde dich bei der Straßenbahn erwarten. Hat sich mein Vater gemeldet? Nein? Okay, das ist typisch für ihn. Vergiss meinen Rucksack nicht!» Adrian kam hinein und legte auf.

«Mister Kuwak wird mir meinen Rucksack bringen. Danke für die Zahnbürste. Du hättest nicht unbedingt eine neue aufreißen müssen.» Ich zuckte mit den Schultern. «Doch und jetzt entschuldige mich. Das Bad wartet auf mich. Keine Sorge, ich werde es kurz halten.» Schnell putzte ich meine Zähne, wusch mein Gesicht und kämmte meine Haare.

Ich machte mir einen Zopf, schminkte mich und überprüfte mich im Spiegel. Das alles ging in weniger als zehn Minuten. Glanzleistung. «Schon fertig.», sagte ich und nahm meine Tasche. «Bravo! Alles eingepackt?» Er zeigte auf die Tasche.

«Schminkzeug, meine anderen Sachen, Schulzeug, die Hausaufgaben von uns beiden. Ja ich glaube ich habe alles.» Adrian lächelte und wir gingen los. Mister Kuwak wartete tatsächlich vor der Straßenbahn auf Adrian. Jeder starrte ihn an, da er einen nicht billigen Anzug anhatte und er noch nie hier gesehen wurde. «Herr Adrian, Ihr Rucksack. Guten Morgen, Miss Montgomery.»

Adrian nahm den Rucksack und bedankte sich. «Kim und ich werden heute um vier Uhr ankommen, weil uns die Schule noch dringend für die Drecksarbeit benötigt. Wir erwarten unser Essen um Punkt vier. Unsere Straßenbahn. Wiedersehen, Mister Kuwak.» Juliano nickte Adrian zu.

«Auf Wiedersehen, Mr. DiMonti, Miss Montgomery.» Ich lächelte ihm zu und wir beide stiegen ein. «Mister Kuwak ist sehr nett.», sagte ich und Adrian suchte nach den zwei Mädchen von gestern. Und tatsächlich hatte jeder von ihnen einen eigenen Platz. «Adrian! Kimberly!» Olivia winkte uns und wir gingen zu ihr. «Vielen Dank.», sagten wir beide und Olivia ließ uns den Platz. Sie und Beatrice hatten einen Platz neben uns, weswegen sie mit uns die ganze Zeit redeten. Ich sah nur aus dem Fenster, während Adrian mit den beiden plauderte.

Ich hörte nur ab und an ein paar Wortfetze über Partys und Schule, doch ich nahm nicht am Gespräch teil. Ich war noch immer nicht ganz wach, doch das würde ich gleich, wenn wir in der Schule waren. «Was sagst du dazu, Kim?» Ich drehte mich zu Adrian um. «Was?», fragte ich und erhielt ein schiefes Lächeln von Adrian. «Die beiden schmeißen dieses Wochenende eine Party. Möchtest du dahin?», fragte Adrian.

«Ähm .. .ja können wir.», murmelte ich und war dankbar, dass wir aussteigen mussten.

Die beiden fand ich ein wenig zu aufdringlich, doch ich sagte nichts. «Wir sehen uns morgen!», schrien die beide uns nach. «Bis morgen!», erwiderte Adrian und ich nickte ihnen nur zu. In der Früh brauchte ich echt meine Ruhe. Und die hatte ich heute definitiv nicht.

«Bist du heute nicht gut auf?», fragte Adrian und legte einen Arm um meine Schulter. «Ich will nur nicht schon in der Bahn so lange angequatscht werden.», meinte ich und wir gingen in unsere Klasse. «Sieht mal! Das Arschloch ist gekommen.», schrie ein Junge von hinten, dessen Name ich auch nie wusste. Adrian schon. «Das war ja so witzig, Ulrich. Neidisch, weil sie mit mir abhängt?» Ulrich funkelte Adrian an. «Ja klar. Es gibt nicht nur sie. Es gibt viele, die toll aussehen. Aber du bist und bleibst ein Arschgesicht!»

Ich zog Adrian am Arm, damit er nicht auf ihn losging. Was hatten den alle? «Lass ihn reden. Ich habe sie zwei Jahre lang ignorieren können, dann kannst du das auch.» Ich verließ mit Adrian – der immer noch angespannt war und Ulrich zornig ansah – den Raum und ging zu meinem Spint.

«Ich brauche sowieso noch meine Bücher.», versuchte ich die Stimmung zu retten.

«Der Tag ist nicht mehr zu retten, Kim. Er hat gut angefangen und jetzt geht er nur mehr bergab. Sechs Stunden, Nachsitzen bis vier, lernen bis neun, damit ich am Donnerstag die Prüfung schaffe. Und dieses blöde Schwein ist einfach nur mehr nervig!» Ich berührte seinen Arm und es schien ihn zu beruhigen.

Ich nahm meine Bücher in die Hand und schloss den Spint wieder. «Müssen wir zu deinem Spint auch noch?», fragte ich ihn und er schüttelte den Kopf. «Danke, dass du mich erinnert hast. Ich muss heute zum Direktor. Er will mir einen leeren Spint zuweisen. Ich komme gleich.» Er küsste meine Stirn und verschwand um die nächste Ecke. «Bis gleich.», murmelte ich und ging in die Klasse. Ich setzte mich auf meinen Platz und hatte keine Minute eine Ruhe.

«Wir sind gekränkt, Kimberly. Mit uns hast du zwei Jahre nicht geredet.» Ich zuckte mit den Schultern, als wäre es mir völlig egal. Und es war mir völlig egal. Auch als Mandy anfing zu reden, ignorierte ich sie alle. Ich konnte doch noch jeden ignorieren und das tat ich. Ich schlug mein Französischbuch auf und sah mir die Seiten mit den Vokabeln an. Ich versuchte sie zu lernen und ich schaffte es. Als es klingelte, war ich froh, dass wir endlich Unterricht hatten.

Doch Adrian war immer noch nicht da. Unsere Deutschprofessorin hasste Verspätung. Vor allem bei Schülern, die nicht gut auffielen. Und Adrian gehörte definitiv dazu. Mich mochte sie, aber ich fiel auch nie auf. Ich hatte nur mit den Professoren geredet und immer zugehört, da ich sonst nichts machen wollte. Doch auch nach fünf Minuten waren weder die Professorin da noch Adrian. Von hinten schrie Ulrich – den Laut seiner Stimme war so grausam wie Spinnen auf meinem Bett – das wir alle abhauen sollten. «Nous école buissonnière?»

Adrian setzte sich neben mich und grinste mich an. «Schule schwänzen? C´est pas le pied! Vergiss es!», tadelte ich und erwiderte sein Lächeln. «Ein Versuch war es wert. Wo ist die Professorin? Ich bin schon eine Viertelstunde zu spät.»

Ich zuckte mit den Schultern.

«Wenn ich das wüsste. Niemand scheint sie zu vermissen.», sagte ich. «Ich werde ins Konferenzzimmer gehen und nach ihr fragen. Und nein Ulrich! Du wirst mich nicht davon abhalten können, ich bin der Klassensprecher!» Mandy verließ den Raum und Ulrich fluchte hinten mit einem anderen Jungen.

«Ich hoffe die Professorin ist den Weg zu uns ausgerutscht und liegt jetzt im Krankenhaus für ein paar schonende Tage.», meinte Adrian und ich stieß ihn leicht in die Seite. «Du hoffnungsloser Idiot!», gab ich zurück und verdrehte die Augen.

«Hey Leute, hört mal zu. Professorin Garb ist nicht da. Sie liegt zuhause und ist steinkrank.» Mandys Stimme war laut und sie verkörperte das ideale Bild eines Klassensprechers. Die ganze Klasse verschwand schon, während sie redete und auch Adrian und ich standen jetzt auf. «Zumindest ihr hört mir zu.», sagte sie und lächelte uns zu. «Danke!», fügte sie hinzu, nahm ihre Schickimickitasche und stolzierte aus der Klasse. Sie war wieder die perfekte Zicke.

«Zwei Stunden, Kim. Vielleicht ist der Tag doch nicht so blöd. Komm, wir gehen jetzt ein wenig durch die Straßen.» Er nahm meine Hand und zog mich hoch. «Yeah, durch die Straßen!» Ich hakte mich bei Adrian unter und wir gingen los. Er verließ die Schule und sah sich um. «Wo gehen wir hin?», fragte Adrian mich. «Donauzentrum? Nur eine halbe Stunde zu Fuß. Oder wir fahren mit der Straßenbahn.»

Wir warteten auf die Straßenbahn, die bald kam und uns zum Donauzentrum brachte. «Ich brauche einen Kaffee … und einen leckeren Donat. Oder Muffins, Kuchen, Bagel.», sagte ich grinsend und versuchte meinen Hunger ein wenig zu unterdrücken. Mit einem Müsli bekam ich eben nicht genug.

«Ich hatte gehofft, dass du das sagst. Ich habe auch schon Hunger. Ein Müsli macht nicht satt. Nicht un» Er legte einen Arm um mich und wir gingen in ein Café. Er bestellte uns verschiedene Sorten Donats und Muffins, einen leckeren italienischen Kaffee und zwei Stück Schoko-Nuss-Torte. Mir lief schon das Wasser aus dem Mund und konnte es nicht erwarten alles in mich hineinzustopfen.

Manchmal hatte ich meine Fressattacken, wo ich Hunger bis zum geht nicht mehr hatte. Und heute war es wieder soweit. Als die Kellnerin alles brachte, versuchte ich erst gar nicht mich zu stoppen, sondern nahm mir den ersten Muffin den ich erreichte. Die Kellnerin würde sich zwar ihren Teil denken, doch in dem Moment interessierte es mich nicht.

«Sie hat heute nur ein Müsli bekommen.», verteidigte Adrian meine Ehre und ich kicherte. «Und damit bekommt sie nicht genug.», fügte er hinzu. Die Frau verschwand und ich musste kichern. «Idiot! Du brauchtest einfach nichts zu sagen.» Adrian trank einen Schluck und sah mich wieder an. «Doch, das musste ich. Die hat sich gedacht, dass du schwanger bist, weil du so schnell den Muffin gegessen hast.» Ich riss meine Augen auf.

«Bin ich aber nicht, Adrian. Ich hatte noch nie Adrian! Und das weißt du.» Er nickte. «Aber nur, weil du noch nicht mit mir willst, Kim.» In dem Moment wollte ich etwas nach ihm schmeißen und den Donat – meinen ersten – sah richtig verführerisch für so was aus. Ich hielt mich jedoch zurück und versuchte es mit Charme. «Aber nur, weil du es noch nicht bist. Du bist noch nicht bereit für mich.» Ich lächelte ihn an und verdrückte den Donat. Adrian lachte.

«Ach Kim. Du bist der Meister des Sachen-Verdrehens. Wenn das so ist, können wir sofort zu mir gehen.» Ich verschluckte mich und funkelte Adrian an. «Ich bleibe hier. Vielleicht in zehn Jahren, wenn ich nicht schon glücklich verheiratet bin.» Nach dem zweiten Muffin nahm ich meinen Kuchen und aß in genüsslich auf. «Weißt du, dass die Kellnerin dich schon wieder anstarrt?», flüsterte Adrian mir zu und ich versuchte, die Kellnerin nicht so offensichtlich anzusehen.

«Vielleicht schaut sie nur dich an?», gab ich zurück, als ich die Bestätigung hatte. «Nein, mich würde sie nicht so angewidert ansehen.» Er schenkte mir ein Lächeln und ich verdrehte die Augen. «Wenn sie dich kennen würde schon!», fauchte ich. Meine Regelschmerzen kamen wieder zum Vorschein und machten mich zum bissigen Biest.

«Ganz ruhig. Tabletten schlucken und Wasser trinken.» Ich sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. «Oder aber» Ich atmete ein und aus. «…ich werde den Schmerz wegschlucken.» Ich lächelte süß und aß weiter. Im Radio kam ein Lied von Alice Cooper und ich summte leise mit. Meine Mutter war auch leidenschaftlicher Alice Cooper Fan und ich wusste, dass sie dieses Lied ebenfalls liebte.

Solche Lieder, die meine Mum mochte und liebte, bereiteten mir ein Lächeln auf dem Gesicht. Es erinnerte mich an schöne Zeiten, verursachte auch manchmal eine Träne auf der Wange. «Meine Mutter liebte dieses Lied. Immer wenn es im Radio kam, schaltete sie so laut, dass ich ihren Gesang nicht mal hören konnte. Und ihre Stimme war bezaubernd. Sie wäre hingerissen von dir.», sagte ich und berührte die Tasse.

«Ich kann mir deine Mutter so gut vorstellen. So wunderschön wie du und eine tolle Mutter.» Ich nickte lächelnd. «Ja, ja das war sie.» Ich trank einen Schluck. «Ich zeige dir ein Foto. Ich habe eines immer in meiner Geldtasche.», sagte ich und holte die Geldbörse aus meiner Tasche. Ich gab Adrian das Foto und er betrachtete es.

«Sie sieht aus wie du. Nur älter.», murmelte er und gab es mir zurück. «Du hättest sie gemocht, das weiß ich. Sie würde hier mit uns sitzen und sich freuen, dass ich so jemanden gefunden hatte. Daheim hätte sie mir wahrscheinlich einen Vortrag gehalten, dass man sich so einen Jungen krallt und nicht einfach befreundet ist.» Ich seufzte und biss mir auf die Lippen. «Ich rede wieder zu viel.», flüsterte ich und Adrian berührte meine Hand.

«Ich liebe es, wenn du etwas erzählst. Von dir erzählst.» Ich fuhr also fort.

«Einmal da hat meine Mutter vor der Schule auf mich gewartet. Ich war vierzehn Jahre und die Weihnachtsferien standen an. Das war der letzte Tag. Meine Mutter wollte mich überraschen und mich ausführen. Vor der Schule starrten einige Jungs meine Mutter an und ich wusste was sie dachten. Wir fuhren in ein nobles Restaurant. Wir aßen chinesisch, gingen dann Weihnachtsgeschenke bummeln und verbrachten den Tag, als wären wir die besten Freunde. Ich erzählte ihr alles und sie erzählte mir von ihren Tag. Zuhause hatten wir Kekse gebackt. Das ganze Haus roch nach Vanille und Zimt. Manchmal rieche ich den Duft heute noch. Zumindest stelle ich es mir vor, wie es roch.»

Adrian lächelte.

«Meine Mutter hat noch nie Kekse gebacken. Das wird sie auch nie. Sie ist das beste Beispiel für Frauen, die lieber arbeiten, als sich um die Erziehung der Kinder zu sorgen.» Diesmal berührte ich seine Hand. «Ich würde liebend gern mit dir Kekse backen …. oder einen Kuchen?» Sein Grinsen war aufrichtig. «Ich werde das Angebot gerne annehmen.»

 

 

****

«Wir haben bis fünf nach halb drei Zeit um zu essen und noch zu lernen?» Ich sah Adrian an, der nur nickte und meine Hand nahm. «Dann müssen wir uns aber beeilen. Wir haben fünfundfünfzig Minuten.» Unsere Schulcafeteria rettete uns wieder das Leben, denn sie versorgte uns ausreichend mit Essen und Trinken. Ich nahm mir schnell einen Paprikawurstsemmel mit Gurken und einem Mineralwasser und Adrian nahm ein Schinkenbaguette mit einem Cola. Ohne Eiswürfel, da sie keine hatten.

Ich musste Adrian sogar wegzerren, damit er nicht anfing zu diskutieren. «Keine Eiswürfel. Ist das zu fassen?», fragte Adrian. Ich wollte ihm am liebsten eine geben, doch wieder einmal ging das kleine Biest in mir durch, das vor Schmerzen am liebsten tot umfallen würde. Was hatte der Typ bloß mit seinen Eiswürfeln?! «Nein, wir sollten einen Beschwerdebrief an sie schicken.», sagte ich sarkastisch. Adrian blieb ruhig und ich brachte ihm die mittleren Vokabeln bei.

«Wir werden uns nur mehr heute mit denen befassen. Morgen kommen die schweren dran. Aber erst nachdem du nachsitzen warst. Adrian verzog das Gesicht. «An so was will ich nicht erinnert werden.»

«Okay, okay. Notiz an mich. Erinnere Mr. DiMonti nie an grausame oder nicht tolle Sachen. Abgehakt.»

Ich zeichnete einen Haken in die Luft um mein Wort zu unterstreichen.

Danach redeten wir nichts mehr. Wir übersetzten die Sätze und ich versuchte wirklich nicht zu lachen, wenn Adrian etwas Falsches sagte oder aussprach. «Nach der Schule gehen wir diesmal zu mir. Meine Mutter macht sich sicherlich schon Sorgen, warum ich so lange nicht mehr nachhause komme.»

Ich nickte und las einen Satz vor, der meiner Meinung nach, nicht zu den mittleren zählen konnte. Der war übermäßig schwer, aber Adrian übersetzte ihn sofort und ohne Fehler. Danach kreischte ich und umarmte Adrian. Ich wusste, dass er diese Prüfung überstehen würde.

Dass er es schaffen würde.

Er war nicht dumm, er war sogar sehr begabt. Er konnte es, wenn er nur lernen würde. «Ich bin ja so stolz.», sagte ich und schniefte gespielt. «Dumpfbacke! Bist du dir sicher, dass du schon alles kannst?» Ich schüttelte den Kopf. «Ich kann die schweren noch nicht so gut, aber die lerne ich morgen mit dir. Und dann können wir es und werden die Prüfung bestehen.»

Ich grinste Adrian an, der es sofort erwiderte. «Ich hatte auch die tollste Nachhilfelehrerin der Welt. Du kannst es sogar mir beibringen, das hat noch niemand geschafft.» Ich kicherte. «Du Trottel. Du kannst es einfach.» Adrian schlug das Buch zu.

«Aber es gibt auch eine Zeit, wo ich nicht mehr kann. Und jetzt ist es soweit.» Er schmiss das Buch auf den Boden und stand auf. Dann nahm er meine Hand und führte mich in die Bibliothek. An die Bücherregale vorbei an den schönsten Ort der Schule: unseren Wintergarten. Überall waren Blumen, von Rosen zu Veilchen bis hin zu wunderschönen farbenfrohe Orchideen.

Ein Tisch mit vier Stühlen stand in der Mitte, in einer Ecke war eine Couch mit passenden Stühlen und einem Couchtisch. Dorthin führte er mich und wir setzten uns hin. «Dein Buch liegt noch auf dem Boden.» Seine Antwort bestand aus einer wegwerfenden Bewegung mit der Hand. «Okay, wie du meinst. Ich wollte dir damit nur sagen, dass du es nicht mehr hast.», sagte ich.

«Ich werde es überleben. Und ein Französischbuch will doch keiner.» Ich lachte. «Doch, einer der es nicht mehr hat.» Er zuckte mit den Achseln. «Das Risiko gehe ich ein. Ich bin nur mehr am Lernen. Heute habe ich sogar von Lernen geträumt!» Ich lachte. «Ist das nicht schön?», fragte ich und Adrian schüttelte den Kopf. «Ganz und gar nicht! Das ist schrecklich, ein richtiger Alptraum!» Ich verhob mir diesmal ein Lachen und nahm ihn in den Arm.

«Du armer, kleiner Adrian. Das ist ja furchtbar.» Er hörte meinen Sarkasmus und stieß mich leicht in die Seite. «Dein gespieltes Mitgefühl finde ich rührend.», sagte er und ich bedankte mich. Die restliche Zeit verbrachten wir mit herumlachen und uns gegenseitig zu verarschen. Dazu hörten wir Radio mit Adrians Handy und als Michael Jackson kam, musste ich Adrian erzählen, wie ich von dem Tod Jacksons erfuhr. «Weißt du wie ich von Michaels Tod erfahren habe?», fing ich an. «Nein, aber ich bin gespannt auf deine kleine Geschichte.» Ich verdrehte die Augen.

«Ich war … hm dreizehn Jahre? Ja, dreizehn war ich. Wir hatten unsere Englandwoche gerade zu Ende und wir fuhren mit dem Bus nachhause. Wir waren gerade an einer Tankstelle stehen geblieben und meine beste Freundin und ich kauften uns Popcorn. Eine Riesenpackung, die wir im Bus vertilgen wollten. Daraus wurde nichts, denn unsere Lehrerin erlaubte es uns nicht. Also mussten wir das Popcorn zu den Koffern legen. Davor hatten wir uns ein paar in den Mund gesteckt und stiegen wieder ein. Wir fuhren kaum eine halbe Stunde als meine Mutter mir eine Nachricht schrieb, dass Michael Jackson tot war. Ich konnte es nicht glauben und wir diskutierten zehn Minuten lang. Nachdem ich aufgab und meiner Mutter Glauben schenkte, erzählte ich es meiner Freundin. Sie dachte ich verarsche sie und sie glaubte mir kein Wort. Als ich zuhause war und mich für das Bett fertig machte, kam eine Nachricht von ihr mit den Worten: ‚OMG! Du hattest recht!‘ Und ich schrieb nur zurück: ‚Wie konntest du nur jemals an mir zweifeln.‘ Du kannst mir glauben, danach glaubte sie mir gar alles.»

Adrian lachte.

«Eine sehr interessante Geschichte. Hast du noch Kontakt zu deinen alten Freunden?» Ich schüttelte den Kopf. «Nein, ich habe mich total zurückgezogen. Sie haben mich angerufen, aber ich bin nie dran gegangen. Das ging zwei Monate so, ehe sie damit aufhörten. Manchmal vermisse ich Scar noch, aber ich weiß auch, dass es so das Beste ist. Sie lebt ihr Leben und ich meines. Und jetzt müssen wir nachsitzen. Was das wieder für ein Spaß wird. Und vielleicht müssen wir diesmal keinen Aufsatz über ‚richtiges Benehmen‘ schreiben.»

 

Ich hatte Recht. Unser Aufsatz handelte von ‚Was sind meine Rechte in der Schule und wie akzeptiere ich sie?‘ Sagen wir so: es war mein schlechtester Aufsatz, den ich je verfasst hatte. Nach dem Aufsatz konnten wir noch zu allem Übel Schwämme putzen gehen.

Adrian und ich mussten mit weiteren sieben Schülern nachsitzen, wobei wir zwei die harmlosesten waren. Die anderen schmissen den Professor mit Spuckbällchen voll, fluchten und warfen ihm böse Dinge auf den Kopf. Ich glaubte, dass der Professor nach der Stunde fast einen Heulkrampf bekam, doch wir verschwanden alle, ehe ich auch noch meine Vermutung bestätigen lassen konnte. «Mister Kuwak wartet schon auf uns.», berichtete Adrian mir.

«Das war also deine Pinkelpause?», hakte ich nach und er nickte. «Ich wollte nicht schon wieder mit der Straßenbahn fahren. Und ich habe mein Buch geholt. Der Hausmeister hatte es.» Ich hüpfte zu Mister Kuwak und einer kleinen Stretchlimousine und begrüßte ihn. «Guten Tag, Mister Kuwak.» Adrian legte einen Arm um mich und begrüßte ihn auch.

«Guten Tag, Miss Montgomery, Mr. DiMonti.» Er öffnete uns die Tür und wir stiegen, unter den neugierigen Blicken der Passanten auf der Straße, ein. Er fuhr uns sofort zu Adrians zuhause. «Wie erträgst du das?», fragte ich ihn, wobei ich leise war, da Mister Kuwak alles hören konnte. «Wie? Was?» Ich stöhnte. «Die neugierigen Blicke, die hasserfüllten Blicke?», fragte ich. «Ich bin das schon gewohnt, Kim. Seit ich klein bin, bin ich an das alles gewohnt.»

Ich sah aus dem Fenster. Viele sahen der Stretchlimousine hinterher. Wünschten sie sich, jetzt hier in der Limo zu sitzen? Ich würde es auf jeden Fall. «Ich freue mich schon aufs Lernen mit dir.», raunte Adrian und fuhr mir unters Top. Seine Berührung wärmte auf unergründlicher Weise meinen Körper. Wie lange hatte er mich schon in Ruhe gelassen? Einen Tag?

«Mister Kuwak sieht und hört alles.», flüsterte ich und stoppte seine Hände. «Er hört und sieht nichts, wenn ich die Wand hinunterlasse.» Ich ließ seine Hände los, die sofort wieder den Weg unter mein Top fanden. «Du wirst das nie lassen oder?», hauchte ich und bekam dafür ein breites Lächeln. «Wie gut du mich kennst.» Seine Hand hielt an meinem BH und spielte damit. «Auf einer Skala von eins bis zehn hast du zehn bei der Kategorie ‚schlimmer Junge.‘»

Ich nahm wieder seine Hand und tat sie aus meinem Top. «Wir sollten mal die Seite wechseln. Jetzt bin ich dran.» Ich fing an seine Arme zu berühren, fand den Weg zu seinem Rücken, den ich sanft massierte. «Ich werde Sie sofort mit Mr. Niemand verbinden. Bitte warten Sie einige Minuten. Übersetzen.», flüsterte ich und Adrian lachte.

«Du weißt wie man eine Stimmung kaputtmacht.», nörgelte er und schüttelte den Kopf. «Darin bin ich ein Meister. Und jetzt los.» Ich hörte auf mit dem Massieren und legte meine Hände in den Schoß. «Das andere hat mir definitiv besser gefallen.», gab er zurück und übersetzte meinen Satz.

«Ich weiß, wie man eine gute Stimmung ruiniert. Hopp, übersetzen!», forderte er mich auf und ich streckte ihm die Zunge raus.

«Ich mache die Stimmung nicht hin. Ich will nur klar stellen, dass diese Art von Berührungen verboten ist. Tabu.» Seine Hand kam wieder gefährlich nahe an meinen Körper. «Das hat mich aber noch nie aufgehalten, Kim. Du müsstest das wissen.» Gerade als er wieder meinen Beine entlang ging, blieben wir stehen und ich setzte mich weiter weg von Adrian.

«Die Zeit ist um. Lernen ist angesagt.»

Mister Kuwak öffnete die Türe und ließ uns beide aussteigen, wobei er wieder die Miene aufgesetzt hat, die er immer aufsetzte, wenn er sich nichts anmerken lasse wollte. «Merci beaucoup!», sagte ich und Mister Kuwak schenkte mir ein Lächeln.

«Pas de quoi.», antwortete er mir. Als Adrian ausstieg lächelte er das erste Mal Mister Kuwak an. Es war zumindest das erste Mal das ich dabei war. Mister Kuwak erwiderte das Lächeln. «Ihre Mutter kommt in einer Viertelstunde, also um vier. Wie war Ihr Tag?» Adrian nahm seinen Rucksack und zuckte mit den Schultern. «Zum Sterben langweilig. Die ersten zwei Stunden hatten wir frei und Kim und ich sind zum Donauzentrum gegangen. Danach war wieder Schule.» Juliano – Mister Kuwak – öffnete die Haustür und ließ uns eintreten. «Haben Sie etwas Neues gelernt?», hakte Juliano nach.

«Nicht wirklich, oder Kim?» Ich schüttelte den Kopf. «Die Professoren waren heute irgendwie alle nicht in dieser Stimmung uns was beizubringen, weshalb wir nur in Zweiergruppe zum Computer gehen sollten und irgendwelche Videos ansehen mussten. Wir haben gelernt.» Ich grinste, als ich mich an unsere Lernstunden erinnerte. Adrian war fantastisch.

Er hatte es geschafft, dass er die mittleren konnte, aber dafür dass wir heute in der Schule gelernt hatten, wollte er zuhause nicht mehr lernen. «Adrian wird diese Prüfung mit Links bestehen. Wir müssen nur mehr die schweren lernen, aber wie ich Adrian kenne, wird er es schaffen.» Adrian legte einen Arm um meine Schulter. «Das habe ich dir zu verdanken, kleine Kim.» Ich lachte. «Ich bin nicht klein.», sagte ich empört und erst jetzt merkte ich, dass Mister Kuwak immer noch da war. Und wie er uns angrinste. Als er sah, dass ich ihn ansah, fing er an zu reden.

«Möchten Sie etwas trinken?» Adrian, der anscheinend auch nicht mehr an Juliano gedacht hatte, nickte. «Klar. Cola und Eiswürfel, Kim?» Ich nickte nur. Was Mister Kuwak sich wohl gedacht hatte? Ich ging einen Schritt weiter, damit Adrians Arm hinunterfiel und drehte mich einmal um meine Achse. «Wo sollten wir lernen? Draußen ist nicht gerade das Traumwetter.» Seine Antwort bestand aus einem flehenden Gesichtsausdruck.

«Schon wieder lernen. Ich werde sterben.», murmelte er. Ich zog Adrian am Arm zu mir. «Du wirst die Prüfung aber bestehen.», ich grinste zuckersüß. «Ja und ich verbringe Zeit mit dir.» Seine Hand berührte meine Wange und in dem Moment setzte mein Herz aus. Meine Gefühle wurden umhergewirbelt und ich fühlte mich geborgen, sicher und überglücklich.

Ich wusste nicht, ob er mich küssen wollte. Das würde wohl immer ein Geheimnis sein, denn Mister Kuwak kam mit unseren Gläsern. Und mir wurde  bewusst wie eng wir uns waren. Peinlich berührt gingen Adrian und ich einen Schritt zurück und räusperten uns. «Danke.», sagte ich zu Mister Kuwak und nahm mein Cola, wo ich sofort etwas trank um der peinlichen Stimmung zu entkommen. Auch Adrian nahm sein Glas und trank sofort. «Wir sollten lernen gehen.», sagte ich zu Adrian, der in diesem Moment heilfroh war, dieser Situation entfliehen zu können.

«Ja sollten wir. Holen Sie mich, wenn meine Mutter kommt.», wendete er sich an Mister Kuwak und wir gingen auf sein Zimmer. Was hier gerade geschehen war, konnte ich immer noch nicht richtig verdauen oder verstehen. Ich wusste nur, dass meine Tante Recht hatte. Wir alberten herum, berührten uns und waren ständig zusammen. Kein Wunder, dass jeder so über uns dachte. Das wir was an uns hatten, wenn wir zusammen waren. Das wunderte mich nicht, wenn wir uns wie Verliebte benahmen. Im Zimmer setzte Adrian sich auf sein Bett, ich setzte mich weiter weg von ihm und schlug die Bücher auf.

«Ich werde jetzt mit den schweren anfangen.», murmelte ich und Adrian nickte nur. Ich sagte einen Satz und ließ ihn Adrian übersetzen. Statt ihm zuzuhören, dachte ich über die letzten Tage nach. Und mir fiel auf, dass Adrian mich noch nie richtig geküsst hatte. Auf der Stirn, auf der Wange, sogar meinen Körper. Aber nicht meinen Mund. Ich konnte nicht anders, als nachzugrübeln, was geschehen wäre, wenn Mister Kuwak nicht gekommen wäre. Hätte er mich geküsst? … und das wichtigste, hätte ich ihn erwidert? «Kim? Kim?» Ich schreckte aus meinen Gedanken heraus und sah Adrian an. «Was?», fragte ich und Adrian grinste. «Die Sätze? Waren sie richtig?» Ich zuckte mit den Schultern. «Ich bin jetzt ganz da. Fang wieder an.», sagte ich und lächelte leicht.

 

 

****

«Du bist total unkonzentriert.» Adrian streckte sich aus und sah mich an. «Tut mir leid. Mir ist das immer noch peinlich, Adrian.» Er krabbelte zu mir. «Muss es nicht. Ist ja nichts passiert.» Ich runzelte die Stirn, denn Adrians Worte ergaben Sinn. Wir hatten nichts gemacht.

Wir waren uns nah und er hatte meine Wange gestreichelt. Aber sonst war nichts. «Da hast du Recht.», sagte ich und legte mich neben Adrian. «Ich weiß, dass ich Recht habe.» Adrian legte seinen Kopf auf meinen Bauch. «Weißt du, dass du zwar meinen Körper, meine Stirn und Wange geküsst hast, aber noch nie meinen Mund?» Die Frage rutschte mir einfach raus.

«Sollte ich dich so küssen?», hakte er nach. Wollte ich? Vorher hätte ich sicher nichts dagegen gehabt, doch da war die Stimmung anders. Um uns hatte es geknistert. Jetzt war nichts mehr davon da. «Nein. Ich wollte dir das nur sagen.» Ich fuhr durch seine Haare und sah geistesabwesend auf die Wand. Hatte sich was zwischen uns geändert? Warum konnten wir nicht einfach wie Freunde sein? Oder hatten wir wirklich was an uns? «Ich sollte gehen.» Ich hörte auf mit seinen Haaren zu spielen und stand auf. «Kim, es war nichts. Und wenn doch, wäre es doch nicht schlimm.»

Ich lachte. «Weißt du was alle von uns denken?», fragte ich. «Haben wir nicht darüber geredet, dass uns die Meinung von anderen egal ist?» Adrian setzte sich auf. «Es ist mir auch egal. Aber nicht die Meinung meiner Tante oder von Linda. Beide meinen nämlich, dass wir zusammen sind.» Ich öffnete die Tür und wollte gehen, doch Adrian war aufgestanden und hielt mich fest. «Sind wir aber nicht. Und sie wissen es.» Er drückte mich an sich und ich erwiderte die Umarmung. «Warum sagen sie es dann immer?», hakte ich nach. «Das wirst du herausfinden. Ich kann es dir nicht sagen, denn ich weiß es nicht.» Ich hörte eine Tür aufgehen und Emily begrüßte Mister Kuwak.

«Meine Mutter. Wie immer zu spät. Komm, begrüßen wir sie.» Wir gingen beide hinunter und begrüßten seine Mutter. Sie freute sich mich zu sehen und wir gingen in das Wohnzimmer. Draußen hatte es angefangen zu regnen und es war ein schöner Anblick hinauszuschauen.

Am liebsten würde ich jetzt hinausrennen und im Regen tanzen.

Und was sprach dagegen?

Emily würde es doch nichts ausmachen? Gerade als ich es tun wollte – und ja ich wollte es tun – knickte ich ein und ich kam mir vor wie ein kleines Mädchen. Doch als ich mich draußen tanzend vorstellte, konnte ich nicht anders als an einen Film zu denken, den ich einmal angeschaut hatte. Und wie der Junge mit dem Mädchen draußen im Regen getanzt hatte. «Schätzchen? Kimberly?» Anscheinend hatte ich eine Weile nicht zugehört und ich schüttelte sofort all meine kindlichen Träume beiseite.

«Tut mir Leid, Emily. Ich bin mit den Gedanken bei der Prüfung. Ich hoffe wir schaffen es.», sagte ich und lächelte sie entschuldigend an. Adrian warf mir einen Blick zu, den ich nicht richtig deuten konnte und Emily erwiderte mein Lächeln. «Das muss sicher anstrengend sein. Du musst nicht nur für dich lernen sondern auch meinem Sohn einiges an Wortschatz und Vokabeln beibringen. Mister Kuwak?!» Es war wieder ein Wunder, wie schnell er kam. Als würde er nur darauf warten, dass jemand ihm schrie. Dass er die ganze Zeit vor der Tür stehen würde. «Was wünschen Sie Ma’am?», fragte er höflich. «Einen Kaffee bitte, Mister Kuwak. Kimberly?» Ich riss meinen Blick von dem Regen.

«Ich möchte bitte einen Tee, wenn es Ihnen nichts ausmacht.», antwortete ich. «Gerne. Welche Teesorte bevorzugen Sie?», fragte er. «Einen mit Kräutern bitte.»

«Und Sie, Herr Adrian?», fragte er.

«Keinen Tee. Seit wann trinkst du eigentlich einen Tee?» Ich zuckte mit den Schultern. «Du weißt nicht alles von mir Adrian.» Er grinste. «Wie geheimnisvoll.» Ich wandte den Blick von Adrian. «Ich nehme auch einen Kaffee. Tee ist nichts für mich.», sagte Adrian. «Ich habe auch nie gesagt, dass du einen trinken sollst.», sagte ich ein wenig bissig.

Er sah mich mit großen Augen an, erwiderte dazu aber nichts. «Einen Tee und zwei Kaffees. Kommt sofort.»Kuwak verließ den Raum sofort und ließ uns mit der peinlichen Stille zurück. Und niemand wollte sie unterbrechen. Wir blieben alle still, hingen unseren Gedanken nach oder starrten nach draußen in den Regen. Das letzte tat ich und am liebsten wünschte ich mir, dass ich zuhause im Bett liegen würde. Da würde mich keiner mit Blicken durchlöchern – so wie Adrian. «Ich muss schnell aufs Klo.», sagte ich, stand rasch auf und ging aus dem Zimmer.

«Einatmen, ausatmen.», flüsterte ich mir zu. «Geht es Ihnen nicht gut?» Mister Kuwak stand vor mir und musterte mich fürsorglich. «Mädchenzeug.», sagte ich und verzog das Gesicht. Er verstand sofort. «Da ist dieser Tee genau das Richtige. Kräutertee sollte die Stimmungsschwankungen und die Schmerzen lindern.» Wie gut er sich auskannte. Vielleicht hatte er eine Tochter? «Vielen Dank, Mister Kuwak.» Ich ging Richtung Klo und drehte mich nochmal um. Er wollte gerade die Tür öffnen, hielt aber inne als ich ihm schrie. «Sie müssen wissen, dass Adrian und ich nichts füreinander empfinden. Zumindest nichts Romantisches. Manchmal weiß ich selber nicht, was gerade passiert. Und vorhin – das war nichts.», stellte ich klar.

«Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Miss Montgomery, aber…»

«Kim, ich heiße Kim.»

Ich ging wieder näher zu ihm hin.

«Sagen Sie bitte nur Kim.» Er lächelte. «Okay, Kim. Ich glaube nur, dass Adrian weitaus mehr für Sie empfindet als er selber denkt. Er weiß nicht genau was er vom Leben will und Liebe war ihm immer ein Fremdwort. Hin und wieder hatte er eine Beziehung, aber irgendwie war es für Herr Adrian nie richtig Liebe. Früher hatte er viel mit mir darüber geredet.», sagte er. «Das glaube ich nicht. Adrian ist die Sorte von Jungs die nur das eine wollen. Aber ich habe klar gesagt, dass das mit mir nicht passieren wird.»

Ich runzelte die Stirn. Warum redete ich mit Mister Kuwak über Liebe und Adrian? Wie war ich überhaupt auf dieses Thema gekommen? Ich wollte doch nur klarstellen, dass nichts zwischen Adrian und mir lief. Ich wollte einfach nur nicht, dass er was Falsches dachte. «Das ist gut. Ich muss jetzt gehen, sonst wird der Kaffee kalt. Mrs. DiMonti hasst kalten Kaffee.»

Er ging hinein und ich ging ihm nach.

Ich musste sowieso nie aufs Klo. Es war nur ein Aufwand um der Stille ein wenig zu entkommen. Ich setzte mich wieder auf den Sessel, gegenüber von Adrian, der mich wieder anstarrte. «Emily, hab ich dir schon erzählt wie gut Adrian sich beim Lernen schlägt?», fragte ich.

Ich wollte unbedingt Konservation betreiben und eine gute Stimmung machen. Es funktionierte. Die Miene hellte sich auf. «Recht gut?», hakte sie nach. «Großartig. Wir haben gerade angefangen die schweren zu üben. Da brauche ich auch noch Übung. Und Adrian kann viele schon jetzt. Er schlägt sich mehr als wie ‚recht gut.‘» Emily grinste von einem Ohr bis zum anderen. «Er könnte es also schaffen?» Ich nickte. «Ja klar. Da besteht kein Zweifel. Er kann fast alles und für den Test braucht er nur eine Zwei. Nur die besten werden aufgenommen.»

 Die Hälfte der Teilnehmenden wird es also nicht schaffen. Sie werden es auf die leichte Schulter nehmen und werden deswegen scheitern. Ich glaubte sogar das sie die Mindestnote auf Zwei genau deshalb machten – weil die meisten es nicht schaffen werden. Für die die wirklich mitgehen wollten, lernen so wie Adrian und ich, würden es schaffen.

Ich erinnerte mich noch genau an das Gespräch mit meiner Sprachprofessorin.

Es war letztes Halbjahr und ich hatte ihr die Bücher abgenommen, die sie extra wegen uns mitgenommen hatte. «Warum gibt es nicht mehr von dir, Kimberly. Brav, fleißig und unauffällig im Unterricht, aber doch gut?», hatte sie damals gesagt. Meine Antwort bestand aus einem zaghaften ‚Keine Ahnung, Frau Professor‘. Danach hatte sie angefangen mit dem Austauschprogramm. «Es ist noch nicht offiziell, aber die Oberstufe darf dieses Jahr wieder am Austauschprogramm teilnehmen. Das würde dir sicher gefallen, vor allem wenn dir die Sprachen so gut liegen.» Ich weiß noch, dass ich stehen geblieben war und sie musterte. «Finden Sie?», meine Augen hatten geleuchtet, ich hatte mich richtig gefreut. «Es werden dreißig Schüler an diesem Austauschprogramm-Test mitmachen, nur die Hälfte wird es schaffen und am Ende werden diejenigen mitmachen. Unser Direktor ist felsenfest davon überzeugt, dass sie zu wenig lernen werden, es auf die leichte Schulter nehmen. Die, die wirklich wollen, schaffen es auch. Aber pssscht, das hast du nicht von mir.», sagte sie zwinkernd und ich versprach es ihr.

«Wir haben noch bis morgen Abend Zeit die ganzen nochmals zu durchfliegen, noch ein wenig lernen und dann ist es schon so weit.» Adrian hatte sich endlich zu Wort gemeldet. «Ach ich habe es fast wieder vergessen. Ich muss deinen Vater um halb sieben anrufen. Die Zeit vergeht wie im Flug. Entschuldigt mich.» Sie stand auf und glättete ihren knielangen Rock und die Bluse. Den schwarzen Blazer ließ sie in Ruhe. «Mister Kuwak bringen Sie mir bitte das Telefon in mein Arbeitszimmer.», schrie sie, als sie hinausging. Ich musste lachen.

«Deine Mutter ist so viel anders als meine Tante.», sagte ich und Adrian grinste. «Da sind wir ja froh.», meinte er und stand auf. «Was hast du vor?», fragte ich und nahm seine ausgestreckte Hand. «Wir gehen raus.» Ich sah skeptisch hinaus. Es regnete immer noch und Adrian wollte hinaus? Mit seinen Designerklamottten?

«Du wirst deine Klamotten ruinieren.», stellte ich klar und er nickte. «Deine Seide, Satin, Leder.» Adrian legte einen Arm um mich. «Ich werde es verkraften. Einen Spaziergang tut uns jetzt gut.» Ich legte auch einen Arm um ihn und grinste. «Im Regen spazieren gehen. Das wäre romantischer mit einem Freund.» Ich seufzte. «Stell dir vor, dass es nicht regnet. Problem gelöst.» Ich streckte meine Zunge raus. «Was anderes könnte ich auch nicht tun.» Als wir draußen waren, führte Adrian mich in eine völlig neue Richtung. «Den Weg habe ich zufällig gesehen. Ein kleiner gemütlicher Park mit vielen Blumen und menschenleer. Keine Ahnung warum. Vielleicht wissen sie nichts davon.» Er bog ab und führte mich zu einer Brücke, die nicht gerade sehr stabil aussah.

«Es regnet und ist windig, Adrian.» Ich hielt seinen Arm fest. «Hast du Angst?» Meine Augen verfinsterten sich. «Deinen Spott kann ich sehr gut hören! Gehen wir weiter!» Adrian grinste. Gut. Den Park musst du mal gesehen haben. Zwar ist kein See hier zum Nacktschwimmen, aber Blumen, Blumen, Parkbänke und viel Gras zum Picknicken.», sagte er. «Hast du gemerkt, dass es regnet? Viel sitzen werden wir nicht.» Wir erreichten die Brücke, die unter unser Gewicht ein wenig knarzte. Ich ließ einen kleinen Schrei aus und krallte mich an Adrian fest.

«Du bist leicht schreckhaft.» Ich boxte seinen Arm. «So was ist nicht witzig.» Wie konnte er nur so leicht damit umgehen? Die Brücke war nicht mehr die stabilste, nicht mehr so sicher. Und er machte sich nichts daraus. Ihm war es einfach egal. Wir schafften es über die Brücke, wobei ich mich die ganze Zeit an Adrian gekrallt hatte. Zum Schluss musste er mich ziehen, da ich mich weigerte weiterzugehen. Zu Recht. Diese Brücke musste erneuert werden. «Du hattest mich auf dem Gewissen. Wenn sie nachgegeben hätte, was hättest du dann getan?» Ich versuchte meine Atmung zu kontrollieren. Zuviel Adrenalin strömte durch meinen Körper und ich zitterte leicht.

«Ich wäre hinuntergefallen. Aber findest du nicht, dass das letzte Gesicht das du sehen wirst so großartig ist?» Ich stieß ihn unsanft in die Rippen. «So was von witzig, Idiot! Ich würde gerne noch heil nachhause kommen, wenn das überhaupt möglich ist!» Adrian legte einen Arm um mich. «Wie sind wir hierhingekommen? Durch die Brücke, genau. So kommen wir zurück. Ein zweites Mal wird sie unser Gewicht schon halten.» Er war die Lässigkeit in Person. Während ich vor Angst fast in die Hose machte, blieb er lässig wie eh und je. «Du hast mich auf dem Gewissen.», flüsterte ich nochmals und musste grinsen, da er ebenfalls grinste. «Genau, Kleine.» Ich schüttelte den Kopf.

«Nie wieder. Sag nie wieder ‚Kleine‘, nie wieder!», sagte ich. Ich sah Adrian wieder an, der anfing zu strahlen. «Hier wären wir. Ich weiß, ohne Regen und mit Sonne würde es besser aussehen, aber die Umstände machen es leider nicht möglich.» Ich entwand mich seinem Hinblick und sah den Park an. Adrian hatte die Wahrheit gesagt. Es war ein Traum von Park. Er lag abseits der Häuser und wahrscheinlich kannte fast niemand diesen Park. Was es nur umso schöner machte. Niemand ging dir hier auf den Geist. Wenn man alleine sein wollte, konnte man dahin gehen. «Er … er ist der Wahnsinn.» Ich drehte mich und ging zu den Sträuchern, die so schön wuchsen. Die so schön in den verschiedensten Rosenfarben leuchteten. Ich roch daran und lächelte.

«Ein Ort der Ruhe. Und das in Wien.» Ich drehte mich wieder und sah dann zum Himmel. Ein atemberaubender Anblick. Wunderschön. Faszinierend. Ich lief zu einer Bank und hüpfte hinauf. Die Bank war zwar nass, aber ich balancierte bis zum anderen Ende und sprang wieder hinunter. «Was wird das?» Adrian hielt mich am Arm fest und drehte mich zu sich. «Ich springe und tanze. Im Regen!» Ich konnte mir kein Lachen verheben und drehte mich wieder. Lachend. Glücklich.

«Du hast dein Handy mit oder?», fragte ich und ging wieder zu ihm zurück. Adrian stand immer noch da, sah mich skeptisch an. «Ja. Hast du was getrunken?» Ich grinste. «Nein! Bitte Musik. Und bitte tanze mit mir?» Ich verbeugte mich vor Adrian und hielt ihm meine Hand hin.

«Wir werden das noch bereuen.»

Er ging YouTube und ich hörte sofort einen Bass und dann fing der Junge an zu singen. Ich gab zu, dass dieses Lied nicht ganz meine Entsprechungen betraf, aber ich nahm das was ich bekam. Dann nahm Adrian meine Hand und drehte mich einmal ganz schnell um meine eigene Achse. Das machte er noch zweimal, danach zog er mich so nah zu sich, dass ich seinen Atem spüren konnte. Das ging so schnell, dass ich eine Hand auf seine Brust legte, damit ich nicht auf ihn fiel.

«Du kannst so gut tanzen.», hauchte ich und er grinste. Adrian legte einen Arm auf meine Taille und fing an zurück und vor zu gehen. Ich wusste nicht welchen Tanz er mit mir tanzte, aber ich genoss es und war erstaunt, was Adrian alles konnte. Er konnte lernen, tanzen, küssen, verführen und noch so viel mehr, da war ich mir sicher. Adrian tanzte schnell mit mir, da das Lied ebenfalls schnell war. Es kam mir vor, als würden wir lange tanzen. Sehr lange.

Ich checkte nicht mal, dass ein anderes Lied kam. Irgendjemand spielte Violine. So gut. So schön. Und Adrian nahm eine andere Haltung ein. «Bitte Miss Montgomery, tanzen Sie noch einmal mit mir?» Ich legte meine Hand in seine und lächelte. «Liebend gern.» Er küsste meine Hand und grinste mich an. Da die Violinenspielerperson noch immer war, führte Adrian mich mit langsamen Schritten. Vor, zurück, drehen, meinen Oberkörper hinunter. Im Regen zu tanzen. Adrian hatte meinen kleinen Traum erfüllt.

 

 

**** 

«Wie spät ist es denn?» Adrian saß auf der Bank, ich lag daneben, mein Kopf ruhte auf seinen Oberschenkel. Wir hörten gerade ein Lied von Black Eyed Peas, das schon etwas älter war. Wir beide waren nass, die Kleider klebten an uns. Trotzdem waren wir hier geblieben, lagen auf der Bank und sahen uns den Park an. Den Regen, der auf uns prasselte. Ich lauschte der Musik und summte leise mit. «Es ist neun. Magst du zurück?», fragte er und ich nickte.

«Mir wird zu kalt.» Ich richtete mich auf. «Nimm meine Jacke. Sie ist zwar nass, aber du spürst noch die Wärme.» Ich nahm seine Jacke dankend und zog sie an. «Wenn dir zu kalt ist, nimmst du sie sofort, okay?» Adrian legte einen Arm um mich und wir gingen zurück. Der Regen hatte ein wenig nachgelassen, dafür war jetzt ein Wind, der in meinen Ohren wehtat. Morgen würde ich so was von erkältet sein. Shit! Schon wieder hatten wir an die Konsequenzen nicht nachgedacht. Als wir an der Brücke ankamen, zögerten wir beide. Da der Wind vorher nicht so fest war, war die Brücke still dagewesen. Jetzt wippte sie hin und her. «Gibt es einen anderen Weg?», fragte ich leise und sah ihn flehend an.

«Ich habe keine Ahnung.», antwortete er. Mein Instinkt riet mir einen anderen Weg zu suchen, doch mir war zu kalt, ich war nass und ich wollte heim. Was mein Instinkt mir riet, warf ich sofort weg. Ich ging zur Brücke. «Du willst das wirklich tun?» Ich blieb stehen und drehte mich um. Adrian war mir nicht gefolgt. «Ganz ehrlich? Ja.» Adrian zögerte nur einen kurzen Moment und nahm meine Hand. «Wir werden sterben.», sagte er und wir gingen zaghaft einen kleinen Schritt Richtung Brücke. Schon waren unsere Rollen vertauscht. Zuerst hatte ich Angst und jetzt hatte es Adrian. Irgendwie. Unter unserem Gewicht knarzte sie wieder, blieb aber so wie sie war.

Ich atmete laut aus und ging noch einen Schritt. Mir wurde bewusst, wie naiv ich war und das ich Adrian in Gefahr brachte. Der Junge, der für mich so ein guter Freund war. Der für mich da war und wo ich mich wohl fühlte. «Wir haben die Hälfte geschafft.», schrie ich ihm zu und die Brücke schwang wieder hin und her. Sofort hielten wir uns fest.

«Ich glaube kriechen ist besser.», sagte ich. «Meine Klamotten?». Ich warf ihm einen bösen Blick zu. «Haben deine Eltern nicht genug Kohle!», schrie ich und er tat was ich sagte. Ich ging voran und Adrian folgte mir, obwohl er um einiges langsamer ging wie ich. «Geht es ein wenig schneller?», fragte ich ihn und erreichte endlich das Ende der Brücke. Mir kam es vor, als wären wir Stunden da oben gewesen. Ich drehte mich zu Adrian und sah, dass er auch schon fast da war. Einen Moment war ich froh, dass die Brücke unserem Gewicht und dem Wind standgehalten hatte.

Eine Erneuerung war schon sehr lange fällig. «Noch ein paar Meter.», schrie ich ihm zu und da wippte sie erneut. Dieses Mal fester und wilder. Ich schrie auf und merkte nicht mal, dass ich meine Augen zusammengekniffen hatte. «Stehst du nicht auf?» Adrian hatte es geschafft und hielt mir die Hand hin. Seine Klamotten waren teilweise mit Dreck bedeckt, manche Stellen hatten einen kleinen Riss. «Meine Mutter wird mich töten.» Ich nahm seine Hand und sagte: «Ja klar. Wegen den Klamotten?» Seine Mutter – und da war ich mir sicher – würde nichts tun. «Schmeiß sie weg. Kauf neue.» Adrian schwieg und wir liefen nebeneinander zu ihm nachhause.

«Wir gehen sofort hoch in mein Zimmer. Wir sehen schrecklich aus. Du hast sogar Dreck an der Wange.» Er berührte meine Wange und wischte den Dreck weg. «Dein Gesicht ist immer noch gleich. Ohne Schmutz.», flüsterte ich und wir öffneten die Haustür. Adrian und ich sprangen sofort hinauf in sein Zimmer –  waren froh, dass wir keinen über den Weg rannten und sperrten hinter uns zu. «Komm wir gehen duschen.»

Ich hielt sofort inne. «Einzeln. Geh schnell, ich gehe nach dir.», sagte er und grinste. Ich verdrehte die Augen. «Darf ich etwas zum Anziehen? Die» Ich zeigte auf meine Hose, meinem gelben Top und der Strickjacke, die ich so sehr liebte, «muss ich verewigen.» Adrian öffnete seinen Schrank und schmiss mir eine graue Jogginghose und eines seiner langen Shirts hin.

«Vielen Dank. Ich werde jetzt meinen Körper vom Schmutz befreien.» Adrian lachte. «Duschgel und Shampoo ist in einem Schrank. Musst nur schauen welcher.», hörte ich noch und dann schloss ich die Badezimmertür zu. Die Sachen hatte ich gleich gefunden und ich zog mich rasch aus und hüpfte in die Dusche. Nach der Dusche – wie gut ich doch wieder roch – zog ich meine Unterwäsche und Adrians Sachen, die er mir gegeben hatte, an und ging hinaus.

«Ohne Dreck schaust du doch schöner aus. Wenn meine Mutter kommt, sage ihr, dass ich unter der Dusche bin.» Ich nickte. «Das bist du ja.», schrie ich ihm nach, doch er hatte die Tür schon verschlossen. «Sind Sie sich sicher, dass er gekommen ist, Mister Kuwak?» Schritte kamen auf das Zimmer zu und ich hörte Mister Kuwak sagen: «Ja, Mrs. DiMonti. Da bin ich mir sicher.» Ich öffnete die Tür bevor sie es erreichten und begrüßte Mister Kuwak und Emily.

«Guten Abend, Mister Kuwak, Mrs. DiMonti.» Emilys Miene hellte sich auf. «Guten Abend, Kimberly. Wo ist Adrian?» Zumindest eine war freundlich, Mister Kuwak nickte mir nur schweigend zu. «Wir beide waren nass, Adrian ist gerade unter der Dusche. Und ich werde mich auf den Weg nachhause machen. Sagen Sie Adrian, dass ich gegangen bin, ich muss noch einiges erledigen. Vielen Dank, Mrs. DiMonti. Bye!»

Ich nahm meine Tasche, zog meine Schuhe an und blieb kurz stehen. «Ich werde mir schnell eine Jacke borgen, meine ist völlig nass.» Ich nahm die erstbeste Jacke die ich sah. Adrians schwarze Lederjacke, die sich so sexy an seinen Körper schmiegte. «Möchtest du nicht noch bleiben, bis er aus der Dusche kommt?», fragte Emily, doch ich schüttelte den Kopf. «Bevor meine Tante von der Arbeit kommt, möchte ich noch ein wenig das Haus säubern.», meinte ich und schon war ich weg. Zuhause ging ich schnurstracks auf mein Zimmer und ließ mich ins Bett fallen.

Es war ein anstrengender Tag gewesen. So viel war geschehen. Wir waren im Donauzentrum, waren nachsitzen, die Berührung in der Stretchlimousine und im Haus, die Lernstunden, seine Mutter, tanzen im Regen und den schlimmen Weg wieder zurück. Langsam stand ich wieder auf und suchte mir im Kühlschrank etwas Essbares. Ich gab mich mit einem Erdbeerjoghurt zufrieden und ging dann ins Wohnzimmer, wo ich den Fernseher einschaltete.

Ich zippte durch die Kanäle und blieb bei ProSieben stehen, wo gerade Hangover II kam. Ich hatte zwar den Anfang verpasst, doch das war mir egal. Es war nicht das erste Mal, dass ich ihn ansah. Also machte ich es mir gemütlich und war froh, einige Stunden meine Ruhe zu haben. Zumindest hoffte ich es.

 

 

 ****

Ich war eingeschlafen. Das hatte ich erst gemerkt, als jemand wie ein Irrer an meiner Haustüre klingelte. Bis ich es richtig gecheckt hatte, war sicherlich viel Zeit vergangen. Ich stand auf und stolperte zur Haustür, während ich mir die Augen rieb.

Ich hatte gerade einen Spalt geöffnet, als zwei Personen reinstürmten. «Ich habe den Schlüssel vergessen, Kim. Und er», sie zeigte auf die andere Person, «war vor der Haustür. Ich lasse euch zwei alleine.» Meine Tante verschwand in der Küche, ich blieb mit dem Unbekannten – Adrian – alleine zurück. «Was machst du hier?», fragte ich und schloss die Tür hinter uns. «Du gehst nicht ans Handy und schreibst nicht zurück.» Ich führte Adrian auf mein Zimmer und zeigte auf mein Handy.

«Ich war unten im Wohnzimmer. Hangover ist gerade gekommen, wobei ich bei der Hälfte gepennt hatte. Also tut es mir leid, dass du dir umsonst Sorgen gemacht hast.» Ich nahm mein Handy in die Hand und überflog schnell seine drei Nachrichten. «Zehn Anrufe? Du machst dir ja wirklich Sorgen.» Adrian nickte. «Ja, ich komme sogar, obwohl es schon nach elf Uhr ist. Warum bist du so schnell abgehauen?», fragte er. «Adrian», fing ich an, «ich wollte nicht, dass deine Mutter was Schlimmes von mir denkt. Ich hatte deine Sachen an und du warst unter der Dusche. Ich kam gerade aus der Dusche. Und Mister Kuwak war so komisch.»

Adrian setzte sich auf mein Bett und streckte sich aus. «Meine Mutter mag dich. Egal ob du meine beste Freundin, meine Lernpartnerin oder auch meine feste Freundin bist.» Ich lachte. «Feste Freundin?» Adrian schmiss ein Kissen nach mir. «Ein Beispiel. Es war nur ein blödes Beispiel.» Ich ließ mich neben ihn nieder. «Ich weiß, Adrian. Wie lange willst du noch hier bleiben?», fragte ich. «Du willst mich loswerden?», seine Mundwinkel zuckten kurz und er lächelte. «Es ist spät. Ich bin müde und morgen ist Schule. Du hast nicht vor hier zu schlafen?»

Er grinste mich an. «Deswegen auch der Rucksack.», schlussfolgerte ich und er nickte wieder. «Schlaues Mädchen. Meine Mutter habe ich einen Zettel dagelassen, dass ich bei dir penne. Sie war im Arbeitszimmer und wieder mal beim Arbeiten.» Ich kuschelte mich ins Bett. «Du wirst aber nicht in diesen Klamotten schlafen gehen, oder?»

«Die sind teuer.»
Er zog eine schwarze Jogginghose und ein Shirt aus seinem Rucksack. «Überraschung!»

In Windeseile zog er sich um und legte sich neben mich hin.

Ich kicherte.

«Wer hat gesagt, dass du hier pennen darfst?» Adrian legte seinen Kopf auf meinen Bauch. «Würdest du einen müden Jungen nachhause schicken?» Ich schüttelte den Kopf, fuhr durch seine Haare und wünschte ihm eine gute Nacht. «Gute Nacht, Kim.», hörte ich noch und driftete sofort in die Welt der Träume ab. 

Kapitel 9 – Mittwoch, 17. April 2013

Ich wachte schweißgebadet auf, sah mich panisch um und stellte fest, dass diese komischen Raben, die meinen Tod wollten, nur eines war: ein Traum. Oder besser gesagt ein Alptraum. Mein Atem ging um einiges zu schnell und ich versuchte wieder meine normale Atmung zu finden.

Was war das für ein Traum? Schrecklich. Furchtbar. Grauenvoll. Ich wischte meinen Schweiß weg und sah zu Adrian. Der öffnete leicht seine Augen.

«Alles in Ordnung?» Ich nickte. «Alles okay. Schlaf weiter.» Er nickte, rückte zu mir und schlief neben mir ein. Ich dagegen konnte nicht mehr einschlafen. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich sowieso nur mehr eine Stunde zum Schlafen hatte. Also ließ ich es gleich und sah stattdessen Adrian beim Schlafen zu. Wenn er schlief war Adrian so anders.

Er sah so niedlich und süß aus. Sanft strich ich über seine Haare und ging in meinem Kopf alle Vokabeln durch. Wenn ich eine nicht wusste, sah ich im Buch nach, dass auf dem Nachtischchen stand. Nach einer Stunde ging mein Wecker ab und Adrian stand wieder auf. Als er sah, dass ich lernte, sah er mich fragend an. «Ich konnte nicht mehr schlafen.», war meine Antwort. «Du hättest mich wecken können.», er gähnte und fuhr sich durch die Haare.

«Du hast so schön geschlafen. Ich wollte dich nicht wecken.» Wir beide hüpften aus dem Bett und gingen hinunter in die Küche. «Lieber lernst du?» Ich nickte. «Ja. Du solltest doch auch deinen Schlaf bekommen.» Ich machte uns ein Butterbrot, während Adrian unser Müsli machte. «Aus reiner Maßnahme wirst du heute mehr zu dir nehmen. Hast du noch deine … du weißt schon.» Ich nickte.

«Und deswegen wirst du uns den Kaffee machen, ich werde ins Bad gehen.» Ich ließ Adrian stehen und ging ins Bad. Wieder in der Küche, aßen wir unser Frühstück und machten uns für die Schule fertig. Auf dem Weg zur Straßenbahn, redeten Adrian und ich über die zwei Mädchen in der Bahn. «Sie sind nervig.», sagte ich und verdrehte die Augen.

«Aber sie besetzen uns einen Platz.», konterte Adrian. «Dafür dürfen sie dich anstarren.» «Aber wir haben einen Platz.» «Das hattest du schon.», ich kicherte. «Eine Viertelstunde stehen wir schon mit den zwei durch. Wir hatten schon Schlimmeres.» Ich hakte mich bei Adrian ein. «Da hast du ausnahmsweise Recht.» Obwohl ich meine Tage noch hatte, war ich gut und fröhlich gelaunt. Und die ließ ich mir von den zwei Mädchen nicht vermiesen.

«Vielleicht habe ich sogar Glück und die Straßenbahn kommt wieder zu spät.», sagte ich kichernd. Adrian verlegte seinen Rucksack von der rechten Schulter zur linken und gab von sich: «Wieso magst du die zwei Mädchen nicht? Sie besetzen uns einen Platz.» Ich lachte.

«Ich mag es nur nicht, wenn sie dich wie ... wenn sie dich so erregt anschauen. Ich finde das widerlich!» Adrian lachte. «Bist du etwa eifersüchtig?», fragte er. War ich das? Das musste ich doch nicht. Ich war ständig bei ihm. «Nein. Wie schon gesagt ich finde es … widerlich. Und sonst ist nichts.» Adrian sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.

«Hey! Es war die Wahrheit.», verteidigte ich mich und lächelte. «Ist aber süß von dir, dass du was anderes denkst.» Adrian verzog das Gesicht. «Das sollte nicht süß sein.» «Uh wie sexy von dir.», versuchte ich es wieder und Adrian nickte.

«Das wollte ich hören. Die Straßenbahn hat schon fünf Minuten Verspätung.»

«Ich will gar nicht wissen, was die jetzt schon wieder hat. So viel Verkehr ist doch nicht.», meckerte ich. «Du, meine liebe, kleine Freundin», fing Adrian an. «hast keine Ahnung. Hier ist keiner, aber ein paar Straßenenden weiter vielleicht schon.» Ich sah ihn mit großen Augen an. «Danke für die … Information.»

 

 

**** 

«Das ist doch gar nichts!» Wir – eigentlich ich – rannte in die Schule, Adrian ging lässig wie immer. Die Straßenbahn hatte eine halbe Stunde Verspätung und Adrian war es so was von egal. «Eine halbe Stunde ist schon viel.», schrie ich zurück und fügte hinzu: «Du könntest einen Schritt zulegen!» Dafür konterte ich ein Lachen und ich blieb endgültig stehen.

«Was?!», fauchte ich. «Du. Ich war schon einmal drei Stunden zu spät. Eine halbe Stunde ist nichts.» Am liebsten hätte ich ihm jetzt eine gegeben. «Mrs. Kirchmaier wird so was von angepisst sein!» Adrian war bei mir angelangt und zog eine Braue hoch. «Angepisst? Willst du, dass sie es sein wird? Dann könnten wir die Stunde schwänzen und im Klo rummachen?»

Da ich heute gut gelaunt war, spielte ich mit. Ich berührte seine Brust und streichelte sie sanft. «Rummachen?», hauchte ich, Adrian schluckte. «Ja.» «Zuerst werde ich einen Schritt zu dir gehen.» Ich ging einen Schritt näher zu ihm. «Dann streichle ich deinen Arm, deine Brust und deinen Bauch.» Ich tat das was ich sagte, wobei ich jede Sekunde und Berührung hinauszog.

«Rummachen, Adrian», sagte ich, «werden wir niemals machen!»

Ich lächelte und ging weiter. «Jetzt sind es schon vierzig Minuten!», sagte ich, «Verdammt!»

Adrian kam zu mir und wir gingen gemeinsam in die Klasse.

«Du musst lernen, dass man nicht immer aufhören soll, wenn man was beginnt, Kim.» Ich öffnete die Schultür. «Und du sollst lernen, mich nicht immer anzumachen. Ich bin immun gegen deinen Charme.» Wir kamen an ein paar Schüler vorbei, die wieder einmal den Blick nicht von ihm lassen konnten. Innerlich stöhnte ich wieder, aber das war nicht mein Problem. Mein Problem war, dass ich zu spät war. Als ich die Tür öffnete, drehte sich jeder zu uns um.

«Miss Montgomery? Sie sind zu spät.» Dann drängte sich Adrian an mir vorbei und grinste. «Wir wollten einfach nicht in den Unterricht. Langweilen können wir uns auch woanders.» Adrian setzte sich auf seinen Platz und sah mich fragend an.

«Frau Professor? Adrian meinte nicht das. Er wollte nur damit sagen, dass die Straßenbahn sich verspätet hat. Und deswegen sind wir zu spät.» Mrs. Kirchmaier ging von Mandy weg und nach vorne zu mir. «Nein, nein. Das war schon so gemeint, Kim.», drängte sich Adrian wieder dazwischen.  «Nach der Stunde möchte ich mit Ihnen reden.», sagte sie.

«Adrian und ich werden warten.» Sie schüttelte den Kopf. «Nein. Ich möchte nur mit dir reden, Kimberly.» «Mit mir? Ähm okay.» Ich setzte mich neben Adrian. Wir tauschten beide einen verwirrten Blick und versuchten dem Unterricht zu folgen. Doch meine Gedanken schweiften immer wieder ab und ich konnte mich nicht konzentrieren.

«Was will sie von mir?», fragte ich Adrian. Der flüsterte mir zurück, dass er keine Ahnung habe und ich mir keine Sorgen machen sollte. «Du musst auch nicht zu ihr gehen! Was habe ich getan?» Adrian zuckte mit den Schultern. «Nichts. Ich habe die blöden Kommentare abgegeben.»

Ich sah ihn zornig an.

«Genau du! Nicht ich. Also kann ich auch nicht verstehen, warum ich – und nicht du.», flüsterte ich zu Adrian. «Ms. Montgomery und Mr. DiMonti? Wir sind im Unterricht und nicht in einer Talkshow! Holen Sie sich beide nach der Stunde Ihre Strafaufgabe ab!» Rausreden war zwecklos. Heute war einfach nicht mein Tag. Ich war so gut gelaunt und jetzt ging alles – langsam – in den Bach.

«Ich weiß schon was du denkst. Aber nein. Es ist erst der schlimmste Tag, wenn du im Bett liegst und da auch noch was ist» Ich warf Adrian einen bösen Blick zu. «Er ist schrecklich, Adrian. Und jetzt sei still. Wir haben schon Ärger genug!» Ich widmete mich dem Unterricht, doch Adrian hielt mich auf. «Du sagst es. Wir haben schon Ärger genug.» Ich kicherte. «Du ziehst Ärger förmlich an, Adrian. Und deswegen auch ich.» Aber ich musste zugeben, dass ich seit Adrian hier war mehr Spaß hatte. Mein Leben war nicht mehr so langweilig. «Ich bringe Schwung in dein Leben.»

Ich lächelte Adrian an. «Das tust du auf jeden Fall, Adrian. Auf jeden Fall.», sagte ich im Flüsterton und wir beide lachten leise. «Ich will euch beide ja nicht stören, ich sehe das ihr was Besseres zu tun habt, außer dem Unterricht zu folgen, aber könntet ihr endlich aufpassen?!» Unsere Professorin stand vor uns, die Hände in die Hüften gestemmt und funkelte uns hinter ihrer Brille an. «Wir dachten uns, wenn wir schon eine Strafaufgabe bekommen haben, können wir ruhig weiterreden.», antwortete Adrian und zuckte lässig mit den Schultern.

Bevor Mrs. Kirchmaier uns die Köpfe abriss, klingelte es zur Pause und sie schmiss uns einen Stapel Zettel hin. Mindestens zehn Seiten. Zehn Seiten nur Mathematik. Adrian nahm es locker und verschwand aus dem Raum. Davor nickte er mir zu.

«Wir sehen uns in Chemie, kleine Kim.» «Bis gleich.», schrie ich hinterher und stand auch auf. Alle anderen hatten auch schon die Klasse verlassen. «Was wollten Sie mit mir besprechen, Frau Professor?» Sie ging vor und setzte sich auf ihren Platz.

«Seit dieser Adrian hier ist, sind Sie völlig anders. Haben Sie es so nötig, dass Sie sich mit dem Abschaum einlassen müssen.» Meine Augen wurden groß. Abschaum? Adrian? Das ging zu weit. Wer war sie, dass sie so etwas über Adrian sagte.

Ich stolzierte zu ihr vor, legte meine Hände auf den Tisch und beugte mich weiter zu ihr. «Was meinen Sie eigentlich wer Sie sind?», fragte ich sie. «Wie reden Sie mit mir, Ms. Montgomery?» Ich funkelte sie weiterhin böse an. «Gehen Sie zum Direktor. Schauen wir dann wer blöd dasteht.» Ich ging weg, blieb aber beim Türrahmen stehen. «Ich würde gerne wissen, was der Direktor von diesem Gespräch hält? Vielleicht sollte ich es ihm sagen?»

Dann verließ ich die Klasse und suchte Adrian. Der würde gewiss im Chemiesaal sitzen und vor sich hindenken. Das ganze Gespräch hatte meinen Körper mit Adrenalin vollgepumpt und ich spürte kaum das Vibrieren meines Handys. Ich nahm es aus meiner Hosentasche und öffnete die Nachricht.

 

Hast du heute schon was vor? Ich wollte mit dir zu D&B und danach einfach nur ein wenig reden.
Linda

 

Linda. Wie sehr ich sie vermisste. Sie war in der Zeit wirklich meine beste Freundin geworden. Und ich wollte was mit ihr unternehmen. Also schrieb ich ihr sofort zurück.

 

Habe heute nur fünf Stunden. Wann und wo?
Kim

 

Ich schickte die Nachricht ab, achtete nicht auf die anderen und lief in einen anderen hinein und fiel zu Boden. «Sorry, ich habe nicht aufgepasst.», sagte jemand und streckte mir die Hand hin, damit ich aufstehen konnte.

«Danke. Ich habe auch nicht aufgepasst.», entschuldigte ich mich und lächelte. Ein Junge erwiderte das Lächeln. Seine Augen waren von einem schönen Haselnussbraun und seine Haare standen in allen Richtungen. «Ich bin Kevin.», er hielt mir die Hand hin. «Kim.», antwortete ich und schüttelte seine Hand. Dann bückte sich Kevin und überreichte mir mein Handy. «Ich glaube das gehört dir. War es dein Freund mit dem du geschrieben hast?»

Ich schüttelte den Kopf. «Nein, meine beste Freundin. Ich habe keinen Freund.» Kevin grinste. «Darf ich deine Handynummer?», fragte er. «Klar.» Ich nahm aus meiner Tasche einen Stift und nahm seinen Arm. Darauf schrieb ich meine Handynummer und ging weiter. «Ich rufe dich an, Kim.», schrie er mir nach. Ich drehte mich nochmals um und lächelte.

«Und ich werde darauf warten.» Dann drehte ich mich wieder um und wäre fast in den nächsten reingelaufen – Adrian. «Wer war das?» Ich zeigte auf Kevin. «Der da?», fragte ich und kicherte. «Habe ich gerade umgerannt. Kevin heißt er. Was machst du überhaupt hier?» Ich ging weiter und Adrian folgte mir. «Ich habe dich gesucht. Wie war das Gespräch mit Mrs. Kirchmaier?»

Sofort wurde ich wieder sauer. Wie konnte sie es wagen, Adrian als Abschaum zu bezeichnen? Das war unterstes Niveau. Ich wollte es auf keinen Fall Adrian erzählen. Der würde zu ihr springen und sie niederschlagen. «Ach nichts Besonderes. War der Typ nicht süß?», wechselte ich schnell das Thema und es funktionierte. «Wenn man auf solche Jungs steht.» Adrian legte mir einen Arm um die Schultern. «Eifersüchtig?»

Adrian lachte. «Auf den? Ganz bestimmt nicht. Vor allem nicht, wenn ich schon das getan habe.» Er fuhr unter mein Shirt und streichelte meinen Bauch, fuhr weiter bis zum Saum meines BHs. «Nein, Kim, das bin ich nicht.» Endlich ließ er mich los und ich konnte wieder atmen. Seine Berührungen wurden jedes Mal schlimmer. Ich hörte auf zu atmen, weil mich seine Berührung so elektrisierte. Nein, nein, nein. «Ich will diesmal pünktlich zum Unterricht kommen. Noch einen Lehrer der uns nicht mag, ist nicht gut.»

Wir erreichten den Chemiesaal und setzten uns in die vorletzte Reihe. Der Saal war schon halbvoll und Mr. Garp war auch schon da. «Ist Ihre Frau wieder gesund, Herr Professor?», fragte ich und Mr. Garp nickte. «Ja, ihr geht es wieder gut. Sie wird sich freuen, dass Sie nachgefragt haben.» Er lächelte und in dem Moment vibrierte wieder mein Handy.

 

Wann genau hast du aus?
Linda

 

Es klingelte zur Stunde und ich schrieb hastig eine Nachricht.

 

Viertel vor Eins. Hole mich um zwei bei mir ab. Danke!
Kim

 

Dann verstaute ich mein Handy und verfolgte gespannt den Unterricht, wo Mr. Garb verschiedene chemische Experimente machte.

 

 

Die fünf Stunden vergingen schneller als ich gedacht hatte und schon fuhren Adrian und ich heim. In der Straßenbahn war wieder alles voll, aber es war uns egal. «Was wirst du heute machen?», fragte Adrian mich. «Ich werde mich um zwei mit Linda treffen. Bis fünf wahrscheinlich, dann werde ich lernen. Was machst du? Nach dem Nachsitzen?»

Adrian warf mir einen gespielt wütenden Blick zu. «Nachhause fahren, was essen und dann zu dir gehen, um zu lernen.» Ich kicherte. «Wer hat gesagt, dass ich mit dir lernen werde?», fragte ich. «Was?», fing er an, «du würdest nicht mit mir lernen?» Er machte einen Schmollmund und ich lachte. «Klar, lerne ich mit dir. Glaubst du dieser Typ von vorher ruft an?»

Adrian verdrehte die Augen. «Was willst du mit dem Typ, Kim?» Ich grinste. «Weiß nicht. Vielleicht passen wir gut zusammen?» Adrian verzog sein Gesicht. «Kim, Kim, Kim. Kann ich also um halb sechs bei dir vorbeischauen?» Ich nickte und wir stiegen dann aus. Diesmal ging ich ganz alleine. Es war ungewohnt, so lange war Adrian an meiner Seite.

«Bis später, Adrian.», sagte ich und umarmte ihn. «Bis später, Kim.», sagte er und wir gingen in zwei verschiedene Richtungen. Zuhause machte ich mir schnell einen Salat und aß ihn auf. Da meine Tante die ganze Woche so früh arbeiten musste und spät kam, konnte sie für mich nichts machen. Ausnahme war am Montag, wo sie mir was gekocht hatte.

Es war komisch, nachhause zu kommen, kein Essen auf dem Tisch und niemand der dich begrüßte. Ich verschlang den Salat in einer Viertelstunde und machte schnell die Hausaufgaben. Viel hatte ich nicht auf und ich war in zwanzig Minuten fertig. Und es war genau zwei. Die Strafaufgabe würde ich erst morgen machen, nach dem Test, wo ich genügend Zeit hatte.

Fünf nach zwei. Endlich klingelte es. Ich zog meine Schuhe und meine Jacke an, nahm meine Tasche und öffnete die Tür. «Dolce & Gabbana wir kommen.», begrüßte ich sie und drückte sie an mich. «Hey Kim. Schön dich wieder zu sehen.» Ich nickte. «Das finde ich auch. Bist du bereit?» Linda lachte. «Logo. Komm wir fahren los.» Wir stiegen in ihr Auto und sie fuhr sofort los. Anscheinend wusste sie wo ein D&G Geschäft war, den sie brauchte nicht zu suchen.

«Dolce & Gabbana, meine Liebe. Ich hoffe sie haben Aktionen.» Linda und ich tauschten einen kurzen Blick. Es war das erste Mal das ich dieses Geschäft betrat. Warum? Tja, ich hatte einfach kein Geld dazu und ich wollte solche Kleider nicht. Würde ich anders denken, wenn meine Tante darauf bestand, die neuesten Kleider zu tragen, die besten Marken? «Schuhe, Kleider, Hosen, Tops, Taschen. Ich glaube ich bin im Himmel, Kim.», flüsterte sie mir zu und fing an alles anzusehen.

Ich ging ihr hinterher und sah mir das ein oder andere Kleidungsstück an. Hosen um zwei Hundert Euro. Schuhe um vier Hundert Euro. Taschen die alle über fünf Hundert und mehr kosteten. Nur wenige Artikel waren unter zwei Hundert und die die es waren, waren mit den anderen nicht zu vergleichen und eher alt und nicht so trendy. Linda zog Kleider und Schuhe an, die ihr fast alle gut standen, der Preis jedoch ziemlich hoch war.

«Kann ich Ihnen helfen?» Die Verkäuferin stand vor uns. «Nein, danke. Meine Freundin schaut sich ein wenig um.», versicherte ich ihr und Linda zog sich wieder um. In der Zwischenzeit suchte ich ein wenig für sie und entdeckte eine wunderschöne Tasche. Sie war nicht von der neuen Kollektion, aber sie war ein Traum. Und sie war heruntergesetzt. «Von fünf Hundert Euro, Baby, auf 340 Euro.», sagte ich, als sie aus der Kabine kam und hielt die Tasche vor ihre Augen. «Kim? Die ist ja der Wahnsinn!» Sie umarmte mich und sah sich die Tasche genauer an. «Ich weiß. Und sie gehört dir, wenn du noch ein wenig Geld dabei hast.» Sie zog eine Braue hoch.

«Kim? Ich werde nicht nur den Gutschein mithaben.», sagte sie. «Wir könnten eine kleine Modenschau machen. Wir ziehen einige Sachen an und bewerten sie dann.» «Okay.», gab ich zurück und nahm einen Rock, ein Top, einen Schal, die passenden Schuhe und Tasche mit in die Kabine. Das Endergebnis war überraschenderweise gut. Ich gefiel mir, obwohl D&G nichts für mich war. Der Preis hatte es ebenfalls in sich: Über 1.000 Euro.

Auch Linda fand, dass ich gut aussah. Aber nicht nur ich sah gut aus: die Hose und der Pullover stand Linda so gut. Wir probierten die nächsten Klamotten an, wo ich ziemlich schräg aussah und erntete lachen von Linda. Wir machten das bis wir fast alles durch hatten und bis uns die Verkäuferin die ganze Zeit beobachtete. «Ich werde zahlen.» Ich nickte und da kam mir die Idee. Ich nahm das teuerste Kleid und zog es an. Dann nahm ich mein Handy und hielt es Linda hin.

«Mache bitte ein Foto von mir. Adrian soll nur sehen, dass ich in so einem Geschäft bin. Und das freiwillig!» Linda lachte. «Das traurige daran ist, dass dir dieses Kleid fantastisch steht. Hast du nicht zufällig ein paar Tausend Euro da?» Ich lachte mit. «Witzig, Linda. Ich brauche so ein Kleid nicht. Hast du das Foto?» Sie schüttelte den Kopf. «Bleib ruhig und lächle.» Ich tat was sie sagte und schon hatte sie das Foto. Linda hatte Recht, es sah gut aus. Sah gut an mir aus.

Ich schickte Adrian das Foto und schrieb dazu: <Sehe ich darin nicht großartig aus? Rate mal, woher dieses Kleid stammt. Kim>

Linda sah mich fragend an und ich erklärte ihr, dass er mich ins Hollister geschleppt hatte. Linda lachte nur und ich zog mir wieder meine alten Klamotten an.

«Hast du etwas gefunden?», fragte Linda mich.

«Nein.»

Sie grinste und wir gingen zur Kassa. 340 Euro. Einfach so weg. Und was bekam sie? Eine Tasche. Eine einzige Tasche. Großer Gott. Danach fuhren Linda und ich zu mir nachhause, wo wir auf mein Zimmer gingen. Wir beide setzten uns auf mein Bett. «Wie war dein Tag?», hakte sie nach und ich erzählte ihr von dem Typ und von der blöden Anmache der Lehrerin. Sie machte große Augen und fragte nach, was mit ihr abging.

«Keine Ahnung, Linda. Auf jeden Fall habe ich es nicht Adrian erzählt. Er würde ihr den Kopf abreisen.» Linda und ich mussten lachen. In dem Moment klingelte mein Handy, das ich wieder auf laut gestellt hatte. Eine Nachricht von Mr.-Ich-bin-so-sexy.

 

Du warst ohne mich bei D&G? Ich fühle mich verletzt, Kim. Ich hoffe du hattest deinen Spaß.
Adrian

 

«Hier.», ich reichte Linda das Handy und sie lachte. «Ihr seid inzwischen richtig gute Freunde geworden oder?» Ich nickte und schrieb Adrian zurück.

 

War lustig. Und sehr, sehr, sehr, sehr, sehr teuer. Bist du immer noch beim nachsitzen?
Kim

 

«Hast du Durst? Oder Hunger?», fragte ich Linda. «Durst hätte ich.», sagte sie und ich holte uns einen Orangensaft und zwei Gläser. Dazu noch ein wenig Chips und alles war super. Linda erzählte mir von ihrer Woche und ich von unseren Lernstunden.

Etwas Interessanteres hatte ich irgendwie nicht erlebt. Sie hingegen hatte das erste Mal mit Richard geschlafen. Sie waren nun zusammen und er trug sie auf Händen wie ich erfuhr. Außerdem waren ihre Eltern zurückgekommen und aßen mit Richard zu Abend. Sie mochten ihn von Anfang an. «Deine Woche war wesentlich besser wie ich. Glaubst du ist Richard der Richtige?»

Lindas Augen leuchteten. «Schon möglich.», sagte sie kichernd. Ich fand das schön. Dieser Richard machte Linda glücklich. Mit einem Mal, wollte ich auch glücklich sein. Einen Jungen an meiner Seite haben. Den Gedanken schob ich aber schnell beiseite. Der Richtige würde schon noch kommen. «Glaubst du, dieser Kevin wird anrufen.» Linda nickte.

«Wenn nicht, dann ist er dumm.» Ich kicherte und genau in diesem Augenblick bekam ich einen Anruf. «Ich glaube, das ist er.», kreischte ich und ging ran. «Hallo, Kim hier.», meldete ich mich und ein Junge – Kevin – begrüßte mich.

«Hey, Kim. Hier ist Kevin. Den, den du umgerammt hast.» Ich musste lachen. «Hey Kevin. Was gibt’s?», fragte ich. «Ich wollte nur fragen, ob du mal mit mir ausgehen willst.» Ich grinste Linda triumphierend an und formte mit dem Mund ‚Er hat nach einem Date gefragt.‘ «Ich werde mich melden, wenn ich Zeit habe, okay? Zurzeit muss ich für einen Test lernen, aber ich melde mich fix, versprochen.» Ich hörte in der anderen Leitung ein Lachen.

«Ich nehme dich beim Wort, Kim. Ich warte auf deinen Anruf.» Wir legten auf und dann diskutierten Linda und ich über Kevin.

 

 

«Der eine geht, der andere kommt.» Linda umarmte mich lachend und begrüßte Adrian. Dann stieg sie in ihren Wagen und fuhr weg. «Bist du bereit zu lernen?», fragte er und umarmte mich. «Kein Bock. Aber wir müssen.», sagte ich und seufzte. «Ich habe von zuhause was zum Essen mitgenommen, weil deine Tante nicht da ist. Ich hoffe du hast noch nichts gehabt.»

Ich kicherte und drückte Adrian gleich nochmals an mich. «Nein. Und ich habe riesen Hunger.» Ich zog Adrian an seinem Shirt zu mir und schloss die Tür. «Das könnte man falsch verstehen, Kim.» Ich verdrehte die Augen. «Was hast du mir leckeres mitgenommen?», hakte ich nach und wir setzten uns in die Küche. «Zuerst einmal einen schönen Gruß von meiner Mutter.», fing er an.

Ich sprang auf Adrian und versuchte seinen Rucksack zu klauen. Warum machte er alles nur so spannend? «Es ist nichts Besonderes, Kim. Es ist nur Kobe-Rindfleisch mit einer leckeren Sauce mit Karotten und dazu Polenta.» Für mich war alles Besonders. «Das klingt so gut.» Ich stellte mich auf dem Boden. «Darf ich?» Ich klimperte mit meinen Wimpern und lächelte Adrian süß an. «Ja, ich habe es dir ja mitgebracht. Hau rein, Kleine.» Adrian überreichte mir den Teller und ich riss die Folie herunter. «Was wird morgen gekocht? Vielleicht komme ich zu dir. Ganz spontan.»

Ich wärmte das Essen in der Mikrowelle und drehte mich zu Adrian um. «Würden Sie die Ehre haben mit mir zu reden?» Adrian riss den Kopf hoch. «Oh ja klar. Ich habe keine Ahnung was es morgen geben wird. Lasse dich überraschen.» Die Mikrowelle piepte und ich nahm das Essen heraus. In weniger als einigen Sekunden roch die ganze Küche danach und ich holte mir Gabel und Messer. «Guten Appetit.», wünschte mir Adrian und ich grinste ihn dankend an.

 

 

****

«Es war so gut. So lecker. Und jetzt bin ich vollgestopft.» Ich legte mich auf mein Bett und wartete bis Adrian sich neben mich setzte. «Ich habe auch nie gesagt, dass du alles essen solltest.» Ich warf Adrian einen wütenden Blick zu.

«Habe ich aber. Ich muss mich nur zehn Minuten ausruhen, dann können wir anfangen zu lernen.», sagte ich und atmete leise ein und aus. Nach zehn Minuten ging es meinem Bauch um einiges besser und wir fingen an zu lernen. Adrian und ich lasen uns zwei Stunden die Vokabeln und Sätze durch, danach fragten wir uns gegenseitig aus. Wer hätte gedacht, dass wir beide so gut sein würden, denn wir konnten alle Sätze übersetzen. Adrian grinste und schmiss die Bücher auf den Boden, während er sich über mich beugte. «Du bist großartig, Kim. Einfach nur großartig.»

Ich lächelte und schmiss Adrian von mir runter. «Ich weiß, Adrian. Ich bin bezaubernd und super.» Ich stand auf und sah Adrian an. Der streckte sich und klopfte neben sich. «Leg dich wieder zu mir.» Ich schüttelte den Kopf, den mir kam eine gute Idee. «Nein, nein. Wir müssen was machen. Und ich weiß schon was.» Ich grinste Adrian an.

«Ich glaube das gefällt mir nicht.», erwiderte Adrian und ich zog ihn hoch. «Doch, doch. Das wird es. Glaub mir.» Ich zog Adrian hinunter in die Küche und nahm ein Kochbuch zur Hand. «Du hast noch nicht genug?» Ich fing an zu lachen. «Adrian», fing ich an und verhob mir ein Lächeln, «wir backen jetzt einen Kuchen.» Die Antwort von ihm war so wie ich es mir vorgestellt hatte: er grinste mich an, umarmte mich und drehte mich umher. «Lese mir vor, was wir brauchen, ich hole alles.», sagte ich und überreichte Adrian das Buch. «Einen Schokoladenkuchen?», fragte Adrian und ich nickte.

«Willst du was anderes machen?», war meine Gegenfrage. «Nein, ich mag Schokoladenkuchen gerne. So wir benötigen Mehl, Zucker, Eier, Schokolade, Schokolade und Schokolade. Nüsse, Backpulver und … Wodka?» Ich drehte mich zu Adrian um. «Habe ich den russischen Schokoladenkuchen genommen. Den habe ich im Internet gefunden und er schmeckt himmlisch.» Ich suchte die ganzen Sachen und stellte sie auf die Theke. «Bist du bereit mit mir Kuchen zu backen?», fragte ich und erhielt ein super süßes Lächeln von Adrian.

 

 

****

So ruhig hatte ich Adrian noch nie erlebt. Er stand vor dem Backofen und sah dem Kuchen beim Backen zu. «Wie lange noch?», fragte er mich und ich sah auf die Uhr. «Noch eine halbe Stunde. Du wartest gerade mal sieben Minuten.» Adrian berührte das Glas und sah wieder hinein. «Ich habe das erste Mal einen Kuchen gebacken.»

Ich stellte mich neben Adrian hin und sah auch hinein. «Dazu könnten wir eine Glasur machen, aber wenn wir sie machen, müssen wir einen Tag warten, um ihn zu essen.»

«Wir brauchen keinen, oder?»

Ich stimmte Adrian zu und ließ ihn wieder beim Backen zusehen. Wer hätte gedacht, dass er so eine große Freude damit haben würde? Und ganz ehrlich? Den Dreck, den wir hinterlassen hatten, war es mir wert. Während Adrian immer noch ganz vertieft in den Kuchen war, brachte ich die Küche wieder auf Vordermann. Ich räumte die ganzen Sachen wieder zurück und wischte die Theke und den Tisch ab. Die restliche Zeit sah ich ebenfalls dem Kuchen zu, bis er schließlich fertig war.

«In einer halben Stunde kannst du ihn essen.», sagte ich zu Adrian und ließ den Kuchen kalt werden. «Da ist es auch schon zehn. Wie schnell die Zeit doch vergeht.» Wir beide gingen wieder in mein Zimmer, wo wir lernten, obwohl wir beide schon alles wussten. «Nach diesem Test, brauche ich ein Jahr Lernpause. Ich bin völlig fertig.» Ich schlug das Buch zu und legte mich neben Adrian. «Dafür wirst du den Test bestehen.», sagte ich und er sah mich an.

«Das hat noch nie jemand für mich gemacht.», flüsterte er und beugte sich zu mir. Ich war mir sicher, dass er mich küssen wollte. War mir so sicher und ich wollte es. Doch er küsste lediglich meine Stirn. «Das habe ich gerne gemacht.», gab ich zurück.

«Versprich mir nur, dass du es nicht verhauen wirst!», sagte ich und sah ihn wieder ernst an, während ich nur an eines denken konnte: ich wollte, dass er mich küsste. Oh Gott! Ich war zu müde, ich war fix und fertig. Das war das einzige was logisch klang. Ich wollte nichts von Adrian.

Da fiel mir wieder sein Satz ein, den er zu mir gesagt hatte: ‚Aber eines Tages wirst du meinem zauberhaften Charme unterliegen.‘

Hatte er doch recht gehabt?

«Schauen wir was im Fernseher kommt.», sagte ich und schaltete den Fernseher ein.

«Was schaust du mittwochs immer so?», hakte ich nach. «Ich sehe selten fern, Kim.» Ich seufzte. «Dann suche ich aus. Mist! Wir haben How I Met Your Mother verpasst.» Ich zippte weiter und blieb bei einer Kriminalserie stehen. Doch wir konnten nur mehr den Schluss sehen, denn schon war es aus. «Glaubst du an die wahre Liebe, Adrian?», fragte ich plötzlich.

«Warum fragst du mich so etwas, Kim?» Ich schaltete den Fernseher aus. «Ich frage nur. Ja … oder nein?» Adrian sah mich weiterhin fragend an, bis er schließlich redete. «Ja, ich glaube schon.» Ich grinste Adrian an. «Würdest du dann mit mir einen richtigen süßen Film ansehen?» Damit hatte Adrian wohl nicht gerechnet. «Einen … Film?»

«Ja. Nur mit Dir – A Walk to Remember. Der ist so süß.» Ich musste fast schon wieder anfangen zu heulen. Wie konnte ein Film nur so traurig sein. «Oder Titanic?» Dort musste ich ebenfalls weinen, doch ich liebte diese Filme. Sie waren so süß, obwohl es in beiden kein Happy End gab. «Den ersten Film. Den zweiten kenne ich schon.» Ich kreischte und suchte nach der DVD. «Du wirst es nicht bereuen. Aber ich muss dich vorwarnen, ich werde heulen.» «Hast du die Taschentücher bereit?», fragte er und ich hielt eine Packung Taschentücher in die Höhe und grinste breit.

 

 

****

Obwohl der Film schon seit einer Viertelstunde vorbei war, heulte ich immer noch. Adrian hatte mich tröstend in den Arm genommen und versuchte mich zu beruhigen. «Es ist jetzt schon halb zwölf. Darf ich meinen Kuchen essen?»

Ich wischte mir die Tränen weg. «Das hättest du schon vor einer Stunde tun dürfen.» Adrian hüpfte galant aus dem Bett und reichte mir die Hand. Ich nahm sie dankend und wir gingen in die Küche. Ich schnitt zwei Stücke ab, legte sie auf einen Teller mit Gabel und gab Adrian ein Teller. «Das ist der beste Kuchen der Welt.», meinte Adrian und nahm noch ein Stück in den Mund.

«Da muss ich dir zustimmen. Wer hätte gedacht, dass er gut wird, wenn du noch nie einen gebackt hast.» ich lachte und Adrian lachte mit. Beim letzten Bissen hörten wir die Tür und meine Tante kam heim. Fix und fertig. Sie sah schrecklich aus. «Hallo Kim, hallo Adrian.», begrüßte sie uns und wir grüßten zurück. Sie sah auf die Uhr und dann wieder zu uns.

«Es ist schon halb zwölf. Schläft Adrian heute bei dir, Kim?» Ich tauschte einen Blick mit Adrian. «Wenn ich darf?» Wir beide sahen zu meiner Tante und grinsten sie an. «Adrian ist immer willkommen. Du kannst im Gästezimmer schlafen.» Ich kicherte. «Im Gästezimmer. Hast du gehört, Adrian?» Adrian nickte. «Ja. Vielen Dank. Wollen Sie auch einen Kuchen?» Meine Tante zog eine Braue hoch. «Ihr habt einen Kuchen gemacht?» Wieder kicherte ich.

«Ja, Tante. Unglaublich, aber Adrian kann Kuchen backen. Ich schneide dir ein Stück ab.» Ich stand auf und schnitt meiner Tante ein Stück ab. Die hatte sich inzwischen neben Adrian gesetzt und wartete auf den Kuchen.

«Er ist nicht so wie deiner, Tante. Aber man kann ihn essen.» Ich stellte den Teller ab und setzte mich wieder neben Adrian. «Habt ihr morgen nicht den Test wegen dem Austauschprogramm?», fragte sie. «Ja, wir gehen gleich ins Bett.» Meine Tante widmete sich wieder dem Kuchen. «Lecker. Was redest denn du da? Er ist doch super gut.» Adrian grinste mich an. «Sogar deine Tante mag den Kuchen. Und sie muss es wissen.» Ich erwiderte Adrians Grinsen.

«Hast du diese Woche irgendwann frei?», hakte ich nach. «Diese Woche nicht, Mäuschen. Aber nächste Woche muss ich um drei Uhr nachmittags anfangen und habe zweimal frei. Die Tage weiß ich leider noch nicht.», antwortete meine Tante. Ich gähnte. «Wir sollten langsam ins Bett gehen, Adrian. Ich will morgen fit sein.» Adrian nickte. «Gute Idee.» Ich stand auf. «Ich geh noch schnell aufs Klo und dann können wir schlafen gehen.» Ich verschwand und kam einige Minuten wieder. Adrian redete mit meiner Tante, die gerade die Teller in die Spülmaschine stellte.

«Gute Nacht euch beiden.», wünschte meine Tante uns. «Gute Nacht.», sagten Adrian und ich gleichzeitig und gingen auf mein Zimmer. «Ich dachte, ich muss im Gästezimmer schlafen?» Ich zog ihn beim Hemd in mein Zimmer. «Unsinniges Gerede. Wir schlafen öfters in einem Bett als sie weiß.» Ich zog mein Top und die Hose aus und schlüpfte in meine kurze Pyjamahose und dem passenden Teil. «Siehst du gerne Mädchen zu, wie sie sich anziehen?», fragte ich und erhielt ein breites Grinsen.

«Ja.»

Ich nahm ein Polster und schmiss ihn auf Adrians Kopf. Der hob ihn auf und schmiss ihn zu mir. «Hör auf!», quiekte ich und schmiss meine ganzen Kissen auf Adrian. Das ging so eine ganze Weile, bis wir schließlich auf mein Bett landeten und keine Kissen mehr um uns waren. «Ich kann nicht mehr.», sagte Adrian und hielt sich die Hand auf den Bauch.

«Du bist verrückt, Adrian.», ich versuchte mein Lachen zu unterdrücken, «Völlig verrückt. Eigentlich sollten wir schon längst schlafen.» Zur Bestätigung bekam ich meine Tante, die ins Zimmer kam. «Wolltet ihr nicht schlafen?», fragte sie uns, dann sah sie Adrian an und fügte hinzu: «In jeweils verschiedenen Betten?» Adrian stand von meinem Bett auf.

«Tante! Wir sind nur Freunde. Und es wäre ja nicht das erste Mal. Oder das zweite oder das Dritte.», sagte ich. Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nach jedem ’oder‘, das ich von mir gab.

«Wie oft ist das schon passiert?», ihre Stimme klang einige Töne zu hoch, richtig schrill. «Ähm, wir schlafen nur in einem Bett, sonst passiert nichts.», versuchte ich sie zu beruhigen. «Sehr beruhigend.», sagte sie. «Marschiert ins Bett. Ihr habt morgen einen wichtigen Test.», dann schloss sie die Tür und ich konnte nur mehr leise ihre Schritte hören.

«Das war komisch. Normalerweise ist sie nicht so … fürsorglich.», ich zuckte mit den Schultern, «Tja wir verändern uns alle. Aber sie gefällt mir so besser.», sagte ich und starrte wieder zur Tür. «Ich hoffe es macht dir nichts aus, wenn ich mich jetzt ausziehe.» Ich sah verwirrt zu Adrian. «Ja mach nur. Sie ist so anders geworden. Vielleicht ist sie überarbeitet?» Adrian zog sich sein Hemd und die Hose aus. «Ich sollte mal mit ihr sprechen.», ich runzelte die Stirn, «Oder was meinst du?»

Mein Blick wanderte zu Adrian, der sich gerade seine Boxershorts ausziehen wollte. «Was machst du da? Behalte sie an!» Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. «Ich habe gesagt, dass ich mich ausziehe.» Er kam mir näher. «Oder wolltest du das für mich tun?» Ich verdeckte mit meinen Händen meine Augen. «Nein! Lass sie an oder du kannst echt im Gästezimmer schlafen.»

Adrian hüpfte neben mir ins Bett. «Na gut. Sie wird da bleiben wo sie ist.» Ich öffnete einen Spalt meiner Hände und sah, dass er sie noch anhatte. «Das solltest du auch.», sagte ich und legte meine Hände auf dem Bauch. Er nahm sie von dort und ließ sie auf seinen Bauch fallen. Dann nahm er meine linke Hand und ging mit ihr, den Bauch entlang, berührte seine Muskeln und seinen Bizeps bei den Armen. 

«Was wird das?», hauchte ich. «Ich zeige dir nur, was du verpasst…» Ich riss meine Hände weg. «Sehr … hmm … vielversprechend. Aber wir werden jetzt schlafen gehen. Du in dieser Betthälfte und ich in dieser. Keine Berührungen, Sexanspielungen oder sonstiges. Gute Nacht, Adrian.» Ich deckte mich zu und schaltete das Licht aus.

«Gute Nacht, Kim. Hab ja keine perversen Träume.» Ich lachte.
«Du auch nicht.»

 

Kapitel 10 – Donnerstag, 18. April 2013

 

«Verdammter Mist!»

Schon Schon als ich aufstand, fühlte ich mich elendig schlecht. Meine Regelschmerzen brachten mich eines Tages noch um. Das wusste ich. Adrian, der in der Nacht anscheinend vom Bett gefallen war, stand auf und sah mich fragend an.

«Haben wir verschlafen?», hakte er nach und ich schüttelte den Kopf. «Ich habe die schrecklichsten Schmerzen der Welt. Töte mich!» Ich erhielt nur ein Lachen. «Du bist verrückt. Steh auf, wir haben heute den Test.» «Und genau deswegen solltest du mich töten! Wie soll ich mich da konzentrieren?!», fragte ich. «Hopp!» Er zerrte mich aus dem Bett und rüttelte mich kurz. «Du schaffst das. Mit oder ohne Schmerzen!» Ich schreckte ihm die Zunge raus.

«Du hast sie auch nicht.» Ich kroch in die Küche und suchte nach Tabletten. Verdammt! Wo hatte ich sie hingelegt? In der Zwischenzeit machte Adrian mir ein Brot mit Butter und Marmelade und bereitete mir ein Müsli vor. Er sagte kein Wort, blieb stumm. Ich suchte in sämtlichen Schränken bis ich kurz vor einem Heulkrampf war. Und das ganze vor Adrian. «Ich finde sie nicht», schniefte ich und ließ mich auf den Boden gleiten. «Ich finde diese blöden Tabletten nicht!»

Meine Stimme klang verzweifelt. «Ich finde sie nicht.», wiederholte ich mich wieder. Adrian kam zu mir, kniete sich vor mir nieder und strich mir ein Haar aus dem Gesicht. «Einatmen und ausatmen. Beruhige dich.» Irgendwie beruhigten mich seine Worte mehr als ich es selbst hätte tun können. Als er sah, dass ich mich beruhigt hatte, fuhr er fort: «Und jetzt überlege dir, wo du sie zuletzt gesehen hast. Wo hast du sie zuletzt hingestellt?» Ich durchforschte meine Gedanken, fanden tat ich aber nichts. «Ich weiß es nicht», ich schlang meine Arme um mich, «Ich weiß es einfach nicht.»

Adrian zog mich zu sich. «Hast du andere Tabletten hier?», fragte er nach. «Kann sein. Ich brauche sonst nie welche … und meine Tante auch nicht.» «Kim?» Ich sah Adrian fragend an. «Hast du nicht welche mit in die Schule genommen?» Ich sprang auf, wobei Adrian fast das Gleichgewicht verlor und hüpfte hoch in mein Zimmer. Ich hatte sie mit in die Schule genommen. Und in meiner Tasche fand ich sie auch. In diesem Moment war ich so froh und vergaß fast meine Schmerzen.

«Ich habe sie gefunden – dank dir.», sagte ich, als ich in die Küche ging und ich mir ein Glas mit Wasser einschenkte. Dann schluckte ich die Tabletten und schenkte Wasser nach. «Möchtest du auch was trinken?» Adrian nickte. Also holte ich noch ein Glas und schenkte Adrian Orangensaft ein. «Hier.» Ich reichte ihm das Glas und wir fingen an zu frühstücken.

 

 

****

Meine Schmerzen verschwanden auch nach einer Stunde nicht. Wir stiegen gerade von der Straßenbahn aus. Die erste Stunde war schon zu Ende, da die Straßenbahn irgendeinen Defekt gehabt hatte. «Wir können froh sein, dass der Test erst Mitte der zweiten Stunde beginnt.», sagte ich und würgte meine Schimpfwörter hinunter. Ich wollte nicht, dass Adrian sich Sorgen um mich machte, weshalb ich ihm im Glauben ließ, dass es mir jetzt gut ginge. «Warum verziehst du so das Gesicht?» Adrian hatte sich umgedreht und starrte mich an. «Straßenbahn.», murmelte ich und huschte an ihm vorbei. Er hielt mich jedoch fest und sah mich weiterhin an. «Lüg nicht, Kim.» Ich riss mich von ihm weg.

«Ich habe immer noch Schmerzen. Zufrieden?!» Adrian strich mir über die Wange. «So was kannst du mir sagen, Kim.» Ich lächelte leicht. «Du solltest dich jetzt auf eines konzentrieren: den Test so gut zu schreiben, dass du mitfahren kannst.» Er nickte und legte seine Hand in die meine. «Und das wirst du auch versuchen. Schluck noch eine.» Ich tat was er sagte und wir gingen endlich in die Schule. Unser Religionslehrer, Professor Lang, nickte uns nur zu.

«Ich habe schon gehört, dass die Straßenbahn einen Defekt hatte. Ihr solltet euch beeilen. Der Test wurde vorverschoben. Er hat Anfang dieser Stunde begonnen.» Adrian und ich tauschten einen Blick und liefen gleichzeitig los. Ich wollte den Test nicht unterschätzen. Wenn er lang war konnten wir es vielleicht nicht schaffen, wenn wir herumtrödelten. Und wer zu spät kam, hatte Pech. «Ich weiß nicht welcher Raum.», hörte ich Adrian plötzlich sagen und wir blieben wieder stehen. «Ich weiß es auch nicht.», stimmte ich mit ein. «Kimberly?» Unser Religionsprofessor stand vor uns. «Raum 102. Beeilt euch und viel Glück.» Wir lächelten Mr. Lang zu und rannten weiter.

Raum 102 war nicht weit entfernt und wir kamen recht schnell an. Wir hatten zwar die ersten sieben Minuten des Testes verpasst, aber wir waren da. «Ms. Montgomery und Mr. DiMonti.» Unsere Sprachprofessorin zeigte auf einen Platz und gab uns einen Stapel Zettel. Vorher mussten wir unsere Taschen in eine Ecke stellen und unsere Handys in die Tasche stecken. «Nicht schwindeln, sonst wird der Test sofort abkassiert.», schärfte sie uns ein. Adrian und ich nickten und setzten uns. Jetzt hieß es schnell zu schreiben, schnell zu denken und alles andere vergessen. «Viel Glück.», wünschten wir uns beide und fingen an zu schreiben.

 

 

****

Es war abnormal wie lang der Test war. Zwölf Seiten nur Sprachen. Kein einziges Wort Deutsch. Nur die Sätze, die übersetzt werden sollten. Wer die Sprachen nicht beherrschte war hier fehl am Platz. Fünf Schüler waren wahnsinnig geflüchtet, sie würden es nicht schaffen. Andere waren am Ende so fertig, dass sie sich bei deren Freunde ausheulten. Ich war ganz positiv. Obwohl ich sieben Minuten weniger Zeit hatte, schaffte ich es und glaubte, dass ich es geschafft hatte.

Sicher war ich mir jedoch nicht. Es konnten noch Fehler auftauchen, die ich nicht gefunden hatte. So war es doch immer. «Sag mir, dass du alles geschafft hast?» Ich hakte mich bei Adrian unter. «Ich bin überrascht, aber ich habe tatsächlich alles geschafft. Ob alles richtig ist, weiß ich nicht.», meinte er und drückte mich. «Danke für deine große Hilfe, Kim.», flüsterte er in mein Ohr und wirbelte mich herum.

«Gern geschehen. Wenn wir den Test haben und wir es bestanden haben, gehen wir feiern. So richtig feiern.» Ich blieb vor dem Pult der Professorin stehen. Außer ihr standen noch weitere drei Professoren da, die uns die ganze Zeit während des Testes beobachtet hatten. «Wann werden wir Bescheid bekommen, ob wir es gepackt haben oder nicht?», fragte ich. «Da brauchst du dir keine Sorgen machen, Kim. Du warst immer super.»

Ich winkte ab.

«Aber der Test hatte es trotzdem in sich. Manchmal dachte ich mir, dass ich es nicht weiß.», sagte ich.

«Wir sind drei Professoren.Da fünf schon nach den ersten dreißig Minuten aufgegeben haben und drei gar nicht erschienen sind, wird jeder sieben Tests korrigieren. Vielleicht schaffen wir es bis morgen.» Sie verließen den Raum mit einem Stapel Zettel und ließen uns alleine zurück. «Ich bin total ausgepowert. Und meine Schmerzen sind weg.»

Ich lehnte mich an eine Wand.

«Wir haben die eine Hälfte geschafft. Die andere Hälfte erfahren wir morgen. Ob wir es geschafft haben und mitgehen dürfen oder nicht.»

Wir gingen aus dem Raum und kauften uns in der Cafeteria einen Schokoriegel und ein stilles Wasser. Bis zehn Uhr hatten wir jetzt Pause, dann war die dritte Stunde. Ich hoffte wirklich, dass sie es bis morgen schaffen würde. Sonst müssten wir ein ganzes Wochenende fiebern und durchdrehen. «…glaubst du auch?» Wir hatten uns an einen Tisch hingesetzt, Adrian vertilgte seinen Riegel und beobachtete die Leute. Sein Blick huschte von einem 13-Jährigen Mädchen bis hin zu einer in meiner Nebenklasse: die Sexbombe unseres Jahrganges.

«Was hast du gesagt?», fragte ich und erhielt ein schiefes Grinsen.

«Ob du nicht auch findest, das manche aussehen wie … billige Tussen?» Ich sah der Sexbombe nach. «Seit wann stehst du nicht mehr auf so was?» Adrian lachte. «Auf solche billigen stehe ich auch nie. Der Rock kürzer als ihr Slip, der übrigens knallpink ist. Ein Top, das gerade mal ihre Titten verdeckt, die Hälfte man jedoch sieht und Schuhe, welcher Absatz größer als fünfzehn Zentimeter ist.»

Ich musterte sie. Klar, sie war die Tussi höchstpersönlich, trotzdem hatte sie einen Körper für den jedes Mädchen morden würde. «Adrian wird zu einem braven Schüler.», neckte ich ihn und kicherte. «Jetzt siehst du, was du angerichtet hast!»

Er schüttelte lachend den Kopf. «Schuldig im Sinne der Anklage.», ich grinste Adrian an, «Aber gib zu, seit du mich kennst, hast du fast niemanden mehr flachgelegt?» Adrian dachte nach. «Letzte Woche die zehn, wessen Name ich nicht kenne. Die eine, wo du geschlafen hast. Du hast so recht: Ich werde zum total netten Jungen. Die letzte war auf der Party von deiner Freundin.» Er verzog das Gesicht. «Glaub mir, du wirst nicht zum total netten Jungen. Du bist pervers wie eh und je.» Er zeigte sein Adrian-Strahle-Lächeln. «Gut dass du das denkst. Gehen wir jetzt?» Ich runzelte die Stirn.

«Wohin?» «Aufs Klo, in den Hinterhof, zur Haltestelle?» Ich schüttelte den Kopf. «Vergiss es, Adrian.», ich winkte mit den Händen ab, «Ich habe null Interesse.», versicherte ich ihm und wurde von jemanden unterbrochen. «Du bist der von der Party.» Das Mädchen kam mir vage bekannt vor, konnte ich jedoch nicht zuordnen. Warum sollte ich auch? Ich war nicht gemeint. Es war Adrian und wie es schien, wusste er genau wer sie war.

«Wir hatten Sex aufm Klo? Was willst du also hier?» Ich starrte Adrian mit offenem Mund an. «Du Arsch!», schrie sie und einige drehten sich zu uns um. «Spiel dich nicht so auf. Ich habe nie was gesagt, dass wir dann zusammen sind. Es war Sex – mehr nicht!» Adrian stand auf und ging davon. Ich war so weggetreten, dass ich sitzen blieb und ihm einfach hinterher starrte. «Hau ab, solange du noch kannst.», sprach sie dann zu mir. «Was? Oh nein, wir haben nichts. Er ist ein guter Freund von mir. Nächstes Mal weniger theatralisch bitte.», sagte ich und ging auch weg.

Ich ging nicht Adrian hinterher, der würde jetzt keine Ahnung wo sein. Also ging ich in die Klasse, wo ich die Hälfte meiner Klasse antraf, vier davon hatte ich erst in Raum 102 gesehen, wo sie mit mir den Test geschrieben hatten. Ich setzte mich lautlos auf meinen Platz und öffnete mein Buch für die nächste Stunde. Ein wenig lernen würde nicht schaden. Vielleicht prüfte er ja?

«Wo ist Mr. Sexy?», fragte mich ein Mädchen, das neben Mandy saß. «Was geht dich das an?», fragte ich und lächelte süß. Sie warf mir Blitze zu und drehte sich zu den Jungs um. «Er wird schon den Test verhauen haben.», sagte Ullrich und seine Kumpels lachten.

«Adrian hat mehr Gehirn wie du!», zischte ich und funkelte ihn wütend an. «Das war ja heldenhaft. Kim verteidigt meine Ehre.», Adrian setzte sich neben mich und streichelte kurz meine Wange, «Vielen Dank.» Ich kicherte. «Das würdest du auch.» Ich widmete mich wieder meinem Buch und ignorierte die Blicke von den anderen. Sie waren nichts Besseres.

 

 

****

«Das war echt süß von dir. Ich komme in die Klasse und du verteidigst so süß meine Ehre.» Ich schlug Adrian auf den Arm. «Hör jetzt auf damit! Ich bin süß, habe deine Ehre gerettet und will jetzt etwas futtern. Was gibt es bei dir?» In meinem Kopf stellte ich mir die leckersten Dinge vor, in meinem Mund lief mir schon das Wasser zusammen.

«Haben wir nicht erst gestern darüber gesprochen? Ich weiß es nicht.» Ich kicherte. «Ja nachdem du mir was mitgenommen hast.», sagte ich. «Heute Mittag wird es nichts Großartiges geben. Am Abend, wenn meine Mutter da ist, gibt es ein drei Gänge Menü.» Adrian öffnete das Tor zu seinem Haus und ließ mich eintreten. Mister Kuwak erwartete uns schon an der Haustür. «Guten Tag Herr Adrian und Mrs. … ich meine Kimberly. Schön Sie beide zu sehen.», begrüßte er uns sofort.

«Hallo Mister Kuwak.», grüßte ich ihn und Adrian sagte: «Guten Tag.» Wir gingen an Mister Kuwak vorbei und rochen sofort unser Essen. Ich hatte keinen Schimmer was es war, ich wusste nur, dass es gut roch. Sehr gut. Ich zog Adrian an den Ärmeln, «Was ist das?» Er lachte. «Unser Essen.» Ich warf ihm einen bösen Blick zu. «Genauer!», forderte ich ihn auf. «Skreifilet mit Pekannusskruste auf Orangensoße. Ist richtig gut, keine Sorge.» Das Skreifilet entpuppte sich als ein Fisch, als ich in das Esszimmer ging. Ich riss mich zusammen, nicht sofort zum Tisch zu springen und alles zu essen. Gott, ich hatte ja immer so einen Hunger…

 

 

****

«Und?», fragte Adrian mich, «Hast du endlich genug?» Ich nickte und streichelte meinen Bauch. «Mehr als voll. Ich werde anfangen müssen mehr Sport zu betreiben, wenn ich immer so viel esse.» Wir gingen hoch auf sein Zimmer und ich lag mich auf sein Bett. «Werde ich langsam fett?» Adrian ließ sich neben mich fallen und zog meinen grauen Pullover hoch. Dann berührte er sanft meinen Bauch. «Du kannst beruhigt ausatmen, du bist immer noch dünn. Und sexy.»

Er sah mich verführerisch an. «Danke.» Ich riss meinen Pullover wieder hinunter und verdeckte somit meinen Bauch. «Du bist auch nicht von schlechten Eltern.», gab ich zu und drehte mich auf den Bauch. «Bist du schon aufgeregt wegen morgen? Wenn die Ergebnisse bekanntgegeben werden?», fragte ich. «Ja, so aufgeregt war ich noch nie» Ich grinste Adrian an.

«Das wäre doch total cool, wenn wir beide es schaffen würden.» Ich stellte mir schon bildlich vor, wie wir beide in einer dieser Länder wären. Tranken Kaffee vor dem Big Ben, hatten Unterricht vor dem schiefen Turm von Pisa oder lernten an der Seine. Ja, das war es mir wert. Jede einzelne Stunde, die ich mit Lernen verbracht hatte. Jede einzelne Stunde, in der ich kurz vor dem Durchdrehen war, weil ich so viel gelernt hatte. So viel hatte ich geopfert. Und jetzt war es vorbei. Ich hatte eine Menge hineingesteckt. «Was», fing Adrian an, «denkst du?» Ich kicherte.

«Nichts. Meine Gedanken sind leer.» Adrian sah mich eindringlich an. «Irgendwie glaube ich das nicht.» Er ging mit seinen Finger zu meinem Bauch und ging immer einen Schritt nach oben. Sofort durchfuhr mich ein Strom und mir wurde heiß. «Adrian. Hör auf.», flüsterte ich und versuchte meine Atmung zu normalisieren. «Wieso?» Seine Hände wanderten weiter hinauf zu meinem Hals und er liebkoste sie mit seinen Lippen. «Weil…», fing ich an und suchte fieberhaft nach einer guten Ausrede.

Innerlich wollte ich aber keine Ausrede verwenden.

Er sollte weitertun.

Das ich das dachte, verwirrte mich und gewann die Oberhand über meine Gefühle. «Weil ich es nicht will.», sagte ich und versuchte mich zu befreien. Er ließ mich los und ich stand vom Bett auf.

«Okay.», er erhob sich und suchte sein Handy, «Was machen wir dann?», fragte er. «Gehen wir zum Donauzentrum. Bisschen shoppen und Kino?» Adrian lete einen Arm um mich und zog mich hinunter zur Diele, wo meine Schuhe lagen. «Ich freue mich schon auf einen ausgiebigen Shoppingtag. Ich habe die Kreditkarte mit!» Unten zogen wir unsere Schuhe an und sagten auf Wiedersehen zu Kuwak. «Ihre Mutter wird um viertel vor sechs eintreffen. Das Essen wird um Punkt Sechs serviert. Seien Sie pünktlich.» Adrian winkte ab. «Ich doch immer. Kim wird heute wieder bei uns essen, ihre Tante muss die ganze Woche früh anfangen und kommt erst spät.»

Er führte mich in die Garage, wo nicht nur sein Ferrari stand, sondern auch die Stretchlimousine und zwei andere Wagen. «Der silberne gehört meinen Vater, Mutters Wagen ist nicht hier und der gehört auch noch mir.» Er zeigte auf den schwarzen Sportwagen, der mit den anderen nicht mithalten konnte. «Kein Millionen Auto. Was für ein Glück.» Ich berührte das Auto und guckte in das Innere. «Nein, aber ein paar Hunderttausend sind es schon.»

Ich verdrehte die Augen und Adrian nahm den Schlüssel, der an einer Wand hing. «Wenn ich den Führerschein habe, darf ich dann einmal fahren?», fragte ich und stieg ein. Adrian lachte. «Du willst mit dem Auto hier fahren? Dein Audi R8 Spyder ist aber ein wenig teurer wie der hier und um einiges cooler.» Mein Mund klappte auf. «Der Audi ist teurer?», brachte ich raus. Er nickte und ließ den Motor aufheulen. «Gut, dass ich keinen will. Und auch kein anderes.» Diesmal verdrehte er die Augen und drückte einen Knopf, damit die Garage aufging. «Ich bin immer noch anderer Meinung.»

Er fuhr hinaus und drückte wieder einen Knopf, damit das Tor sich öffnete. Mit Vollgas fuhr er die Straße vorbei. Vorbei an der alten Frau, die Linda und ich nach Adrian gefragt hatten, vorbei an der Familie Lechner, die Linda überhaupt nicht reich fand. Das Haus aber zeigte es. Adrian schaltete den Radio ein, wo sofort ein Lied kam, das ich mochte. Avicii war immer noch so gut wie eh und je. Egal ob das Lied neu oder alt war. «Gefällt dir das Lied?»

Ich sah Adrian grinsend an, obwohl er es nicht sehen konnte. «Ich liebe all seine Lieder.» Ich summte leise mit und kassierte ein Lächeln von Adrian, der mich kurz ansah. Mit der Straßenbahn hätten wir viel länger benötigt. Jetzt waren wir schon fast da. So ein gutes Auto war echt nützlich. Es fuhr in wenigen Sekunden schnell und sah zudem noch gut aus. Doch … es war protzig und überheblich. «Bitte aussteigen.» Adrian war in einen freien Parkplatz gefahren und schaltete den Motor aus. Beide stiegen wir aus und gingen in das Zentrum hinein. Zuerst schlenderten wir ziellos umher, bis wir schließlich zum New Yorker gingen. Ich hatte Glück, denn die neue Kollektion war aufgestellt und ich nahm die ersten Sachen, die mich ansprangen. «Ich glaube, ich werde wieder zu viel kaufen. Halte mich ja davon ab.»

Ich ging in eine Kabine und zog mir die durchlöcherte Jeans an mit einem cremefarbenen Top mit Herzchenausschnitt und ohne Träger. Dazu zog ich cremefarbene High-Heels, die mehr als sechs Zentimeter hatten, an. Als ich mich in den Spiegel ansah, erkannte ich mich kaum wieder. Ich war richtig … sexy. «Adrian.», flötete ich und er kam rein. Sein Anblick genügte mir und ich wusste, dass ich wirklich sexy aussah. «Gefällt es dir?» Ich drehte mich und warf mein Haar zurück.

«Atemberaubend.», flüsterte er und saugte meinen Blick auf. «Das wollte ich hören. Ich werde es nehmen. Husch, husch. Raus, ich ziehe mich um.» Adrian grinste. «Ich könnte dir helfen?» Ich schob ihn aus der Kabine. «Das schaffe ich schon.» Ich zog alles wieder aus und zog einen hellvioletten Langpullover an. «Habe ich keine Leggins genommen?», schrie ich Adrian zu. «Ich hole sie dir schnell.» Ich lächelte. Es hatte doch was an sich, wenn jemand die Sachen für dich holte.

Da Adrian eine Leggins holte, suchte ich nach den passenden Schuhen, die ich mit in die Kabine mitgenommen hatte. Unter einem Stapel Kleidung fand ich sie und stellte sie bereit. Ich hatte definitiv zu viel mitgeschleppt. Adrian schmiss mir eine Leggins in die Kabine und ich zog sie mit den schwarzen Pumps an. Auch dieses Mal sah ich gut aus. «Wenn ich weiterhin solche hohe Schuhe anziehe, bin ich fast gleich groß wie du.» Adrian ging hinein. «Willst du, dass dich die ganzen Typen anstarren?», fragte er. «Weiß nicht. Wenn sie mich so anschauen wie du, dann schon.»

Ich kicherte und sah mich wieder im Spiegel an. Warum hatte ich mich nicht früher so angezogen? Warum war ich nach dem Tod meiner Mutter so hinabgestürzt? Sie hatte mir alles bedeutet, hatte mein Leben gerettet und ich hatte mein Leben weggeworfen. Ich war es ihr schuldig, dass ich mein Leben auf die Reihe brachte, das ich es einfach lebte. Und genau das tat ich jetzt. Seit Adrian da war, seit Linda meine Freundin war und seit ich mit Tante Maddy ein besseres Verhältnis hatte. Ich liebte meine Tante – und ich wusste, dass sie es auch tat. Linda und Adrian liebte ich auch. Wenn auch nur freundschaftlich. Was meine Mutter wohl von mir dachte? Das würde ich wohl nie erfahren.

Ich hatte nicht gemerkt, dass sich eine Träne löste. Ich merkte es erst, als Adrian sie wegwischte und mich in den Arm nahm. «Hey, was ist denn los?» Ich zwang mir ein Lächeln ab. «Ich vermisse meine Mum.», flüsterte ich, «Ich vermisse sie so furchtbar.» Ich schlang meine Arme um Adrian und ließ meinen Tränen freien Lauf, während ich von Adrian getröstet wurde. Wie hatte ich die letzten zwei Jahre ohne ihn sein können? Wie hatte ich es ausgehalten, nicht getröstet zu werden, nicht in den Arm genommen zu werden. In diesen zwei Jahren war ich auf mich alleine gestellt, ich hatte meine Tante nie als eine Art Mum gesehen.

Manchmal benötigte man eine Schulter, an der man sich lehnen konnte.

Arme, die dich auffingen.

Ein Lächeln, das dich aufmunterte.

Ich grub mein Gesicht in sein Hemd und versuchte vergebens mit dem Weinen aufzuhören. «Kim, sie wacht immer über dich. Sie beschützt dich und wäre sehr stolz auf dich.», sagte er. Ich sah ihn mit meinem tränenüberströmten Gesicht an.

«Und da.», ich wischte mir die Tränen weg, doch es kamen gleich neue, «bist du dir sicher?» Adrian nickte und küsste meine Stirn. «Zu hundert Prozent, Kim. Zu hundert Prozent.» Ich krallte mich an sein Shirt. «Manchmal stelle ich mir vor, ich wäre es gewesen … und nicht sie.», flüsterte ich. Sein Blick war voller Sorge und Mitgefühl. «Sie wollte es so. Deine Mutter wollte, dass du dein Leben weiterlebst. Sie wollte, dass du all die schönen Dinge erlebst. Freundschaft und Liebe.» Noch nie hatte Adrian solche sanfte Worte zu mir gesagt. Ich lächelte ihn an. «Das hast du schön gesagt.», hauchte ich und küsste seine Wange. Adrian wischte meine letzten Tränen weg, blieb jedoch stehen und ließ seine Arme um mich. Schützend und liebevoll. «Danke.» Ich ließ ihn los und zog die hohen Schuhe aus.

Meine Gefühle waren völlig aufgewühlt. Ich wusste nicht wirklich, was ich jetzt fühlen sollte. Ein Teil von mir war fröhlich, weil Adrian hier war; ein anderer Teil wollte weiter weinen und meiner Mutter nachtrauern; ein anderer wiederum wollte sich in eine Ecke verkriechen und alleine sein. Ich zog die Leggins und den Langpullover aus und schlüpfte in meine Hose und dem grauen Pullover. Das Adrian mich wieder einmal halbnackt sah, war mir in dem Moment egal. Ich hing nur meinen Gedanken an Mum nach. Doch Adrian hatte Recht. Meine Mutter wollte gewiss, dass ich weiterlebte und die schönen Dinge erlebte, die sie auch erlebt hatte. Freundschaft, Liebe, heiraten, Kinder. Meine Mutter hatte ihren Mann früh verloren. Und sie hatte nie wieder einen Mann so geliebt. Nie hatte meine Mum jemanden mitgenommen, sie wollte meinen Vater. Meinen Daddy oder keinen. «Ich will nicht mehr weitershoppen.», sagte ich und nahm die Sachen, die ich anprobiert hatte. Das restliche ließ ich in der Kabine zurück.

«Geht es dir wieder?», fragte er und ich nickte. Trotzdem ließ er mich keine Sekunde aus den Augen und blieb an meiner Seite, einen Arm um mich gelegt. Ich bezahlte rasch und wir gingen wieder umher. Inzwischen war es schon halb vier. «Willst du ins Kino gehen?» Ich nickte und wir gingen hoch ins Kino. Wir entschieden uns für einen Thriller und kauften uns Kekse und eine Cola. Der Film fing eine Viertelstunde später an und wir gingen in den Saal. Ich brauchte jetzt Ablenkung und Adrian und der Film würden es schaffen mich auf andere Gedanken zu bringen.

 

 

****

Der Film endete zwei Stunden später. Uns blieb noch genau eine Viertelstunde um zu ihm zu kommen, doch mit dem Auto schafften wir es gewiss. Die ganze Vorstellung über, verbrachte ich kuschelnd an Adrian, dem es nichts ausmachte. «Wie hat dir der Film gefallen?» Wir waren gerade auf dem Weg zu seinem Auto. «Ganz gut.», sagte ich leise.

«Das ist gut.» Er blickte zu mir hinunter und lächelte. «Wie geht es dir?» Ich lächelte leicht. «Schon besser. Tut mir leid.», flüsterte ich und Adrian schüttelte den Kopf. «Das muss es dir nicht. Das ist völlig normal, dass man weint.» Er öffnete sein Auto und wir stiegen ein. «Aber nicht jeder sorgt sich so.» Blitzschnell fuhr er aus dem Parkplatz, wobei uns schon wieder einige nachsahen. «Nicht jeder ist so toll wie ich.», gab er zurück und ich musste lachen. «Da könntest du Recht haben.» Adrian sah mich kurz an und ich wies ihn sofort hin auf die Straße zu schauen.

«Die Letzte, die mich während der Autofahrt ansah, starb.» Er richtete seinen Blick auf die Straße und ich sah aus dem Fenster. Ich musste eingeschlafen sein, denn Adrian weckte mich in der Garage auf. «Habe ich gepennt?», fragte ich und rieb meine Augen.

«Ja, du bist eingeschlafen. Komm.»

Er nahm mich hoch und trug mich ins Haus.

«Guten Tag. Geht es Ms. Montgomery nicht gut?» Juliano stand vor uns und Adrian ließ mich los. «Sie hat im Auto geschlafen. Die letzten Tage waren wohl auch für sie anstrengend.»

Meine Müdigkeit war immer noch nicht ganz verschwunden und ich klammerte mich an Adrian fest. «Mir geht es schon gut.», sagte ich. Mister Kuwak beobachtete mich weiterhin und stellte keine weiteren Fragen. «Es ist sechs. Ihre Mutter wartet auf Sie.» Wir gingen in den Essraum und begrüßten seine Mutter. Sie stellte sofort die gleiche Frage wie Juliano und wieder sagten wir, dass ich nichts hatte. Hatte ich auch nicht. Ich war müde geworden und war eingeschlafen. Und jetzt war ich es immer noch. Sobald wir uns gesetzt hatten, wurde der erste Gang serviert. Als die Köchin wieder das Zimmer verlassen wollte, zupfte ich an ihren Armen und sie blieb stehen. «Was ist das?», flüsterte ich ihr zu.

«Ein kühles Erbsen-Minz-Süppchen. Es wird Ihnen gewiss schmecken.» Ich lächelte sie an. «Mir schmeckt alles von Ihnen.», gab ich zu und sie erwiderte mein Lächeln und verschwand. Das Süppchen war fantastisch und auch der zweite Gang – Filet in Serrano mit Granatapfelsoße und Sesam-Kartoffelpüree – war unvergesslich. «Jeden Donnerstag wird bei uns Fisch serviert. Mittag und Abend.», flüsterte Adrian mir zu. Dieses Mal hatte ich keinen großen Hunger und nahm überall nur ein kleines bisschen. Emily fragte mich warum ich nicht viel aß und ich versicherte ihr, dass es himmlisch war, ich jedoch keinen großen Hunger hatte. «Wie war der Test?» Adrian und ich wechselten einen Blick.

«Schwer. Sehr schwer. Aber ich glaube, dass wir es geschafft haben.» Adrian pflichtete mir bei. «Wie war die Arbeit?», fragte er dann seine Mutter, die ihm erzählte, dass sie an einem neuen ‚heißen‘ Fall arbeitete. Wir fragten nicht weiter nach und fingen an unseren Tag zu erzählen, wobei wir manche Dinge ausließen. «Morgen werden wir hoffentlich Bescheid bekommen, wer es geschafft hat oder nicht. Das ganze Wochenende werde ich sonst auf Montag warten.», sagte ich. «Wir können froh sein, dass sie uns den Test schreiben ließ.», sagte Adrian und schüttelte den Kopf.

«Warum?», fragte seine Mutter. «Die Straßenbahn war defekt und wir haben die erste Stunde verpasst. Zur zweiten sind wir auch zu spät gekommen. Und sie haben den Test auf die zweite verschoben, weshalb wir zehn Minuten Verspätung hatten.» Ich nickte. «Das war klar, dass das heute passieren musste.», meinte ich. «Kommt das öfters vor?», fragte sie. «Defekt ist sie selten. Aber sie kommt immer ein wenig zu spät. Es vergeht kaum ein Tag in der sie pünktlich ist.» Ungläubig schüttelte sie den Kopf. «Unglaublich.»

 

 

****

Der Nachtisch wurde um halb acht serviert. Adrian hatte sich vorher schlau gemacht und mir zugeflüstert, dass es Zimtparfait zu Rotweinpflaumen geben würde. Er versicherte mir auch, dass es mir schmecken würde, als ich die Nase rümpfte. Als ich einen Löffel davon nahm und in den Mund steckte, wusste ich, dass es mir schmeckte. Das hatte meine Tante noch nie gemacht, weswegen ich auch richtig begeistert über das Parfait war. «Das ist der Hammer.», flüsterte ich und nahm noch einen Löffel. «Ich werde es der Köchin ausrichten.», sagte Adrian lachend und auch seine Mutter verhob sich kein Lachen.

 Und so musste ich auch mitlachen. Es war schön zu wissen, dass ich hier immer willkommen war. Dass sie mich alle mit offenen Armen hier schlafen ließen. «Hast du deiner Tante Bescheid gegeben, dass du hier bei uns bist?» «Meine Tante ist noch in der Arbeit. Die ganze Woche von elf Uhr bis elf Uhr.» Zwölf Stunden. Das war lang. «Madeleine ist eine fleißige Köchin. Und eine gute. Ich genieße jede Mahlzeit bei ihr. Und das ist so gut wie jeden Tag, wenn ich in der Arbeit bin.»

Ich kicherte. «Ich finde sie auch gut. Meine Mutter konnte nie richtig kochen. Die meiste Zeit aßen wir in einem Restaurant, aßen gefrorene Pizza oder wir bestellten uns was nach Hause.» Emily schmunzelte. «Das muss eine drastische Veränderung gewesen sein. Deine Tante kocht doch ständig.»

Ich nickte.

«Ja. Es war komisch nicht jeden Tag in einem Restaurant zu sitzen. Aber je mehr sie kochte, desto mehr freute ich mich darauf.» Ich erinnerte mich noch genau an meinen ersten Tag bei meiner Tante. Irgendjemand vom Jugendamt fuhr mit mir nach Wien. Wir fuhren mit dem Zug und ich hatte meine ganzen Sachen mitgenommen. Das Haus, in dem meine Mutter und ich gewohnt hatten, wurde mir übertragen.

Ich hatte mir geschworen, dass ich eines Tages dorthin zurückziehen würde. Im Zug sagte ich kein Wort, ignorierte die Fragen vom Jugendamtmann. Zwei Stunden lang versuchte er Smalltalk mit mir zu führen, ehe er aufgab und sich umsehen wollte. Weitere zwei Stunden ließ er sich nicht blicken und ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf – ich hatte geweint und meinen Arm aufgekratzt. Ein wenig Blut war auf den Boden hinuntergelaufen, vermischte sich mit meinen Tränen.

Bevor der Mann kam, wischte ich das Blut weg und verkroch mich unter einer Decke. Nach der Zugfahrt brachte er mich ohne Umwege zu meiner Tante. Tante Maddy war die ganze Zeit höflich, aber auch sie verstand, dass ich nicht reden wollte. Fast zwei Monate redete ich nichts, bis ich wieder in die Schule kam. Ich weiß noch genau, was es an meinem ersten Tag gab. Sie hatte Spaghetti Bolognese mit einem Tomatensalat – meine Lieblingsspeise und mein Lieblingssalat – gemacht.

Danach hatte sie mir ein Soufflee gemacht, dass ich sofort lieben lernte. Nach dem Essen zeigte sie mir mein Zimmer und wir gingen ein wenig spazieren, damit ich die Gegend besser kennenlernte. «Was denkst du schon wieder?» Ich schreckte von meinen Gedanken auf und lächelte Adrian an. «Nichts Wichtiges. Meinen ersten Tag in Wien.» «War er interessant?» Ich schüttelte den Kopf.

«Ich habe nichts geredet. Und die Hälfte des Tages war ich im Zug mit dem Jugendamtmann.», sagte ich. «So, ich werde jetzt in mein Büro gehen. Ich muss noch schnell meinen Fall bearbeiten. Entschuldigt mich.» Adrians Mum stand auf und verließ den Raum.

«Was machen wir jetzt?», fragte ich, während wir aufstanden. «Wir gehen auf mein Zimmer. Und machen unsere Strafaufgabe.» Ich schnaubte laut aus. «Die blöde Kuh.»

Adrian legte einen Arm um meine Schulter und grinste. «Ich weiß.» Ich lachte. «Nein, das weißt du nicht. Wir hatten ein sehr interessantes Gespräch. Über dich.» Adrian blieb stehen und hielt mich fest. «Über mich?» Mist! Was hatte ich mir da schon wieder gedacht?

«Ähm ja.»

Er sah mich fragend an und ich wusste, dass ich es ihm sagen musste. «Sie hat mich gefragt, ob ich es nötig habe, mich mit dem Abschaum einzulassen.», flüsterte ich und wartete auf seine Reaktion. «Abschaum?» Ich nickte kaum sehbar. «Adrian…» Er ließ mich los und starrte auf die Wand. «Was hast du gesagt?» Ich sah ihn verwirrt an. «Was ich gesagt habe?», fragte ich und er nickte.

«Ich habe ihr mit dem Direktor gedroht.»

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. «Gut gemacht.» Er ging wieder weiter, doch diesmal legte er nicht den Arm um mich. «Ist alles in Ordnung?» Er drehte sich um. «Ob alles in Ordnung ist?», er funkelte böse das Leere an, «Ich bin wütend. Diese Tussi von Lehrerin hat keine Ahnung was ich bin und dann nennt sie mich … Abschaum?!» Seine Stimme klang total wütend und ich hatte Angst, dass er sofort zu ihr ging und sie niederschlug. «Sie ist es nicht wert. Ich kann deswegen jederzeit zum Direktor gehen. Professoren dürfen keine Schüler beleidigen und sie Abschaum nennen. Das ist unterstes Niveau.» «Das kannst du laut sagen.» Ich nahm Adrian in den Arm und fuhr durch seine Haare.

«Beruhige dich Adrian. Lass die Wut nicht zu. Denke an was Schönes, an ein schönes Erlebnis.» Wir setzten uns auf den Boden und ich streichelte weiterhin sanft seine Arme. «Lass die Wut nicht zu.», flüsterte ich nochmals und es schien zu funktionieren. Seine Atmung ging wieder regelmäßiger. «Geht es?», fragte ich leise. «Ja.» Seine Stimme war ebenfalls leise und klang ein wenig brüchig. Ich wusste, dass ich jetzt aufstehen sollte, doch dieser Moment – Adrian mit dem Kopf auf meinen Beinen – raubte mir den Atem und ich wollte es noch genießen.

«Komm gehen wir.», sagte ich nach einer Viertelstunde und küsste seine Stirn, das was er normalerweise bei mir machte. Wir standen vom Boden auf und gingen auf sein Zimmer, dass wie immer bis aufs kleinste Detail ordentlich war. Adrian ließ sich sofort ins Bett fallen, ich setzte mich auf den Schreibtischstuhl und drehte mich. «Hat deine Mutter einen begehbaren Kleiderschrank?», fragte ich.

«Jedes Schlafzimmer hat einen. Meiner ist hinter meinem Kleiderschrank. Ich brauche keinen begehbaren.» Er legte sich auf den Bauch und stützte seinen Kopf mit seinen Händen.

«Möchtest du einziehen?» Ich lachte. «Nein! Ich war nur neugierig.», versicherte ich ihm. «Schade. Wir hätten noch einige Zimmer frei. Aber du würdest hier schlafen. Neben mir.» Ich kicherte. «Nein, ich würde in meinem eigenen Zimmer schlafen. Mit dir.» Auch Adrian lachte. «Ist klar.» Ich setzte mich zu Adrian hin und schüttelte den Kopf.

«Ich glaube, dass ich hier nie wohnen könnte.», sagte ich und Adrian sah mich mit lachenden Augen an. «Du wohnst doch schon hier, Kim.» Ich runzelte die Stirn. «Ich fühle mich aber als Gast. Ich schlafe bei dir, dein Personal spricht mich mit Kim an. Und das sollte so bleiben.» «Wieso, Miss Montgomery?» Ich schlug Adrian sanft in seinen Arm. «Weil ich auf die Höflichkeiten verzichten kann. Ich brauche sie nicht, ich will sie nicht.» Ich zog meine Schuhe aus und schmiss sie in eine Ecke.

«Ich bin damit aufgewachsen. Ich könnte mir nichts anderes vorstellen. Ich werde gerne bekocht und bedient. Das einzige schlechte am Reichtum ist», er fuhr sich durch die Haare, «dass die Eltern kaum für dich Zeit haben. Die meisten Freunde sind nicht deine richtigen Freunde. Sie wollen dich nur wegen dem Geld. Es ist daher sehr schwer, wahre Freunde zu finden.» Ich berührte leicht seinen Arm und lächelte ihn an. «Du kannst mir glauben, dass ich an deinem Geld null Interesse habe.»

Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. «Das merke ich. Du willst nicht mal, dass ich deine Kleider bezahle. und beim Essen warst du auch dagegen.» Ich legte mich auf den Rücken hin. «Ich habe selbst Geld. Nicht so viel wie du, aber ich kann mir damit meine Klamotten selber bezahlen.», ich starrte die Wand an, «Ich mag es, selbstständig zu sein.» Adrian verzog sein Gesicht. «Ich bin auch selbstständig, meine Liebe. Nur auf einer anderen Weise.» Ich lachte laut auf. «Ja, das weiß ich.», murmelte ich. «Weißt du, dass ich total aufgeregt wegen morgen bin?»

«Das bin ich auch, Adrian. Ich kann mir kaum vorstellen, heute noch einzuschlafen.» Schon als ich den Satz ausgesprochen hatte, gähnte ich und grinste. «Das war mein Ernst. Ich werde lange wach bleiben.» Ich sah auf die Uhr. Fünf nach halb neun. Die Zeit verging viel zu schnell. «Schläfst du heute hier?» Ich schüttelte den Kopf. «Heute werde ich wieder mal bei mir zuhause schlafen. Ich will nicht, dass deine Mum denkt, wir hätten was am Laufen.» Adrian fing an zu lachen.

«Habe ich dir schon mal gesagt, dass ich gerne provoziere?» Ich nickte stöhnend. «Ja. Was kommt jetzt?» «Wir könnten vor ihrer Nase herumknutschen?» Dieses Mal lachte ich. «Das werden wir nicht tun! Ich mag deine Eltern.» Adrian seufzte. «Und sie mögen dich. Wir reden oft über dich, wenn du nicht da bist.» Meine Augen weiteten sich. «Was? Über mich? Was?», stotterte ich vor mich hin. «Ja über dich.» «Und was?», hakte ich nach. «Wie nett du bist. Und hübsch, schlau. Ganz normale Dinge.» Ich machte eine Grimasse. «Redet nie wieder über mich. Das finde ich komisch.»

«Wieso?» Wieso? fragte er mich wirklich wieso? Das lag doch auf der Hand. Ich möchte nicht das Gesprächsthema Nummer Eins sein. «Lasst es einfach. Bitte?» Adrian winkte mit der Hand ab. «Nie wieder. Und wenn sie damit anfangen, schmeiße ich ihnen den Salat in den Mund.» Ich kicherte. «Danke.» Dann machten wir die Strafaufgaben, wobei wir bei der Hälfte der Zeit Unsinn machten. Als wir fertig waren, lagen wir uns ins Bett, wo wir weiteren Blödsinn machten. Ich stand von seinem Bett auf und zog meine Schuhe wieder an. «Gehst du schon?», fragte er.

«Ja. Es ist gleich neun und ich sollte noch ein bisschen das Haus putzen.» Ich beugte mich zu Adrian hinunter und küsste seine Wange. «Bis morgen.», flüsterte ich. Bevor ich gehen konnte, hielt er mich zurück. «Ich lasse dich nicht alleine nachhause gehen. Ich werde dich begleiten.» Ich lächelte. «Ganz der Gentlemen. Aber das ist nicht nötig.»

«Keine Widerrede.», gab er zurück und ich hielt den Mund. Er zog sich ebenfalls seine Schuhe an und rief seiner Mutter, dass er mich nachhause bringen würde. Noch nie hatte mich ein Junge nachhause gebracht und das es Adrian tat, rührte mich und ich fand es richtig süß. Auf dem Weg zu mir – wir hatten das Auto zu meinem Glück nicht in Betracht gezogen – lachten wir viel und ich zeigte ihm einige meiner Nachbarn. Ich wusste nicht sonderlich viel über sie, aber manche Sachen hatte ich dennoch aufgeschnappt. So wusste ich, dass ganz am Ende eine wohnte, die mit jedem Typen schlief.

Daneben wohnte ein altes Pärchen, das die ganze Zeit versuchte die Ich-schlafe-mit-jeden-Typen-Frau loszuwerden. Bis jetzt ohne Erfolg. Neben mir lebte die eine, die Adrian und mich gesehen hatte sowie eine andere Familie, dessen Sohn richtig heiß war. Irgendwie. Doch neben Adrian würde er nicht mithalten können. Würde das überhaupt jemand toppen können? Vor meinem Haus blieben wir stehen. Wir lächelten uns an und ich bedankte mich bei ihm.

Adrian küsste meine Stirn und verabschiedete sich. «Schreib mir sofort wenn du zuhause bist.», sagte ich leise und umarmte ihn kurz. «Mache ich, Kim.» Er drehte sich um und verschwand die Straße entlang. Ich sah ihm nach, bis er schließlich abbog. Ich seufzte.

«So süß.», flüsterte ich und öffnete die Haustür. In der Hand hielt ich noch meine Tasche und das Säckchen vom New Yorker. Beides stellte ich auf meinen Schreibtischstuhl und dann machte ich mich daran, dass Haus ein wenig zu säubern. Da ich momentan wenig zuhause war, war das Haus relativ sauber. Gerade als ich anfing das Wohnzimmer zu saugen, piepte mein Handy. Eine neue Nachricht. Sofort öffnete ich sie und schmunzelte.

 

Für das überfürsorgliche Mädchen – Kim
Bin wohlbehalten nachhause gekommen. Liege jetzt in meinem Bett und vermisse jemanden neben mir.
Adrian

 

Ich tippte sofort eine Nachricht.

 

Gut dass du wohlbehalten daheim auf dem Bett bist. Deine Anwesenheit vermisse ich auch, aber nur ein wenig. Und ich bin nicht überfürsorglich!
Kim

 

Ich schickte sie ab und machte mich wieder an die Arbeit. Zuerst saugte ich das Wohnzimmer, dann säuberte ich die Küche, Essraum und die anderen Räume. Nach einer Stunde war ich fertig mit dem Putzen, dem Staubsaugen und mit dem Bodenwischen. Die ganze Zeit hatte ich mein Handy im Wohnzimmer liegen gelassen, damit mich Adrian nicht davon aufhielt das Haus zu putzen. Nachdem ich alles verstaut hatte, ging ich müde ins Wohnzimmer und sah auf mein Handy. Adrian hatte mir wieder geschrieben.

 

Nur ein wenig? Und doch du bist überfürsorglich, aber das mag ich so an dir. Mein Bett vermisst dich auch schon.
Adrian

 

Ich grinste mein Handy an. Wie konnte ich jemanden wie Adrian nicht mögen? Er ist ein klasse Junge und auch seine perverse Seite mag ich an ihm. Das machte ihn komplett. Ich kannte Adrian erst über eine Woche, dennoch hatte ich ihn in mein Herz geschlossen.

Er war mir wichtig geworden so wie Linda mir wichtig geworden war. Hätte jemand zu mir gesagt, dass ich mein Leben wieder in Ordnung bringen würde, hätte ich denjenigen ausgelacht. Manchmal glaubte ich, dass ich jederzeit erwachen würde und alles nur ein Traum war. Dass jemand wie Adrian kein Interesse an mir zeigte und Linda mich nicht mögen würde. Aber es war real und die Freundschaft mit den zwei war alles für mich. Überglücklich hüpfte ich ins Bad und duschte mich schnell, damit ich danach in mein Bett liegen konnte, Adrian noch eine Nachricht schreiben konnte und dann schlafen ging. Mit nassen Haaren und in meinem Lieblings-Pyjamakleid schlüpfte ich in mein Bett und schrieb Adrian noch eine Nachricht.

 

Ich mag auch einiges an dir, Adrian. Bin endlich fertig mit dem Aufräumen und war schon unter der Dusche. Jetzt liege ich in meinem – zu großem Bett – und versuche zu schlafen. Wünsche dir eine gute Nacht und träume schön. Ich sehe dich morgen an der Haltestelle. Ich bin das Mädchen, das den hellvioletten Langpullover mit den Leggins anhat.
Kim

 

Ich kuschelte mich fester ins Bett und wartete auf die Nachricht von Adrian, die wie ich merkte ziemlich rasch kam.

 

Hoffentlich hattest du deinen Spaß unter der Dusche. Wäre gerne mitgegangen. Werde jetzt auch duschen gehen und dann ins Bett marschieren. Wünsche dir auch eine gute Nacht und träume süß. Bis morgen. Ich werde der heiße Typ sein, der dich anlächeln wird.
Adrian

 

Ich lächelte und legte mein Handy neben mich. Ich hatte gedacht, dass ich eine Zeit lang aufbleiben würde, weil ich nicht einschlafen konnte. Doch ich lag damit falsch. Ich war müde, sehr müde. Und das spürte ich, als ich merkte wie mich die Müdigkeit langsam in Besitz nahm und ich einschlief.

 

 

Kapitel 11 – Freitag, 19. April 2013

 

Am nächsten Tag erwachte ich nicht neben Adrian. Es war komisch, nicht neben ihm aufzuwachen. Ich war es schon richtig gewohnt, dass wir beide zusammen in einem Bett schliefen. Seltsam ausgeschlafen stand ich auf und schaltete den Wecker ab, der kein zweites Mal mehr abging.

Mein Weg führte mich ins Bad, wo ich erleichtert war, die Erdbeeren losgeworden zu sein. Deshalb fand meine Motivation wieder zu mir und ich machte mir ein ausgiebiges Frühstück mit Müsli, Orangensaft und den Kuchen, den Adrian und ich gebacken hatten. Meine Tante hatte sich wieder ein Stück genehmigt, sah ich, als ich mir ein Stück abschnitt.

Ich musste grinsen.

Der Kuchen schmeckte ihr tatsächlich. In einer halben Stunde hatte ich mein Frühstück vertilgt und zog mir oben im Zimmer die Leggins und den Langpullover an. Dazu zog ich – ausnahmsweise – die neuen schwarzen Pumps an und stylte meine Haare. Mit einer kleinen Lockenpracht ging ich ins Bad, wo ich mir die Zähne putzte, mein Gesicht wusch und mich schminkte. Gestern sah ich heiß mit diesen Klamotten aus.

Mit einer Lockenpracht und Smokey Eyes sah ich noch schärfer aus, als ich geglaubt hatte.

Doch ich gefiel mir.

Ich konnte auch scharf aussehen ohne Haut zu zeigen. Topmotiviert packte ich meine Schulsachen, nahm ein Stück Kuchen für Adrian mit und ging los. Ich entdeckte Adrian schnell. Er hatte ein sexy und muskelbetontes Shirt an und eine teure Jeans an. Seine Haare waren wie immer perfekt gestylt. Ich blieb stehen und musste ihn ein wenig beobachten. Die Situation kam mir vertraut vor. Ich musterte Adrian keine Minute lang, schon sah er von seinem Handy auf und direkt in meine Augen. Schon wieder. Doch diesmal lächelte er mich freundlich an und ich ging – ebenfalls mit einem Lächeln – zu ihm und drückte ihn kurz an mich.

«Guten Morgen.», begrüßte ich ihn und er grüßte mich auch. Heute schien die Sonne wieder und wärmte mich sofort. «Gestern hat es nicht geregnet und heute scheint die Sonne. Hast du deine … du weißt schon noch?» Ich schüttelte den Kopf. «Gut. Ich weiß was wir heute machen werden.», fing er an und zog mich näher zu sich.

«Aber du musst mir versprechen mitzumachen.» Ich sah Adrian eindringlich an. «Solange wir nicht herumknutschen oder jemanden provozieren.», sagte ich und Adrian grinste. «Nein, nichts von dem.» Wer wurde aus diesem Typen schlau? Ich auf jeden Fall nicht.

Er machte immer so ein Geheimnis daraus und ich war sehr neugierig.

«Ich hoffe, du weißt wie sehr du mich mit deinem Geheimnis quälst.», nörgelte ich und Adrian lachte. «Ach komm schon. Gönne mir ein wenig.» Ich funkelte ihn gespielt wütend an, dann hellte meine Miene sich auf. «Ich habe dir unseren Kuchen mitgebracht.» Ich nahm den Kuchen aus der Tasche und hielt ihn Adrian unter die Nase. «Aber wie es aussieht, werde ich ihn essen.»

Ich lächelte Adrian triumphierend an.

«Nur weil ich eine Überraschung für dich habe?» Ich seufzte. «Ich hasse Überraschungen. Aber gut, diesmal lasse ich es durch. Hier dein Kuchen.» Ich überreichte ihm den Kuchen und eine Gabel, die ich von zuhause mitgehen ließ. Adrian fing an zu essen und schaffte es auch noch fertig zu werden, als die Straßenbahn kam.

 

 

****

Es war Mitten in der vierten Stunde. Jeder musste zu zweit ein Thema erörtern und in der nächsten Stunde vorstellen. Adrian und ich saßen deshalb mit den anderen im Computersaal und schrieben wie die Verrückten und suchten blitzschnell die Informationen, die wir benötigten. Es war unsere letzte Stunde des heutigen Tages und bisher hörten wir nichts von unserem Test, weshalb wir die Hoffnung aufgegeben hatten. Heute würde nichts mehr geschehen, darin waren wir uns beide einig. Doch dann kam es, mitten in der vierten Stunde per Lautsprecher.

«Liebe Schüler und Schülerinnen, die an dem Austauschprogrammtest teilgenommen haben. Vor dem schwarzen Brett haben wir die Testergebnisse aufgehängt. Die Teste sind leider ein wenig schlecht ausgefallen, aber manche haben gut abgeschlossen. Ich wiederhole nochmals. Vor dem schwarzen Brett haben wir die Testergebnisse für das Austauschprogramm aufgehängt. Vielen Dank.»

Adrian, ich und die anderen die den Test geschrieben hatten, sprangen vom Stuhl und verließen den Raum. Ich zog Adrian schnell hinter mir her, der versuchte nicht zu stolpern.

«Du hast es ja eilig!»

Ich ignorierte Adrian und bog ab. Das schwarze Brett war keine zehn Meter mehr von mir entfernt und eine Menge stand schon davor. Einige schrien und umarmten sich, andere weinten. Ich baute mir einen Weg zum Brett und suchte meinen Namen. «Kimberly Montgomery. 99 Punkte von 100.», las ich vor und konnte es nicht glauben, als daneben stand: bestanden. Adrian neben mir hatte sich inzwischen angespannt und suchte seinen Namen.

«Adrian DiMonti. 97 Punkte von 100. Ich habe bestanden!» Er nahm mich in den Arm und drehte mich umher. «Wir haben es bestanden, Kim. Weißt du, was das bedeutet?» Ich lachte in seinen Armen und nickte.

«Das wir es geschafft haben und teilnehmen dürfen!» Adrian ließ mich hinunter, sein Grinsen wurde breiter. «Du bist der absolute Hammer.», flüsterte er und strich mir sanft ein Haar aus dem Gesicht.

«Das war nicht nur ich.», gab ich zurück und ging ein wenig von der Schülermasse weg. «Das ist ein totaler Mist!» Ulrich und sein Freund standen vor dem schwarzen Brett und funkelten das Brett wütend an. «34 Punkte von 100. Mist!», schrie sein Freund. Beide hatten es wohl nicht geschafft. «Sogar Adrian hat es geschafft.», hörte ich ein Mädchen von unserer Klasse reden und Ulrich schnaubte laut aus. «Welches Land nehmen wir?», fragte Adrian und sah mich an.

«England?»

Adrian grinste mich an. «Ich freue mich schon riesig mit Ihnen England zu erkunden.»

 

 

Nachdem wir die Ergebnisse für den Test gesehen hatten, gingen wir wieder in die Klasse. Unser Professor fragte uns alle sofort, ob wir es geschafft hatten. Adrian und ich hatten uns wieder angegrinst. «Wir beide haben es geschafft.», hatte ich gesagt und unser Professor beglückwünschte uns. Ulrich hatte den Professor total ignoriert und starrte die restliche Stunde Adrian böse an. Wir hatten nur gelacht und ihn für den Rest der Stunde gemieden. Jetzt – wir waren gerade aus der Straßenbahn ausgestiegen – redeten wir über die Disco, in der wir heute feiern wollten.

«Wie heißt nochmal der Club im Donauzentrum?» Ich sah ihn fragend an. «Den weiß ich nicht. Er soll nur angesagt sein.», meinte ich und Adrian seufzte. «Zum Glück habe ich ein Handy.» Er nahm sein Handy heraus und ging auf Google. Nach einiger Zeit fing er an zu reden: «Der Club heißt Club Couture. Mindestalter ist wahrscheinlich achtzehn Jahre, aber das bekommen wir schon hin. Ein paar Hunderter Trinkgeld und du kommst rein. Der Dresscode sollte elegant sein. Besitzt du ein elegantes Kleid?» Ich überlegte kurz. «Richtig elegant oder nur elegant?», fragte ich.

«Richtig! Mister Kuwak wird dir eines kaufen.» Ich verdrehte die Augen. «Meine würden sicher auch gehen.», jammerte ich, doch Adrian war nicht mehr aufzuhalten. Bei ihm zuhause rief er sofort Mister Kuwak, der keine Sekunde später bei uns war. «Guten Tag.», begrüßte er uns wieder und wir grüßten ihn auch. «Sie müssen bitte ein elegantes Kleid für Kim kaufen. Zu dem Kleid bitte passende Dessous und Schuhe.», sagte Adrian und ging in den Essraum.

«Es kann aber schon noch sexy sein!», schrie er noch und setzte sich. Ich setzte mich gegenüber und blieb ruhig. Innerlich jedoch wollte ich nicht, dass Adrian ein Kleid für mich kaufte. Ich wollte es nicht! «Ich werde dir das Geld dann geben.», sagte ich. «Nein.» Wir sahen uns einige Sekunden an und ich sah schließlich weg. «Schön. Dann kaufe mir eines. Gegen meinen Willen!» Adrian zuckte mit den Schultern. «Egal. Mir macht das nichts aus.» «Tut mir leid, dass Ihr warten musstet. Hier Ihr Schnitzel Italia mit Brandnudeln.» Der Zorn über Adrian war sofort verschwunden, als ich den Geruch einatmete und mir im Mund – schon wieder – das Wasser zusammenlief.

 

 

****

Nachmittags waren Adrian und ich in seinem Zimmer. Wir lagen auf einer Decke auf dem Boden und redeten über unsere kommende Nacht. Wir hatten uns entschieden, dass wir um Viertel nach zehn losfahren wollten und dass wir nicht nur zum Bereich Main Club gingen, sondern auch zur Mausefalle oder zur iCocktailbar.

Wir wollten uns außerdem nicht zu saufen lassen, wir waren alt genug um zu wissen, wie viel wir trinken konnten, ohne großen Schaden anzurichten. «Wir werden um spätestens fünf Uhr bei mir sein.», sagte Adrian. «Gute Idee.», antwortete ich und nahm mein Handy in die Hand, da es vibriert hatte. Eine Nachricht von Linda.

 

Wie geht es dir so? Wollte wissen, ob du nächste Woche Zeit für mich hast. Habe Urlaub.
Linda

 

Ich tippte sofort eine Nachricht und schickte sie Linda ab.

 

Mir geht’s gut, dir Linda? Habe doch immer Zeit für dich.
Kim

 

«Schreibst du mit Linda?», Adrian sah mich fragend an. «Ja. Wir werden nächste Woche oft was unternehmen.» Adrian nickte. «Aber mit dir mache ich auch was, Adrian. Nicht dass das so aussieht, als würde ich sofort zu ihr springen wenn sie frei hat und dich links liegen lassen. Ich will nur was mit ihr machen und am Abend kann ich doch immer zu dir.»

Wieder bekam ich ein Nicken. «Das ist okay. Wir müssen nicht immer was unternehmen. Am Abend genügt auch.» Ich lächelte Adrian dankbar an. «Ich wusste, dass du so denken würdest.» Ich drückte ihn kurz an mich, während mein Handy wieder eine Nachricht empfing.

 

Alles palletti. Also unternehmen wir was?
Linda

 

Von mir aus jeden Tag. Melde dich einfach. Freue mich schon riesig auf dich.
Kim

 

Die Nachricht kam rasch und ich musste schmunzeln.

 

Juhuu, Mädelswoche! Freue mich auch schon.
Linda.

 

Ich verstaute mein Handy und widmete mich Adrian. «Gehen wir ein wenig raus. In die frische Luft?», fragte ich. «Gute Idee.», er stand auf und zog mich hoch. Draußen kam mir sofort frische, aber etwas kalte Luft entgegen, die ich gierig einatmete. Wenn der Kopf voll war, ging ich immer spazieren. Nur um meinen Kopf frei zu bekommen.

Die Luft strömte in meine Lunge und versorgte meinen Körper mit frischer Luft. Adrian und ich gingen ziellos umher. Wir hatten nicht die geringste Idee wohin uns unsere Füße trugen, aber wir ließen uns überraschen. Das Endergebnis war irgendeine Straße, die vollkommen verkorkst aussah. «Prima.», flüsterte ich und wich einem Obdachlosen aus. «Retour!», ich hielt mir die Nase zu. Die Luft, die ich zuvor eingeatmet hatte, war verschwunden und wurde von einer stickigen und stinkenden Luft ersetzt. Mit schnellen Schritten verließen wir das Viertel und sahen einige Meter später unsere vertraute Gegend. Dort fühlte ich mich schon viel wohler.

Da musste ich zumindest nicht jede Sekunde nachprüfen, ob alles noch da war. «Die Gegend war total angsteinflößend.», flüsterte ich und rümpfte die Nase, «Und total widerlich. Es hat bestialisch gestunken.» Adrian lachte.

«Ach Kim. Du bist so süß.» Er legte einen Arm um mich und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. «Die hätten uns beklauen können!», sagte ich panisch, was Adrian nur zum Lachen brachte. «Wir können uns verteidigen.»

«Wenn du meinst. Ich hätte wie eine Irre geschrien. Das hätte aber nichts genützt, weil niemand uns geholfen hätte.» Ich schüttelte den Kopf. «Zerbrich dir jetzt nicht den Kopf darüber. Denke an das Kleid, dass du gleich sehen wirst.» Ich sah Adrian an. «Das Kleid ist schon da?» Adrian nickte. «Ja es ist hier. Normalerweise. Freust du dich?» Ich nickte. «Obwohl du es am Anfang nicht mochtest?» Ich stieß Adrian in die Seite.

«Ja, obwohl ich es am Anfang nicht wollte. Jetzt ist aber meine Neugierde geweckt und ich will wissen, welches extravagante Kleid ich tragen werde.» Adrian lachte. «Das wirst du.» Ich hielt Adrian kurz fest. «Ich hoffe nur nicht, dass es teuer oder zu aufwändig aussieht.» Adrian zuckte die Schultern. «Lasse dich überraschen.» Ich verdrehte die Augen und versuchte eine ernste Miene zu behalten. «Jaja, ich lasse mich überraschen.»

Wir erreichten das reiche Viertel. Wenn ich die schlimme Gegend mit der hier verglich … dazwischen lagen etliche Welten. Adrian öffnete die Haustür und wir gingen rein.

«Und jetzt wirst du dein Kleid sehen. Mister Kuwak?»

 

 

****

Als ich das Kleid sah, dass ich heute tragen würde, blieb mir ehrlich die Spucke weg. Der erste Gedanke der mir kam war, dass ich es nie bezahlen konnte. Das Kleid ging mir über den Po und verdeckte nur einen kleinen Teil meines Oberbeines.

Es war in einem schönen Elfenbein, doch das sah man kaum, da das Kleid bis zu den Ärmeln mit Diamanten der gleichen Farbe besetzt war. Heilige Scheiße. Die Ärmel waren aus einem leichten Stoff, wo die Arme sichtbar wurden, die aber nur von einigen Diamanten umgeben war.

Der restliche Stoff wurde nicht gesehen, denn ein Diamant kam um den anderen. Ich berührte das Kleid und sah mir den hinteren Teil an.

Hinten war ein V, wo man meinen halben Rücken wie ein V sehen konnte. Vorne war ebenfalls ein V. «Zieh es an.», forderte Adrian mich auf und ich tat was er befahl. Ich zog es an und ging zum Spiegel. Meine Brüste kamen in diesem Kleid perfekt zum Vorschein.

Man sah nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Gerade so, dass es elegant und nicht nuttig wirkte. «Du bist wahnsinnig.», flüsterte ich. Adrian stand hinter mir. «Nein, das bin ich nicht. Aber du siehst wahnsinnig darin aus» Mister Kuwak kam hinein und machte mir sofort ein Kompliment. Ich bedankte mich und musterte mich wieder im Spiegel. Hinreißend und wunderschön. Doch jeder würde mich anstarren. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass Juliano das Kleid gekauft hatte.

Irgendwie war das schon peinlich. Ich warf den Gedanken sofort weg und drehte mich zu Adrian um. «Was wirst du anziehen?» Adrian lachte.

«Nichts. Ist doch sexy oder?» Ich verdrehte die Augen und blickte zu Kuwak. «Könnte ich ein Glas Wasser haben? Ich habe richtig Durst bekommen» Mister Kuwak verschwand aus dem Zimmer und ich zog das Kleid ab und schlüpfte in meine alten Sachen. «Das hättest du nicht tun sollen.», flüsterte ich dann und kassierte einen lachenden Blick von Adrian. «Wollte ich aber. Du siehst wunderschön aus.» Ich lächelte. «Einen BH kann ich da aber nicht anziehen. Den würde man nur sehen» Adrian grinste. «Wie sexy.» Ich erwiderte sein Lächeln. «Schade nur, dass du davon nichts sehen wirst.» Adrians Lächeln wurde breiter. «Da wäre ich mir nicht so sicher, Kim.» Ich runzelte die Stirn und wollte fragen, was er damit meinte, aber Mister Kuwak kam mit einem Glas Wasser.

«Hier, Miss Montgomery.» Ich nahm das Glas lächelnd an. «Nennen Sie mich einfach Kim.», forderte ich ihn wieder auf und Juliano nickte. «In Ordnung. Ich vergesse es nur manchmal.» Er verließ leise den Raum und ließ Adrian und mich alleine zurück.

«Er ist es nicht gewohnt so mit Gästen zu reden.», erklärte mir Adrian. «Das wird er schon noch.» Ich ging aus dem Zimmer und nach draußen, wo die Sonne immer noch schien. Zwar war es nicht so warm, dass man in einem Kleid herumspringen konnte, aber nach dem Regen in der letzten Zeit wunderte es mich nicht. Der Garten war wie immer ein schöner Anblick. Groß, majestätisch und elegant. Jeder Strauch war perfekt geschnitten, das Gras war gleich kurz und die Blumen waren gleich groß. «Wer kümmert sich um den Garten? Also um den Gemüsegarten?» Ich zeigte nach hinten, wo eine mittlere Fläche nur für das Gemüsebeet da war.

«Unsere Köchin. Sie ist vernarrt in den Garten und wir haben beschlossen, ihr ein Gemüsebeet zu machen.» «Das ist nett.», ich ging auf den Gemüsegarten zu und sah ihn genauer an. «Noch nichts da.», flüsterte ich enttäuscht, aber ich wusste, dass man in April nicht wunder wie viel setzte. «Im Juli wimmelt es hier von Salaten, Tomaten, Paprikas. Alle möglichen Gemüsearten und ein paar Kräuter. Magda ist eine großartige Gärtnerin.»

«Und Köchin.», fügte ich hinzu und ging wieder zur Terrasse, wo ich mich hinsetzte und das Glas abstellte, das inzwischen leer war.

«Der Garten ist ein Traum. Würde meine Tante nicht so lange arbeiten, hätte sie schon längst einen Gemüsegarten gepflanzt. Aber dafür fehlt ihr die Zeit.» Ich sah auf meine Handyuhr. «Ich sollte gehen. Es ist schon wieder vier Uhr. Ich will noch eine French Maniküre machen.» Adrian verhob sich ein Lachen. «Typisch Mädchen.» Ich stand auf. «Was wirst du jetzt machen?», fragte ich. «Blöd in die Luft starren.» Ich nahm das Glas in die Hand. «Komm mit. Dann können wir weiter reden.» Ich stellte das Glas in der Küche ab und wir gingen zu mir.

«Wie machst du deine Nägel?» Ich lachte. «Zuerst ganz normal die French Maniküre und dann werde ich ein kleines Muster hineinzeichnen. Vielleicht noch ein Steinchen pro Hand. Die Steinchen sind bei mir immer beim Ringfinger.», stellte ich fest. «Und zum Schluss sieht es toll aus?» Ich stieß ihn leicht in die Seite. «Ja, ich kann das gut. Willst du auch?» Adrian schüttelte den Kopf «Bin ich ein Mädchen?» Ich lachte. «Schön wäre es.» Ich bog in meine Straße ab.

«Das wäre es noch.» Adrian sah mich an. «Du willst mich zum Mädchen machen.», er legte einen Arm um mich, «Nur wird es dir nicht gelingen. Ich bin gerne ein Mann.» «Männer denken nur mit dem Schwanz.», ich sah ihn angewidert an. «Ich nicht. Zumindest nicht immer.» Ich kicherte. «Du sagst es.»

Ich ging die Treppen zu meiner Haustür hinauf und wurde aufgehalten.

«Kimberly! Kimberly! Schön dich wieder zu sehen.»

Bianca, meine nervige Nachbarin, kam zu uns und musterte Adrian wieder. «Du hast uns noch gar nicht vorgestellt.», sagte sie und sah gezwungenermaßen zu mir. «Nicht? Oh, das tut mir so leid.», ich lächelte entschuldigend, «Das ist Lass-uns-gefälligst-in-Frieden.» Ich sperrte die Haustür auf und zog Adrian mit. «Und das solltest du gefälligst tun. Tut mir wirklich leid, dass ich einen so heißen Freund habe und ihre Tochter nur spießige Versager abbekommt!» Ich knallte die Tür vor ihrer Nase zu und stürmte auf mein Zimmer.

«Du kannst ja richtig die Krallen ausfahren.» Adrian musterte mich. «Jetzt betrachte ich dich in einem ganz neuen Licht.» Ich ignorierte seine blöden Sprüche und nahm meine French Maniküre hinaus. «Du findest mich also doch heiß?» Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. «Mach mich nicht sauer!» Adrian zuckte entschuldigend mit den Schultern. «Dieses Thema sollten wir später wieder ansprechen.» Er setzte sich zu mir und beobachtete mich. «Wenn du meinst.», gab ich nur zurück und widmete mich völlig meinen Nägel.

 

 

****

Das Endergebnis meiner Fingernägel war bombastisch. Ich hatte keinen Fehler oder Patzer gemacht und so hatte ich die perfekten Nägel. Auch Adrian musste mir zustimmen, dass sie toll aussahen. Meine Wut von vorhin war so ziemlich weggeblasen und meine alte gute Laune kam zurück. «Es ist jetzt halb sechs. Wir werden zu dir gehen müssen.» Ich suchte schnell eine kleine Tasche, die ich vor einigen Monaten gekauft hatte.

Sie hatte sogar die gleiche Farbe wie mein Kleid. Danach suchte ich eine schöne Halskette, mein schönes Perlenarmband und passende Ohrringe. «Kannst du bitte den Lockenstab in die Tasche tun? Ich hole uns zwei Stück Kuchen und packe ihn für später ein.» Ich verschwand hinunter in die Küche, wo ich den Kuchen einpackte und auf Adrian wartete, der mit meiner Tasche hinunterkam. «Nimm sie schnell. Die Tasche ist so … mädchenhaft.»

Ich kicherte und reichte ihm den Kuchen. «Dann nimmst du den Kuchen. Und nicht essen!» Wir verließen das Haus und gingen zu Adrian. «Kommen wir zum vorherigen Thema zurück. Du findest mich also doch heiß.» «Ja finde ich. Du bist heiß und scharf, aber das ist mir egal!» Wir kamen fünf Minuten zu früh und verstauten den Kuchen bei Adrians Zimmer. «Ich habe Angst, dass ihn uns jemand wegfuttert.», verteidigte er seine Idee. «Adrian!»

Erschrocken drehte ich mich zur Tür und fand seine Mutter im Türrahmen stehen. «Bekomme ich kein Hallo mehr?» Adrian zog seine Mutter in den Essraum. «Natürlich, Mutter. Ich wusste nur nicht, dass du schon da bist.» Ich ging Adrian und seiner Mutter nach. «Ich bin schon seit fünf Uhr hier. Guten Tag, Kimberly.» Sie lächelte mir zu und wir alle setzten uns. «Hallo.», grüßte ich sie. Emily musterte meine Nägel und stand entzückt auf.

«Wo hast du die machen lassen?», fragte sie mich und sah sie sich genauer an. «Das macht sie selbst, Mutter.», er grinste uns beide an. «Das kannst du machen, Kimberly? Das ist faszinierend.» Sie nahm meine andere Hand. «Ich könnte deine auch so schön machen.», sagte ich. «Das wäre nett, Kimberly.», gab sie lächelnd zurück.

 

 

****

Es war kurz nach zehn Uhr. Adrian hatte sich schon angezogen und half mir jetzt – gegen seinen Willen – meine Haare erneut zu locken. Er hatte ein schönes weißes Hemd, ein lockeres Jackett und schwarze Hosen an. Seine Schuhe waren ebenfalls schwarz. Die Haare hatte er perfekt gestylt. Insgesamt sah Adrian toll, scharf und heiß aus.

Die Ladys werden im Club nur Augen für ihn haben. Ich hatte mich ebenfalls schon angezogen. Das Kleid raubte mir nach wie vor den Atem. «Wenn die anderen im Club nicht so aussehen wie ich, haue ich sofort ab!», zischte ich und er nickte. «Das Kleid werden sie aber nicht anhaben. Ich wollte eine heiße Begleiterin, die die Blicke sofort auf sich lenkt. Und du bist perfekt dafür.» Adrians Glück war es, das er hinter mir stand und ich ihn somit nicht in den Arsch treten konnte.

Denn darauf hatte ich jetzt richtigen Bock. Adrian schaltete den Lockenstab ab und musterte mich. «Können wir jetzt gehen? Ich will endlich angeben.» Ich nahm die Tasche, überprüfte mein Kleid und meine Schminke nochmals und hakte mich bei Adrian unter. Meine Augen wurden zu richtigen Katzenaugen geschminkt, die Lippen waren voll und verführerisch und meine Wangen waren leicht rosa. «Gehen wir.» Draußen stand die Stretchlimousine bereit, die uns zu dem Club bringen würde. Hatten wir nicht schon genug Aufmerksamkeit mit dem Kleid?

Nein, er musste noch mit der Stretchlimousine kommen. Wollte er unbedingt, dass jeder sah, wie reich und heiß er und seine Begleiterin waren? Ich lenkte meine Gedanken schnell weg von dem und stellte fest, dass ich das erste Mal so richtig ausging. Die letzten zwei Jahre hatte ich daran noch nie gedacht und vorher war ich nur einmal zehn Minuten lang in einer Diskothek, bevor meine Freundinnen und ich abhauen mussten. Adrian und ich stiegen ein und ich konnte nur staunen wie geräumig die Stretchlimousine war. «Möchtest du einen Champagner?»

«Zur heutigen Feier? Warum nicht.» Ich nahm zwei Gläser und wartete bis Adrian den Korken hinauszog und uns einschenkte. «Auf uns und das wir England unsicher machen werden.» Wir prosteten uns zu und tranken dann einen Schluck. Die Fahrt dauerte nicht lange und ich hatte gerade mein Glas geleert, als wir ankamen.

Der Fahrer öffnete uns die Tür und Adrian stand als erster aus. Als ich ausstieg, sah ich schon, dass jeder uns anstarrte. Wenn ich jetzt stolperte lachte mich jeder aus. Aber das tat ich nicht. Adrian nickte dem Fahrer zu, der wieder einstieg und wegfuhr. «Sei nicht so verkrampft, Kim.» Er legte einen Arm um meine Taille und zog mich näher zu sich. Dann gingen wir vor zum Türsteher, wo Adrian unseren Eintritt bezahlte. Er fragte gar nicht nach unseren Ausweisen. Wahrscheinlich dachte er, dass wir sicher schon achtzehn waren. Adrian war es ja auch schon.

Ich hatte erst in circa einem Monat. Hinter uns tuschelten ein paar, doch wir ignorierten sie. «Ich bin die einzige die so aussieht.», jammerte ich. «Du bist auch die einzige, die hier scharf und elegant aussieht. Den Kartoffelsack habe ich nicht mal mitgezählt.» Der Kartoffelsack war ein Mädchen, dass ein Kleid anhatte, das aussah wie ein kaputter Kartoffelsack. Adrian führte mich in den Main Club. Dort bestellte er uns etwas zum Trinken und gab es mir. Ich bedankte mich und trank einen kleinen Schluck davon. Ich wusste nicht, was es genau war, doch es war gut. Und es schmeckte mir. «Komm.», ich zog Adrians Hand und zog ihn mit, «Gehen wir tanzen.»

Auf der Tanzfläche war die Hölle los, eigentlich war hier alles voller Leute. Ich zog Adrian so nah zu mir, dass keine Wimper mehr Platz hatte. «Was hast du vor?», flüsterte er fragend in mein Ohr. «Ansehen erregen. Du willst doch alle Blicke auf uns ziehen?» Ich hielt ihm die Hand hin, die er in seine legte. «Bist du bereit?», fragte er. «Immer doch.», flüsterte ich und er fing an mich herumzuwirbeln.

 

 

****

Es war nach Mitternacht. Es war sogar nach zwei Uhr. Wir hatten schon ein wenig getrunken, aber beide nicht genug, um nicht klar denken zu können. Adrian hatte oft mit mir getanzt. Für eine Stunde waren wir in der Mausefalle, eine andere Stunde waren wir in der iCocktailbar. Wer hätte jemals gedacht, dass ich so Spaß daran fand, auszugehen. Aber mit Adrian war es niemals langweilig. Ich hatte immer was zum Lachen. Der erste Tanz den wir diese Nacht getanzt hatten, war atemberaubend gewesen. Er hatte mich geführt, hatte mich gedreht und umhergewirbelt.

Wir hatten die Aufmerksamkeit schon vor dem Club wegen der Limousine gehabt, doch unser Tanz war so elektrisierend gewesen, dass andere aufhörten und uns zusahen. Total abgefahren, denn ich hatte es erst bemerkt, als wir mit dem Tanz fertig waren. Danach hatten wir noch ein paar Mal getanzt, eng aneinander oder heiß.

Ich hatte einige neue Menschen kennengelernt: nette Mädchen, nette Jungs, mit denen ich alle eine Runde getrunken hatte. Es wurde schnell klar, dass wir die Angesagtesten dieser Gruppe waren und Adrian der reichste darunter. Zwei der fünf Mädchen waren ebenfalls reich, konnten jedoch mit Adrian nicht mithalten. Und drei der sechs Jungs waren nicht reich. Sie hatten ein Durchschnittseinkommen, also hatte ich mich nur auf diese drei Jungs konzentriert. Von diesen drei konnten zwei mit Adrian noch mithalten, schafften es jedoch nicht ganz. Adrian war einfach zu … gottverdammt sexy!

Unsere Gruppe löste sich vor zwei Uhr auf, wo die meisten davon heimgingen oder sich jemanden für die Nacht suchten. Zwei der Jungs wollten mich, aber ich gab ihnen gleich klar, dass ich nicht für eine Nacht zu haben war. Und sie akzeptierten es. Danach waren Adrian und ich alleine. Hauptsächlich lachten wir über irgendwelche dämlichen Witze, wir tranken was oder wir tanzten. Ich glaubte es war drei Uhr, als Adrian mich hinaus aus der Disco brachte.

Er lehnte sich an die Wand und sah mich an. «Weißt du noch von dem Geheimnis das ich heute in der Früh hatte.» Meine Miene hellte sich auf. «Ich erinnere mich.» Seine Augen waren auf mich fixiert. «Gut. Komm mit, Kim.» Er nahm meine Hand und ging mit mir davon.

Wohin wir gingen, wusste ich nicht, aber ich ließ mich überraschen. Ich hoffte, dass es nichts Kriminelles oder Illegales war, doch beides war es schlussendlich nicht. Nachdem wir eine halbe Stunde umherschlenderten kamen wir endlich an. Ich wusste nicht recht, was wir da machen sollten. Was wollte er denn auf der Donauinsel machen? Er führte mich zu einem Bereich, den ich noch nie betreten hatte. Und das zu recht.

Der FKK-Badebereich.

«Nein!» Adrian drehte sich um. «Du hast es versprochen.», sagte er und sah mich auffordernd an. «Ich habe auch nie daran gedacht, dass es Nacktbaden sein wird!», ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse. «Es ist doch zu kalt. Weißt du nicht mehr der See?» Adrian lächelte. «Doch. Aber jetzt sind wir komplett nackt.» Er zog sein Hemd und seine Hosen aus. «Wirst du mitmachen?», hakte er dann nach und kam mir ein Stück näher.

Das einzige, dass ich dachte war: Gott sei Dank hat dieser Spinner noch seine Boxershorts an. «Ausnahmsweise. Wahrscheinlich bin ich doch ein bisschen betrunken.» Ich hob meine Hände, damit Adrian mein Kleid darüber ziehen konnte, dass er auch tat. Nun stand ich nur mehr mit meinem Höschen und den Schuhen da. BH hatte ich ja keinen an. Ich hatte meine Brüste sofort mit meinen Händen abgedeckt, damit er nicht zu viel sah. «Den Rest schaffe ich. Zieh du deine aus und hüpfe ins Wasser. Ich komme nach, wenn du nicht hinsiehst.»

«Nur zum Festhalten: Du siehst nackt genauso aus, wie ich es mir vorgestellt hatte. Vielleicht sogar besser.» Ich lächelte. «Danke, Idiot. Und jetzt geh weg.» Adrian drehte sich um, ging einige Schritte und schmiss die Boxershorts auf den Haufen Kleidung neben ihm. Auf was hatte ich mich da wieder eingelassen? Ich wollte Adrian nie meinen nackten Körper zeigen. Und jetzt hatte er die Gelegenheit dazu, ohne dass ich was einwenden konnte. Großartig! Er sprang ins Wasser und ich zog mir schnell den Rest ab und sprang ihm hinterher. Das Wasser war … eiskalt und ich fing sofort an zu zittern.

«Hast du an Handtücher gedacht?» Adrian lachte. «Ich dachte mir, dass wir wieder enganeinander sitzen und unsere Körper uns Wärme schenken würden.» Ich schwamm ein wenig, um das Kältegefühl loszuwerden, doch es nutzte nicht viel. «Wie letztes Mal.», ich wartete darauf, dass Adrian zu mir schwamm, was er auch tat. «Wie letztes Mal.», wiederholte er und ich lachte. «Mir war letztes Mal trotzdem zu kalt!» Adrian erwiderte mein Lachen.

«Mir auch. Also müssen wir noch enger. Irgendwie geht es schon und danach müssen wir nicht heimgehen, sondern werden chauffiert.» Ich verdrehte die Augen. «Er soll ein paar Decken mitbringen, damit wir nicht erfrieren.» Ich tauchte unter und kam einige Meter später wieder hoch.

«Schwimmen hilft sogar gegen die Kälte. Wenn auch nur ein klein, sehr klein wenig.» Adrian drehte sich im Kreis und suchte mich. Als er mich fand, kam er zu mir und spritzte mich an. Ich kreischte und spritzte zurück. «Für was war das denn?», quiekte ich. «Für nichts. Ich wollte es nur.» Ich spritzte ihn wieder an. «Und das wollte ich tun.», sagte ich und tauchte ihn auch noch unter. Eine Sekunde später bereute ich es. Er konnte alles sehen.

Gütiger Himmel! Ich ließ ihn sofort wieder los und schwamm ein wenig weiter weg. «Du bist rasch draufgekommen.» Ein Grinsen mache sich auf seinem Gesicht breit und ich funkelte ihn an. «Hoffentlich gefiel dir die Show!»

Adrian lachte.

«Mehr als nur gefallen, Kim.»

Ich spürte wie die Röte in mein Gesicht schoss und ich sah beschämt auf das Wasser. Nur gut, dass es dunkel war und er mein rotes Gesicht nicht sah. «Das war privat, Adrian. Das ist mein Körper! Und denn hättest du nicht sehen sollen. Nicht so!» Adrian schwamm zu mir.

«Das war deine Schuld. Aber komm schon. Ich habe dich schon halbnackt gesehen.» Ich seufzte. «Irgendwie», ich presste meine Lippen zusammen, «aber nur irgendwie hast du recht. Hast du noch einen Wunsch, den ich dir erfüllen soll?» Adrian überlegte grinsend. «Momentan nicht. Komm her.» Ich schwamm zu ihm und er legte beide Arme auf meine Schulter. «Du hast einen … sehr tollen Körper.» Ich stieß ihn weg.

«Themawechsel! Ich will nicht darüber nachdenken, dass du ihn gesehen hast. Vollkommen nackt!» «Wollen wir hinausgehen? Mir wird langsam so kalt, dass ich meine Füße nicht mehr spüre.» Meine Antwort bestand aus einem Nicken.

«Du zuerst, Adrian. Jetzt darf ich alles sehen.» Adrian lachte und stieg aus. Ich starrte ihm hinterher, musste aber trotzdem wegschauen. Ich konnte es nicht tun. «Fertig angezogen. Ich werde mich jetzt wegdrehen, damit du nicht komplett im Boden versinkst.» Ich stieg ebenfalls aus und zog rasch das Kleid und das Höschen an.

«Schnell, schnell. Ruf ihn an und kuschle dich an mich.», schrie ich zu Adrian, der schnell einen Anruf tätigte und dann zu mir kroch. Er drückte mich fest und streichelte meine Arme, damit ich nicht erfror. Fünf Minuten später sahen wir die Scheinwerfer eines Autos und wir rannten um die Wette. «Frederik, ich war noch nie so froh Sie zu sehen. Haben Sie die Decken mit?» Frederik – der Chauffeur – nickte und begrüßte uns. «Waren Sie gerade schwimmen, Sir?» Adrian nickte.

«Blöde Idee, ich weiß.» Er nahm eine Decke und legte sie um mich, die andere legte er um sich selbst. «Steigen Sie ein.» Er öffnete die Tür und wir taten was er sagte. «Mir ist so scheiße kalt, Adrian.», flüsterte ich und Adrian nahm mich in den Arm. «Wir sind gleich bei mir. Und dann kannst du heiß duschen gehen.» Ich klapperte mit den Zähnen. «Das finde ich gut.», ich schloss die Augen, «Das finde ich gut.»

 

 

****

Kalte Hände umfassten meine Taille, zogen mir das Kleid aus. Ich hörte Wasser. Wasser, das in dem Moment auf meinen Kopf prasselte, meinen Körper hinunter. Ich versuchte nicht meine Augen zu öffnen, denn jeder Zentimeter davon war noch kalt.

Das Wasser war nicht heiß, es war lauwarm, aber es tat meinem Körper gut. Ein Stöhnen konnte ich nicht unterdrücken. Es kam mir vor, als würde ich Stunden unter dem Wasser stehen. Eng neben einer Person, die so gut roch. So gut nach Adrian roch.

Ich wusste noch, dass mir etwas umgelegt wurde und ich ins Bett gebracht wurde. Mein Körper kam in dem normalen Zustand zurück, meine Augen konnte ich öffnen. Doch ich tat es nicht, sondern wurde in die Tiefe gezogen und schlief ein. 

Kapitel 12 – Samstag, 20. April 2013

Ich fühlte mich wirklich furchtbar, als ich erwachte. Mein Kopf tat ein wenig weh. «Adrian?» Ich öffnete meine Augen und suchte im Zimmer nach Adrian ab. Doch von ihm war keine Spur. «Adrian!» Ich stand langsam auf und merkte, dass ich einen Bademantel umhatte. «Kim?» Er kam in sein Zimmer und ich atmete erleichtert aus.

«Guten Morgen.», sagte er und kam zu mir. Er nahm mich in den Arm und ich nuschelte in sein Hemd: «Guten Morgen.» Er strich mir ein Haar aus dem Gesicht. «Du warst gestern ziemlich erschöpft.» Ich nickte. «Ich weiß. Und mir war eiskalt.», flüsterte ich.

«Du kannst meine Sachen anziehen. Ich gebe dir schnell eine Jogginghose und ein T-Shirt.» Er stand auf und öffnete seinen Kleiderschrank. Ich hatte eine Unordnung erwartet, aber auch der Schrank war blitzeblank. Er schmiss mir die Sachen hin und verschwand aus dem Zimmer.

«Ich werde Magda Bescheid geben, dass du jetzt essen willst.» Ich zog mir die Kleidung an und ließ mich wieder ins Bett fallen. «Schläfst du wieder?» Ich sprang erschrocken aus dem Bett. «Nein, nein. Vielleicht ein bisschen.» Ich ging auf Adrian zu. «Hast du mich gestern unter die Dusche gestellt? Nackt?» Adrian nickte kurz und nahm meine Hand.

«Das Essen wartet schon.»

Es war schon das zweite Mal das er mich nackt sah. «Wie spät ist es?», fragte ich leise. «Nach zwölf Uhr. Halb eins, glaube ich.» Ich gähnte und klammerte mich an Adrian fest. «Die Nacht war schön Adrian.» Er lachte. «Auch der Schluss?» Ich verzog ein wenig das Gesicht. «Es gibt bessere Schlüsse…», murmelte ich und kassierte einen amüsierten Blick von Adrian.

Unten wartete auf mich eine leichte Nudelsuppe. Was anderes hätte mein Magen nicht verkraftet. Adrian beobachtete mich die ganze Zeit, wie ich die Suppe aß und ich versuchte es die ganze Zeit zu ignorieren. Danach gingen wir hoch in sein Zimmer, wo ich mich wieder ins Bett kuschelte und Adrian beschützend einen Arm um mich legte.

«Das war eine dämliche Idee.», flüsterte er und ich schüttelte den Kopf.

«Nicht die beste, aber nicht dämlich.», gab ich zurück und schloss meine Augen. Adrian strich mir übers Haar. Es fühlte sich vertraut an, irgendwie genoss ich es. Während er das machte, kamen Bilder von gestern wieder in mir hoch. Erinnerungen, die ich verdrängt hatte.

Das Schwimmen in der kalten Donau, das Adrian mich nackt gesehen hatte und das er mit mir duschen war. Ich wusste noch, dass mir nach dem Schwimmen eiskalt war. So eiskalt, dass ich einschlief. «Hey, nicht einschlafen.» Ich öffnete die Augen. «Ich bin aber müde.», antwortete ich mit einem leichten Anflug eines Lächelns. «Ich will aber mit dir was unternehmen. In Wien soll es eine Paintball-Halle geben.»

Ich kicherte.

«Du willst mit mir zum Paintball gehen?», fragte ich und Adrian nickte. «Klar, unsere Körper werden voller Farben sesein. Du kannst Leute anschießen und wir beide haben Spaß.» Noch nie war ich auf einmal so wach gewesen.

 Ich hüpfte aus dem Bett.

«Das war dein Ernst?» Adrian nickte und sah mich belustigt an.

«Dann nichts wie los!» Ich nahm seine Hände und zog ihn hoch. «Ziehe dich schnell an. Ich werde mit deinen Sachen gehen.» Adrian zog sich eine Hose und ein blaues Shirt von Adidas an. «Ich rufe schnell unseren Fahrer an.» Ich nickte und wartete bis Adrian fertig mit dem Telefonieren war.

«Er wartet unten auf uns.», er nahm meine Hand und gemeinsam gingen wir hinunter. Dieses Mal hatten wir die kleinere Limousine, die dennoch genug Platz aufwies. «Das wird abgefahren.», kreischte ich und grinste Adrian an.

«Und schmutzig, Kim.»

Ich warf ihm einen Blick zu. «Voller Farbkleckse.», korrigierte ich ihn. «Ja, schmutzig.» Irgendwie klang es bei Adrian wie ein dreckiges Wort. Richtig zweideutig. Ich ignorierte es und kuschelte mich an Adrian. «Wer hätte gedacht, dass du Wien besser kennen würdest als wie ich.»

«Das ist nicht schwer. Du hast dich nie für Wien interessiert. Ich hingegen, will es wissen. Wo habe ich Spaß, wo kann ich essen gehen? Das alles ist wichtig, wenn man was unternehmen will.»

Ich kicherte.

«Da musst du doch nur Mister Kuwak fragen. Der wird gewiss alles wissen. Vielleicht hat er sogar ein Buch über Wien.» Diese Bemerkung brachte auch Adrian zum Lachen. «Glauben würde ich es sogar.» Wir lachten wieder und bekamen nicht mit, wie wir ankamen und er uns die Tür öffnete. «Sir? Madam?» Adrian und ich hörten augenblicklich auf und stiegen nacheinander aus. «Vielen Dank Frederik.», sagte Adrian und vereinbarte eine Zeit, wo er uns beide wieder holen sollte. Ich nickte nur Frederik, den Chauffeur, zu und ging Adrian hinterher.

Er bezahlte für uns und gab mir eine Ausrüstung. «Die musst du anziehen.» Ich rümpfte die Nase. «Wenn es sein muss.», jammerte ich und tat was er mir gesagt hatte. Angezogen, nahmen wir das Schießgewähr in die Hand und machten uns auf dem Weg. «Wir sind aber schon ein Team oder?», ich hielt Adrian fest und sah ihn an. Bis jetzt hat er nicht gesagt, dass er mit mir spielen wollte.

«Klar. Sonst verlierst du ja noch.» Ich streckte ihm die Zunge raus und lachte «Wir machen sie fertig, Adrian.»

 

 

****

«Diese Gesichter!», ich hielt meinen Bauch vor lauter lachen und auch Adrian musste sich beruhigen. Wer hätte gedacht, dass es so viel Spaß machen würde. Adrian und ich mussten mit weiteren drei in eine Gruppe gehen. Zu fünft hatten wir die andere Gruppe, die ebenfalls mit fünf Leuten ausgestattet war, so was von fertig gemacht.

Am Ende waren nur mehr ich und Adrian und drei der anderen Gruppe. Wir hatten ein tolles Spiel gespielt und die andere Gruppe ausgetrickst, weshalb wir gewonnen hatten. Ich gab der Verkäuferin die Ausrüstung und wartete, bis Adrian zu mir kam. Wir sahen uns nur kurz an … schon brachten wir in erneutem Gelächter aus. Hinter uns war ein Teil der Gruppe. Alle über dreißig. Sie sahen uns kopfschüttelnd an. «Revanche? Nächste Woche?», schrie uns ein Mann zu, der einen Arm um seine Frau gelegt hatte. «Ihr habt noch nicht genug?», fragte ich kichernd.

«Dieses Mal sind wir an der Reihe. Bis nächste Woche. Mittwoch um halb acht Uhr abends?»

Adrian und ich tauschten einen Blick.

«Bis nächste Woche!» Wir stiegen in die Limousine ein, die gerade kam und Adrian tauschte mit dem Fahrer ein paar Worte, die ich nicht mitbekam, da sie so leise miteinander sprachen. Der Weg führte nicht zu Adrian oder zu meinem Zuhause und ich sah ihn fragend an. «Ich habe vorher mit Mister Kuwak telefoniert. Kaum wahr, aber er hatte tatsächlich ein Buch über Wiens Attraktionen und er hat mir ein schönes Restaurant mit Café genannt.», sagte er. Jetzt war ich ja so viel schlauer…

«Und welches?», hakte ich nach.

«Es wird dir gefallen. Du siehst viel, das kann ich dir versprechen.» Ich fing sofort an zu rätseln, doch immer nur schüttelte Adrian den Kopf. Ein Restaurant wo ich viel sah. Viel zum Essen oder vielleicht viele Fische? Viele Menschen, viele Kinder. Zum Schluss hinaus, fing ich an blöde Sachen abzulassen, die Adrian öfters zum Schmunzeln brachten.

«Viele Penisse? viele Ärsche? Viele nackte Männer?»

Doch immer wieder war es ein Kopfschütteln. «Lasse dich überraschen…» Ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. «Mich überraschen lassen? Die letzte war zum Sterben kalt.» Adrian sah mich mitleidig an und ich bereute es sofort. «Ich lasse mich überraschen.» Das brachte seinen Blick nachdenklich und schließlich sah er fröhlich aus. Als wir anhielten, konnte ich es kaum erwarten auszusteigen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern bis der Fahrer endlich die Tür öffnete.

Bis dahin musste ich mich beherrschen mich nicht ans Fenster zu drücken und hinauszuspähen. «Bittesehr.» Die Tür wurde geöffnet und wir stiegen aus. Ich würde viel sehen, wenn wir das taten was mir jetzt durch den Kopf ging. Wir standen vor dem Donauturm. Dort konnte man auf … hm … 170 Meter? … einen Kaffee und Kuchen essen oder im Restaurant etwas Richtiges zu sich nehmen. «Das ist nicht dein Ernst?», hauchte ich und sah den Turm bewundernd an. Ich war noch nie hier gewesen, hatte noch nie dort oben gespeist.

«Doch. Komm, gehen wir zum Lift.»

Mit einem modernen Expresslift wurden wir in wenigen Sekunden zur Aussichtsterrasse gebracht. Ich fragte Adrian, wie hoch wir jetzt waren und er schätzte es auf circa 150 Metern, wo er nicht falsch lag.

Die Liftfahrt selbst war ein Erlebnis für sich, denn wir konnten durch das Panoramaglas in der Kabinendecke sehen, wo wir einen Blick in das Innere des Turmes erspähen konnten.

Die Terrasse bestand aus einer rundum begehbaren Plattform im Freien und einem zweistöckigen verglasten Innenteil, wo man bei Regen ebenfalls die Sicht genießen konnte. Im Restaurant geleitete uns ein Kellner zu einem Tisch für zwei, der gleich neben dem Fenster war.

Mein Blick wanderte zuerst zu den Menschen, die hier saßen. Wir beide hatten wohl den letzten Tisch bekommen. Wahrscheinlich war unser Tisch für uns reserviert. Danach wanderte mein Blick nach draußen, wo man sicherlich einen weiten Blick auf Wien und die Gegend hatte. Ich konnte sogar den Stephansdom und das Riesenrad sehen, wobei mir beide wie kleine Spielmodelle vorkamen.

«Das ist atemberaubend.», ich staunte nicht schlecht.

«Also gefällt es dir?»

Ich nickte.

«Und wie. Es ist beeindruckend. Eindrucksvoll.» Ich musste wieder hinaussehen. Diesen Blick musste ich einfach erneut sehen. Vielleicht sah ich sogar mein Zuhause. «Hier ist Madame Tussauds, wenn ich mich nicht täusche.», sagte ich und zeigte auf ein Gebäude.

«Wo?», kam Adrians Frage und ich deutete wieder darauf. «Neben dem Riesenrad. Da beim Prater. Das ist es sicher.» Adrians Augen fingen an zu strahlen. «Ich sehe es.» Ich grinste Adrian an. «Ist es deiner Mutter Recht, wenn du nicht mit ihr zu Abend isst?», fragte ich. «Ich habe Mister Kuwak ausgerichtet, dass ich nicht zum Abendessen erscheinen werde. Gott, Kim. Ich esse oft nicht zuhause.» Ich zuckte mit den Schultern. «Ich weiß. Manchmal isst du bei mir. Aber die Fragen hast du trotzdem nicht beantwortet…» Adrian widmete sich der Speisekarte.

«Mir ist es egal, was meine Mutter von mir will. Ich mache das was ich will.» Ich antwortete darauf nichts, sondern nahm die Speisekarte in die Hand und durchforschte die ganzen Speisen. Was sollte ich jetzt schon wieder essen?

 

 

****

Ich hatte mir nach dem Essen geschworen nie wieder etwas zu essen. Die erste halbe Stunde hatte ich es geschafft, doch dann hatte Adrian uns einen Nachtisch bestellt. Also hatte ich beschlossen nach dem Nachtisch nichts mehr zu essen, was, wie Adrian sagte, unmöglich war. Wir saßen jetzt in der Limousine, die mich nachhause bringen sollte. Obwohl niemand zuhause auf mich wartete, wollte ich dorthin. In meinem Bett liegen und herumlungern.

«Morgen werden wir zu Verwandten fahren. Nach Budapest. Meine Mutter findet, dass wir sie wieder mal besuchen sollten und ihnen in den Arsch kriechen sollten.» Ich kicherte. «Adrian.», tadelte ich ihn und schüttelte den Kopf.

«Morgen werden wir uns also nicht sehen.», stellte ich fest und setzte eine traurige Miene auf. «Du könntest ja mitgehen?» Ich lachte. «Nein, ich bin nicht gut im Arsch kriechen.» Adrian lachte. «Schade. Wir hätten sicher für viel Ärger gesorgt.» Ich verdrehte die Augen.

«Sorge lieber alleine für Ärger.»

Wir blieben vor meinem Haus stehen und ich sagte zu dem Fahrer, wessen Name ich leider schon vergessen hatte, dass ich alleine aussteigen konnte. Adrian begleitete mich dafür bis vor die Tür und ich drückte ihn an mich. «Vielen Dank für den wundervollen Tag, Adrian.», sagte ich und sperrte auf.

«Nichts zu danken.» Ich umarmte ihn nochmals und küsste seine Wange. Das nächste das geschah, ging ziemlich schnell. Seine Lippen wanderten von meinen Wangen bis hinunter zu meinem Hals, den er anfing zu küssen. Ich klammerte meine Füße an seinen Bauch und dann lagen wir schon auf dem Sofa im Wohnzimmer. Er küsste weiter meinen Hals, mein Dekolleté.

«Adrian, der Fahrer wartet auf dich.», flüsterte ich und fing an seine Arme zu berühren. Mein Pullover war schneller von meinem Körper befreit, als mir lieb war. Ich schlang meine Arme um seinen Rücken, fuhr unter sein Shirt und berührte seine Muskeln. «Was machen wir hier?» Adrian beugte sich über mich und hauchte mir einen Kuss auf den Bauch.

«Ich weiß nicht. Aber es gefällt mir.» Ich kicherte und zog nun sein Hemd aus. «Nicht nur dir.», pflichtete ich ihm bei. «Gut, dann machen wir weiter.» Er knüpfte meine Hose auf. Alles in mir bereitete sich auf das vor. In dem Moment wollte jede Faser meinerseits Adrian. Und ich ließ ihn zu. Meine Hose lag auf dem Boden und Adrian berührte den Saum meines Strings. «Adrian, ich will ...», ich versuchte seine Hose zu öffnen und hielt kurz inne. Er streichelte meine Scham und drang dann mit einem Finger in mich ein. «Oh Gott!», schrie ich auf und krallte meine Finger in seinen Rücken. «Was machst du mit mir?», keuchte ich und Adrian grinste.

«Gar nichts. Ich bringe dich jetzt nur zum Orgasmus.» Er drang mit zwei weiteren in mich und ich schrie noch lauter.

Plötzlich wurde die Haustür geöffnet und jemand schrie mir.

«Kim? Ich bin früher zuhause.»

Blitzschnell schmiss ich Adrian von mir und zog so schnell wie noch nie zuvor meine Hose und mein Shirt an. «Zieh dich schnell an.», flüsterte ich hastig und versuchte meine Atmung und meine Röte im Gesicht zu kontrollieren. Meine Tante kam gerade dort hinein, als Adrian sein Shirt hinunterzog.

«Hey Tante. Wir sehen uns am Montag, Adrian. Viel Spaß bei deinen Verwandten.», verabschiedete ich mich von Adrian. «Bis Montag.», sagte er und steckte sich die Finger in den Mund. Meine Augen weiteten sich und er verschwand mit einem Grinsen.

«Kim?» Meine Tante sah mich eindringlich an. «Ich freue mich, dass du da bist. Ich muss noch Hausaufgaben machen.», ich küsste sie kurz und lief dann auf mein Zimmer. Was hatten Adrian und ich da schon wieder gemacht? Er hatte mich fast zu einem Orgasmus geführt. Ich schloss die Tür und da piepte mein Handy.

 

Das werden wir wiederholen.
Adrian

 

Ich spürte wie ich rot wurde. Nur gut, dass Adrian nicht mehr hier war. Ich öffnete noch einmal die Nachricht und las sie mir laut durch. «Das werden wir wiederholen.» Ich musste jetzt sofort eine Entscheidung treffen. Ließ ich mich jetzt mit Adrian ein oder nicht? Einerseits wollte ich es, aber der drang das ich es nicht wollte, war größer und ich schrieb Adrian zurück.

 

Das was geschehen war, wird hinter uns gelassen. Es wird nicht wieder vorkommen!
Kim

 

Bevor mich der Mut verließ, schickte ich sie ab und wartete gespannt auf eine Nachricht. Ich wusste, dass ich schon wieder den Schwanz einzog, aber mir wurde immer erst später bewusst, was ich wollte. Und es tat mir auch leid. Adrian war jetzt sicher sauer. Zu Recht. Und da wurde mir klar, wenn ich das jedes Mal abzog, würde er eines Tages gehen. Nicht mehr in meinem Leben existieren. Ich musste es in den Griff bekommen. Ich mache mit oder ich lasse es! Ganz einfach… Als das Handy wieder klingelte, hatte ich Angst, was er wohl geschrieben hatte. Wenn ich Adrian jetzt verloren hatte, war es ganz alleine meine Schuld. Mit zitterten Händen tippte ich auf Nachricht öffnen und las sie mir durch.

 

Wieder einmal… Warum konnte ich das nicht voraussehen. Gut. Wir werden am Montag weiter darüber reden.
Adrian

 

Vermasselt. Ich hatte es soeben vermasselt. Er hasste mich. Am Montag wird er mir nur Schimpfwörter an den Kopf werfen wollen. Eine Träne fand den Weg ins Freie und ich tippte mit Tränen in den Augen eine Nachricht.

 

Es tut mir leid, Adrian. Sei bitte nicht sauer. Ich mag dich zu gerne, als das wir unsere Freundschaft wegen so was aufs Spiel setzen.
Kim

 

Ich kroch unter meine Bettdecke und versuchte die Tränen zu stoppen, doch sie flossen unentwegt meine Wange hinunter. Ich wünschte mir, dass ich einmal nein sagen konnte. Oder wenn ich schon anfing auch aufzuhören. Adrian würde sich jetzt verarscht fühlen. Ich machte doch immer dasselbe. Das einzige, das mich aufhielt zu heulen, war eine Nachricht, die gerade eintraf.

 

Du hast Recht, Kim. Ich bin nicht sauer. Bis Montag.
Adrian

 

Augenblicklich hörte ich auf und lächelte. Er war nicht sauer … oder war es im Moment nicht mehr. Hauptsache er mochte mich noch. Glücklich wischte ich mir meine Tränen weg und stand auf. Meine Tante saß im Wohnzimmer mit einem Kuchen in der Hand und ich gesellte mich – ebenfalls mit einem Kuchen – zu ihr. Gemeinsam sahen wir uns die Nachrichten an und erzählten uns vom heutigen Tag.

«Wir waren gestern aus. Habe dann bei ihm geschlafen. Nein Tante, es war überhaupt nichts zwischen uns. Dann gingen wir zur Paintball-Halle. Das war so abgefahren, Tante. Wir haben andere Leute abgeschossen und die hatten dann einen Farbklecks. Einer war vollkommen bunt und wir mussten lachen. Fast hätte uns jemand deswegen abgeknallt, aber wir schafften es noch. Danach aßen wir zu Abend auf dem Donauturm. Dieser Blick über die Stadt war so eindrucksvoll. Das Essen war auch köstlich. Das war mein Tag. Lass mich raten, dein Tag war vollgepumpt mit Essen kochen?»

 Meine Tante nickte und wir sahen weiter. Irgendwann um halb elf ging ich hinauf in mein Zimmer und ich machte mich fürs Bett fertig. Ich putzte meine Zähne, wusch mein Gesicht und kämmte meine Haare. In meinem Minipyjamakleid schlüpfte ich in mein Bett und hoffte, dass Adrian am Montag gut gelaunt war. Ich schloss meine Augen und versuchte vergebens einzuschlafen. Sogar ein Glas Wasser – dass ich geholt hatte – nutzte nichts. Also schrieb ich Linda eine Nachricht.

 

Lindalein, was machst du morgen?
Kim

 

Die Antwort kam rasch und ich öffnete sie.

 

Kimchen! Mit dir was machen? Hole dich um zehn Uhr ab. Wir machen einen feinen Mädelstag und machen Vorbereitungen für die nächste Woche.
Linda

 

Ich war froh, dass sie etwas machen wollte. Ich brauchte unbedingt ein paar Tipps wie ich mich gegenüber Adrian verhalten sollte und Linda war genau die Richtige dafür. Ich sendete sofort eine Nachricht

 

Finde ich gut. Habe was zu erzählen. Bis morgen.
Kim

 

Du hast mir was zu erzählen? Hast du Kevin angerufen? Oder geht’s um Adrian?
Linda

 

Kevin! Den hatte ich schon längst vergessen. Oh Gott! Ich sollte mich echt mal melden, sonst meinte er, ich hielt meine Versprechungen nie.

 

Erzähle ich dir morgen. Bis morgen.
Kim

 

Ich deckte mich fester zu, legte mein Handy beiseite und schloss wieder die Augen. Linda würde wissen, was zu tun war. Sie schien mir, als würde sie solche wie Adrian kennen und wissen, wie damit umzugehen war. Sie würde mir helfen. Mit diesem Gedanken schlief ich ein.

 

Kapitel 13 – Freitag, 26. April 2013

Die ganze Woche hatte ich fast ausschließlich mit Linda verbracht. Sie hatte sich eine Woche freigenommen und wir hatten viel unternommen.

Ab fünf Uhr war ich dann bei Adrian und wir lernten, machten Hausübung oder wir quatschten. Am Anfang war es total ungewohnt, die ganze Zeit mit Linda zu verbringen. Doch ich merkte gleich, dass die Tage weniger pervers wurden und wir sehr viel herumkicherten. Es war eine schöne Abwechslung mal etwas mit anderen zu machen. Linda und ich hatten in letzter Zeit nicht viel Zeit füreinander gehabt. Adrian war anfangs nicht so begeistert, aber er hatte nichts gesagt und mich mein eigenes Ding machen lassen. Dafür dankte ich ihm am Abend mit meiner Anwesenheit.

Das kleine Spiel letzten Samstag, hatten Adrian und ich die ganze Woche nicht erwähnt und ich war ziemlich froh darüber. Ich wusste selbst nicht, was wir da getan hatten. Auf jeden Fall wusste ich, dass etwas mit mir los war. Irgendwas hatte sich bei mir geändert. Die vierte Stunde war gerade vorbei. Linda würde heute etwas mit ihrem Freund machen, während ich zum Frauenarzt gehen musste. Wie jedes Monat. Der Frauenarzttermin war um eins, weshalb ich nachhause ging. Gestern war meine Tante zuhause und wir gingen den ganzen Nachmittag mit Linda shoppen und redeten über Jungs. Ausschließlich war der Name Adrian zu hören.

«Wir sind nur Freunde, Tante. Nur Freunde.», hatte ich ungefähr zehn Mal gesagt, ehe sie das Thema fallen ließ.

Obwohl sie Adrian vorher nicht mochte, wollte sie jetzt, dass wir zusammen kamen. Aber das würde sich legen, Adrian und ich … das würde nie gehen. Heute hatte meine Tante eine Überraschung für mich, auf die ich mich schon den ganzen Tag wie verrückt freute. Ich wollte ihr die Überraschung entlocken, aber sie behielt es die ganze Zeit für sich. Also konnte ich nur eines tun: warten, bis ich endlich zuhause war. In der Straßenbahn war nicht viel los.

Fast niemand hatte in der vierten Stunde aus, weshalb sie so leer war. Es war komisch mit der Straßenbahn zu fahren. Die letzten Tage hatte ich sie nur in der Früh benutzt. Nach der Schule hatte mich Linda oder so wie gestern meine Tante abgeholt.

Auch Adrians Anwesenheit war wieder neu für mich.

Ich hatte ihn in letzter Zeit ziemlich vernachlässigt was ich aber jetzt wieder gut machen wollte. Wir hatten jetzt zwei Wochen Ferien und in diesen Ferien wollte ich viel mit Adrian unternehmen. Ich massierte meinen Nacken, der seit einigen Tagen wehtat und sah aus der Straßenbahn. «Jetzt zwei Wochen frei, Kim.» Adrian holte mich in die Realität zurück und ich sah ihn an. «Yes.», ich strahlte ihn an und stieß ihn leicht, «Bekomme ich kein Lächeln?»

Ich machte einen Schmollmund und er grinste mich an. «Wirst du heute etwas mit Linda oder deiner Tante machen?», fragte er mich, nach einiger Zeit der Stille. «Mit meiner Tante. Aber erst um zwei. Davor muss ich zum Frauenarzt.» Ich machte eine Grimasse und Adrian lachte. «Na dann viel Spaß.» Ich sah ihn böse an. «Danke. Was hast du heute vor?» Adrian überlegte. «Ich werde … nichts tun. Relaxen, chillen. Nichts machen.» , sagte er und ich verhob mir ein Lachen. «Deine Angestellten herumkommandieren hast du vergessen.»

Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. «Genau. Ich werde Mister Kuwak heute ins Schwitzen bringen. Magda wird das Kochen vergehen und meine Mutter wird, wenn sie nachhause kommt, eine schöne Überraschung vorfinden.» Ich sah ihn fragend an. «Ich glaube kaum, dass es ihr gefallen wird.», murmelte ich.

«Oder ich werde alle lassen und chillen.»

Ich kicherte.

«Na dann viel Spaß.», machte ich Adrian nach und er zwickte mich leicht. «Hast du mich gerade nachgemacht?» Ich zuckte mit den Schultern. «Vielleicht.» Ich stand schnell auf und drückte den roten Stopp-Knopf. «Eines Tages werden wir wegen der ganzen Herumalberei unsere Haltestelle verpassen.», sagte ich. Wir stiegen aus und verabschiedeten uns mit einer Umarmung.

«Man sieht sich, Kim. Wenn ich fertig mit dem Chillen bin, komme ich zu dir.» Ich nickte. «Ich warte.» Ich drehte mich um und ging zu mir. Meine Tante hatte heute wieder gekocht, dass ich schon richtig vermisst hatte. Gestern hatten wir es vorgezogen in ein Restaurant zu essen. Nicht in das, wo meine Tante arbeitete, sondern in irgendeine Imbissbude, wo ich mir einen Hotdog gegönnt hatte. «Hallo Tante.», schrie ich und ging in die Küche.

Mir stieg sofort das Essen in die Nase und ich küsste ihre Wange. «Was hast du gekocht?» Ich öffnete den Backofen, wo es noch besser roch und lächelte. «Brokkoliauflauf.», quiekte ich und deckte den Tisch. «Das hatten wir schon lange nicht mehr.», sagte sie und ich nickte. «Bei Adrian wird nur Essen serviert das nach Luxus schreit. Außer Samstag, wo ich eine Nudelsuppe bekam.» Meine Tante stellte den Auflauf auf den Tisch und schaltete den Backofen aus. «Tomatensalat gab es auch schon eine Zeit lang nicht mehr.», meine Tante brachte den Salat und ich versuchte nicht laut aufzuschreien. Wie sehr hatte ich ihn vermisst. «Guten Appetit, Tante. Es sieht so gut aus.» Meine Tante wünschte mir auch einen guten Appetit und wir fingen an zu essen.

 

 

****

«Einen Bluttest werde ich nächsten Monat machen, Kim. Heute fehlt uns die Zeit.» Ich nickte und zog mir hastig die Jacke an. «Ja geht klar.», murmelte ich. «Das ist nur um zu testen, ob Sie irgendwelche Krankheiten haben. Reine Vorsichtsmaßnahme.» Wieder nickte ich mit dem Kopf. «Nächsten Monat am 24. Wieder Freitag oder?» Mein Frauenarzt sah auf den Kalender und dann in seinen Terminkalender. «Dieses Mal ist es Anfang der Woche. Am 20. Um halb acht Uhr in der Früh?»
«Okay. Ist auch in Ordnung. Auf Wiedersehen, Dr. Mellmer.» Er drückte meine Hand. «Auf Wiedersehen, Kimberly.» Ich öffnete die Tür und zog sofort mein Handy aus der Tasche.

 

Hat ein wenig länger gedauert. Komme jetzt hinaus.
Kim

 

Ich schickte die Nachricht an meine Tante, die seit einer Viertelstunde vor dem Arzt auf mich wartete. Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal und war in weniger als zwei Minuten unten und stieg in den Wagen – einen Audi A6 – ein. Ich küsste ihre Wange. «Alles tip top.», sagte ich.

«Da sind wir aber froh.»

Erschrocken drehte ich mich um und sah Adrian, der mich amüsiert angrinste. «Was machst du hier?» Ich sah zwischen meiner Tante und Adrian hin und her und wartete auf eine Antwort, die von meiner Tante kam. «Ich dachte mir, dass du ihn heute gerne bei dir hättest. Ich wollte in die Therme gehen, eine Massage wartet auf uns und wir lassen es uns heute gut gehen.» Ich grinste meine Tante an. «Ist die Massage wegen meinen Nacken?»

Sie nickte und ich umarmte sie, so gut es in dem Wagen ging. «Danke, danke, danke.» Ich strahlte beide an. «So jetzt bringen wir Adrian nachhause und dann können wir losfahren.» Ich drehte mich zu Adrian um. «Du willst mich loswerden?» Ich kicherte. «Nein, natürlich nicht. Fahr los, Tante.» Meine Tante lachte und fuhr los Richtung Therme. Als meine Tante uns den Eintritt bezahlt hatte, suchten wir sofort einen geeigneten Platz für uns. Adrian nörgelte auch nicht, als wir einen Platz fanden, der nicht ganz seinem Geschmack entsprach.

Wir gingen sofort in das heiße Wasser und schwammen umher. «Das ist um einiges besser, als das Donauwasser!», flüsterte ich zu Adrian. «Das ist auch warm.», konterte er. Um halb sechs Uhr hatten wir unsere Massage. Wir schafften es sogar, dass Adrian auch teilnahm. Oben ohne sah so toll an ihm aus. Seine Bauchmuskeln waren der Hammer. Untenherum hatte Adrian ein Badetuch, das in einem wunderschönen pfirsichfarbenen Ton war. Ich freute mich schon riesig auf die Massage, vielleicht konnte sie meinen Nacken in Ordnung bringen?

Meine Tante hatte die beste Überraschung. Wer hätte gedacht, dass wir heute in eine Therme gingen, eine Massage bekommen würden und in eine Sauna gingen? Es war fantastisch und ich war froh, dass meine Tante und ich Zeit miteinander verbrachten.

Auch wenn Adrian hier war.

Wäre Linda noch hier gewesen, wäre es ein Traum. Alle die ich liebte, wären hier. Aber Tante Maddy und Adrian reichten mir auch. Ich war vollkommen glücklich… Nach der dreißigminütigen Massage lagen wir noch ein wenig auf unserer Liege, bevor wir aufbrechen wollten um in ein Restaurant zu gehen. Ich entspannte mich und lächelte vor mich hin. Die Schmerzen waren weg.

Anscheinend hatte ich verklemmt geschlafen, aber es war mir jetzt egal, denn sie waren weg. «In welches Restaurant gehen wir?», fragte ich und hob meinen Oberkörper, damit ich meine Tante sehen konnte. «Zu einem Italiener, Mäuschen.», antwortete sie. Ich sah Adrian an, der lässig auf der Liege lag und ein Magazin über Autos las. «Adrian», ich strich mir ein Haar aus dem Gesicht, «gehst du mit zum Italiener?» Er sah vom Magazin auf. «Geht klar. Ich lade euch zwei ein.» Meine Tante und ich wechselten einen Blick. «Das ist nicht nötig, Adrian.»

Dieser jedoch ließ sich nicht davon abbringen. «Ihr habt diesen Aufenthalt bezahlt. Lasst mich das Essen bezahlen.» Wir gaben uns geschlagen. Das würde nur in einer Diskussion enden, die wir alle irgendwie vermeiden wollten. Um halb sieben zogen wir uns an und fuhren zum Italiener.

Die ganze Fahrt hatte ich mit Adrian herumgealbert und gelacht.

Meine Tante hatte uns ein paar Mal kurz beobachtet und den Kopf lachend geschüttelt. «Aussteigen. Wir sind hier.» Adrian und ich stiegen beide rasch aus und sahen uns wieder an.

«Ich war der erste.», schrie ich zu ihm, doch er schüttelte lachend den Kopf.

«Träum weiter.»

«Ich war schneller!», ich grinste Adrian an. «Träum lieber du weiter.», fügte ich hinzu und Adrian gab sich geschlagen. «Jetzt vielleicht. Schauen wir lieber, wer als erstes dann wieder aussteigt.» Ich nickte. «Wetten das bin ich?» Adrian grinste besserwisserisch und ging vor zu meiner Tante, die schon weitergegangen war. «Können Sie mich bitte danach nachhause fahren?» Meine Tante nickte, während ich den beiden dumm nachsah. Er hatte mich gerade hintergangen! Das war ja so was von unfair!

 

 

****

«Das Essen war gut.», ich rieb meinen Bauch, «Aber ich hätte den Nachtisch auslassen sollen. Ich fühle mich vollgestopft.» Adrian lachte. «Das nimmt mich kein Wunder, Kim. Vorspeise, großer Hauptgang und dann noch einen Nachtisch.» Ich streckte ihm die Zunge raus. «Du solltest mich trösten!» Adrian legte einen Arm um mich. «Tut mir leid, dass du ein kleiner verfressener Engel bist.» Ich sah ihn aus einer Mischung von süß und böse an.

«Danke und danke.» Das zweite Danke betonte ich extra ein wenig sauer.

«Sorry.»

Er zwickte leicht meine Wange und lächelte mich an. «Ich verzeihe dir.» Tante Madeleine sperrte das Auto auf und wir stiegen ein. Ich kuschelte mich an Adrian und wünschte mir, dass ich nicht so viel gegessen hätte. Ich fühlte mich wie damals, als meine Tante gekocht hatte, ich aber schon was gegessen hatte und dennoch Tantes Essen gegessen hatte. Ich hatte mich wie eine dicke Kugel gefühlt, die gerade sterben würde. Das Auto war schneller bei Adrian angekommen als mir lieb war und wir mussten uns verabschieden. «Ich komme morgen einen Sprung vorbei.», verabschiedete er sich von mir und ich lächelte. «Ich hoffe es.», flüsterte ich. «Vielen Dank, dass Sie mich mitgenommen haben.»

Meine Tante winkte ab.

«Ich danke dir für das Essen.»

Adrian lächelte nur und schloss die Autotür. Als er das Tor für seine Villa öffnete, fuhren wir weg. Im Auto herrschte Ruhe, meine Tante konzentrierte sich aufs Fahren und ich mich auf die Gegend, die ich nur vage wahrnahm. Es war ein wundervoller Nachmittag gewesen. Wer hätte gedacht, dass dieser Tag so werden würde? So unglaublich klasse. Wir waren nach einigen Minuten bei uns angekommen und wir gingen ins Wohnzimmer, wo wir irgendeine Doku sahen, die mich nicht interessierte. Da meine Tante kaum fernsah, ließ ich ihr die Freude eine Tierdokumentation zu sehen. Ich würde zwar hier bleiben, aber mit Adrian schreiben. Ich fragte mich, was er wohl tat und holte deswegen mein Handy heraus.

 

Hab mich gerade gefragt was du machst. Muss mit meiner Tante eine Tierdokumentation ansehen und hoffe es zu überleben…
Kim

 

Ich schickte sie ab und sah zum Fernseher, wo ein Löwe gerade einer Gazelle nachjagte. Schlussendlich war der Löwe schneller und zerfleischte die Gazelle, wobei ich einen Schrei unterdrückte. Warum interessierte es Menschen, solche Filme zu schauen? Die waren grausam und … eklig. Ich verzog das Gesicht und sah sofort weg, doch ich hörte den Löwen brüllen und wie er die Beute zerfetzte. Ich schauderte und beobachtete meine Tante, die wie gespannt den Fernseher ansah. «Möchtest du was anderes sehen?», sie drehte sich zu mir und ich fühlte mich ertappt. «Eh, nein. Passt gut. Ich muss es ja nicht sehen.» Ich versuchte mir ein Lächeln abzuringen. «Bist du dir sicher?» Ich nickte und sie widmete sich wieder dem Löwen und der – jetzt toten – Gazelle. Just in dem Moment kam eine neue Nachricht.

 

Liege auf der Couch und sehe mir keine Tierdokumentation an. Bin gerade fleißig am Zocken.
Adrian

 

Adrian zockte? Das klang so komisch und ungewohnt. Trotzdem brachte diese Erkenntnis meinen Mund zum Lächeln. Wer hätte gedacht, dass Adrian auch zockte. Ich hatte immer gedacht, dass er nie spielte und ich zermalmte mir das Gehirn, was er denn spielte. Ich tippte auf ‚Nachricht senden‘ und schrieb zurück.

 

Du schreibst mir, obwohl du zockst? Süß.
Kim

 

Die Antwort kam zwei Minuten später und ich musste schmunzeln. Er schrieb mir, obwohl er ein Spiel spielte.

 

Kannst ja kommen und mitspielen? Bei FIFA kann man nicht viel falsch machen.
Adrian

 

Ich stand auf und meine Tante sah mich fragend an. «Ich gehe zu Adrian eine Runde zocken.», sagte ich kichernd und sie wünschte mir viel Spaß. Ich zog mir eine Jacke und Schuhe an und ging los, während ich Adrian schrieb.

 

Bin auf dem Weg zu dir. Du musst mir FIFA aber beibringen.
Kim

 

Noch nie hatte ich gezockt, dennoch wollte ich es mit Adrian tun. Es würde gewiss eine Menge Spaß machen, das wusste ich. Mit Adrian machte vieles Spaß und ich freute mich immer darauf mit ihm was zu unternehmen. Den Weg zu Adrian kannte ich schon auswendig und ich kam in zehn Minuten bei ihm an. Ich drückte auf den Knopf, der Mister Kuwak aufmerksam machte, dass ein Besucher vor dem Tor wartete. Den Knopf hatte ich nur ein einziges Mal benötigt: als ich das erste Mal da war. Sonst kam ich immer mit Adrian oder Mister Kuwak sah mich schon vorher.

Ich sah, wie die Tür geöffnet wurde und Mister Kuwak mich anlächelte. «Sie wollen bestimmt zu Herr Adrian.» Ich erwiderte sein Lächeln. «Ja, er hat mich zum Zocken eingeladen.», antwortete ich und er ließ mich rein. «Das klingt … interessant.» Ich kicherte.

«Ich habe keine Ahnung von dem Spiel, aber ich dachte mir, dass ich es mal probieren sollte.» Mister Kuwak geleitete mich ins Haus und fragte noch nach, ob ich etwas haben möchte. «Sie könnten uns in einer Viertelstunde Cola mit Eiswürfeln und eine Packung Chips bringen? Aber nur zwei Eiswürfeln, sonst macht der Meister einen Aufstand.»

Kuwak lächelte und sagte mir, dass er pünktlich sein würde. Ich rannte nach dem Gespräch mit Juliano zu Adrian, der aber nicht in seinem Zimmer war. Adrian hatte mir einmal die Villa gezeigt und wusste, dass es ein Spielzimmer gab. Doch in welchem Stock? Den ersten, den zweiten oder im Keller? Ich suchte in meinem Kopf alle Erinnerungen und ging hinunter in den ersten Stock. Ich glaubte, dass es neben der Bibliothek war, war mir aber nicht sicher.

Mit viel Glück öffnete ich eine Tür und lächelte, als Adrian auf einem Sofa lag, einen Controller in der Hand und ganz vertieft in seinem Spiel war. Er hatte nicht mal bemerkt, dass ich hereinkam. Also nutzte ich die Gelegenheit und schlich mich an. Ich kroch hinter das Sofa und stand auf. Ich bückte mich leicht vor und flüsterte ein ‚Guten Tag, Mr. DiMonti‘ in Adrians Ohr. Adrian erschrak leicht und ich lachte. «Du hast mich erschreckt, Kim. Setz dich zu mir.» Ich ließ mich übers Sofa fallen und landete halb auf Adrian. «Ich habe heute eine Gazelle sterben sehen.», ich verzog das Gesicht,

«Das war widerlich.» Ich wollte meinen Kopf von Adrians Beinen nehmen, doch er hielt mich fest und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. «Mein kleiner Angsthase. Lass uns eine Runde spielen.» Adrian hielt mir einen Controller hin und wir fingen an zu spielen.

 

 

****

«Ich schlage mich doch gut?» Ich stopfte mir Chips in den Mund und sah Adrian fragend an. «Für ein Mädchen? Ja.» Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. «Möchtest du auch?», ich nahm eine Hand voll Chips und hielt sie ihm unter die Nase. «Nein, danke.», lehnte er ab, doch ich ließ sie solange, bis er den Mund öffnete. «Dann musst du mich füttern.» Ich kicherte und tat was er mir auftrug. «Vielleicht noch ein Schluck Cola?» Ich nahm das Cola und ließ ihn einen Schluck nehmen. «Warum muss das so heiß und sexy sein?», fragte Adrian und fütterte mich mit Chips.

«Heiß und sexy?», ich gab ihm heiß und sexy. Ich nahm seine ganze Hand und aß die Chips schnell auf. «Du hast alles ruiniert.» Ich grinste. «Sorry.» Adrian beugte sich vor und wischte mir einen Chipsbrösel weg. «Du kannst essen wie ein Schwein.» Ich ignorierte diesen Satz und kuschelte mich an Adrian. «Der Tag heute war schön.», flüsterte ich und Adrian nickte. «Ja, da muss ich dir Recht geben.» Ich sah hoch zu Adrian, der mich angrinste. Ich erwiderte es und nahm wieder den Controller zur Hand. «Noch einmal.» Ich gab Adrian den Controller und wir spielten es noch einmal.

 

 

«Ich habe keine Ahnung.», ich musterte Adrian, «Hast du vielleicht eine?» Adrian lachte. «Nein ich habe auch keine Ahnung.» Wir lagen im Spielzimmer auf der Couch, der Fernseher ausgeschaltet, die Play Station 3 verstaut. «Das gibt es doch nicht.», murmelte ich. Wir überlegten schon die ganze Zeit, wie unsere Mitschüler hießen. «Also», fing ich wieder an, «wir kennen Mandy, Ulrich. Einer heißt George, glaube ich zumindest. Juliana, Petra, Norbert. Und sonst kenne ich keinen…»

«Sechs von», er zählte im Kopf nach, «dreiundzwanzig. Wir sind gut.»

Ich musste kichern.

«Streng deinen Kopf an! Du hattest mit ihnen mehr zu tun wie ich.» Adrian runzelte die Stirn.

«Maik, Sandro, Jasmin und Sabine. Und nicht vergessen, das Mädchen neben dem ich am Anfang sitzen musste.» Nun fing ich an zu lachen. «Oh ja genau. Georgia! Das einzige Mädchen das schlimmer ist als ich.» Wir beide fingen an zu lachen. «Weißt du was ich in diesem Moment gedacht hatte?», fragte mich Adrian. Ich sah ihn fragend an. «Warum in alles in der Welt musste die Professorin Georgia und nicht dich wählen. Du warst die einzige von den ganzen Schülern, die mich nicht beachtet hatte.»

«Ich war damit beschäftigt deinen Körper in meinem Kopf anzusehen. Ich fand dich ziemlich attraktiv.» Adrian grinste mich an.

«Das werde ich mir merken, Kim.», Adrian stand vom Sofa auf und nahm meine Hand.

«Ich habe Lust auf ein Cola.»

Wann hatte er das nicht?

«Trinkst du eigentlich normales Leitungswasser oder … reiches, besseres Wasser?»

Adrian schien meine Frage amüsant zu finden. «Ich trinke Voss Wasser oder Bling. Die Flasche besteht aus Swarovski-Steinchen.» Unten angekommen schenkte uns Adrian Cola in unsere Gläser und gab jeweils zwei Eiswürfel dazu. «Um neun ist Mister Kuwak in seinem Schlafabteil im Dachboden. Dort hat er ein Zimmer, ein Bad, Klo und ein Wohnzimmer mit kleiner Küche. Dort schläft auch Magda.» Ich nahm das Glas in die Hand. «Sind die beiden … zusammen?» Adrian lachte. «Wäre das so schlimm?» Ich schüttelte den Kopf. «Also sind sie es?», ich zog eine Augenbraue hoch. «Soweit ich weiß nicht. Vielleicht befriedigen sie gegenseitig ihre Bedürfnisse. Keine Ahnung, Kim.»

Ich trank das Cola und stellte es dann wieder ab. Adrian sah mich mit großen Augen an, da ich so schnell alles ausgetrunken hatte. «Hast du noch Durst?», fragte er und ich sagte, dass ich keinen mehr hatte. Oben in seinem Zimmer angekommen, setzten wir uns auf sein Bett und fingen an zu besprechen, was mir morgen alles so machen wollten. «Du baust mir ein Schloss und ich esse Kekse.» Adrian lachte. «Ich mache die Arbeit und du hast Spaß?»

Ich nickte und er schüttelte nur lachend den Kopf. «Wir gehen in den Park picknicken. Halb so viel Spaß aber da haben wir beide was davon.», versuchte ich es und Adrian dachte nach. «In der Fußgängerzone. Vor dem Einkaufszentrum.»

Ich kicherte. «Das würde ich gerne sehen.» Zwei Verrückte die vor dem Einkaufszentrum picknickten. Doch die Idee gefiel mir. Etwas Verrücktes wollte ich schon immer mal machen. «Machen wir, wenn das Wetter mitspielt. Morgen gehen wir ins Donauzentrum. Um zwei vor dem Einkaufszentrum? Bringe nur dich mit.» Ich verdrehte die Augen. «Dann hätten wir das geklärt. Und die restlichen zwei Wochen Ferien?», ich spielte mit meinen Fingernägel und sah mir meine French Maniküre an, die erstaunlicherweise noch gut aussah. «Das überlegen wir uns noch.», sagte er. In dem Moment klingelte mein Handy. Eine Nachricht. Von meiner Tante.

 

Wann kommst du heim, Kim? Oder übernachtest du bei Adrian?
Tante Maddy

 

Uups, das hatte ich glatt vergessen. Meine Tante war ja zuhause. Jetzt war sie mal zuhause, aber ich nicht. Ich stand vom Bett auf und zog meine Jacke an. Die Schuhe hatte ich unten gelassen. «Ich muss gehen. Meine Tante macht sich Sorgen.» Adrian begleitete mich hinunter. «Es ist erst zehn. Willst du wirklich schon gehen?» Ich nickte. «Muss ich. Meine Tante will sicher nicht, wenn ich die ganze Zeit bei dir bin.» Ich zog meine Schuhe, umarmte ihn kurz und schrieb meiner Tante zurück.

 

Bin schon auf dem Weg nachhause. In zehn Minuten bin ich da.
Kim

 

Ich öffnete die Tür. «Bis morgen.», ich kuschelte mich in meine Jacke. «Ich lasse dich nicht alleine nachhause gehen.» Er legte einen Arm um mich und gemeinsam gingen wir los, während ich wieder eine Nachricht bekam.

 

Du hättest jetzt nicht gleich losspringen müssen, Mäuschen. Hättest ruhig noch eine Weile bei Adrian bleiben können.
Tante Maddy

 

Meine Antwort kam sofort.

 

Egal. Ich freue mich auf eine Couch, einer Tante neben mir und einen guten Film.
Kim

 

«Du schreibst deiner Tante?», Adrian sah hinunter zu mir, ein Lächeln auf dem Gesicht. Ja, ich habe nur gesagt, dass ich mich auf die Couch und einen guten Film freue.», ich grinste. Adrian und ich bogen ab und gingen der Straße entlang. Eines der letzten Häuser war meines und als ich es erblickte gingen meine Beine ein wenig schneller. Ich hasste es nach zehn nachhause zu gehen. Deshalb blieb ich meistens bei Adrian. «Du könntest dir Whatsapp herunterladen. Kostenlos Nachrichte verschicken und es ist das erste Jahr gratis. Die restlichen Jahre kosten nicht viel.», fing er plötzlich an und sah Adrian an.

«Mal schauen. Wo werde ich es finden?» Adrian sagte mir, dass ich das im Play Store oder bei den Samsung Apps finden würde. Ob ich es hinunterladen werde, wusste ich nicht. Doch wenn Adrian Recht hatte und es war kostenlos oder kostete nicht viel, dann könnte ich es vielleicht doch tun. Ich ging noch ein wenig schneller «Du willst schnell zuhause sein.», stellte er fest und ich lächelte entschuldigend. «Ich mag es nur nicht, so spät noch unterwegs zu sein. Das einzige gute daran ist, dass du hier bist.» Wir blieben vor unserer Haustür stehen. Ich wollte ihn fragen, ob er mit herein gehen wollte, wusste aber nicht, ob er das mochte.

«So.», sagte ich. «So.», machte Adrian und lehnte sich an die Wand. «Wieso klaust du mir mein ‚So‘», ich schmunzelte. «Warum machst du ‚So‘?»

Ich ging einen Schritt zu Adrian. «Keine Ahnung. Ich wusste nicht, ob ich dich hereinbeten sollte.» Adrian lachte. «Ich nehme dir die Entscheidung ab, Kim.» Er küsste meine Stirn und ging weg, doch ich hielt ihn auf. «Willst du in mein Haus gehen?», flüsterte ich und Adrian grinste. «Wenn ich einschlafe ist es deine Schuld.» Ich nahm seine Hand und gemeinsam gingen wir hinein. Meine Tante saß auf dem Wohnzimmerstuhl, eine Tasse Tee in der Hand und Gebäck auf der Lehne des Stuhles. «Hallo Mäuschen.», begrüßte sie mich, dann sah sie Adrian und sie fügte hinzu: «Hallo Adrian.»

«Guten Abend.», grüßte Adrian sie und ich nickte meiner Tante zu. «Was kommt heute im Fernseher?» Tante Maddy zippte im Programm umher. «Auf ProSieben kommt Dreizehn. Irgendein Thriller. Auf Sat1 kommt Criminal Minds, ein Krimi. Nur Schwachsinn, Kim. Haben wir einen guten DVD da?» Ich strahlte meine Tante an. «Massenweiß.» Ich hüpfte auf mein Zimmer und nahm fünf DVDs mit. Die Wahl fiel auf Big Mamas Haus und wir machten es uns gemütlich. «Ich glaube du wirst hier übernachten.», flüsterte ich zu Adrian, der nickte und sich dem Film widmete.

 

 

****

Um halb zwölf war der Film fertig. Adrian hatte einen Arm und ein Bein um mich geschlungen und schlief. Wenn ich hätte raten müssen, wer als erster von uns einschlief, war Adrian der letzte gewesen. Doch wie er so da lag, die Augen geschlossen, halb auf mir, war einfach nur niedlich. «Kommst du wieder hinaus?», flüsterte meine Tante und ich schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht, Tante. Kannst du mir meine Bettdecke bringen?» Meine Tante verschwand, um mir die Decke zu holen und legte sie um uns.

«Ihr zwei ergänzt euch perfekt, Kim.»

Ich sah Adrian wieder an. Was ich alles mit ihm erlebt hatte. Ich hatte ihn bis jetzt immer für einen Freund gehalten. Wollte er überhaupt mehr? Und wollte ich es? Ich schüttelte den Gedanken ab, daran wollte ich jetzt nicht denken.

«Schlaf gut, Tante.» Meine Tante gab mir einen Kuss. «Schlafe auch gut.» Sie schaltete das Licht aus und ging hoch in ihr Zimmer. Ich drehte mich leicht zu Adrian um und berührte leicht seine Wange. Er war so vollkommen, so sexy und einfach nur hinreißend. Hegte ich für Adrian mehr als Freundschaft? Wollte ich mehr? Klar, wenn er mich am Hals küsste, wollte ich gewiss mehr, aber wollte ich jetzt mehr? Ich wusste es nicht. Adrian machte mich glücklich, ich war gerne in seiner Nähe. Er war immer für mich da, ich hatte meinen Spaß mit ihm.

Doch liebte ich Adrian? Liebte ich Adrian aufrichtig? Bis jetzt hatte ich noch nie über dieses Thema gesprochen oder je darüber nachgedacht. Und das wollte ich nicht. Ich beugte mich zu Adrian und küsste seine Wange.

«Schlaf gut, Adrian.»

Ich schloss meine Augen und versuchte zu schlafen, doch meine Gedanken kreisten immer noch umher und ließen mich nicht in Ruhe. So sehr ich sie auch verdrängen wollte, es gelang mir nicht und ich schlief es nicht ein. Immer wenn ich nicht schlafen konnte, hatte mir meine Mutter ein Glas Wasser gebracht und mir leise gesagt, dass mit Wasser mein Kopf klarer wurde. Danach war ich eingeschlafen. Ich schlüpfte aus der Decke und versuchte Adrian nicht zu wecken.

Dann kroch ich auf allen Vieren zur Küche und holte mir ein Glas, das ich mit Wasser füllte. «Danke Mum.», flüsterte ich und hielt das Glas mit Wasser hoch. Dank ihr, konnte ich immer einschlafen, wenn mein Kopf mich nicht ließ. Ich stellte das leere Glas in das Waschbecken und schlich zu Adrian. Der allerdings war nicht mehr da, wo er sein sollte.

«Adrian?», ich untersuchte die Decke, fand jedoch keinen Adrian.

«Adrian!», meine Stimme wurde lauter und verzweifelter.

Wohin war er gegangen? Ging er nachhause … oder zu mir. Auf mein Zimmer. Hatte er gedacht, dass ich oben schlief? Ich schaltete das Licht ein und ging zur Treppe, wo ich rasch auf mein Zimmer ging. Keine Spur. Ich sprintete ins Bad. Keine Spur. Das Klo war nicht verschlossen, also war auch hier kein Adrian. Langsam verließ mich der Mut. War er ernsthaft nachhause gegangen? Vielleicht war er bei meiner Tante. Komisch, aber möglich. Aber auch hier war kein Adrian.

«Adrian!», schrie ich und öffnete das Gästezimmer.

Meine einzige Hoffnung. In einer Bettdecke eingehüllt schlief er dort auf dem Boden. Ein Stein fiel mir vom Herzen. «Wie kannst du mich so erschrecken?!», ich kniete mich zu Adrian, der mich müde ansah. «Was ist denn?»

Ich stutzte.

«Was ist? Du hast neben mir gepennt und dann warst du weg.» Adrian rieb sich die Augen. «Wo bin ich denn?»

«Im Gästezimmer. Hast du … hast du schlafgewandelt?», fragte ich. Ich drückte Adrian zu mir. «Haben wir nicht einen Film angesehen?» Ich nickte. «Ja, aber du bist eingeschlafen. Und irgendwie bist du hierhin schlafgewandelt.» Adrian sah mich verwirrt an. «Kann ich weiterschlafen? Ich bin müde.»

«Natürlich. Komm mit.» Ich brachte Adrian in mein Zimmer und holte die Bettdecke von unten. Als ich oben ankam, war Adrian schon wieder tief und fest am Schlafen. Ich deckte ihn zu und versuchte meinen Atem zu beruhigen. Ich hatte echt Angst gehabt, dass er einfach so gegangen war. Doch das tat Adrian nicht. Er war nicht einer der einfach so ging.

Vielleicht bei anderen – aber bei mir? Nein. Das würde er nicht tun. «Du könntest dich zu mir kuscheln.», Adrian sah mich – immer noch schlafgetrunken – an und ich nickte. «Ja.» Ich kuschelte mich zu ihm. «Ich bleibe hier. Immer, Kim.», flüsterte er und erwärmte somit mein Herz. Was ging mit meinen Gefühlen Rund. «Gut. Das solltest du auch.», sagte ich leise, «Und jetzt schlafe.» Ich schloss die Augen und driftete in eine Welt der Träume ab.

 

 

Kapitel 14 – Sonntag, 28. April 2013

Meine Laune war schon heute in der Früh gut gewesen. Ich nahm in der Küche mein Frühstück ein und dann ging ich unter der Dusche.

Gestern hatte ich mit Adrian wirklich Spaß gehabt. Wir sahen den ganzen Tag Filme an, lachten und meine Gefühle fuhren Achterbahn. Es gab Momente, da wollte ich seine Lippen berühren. Es hatte mir Angst gemacht. Warum wollte ich das auf einmal?

Da ich nicht genau wusste, was ich heute tun sollte, ging ich nach unten ins Wohnzimmer. Da fiel mir Kevin ein, den ich anrufen hätte sollen. Und warum nicht jetzt? Ich hatte gesagt, dass ich mich irgendwann meldete. Obwohl… Es war heute Sonntag. Was konnten wir schon großartig tun?

Doch der Drang etwas mit ihm zu unternehmen war groß. Ich wollte nicht die ganze Zeit an Adrian denken, und da war doch eine Ablenkung gut? Aber ob er heute – an einem Sonntag? – Zeit hatte, war doch fraglich. Trotzdem nahm ich mein Handy und tippte eine Nachricht. Vielleicht war ihm auch langweilig?

 

Hey Kevin. Sorry, dass ich mich lange nicht gemeldet hatte. Ich hoffe, du bist mir nicht sauer. Habe gerade an dich gedacht.
Kim

 

Ich schickte sie ab und fragte mich, ob ich das richtige getan hatte? Oder war es falsch? Jetzt war es schon zu spät, außer er schrieb nicht zurück, doch das tat er, denn ich bekam just in dem Moment eine Nachricht.

 

Hey Kim. Freut mich, dass du mir geschrieben hast. Ich denke ständig an dieses Mädchen, das mich angerannt hat. Hast du heute schon was vor?
Kevin

 

Ich lächelte und fand Kevin noch ein wenig sympathischer. Ich überlegte mir, ob ich ihm jetzt zu- oder absagen sollte. Kevin schien mir nett zu sein und was sprach schon dagegen? Also schrieb ich ihm.

 

Nein, habe ich nicht. Willst du was mit mir tun?
Kim

 

Die Antwort kam schnell und mit einem Lächeln öffnete ich sie.

 

Klar. Ich komme dich abholen. Adresse?
Kevin

 

Ich schickte ihm meine Adresse und er schrieb zurück, dass er in einer Stunde da wäre. Wie der Wind eilte ich in mein Zimmer und sah mich nach schönen Kleidern um. Ich entschied mich für ein hellgelbes, enganliegendes Kleid, dass meine Figur vorteilhaft betonte und mir fast bis zum Knie ging. Dazu Pumps und eine weiße Perlenkette mit den passenden Ohrringen. Meine Haare kämmte ich und machte mir einen holländischen Zopf. Bei meinen Augen machte ich einen dicken Lidstrich und lange Wimpern dazu. Meine Lippen wurden zart rosa. Im Spiegel sah ich, dass das Ergebnis genau das war, das ich erhofft hatte. Ich sah sexy aus, aber nicht wie eine XXL Tussi.

Das ganze hatte fast eine Stunde gebraucht und ich suchte schnell eine kleine Tasche, die ich nach einigen Minuten fand. Ich verstaute alles Wichtige und schon klingelte es. Als ich hinunterging, stellte ich fest, dass das mein erstes Date seit zwei Jahren war. Und da wurde ich richtig nervös. Ich hoffte nur, dass ich mich nicht blamierte und öffnete die Tür. Kevin hatte sich ebenfalls herausgeputzt und sah toll aus. Leider konnte ich wieder nicht anders, als ihn mit Adrian zu vergleichen.

Und da sah Kevin einfach nur blass aus. «Hey Kim.», begrüßte er mich und ich begrüßte ihn auch. Er küsste meine Wange und brachte mich zu seinem Auto, das nicht im Geringsten so aussah wie Adrians. Mist! Was tat den ich da?! Ich checkte jetzt sogar die Autos ab… Kevin öffnete mir die Tür und ich stieg dankend ein. Kevin verriet mir bei der Autofahrt nicht wohin wir gingen und so konnte ich still und leise vor mich hingrübeln. Wir hielten einige Meter vor dem Park und schließlich bemerkte ich, dass Kevin hinten einen riesigen Korb verstaut hatte.

«Wir gehen picknicken?», fragte ich und bekam ein schüchternes Lächeln, das so völlig anders war, als Adrians. Doch es gefiel mir.

«Also gefällt es dir?»

Meine Augen weiteten sich und ich sah Kevin an. Der hatte jedoch nichts gesagt und auch die Stimme war nicht seine. Es war Adrian, der mich das schon Mal gefragt hatte. Beim Donauturm hatte er mir diese Frage gestellt, als ich die Aussicht auf Wien genossen hatte. Ich schüttelte alle Gedanken von Adrian ab und hakte mich bei Kevin unter. «Das ist lieb von dir.», sagte ich und Kevin lächelte.

«Schön, dass du so begeistert bist.» Ich erwiderte das Lächeln und nahm die Decke, die ich ausbreitete. Wir waren weit genug von den anderen Menschen entfernt und konnten somit lauter reden oder einfach nur lachen. Kevin stellte alles ab und ich sah von einem Teller zum nächsten. Verschiedene Sorten Obst, zwei Teller voller leckerer Sandwiches und winzigen Wraps. Daneben waren einige Saucen und Dips, Gemüse, kleine Pizzastangen, eine Schüssel Salat, Brownies und Muffins und etwas zum Trinken. «Oh mein Gott.», flüsterte ich und starrte Kevin mit offenem Mund an.

Mir lief jetzt schon das Wasser im Mund zusammen. «Das ist der Wahnsinn, Kevin.», ich drückte ihn kurz vor lauter Freude an mich und dann setzten wir uns. Kevin hatte echt ein fantastisches Picknick zubereitet. Ich war richtig sprachlos. Wir fingen an zu essen. Manchmal redeten wir und lachten. Das einzige was ich vergessen hatte, war mein Handy, denn das war noch auf laut. Peinlich, als ich dann eine Nachricht bekam. «Du kannst ruhig zurückschreiben.», sagte Kevin, «Vielleicht ist es wichtig.» Ich nickte dankend und öffnete die Nachricht. Ich würde Adrian erschlagen!

 

Möchtest du nicht zu mir kommen? Ich fühle mich schrecklich einsam…
Adrian

 

Blitzschnell schrieb ich zurück und verfluchte mich, weil ich nicht auf leise gestellt hatte. Das war einfach unfassbar.

 

Habe gerade keine Zeit. Komme später vorbei.
Kim

 

Ich schaltete das Handy auf leise und verstaute es in der Tasche. «Das hast du alles alleine gemacht?», fragte ich und sah wieder das ganze Essen an. Wie viel das doch war. «Nein, meine große Schwester hat mir geholfen. Die Brownies und Muffins haben wir schon gestern gemacht und ich habe einfach ein paar mitgehen lassen.»

«Das ist wirklich nett von ihr.», meinte ich und er nickte. «Ja, das finde ich auch. Wir stehen uns sehr nahe. Hast du Geschwister?», fragte er mich.

«Nein, ich bin ein Einzelkind.» «Und dazu kein verzogenes.» Ich kicherte. «Nein, das bin ich nicht.», ich nahm ein Sandwich in die Hand und biss ab. «Gratulation.», sagte ich, «Sie sind gut.» Kevin bedankte sich und wir redeten über die Schule. Ich erfuhr, dass Kevin schon Achtzehn Jahre war. Er war in der gleichen Oberstufe wie ich und würde dieses Jahr mit mir Matura machen.

Da ich ihn fragte, warum ich ihn nie sah, erklärte er mir, dass er nicht den Sprachabzweig genommen hatte, sondern den naturwissenschaftlichen Zweig. Das fand ich richtig interessant und er erzählte mir, was er da alles machte. Ich war richtig erstaunt und sagte ihm, dass ich das klasse fand. Wir saßen drei Stunden hier im Park, bis wir schließlich alles fertig hatten. Mein Bauch war vollgestopft und nachdem wir alles im Auto verstaut hatten, gingen wir noch spazieren.

Wir hielten weder die Hand, noch legte er einen Arm um mich. Und das war auch gut so. Beim ersten Date fand ich es noch unpassend. Ich erfuhr viel von seiner Familie. Er wuchs mit drei Geschwistern auf. Seiner großen Schwester, seinem kleinen Bruder und Kevins Zwillingsschwester. Er zeigte mir ein Foto von ihr und ich stellte fest, dass sie aussah wie er – nur die weibliche Form. Seine Eltern waren noch zusammen und sie lebten alle in einem schönen Einfamilienhaus.

Sein Vater war Grundschullehrer und die Mutter war Kellnerin in einem Café. Seine große Schwester arbeitete als Verkäuferin bei H&M. Demnächst würde ich so rein zufällig dorthin shoppen gehen. Ich hingegen erzählte ihm von meinen Eltern und das ich jetzt bei meiner Tante wohnte. Er sah mich traurig an und munterte mich auf, obwohl ich nicht so richtig traurig war. Ich würde immer Trauer darüber empfinden, aber das war so. Sie waren wichtig für mich. Meine Mutter mehr als mein Vater, den ich ja nie kennengelernt hatte. Es war drei Uhr als er mich nachhause fuhr. Das Date ging vier Stunden und ich musste zugeben, dass es gut gelaufen war.

Er brachte mich bis zur Haustür und verabschiedete sich dann. Ich war froh, dass keine Küsse getauscht wurden. «Wir sehen uns, Kim.», verabschiedete er sich. «Das werden wir.», gab ich zurück und ging hinein. Oben wechselte ich mein Kleid in eine schwarze Hose und einem weißem Kaschmirpullover. Dazu normale Sneakers und schon war ich fertig. Mein Handy schaltete ich wieder auf laut und las die Nachricht, die Adrian mir geschickt hatte, als ich es in der Tasche schmorren ließ.

 

Du hast was vor? Aufklärung bitte.
Adrian

 

Ich kicherte und schrieb.

 

Hatte gerade ein Date mit dem Jungen, den ich angerempelt hatte. War richtig schön.
Kim

 

Ich schickte ab und schmiss mich ins Bett. Das Date war echt schön gewesen. Ich war zwar nicht verliebt, aber Kevin war toll gewesen. Vielleicht gab es ja ein zweites Date? Man konnte nie wissen. Eine Nachricht brachte mich wieder zurück in die Realität.

 

Du hattest ein Date? Warum weiß ich nichts davon? Ich komme sofort zu dir.
Adrian

 

Ich schrieb ihm, dass ich zuhause war und er kommen konnte. In einer Viertelstunde war er da und wir fuhren in der Limousine zum Donauzentrum. Wir stiegen aus und gingen nun im Donauzentrum hin und her. Ich musste ihm genauestens erzählen wie es war. Ich suchte Anzeichen der Eifersucht, doch ich sah nichts. Er schien sich wahrhaftig zu freuen. Wir gingen nicht richtig shoppen, wir wollten nur ein wenig herumschlendern und reden. Doch meine Gedanken drehten sich immer wieder um Adrian, was alles geschehen war und wie ich darüber jetzt fühlte.

Vor einer Woche hatte er mich fast zum Orgasmus wegen seinem kleinen Fingerspiel gebracht und da ich jetzt wieder daran dachte, kam alles in mir hoch. Ich hatte mich gut gefühlt. Ich hatte es gewollt. Sobald ich Adrian sah, musste ich grinsen.

«Vorüber grübelst du jetzt schon wieder?» Adrian legte einen Arm um meine Taille und zog mich näher zu sich. Wieder spürte ich dieses Gefühl, dass ich vor beinahe zwei Wochen gespürt hatte: unglaubliche Geborgenheit, Sicherheit und ich war so glücklich wie schon lange nicht mehr. «Komm, wir genießen unsere Ferien nicht in Wien.»

Ich lachte und wollte protestieren, doch er redete weiter.

«Das werden die schönsten zwei Wochen deines Lebens. Mit mir.», fügte er grinsend hinzu. Und schon war es um mich geschehen. Ich wurde überredet. «Ich hoffe es für dich.», sagte ich und schlang meine Arme um seinen Hals,

«Ich gehe mit. Und bringe mich ins Paradies. Und heil zurück!» Er grinste mich von oben an und wirbelte mich umher. Ich kreischte und schrie, dass er mich runter lassen sollte. Adrian wäre aber nicht Adrian, wenn er es getan hätte.

Also kreischte ich einfach weiter. «Du überrascht mich jedes Mal aufs Neue, Kim.», sagte er, als er mich abstellte. Ich strahlte ihn an und musste wieder einmal daran denken wie sich seine Lippen wohl auf den meinen anfühlte. Und dass ich so was dachte, machte mir Angst. «Ich möchte mal wissen was du denkst.» Ich schüttelte den Kopf.

«Glaub mir, dass willst du gewiss nicht.», murmelte ich. Er legte wieder beide Hände um meine Taille und zog mich wieder an sich.

«Dann werde ich wieder das tun, was ich so gut kann: das Geld meiner Eltern verbrauchen.» Ich spürte wie sich mein Herz, wegen der Berührung beschleunigte und ich wie eine Idiotin anfing zu grinsen. Was stellte dieser Typ mit mir an? Und tief im Inneren wusste ich die Antwort. Ich hatte mich hoffnungslos verliebt. Warum musste Adrian auch so verdammt charmant sein! Ich hätte mir denken können, dass das früher oder später passierte.

Linda hatte so was von Recht gehabt. Ich hätte ihr Glauben schenken sollen. Aber ich wollte es nicht wahrhaben. Ich sah Adrian, der meinen Blick spürte und mich ebenfalls anstarrte. «Ist was?» Ich schüttelte den Kopf. Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. Ich wollte etwas anderes fühlen. Liebe gehörte aber definitiv nicht dazu. Doch ich wusste, dass ich meine Gefühle nicht abschalten konnte und so verabschiedete ich mich und lief nachhause.

 

 

****

«Was werde ich alles brauchen?» Nachdem ich nachhause gerannt war, hatte ich mich in mein Zimmer verkrochen und meine Gefühle geordnet. Aber ich hatte mich verliebt – das war so sicher wie... es war einfach sicher. Jetzt – eine Stunde später – telefonierte ich mit ihm.

«Einen super knappen Bikini. Noch lieber wäre es mir, wenn du keinen anziehen würdest. Dein Körper ist ein toller Hinblick.»

Ich verschluckte mich bei meinem Wasser. Das hatte er nicht gerade gesagt, oder?

«Klamotten, ein bisschen Geld. Nicht so viel, ich werde alles bezahlen. Das übliche Zeug. Mädchenkram. Badeutensilien. Falls du was vergisst, kaufen wir es einfach.»

Typisch Adrian.

«Okay. Ich freue mich schon.», sagte ich supergut gelaunt. «Ich mich auch.» Und dann legten wir auf, während mein Herz vor Freude sprang. Ich wartete bis mein Herz sich beruhigte und dann ging ich in die Küche. Seit dem Telefonat mit Adrian war schon über eine Stunde vergangen. Tante Maddy war in der Arbeit, hatte mir jedoch einen leckeren Kuchen gemacht.

Da ich jetzt keinen Hunger hatte, sah ich ein wenig fern. Auf ProSieben lief gerade ‚Shes the man - Voll mein Typ‘, den ich mir ansah. Es war lustig zu sehen, wie ein Mädchen in ihren Bruder schlüpfte und damit die Probleme anfingen. Nach dem Film war ich bereit für den Kuchen, weshalb ich wieder in die Küche ging. Ich holte mein Handy und öffnete Whatsapp - meine neue Errungenschaft.

 

Fühle mich seltsam einsam. Magst du mir nicht Gesellschaft leisten? Habe super leckeren Kuchen, den du sicher gerne magst, zuhause und bin bei Whatsapp :)
Kimberly Montgomery

 

Die Antwort kam rasch.

 

Ich eile wie der Wind. Nicht nur wegen dem Kuchen ;)
Adrian DiMonti

 

Mein Herz machte einen Satz. Doch dann sagte ich mir, dass Adrian so war und er nicht so fühlte wie ich. Wie deprimierend! Eine Viertelstunde später hörte ich die Glocke. Eilig sprang ich zur Tür und umarmte Adrian.

«Nicht so stürmisch. Du willst doch nicht meine neue und teure Jacke zerknittern?» Ich verdrehte meine Augen. «Oh edler Herr treten Sie ein in die warme Stube. Ich kann Ihnen leider nichts kochen, aber einen Kuchen hätte ich für Sie da.»

Adrian grinste mich an und gab mir einen Kuss auf die Stirn.

«Genau das was ich brauche. Und eine Runde Sex.» Meine Augen weiteten sich und er lachte. «Kuchen genügt auch, kleine Maus.»

Ich nickte nur, außerstande etwas zu sagen. «Adrian ich ...» «Es war nur ein Scherz, keine Bange.», sagte er mit einem Anflug von Sorge und Panik. Meine Antwort bestand nur aus einem schwachen Grinsen. Hätte er gewusst, dass ich soeben zugestimmt hätte, wäre er wahrscheinlich still gewesen.

 

 

****

«Und wie schmeckt es Ihnen, edler Herr?» Adrian stopfte sich ein Stück Kuchen in den Mund und sagte etwas Unverständliches.

«War das jetzt eine positive Antwort oder eine negative?», hakte ich nach. Er hob den Daumen für eine eins und ich grinste. «Geben Sie mir bitte Ihr Teller, lieber Herr Adrian.» Diesmal grinste er. «Vielen Dank.», sagte er so arrogant wie er zu mir niemals war. Nur bei ihm zuhause bei dem Personal oder bei manchen Menschen. Ich nahm den Teller und verräumte alles. «Wann werden wir losfahren?», fragte ich nach einer kurzen Stille. «Morgen könnten wir losfahren. In Italien haben wir ein Hotel und wir bekommen sofort ein Zimmer. Mit Meerausblick, einem Whirlpool. Alles was ein Penthouse zu bieten hat. Inklusive mir.» Er grinste mich an.

«Uh ich bekomme dich. Mir fällt sicher einiges ein, was ich mit dir machen werde.» Die Worte waren so schnell draußen, als das ich sie hätte aufhalten können. Adrian zog eine Augenbraue hoch, was so unglaublich sexy aussah, dass mein Herz sich beschleunigte. «Was würdest du denn tun?», fragte er. Seine Stimme klang verführerisch, heiß und sexy. «Shoppen, schwimmen, shoppen, shoppen, shoppen, lange Spaziergänge. So einiges, Adrian.» Er wirkte belustigt. «Und meine Bedürfnisse?», fragte er. «Die versuchen wir zu befriedigen. So gut es geht.», war meine Antwort. «Und ich bin mir sicher, dass du das alles hervorragend kannst.» Adrian grinste mich wieder an.

«Komm schauen wir einen Film.», wechselte ich das Thema und streckte meine Hand Adrian hin. Er nahm sie dankend und wir gingen auf mein Zimmer. Wir entschieden uns sofort für Scary Movie 4. «Den fünften werden wir im Kino anschauen. Und fast and furious 6 auch.» Ich musste schmunzeln. Es war schon nach elf – wir hatten viel Chips, Popcorn und Cola gehabt – als der Film fertig war. Adrian hatte einen Arm um mich, mein Kopf ruhte auf seiner Brust. «Bleib bei mir.», flüsterte ich und dämmerte weg. Die Antwort bekam ich nicht mehr mit.

 

 

****

Es war eins als ich erwachte. Adrian lag halb auf mir, doch das war es nicht was mich geweckt hatte. Es war Tante Maddy, die wahrscheinlich irgendwo angestoßen war. Ich stieg aus dem Bett, wo ich nicht mal Adrian aufweckte und ging zu meiner Tante. Sie war in ihrem Zimmer und zog die Jalousien zu. «Ich dachte, du schläfst schon.», begrüßte sie mich.

«Tu ich auch. Ich wollte fragen, ob ich mit Adrian nach Italien fahren darf? Die Ferien über?» Ich sah sie fragend an. «Du magst Adrian gerne, hm?» Ich nickte. «Ja er ist klasse.», sagte ich. «Okay dann fahre. Aber er soll dich heil zurück bringen.» Ich kicherte. «Das wird er tun. Danke Tante.» Ich umarmte sie und wir wünschten uns gute Nacht. Dann kuschelte ich mich ins Bett und schlief sofort wieder ein.

Kapitel 15 – Montag, 29. April 2013

Am nächsten Morgen wurde ich sanft von Adrian geweckt. Er lag wieder halb auf mir und spielte mit einer Haarsträhne von mir.

«Guten Morgen.», flüsterte ich und versuchte meinen Körper zu beruhigen. «Guten Morgen. Ich wollte dich nicht wecken.» Er ließ meine Haare los.

«Hast du nicht. Ich muss meine Koffer packen.»

Ich stand auf und öffnete den Kleiderschrank. Eine halbe Stunde später war mein Koffer gepackt. «Du musst dein Koffer noch packen oder?», fragte ich. «Nein, das Personal erledigt das für mich. Und ich habe tierisch Hunger.» Er räkelte sich und stand auf.

«Dann komm mit. Nicht, dass du verhungerst.»

In der Küche richtete ich unser Frühstück und wir setzen uns hin. Ich schaltete das Radio ein und ich summte leise mit, obwohl ich das Lied nicht wirklich kannte. Adrian grinste mich an du ich streckte die Zunge raus. «Grins nicht so!»

Doch sein Lächeln verschwand nicht und so langsam konnte ich meines auch nicht mehr verheben. Ich lächelte ihn an.

«Du summst das Lied falsch!», wies er mich an – immer noch sein Strahlelächeln auf dem Gesicht. «Dann wechsle den Sender!», gab ich zurück und er schaltete tatsächlich einen andere Sender an, während ich einen Bissen von meinem Brot machte. «Country?», fragte ich mit verzogenem Gesicht.

«Ja, warum nicht?»
Ich lachte.

«Weil es Country ist?», war meine Gegenfrage. Plötzlich stand er auf, nahm eine Gabel in die Hand und tatsächlich … Adrian fing an zu singen. «Country Roads, take me home. To the place I belong. West Virginia, mountain Mama. Take me home, country roads.» Vor lauter Lachen, fiel ich vom Stuhl um, doch das hinderte mich nicht daran weiterlachen.

Im Gegenteil, ich konnte nicht mehr aufhören und auch Adrian fing an zu lachen. Es kam mir vor wie Stunden, in der wir am Boden lagen und lachten, aber es waren nur einige Minuten vergangen. «Du bist so verrückt!», murmelte er zu mir. «Warum ich? Wer hat so komisch gesungen?», kicherte ich. Er hielt kurz inne und betrachtete mich. In mir zog sich was zusammen, als er mich ansah und ich rappelte mich hoch. «Wir sollten weiteressen, damit wir nicht so spät fahren.», meinte ich, setzte mich wieder und biss von meinem Brot ab.

Inzwischen hatte Adrian sich auch gesetzt und nahm ebenfalls sein Brot in die Hand. «Freust du dich schon auf Italien?», fragte er mich plötzlich.

Ich nickte.

«Ja, klar!», ich grinste. Und wie ich mich freute. Ich freute mich auf den Strand, das Meer das Hotel, den Luxus. Vor allem aber freute ich mich, diese Wochen mit Adrian verbringen zu können. Während ich weiter darüber nachdachte, auf was ich mich alles freute, räumte ich den Tisch ab und hinterließ meiner Tante eine Nachricht, dass ich sie sofort anrufen würde, wenn ich ankam. Ein hupendes Auto machte mich aufmerksam, dass wir gehen mussten. Als ich die Tür öffnete stand eine Limousine davor. «Ist das cool.», schrie ich und sprang Adrian an, der meinen Koffer trug. Also fuhr ich das erste Mal seit dem Tod meiner Mum in den Urlaub. Dazu noch in einer Limousine, nach Italien und mit Adrian. Einfach perfekt.

 

 

****

Die Fahrt dauerte fast den ganzen Tag und gegen Abend kamen wir dann an. Wir hatten wieder einmal herumgelacht. In der ersten Pause, die wir machten, hatte Adrian und ich uns Marshmallows gekauft, die wir uns dann gegenseitig in den Mund schmissen. Zugeben, Adrian war viel besser als ich, aber ich war immer geschickt und hielt sie mit meiner Hand auf, ehe die Marshmallows den Boden berührten.

Danach gingen wir ein wenig umher, damit unsere müden Füße wieder zum Leben erweckt wurden.

Es tat uns gut zu gehen, da wir in weniger als einer Viertelstunde wieder die ganze Zeit sitzen mussten. Ich nahm mir vor ein wenig zu schlafen, wenn wir wieder weiterfuhren, aber daraus wurde nichts. Adrian hatte es sich zu Aufgabe gemacht, mich vollzuquatschen.

Ganz ehrlich?

Wenn er über seine Heimat sprach und mir hier und dort die Städte zeigte, freute mich. Ich mochte es, wenn er etwas von sich oder Italien erzählte. Es kam nicht oft vor, dass er das tat. Und wenn er tat, genoss ich es und sog jede Information in mich auf. Unsere zweite Pause verbrachten wir damit, in einem Gras zu liegen und Sonne zu tanken.

So hatte ich mir Italien vorgestellt.
Sonne, Strand und Meer.

Aber Adrian hatte mir gleich klargemacht, dass das nicht das einige war. dass es auch öfters regnete. «Du hast mir mein schönes Weltbild zerstört.», jammerte ich und er nahm mich lachend und tröstend in den Arm. «Ich wollte dir nur die Augen öffnen.», hatte er entgegnet und mir somit ein Lächeln auf dem Gesicht gezaubert. Den Rest der Fahrt hatte ich – obwohl Adrian mich aufhielt – schlafend verbracht und als wir ankamen weckte er mich auf. Ich schrieb Tante Maddy sofort eine Nachricht, dass wir gerade angekommen waren und ich mich melden würde.

Der Fahrer trug unser Gebäck und wir checkten inzwischen ein. Wie ich mitbekam, war das Penthouse rund um die Uhr frei. Es wurde nur von Adrians Familie benutzt.

Der Lift brachte uns nach ganz oben. Er war luxuriös und ich fand, dass er für meinen Geschmack ruhig ein bisschen weniger auch vertragen hätte. Doch ich wusste, dass seine Eltern gerne protzten. Als ich jedoch die Penthouse betrat, fand ich, dass der Lift nichts im Gegenzug zu dem hier war. Es schrie förmlich nach Luxus und Geld. Viel Geld.

«Gefällt es dir?», fragte er ein wenig unsicher. «Das ist unglaublich.», flüsterte ich und betrat die Küche, die mit allem ausgestattet war, dass es gab. «Manchmal nimmt meine Mutter unsere Köchin mit.», sagte er. Dann ging ich in das Bad.

«Ein Whirlpool?»

Unglaublich starrte ich das Bad an. Die Badewanne war so groß, dass wahrscheinlich vier Personen Platz hatten. Ohne dass sie sich eingeengt fühlten. Die Dusche war auch riesig und mit Knöpfen ausgestattet, die ich am liebsten alle ausprobiert hätte. In den vier Schlafzimmern waren jeweils ein großes Doppelbett mit zwei Nachttischen, ein Kleiderschrank, ein Schreibtisch mit Stuhl und eine Zweisitzbank mit einem Plasmafernseher. Ich stieß einen Pfiff aus, als ich ins Wohnzimmer ging. Eine Wandseite war nur aus Fenstern – der perfekte Blick aufs Meer und auf den Strand.

Dann war ein gewaltiges Aquarium auf der anderen Seite, ein noch größerer Fernseher als in den Schlafzimmern, einer schönen und großen Couch mit links und rechts einen passenden Stuhl, einem Regal mit Büchern und einem Regal mit Familienfotos sowie ein schwarzes Klavier und eine Bar mit Hockern. Die Wände sahen alle teuer bestrichen aus, die Böden aus teurem Holz oder Fliesen. Bilder hingen überall. «Unglaublich...», murmelte ich wieder. Als ich mich neben Adrian auf die Couch setzte, stellte ich fest, dass ich zwei Türen vergessen hatte.

«Zweites Bad und ein Klo.», sagte Adrian, dem mein Blick nicht entgangen war. «Was machen wir heute noch?», fragte ich. «Wir gehen zum Strand und genießen das Wetter.»

«Zum Strand? Ja, da müssen wir unbedingt hin.» Ich stand auf und ging in die Küche, wo ich mir ein Glas nahm und mit Wasser füllte. Ich wollte gerade daraus trinken, als Adrian mich hochnahm und mich herumwirbelte. Ich hielt das Glas fest umklammert, während ich wie eine Irre kreischte und lachte.

«Lass mich runter, Adrian!»

Doch das tat er nicht und ich kreischte weiter. «Was bekomme ich dafür?», fragte er und ich musterte ihn von oben. «Was du dafür bekommst?», ich grinste ihn breit an, «Das bekommst du dafür!» Ich ließ das Wasser im Glas auf Adrian herunter, der mich losließ und hin und her zappelte. So schnell wie er mich runtergelassen hatte, so schnell hatte er ein Glas Wasser in der Hand und schmiss es auf mich. Ich schrie auf und sah ihn entgeistert an.

«Hey!», ich kicherte und so machten wir eine Wasserschlacht. Mitten in dem Penthouse. Es war uns egal, Hauptsache wir hatten Spaß und das hatten wir definitiv. Völlig durchnässt starrten wir uns nach der Schlacht an. «Man kann alles sehen, Kim.», er kam auf mich zu und berührte mein Dekolletee. «Gar alles.» Ich sah an mir hinunter und zog mir mein Shirt aus. «Und so besser?», fragte ich und drehte mich um, damit ich mir ein neues holen kann. «Viel, viel besser.», erwiderte er und ich kam wieder – angezogen in neue, trockene Sachen. Inzwischen saß er auf der Couch und musterte mich. Auch er hatte sich umgezogen. Er stand auf und deutete nach draußen zum Strand. «Gehen wir?»

Ich nickte. «Ich ziehe schnell meinen Bikini an.»

 

 

****

«Wie viele von diesen Sommer-Cocktails hast du schon intus?» Ich blickte – nass vom Schwimmen in der Adria (hihi) – auf Adrian herab, der so lässig auf der Liege lag. «Ein paar. Wir sind hier um uns zu amüsieren, Kim. Deiner steht immer noch da.» Ich sah hinüber zu meinem Platz und sah meinen Mango-Apfel-Cocktail an. «Meinen zweiten!», sagte ich.

Adrian grinste mich an und zog eine Zigarette heraus. Er hatte es so lange ohne geschafft... Als er meine angewiderte Miene sah, packte er sie wieder weg. «Manchmal vergesse ich, dass ich aufhören will.» Ich legte mich nieder. «Ich will dich zu nichts zwingen.», sagte ich, da ich das Gefühl hatte, dass er sie nur wegen meines verzogenen Gesichtes weggepackt hatte.

«Nein, nein. Ich wollte ja selber damit aufhören.»

Ich strahlte ihn an. «Gut. Kommst du mit schwimmen? Dann liegst du nicht alleine da so rum und ich schwimme nicht alleine?» Adrian stand auf, trank seinen Cocktail aus und reichte mir die Hand. Ich nahm sie dankend und er nahm mich hoch.

«Adrian!», kreischte ich, aber er ließ mich nicht los.

Erst als er im Meer war, schmiss er mich hinein und ich schrie auf. Nur gut, dass ich schon vorher nass war, trotzdem war es kalt. Ich tauchte schnell wieder auf und spritzte ihn mit Wasser voll. Er schrie auf und kam zu mir, drückte mich an sich, um mich dann nur wieder ins Wasser zu schmeißen. Das ging so eine Weile – er schmiss mich ins Wasser und ich spritzte ihn an – bis wir keine Lust mehr hatten und uns wieder auf die Liege legten. Ich trank den kleinen Schluck meines Cocktails aus, der leider schon ein wenig warm war und genoss die Sonnenstrahlen auf meiner Haut.

«Gehen wir essen, wenn ich trocken bin?», fragte ich und drehte mich zu ihm. Schützend hielt ich mir die Hand auf die Stirn, damit die Sonne nicht meine Augen blendete. «Und dann gehen wir aus.» Adrian strahlte mich an und ich nickte. Nach einer Stunde waren wir trocken und wir gingen hoch. Im Lift fragte ich: «Was soll ich zum Abendessen anziehen? Elegant, oder?»

Adrian fuhr sich durch die Haare.

«Du weißt, dass du meinetwegen alles anziehen kannst. Oder auch gar nichts.» Ich zog scharf die Luft aus. «Elegant. Dann haben wir die Fragen beantwortet.», sagte ich und die Türen öffneten sich mit einem leise Bling. «Also mir gefällt mein anderer Vorschlag viel besser.», er grinste mich frech an und ich ignorierte ihn einfach.

«Okay, dann gehen wir nicht als Adam und Eva.», er seufzte und ich musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. «Ja das werden wir nicht tun. Adrian, ich bin nicht irgendein Flittchen, die nackt herumrennt!» Adrian sah mich geschockt an. «Du bist doch nicht eine von diesen hirnlosen Frauen!», er legte einen Arm um mich, «Du bist Kim. Kim Montgomery. Intelligent und sexy.»

 

 

****

«Das Abendessen war himmlisch.» Wir gingen gerade zu unserem Penthouse. «Ja, da muss ich dir recht geben, Kim.» Wir stiegen aus dem Lift und Adrian holte die Karte für das Penthouse, den Schlüssel hatte ich bekommen, jedoch nicht mitgenommen. «In einer Stunde fertig sein.», sagte Adrian und verschwand in seinem Zimmer. Ich ging in das andere. In Rekordzeit hatte ich geduscht, geföhnt, mich angezogen, mich geschminkt und mir eine Frisur gemacht. Schon waren wir auf den Weg in die Disco. Die Limousine erwartete uns wie immer unten und der Chauffeur öffnete uns die Tür.

«Wir werden in die Disco gehen. Wir werden in die Disco gehen.», jubelte ich und schmiegte mich an Adrian.

«Weißt du was wir jetzt tun?»

Ich ließ ihn nicht mal etwas sagen, denn sofort ergriff ich wieder das Wort: «Wir gehen in eine Disco!» Ich wusste, dass ich bekloppt klingen musste, doch ich war so aufgedreht. Ich freute mich. Adrian wurde von meiner guten Laune angesteckt und grinste mich an.

«Ab in die Disco!», schrie er und warf die Hände in die Luft, das mich zum Lachen brachte. «Okay. So dramatisch auch wieder nicht, aber ist ja jetzt egal.» Er schüttelte den Kopf. «Wir werden heute jede Menge Spaß haben, Kim.» Ich sah kurz aus dem Fenster, dann wandte ich den Blick zu Adrian. «Das will ich doch hoffen!» Seine Antwort war ein kurzes Lachen. Als wir ausstiegen, achtete ich gar nicht auf die Disco. Mein Blick war bei Adrian hängengeblieben, denn ich nur wie eine Irre anstarrte. Er war so vollkommen perfekt. Auch wenn seine Vergangenheit nicht so prickelnd war. Aber genau das machte Adrian heute aus. Oder besser gesagt, das machte heute einiges aus ihm aus.

Ich sah kurz zum Himmel empor, wo ich die Stern glitzern sah. Ich lächelte leicht. Früher hatte ich mir gewünscht, dass das alles nicht geschehen wäre. Der Autounfall. Heute jedoch tat ich das nicht mehr. Denn dann hätte ich Adrian nie kennengelernt und das war zu schmerzhaft.

Ich vermisste meine Mutter.

Jeden Tag, aber ich wusste, dass all die Wünsche nie in Erfüllung gingen. Aber Adrian hatte mich ins Leben zurückgeholt. er war er Grund warum ich heute so fröhlich war. «Eines Tages werde ich deine Gedanken lesen können.», flüsterte er mir ins Ohr du ich erschrak kurz. «Das hoffe ich nicht.» Ich nahm seine Hand und drängte mich an die Bar.

«Lass uns was trinken!»

Ich bestellte uns einen Drink, von dem ich wusste, dass er Alkohol enthielt und reichte eines Adrian. «Auf diese Nacht!», sagte ich laut und wir stießen an. Ich erkannte sofort den Geschmack von Wodka und irgendeiner tropischen Frucht, wessen Name mir nicht einfiel. Aber der Drink war gut und ich genoss ihn. «Weißt du, dass du in diesem hautengen, grünen Kleid sehr scharf aussiehst?», Adrian lehnte sich zu mir vor, «Und du trägst ein Parfüm. Kim, du wirst ja richtig zu einer Frau!»

Ich stieß ihn in die Seite.

«Ich war schon immer eine Frau! Nur habe ich selten eine Parfümwolke, die mich einwickelt!» Adrian lachte. «Sehr gute Erklärung. Willst du tanzen?» Er hielt mir fragend die Hand hin und ich legte meine in die seine. «Gerne» Er zog mich zu sich, trank sein Drink fertig und wartete bis ich es ihm nachmachte. Ich brauchte gar nicht zu fragen, weshalb er alles auf einmal trank. Er wollte sein Glas nicht abstellen, wo dann jemand etwas hineinschütten konnte.

Also kippte ich alles auf ex hinunter und ließ mich von ihm auf die Tanzfläche ziehen. Wir tanzten die halbe Nacht durch, lachten und waren uns so nah, wie nie zuvor. Ich spürte seine Blicke auf mir, seinen Atem auf meiner Schulter, wenn ich vor ihm tanzte. Es war so, als würde ich explodieren, alles in mir genoss die Augenblicke. «Ich hole uns noch was zum Trinken. Hast du irgendeinen Wunsch?»

«Viel Alkohol!», schrie ich ihm entgegen und sprang auf einen Tisch, um zu tanzen. Adrian starrte mich lachend an und verschwand dann, während ich hier auf dem Tisch tanzte. Es war klasse, ich war gut gelaunt und diese Laune konnte mir keiner nehmen.

Auch nicht solche Perverslinge, die sich an mich grabschten.

«Hey, ich würde mich in Ruhe lassen. Ich habe einen Freund, und er liebt es sein Revier zu verteidigen.», schrie ich einem Typen entgegen. Dass ich Adrian als meinen Freund bezeichnete gefiel mir und es brachte meine Schmetterlinge in mir zum Flattern.

«Den kannst du mir gerne zeigen, ich sehe ihn nirgendwo.», gab er zurück und in dem Moment kam Adrian mit den Drinks. «Schatz! Endlich bist du mit den Drinks da.», ich sprang vom Tisch hinunter und schmiegte mich eng an Adrian.

«Was?»

Ich küsste seinen Hals und zog ihn weg von hier. Erst dann ließ ich ihn los. «Danke, der Typ wollte mich nicht und Ruhe lassen.» Ich nahm den Drink, den Adrian mir gab, in die Hand und trank einen Schluck. «Und deshalb musste ich das tun, sorry, falls es dich gestört hat.», murmelte ich und er grinste. «Mir hat es sogar gefallen, Kim. Aber das müsstet du doch schon wissen!» Ich kicherte und legte einen Arm um Adrian. «Ja, das weiß ich. Habe ich dir schon gesagt, dass ich …»

Ich stoppte sofort meine nächsten Worte und schloss den Mund, aber Adrian hatte gemerkt, dass ich noch was sagen wollte. «Was hast du mir gesagt?» fragte er nach. «Was? Ach nichts, ich weiß selber nicht, was ich sagen wollte.» Ich ging wieder auf die Tanzfläche und tanzte weiter. Dass ich ihm gerade wirklich sagen wollte, dass ich ihn mochte – zu gerne mochte – brachte mich fast um den Verstand. Zum Glück konnte ich meine Worte noch stoppen.

 

 

**** 

Wir hatten zu viel getrunken. Ich konnte gerade noch gehen, Adrian war ebenfalls zu, konnte jedoch normal gehen. Er war es auch gewohnt.

«Ich will Sex, Kim.»

Wir saßen auf einem Barhocker und redeten unsinnige Sachen. «Ich auch!», schrie ich. Der Alkohol machte mich mutig. Er lachte. «Wir können sofort gehen.», meinte er dann. Ich nahm seine Hand und Adrian bezahlte rasch. Als wir draußen standen, öffnete der Fahrer die Tür. Ich konnte kaum ohne Hilfe in die Limo einsteigen. «Bist du dir sicher?», hakte er nach. Adrian sah in diesem Hemd und der Hose wie ein Gott aus, wie ein Model eines Unterwäschemagazins.

Ob ich wollte?

Jede Faser von mir wollte ihn und ich gab mich ihm hin. «Ja.», hauchte ich. Die Trennwand, die uns Privatsphäre gab, schloss sich und Adrian fing an mich zu küssen. Und er konnte küssen. Meine letzten Hemmungen verschwanden und ich erwiderte den Kuss, fuhr mit der Hand durch seine Haare. Auch wenn ich betrunken war, bekam ich alles mit. Es war meine Entscheidung gewesen. Der Alkohol hatte mich nur mutig gemacht.

«Ich will dich, Kimmie. Aber nicht hier.»

Ich pflichtete ihm bei. Wir schafften es bis ins Zimmer von Adrian, dann fielen wir über die Kleider her. Wir küssten uns am ganzen Körper, strichen mit den Fingern über den Körper. Was für ein Körper. Braungebrannt, Muskeln und einfach makellos. Ein Wahnsinn. Er küsste mich wieder. Wir hatten schon einmal über Sex geredet, also wusste er, dass ich noch nie welchen hatte. «Ich werde ganz langsam und sanft sein aber es wird am Anfang schmerzen, Kim.» Ich nickte, während ich spürte wie er in mich drang und mich ausfüllte.

 

 

Kapitel 16 – Dienstag, 30. April 2013

«Aaaaahhhh!!»
Mein Laut weckte Adrian auf, der einen Fuß und einen Arm um mich hatte. Und verdammt er war nackt. Adrian rieb sich die Augen und sah mich müde an.

«Was ist los, Kimmie?» Kimmie? Es war ein Spitzname für mich, den nie jemand benutzte. In seinem Mund klang es so schön. Er fuhr mit der Hand meinen Bauch entlang und erst jetzt spürte ich, dass mein Unterleib schmerzte. Und ich konnte mich an alles erinnern. An unsere Drinks, unsere Küsse und dem Sex. Doch bereuen tat ich nichts. Was es wohl für Adrian war?

Nur ein One-Night-Stand oder mehr? «Wir hatten Sex...», murmelte ich und Adrian nickte. «Verdammt guten, Kimmie.» Ich musste grinsen. «Und dein Körper ist ein Geschenk an die Männer.» Geistesabwesend streichelte er meine Beine, ging hinauf zu meinen Bauch und liebkoste meine Brüste. «Unglaublich.», murmelte er. Ich war im siebten Himmel.

Er fand mich gut. Geschenk an die Männer. Oh Gott, hatte er das wirklich gesagt? «Das könnten wir öfters tun. Miteinander schlafen. Ohne Bindung und großem Verliebtheitsdrama.», sprach er weiter. Meine kurze Reise in den siebten Himmel wurde prompt unterbrochen und ich fiel schreiend und schmerzvoll hinunter. Ohne Bindung, ohne Liebe?

Wollte er jetzt Freundschaft Plus nachspielen? Ich spürte die Tränen in meinen Augen und ich sprang aus dem Bett, ehe Adrian sie sehen konnte. «Kim?» Doch ich hatte die Tür schon zugeschlagen und lief auf mein Zimmer. Zog mir Bikini und ein Kleid an und verließ das Penthouse. Ich fuhr mir im Lift mit den Fingern durch die Haare, um sie ein wenig zu glätten. Sex ohne Liebe. Ich hatte Sex mit einem Jungen, der nichts für mich empfand. Oh Gott. Die Tränen liefen pausenlos meine Wange hinunter. Und jetzt will er einfach weitermachen. Ohne Gefühle für mich. Ich hielt meine Tränen nicht auf, sie liefen den Boden hinunter und nahmen mir die Sicht zum Sehen. Trotzdem schaffte ich es, dass ich zum Strand gelang und mich auszog. Eine Abkühlung war genau das Richtige.

 

 

****

Ich weiß nicht, wie lange ich schon weg war. Ich konnte nicht mal nachsehen, da ich mein Handy oben hatte. «Kim?» Ich sah auf. Adrian stand vor mir. «Geh weg.», sagte ich leise, doch Adrian setzte sich auf meine Liege.

«Was ist los, Kim?»

Was für ein Idiot. Er checkte nichts. Ich musste anfangen zu lachen. Ich konnte es nicht aufhalten. Als ich aufhörte, streichelte Adrian meine Wangen. «Ohne Liebe? Also einfach nur so schnellen Sex!», fragte ich nach. «Aus deinem Mund klingt es irgendwie dreckig. Aber ja. Sag ja nicht, dass was wir gestern taten, hat dir nicht gefallen?» Und wie es mir gefallen hatte. Doch ich hatte Gefühle dabei gehabt. Er nicht. «Adrian..», fing ich an. «Kim, wenn du nicht mehr magst, kannst du einfach damit aufhören. Ohne Bindung. Du kannst jederzeit damit aufhören.»

Ich wusste, dass ich ihn mochte, zu gerne mochte. Ich wollte ihn berühren, küssen und ... naja auch Sex haben. Aber ohne Liebe? «Ich will aber nicht nur schnellen Sex, Adrian. Ich bin nicht der Typ, der so was macht...» Ich sah Adrian an. «Wir könnten auch das hier machen...» Er beugte sich vor und küsste mich. Sofort erwiderte ich den Kuss. Würde ich wahrscheinlich immer tun. Und ich wusste, dass ich alles tun würde. Alles für diesen tollen, sexy Jungen.

«Okay. Machen wir es. Aber ich will weiterhin Spaß mit dir haben.» Ich zog an seinem Hemd und zog es ihm aus. «Wir sind hier am Strand.», murmelte Adrian. «Im Meer sind keine Leute.», flüsterte ich. Ich wollte diesen Mann, ich wollte ihn haben. Er stand auf, zog seine Hosen aus und nahm meine Hand. «Sex im Meer. Das hatte ich noch nie.» Ich grinste und wir schwammen ein Stück weiter weg vom Strand. Das Kondom war schneller oben als gedacht. Er packte mich sofort wieder und küsste mich eifrig, während ich seine Erektion spürte und er erneut in mich drang.

 

 

****

«Das könnten wir öfters tun.», sagte Adrian, als wir uns auf unsere Liege hinlegten. «Mhm.», pflichtete ich ihm bei. Obwohl ich zugestimmt hatte, fühlte ich mich unwohl dabei. Ich war verliebt, Adrian nicht. Und er wusste auch nicht, dass ich verliebt war. Hätte er die Flucht ergriffen oder hätte er vielleicht meine Gefühle benutzt? Und wie würde das alles mich verändern? Ich war doch gerade erst wieder ich selbst. Adrian hatte mir geholfen. Linda und meine Tante auch. «Was denkst du, Kimmie?», fragte Adrian. «Wie dankbar ich dir bin....», sagte ich leise.

«Wegen dem Sex?»

«Nein! Vergiss es einfach.» Adrian hakte jedoch nach. «Sag es mir, Kim.» Er stand auf und setzte sich zu mir. «Bevor du kamst war ich ein wandelnder Geist. Du – so verrückt und charmant – hast mir gezeigt was leben bedeutet. Linda hat ebenfalls dazu beigetagen. Und Tante Maddy hatte mir auch geholfen, ich war nur nicht bereit es zu akzeptieren. Ihr drei ward mein Weg zurück. Zu mir.» Adrian antwortete mir nicht, sondern legte seine Lippen auf die meinen. Es war der süßeste und hingebungsvollste Kuss, den Adrian und ich je getauscht hatten.

«Wow...», murmelte ich nach dem Kuss. Mein ganzer Körper fühlte sich heiß an, mein Magen als würden tausend Schmetterlinge herumflattern. «Für was war der?», fragte ich leise. «Für die süßeste, atemberaubendste Frau der Welt.» Ich strahlte Adrian an und küsste ihn nochmal. Ich steckte all meine Gefühle hinein, die ich gerade empfand. «Und für was war der?», fragte er. «Für den besten Mann dieser Welt.», flüsterte ich. Den ich so sehr liebte, daran bestand kein Zweifel. Es war klar, dass es mich treffen würde. So viel hatte er gemacht, um mich umzustimmen. So viel … und es hatte etwas genutzt. «Wir müssen noch einiges klären, Kim.», sagte Adrian nach einiger Zeit des Schweigens. «Hm?» Adrian stand auf und legte sich in seine Liege. Das bedeutete nichts Gutes...

«Wir sind ja nicht zusammen, daher will ich wissen wie es mit anderen Verabredungen aussieht?» Mein Mund klappte auf. «Du willst andere Mädchen auch noch flachlegen?! Es reicht dir nicht, dass du mich schon flachlegst!?» Adrian sah mich erschrocken an. Ich stand wütend auf. «Fick doch eine ganze Mädchenschule!» Ich haute wieder ab. So hatte ich mir den Urlaub nicht vorgestellt.

«Kim!»

Adrian hielt mich fest. «Wenn du das nicht willst, machen wir es nicht. Ganz ehrlich, ich will deinen Körper für mich alleine.» Meinen Körper, nicht mich. Am liebsten hätte ich schon wieder einen Heulkrampf bekommen, doch ich riss mich zusammen. «Ich finde es einfach nur eklig, dass vor mir eine mit dir schläft und nach mir. Oder sogar mehrere.» Ich verzog das Gesicht. «Okay. Du bist die einzige mit der ich schlafe.» Er kam mir einen Schritt näher.

«Wenn ich dich jetzt küsse, stoßt du mich dann weg?» Ich krallte mich an sein Hemd fest und zog ihn zu mir. Dann schüttelte ich den Kopf und küsste ihn. Wie schon die vorherigen Küsse, raubte mir dieser Kuss den Atem und war so berauschend. Und je mehr wir uns küssten desto mehr fing mein Herz an zu schmerzen. Keine Liebe, keine Liebe, keine Liebe.

«Komm lass uns was essen. Ich habe Hunger.» Wir gingen zum Frühstücksbereich und nahmen uns vom Buffet die köstlichsten Sachen.

 

 

****

«Wir werden heute wieder zum Strand gehen, oder?», fragte ich. Adrian lag auf seinem Bett, ein Buch in der Hand und sah mich an. Ich hatte meinen Kopf auf seine Beine gelegt und mich ausgebreitet. «Ja können wir. Morgen machen wir eine Schifffahrt.» Ich sprang Adrian an und umarmte ihn. «Cool.» Er nahm mich in den Arm.

«Hopp. Gehen wir!»

Er stand auf und zog sich ein Hemd an. Und ich? Was tat ich? Ich konnte nur seinen Körper bestaunen und mich fragen, wie jemand so heiß aussehen konnte. «Gefällt dir mein Anblick?» Mit hochrotem Kopf schaute ich weg und nickte kaum merkbar. «Komm gehen wir.» Gott sei Dank zog er mich nicht auf. Ich nahm seine ausgestreckte Hand und wir gingen los. Den Weg bis zum Strand schwiegen wir und ich konnte meinen eigenen Gedanken nachgehen.

Was durfte ich alles machen? Was nicht? Am liebsten wollte ich alles mit ihm machen, doch wir hatten ja nur Sex. Sex und küssen. Durfte ich in seinen Armen liegen? Oder durfte ich mich an ihn kuscheln? Ihn von hinten umarmen und süße Worte ins Ohr flüstern? Und als ich mir die Fragen stellte, wusste ich die Antwort sofort. Nein, nur Küsse und Sex. Mehr nicht. «Deine Gedanken müssen interessant sein. Du hörst mir gar nicht zu.» Adrian hatte meine Hand losgelassen, was für mich ein ziemlicher Verlust war. «Warum hast du meine Hand losgelassen?», fragte ich.

Die Frage konnte ich mir nicht verheben. «Damit niemand auf falsche Gedanken kommt. Er sollte ja nicht denken, dass wir zusammen sind.» Sofort wurde ich sauer. «Schämst du dich für mich, oder?!» Ich funkelte ihn böse an. «Das ist absurd. Ich will nur nicht, dass sie was denken was sowieso nicht stimmt.» Ich wusste, dass ich mich nicht in so was hineinsteigern sollte, doch ich tat es. Und ich war sauer, sehr sauer. «Ich gehe schwimmen.»

Ich wollte nicht schon wieder Streit. Ich kam einfach nur nicht mit der ganzen Sache klar. Ich wollte mehr, viel mehr. Doch Adrian nicht. Und wenn ich ihm sagte, was ich fühlte und wollte ... daran wollte ich nicht denken, denn diese Gedanken gefielen mir nicht. «Erinnerst du dich noch, als wir zum zweiten Mal zur Donauinsel gingen?» Adrian war zu mir geschwommen und war keinen Meter mehr von mir entfernt. Ich erinnerte mich noch sehr genau an diesen Tag. «Oh Gott... Das will ich verdrängen, Adrian. Nackt schwimmen in der Donau.» Adrian lachte. «Hey wir waren im FKK-Badebereich. Leider gibt es da keinen...» Adrian war jetzt neben mir und zog an meinem Bikinioberteil. «Der ist hier überflüssig.», flüsterte er und zog ihn mir langsam aus. «Adrian...», hauchte ich.

Aber es war um mich geschehen.

Blitzschnell zog er mich an sich und hauchte mir Küsse auf den Hals. Nach tausenden Küsse zog Adrian mir wieder mein Oberteil an und wir schwammen zurück. «Ich mag es mit dir zu knutschen.», sagte Adrian als wir uns auf die Liege setzten. «Und ich liebe es, von dir abgeknuscht zu werden.» Die Worte kamen einfach so raus. Ich wusste, dass ich das Wort Liebe nicht erwähnen sollte. Doch ich tat es und könnte mir eine geben. «Lieben? Soso...»

Seine Stimme klang nicht mehr so gut gelaunt wie vor einer Minute. Und nur das Wort Liebe verursachte das. «Ich mag es auch gerne...», sagte ich ein wenig gereizt, «Tut mir ja echt leid, dass ich lieben gesagt habe!», fügte ich sauer hinzu. Warum um alles in der Welt wurde ich immer wieder so wütend? Weil ich es nicht aushielt, dass das alles für ihn nur Spaß war? Das war das einzige, was logisch klang. «Bist du sauer?» Adrian setzte sich auf und sah mich an. «Nein? Wie kommst du denn darauf?», sagte ich voller Sarkasmus. «Kimmie?» Dieses Wort, den Spitznamen, der so süß war und nur er zu mir sagte, ließ meinen Zorn verebben. Ich war wieder ganz die Alte. So ziemlich.. «Komm her.», forderte er mich auf und ich legte mich zwischen seine Beine.

«Tut mir leid, Adrian. Dass ich so bissig und schlecht gelaunt bin...», murmelte ich und schmiegte mich an Adrian. Er ließ es tatsächlich zu. «Ist schon okay. Ist schon okay», flüsterte er. Und zu allem Überfluss, fing ich an zu heulen, da er so Verständnisvoll und süß war. Adrian wusste anscheinend nicht, warum ich weinte. «Hey nicht heulen, Kimmie.»

«Ich versuche es.», flüsterte ich. Adrian hielt mich nur im Arm und streichelte zärtlich meinen Arm. Seine Nähe tat mir gut und ich hörte auf. «Heute Nachmittag gehen wir ein wenig shoppen. Keine Sorge, nur deine Geschäfte. Hmm... Vielleicht gehen wir doch mal zu Chanel und suchen dir sexy Unterwäsche.» Er grinste mich an und spielte mit meinem Bikini. «Und vielleicht lasse ich mich sogar überreden...», sagte ich und berührte seinen Bauch und den Saum seiner sexy Badehose. «Oh Kimmie, Kimmie, Kimmie...», flüsterte er und küsste mich. Danach lagen wir einfach nur da. Ich mit meinen aufgewühlten Gefühlen und er wie immer.

 

 

****

«Was fällt dir als erstes ein, wenn ich das anhabe?», fragte ich. Wir waren tatsächlich bei Chanel und ich hatte einen BH und einen Tanga an, der so nuttig aussah, dass es nicht nuttiger mehr ging. Und wieder hatte Adrian sie mir gegeben. «Das ich mit dem heißesten Mädchen der Welt schlafe.», sagte Adrian und drängte mich zurück in die Kabine. «Vielleicht besorgen wir dir lieber etwas wenig nuttigeres sondern was, das sexy ist...», flüsterte er und zog den Tanga und mein Höschen aus. «Du musst ganz leise sein.», schnurrte er und ich nickte. Tatsächlich war es hier laut. Überall Stimmen und Geschreie. Wir würden nicht sonderlich auffallen. Ich zog seine Hose und seine Boxershirts aus und er holte schon das Kondom heraus. Er streifte es sich über und wies mich auf, dass ich die Beine um ihn schlingen sollte. Ich machte es und dann drang er in mich herein.

 

                                                                                                     

****

Wir blieben noch einige Minuten in unserer Position und beruhigten uns. Ich küsste seine Schultern und seinen Hals und er atmete zu schnell. «Das gefällt mir...», flüsterte Adrian und biss mir sanft in meinen Hals. «Mir gefällt es auch.», flüsterte ich zurück.

Adrian drang aus mir heraus und stellte mich ab. Ich zog mein Höschen und meinen BH an und gab Adrian den Tanga und BH. «Ich besorge dir andere Unterwäsche.», sagte er und bevor er ging, richtete ich kurz seine Haare. «Die sehen aus, als hättest du gerade Sex gehabt.», sagte ich kichernd. «Hatte ich ja. Vergiss deine Haare nicht.»

Und dann war er weg.

Ich glättete meine Haare mit meinen Fingern und versuchte sie ein wenig zu richten. Schlussendlich gab ich auf und band sie zu einem Pferdeschwanz. In dem Moment kam Adrian wieder und gab mir neue Unterwäsche. Er blieb in der Kabine und beobachtete mich, wie ich eine nach der anderen anzog. Am Ende kaufte Adrian mir sieben neue BHs mit dem passenden Unterteil. Sie waren sexy, verführerisch und passten mir hervorragend. Nach Chanel gingen wir in meine Läden, wo ich mir Kleider, Tops, Röcke, Hosen und einen Bikini kaufte. Zum Schluss gingen wir einen Kaffee trinken und dazu einen Schokokuchen. Meine Laune war den ganzen Nachmittag bestens gewesen und ich grinste wie eine Idiotin durch die Gegend. Adrian schien es genauso zu gehen, denn er grinste ebenfalls.

«Gehen wir heute aus? In eine Disco?», fragte ich. «Klar, können wir machen.», antwortete mir Adrian. «Nur sollte ich diesmal etwas nüchterner sein. Letztes Mal hatten wir miteinander geschlafen.», fügte ich hinzu. Wäre ich nüchtern gewesen, hätten wir dann auch Sex gehabt oder nicht? Und das erste Mal wurde mir bewusst, dass ich Adrian meine Unschuld geschenkt hatte. Ich war keine Jungfrau mehr. «Ich werde darauf achten.», sagte Adrian.

Ich lächelte und aß den Kuchen weiter. Danach bezahlte Adrian und wir gingen zurück ins Hotel. Wir gingen nebeneinander, berührten uns jedoch nicht. «Adrian?», fragte ich nach einiger Zeit. «Hmm?», machte er. Vorher hatte er jede Gelegenheit genutzt, um mich zu berühren. Jetzt tat er es nicht mehr. Hatte er das was er wollte? Mich ins Bett zu bekommen. Ich legte einen Arm um seinen Bauch. Er sah mich zwar fragend an, doch ich genoss das Gefühl, das er mir gab.

Wusste er, dass er mich so glücklich und fröhlich machte?

Wusste er von der Magie die ich so oft spürte, wenn er mich ansah?

Wusste er von dem Kribbeln in mir, wenn er mich berührte?

Oder wusste er von dem Feuerwerk, das anfing wenn er mich küsste?
Ich wollte es sagen. Jetzt, hier und mir war es egal, ob tausend Leute hier herumstanden. Doch ich hielt mich zurück. Schon wieder... «Kimmie?» Ich sah Adrian an und betrachtete dann den Boden. «Es ist nichts, Adrian.», murmelte ich.

«Wieso lügst du mich an?» Er legte einen Arm um mich und drückte mich näher zu sich. «Es ist nichts. Gar nichts!» Ich befreite mich aus seinen Armen und funkelte ihn an. «Was ist denn verdammt mit dir los? Seit wir hier sind bist du das schlechtgelaunteste Mädchen der Welt! Bekommst du deine Tage?» Ich hätte lügen können, doch ich tat es nicht.

«Ich hatte sie vor zwei Wochen.» Ich setzte mich auf eine Bank. «Ich habe nur Stimmungsschwankungen.» Adrian setze sich neben mich und legte seinen Kopf auf meine Oberschenkel. «Ist das dein erster Urlaub seit dem Tod deiner Mum?» Ich nickte. «Vielleicht ist es auch das.», flüsterte ich. Vielleicht war es nicht wegen dieser Situation. Adrian lächelte mich aufmunternd an. «Es muss schwer sein.» Ich spürte wie eine Träne meine Wange hinunterlief.
Ich beugte mich zu Adrian und küsste ihn.

Er war mein Anker, der mich vor dem Ertrinken bewahrte.

Er war der Junge, dem ich mein Herz schenkte.

Der mir so viel bedeutete.
Adrian setzte sich auf und drückte mich gegen die Bank, während wir unseren Kuss vertieften. Ich spürte, wie einige Tränen den Weg ins Freie fanden. Doch als ich spürte, dass Adrian deswegen aufhören wollte, drängte ich mich an ihn. Er wusste gar nicht, welche Wirkung er auf mich hatte. Manchmal wunderte es mich auch. Und machte mir riesen Angst.

Ich brauchte ihn, wie die Luft zum Atmen, wie die Blume die Sonne.
Das alles wurde mir klar, als wir uns küssten. Adrian hatte wahrscheinlich gespürt, dass ich ruhiger wurde und löste sich, um mich kurz anzugrinsen. «Du überrascht mich immer wieder.», flüsterte er und streichelte meine Wange. «Du mich auch. Wer hätte gedacht, dass der Sex so toll sein würde. Und das du küsst wie ein Champion.» Adrian schmunzelte, während ich ein Kichern unterdrückte. «Das habe ich oft gesagt.» Ich nickte. «Mir war es nur immer egal gewesen...» Und schon wieder hatte ich was gesagt, dass ich nicht hätte sagen sollen.

«Und jetzt nicht mehr?», fragte er. «Jetzt weiß ich es ja. Ich war live dabei.», versuchte ich die Situation zu retten. Adrian grinste. Ich hatte es wieder hingebogen. «Hast du Hunger?», fragte er mich. «Ich würde lügen wenn ich nein sagen würde. Der Kuchen hat nicht meinen ganzen Hunger gestillt.» Adrian stand auf und reichte mir die Hand. Ich nahm sie lächelnd und wir gingen weiter. «Wir werden uns das Essen aufs Zimmer schicken lassen.» Ich hatte nichts dagegen, denn sonst hätte ich wieder ein hübsches Kleid suchen müssen. «Adrian?»

Er blieb stehen und sah mich an. Ich ging weiter. «Wie tun wir zuhause weiter? Mit uns? Ganz ehrlich, ich will nicht, dass deine Eltern denken, dass ich dein Bettspielzeug bin.» Er brauchte eine Weile für seine Antwort. Nützlich war sie jedoch nicht. «Darüber brauchst du dir jetzt nicht den Kopf zerbrechen.» Danach sprachen wir nicht mehr darüber und wir schwiegen. Das mich die Frage wirklich beschäftigte, war Adrian einfach egal. Prima! Im Hotel angekommen, fuhren wir mit dem Lift ins Penthouse und Adrian bestellte sämtliche Gerichte. Die Wut, die Stimmungsschwankungen und meine durchgewühlten Gefühle hatten ihren Preis: ich hatte Mordshunger.

Ich verspeiste fast alles und Adrian lachte sich nur schief. «Du hast einen gesunden Hunger, das muss man dir überlassen.» Ich kicherte. «Was mit den Stimmungsschwankungen alles möglich ist.», meinte ich lachend. Die beiden anderen Dinge konnte ich getrost weglassen. Adrian würde nur Fragen stellen. Und ich müsste Antworten geben – über ein Thema dass ich nicht ansprechen sollte. Ich machte mich an die Nachspeise ran: Schokoladensoufflee mit Früchten.

«Machen die so hungrig?», fragte er. «Sieht so aus. Weißt du wie anstrengend das ist?» Ich unterdrückte meine Worte indem ich nickte. «Dann bleibe gut gelaunt. So gefällst du mir am besten.» Adrian zwinkerte mir verschwörerisch zu.

Ich musste kichern und stieß ihn leicht in die Seite.

«Magst du auch was? Ist lecker.» Adrian jedoch schüttelte den Kopf. «Kannst du alles aufessen.» Ich lächelte. «Werde ich sogar. Wenn ich nicht davor platze.» Adrian grinste wieder. «Dass das noch nicht passiert ist, wundert mich sowieso.» Ich sah Adrian sauer an. «Warum ich dir nicht eine haue, wundert mich auch!», zischte ich. «Lasse deine Stimmungsschwankungen nicht zu.», flüsterte er und ich musste losprusten. «Das waren keine. Ich wollte nur so fies sein wie du!» Adrian war schnell über mir und hielt meine Hände fest. «Bin ich jemals fies?»

Meine Antwort bestand aus einem Nicken. Gefolgt von einem frechen Grinsen. «Falsche Antwort.», sagte er und kitzelte mich durch. Ich fing an zu lachen, als er meinen Bauch durchkitzelte. Ich war kitzlig, das hatte er spätestens jetzt herausgefunden. Ich zappelte mit den Füßen, doch er ließ mich nicht los. Auch als ich hysterisch anfing zu kreischen, ließ er nicht locker. Sein Grinsen wurde breiter und ich konnte nichts anderes tun, als zu lachen und weiter versuchen mich zu befreien. Es war eine Blitzidee. Sie kam schnell und ich setzte sie in die Realität um.

Ich streckte meinen Kopf und legte meine Lippen auf die seinen. Er zögerte nicht sondern legte seine Hände auf mein Gesicht. Unser Kuss wurde inniger, leidenschaftlicher und wilder. Ich wusste sofort wo dieser Kuss hinführte und ich unterbrach ihn, bevor ich keine Chance mehr hatte. «Wir sollten lieber aufhören. Wer weiß wohin das hinführen wird...», sagte ich und Adrian grinste. «Zu Sex, würde ich mal sagen.»

Ich lachte.

«Und genau deshalb breche ich ab. Aber wenn du Glück hast, werde ich dich nach der Disco vernaschen.» Ich berührte seine Arme und küsste seinen Hals. «Das klingt vielversprechend.», raunte er. Er beugte sich zu mir hinunter und biss leicht in meine Lippen. «Das sollte es auch sein.», hauchte ich und entwand mich seiner komischen Umarmung. Ich fand es schön, dass er und ich miteinander spielten. Fiel es ihm auf, dass wir manchmal unsere Vereinbarung verletzten und mehr als Sex und Küsse machten? Auf jeden Fall würde ich nichts verraten.

«Was sollte ich anziehen? Zur Disco?», fragte ich Adrian. Da wir diesmal in meinem Zimmer waren, musste ich nur aufstehen und den Schrank öffnen. Das tat ich und nahm einige Kleider raus sowie heiße, kurze Röcke und Tops. Ich schlüpfte aus meiner Kleidung und meiner Unterwäsche und schmiss es in den Wäschekorb. «Gibst du mir die Tasche mit den neuen BHs und Slips?», fragte ich Adrian, der bis jetzt still gewesen war. Ich suchte weiter ein paar Kleider und hörte wie er die Tasche nahm und zu mir ging. «Du siehst so sexy aus.», flüsterte er und küsste meinen Nacken.

Ich stöhnte und genoss die Zärtlichkeit von ihm. Er streichelte meinen Rücken, küsste ihn und ich war verloren. Der Typ hatte es so einfach mit mir. «Ich sollte mich fertig machen. Und duschen sollte ich auch noch.», hauchte ich. «Da sollte ich dich nicht aufhalten. Weißt du schon, dass es zu zweit doppelt so viel Spaß macht?» Ich nahm seine Hand und zog Adrian mit.

 

 

****

«Ist dir schon aufgefallen, dass deine Stimmungsschwankungen weg sind?» Adrian zog sich Boxershorts und eine schwarze Hose an. «Ja, ich fühle mich glücklich.», sagte ich kichernd. «Das freut mich zu hören.» Ich zog mir einen schwarz-roten BH und das passende Unterteil an. Beim BH entfernte ich die Träger und zog mir ein schwarzes, schulterfreies und enganliegendes Minikleid mit Herzchenausschnitt an.

Dazu zog ich meine schwarzen, an der Seite Steinchen besetzten, Pumps an und fing an mein Haar zu machen. Ich steckte die vorderen Haare mit einer Spange nach hinten und fing an mich zu schminken. Adrian war inzwischen in seinem Zimmer und suchte sich ein Oberteil. «Willst du Aufsehen erregen?» Ich drehte mich zur Tür, wo Adrian stand und grinste.

«Das gleiche könnte ich dich auch fragen?», gab ich zurück. Er hatte ein dunkelblaues Shirt an, das seine Muskeln und seinen Oberkörper richtig gut zur Geltung brachte. Seine Haare waren lässig gestylt und er fuhr sich durch die Haare.

«Sexy, sexy.», sagte ich und stolzierte zu ihm. «Du bist mehr als wie sexy. Du bist eine richtige Sexbombe.» Ich schlang meine Arme um ihn und zog ihn zu mir. Ich sah zu ihm auf und beobachtete ihn. Seine Augen schienen auch mich zu beobachten und er lächelte mich verführerisch an. «Wie soll ich so lange warten?», fragte er. «Vieleicht musst du gar nicht so lange warten.», schnurrte ich und streichelte sanft seine Arme. Bekam ich nie genug von diesem Jungen? Am liebsten würde ich ihn jetzt aufs Bett schmeißen, langsam zu ihm kommen und sein Shirt ausziehen...

«Was denkst du denn?», fragte Adrian. «Wie ich dich langsam ausziehe.», sagte ich und berührte sein Shirt. «Das gefällt mir. Willst du jetzt gleich oder später?» Ich entfernte mich von Adrian und nahm meine Tasche. «So weh es auch tut, aber wir werden es auf später verschieben müssen.» Ich ging und Adrian ging mir seufzend hinterher. Unten wartete der Chauffeur auf uns und brachte uns in die Disco. «Diesmal gehen wir in eine andere. 'La Notte' ist die angesagteste hier.», sagte Adrian. Ich kuschelte mich an ihn, was ihn wieder nicht störte, obwohl das nicht bei unserer Abmachung dabei war. 'La Notte' – die Nacht – war schon von außen stilvoll und voller Menschen.

«Da sind aber viele.», murmelte ich und wir stiegen aus. «Paolo! Schön Sie wieder zu sehen.» Paolo, wie sich herausstellte, war der Türsteher. «Mr. Adrian DiMonti. Wer hätte gedacht, dass wir Sie je wieder sehen würden. Und das in schöner Begleitung.» Paolo drückte Adrian kurz und gab mir dann die Hand.

«Paolo.», begrüßte er mich.

«Kim.»

Adrian legte wieder einen Arm um meine Taille, gab Paolo einen fünfzig Euro Schein, der sich lächelnd dafür bedankte und führte mich hinein. Innen war es ein wenig düster. Laute Musik war zu hören und ich war umgeben von Menschen. Mir gefiel die Atmosphäre, die dieser Club ausstrahlte. Die Musik zog mich sofort zur Tanzfläche und ich fing an zu tanzen. Adrian beobachtete mich und grinste. Ich lächelte zurück und tanzte nun ein wenig schneller und viel mehr sexy. Ich bemerkte wie Adrian darauf reagierte und ehrlich? Mir gefiel was ich sah.

Ich kam tanzend auf Adrian zu, legte die Arme um seine Schulter und ging rückwärts wieder zur Tanzfläche. Als ein Katy Perry Lied kam, kreischte ich und Adrian sah mich belustigt an. Sagen tat er jedoch nichts. Ich entfernte einen Arm von Adrians Schulter und ließ sie frei herunterbaumeln. Dann entführte mich Adrian in eine andere Welt. In einer Welt, wo es nur ihn und mich gab. Wo wir zwei tanzten und uns anlächelten. Wo ich den Kopf auf seiner Schulter hatte und er mich mit langsamen Schritten führte. Ich fühlte mich super, lebendig und frei. Ich wusste, dass wir nicht ewig tanzen würden und nach vier Liedern, brachte mich Adrian zur Bar. Er bestellte uns Wodka-Redbull und sah sich um.

Ich folgte seinem Blick und entdeckte einen Mann in Adrians Alter, der auf der Couch mit ein paar anderen Jungs herumlümmelte. Ich hinterfragte nichts, obwohl ich schon neugierig war. Doch ich blieb still und trank einen Schluck. Dieses Mal wollte ich nicht viel trinken, ich wollte nicht betrunken sein. Ich ließ meinen Blick wieder durch den Club schweifen.

Der Gedanke ließ mich nicht los, dass diese Typen irgendwas mit seiner Vergangenheit zu tun hatten. Nichts Gutes auf jeden Fall. In meinem Kopf ratterte es und ich überlegte fieberhaft, womit sie zu tun haben könnten. Und dann stellte ich mir die Frage, ob Adrian dorthin gesehen hatte oder einfach nur durch die Gegend sah. Mein Gefühl sagte mir, dass diese Typen Adrian kannten. Und dass sie sicher keine Freunde waren. Nach dem zweiten Wodka-Redbull, musste ich aufs Klo. Ich stellte mein Getränk auf den Tresen. «Ich geh schnell aufs Klo.»

Ich sprang von meinem Hocker, gab Adrian einen Kuss und verschwand, um das Klo zu suchen. Ich sah mich ein wenig um, damit ich einen Überblick bekam. Ich scheiterte kläglich. Das einzige, das ich sah, war Menschen und noch mehr Menschen.

«Soll ich dir helfen?»

Erschrocken drehte ich mich um und – Gott stehe mir bei – der unheimliche Typ stand vor mir. Ich musste mir eingestehen, dass er nicht schlecht aussah mit seinen braunen Haaren, den blaugrauen Augen und dem grauen Hemd das er mit einer lässigen schwarzen Hose trug. «Nein, danke.», sagte ich und wollte gehen, doch der Junge hielt mich auf. «Einen Gentleman weist man doch nicht ab, oder?» Ich lächelte ihn an. «Wenn er so tut wie du, dann schon!» Ich riss mich von ihm fort und ging weiter. Der Typ ging neben mir nach. «Hübsches Kleid, übrigens. Damit siehst du richtig scharf aus.» Ich stöhnte. «Nur schade, dass du nie das darunter sehen wirst!», fauchte ich und sah schnell zur Bar, wo Adrian saß. Oder sitzen sollte, denn er war nicht da. «Bist du dir da sicher?»

Sein Lächeln war schmutzig und machte mir ein bisschen Angst. Bei solchen Typen hielt man lieber Abstand. Bevor ich was sagen konnte, hörte ich eine vertraute Stimme hinter mir. Adrian. «Dich kann man keine Sekunde aus den Augen lassen und schon hast du männliche Gesellschaft.» Ich strahlte Adrian an. «Ich wollte eigentlich nur aufs Klo. Und der hier wollte mich nicht in Ruhe lassen.», antwortete ich. Der Typ sah Adrian an und sein Gesichtsausdruck wurde wütend. «Sieh an, sieh an. Adrian DiMonti. Wir alle dachten du wärst in einer Besserungsanstalt.»

Ich klammerte mich an Adrian. «Falsch gedacht, Luke.», gab er zurück. «Ich habe die beste Gesellschaft die man sich erhoffen kann.», fügte Adrian hinzu. «Du bist immer noch das gleiche Arschloch von früher.», sagte Luke, «Wem hast du die Kleine weggeschnappt?» Adrian lachte. «Immer noch sauer, dass Cheryl einen Mann und kein Baby wollte? Sie kam zu mir und wollte mit mir schlafen. Sie ging freiwillig.» Ich merkte, dass das Fass bei Luke überlief. Das war ein heikles Thema gewesen.

«Jungs!», schrie er und die drei von vorher kamen. «Ihr kennt doch noch Adrian. Er sollte uns nie vergessen, Jungs.»

Ich sprang vor Adrian, ehe er mich aufhalten konnte. «Können wir nicht einen anderen Weg finden?», flehte ich. Luke grinste. «Wir sollten einen Ausgleich machen. Das wäre nur fair. Schlaf mit mir und Adrian wird nichts geschehen.» Luke lag schneller auf dem Boden als wie gedacht. Adrian beugte sich funkelnd über Luke. «Du elendes Schwein. Halte sie da raus!», schrie er. Das war das Stichwort gewesen. Alle drei Jungs schmissen sich auf Adrian. Ich schrie auf, niemand der Gäste ging dazwischen. Alle machten einen riesigen Bogen um sie. «Halt! Halt! Stopp!! Luke ich mache es! Lasst nur Adrian in Ruhe!», kreischte ich. Luke grinste und schrie ihnen, dass sie aufhören sollten.

Ich kniete mich zu Adrian.

«Was hast du gemacht?», flüsterte er. Sein Anblick war schrecklich und übel. «Das einzige, das sie aufhalten konnte.» Zumindest schnell genug, bevor sie Adrian noch umbrachten. «Aber zuerst will ich, dass Adrian im Hotel ist. In Sicherheit vor dir.» Luke sah Adrian ab. «Du hast gehört. Hau ab!» Adrian blieb neben mir auf dem Boden. «Du es.», flüsterte ich, «Ich werde ihn schon irgendwie entkommen.» Wie genau wusste ich zwar nicht, aber das sagte ich nicht. Adrian bewegte sich keinen Zentimeter und ich nahm mir sein Handy. «Wie heißt unser Fahrer?» Adrian nannte einen Namen und ich wusste, dass er nicht log. Frederik. Den Namen hatte er schon mal erwähnt.

«Ich werde nicht aufstehen. Nicht bevor du da neben mir im Wagen sitzt!» Ich schüttelte den Kopf und rief den Chauffeur an. «Wir warten vor dem Club.», sagte ich und legte auf. Ich stand auf. Adrian tat es auch und hielt sich an mir fest. «Wir bringen dich jetzt hinaus, Adrian.» Luke und die anderen gingen hinter uns. Der Abend hatte so schön begonnen und endete in einen Desaster. «Der Fahrer soll bei der nächsten Ecke warten.», flüsterte ich.

Adrian war einige Meter vor uns.

Ich stand in der Mitte der Jungs. Mein Instinkt hatte recht gehabt. Es waren keine Freunde gewesen. Adrian stieg ein und fuhr weg. «Ihr wisst schon, dass das total unfair war? Ihr wart in der Überzahl!» Luke zuckte mit den Schultern.

«Mir egal. Die Frage ist nur, warum du es getan hast?»  Ich hielt meinen Bauch, hoffte, dass ich nicht kotzen würde, so schlecht ging es mir gerade. Einen kurzen Moment wurde mir schwarz vor Augen, aber ich schüttelte es sofort wieder weg. «Liegt das nicht auf der Hand?», fragte ich bissig und Luke grinste. «Wir haben eventuell vergessen zu erwähnen, dass du mit uns allen schlafen musst.» Die anderen schrien und das war der Moment, wo ich zuschlug.

Ich befreite mich so schnell von meinen Pumps, dass sie kaum reagieren konnten. Der Überraschungsmoment war auf meiner Seite. Die Pumps schmiss ich auf zwei der drei Jungs. Ich erwischte wie gewollt die Kronjuwelen und schlug Luke mit meiner Tasche. «Hilfe! Hilfe!», schrie ich. Irgendjemand würde einer Frau doch helfen? Zwei Jungs rannten zu mir und sahen was geschehen war. Sie schnappten sich die Typen, während ich meine Pumps anzog und das Weite suchte. Ich sah die Limousine und sprintete schneller. Das hatten sie davon wenn sie sich mit mir anlegten. Ich öffnete die Tür und lächelte Adrian an.

«Habe es geschafft.», jubelte ich und fiel um.

 

Kapitel 17 – Mittwoch, 1. Mai 2013

Ich erwachte wie gewöhnlich in einem Bett. Neben mir lag Adrian und hielt mich fest im Arm. Er sah jetzt viel besser aus. Nicht mehr mit Blut beschmiert. Nur sein rechtes Auge war blau und ein Teil der Lippe war aufgesprungen.

«Adrian?»
Ich rüttelte ihn und nach langem wachte er endlich auf. «Kimmie.» Er zog mich zu sich und hauchte mir einen Kuss auf den Mund. «Wie geht es dir?», fragte ich und berührte sanft sein blaues Auge. «Das hättest du nicht tun sollen. Gestern, dass alles war zu gefährlich.»

Ich zuckte mit den Schultern.

«Bevor sie dich umbringen, hätte ich alles getan.», flüsterte ich. «Das war trotzdem zu gefährlich. Sie können stark sein. Wie hast du das überhaupt geschafft, dass du abhauen konntest?» Ich grinste. «Meine Schuhe und die Tasche waren sehr nützlich. Aber dann haben mir noch zwei andere Jungs geholfen und da bin ich dann einfach gelaufen. So schnell ich konnte.» Ich kuschelte mich näher an ihn. «Ich musste es tun. Sie haben alle geglaubt, dass ich ein armes Mädchen bin, das sich nicht verteidigen kann!» Aber da hatten sie falsch gedacht, ich konnte wie eine Furie sein. Vor allem, wenn Menschen in Gefahr waren, die mir was bedeuteten. «Der Überraschungsmoment war von Vorteil.», fügte ich lächelnd hinzu. «Ich habe dir noch gar nicht gedankt.», flüsterte Adrian und sah mich liebevoll an. Ich krallte meine Hände in seine Brust, lächelte ihn an und unsere Lippen berührten sich gleich. Adrian packte mich und küsste mich eifrig, durchforschte meine Mundhöhle mit seiner Zunge. Ich gab mich dem Kuss vollkommen hin, berührte seine Muskeln und blieb bei seinem Herz stehen.

Ich wusste, dass ich nicht ewig so weiter tun konnte.
Ich liebte diesen Jungen und wenn er nicht dasselbe fühlte, musste ich einen Schlussstrich ziehen. Doch das wollte ich nicht, denn das hieß, dass wir weder zusammen noch Freunde waren. Ich hätte ihn verloren… Dieser Gedanken trieb mir Tränen ins Auge, die meine Wange hinunterliefen. Adrian entfernte sich von mir und sah mich verwirrt und geschockt an.

«Kimmie?»

Er drückte mich fest und ich weinte mich an seiner Schulter aus. Es war schon komisch, dass ich so lange weinte, denn nach einer halben Stunde war ich immer noch nicht fertig. «Kim?», wiederholte er sich und streichelte meine Wange. «Ich bin heute nur etwas emotional.», ich wischte meine Tränen weg, während Adrians Blick immer noch gleich geschockt war. «Warum weinst du denn?», flüsterte er und ich schüttelte den Kopf. Auf einmal kam ich mir richtig blöd vor. Ich weinte, weil meine Gedanken, dass ich Adrian verlieren würde, mich zum Flennen gebracht hatten. Also log ich. «Wegen gestern. Luke war ein Arsch.», sagte ich leise und Adrian drückte mich fester. «Ich hätte dich nicht alleine lassen sollen.», gab er zurück. «Nein! Das war genau das was ich wollte. Wie hätte ich sie sonst abschütteln können?» Er küsste eine Träne weg, die noch meine Wange hinunterlief. «Weine nicht.» Ich lächelte ihn an. «Das war die letzte.» Das brachte Adrian zum Schmunzeln und er küsste mich kurz.

«Gut.»

Er stand vom Bett auf und reichte mir die Hand, die ich dankend annahm. «Was hast du vor?», fragte ich und Adrian grinste. «Ich habe Hunger bekommen.», er streichelte meinen Bauch. «Hat deiner keinen?» Ich sah hinunter und in dem Moment musste ich kotzen. Ich sprang ins Klo und übergab mich. «Das heißt wohl nein» Er hielt meine Haare fest und ich wischte mir mit dem Klopapier den Mund ab.

«Ja, das heißt es.», murmelte ich und fügte hinzu: «Ich hätte nichts trinken sollen.»

Adrian nahm mich in den Arm.

«Ich werde dir einen Tee hinaufbringen lassen.» Er brachte mich in mein Zimmer und deckte mich zu. Dann verschwand er kurz ließ mich alleine. Das war der Preis, wenn man Alkohol trank… Ich kuschelte mich enger in die Decke und hoffte zu sterben. Ich hielt meinen Bauch fester und unterdrückte ein erneutes Brechen. Warum brauchte Adrian so viel Zeit? Ich schloss mein Augen und schlief mit einer Übelkeit ein.

 

 

****

Als ich die Augen öffnete, roch ich sofort den Pfefferminztee, den Adrian mir gebracht hatte. Ich drehte mich leicht und sah Adrian neben mir, der mich angrinste. «Du hast mich nicht geweckt.», flüsterte ich. «Ich wollte dich nicht wecken.» Ich nahm den Tee in die Hand, der noch warm war und trank einen Schluck. «Geht es dir besser?», fragte er und ich nickte.

«Ja, mir geht es gut»

Ich stellte den Tee wieder ab und sah ihn an. «Hast du Hunger? Ich habe etwas übrig gelassen.», er deutete auf den Schreibtisch, wo nicht nur ‚Etwas‘ lag. Es fing an mit Pfannkuchen, Omeletts, Muffins, Brote bis hin zu Butter, Nutella, Orangensaft und einen gut duftenden Kuchen. Ich schüttelte den Kopf. «Ein bisschen später.» Ich stand vom Bett auf und ging. Spürte die Blicke von Adrian, die mir folgten. In der Luft hing die Frage wohin ich ging, doch er stellte sie nicht. Ich öffnete die Tür und ging ins Bad, wo ich mir die Zähne putze und mein Gesicht wusch. Meine Haare kämmte ich und machte einen Knoten, damit sie mir nicht ins Gesicht fielen. Dann sah ich mich im Spiegel an und stellte fest, dass ich ein wenig blass war. Das würde jedoch vergehen.

«Adrian?», ich ging wieder ins Zimmer, wo er immer noch dort lag und mich musterte. «Was?» Ich lag mich neben ihm und sah zur Decke. «Sorry, dass ich unseren Tag ruiniert habe. Wir wollten ja eine Schiffsfahrt machen.» Adrian winkte sofort ab. «Das habe ich schon verschoben. Wir sollten in nächster Zeit nichts mehr trinken. Mir war heute auch schon schlecht. Das liegt wohl an dem Wodka-Redbull. Vielleicht war es nicht mehr gut.» Ich kicherte. «Das habe ich mir schon gedacht. Mein Magen empfindet das noch schlechter als andere.» Ich streckte mich und gähnte kurz. «Was hast du heute schon gemacht?», wechselte ich das Thema. «Neben dir im Bett gelegen. Was gegessen und das war es. Tee weiter trinken!» Ich nahm meinen Tee in die Hand und schlürfte daran.

«Besser so?», murmelte ich und verhob mir ein Grinsen. «Ja. Wie gut geht es dir?» Ich kniff meine Augen zusammen. «Gut?», ich stellte den Tee wieder, ab und sah ihn fragend an, «Was hast du vor?» In einer Sekunde lag er auf mir und hielt meine Hände fest. Seine Lippen waren genauso schnell auf den meinen und ich hielt ihm meinem Kopf hin. Meine Klamotten lagen schon auf dem Boden, als ich ihm gerade das Shirt ausziehen wollte.

«Hast du es eilig?», fragte ich zwischen zwei Küsse. «Ja, ich warte schon lange darauf.» Da ich ihm wahrscheinlich zu langsam war, zog er seine Hose selber aus und nahm meine Lippen wieder in Besitz. Er knabberte an meiner Lippe und ich stöhnte auf. Die Worte ‚Ich liebe dich‘ hingen mir im Magen, sie wollten hinaus, doch ich drang sie zurück. Wenn mir das herausrutschte war es vorbei. Nach weiteren Küsse waren wir völlig nackt und ich sah, wie Adrian ein Kondom überstreifte. «Wie immer eines parat.», flüsterte ich und zog ihn zu mir, als er mich angrinste.

«Komm her.», ich schmunzelte. «Das brauchst du mir nicht zweimal sagen.», er strich mir ein Haar aus dem Gesicht und zwinkerte mir zu.

 

 

****

Ich war fix und fertig. Adrian lag immer noch halb auf mir, war immer noch in mir. «Zweimal?», flüsterte ich völlig außer Atem. Heute hatte er mich echt auf Trab gehalten. «Ich konnte dir nicht widerstehen.», er zog sich aus mir zurück und stand auf.

«Jetzt sollte ich mir aber meinen Schweiß abduschen.»

Ich nickte ihm immer noch müde zu und versuchte meinen Körper zu beherrschen. Adrian ging ins Bad und ich sah ihm lächelnd hinterher, wohlwissend, dass er wollte, dass ich mitkam. Aber wohin würde das führen? Zu unserem dritten Sex innerhalb von einer Stunde. Dafür hatte ich jedoch keine Kraft. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn. Eine Runde zu baden klang gar nicht schlecht. Ich stand – ebenfalls nackt – auf und ging in dasselbe Bad. Ich hörte Adrian unter der Dusche und ich ging zum Spiegel um mich anzusehen. Die Blässe war verschwunden, dafür war jetzt eine leichte Röte zu sehen, die wegen den ganzen Aktivitäten zu tun hatte.

«Kommst du doch?», hörte ich Adrian fragen und ich lachte. «Nein! Ich gehe in die Badewanne.» Adrian drehte das Wasser ab und lugte aus einem Spalt hinaus, den er geöffnet hatte. «Schade. Ich hatte mich schon richtig gefreut.» Ich schüttelte dennoch den Kopf. «Noch eine Runde halte ich nicht aus.», ich ließ Wasser in die Badewanne laufen und drehte mich wieder zu Adrian. «Geh weiter duschen und beobachte mich nicht so.» Ich schüttete Aroma in die Wanne und wartete sehnlich darauf, dass genügend Wasser vorhanden war. Nach fünf Minuten war es soweit und ich ging hinein. Adrian war inzwischen in einen Bademantel geschlüpft und setzte sich an den Rand der Wanne.

«Du verschwendest Wasser.»
Ich lachte auf.

«Das ist das kleinste Problem! Eigentlich das einzige.» Adrian beobachtete mich und ich warf ihm einen fragenden Blick zu. «Nichts.», murmelte er und stand auf. Er putzte sich die Zähne und sah auf sein Handy, während er sich den Mantel abzog. Ich musterte ihn und fragte mich, wie jemand nur so aussehen konnte. Er war so muskulös, sah aus wie aus einem Unterwäschemagazin. Unglaublich sexy. «Deine Blicke fressen mich langsam auf.» Ertappt sah ich ihn verlegen an.

«Zieh deinen Bademantel wieder an!», forderte ich ihn auf. «Ich muss mich davor noch eincremen, meine Liebe.» Ich verdrehte die Augen und widmete mich wieder meiner Badewanne. Ich nahm einen Schaum in die Hand und blies ihn zu Adrian. Sein ‚Nein‘ war nicht mal über seine Lippen gekommen, da hatte er ihn schon im Gesicht und auf seinen Bauch. «Warum?», fragte er mich grinsend und kam mir näher. «War gerade so verlockend.», ich kicherte. Ein Grinsen verzierte sein schönes Lächeln. «Hauptsache du hattest deinen Spaß.» Er drehte sich abrupt um und nahm die Creme in die Hand. «Ich werde mich jetzt eincremen.» Er verschwand und ließ mich alleine.

War er etwa sauer?

Die Lust am Baden war mir gründlich vergangen und fünf Minuten später war ich schon draußen. Ich zog mir einen Bademantel an und trocknete meine Haare mit einem Handtuch, das ich schließlich wie einen Turban um meine Haare tat. Ich ging in mein Zimmer, wo ich einen Adrian erwartet hatte. Keiner war da. Ich nahm meine eigene Körpercreme in die Hand und cremte mich ein. Dann streifte ich mir ein leichtes Shirt über und zog eine Jogginghose an.

«Adrian?!», schrie ich dann und öffnete ich sein Zimmer, wo er im Bett lag und ein Buch las. Er sah zu mir und ich kam mir vor wie ein Einbrecher. Ich setzte mich auf die Bettkante und starrte ihn an. Da ich nichts aus meinem Mund kam, widmete er sich wieder dem Buch. Ich kroch zu ihm und kuschelte mich an ihn. «Bist du vielleicht sauer auf mich?», fragte ich und er schüttelte den Kopf.

«Das steht mir gar nicht zu. Wir haben eine rein körperliche Beziehung. Vielleicht sollten wir uns beide nur auf das körperliche beschränken.»

Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Ich stand vom Bett auf und verließ den Raum. «Das sollten wir!», ich schlug die Tür zu und ging in mein Zimmer, wo ich mir das sämtliche Frühstück hineinsteckte. Zwar war es schon nach drei Uhr nachmittags aber das war mir egal. Die Tränen flossen meine Wange hinunter und ich versuchte sie nicht wegzuwischen. Wenn Adrian mich jetzt hören würde, würde er sich sicherlich seinen Teil denken und der war nicht gut.

Dennoch hatte ich mich nicht im Griff.
Lange Zeit war vergangen, bis ich schließlich aufhörte und mir die Tränen abwischte. Auf keinen Fall wollte ich hier noch länger bleiben. Was war aus dem Urlaub geworden, den ich mir vorgestellt hatte? Adrian war passiert! Er und seine dämliche Ideen. Draußen schien die Sonne und ich zog mir einen Bikini an und dazu einen Rock mit einem Top. Nahm meine Sonnenbrille und schlüpfte in Flip-Flops. Auf einem Beistelltisch hinterließ ich einen Zettel mit folgender Nachricht:

 

Bin ein wenig am Strand. Komme so gegen halb sechs.

Kimberly

 

Den Weg hinunter versuchte ich so lächelnd wie nur mir nur möglich war. Ich wollte nicht, dass jemand dachte, dass ich geweint hatte. So tief würde ich nicht sinken. Das Hotel hatte uns für die Dauer unseres Urlaubes zwei Liegen reserviert. Eine der besten, die es hier gab. Schon als ich mich hinlegte, kam eine Kellnerin und fragte, was ich wollte.

«Einen Sommercocktail mit einem Schuss Alkohol. Nein! Mit viel, bitte.» Ich versuchte zu lächeln, doch es misslang mir, weshalb ich sofort wegsah. Es passierte eigentlich nie, dass ich meine Sorgen in Alkohol ertrank. Vor allem, da ich es bei Adrian hasste. Diesmal aber, war es mir egal und ich wollte nur ein wenig trinken. Ich brauchte nicht viel und mir war alles gleichgültig.

Und genau das wollte ich erreichen.
«Ihr Sommercocktail, Signorina.»

Dieses Mal stand vor mir ein Junge, der mich schüchtern angrinste. Er war in meinem Alter und ich bemerkte sofort, wie er mich anstarrte. «Vielen Dank.» Ich nahm den Cocktail in die Hand und der Junge ging wieder. Ich beobachtete ihn, bis er von meiner Bildfläche verschwand. Er war nicht schlecht. Seine blonden Haaren erinnerten mich an einen Surfertyp, die dunkelbraunen Augen an Tantes Schreibtisch, der ebenfalls so dunkel war. Es war das erste Mal, dass ich ihn nicht mit Adrian verglich.

Das brachte mich zum Lächeln. Der erste Schritt wurde gemacht. Innerlich stieß ich auf einen kleinen Fortschritt an und trank einen Schluck. Danach legte ich den Drink neben mich und setzte meine Sonnenbrille auf. Ein wenig Sonne tanken klang einfach nur gut.

 

 

Teil 2

 

****

Wieder einmal musste ich feststellen, dass ich im Eifer des Gefechts mein Handy oben liegen gelassen hatte. Der Schlüssel daneben. Ich wusste nur, dass ich nach diesem Cocktail aufhören sollte. Es war mein dritter, soweit ich weiß und so langsam fing ich an, mit dem Jungen zu flirten. «Hey!», schrie ich ihm nach, nachdem er an mir vorbeiging.

Er blieb stehen und sah mich fragend an.

In meinem Kopf ermahnte ich mich, dass ich ja nichts Dummes anstellen sollte. «Wie spät ist es?» Er sah auf seine Armbanduhr. «In einer Viertelstunde ist es Sechs.» Wie der Blitz sprang ich auf und fluchte. «Verdammt!» Ich trank den Cocktail schnell aus und ignorierte die Blicke von dem Jungen, wessen Name ich nicht mal wusste. Als ich an ihm vorbei ging, überreichte ich ihm das Glas und lächelte. «Ich hätte vor einer Viertelstunde im Zimmer sein sollen.», verteidigte ich mich und er grinste. «Werde ich Sie je wiedersehen?», fragte er scherzhaft und ich grinste. «Ich glaube schon. Wie heißt du?» Nun fing er auch an zu lächeln. «Antonio.»

Er reichte mir seine Hand, die ich schüttelte. «Kim. Wir werden uns wiedersehen, Antonio.» Ich setzte meine Sonnenbrille wieder auf und ging – die Flip-Flops in meiner rechten Hand – hinauf in das Penthouse. Dort rannte Adrian hin und her und sah mich dann erleichtert an. «Wolltest du nicht um halb Sechs hier sein?» Ich zuckte die Schultern. «Wurde ein wenig später. Unten war ein süßer Junge.», ich winkte sofort ab, «Ich bin in zehn Minuten fertig.»

Im Zimmer zog ich mir eine knallenge, aber elegante Jeans an mit einem leichten Pulli. Ich suchte im Schrank nach passenden Pumps und entschied mich für cremefarbene, da der Pullover die gleiche Farbe hatte. Mein Haar kämmte ich nochmals durch und machte einen straffen, hohen Pferdeschwanz. Im Bad schminkte ich mich und war in genau zehn Minuten fertig. «Wir können gehen.», sagte ich kühl und ignorierte die Hand von Adrian.

«Bist du jetzt sauer?», wurde ich gefragt. «Nein, wir bleiben auf einer körperlichen Ebene, bitte.» Adrian sah mich verdutzt an. «Das war ja unser Deal. Ich dachte nur, dass … dass du …», er unterbrach sich und beendete den Satz nicht mehr. Ich wollte dazu auch nichts mehr sagen und war froh, als wir uns unten im Restaurant setzten. Zu meinem Pech bediente der Junge – Antonio – hier ebenfalls. Und er hatte unseren Tisch.

«Ich wusste gar nicht, dass Sie einen Freund haben.», begrüßte er mich. Ich lächelte. «Oh nein! Das ist doch nicht mein Freund. Wir haben nur Sex.» Ich wusste, dass das ein wenig direkt war, aber ich wollte Adrian ein wenig foltern. Ich wollte, dass er wusste, dass ich nicht sein Spielzeug war. Dass ich auch Interesse an anderen Typen hatte. Adrian mischte sich nicht ein, obwohl er ziemlich wütend den Jungen ansah. «Kann ich endlich bestellen?!», fauchte er ihn schließlich an, nachdem Antonio die ganze Zeit mich anstarrte und Antonio wendete dann den Blick von mir ab. Plötzlich fing Antonio an zu stottern. «Mr. … Mr. DiMonti? Was … wollen Sie … bestellen?»

Mein kleiner Triumph wurde zu Sand und glitt durch meine Finger hindurch. Toll! Er kroch Adrian in den Arsch! Der grinste nur und bestellte uns beiden was. «Hässlich ist er ja nicht.», gab er zu, als er wegging und meine Laune erreichte den Tiefpunkt. «Dann kannst du ja ihn vögeln.», sagte ich bissig und griff mir auf den Mund. Niemand hatte es gehört. Außer Adrian. «Warum? Ich bin zufrieden mit dir.» Er sah sich um und sein Blick blieb bei einem Plakat stehen. Ich musterte ebenfalls das Plakat. «Karaoke?», fragte ich. «Warum nicht. Kannst du singen?»

Ich nickte.

«Die Frage ist, ob du kannst.» Er nahm meine Hand. «Ich singe großartig.», er küsste sie und sah mich entschuldigend an, «Sorry, dass ich so komisch war.» Ich lächelte leicht. «Entschuldigung angenommen. Und ich war nicht ganz unschuldig.» So schnell hatten wir uns wieder vertragen… Doch so ganz verzieh ich ihm das nicht. Es hatte mich verletzt, dass er plötzlich so auf Abstand ging, doch ich konnte es wohl kaum ansprechen, sonst müsste ich ihm meine Gefühle gestehen. Den ganzen Abend, während Adrian und ich aßen, beachtete ich Antonio nicht. Er war ein Schleimer. Nachdem wir mit dem Essen fertig waren, verschwanden wir und Adrian führte mich zum Strand.

Wir hielten weder Hand, noch waren wir uns nahe. Ich ging einige Zentimeter neben ihm und starrte die Wellen an. Um halb acht war der Strand noch hell, was an dem Mond lag, der hell über uns schien. Die Sonne schien zwar nicht mehr, aber es war trotzdem noch angenehm warm. «Wie war dein Buch?», hakte ich nach, um endlich die peinliche Stille hinter uns zu lassen. «Ganz okay.», gab er zurück und ich verdrehte die Augen. Wie konnte ich da ein Gespräch beginnen? Da Adrian es auch nicht versuchte, blieb ich ebenfalls still und hing meinen Gedanken nach. Adrian führte mich den Strand entlang, bis er an einem großen Stein stehen blieb. Er sprang hinauf und reichte mir die Hand. Ich nahm sie und er zog mich hoch. Es war ein schöner Anblick. Wir sahen den Wellen zu und betrachteten die Sterne, die man im Wasser ein wenig erkennen konnte. Ich kuschelte mich nicht an Adrian. Er würde nur wieder auf Abstand gehen. Also saßen wir da und starrten in die Wellen.

Der Mond beleuchtete das Wasser. Alles wäre viel romantischer, wenn Adrian einen Arm um mich legte und ich mich an ihn schmiegte. Aber das war mir ja nicht gestattet. «Warum sind wir hier hingegangen?», fragte ich und er sah mich eine Weile an. «Ich wollte dir die Aussicht zeigen.» Ich wusste einfach nicht, woran ich bei ihm war. Ich wusste jedoch, dass ich dieses Mal weniger hineininterpretieren würde. Sex und sonst nichts. Weder einen Kuss, noch sonst was. Und ich würde es schaffen. Daran glaubte ich fest. Was war denn daran so falsch, wenn wir bloß Sex hatten? Nichts! Und das hier – egal wie schön es war – passte nicht dazu. «Wir sollten gehen. Das gehört nicht dazu.», sagte ich und sprang vom Stein. «Du möchtest schon gehen?» Ich sah ihn an.

«Nach was sieht das aus?»

Adrian kam zu mir hinunter und nahm meine Hand.

«Schon okay. Wir gehen ja.» Obwohl alles in mir diese Berührung genoss und willkommen hieß, erwiderte ich den Druck nicht und schüttelte seine Hand ab. «Willst du nicht mal meine Hand halten?», ungläubig starrte er mich an. «Hey! Das war nicht ich, die das bestimmt hat! Weißt du noch, dass du gestern meine Hand losgelassen hast. Und dass nur, weil die anderen nichts falsches denken sollten.» Adrian sah mich bestürzt an. «Lassen wir das eben auch noch.» Ich richtete meinen Blick wieder zum Weg, obwohl ich liebend gern sein Gesicht sehen würde.

«Willst du überhaupt Karaoke gehen?», fragte er schließlich. «Ja klar. Ich will Spaß haben.» Adrian grinste mich an. «Wir könnten auch anders auch Spaß haben.», fing er an und ich schüttelte den Kopf. «Heute hatten wir schon zweimal.», gab ich zurück und Adrian seufzte. «Dann gehen wir eben Karaoke…»

 

 

****

Erst um zehn Uhr wurde es allmählich voller hier. Die ersten fingen an zu singen. Ich musste zugeben, dass einige davon wirklich das Zeug hatten, andere jedoch zum Sterben schrecklich waren. Ich klatschte gerade mit einigen anderen mit, die der Frau applaudierten. Sie war um die zwanzig Jahre. Wunderschöne rote Haare und ihre Augen stachen mit einem dunkelblauen Ton heraus. Ihre Stimme war wunderschön. Sie hatte ein Lied von Bon Jovi gesungen und es erinnerte mich schmerzlich an meine Mutter. Ich wusste, dass ich nicht wieder weinen sollte, doch eine Träne hatte sich schon gelöst. Und als Adrian einen Arm um mich legte, ließ ich es zu. Nur heute.

Ich kuschelte mich an ihn, was er wiederum zuließ. Er wischte sanft die Träne weg und ich lächelte leicht. «Geht es?», fragte er mich und ich nickte. «Ja.» Die Frau verschwand von der kleinen Bühne und der Scheinwerfer traf irgendeinen Kerl, der siegessicher zur Bühne steuerte. Das Lied das er singen musste, war eines von Olly Murs. Eines das ich mochte, aber der Junge sang es zu schräg, obwohl seine Freunde ihm alle zujubelten.

«Manche können nicht singen.», flüsterte mir Adrian zu, woraufhin ich kichern musste. «Schauen wir dann, wie du singst.» Adrian winkte ab. «Besser wie der da.» Ich musterte den Jungen. «Aber gut sieht er aus.», sagte ich provokativ und Adrian sah mich scharf an. «War das dein Ernst?» Ich zuckte mit den Schultern. «Man sollte immer eine Reserve halten.»

Adrian sah mich mit zusammengekniffenen Augen an.

«Lass das!»

Ich widmete mich wieder dem Typen und war froh, als dieser endlich aufhörte. Das war der reinste Horror. Die Scheinwerfer wurden erneut eingesetzt und dieses Mal, war es wieder eine Frau. In meinem Alter mit den schrägsten Haare der Welt. Pink und Violett. Ich verhob mir ein Lachen und betrachtete ihr Outfit, das irgendwie einem Clown ähnelte.

Die gelb-grüne Hose war ihr viel zu lang, ihr gemustertes rot-blaues Shirt würde ich nie anziehen. Dafür war ihre Stimme anders.

Sie passte nicht zu ihr, war dennoch schön. Ihre Stimme hatte etwas Süßes. Sie erinnerte mich an Gabriella in High School Musical. Nur das sie vollkommen idiotisch angezogen war. Das Mädchen sang ein Lied, dass ich noch nie gehört hatte und das mir auch nicht gefiel. «Das Talent ist richtig verschwendet.», murmelte Adrian und ich stieß ihn in die Seite.

«Sie ist noch jung genug, um den richtigen Style herauszufinden.», verteidigte ich sie und Adrian musterte mich.

«Ich hoffe, dass du Recht hast.»

Nach weiteren fünf, die gesungen hatten, besserte sich die Laune der Gäste. Egal wie schlecht er sang, sie feuerten denjenigen an. Es war schon etwas traurig, da Adrian und ich die einzigen waren, die keinen Alkohol tranken. Nicht traurig für uns, sondern für die anderen. Ich wusste, dass es so kommen würde. Irgendwann kam doch jeder dran, oder? Denn jetzt war ich es, die singen musste. Die Scheinwerfer blendeten mich und ich hielt mir die Augen mit der Hand zu. Zögernd stand ich auf und ging vor. Das einzige das mir durch den Kopf ging war, dass ich ein gutes Lied bekam. Wenn ich es nicht kannte, sang ich genauso schlecht wie die anderen.

Und das vergönnte ich Adrian nicht.

Also schickte ich ein Gebet gen Himmel und sah zum Bildschirm.

«Snow Patrol – Chasing Cars.», flüsterte ich und suchte im Kopf nach, ob ich das Lied kannte. Als es anfing, musste ich grinsen, denn ich kannte es. Und ich konnte es singen. Teilweise auch ohne auf den Bildschirm zu sehen. Das Lied begann und ich fing langsam an zu singen: «We'll do it all. Everything. On our own.» Ich sah nicht zu Adrian, denn ich hatte Angst, dass er meine Gefühle erriet. Beim Refrain musste ich fast flennen. Warum hatte der Typ mir ausgerechnet dieses Lied gesucht? Bei meiner jetzigen Situation mit Adrian war dieses Lied perfekt.

Ich sang davon, dass wenn ich hier liegen würde, ob er sich zu mir liegen und die Welt draußen vergessen würde.

«Those three words. Are said too much. They're not enough.», sang ich weiter.

Ich wusste, dass ich gerade super sang. Und ein kurzer Blick zu Adrian – und ich hatte die Bestätigung. Er sah mich mit offenem Mund an. Faszinierend und unglaublich erstaunt.

Das Lied war gleich zu Ende.

Ein wenig traurig, aber dennoch froh, endlich von der Bühne hinunterzurennen, sang ich den letzten Teil und mein Herz zersprang.

«Would you lie with me and just forget the world?»

Danach brach tobender Applaus aus und ich lächelte, während ich hinunter zu Adrian ging. «Eure Ohren sind mal nicht ruiniert.», sagte ich und setzte mich. «Wie denn auch? Du singst … wie ein Engel.» Verlegen sah ich weg.

«Das stimmt nicht.», murmelte ich. «Doch. Und wie.» Ich erwiderte nichts und war froh, als der Typ anfing zu sprechen … oder war deswegen nicht froh. «Das war eine wundervolle Darbietung von …», der Typ sah zu mir und ich versank im Erdboden. «Kim!», schrie ich ihm zu und er sprach weiter: «Eine wundervolle Darbietung von Kim. Vielleicht wird sie später nochmals für uns singen?», wieder ein Blick zu mir und ich sprang in das Loch im Boden hinein. Das geschah jedoch nur im Kopf und so lächelte ich und nickte. «Da freuen wir uns. Nun geht es weiter mit…»

Der Scheinwerfer ging umher und blieb bei einer Frau stehen, die so rot wurde wie eine Tomate. Sie weigerte sich und wurde schließlich von ihren Freunden gezwungen. Ihr Lied war von Carly Ray Jepsen. Ich wollte nicht sagen, dass ich gut war, aber nachdem ich gesungen hatte, war sie die reinste Horrorvorstellung. Ihre Stimme klang düster.

Adrian verzog das Gesicht, doch ich nahm eine neutrale Miene ein. Auf keinen Fall würde ich jetzt zeigen, dass es – milde gesagt – grauenhaft war. Der Typ bedankte sich und war nett wie bei allen zuvor. Dann kam endlich Adrian und die Frauen jubelten schon, als er aufstand. Das Lied passte wie die Faust aufs Auge. ‚I`m sexy and I now it‘ von LMFAO. Toll! Brauchte er noch so ein Lied, damit er noch eingebildeter wurde. Zugegeben, Adrian sang richtig gut. Er konnte der Leadsänger einer Band sein. Verdammt, mein Herz schmolz schon förmlich dahin.

Und wenn ich nicht jetzt schon in Adrian verliebt gewesen wäre … jetzt würde ich es gewiss sein. Auch bei ihm wurde wie wild gejubelt und geklatscht. Als er grinsend zu mir kam, konnte ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.

«Und singen kannst du auch.», schwärmte ich und sein Grinsen wurde breiter. «Ist nicht schwer.», erwiderte er und drückte mir einen Kuss auf den Mund. Sofort gab ich mich dem Kuss hin und schlang meine Arme um ihn, während er mich zu sich zog. Ich kam mir echt vor wie in einem dieser romantischen Filme, denn schon wieder wurde gejubelt und in die Hände geklatscht. Als ich mich verlegen von ihm löste, sah ich, dass die Scheinwerfer auf uns zeigten. Jeder starrte uns lächelnd an. «Einen Applaus für unsere besten und verliebten Sänger. Kim und Mr. Unbekannt.»

Adrian und ich lachten, doch keiner korrigierte ihn, denn eigentlich waren wir ja nicht zusammen. Erneut wurde geklatscht und jeder rief ‚Zugabe‘.

«Die Leute wollen euch singen hören. Rauf auf die Bühne ihr zwei.» Obwohl ich nicht mehr wollte, ließ ich mich von Adrian mitreißen und ich sah auf den Bildschirm. «Barbie Girl?», fragte ich den Typen mit gerunzelter Stirn und er grinste. Adrian hatte nicht viel zum Singen, aber das was er sang war toll. Ich tanzte umher, spielte auf kleines Barbie Girl und lächelte Adrian immer wieder an.

Im Video endete das Lied mit einem Kuss auf die Wange und ich tat jetzt dasselbe.

 

 

****

«Gib zu, wir waren gut.» Ich kicherte und nickte. «Ja, das waren wir.» Nach dem Lied hatte Adrian seinen Namen genannt und wir hörten den anderen zu. Beim siebten Lied gingen wir zurück ins Penthouse. Wir hielten keine Hände, aber ich genoss die Nähe von ihm. Wie konnte ich Adrian je hassen können, wenn er so eine magische Wirkung auf mich hatte? Ich konnte die Frage nicht beantworten und somit grübelte ich immer weiter nach, bis ich schließlich Kopfschmerzen hatte. «Du warst heute ein Traum.», flüsterte Adrian im Lift und ich schmunzelte. Er legte die Arme auf meine Taille und zog mich zu sich. «Ein Traum.», wiederholte er und küsste mich leicht am Hals.

«Hey, hey!», ich versuchte mich zu befreien, doch es gelang mir nicht, «Wir werden keinen Sex haben!» Ich spürte Adrians Grinsen, bevor ich es überhaupt sah. «Das werden wir noch sehen.» Er drückte einen Knopf, damit der Aufzug stehen blieb und zog mir meinen Pullover aus. Immer wieder wiederholte er die gleichen Worte: «Ein Traum.» Als er meine Hose öffnete, wusste ich, dass ich mich ihm nicht entziehen konnte. Ich wollte ihn mehr denn je und ich zog mit einer Schnelle, die ich selbst nicht gewohnt war, seine Hose hinunter.

«Nicht so stürmisch.», sagte er grinsend und ich zuckte mit den Schultern. «Kauf dir eine neue.», murmelte ich. Zwar sah er mich fragend an, doch er stellte keine Frage sondern suchte den Weg meiner Lippen. Ich hatte nichts dagegen, schwor mir jedoch, dass das heute das letzte Mal sein würde. «Du kannst es ja kaum erwarten.» Ich grinste leicht und erwiderte: «Ich bin eben auf dem Geschmack gekommen.»

 

 

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«Das ist deine Hose.», stellte ich kichernd fest und sah an mir hinunter. Adrian tat es mir nach und lachte. «Das sehe ich.» Er kam zu mir, berührte den Saum der Hose und zog sie mir langsam aus. Dann schlüpfte ich hinaus und suchte meine Hose, die unter seinem Shirt lag. «Kann ich den Knopf drücken?», fragte er und schloss den Knopf seiner Hose.

«Jaja.», gab ich zurück und zog meinen Pullover an. Im gleichen Moment fuhr der Aufzug wieder hinauf und ich zog rasch meine Jeans an. «Die nächsten Tage werden Sex frei.» Die Türen öffneten sich und ich stieg hinaus. «Weißt du das oder willst du das?» Ich blieb stehen und sah ihn an. «Ich wollte es. Aber ich glaube kaum, dass das geht.» Die Antwort bestand aus einem Lachen. «Wie Recht du hast.», fügte er hinzu und schloss die Tür auf.

«Wie kann man nur so viele Kondome bei sich haben?», fragte ich und Adrian zuckte mit den Schultern. «Für den Notfall.» Ich schüttelte den Kopf. Typisch Adrian. So richtig Adrian. «Ich werde jetzt schlafen gehen. Gute Nacht.», verabschiedete ich mich und Adrian nickte.

«Gute Nacht, Kim.»

Im Zimmer zog ich mir sofort alles aus und zog ein langes Shirt von Adrian an, das er hier vergessen hatte. Es roch noch nach ihm und mit diesem guten Adrian-Duft schlief ich ein.

Kapitel 18 – Sonntag, 12. Mai 2013

Die restlichen Ferien vergingen wie im Flug. Ein paar Mal wurde ich wütend, wenn Adrian mich aufregte, doch nach einigen Minuten oder Stunden war alles wieder in Ordnung. Wir hatten weder Händchen gehalten noch tauschten wir Küsse. Außer wenn wir miteinander schliefen. Da küssten wir uns. Es gelang mir jedes Mal besser, nur Sex mit ihm zu haben, doch ich spürte immer mehr, wie es mich dennoch zerstörte. Wie ich langsam auseinanderfiel. Wenn ich es merkte, wurde ich sauer auf mich, weil ich nicht mit der Situation klar kam und ich aß den ganzen Tag nichts.

Adrian munterte mich auf, indem er mit mir die verschiedensten Dinge machte. Wir hatten die Schifffahrt gemacht, gingen Kanu fahren, besuchten die schönsten Gebäude und manchmal fanden wir auch einen Weg in die Disco, wo wir tanzten, ein wenig tranken und Spaß hatten. Während des Urlaubes, rief ich oft Linda und meine Tante an. Ich erzählte niemandem etwas von mir und Adrian, denn ich fühlte, dass es falsch und dreckig war. Gestern packten wir unsere Koffer, ich teilweise mit Tränen in den Augen. Wenn ich im Bett lag, wurde es mir am besten bewusst, dass ich es beenden musste. Doch ich wollte nicht. Ich brach es nicht über mich. Adrian merkte auch mit der Zeit, dass mich etwas beschäftigte, doch ich verriet ihm nicht was. «Bist du bereit?», Adrian stand zwischen dem Türrahmen und sah mich fragend an. «Ja, ich bin bereit», murmelte ich und nahm meinen Koffer in die Hand. «Frederik wird deinen Koffer nehmen.» Ich nickte stumm und ließ ihn wieder los.

Wie sollte ich dieses Gespräch nur beginnen?

Ich wusste nicht wie und das machte mich wieder verrückt. Die Fahrt dauerte ewig wie mir schien und nach einer Stunde musste ich aus der Limousine aussteigen. Ich fühlte mich unwohl, weil ich das Gespräch in die Länge zog. Ich hätte es vor einigen Tagen ansprechen sollen, vielleicht sogar schon am Anfang des Urlaubes. Stattdessen ließ ich mich darauf ein und zerstörte mich immer mehr von innen. «Können wir wieder weiterfahren, Kim.»

Kim.

Seit dem Tag, an dem wir Karaoke gegangen waren, sagte er nicht mehr Kimmie zu mir. Kimmie. Er sprach es immer so schön aus. Bei ihm klang es wunderschön. «Kim?» Ich drehte mich zu ihm um und nickte schwach. «Ja, wir können gehen», flüsterte ich und stieg wieder ein. «Adrian?» Ich war mir sicher, dass ich es jetzt sagen sollte. Keine Sekunde mehr verheben. «Ja, Kimmie?» Ich drehte mich zu ihm und sah ihn einige Sekunden lang an. Hatte er gerade Kimmie gesagt oder täuschte ich mich. «Hast du gerade Kimmie gesagt?», fragte ich. «Ja. Tut mir leid.»

Ich schmunzelte und auf einmal wollte ich es nicht mehr sagen. ‚Sorry, ich kann nicht mehr weitermachen.‘ Es war einfach zu schwer. «Danke für den Urlaub.» Adrian nickte und schenkte sich ein Glas Champagner ein. «Möchtest du auch einen?», er hielt mir die Flasche hin und ich schüttelte den Kopf. «Ich sollte nicht so viel trinken. Früher habe ich auch nie so viel getrunken wie im Urlaub.» Das brachte Adrian zum Lachen. «Okay. Für Mrs. Anti-Alkohol-Kim gibt es nichts.» Endlich fühlte ich mich wieder wohl bei ihm. «Aber ein Wasser wäre gut», ich sah ihn fragend an und er schenkte ein Glas mit Wasser ein. «Vielen Dank», sagte ich kichernd und er grinste mich an.

«Da ist ja wieder meine alte Kim.» Ich trank einen Schluck und erwiderte dazu: «Und du bist auch wieder der alte.» Adrian lehnte sich weiter zu mir vor. «So? Ich bin nicht der alte gewesen?» Er strich mir durchs Haar und streichelte zärtlich meine Wangen. Ich ließ seine Berührungen zu, denn es würden die letzten sein. Außer er gestand mir seine Liebe …. und das war so gut wie hoffnungslos. Leider… Seine Lippen trafen meine Lippen und seine Zunge spielte mit meiner. Unser Kuss wurde immer wilder, bis ich mich schließlich zurückbremste und ein bisschen weniger Gas gab. Adrian schien das nicht zu stören, aber er rückte näher zu mir. Ich berührte seinen Bauch und unterdrückte ein Stöhnen. «Vielleicht sollten wir das lassen, Adrian», flüsterte ich und Adrian lachte.

«Ganz die Alte. Ich habe dich schon richtig vermisst.» Ich legte mich nieder, sah Adrian lachend an. Dann beugte er sich über mich und küsste mich wieder. «Und ich ignoriere deine Bitte wie immer» Das tat er. Nicht immer, aber doch oft genug. Als er mich wieder küsste, sträubte ich mich nicht dagegen, obwohl ich wusste, dass ich es nicht tun sollte, wenn ich ihn vor die Wahl stellte. Ich mit allem Drum und Dran oder seinen Spaß? Mein Kuss hatte etwas Verzweifeltes.

Ich küsste ihn, als wäre es mein letztes Mal, was wahrscheinlich auch so war, wenn ich mich dazu aufraffte, einen Schlusslicht zu ziehen. Und das nahm auch Adrian wahr, wie ich merkte. «Du küsst mich, als wäre es das letzte Mal», hauchte er und streichelte meinen Bauch. Ich erwiderte nichts, sondern lächelte nur leicht. Wenn er wüsste, was ich dachte, würde er mich nicht küssen oder berühren. Er würde mich anstarren und verlangen, warum ich meine Meinung geändert hatte. Oder doch nicht? Hatte er nicht gesagt, dass wir das ganze ohne Bindung taten? Ich konnte jederzeit aussteigen, wenn es mir zu viel wurde. Das waren doch seine Worte? Ich rappelte mich auf und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, die nicht da bleiben konnte, wo sie zuerst war.

«Es ist was», stellte Adrian fest und sah mich fragend an. Mein Blick war aus dem Fenster gerichtet. Nicht jetzt. Nicht jetzt. Nicht jetzt. Meine Gedanken bereiteten mir Kopfschmerzen, die ich kläglich versuchte zu unterdrücken. «Hast du deine Stimme verloren?» Ich schüttelte langsam den Kopf. «Ich will nur die Aussicht genießen, Adrian. Italien kann so schön sein.»

Mein Kopf drehte sich leicht und sah Adrian grinsend an. «Ich weiß. Ich habe hier gewohnt» Ich schüttelte den Kopf. «Nicht direkt Italien. Du kommst von Südtirol. Woher eigentlich genau?»

«Meran, meine Liebe.» Mein Kopf schnellte wieder zu Adrian. «Meran?! Die Stadt ist doch in Südtirol die … zweit größte?» Adrian nickte anerkennend.

«Genau, mein kleines Supergenie.» Ich streckte ihm die Zunge raus. «Blödmann.» Ich beobachtete wieder den Verkehr, bis mein Blick zu den Weintrauben wanderte. «Ich will diese Weintrauben», ich schüttelte Adrian und deutete mit den Finger zu den Weinreben, «Ich will ein paar. Glaubst du, kann Frederik mir ein paar besorgen. Diese und jetzt?»

Der Heißhunger nach Weintrauben wurde stärker und ich sah Adrian flehend an. «Frederik? Kim möchte ein paar Weintrauben. Diese hier.» Er deutete mit dem Kopf nach draußen. Frederik fragte nicht nach, sondern tat was Adrian ihm befahl. Er parkte bei der nächsten Nische und stieg aus. Einige Minuten später saß er wieder und überreichte mir die grünen und violett-blauen Weinreben. Ich bedankte mich und nahm eine in den Mund. «Möchtest du auch?», fragte ich und hielt sie ihm vors Gesicht. «Sind sie gut?», kam die Gegenfrage. Ich nahm noch eine in den Mund und ließ sie mir im Mund zergehen. «Und wie», ich schloss die Augen. «Dann werde ich eine nehmen.»

Er riss sich eine hinunter und schmiss sie in seinen Mund. Ich beobachtete ihn und merkte, dass wir wieder die alten waren. Wir alberten herum und hatten unseren Spaß. Kein komisches Gefühl, keine kleine Streitereien. Die restlichen Stunden Autofahrt aßen wir die Trauben fertig, lachten wieder wie früher und sahen aus dem Fenster. «Du wirst es nicht glauben, aber ich sehe Wien.» Adrian schüttelte mich und weckte mich somit auf.

Ich bin echt eingeschlafen.

Müde rieb ich meine Augen und sah hinaus. Wie sehr ich mich nach einer Umarmung von meiner Tante und Linda freute. Wie sehr ich beide vermisst hatte. Es waren zwei Wochen. Zwei lange Wochen, in denen ich nur ihre Stimme gehört hatte. Sie jetzt zu sehen, ließ mein Herz höher schlagen. Wir kamen Wien immer näher und ich stellte lächelnd fest, dass ich Wien noch nie so sehr vermisst hatte. Eigentlich noch nie, ich wollte immer weg. Aber jetzt hatte ich Menschen, die mich erwarteten. Menschen, die mich liebten und sich freuten mich wiederzusehen. Ich konnte es kaum erwarten, dass wir ankamen. Ich schrieb meiner Tante eine Nachricht, wusste dennoch, dass sie in der Arbeit sein würde.

 

Kann Wien vor mir sehen. Freue mich, wenn du von der Arbeit kommst. Habe dich schrecklich vermisst.

Bussi Kim

 

Ich schickte sie ab, sah nochmals hinaus und schrieb nun Linda eine Nachricht.

 

In weniger als einer halben Stunde kann ich wieder den Asphalt von Wien berühren. Wir müssen uns heute treffen, kannst du um acht Uhr bei mir sein?

Kim

 

Ich drückte auf ‚Nachricht versenden‘ und betrachtete Adrian von der Seite. Wie immer spürte er meine Blicke und drehte sich zu mir. Ich lächelte zaghaft und sah wieder hinaus. «Möchtest du nach Hause oder kommst du noch zu mir?» Adrian berührte leicht meinen Arm und ich nickte stumm. Ich musste es ihm sagen. «Sind deine Eltern zuhause?», fragte ich.

«Nein, meine Mutter wird heute wahrscheinlich um sieben oder so kommen. Ich habe ihr gesagt, dass wir erst um acht da sein werden. Tja, jetzt ist es eben sechs Uhr.» Bei ihm. Bei ihm würde ich es ihm sagen. Ich konnte nicht mehr damit leben. Vor allem nicht wenn meine Tante, seine Eltern oder Linda da waren. «Dein Handy» Verwirrt starrte ich Adrian an. «Was?»

«Dein Handy hat vibriert», wiederholte er sich und ich nahm es raus. «Es ist Linda.» Ich öffnete die Nachricht.

 

Lass mich raten, Adrian hat dich ins Bett bekommen? Bin um acht bei dir. Sollte ich eventuell Chips, Schokolade und eine Familientüte Taschentücher mitnehmen?

Linda

 

Ich spürte wie ich rot wurde und sah kurz zu Adrian, der mich ansah. «Was hat sie denn geschrieben?» Ich schüttelte den Kopf. «Nichts wichtiges», murmelte ich und schrieb ihr zurück.

 

Linda! Wir reden um acht.

Kim

 

Ich verstaute mein Handy und musste grinsen. Linda kannte mich inzwischen richtig gut. Das machte mir zwar ein wenig Angst, aber das Glück überspielte es. «Willkommen in Wien, Mr. DiMonti und Miss Montgomery.» Adrian und ich sahen gleichzeitig hinaus und sahen gerade noch das Schild mit der Aufschrift ‚Wien‘. Ja wir waren hier und ich freute mich riesig. Ich konnte es kaum erwarten, aus der Limousine zu steigen, zu hüpfen und den Asphalt zu küssen.

Oh Gott, ich hatte Wien tatsächlich vermisst. Die Fahrt bis zu Adrian verging dann rasend schnell und als der Fahrer hielt, wartete ich nicht darauf, bis er mir die Tür öffnete. Ich sprang hinaus und drehte mich lachend. Wie schön es war. Ich entdeckte Mister Kuwak, der mich amüsiert anstarrte und ich sprang auf ihn zu. «Mister Kuwak!», schrie ich und umarmte ihn. Mensch, war ich gut gelaunt. Hatte ich irgendwelche Pillen geschluckt? Juliano erwiderte die Umarmung, sichtlich verwirrt. «Guten Abend, Miss Montgomery», begrüßte er mich. «Guten Abend.»

Ich grinste und berührte eine Blume. Wie sehr ich das alles vermisst hatte. «Kim? Bist du fertig mit … was machst du da eigentlich?» Ich grinste und drehte mich zu Adrian um. «An den Blumen riechen, du Blödmann.» Ich ging zu ihm und wir gingen hinein. Was mich hier erwartete, überraschte nicht nur Adrian. Nein, es überraschte auch mich.

 

 

****

«Überraschung!»

Ich konnte es nicht fassen. Meine Tante, Linda, Adrians Mutter. Alle standen da. Lächelten uns an. «Tante!» Ich war schneller bei meiner Tante, als dass sie darauf reagieren konnte. Ich schloss sie in meine Arme und lachte. «Ich habe dich so vermisst», schniefte ich und spürte eine Träne, die Wange hinunterfließen. Sie drückte mich ebenfalls an sich und küsste meinen Scheitel. «Ach, mein Mäuschen.» Ich kicherte und ließ von ihr ab.

«Und wie braun bin ich geworden?», ich drehte mich und wischte die Träne weg. «Sehr braun. Und du strahlst ja förmlich.» Ich grinste meine Tante an und suchte mit meinen Augen Linda. Die stand neben Emily. Ich lief auch zu ihr und nahm sie in den Arm. «Lindalein!» Linda lachte. «Was ist denn mit dir passiert?», fragte sie mich, doch ich winkte ab. «Ich freue mich nur euch zu sehen.» Ich stieß sie leicht in die Seite. «Freust du dich denn nicht?»

Sie musste lachen.

«Und wie, Kim.» Wir strahlten uns lange an, bis ich mich Emily zuwandte. «Es klingt vielleicht ein wenig komisch, aber Sie habe ich auch schrecklich vermisst.» Emily lächelte und zog mich zu einer Umarmung zu sich. «Das klingt nicht komisch, Liebes. Ich habe deine Präsenz auch vermisst.» Als ich sie wieder los ließ, betrachtete ich die Menschen hier. Die Menschen, die mich alle liebten. Irgendwie, auf irgendwelche Art und Weise.

Mein Herz schien fast vor Liebe zu platzen und ich fragte mich wieder, ob ich vielleicht krank wurde. Ich war so abnormal gut gelaunt. Die schlechte Laune, die ich teilweise im Urlaub hatte, war verschwunden. «Guten Abend, Mrs. Montgomery.» Sogar die Köchin, der kleine Rotschopf, begrüßte mich und ich nahm eine weitere Umarmung vor.

«Ich habe ihr Essen ein wenig vermisst», sagte ich und lächelte sie an. «Ihr Zimtparfait hat mich für sich gewonnen», schwärmte ich und sie erwiderte mein Lächeln. «Und genau, das habe ich heute gemacht. Herr Adrian ist danach auch richtig süchtig.» Ich drehte mich zu Adrian, der mit seiner Mutter und meiner Tante redete. «Das wusste ich gar nicht.» Wieder einmal spürte er meine Blicke und er grinste mich an. «Ich muss wieder in die Küche», Sie ging davon und Linda kam nun zu mir. «Was habt ihr beide getrieben?» Ich sah sie verblödet an. «Wir haben über Essen geredet. Ich war mal da und da hat es Zimtparfait gegeben. Ich habe mich verliebt, Linda. Es war so gut.» Linda stieß mich leicht in den Magen und sofort würde mir übel. Was hatte ich heute schon gegessen? Nicht viel, fiel mir ein. «Das meinte ich nicht, Kim. Adrian und du?!» Ich warf ihr einen bösen Blick zu.

«Weiß ich das?», fauchte ich und warf mich dann ihn ihre Arme. «Wir hatten den ganzen Urlaub über Sex. Ohne Liebe!», schniefte ich und sie legte tröstend einen Arm um mich. Ungewollt lief mir eine Träne die Wange hinunter und Linda wischte sie weg. Wie konnte ich in einem Moment so glücklich sein, dann bissig und dann traurig? «Und du hast dich verliebt», beendete sie meinen Aufsatz und ich nickte.

«Ja.»

«Beende es, Kim. Es macht dich fertig.» Ich musterte sie. Sie wusste, wie ich mich fühlte. In weniger als einer Minute. «Ich habe es versucht, Linda. Heute, ganz oft, aber ich brachte es nicht über mich.» In dem Moment kam Adrian herbei geschlendert.

«Was geht denn hier ab?», fragte er und sah mich dann schockiert an. «Hast du geweint?» Ich schüttelte den Kopf, doch es brachte nichts. Man konnte es sehen. «Kim? Mäuschen? Kommst du?» Ich war meiner Tante noch nie so dankbar. Ich rannte zu ihr. «Erzähle mir alles von deinen Urlaub.» Ich sah sie erschrocken an. Was konnte ich denn schon großartig erzählen. ‚Wir hatten mindestens zweimal am Tag Sex, Tante. Überall. Echt ohne scheiß.‘

Stattdessen erzählte ich ihr von dem Kanu fahren, der Schiffsfahrt. Immer wieder ließ ich was aus, da wir zu dieser Zeit mit etwas anderweitigem beschäftigt waren, aber das rieb ich ihr nicht unter die Nase. Sie würde nur in die Luft gehen und das konnte ich nicht zulassen. Auch die Karaoke Nacht ließ ich nicht aus. Es war so schön gewesen und meine Tante fand das auch, obwohl sie nicht dabei war. Sie war richtig begeistert von Adrian, da er so viel mit mir gemacht hatte. Ich widersprach ihr nicht, sondern ging weiter. Meine kleine Übelkeit war noch nicht verschwunden, also musste ich dringend etwas essen. Ich schlich in die Küche und fragte den Rotschopf, ob ich was Kleines zum Futtern bekam. «Ich werde jetzt mit der Vorspeise beginnen», gab sie lächelnd zurück und ich nickte.

Ich informierte alle und keine Minute später saßen wir alle im Essraum. Das Glück hatte es nicht gut mit mir, denn ich saß neben Adrian. Linda und meine Tante saßen gegenüber von uns, Emily an der Spitze. Ich wusste, dass er nicht brav sein würde und sein Essen aß.

Nein!

Er würde wieder für Aufsehen sorgen. Keine Minute nachdem wir uns gesetzt hatten, lagen seine Hände auf meine Oberschenkel. Zu meinem Pech ging mein Atem schneller und ich spürte, wie mein Herz um einige Schläge rascher schlug. Ich drehte meinen Kopf zu Adrian und hoffte, dass mein Blick so war wie ich wollte: Bitte lass es. Adrian erwiderte meinen Blick. Etwas verwirrt, aber seine Hände verschwanden. Sofort spürte ich großen Verlust und mein Herz sehnte sich nach der Berührung. Warum hatte er es gelassen? Sonst tat er es auch nie!

Meine Augen wurden glasig und ich stand auf. «Ich muss schnell aufs Klo», murmelte ich und versuchte niemanden in die Augen zu sehen. Verdammt, warum weinte ich denn?! Ich rannte schon fast aus dem Zimmer und lehnte mich vor dem WC an die Wand. «Warum weinst du?» Adrian legte seine Arme auf meine Taille und ich zuckte mit den Schultern. «Habe wieder einen emotionalen Tag», flüsterte ich. «Wolltest du, dass ich weitermache?» Ich schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn. Er erwiderte ihn und drückte mich fester an die Wand. Er fuhr mir durch die Haare, während ich seinen Rücken entlang strich. Ein Feuer entfachte in mir, die Schmetterlinge fuhren Slalom. Das gemischt mit meinen aufgewühlten Gefühlen. Hinter uns räusperte sich jemand und wir fuhren erschrocken auseinander. Inständig hoffte ich, dass es nur Linda wäre, doch nein.

Das war wieder einmal zu viel verlangt! «Ich wollte Sie nicht stören», fing er an und fuhr dann fort, «Ich sehe, dass Ihr einen schönen Urlaub hattest. Gestattet Ihr mir die Frage? Sind Sie beide zusammen?» Mein Blick huschte kurz zu Adrian, mein Herz blieb stehen und wartete auf die Antwort. «Nein, Mister Kuwak. Kim! Wir gehen essen», sagte Adrian schroff und ich ließ mich von ihm mitziehen. Mein Herz, das stehen geblieben war, fiel eine Schlucht hinunter, zerbrach in tausend Teile.

Das war es.

Adrian würde sich für den Spaß entscheiden … und das ließ mein Herz noch mehr zerbrechen. Wortlos setzten wir uns und fingen an, die Suppe zu schlürfen. Mein Hunger war mir total vergangen, aber ich aß trotzdem. Hoffte, dass meine Gedanken mich nicht auffraßen. Doch ich musste die ganze Zeit nachdenken. Über Adrian und wie dumm ich doch war! Ich hatte mir echt Hoffnungen gemacht. Hatte echt gedacht, dass er sich verlieben könnte. Ich war naiv … so naiv! Linda warf mir oft einen fragenden Blick zu, doch ich ignorierte sie. Genau, wie den Rest der am Tisch saß auch. Ich beteiligte mich nicht an den Gesprächen, sah stur auf meinen Teller.

Meine Tante merkte, dass was nicht stimmte und stellte mir immer irgendwelche Fragen über den Urlaub. Die meisten beantwortete ich mit «Frag Adrian, Tante.» Danach sah Adrian mich an, doch ihn ignorierte ich von allen am meisten. Nach dem Essen musste Linda gehen. «Wir telefonieren noch, Kim», flüsterte sie in mein Ohr und ich nickte stumm. «Du wirst es durchziehen?», hakte sie nach und wieder nickte ich. Dann verschwand sie und Adrian und ich waren alleine. Meine Tante war mit Emily im Wohnzimmer und quatschte. Adrian ging mit mir hoch in sein Zimmer.

In meinem Kopf ratterte es. Wie soll ich damit beginnen? Auf jeden Fall, bevor er mich ins Bett bekommt. Schon wieder… «Du warst das ganze Abendessen über komisch», flüsterte Adrian und legte seine Hände auf meine Taille. «Ich weiß», gab ich leise zurück. Das war der Moment. Der Moment, wo ich Adrian verlieren würde. «Ich kann nicht mehr», fing ich an und löste mich von ihm. Ein geschockter Adrian sah mich an. Konnte nicht glauben, was ich sagte. «Was?», brachte er nur heraus. «Ich kann nicht mehr. Nicht mehr so weitermachen.

Ich habe dir am Anfang an gesagt, dass ich es nicht kann, aber ich wollte es trotzdem probieren, weil ich … weil ich deinem Charme verfallen bin.» Es grenzte an ein Wunder, dass Adrian mich verstand, da ich so leise sprach. Und zudem musste ich wieder einmal flennen. Aus war es mit stark sein… «Du hast was?» Ich schüttelte den Kopf und wischte mir die Tränen weg. «Hättest du nicht die ganze Zeit versucht mich ins Bett zu bringen und dann auch noch so charmant sein, dann wäre das nie passiert.» Ich presste die Lippen aufeinander. «Kannst du das nicht abstellen?», fragte er mich und ich sah ihn mit weitaufgerissenen Augen an. «Wie denn? Man kann seine Gefühle nicht abstellen! Also werde ich das ganze beenden, bevor ich in den Abgrund stürze.»

Innerlich jedoch hoffte ich, dass er mich davon abhalten würde. Dass er sagte, dass er auch in mich verliebt war. Doch es geschah nichts. Er starrte mich nur an und als ich die Tür öffnete, hielt er mich nicht auf. «Leb wohl, Adrian.» Ich schloss die Tür, rannte hinunter und ins Wohnzimmer. Meine Tante sah, dass ich weinte und stand panisch auf.

«Ich will nachhause.» Ich drückte sie an mich und ließ meinen Tränen freien Lauf. «Emily wir werden jetzt nachhause gehen. Wir werden uns aber wieder sehen.» Sie verabschiedeten sich und Frederik fuhr uns. Die kleine Fahrt schwieg sie, während ich still weiter flennte. Mir wurde immer bewusster, dass ich Adrian verloren hatte und dieser Gedanke ließ einen Teil von mir sterben. Mein Herz lag immer noch unter der Schlucht. Zerbrochen in Millionen Teile.

Nicht wieder zu richten. So fühlte es sich zumindest an. «Was ist passiert?» Endlich stellte sie die Frage, doch ich schüttelte den Kopf. Ich wollte es ihr zuhause sagen, nicht hier. Frederik öffnete uns die Tür, als wir ankamen und ich bedankte mich leise. Frederik lächelte mich an und fuhr dann davon. Zuvor hatte er meinen Koffer ins Haus gebracht. Nun saßen meine Tante und ich im Wohnzimmer und ich schüttelte ihr mein Herz aus. Mein halbes Herz.

Das zensierte. Nichts über Sex. «Liebe ist so bescheuert!», fing ich an, «Den ganzen Urlaub über haben wir Spaß gehabt. Wir haben uns geküsst. Während ich Gefühle hatte, hatte Adrian lediglich seinen Spaß!»

Meine Tante nahm mich in den Arm und streichelte sanft meine Arme.

«Es gab viele Anzeichen dafür, dass er eventuell doch was für mich empfand. Beim Karaoke hat er gesungen und dann ist er hinuntergekommen und hat mich geküsst. Ohne Grund, einfach nur so. Dann haben wir gemeinsam gesungen. Es war unglaublich, Tante. Ich konnte die Funken zwischen uns fühlen.»

Eine Träne lief meine Wange hinunter und ich wischte sie schnell weg.

«Ich habe dir doch von der Schiffsfahrt erzählt? Da habe ich wirklich geglaubt, dass er mich liebte. Wir standen am Bug und ich habe ihm von dem Film Titanic erzählt. Wie sehr ich das auch tun wollte. Und er tat es. Er hatte das Lied von Celine Dion hineingetan. Ich hatte meine Arme gestreckt und er berührte sie sanft. Es war als würde die Zeit stehen bleiben. Es gab nur mehr Adrian und mich. Und den Kuss. Wie im Film, Tante.»

Je mehr ich ihr berichtete, desto schmerzender wurde es für mein Herz. Tante Maddy brachte mich ins Bett und gab mir einen Kuss.

«Ruhe dich aus, Kim. Es war ein anstrengender Tag.» Ich nickte stumm und meine Tante verschwand. Doch an Schlaf war nicht zu denken. Ich konnte es nicht. Meine Gedanken hafteten zu sehr an mir. In dem Moment klingelte mein Handy. Während mein Herz daran glaubte, dass es Adrian war, glaubte mein Verstand das nicht. Er würde nicht anrufen. Und mein Verstand hatte Recht. Es war Linda. «Ja?», meldete ich mich leise. An meiner Stimme konnte man sofort erkennen, dass ich geweint hatte. «Du hast es gemacht», stellte sie sofort fest und fügte hinzu: «In einer Viertelstunde bin ich da!» Schon hatte sie aufgelegt und ich fühlte mich alleine.

Was hatte ich auch gedacht? Dass Adrian mich liebte? Das wir glücklich wurden? Das Leben war kein Märchen! Das war doch vorhersehbar! Adrian liebte nicht. Er hatte Spaß und Liebe war für ihn ein Fremdwort. Ich drückte die Decke enger um mich. Ich hatte ihn verloren. Für immer. Erneut fanden die Tränen den Weg ins Freie und ich schluchzte in die Decke. Liebe war so beschissen! Linda kam genau eine Viertelstunde später. Eine Viertelstunde, wo ich geweint hatte. Wo ich Adrian nachtrauerte und wo ich mir selbst Vorwürfe machte. Meine Tante ließ sie hinein und keine Minute später hatte Linda mich gedrückt. Meine Tränen flossen immer noch.

«Es ist aus. Ich habe Adrian verloren», schniefte ich in ihr Hemd und sie fuhr mir durch die Harre. Ich wusste, dass Linda mir nicht sonderlich helfen konnte. Doch sie konnte mich ein wenig ablenken. Und das tat sie. Sie hatte Schokolade, Chips, ein paar Filme und eine Riesenpackung … ja eine Riesenpackung Taschentücher mitgenommen. Die Filme waren wie ich sah, alle Komödien, außer drei Thrillern. Kein Liebesfilm, wie ich erleichtert sah. Wie sie in dem Film die große Liebe bekamen, würde mich nicht aufheitern. «Die Linda-Ablenkung ist da», flüsterte sie und ich musste lächeln. «Ich freue mich schon darauf», gab ich leise zurück und sie legte eine DVD in den DVD-Player.

Dann ließ ich sie zu mir ins Bett kuscheln und wir sahen uns den Film an. Auf Linda konnte ich mich verlassen. Sie war – obwohl wir uns noch nicht richtig gekannt hatten – für mich da gewesen und dass würde ich nie vergessen.

 

 

****

Nach zwei Filmen – wir hatten nicht nur den Film geschaut, sondern auch viel geredet – schlief Linda sanft in meinem Bett. Mein Schlaf wollte nicht kommen, aber deswegen weckte ich Linda nicht auf. Sie sollte schlafen. Morgen würde sie wieder arbeiten müssen. Und ich musste in die Schule. Das einzige gute daran war, dass ich schon zwei Jahre alleine dort verbracht hatte und ich es überleben würde. Nur würde Adrian neben mir sitzen.

Sein Duft würde mir in die Nase steigen und ich würde heulen. Langsam stieg ich aus dem Bett und ging hinunter in die Küche. Meine Tante war schon längst im Bett. Ich nahm ein Glas, das ich mit Wasser füllte und trank es langsam.

«Du bist der absolute Hammer.»

Ich erinnerte mich noch ganz genau, wann Adrian das zu mir gesagt hatte. Wir hatten den Test bestanden, er hatte mich herumgewirbelt, diese fünf kleine Worte zu mir geflüstert und hatte mir ein Haar aus dem Gesicht gestrichen. Es fühlte sich an, als würde das schon Ewigkeiten her sein. In Wirklichkeit waren es nur ein paar Wochen.

«Du warst heute ein Traum.»

Diese kleinen Worte hatte er im Aufzug gesagt, nach dem Karaoke. Ich trank das Wasser fertig und stellte das Glas ins Spülbecken. Den Weg hinauf in mein Zimmer konnte ich ohne Licht gehen und ich war rasch wieder in meinem Zimmer. Ich warf einen kleinen Blick auf mein Handy. Immer noch sehnte ich mich nach einer Nachricht ... einem Anruf. Doch nichts war da und ich zog mir einen Pyjama an. Für Adrian war es nur Spaß. Jetzt hatte ich die Antwort. Ich kuschelte mich ins Bett und war froh, dass mich die Welt der Träume in Besitz nahm.

Kapitel 19 – Montag, 13. Mai 2013

Ich hörte lautes Fluchen.

Jemand zog sich die Schuhe an. Langsam öffnete ich meine Augen und sah Linda. Sie drehte sich zu mir und dann schrie sie auf. «Mensch Kim! Erschrecke mich nicht so.» Ich stand auf und rieb mir die Augen. «Tut mir leid. Musst du schon gehen?», fragte ich. «Gleich. Ich wollte nur noch schnell was zum Frühstücken kaufen», antwortete sie mir. «Jetzt bin ich auf. Komm lass uns unten frühstücken.» Wir gingen in die Küche. Meine Tante stand dort. Der ganze Tisch gedeckt. Ich warf mich in Tante Madeleines Arme und bedankte mich.

«Geht es dir besser?» Ich zuckte mit den Schultern. «Wie man es nimmt», flüsterte ich und wir alle setzten uns. Hier saßen zwei Menschen – zwei Menschen, die mich liebten. Mich in schlechten Zeiten aufmunterten und in guten Zeiten neben mir standen. Sie unterstützten mich und liebten mich und das brachte mich zum Lächeln. Ich aß so viel, wie schon lange nicht mehr und Linda sah mich belustigt an. «Wie lange hast du nichts mehr gegessen?» Ich kicherte kurz.

«Seit gestern nichts mehr. Aber da habe ich es auch nur hinuntergewürgt. Ich hatte nicht wunder wie viel Hunger.» Nach dem Essen gingen Linda und ich ins Bad. Wir machten uns für den Tag fertig. «Kannst du mir eventuell etwas zum Anziehen leihen? Ich will nicht in Jogginghose und einem weiten Shirt arbeiten gehen.» Ich nickte und wir gingen in mein Zimmer. Ich gab ihr eine Jeans und einen grauen Pullover und sie verschwand wieder im Bad, während ich mich hier meine graue Hose und eine lachsfarbene Bluse anzog. Ich machte mir einen straffen Pferdeschwanz und schminkte mich leicht.

«Ein bisschen mehr, Kim. Man sieht, dass du geweint hast.» Ich lächelte leicht und kaschierte meine Augen. «Brauchst du etwas?», fragte ich und zeigte auf meine Wimperntusche

«Alles in meiner Tasche. Aber danke.»Sie gesellte sich zu mir vor dem Spiegel und schminkte sich nun auch. Ihre Haare fielen ihr leicht gewellt auf den Rücken. «Ich fahre dich heute zur Schule. Ich glaube, dass du den Typen jetzt nicht sehen solltest.»

«Und will», fügte ich leise hinzu und betrachtete mich im Spiegel. Obwohl man mir nicht mehr ansah, dass ich geweint hatte, sah man in meinen Augen die Traurigkeit. Und die würde man nicht kaschieren können. Wir beide nahmen unsere Tasche in die Hand und verabschiedeten uns von meiner Tante. «Wann kommst du heute, Kim?», fragte sie mich, bevor ich ins Auto stieg.

«Um halb sechs. Bist du zuhause?»

Meine Tante nickte.

«Ich habe mir erlaubt, meine Überstunden abzuarbeiten. Ich habe heute und morgen frei.» Ich wusste sofort, dass sie es meinetwegen getan hatte. «Danke.» Ich stieg in Lindas Auto und sie fuhr davon. Leider konnte sie den Weg nicht ändern, weshalb wir an der Haltestelle ankamen. Ich sah ein paar Gesichter, die immer hier mit mir einstiegen. Aber ich sah keinen Adrian. Vielleicht fuhr er auch mit seinem Auto. Jetzt da er mich nicht mehr an der Backe hatte, konnte er wieder jeden vögeln, den er sah. «Lass dich ja nicht unterkriegen», sagte Linda lächelnd, als ich ausstieg. «Du dich auch nicht», gab ich zurück und schloss die Tür. Ich hatte null Bock.

Wollte auf keinen Fall Adrian sehen. Ich würde doch nur heulen und das vor jedem. Trotzdem ging ich hinein und in meine Klasse. Keine Spur von Adrian. Kam er später? Ich setzte mich auf meinen Platz und musste zu dem leeren Stuhl neben mir sehen. Es war das Beste, dass ich einen Schlussstrich gezogen hatte. Das wäre auf die Dauer nie gutgegangen.

Es klingelte zur Stunde und unsere Geographielehrerin kam hinein. Sofort wanderte ihr Blick zu dem einzigen leeren Stuhl in der Klasse. «Wo ist Mr. DiMonti?», fragte sie in die Runde. «Das müssen Sie Kim fragen», gab Mandy zurück und unsere Professorin sah mich fragend an. «Ich habe keine Ahnung. Er wird schon krank sein», murmelte ich und senkte den Blick.

Nur nicht weinen, Kim.

Ich hoffte nur, dass ich diesen Tag ohne Tränen überlebte…

 

 

****

Irgendwie hatte ich es geschafft. Aber auch nur, weil kein Adrian auftauchte. In jeder Stunde konnte ich erklären, dass ich nicht wusste, wo er war. Und das nur weil Mandy, Ulrich und sein Freund immer sagten, dass wir doch so gut befreundet waren. In der letzten Stunde riss mir dann der Faden und ich maulte sie zusammen. Ich hatte ihnen gesagt, dass ich es nicht wusste und sie mich gefälligst mit ihrem scheiß Gelaber nicht auf die Nerven gehen sollten. Danach waren sie still. Als es klingelte, war ich diesmal die erste die die Klasse verließ. Und stieß prompt mit jemanden zusammen.

«Hey Kim», begrüßte mich Kevin und ich rang mir ein Lächeln ab.

«Hey», gab ich zurück. Er half mir auf und grinste. «Wie ich sehe bist du immer noch gleich stürmisch.» Ich nickte. «Hast du was anderes erwartet?», fragte ich. «Nein. Darf ich dich nachhause bringen?»

«Ich wäre dir sehr dankbar», sagte ich leise und wir gingen zu seinem Auto. «Du siehst irgendwie traurig aus. Hast du eine schlechte Note geschrieben?»

Ich schüttelte den Kopf. «Einen schlechten Urlaub. Ein Junge hat mich nur verarscht.» Kevin sah kurz traurig zu mir. «Dann ist er ein völliges Arschloch. Du bist großartig, Kim.» Ich musste kurz lächeln. «Du auch, Kevin. Und du bist kein Arschloch.»

«Das bin ich nicht.» Kevin wusste noch, wo ich wohnte und in zehn Minuten waren wir bei mir. «Möchtest du noch hineinkommen?», fragte ich ihn. «Klar. Meine Eltern und Geschwister sind bei meinen Großeltern.» Wir stiegen aus dem Auto und gingen hinein. «Ich bin da, Tante. Habe Besuch mitgebracht.» Ich wusste, dass ich in meinem Zustand keinen Jungen zu mir einladen sollte, aber trotzdem hatte ich es gemacht. Und das nur, weil ich hoffte, dass er mich ablenken würde. Ich wollte Adrian vergessen. Ich weiß, dass klang sehr gemein, Kevin als Lückenbüßer zu nehmen.

Meine Tante kam aus der Küche und sah mich verwirrt an. «Wer ist das?», fragte sie mich. «Das ist Kevin. Ich kenne ihn schon eine Weile», stellte ich Kevin vor. «Kevin? Das ist meine Tante Maddy.» Kevin schüttelte meiner Tante die Hand. Wir gingen in die Küche, wo meine Tante schon am Kochen war. «Möchtest du hier essen?», fragte sie ihn.

«Wenn ich darf, dann gerne.» Ich setzte mich und deutete Kevin, sich neben mich zu setzen. Kevin entpuppte sich als braver Junge. Er beantwortete höflich all unsere Fragen und ließ mich in Ruhe. «Wo ist bei Ihnen die Toilette?», fragte Kevin.

«Nenne mich bitte nur Madeleine. Und den Flur entlang, letzte Tür links.» Kevin ging und schon kam das, auf das ich gewartet hatte. «Dieser Junge ist aber nicht deine Ablenkung, oder?», hakte sie nach. Ich lächelte leicht. «Warum sollte ich keine Ablenkung haben? Adrian hat gewiss schon etliche Frauen im Bett gehabt.» Meine Tante starrte mich erschrocken an.

«Kim! Du wirst gewiss nicht mit diesem Jungen ins Bett steigen, nur damit du abgelenkt wirst! Dein erstes Mal sollte was Besonderes sein», tadelte sie mich. Ich lachte auf. «Ich hatte mit Adrian schon Sex. Den ganzen Urlaub über!», kam es plötzlich aus meinen Mund. «Oh Gott», murmelte sie und sah mich geschockt an, «Das ist nicht wahr.»

Ich stand auf und ging zu meiner Tante.

«Es tut mir leid. Es ist einfach passiert», entschuldigte ich mich, doch meine Tante blieb immer noch weiß im Gesicht.

«Tante?» Sie trank ein Glas Orangensaft. «Und für ihn war es nur Spaß?», fragte sie mich und ich nickte. «Ja. Er wollte weitermachen, ohne Bindung. Ich habe gehofft, dass er zuhause seinen Eltern und dir erzählt, dass wir zusammen sind, aber als Mister Kuwak uns entdeckt hat, hat er gleich klargestellt, dass wir das nicht sind.»

Meine Tante schüttelte ungläubig den Kopf. «Dennoch ist Kevin kein Lückenbüßer», stellte sie klar. «Es wird keinen Sex zwischen uns geben», sagte ich. Aber eine Ablenkung brauchte ich dennoch. «Dann ist es gut», meine Tante stellte die zwei Pfannen auf den Tisch und in dem Moment kam Kevin hinein. «Das riecht aber köstlich.» Meine Tante lächelte schwach. Ich hatte sie vollkommen überrascht. «Dann lasst es euch schmecken», sagte sie und wir setzten uns alles wieder.

 

 

****

«Deine Tante scheint nett zu sein», sagte Kevin. Wir gingen gerade ein wenig spazieren. Ich musste meiner Tante ein wenig mit der Situation klarlassen werden. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass Adrian meine Jungfräulichkeit einfach so genommen hatte. «Ja, das ist sie. Und altmodisch.»

«Also dürften wir uns gar nicht treffen?», fragte er. «Doch. Sie ist einfach eine Person für sich.» Kevin lachte. «Gut zu wissen.»

Ich musste auch kurz lachen. Warum war es denn so schlimm, dass man nicht einen Jungen zur Ablenkung hatte? Solange wir keinen Sex hatten, war doch alles in Ordnung. Und vielleicht verliebte ich mich ja... Man konnte nie wissen.

Irgendwann blieben wir an einem Park stehen und setzten uns nieder. Ich sah mir die Bäume an und musterte dann Kevin. Der hatte mich die ganze Zeit beobachtet. «Sieh mich nicht die ganze Zeit an», mahnte ich ihn und er nickte grinsend.

«Sieh du nicht so gut aus.»

Ich sah wieder zu den Bäumen. Es war schwer mit Kevin was zu machen. Vor allem wenn diese verflixte Stimme immer in meinem Kopf war.

«Du bist so gottverdammt sexy.»

Immer wieder Adrians Stimme. Wie konnte ich mich da auf etwas anderes konzentrieren? Die Antwort war tief in meinem Inneren. Gar nicht. Du bist Adrian hilflos ausgeliefert… Schon wieder spürte ich, dass ich kurz vor einem erneuten Heulkrampf war und ich hielt die Tränen zurück. Ich kam mir plötzlich so dämlich vor. Wollte ich allen Ernstes Kevin als Lückenbüßer haben?

Das tat man keinem an, das merkte ich jetzt. Dann wäre ich wie Adrian. «Wir sollten wieder zu mir gehen. Ich muss noch Hausaufgaben machen.» Kevin wunderte sich nicht, warum ich auf einmal gehen wollte, sondern tat was ich wollte.

Wir gingen schweigend zurück. Pech für mich, da ich die ganze Zeit an den Urlaub denken musste. Ich hatte wirklich daran geglaubt, dass er mich wollte. Nicht nur körperlich. Adrian war aber keiner, der Beziehungen aufbaute. Warum auch, wenn er mit jedem Mädchen schlafen konnte? Als wir kamen saß meine Tante im Wohnzimmer und sah die Nachrichten an.

«Wir gehen hoch ins Zimmer», sagte ich zu meiner Tante. «Was? Kim, findest du, dass das eine gute Idee ist?» Ich ging wieder zurück ins Wohnzimmer. «Willst du mir jetzt sagen, dass ich mit keinen Jungs mehr aufs Zimmer darf?», hakte ich nach.

«Wenn du es so ausdrücken willst, dann ja. Nichts gegen dich Kevin. Du scheinst ein netter Junge zu sein.»

«Wenn er ja so nett ist, hast du nichts dagegen wenn wir hoch gehen.» Ich nahm Kevins Hand und wir gingen hoch. «Vielleicht sollten wir lieber unten bleiben?» Ich warf ihm einen strengen Blick zu. «Warum? Wir machen nur Hausaufgaben!»

Ich öffnete meine Zimmertür und nahm meine Tasche. «Hast du deine Tasche da?», fragte ich. «Ich habe sie unten gelassen», murmelte er und ging wieder hinunter. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Hatte meine Tante mir gerade verboten, Jungs auf mein Zimmer zu nehmen? Bei Adrian hatte sie auch nie ein Problem gehabt?

Naja, teilweise war sie nicht hier gewesen. Doch da fiel es mir plötzlich ein. Adrian hatte nur seinen Spaß mit mir und Tante machte sich jetzt Sorgen. «Kim?» Ich schüttelte meine Gedanken ab. «Wir sollten in der Küche die Hausaufgaben machen», sagte ich und wir gingen wieder hinunter. Meine Tante lächelte mich an, als wir wieder hinuntergingen, um in der Küche die Hausaufgaben zu machen.

Es war verblüffend, wie viel wir gemeinsam machen konnten, denn er hatte so ziemlich alles gleich auf wie ich. In Mathe half er mir, dafür war ich ihm bei Englisch behilflich.

Sagen wir so: Kevin wurde ein Ersatz für Adrian. Nur, dass es mit Kevin weniger arrogant und sexistisch wurde. Er brachte mich teilweise zum Lachen, dass ich im Moment definitiv gebrauchen konnte. Daher war es nicht wunderlich, dass ich ihn gleich in mein Herz schloss. Ein Freund. Nachdem wir die Hausaufgaben erledigt hatten, konnten wir im Wohnzimmer einige Spiele spielen. Ich hatte die Playstation 2 zuhause und Kevin holte ein FIFA Spiel aus seinem Auto.

Meine Tante sah uns lachend zu. Gerade als ich ein Tor schießen wollte, klingelte es und ich verfehlte das Ziel. «Ich gehe schon. Spielt weiter», sagte meine Tante. Kevin grinste mich an. «Wie ich sehe, hast du danebengeschossen.»

Ich streckte ihm die Zunge raus und schrie ‚Revanche‘.«Linda ist hier. Sie hat sich Sorgen um dich gemacht» Ich sah zu Linda, ließ alles stehen und liegen und drückte sie an mich. «Geht es dir besser?» Ich zuckte mit den Schultern. «Kevin lenkt mich mit Spielen ab», sagte ich und Linda kicherte. «Du bist also Kevin. Du hast uns beim Shoppen gestört.»

Er sah verwirrt zwischen uns zwei hin und her. «Ihr wolltet shoppen gehen?» Linda schüttelte lachend den Kopf und auch ich musste lachen. «Nein, als du mich das erste Mal angerufen hast, waren wir beim Shoppen. Oder waren wir schon fertig?»

Linda zuckte mit den Schultern. «Kevin, darf ich dir Linda vorstellen? Linda, das ist Kevin.» Sie gaben sich die Hand und Linda nahm meinen Controller. «Zeig mal was du drauf hast, Kevin!» Kevin sah Linda lachend an und sie fingen an zu zocken. Meine Tante tauschte mit mir einen Blick und kicherte dann. «Ich hole euch etwas zum Knabbern.»

Das etwas zum Knabbern stellte sich als ein paar leckere Brownies und Muffins heraus, die meine Tante selber gebacken hatte. Während die beiden völlig mit dem Spiel beschäftigt waren, nahm ich mir einen der Brownies. Schließlich merkten die beiden den Geruch, sahen gleichzeitig zu mir und sahen mich mit aufgerissen Augen an.

Dieses Bild werde ich wohl nie vergessen.

«Du hast Brownies?!», schrien sie beide und schmissen sich auf mich. Ich kreischte und versuchte mich und meinen Brownie zu retten, doch Linda und Kevin rissen jeweils ein kleines Stück ab. «Das war meiner», ich versuchte mit dem Lachen aufzuhören, doch es gelang mir nicht wirklich. «Hättest du uns eingeweiht, wäre das nicht geschehen», sagte Linda und Kevin nickte. Ich zeigte auf ein Teller. «Dort wären noch ein paar gewesen!», verteidigte ich mich lachend und sie tauschten einen amüsierten Blick. «Upps!», sagten sie dann beide und wir fingen wieder an zu lachen. Und ich wusste, dass die beiden mir helfen konnten, Adrian zu vergessen.

Wer brauchte schon einen Adonis in seinem Leben, der nur Sex haben wollte. Ich brauchte nur meine Tante, Linda und Kevin. Und schon war ich glücklich. Ich konnte Adrian vergessen. Heute hatte ich nicht so oft an ihn gedacht, wie anfangs geglaubt.

Seit Linda da war, hatte ich überhaupt nicht an ihn gedacht. Mit Ausnahme von jetzt. Linda merkte meine kleine Veränderung und schlug Kevin auf die Schulter.

«Wir haben die Kleine auf Vordermann gebracht.» Kevin grinste mich an. «Aber ganz vorbei ist es noch nicht», sagte er. Genau, dass was ich jetzt auch sagen wollte. «Aber trotzdem. Ihr seid die Besten.» Ich schlang meine Arme um die zwei und stahl Kevin den Controller.

«Mal sehen wie du bist, Linda.» Sie lachte mich an.

«Du bist so gut wie erledigt!»

 

 

**Teil 2 **

 

«Nein, nein. Neeeeiiinn!!»

Linda sprang von der Couch auf und schrie auf. «Verdammt!», entkam es ihr und ich lachte. «Ich hab dich fertiggemacht!», kreischte ich und schlug mit Kevin ein. «Du hast geschummelt», sagte sie lachend und ich schüttelte den Kopf. «Nein, ich bin ein ehrlicher Sieger», gab ich zungenstreckend zurück. «Kevin hilf mir doch.» Kevin lachte.

«Tut mir Leid, Linda, aber Kim hat ganz fair gespielt.» Linda ließ sich auf das Sofa fallen. «Ich habe gegen Kim verloren», schniefte sie und Kevin und ich mussten lachen. «Du wirst es überleben!», sagte ich lachend und mir wurde bewusst, dass ich das auch schon mal zu Adrian gesagt hatte. Und meine Laune fiel zum Tiefpunkt. Die beiden merkten, dass ich wieder traurig wurde und sie nahmen mich in den Arm. «Was ist denn?», fragte sie.

«Ich habe nur genau diese Worte zu Adrian gesagt. Als du mich wegen Richard gefragt hast und ich dir geantwortet hatte, wenn er ein Arsch sein sollte, schieß ihn in den Wind. Ich hatte ihn auch damit gemeint und er sagte, dass er gekränkt wäre. Und daraufhin habe ich das zu ihm gesagt.» Linda strich mir ein Haar aus dem Gesicht, das sich von meinem Pferdeschwanz gelöst hatte. «Es wird alles gut.» Ich zuckte mit den Schultern.

«Doch das wird es, Kim», pflichtete Kevin ihr bei. «Das hoffe ich», murmelte ich und musste weinen. Meine emotionale Seite kam wieder zum Vorschein. Linda sah mich erschrocken an, als ich wie eine Irre flennte und auch Kevin war ein wenig geschockt. Sie hatten alle nicht damit gerechnet, dass ich heulte. Ganz ehrlich? Ich hatte auch nicht damit gerechnet!

Linda nahm mich in den Arm, während Kevin behutsam meine Tränen mit einem Taschentuch wegwischte. «Tut mir Leid, das ich heule. Das war nicht meine Absicht.» Kevin versuchte mich zu beruhigen und schließlich kam meine Tante auch noch vorbei.

«Ach Kim.»

Sie drückte mich an sich und strich mir wieder das Haar aus dem Gesicht, das verdammt nochmal nicht da bleiben konnte, wo es sein sollte! Meine Trauer verwandelte sich langsam in Wut um und ich war wieder einmal überrascht, was aus mir geworden war. «Ich hasse ihn, Tante. Ich hasse und liebe ihn!», schrie ich. «Ich weiß, Mäuschen, ich weiß.» Ich schlug ein Kissen umher. «Er hat mich nur verarscht. Von vorne bis hinten ausgenutzt.

Ich war verliebt! Wie hätte ich ihm jemals einen Wunsch abschlagen können?!» Meine Tante war verwundert, als ich diesen Schreikrampf bekam. Meine Gefühle schienen Achterbahn zu fahren. Nachdem ich geweint hatte, schrie ich und danach … danach blieb ich stumm. Ich tat nichts mehr. Ich sah geradeaus und tat nichts.

«Kim?» Linda kam zu mir und setzte sich neben mich. «Kim?» Ich drehte den Kopf zu ihr und sah sie fragend an. Unwillkürlich fing ich an zu zittern. Drehte ich langsam durch? Waren bei mir die Sicherungen durchgebrannt?

Machte mich Adrian Irrenreif? Denn im Moment fühlte ich mich so. Ich weinte, schrie und tat dann nichts. Und das alles geschah in weniger als zehn Minuten. Irrenhaus ich komme. «Kim?», nun setzte sich auch Kevin neben mich und meine Tante kniete vor mir. Alle drei sahen mich besorgt an. «Mir geht es gut», flüsterte ich, «Mir geht es gut.»

Meine Worte klangen lahm, ohne jegliche Gefühle. Langsam stand ich auf und ging zur Haustür. Alle drei folgten mir, als würde ich echt ein Ernstfall sein. «Ich gehe in die frische Luft.» Ich öffnete die Tür, bis Linda mich aufhielt.

«Alleine!», sagte ich monoton und sie nickte. «Ziehe dir aber bitte Schuhe und eine Jacke an», forderte sie mich lächelnd auf und ich tat was sie mir befahl. Ich zog meine Schuhe und Jacke an und ging los. Ich ließ mich von meinen Füßen irgendwohin führen. Den Ort kannte ich nicht und ich sah mich neugierig um. Es sah alles aus wie in unserem Viertel.

Nur, dass hier nicht Mrs. Van Blödmann wohnte. Oder dass die Häuser weiß waren. Hier waren sie bunt. Von gelb bis hin zu grau. Ich ging langsam die Straße entlang und blieb beim vorletzten Haus stehen. Dieses stach am Meisten hinaus.

Es war aus einem wunderschönen Rotton. Kein grelles, sondern ein mattes rot. Ein schönes rot. Rot wie die Liebe. Schnell wandte ich meinen Blick ab und ging zurück. Meine Füße trugen mich zur Haltestelle, wo ich jeden Tag einsteigen musste. Hier hatte ich viel mit Adrian gelacht, weswegen ich sofort von hier ging. Länger als ein paar Minuten konnte ich nicht hier bleiben. Den ganzen Spaziergang über, hatte ich kaum nachgedacht. Ich hatte mich umgesehen und versuchte nicht über Adrian zu denken. Als es dann anfing zu regnen, machte ich mich auf den Weg nachhause.

Zwar war ich vollkommen nass, als ich ankam, aber das war mir egal. Meiner Tante aber nicht. Sie befahl mir, mich oben umzuziehen und dann hinunterzukommen, da Linda und Kevin noch hier waren. Das wusste ich natürlich.

Ihre Autos standen noch draußen. Also zog ich mir irgendeine Jogginghose und ein Shirt an und setzte mich zu Linda und Kevin. Linda nahm mich tröstend in den Arm. «Du warst über eineinhalb Stunden unterwegs», sagte sie.

Ihre Stimme klang besorgt. Auch Kevin gab zu: «Wir haben uns Sorgen gemacht, Kim.» Ich war verrückt. Ich starrte beide an, als wäre ich … echt verrückt. «Tut mir Leid», brachte ich raus und lächelte leicht. «Ich fühle mich nur … keine Ahnung wie. Mir steht alles über den Kopf.» Ich verzog das Gesicht. «Wir werden dir beistehen, Kim. Ich bin immer da, wenn du mich brauchst, vergiss das nicht.» Ein Lächeln huschte über mein Gesicht.

«Das weiß ich Linda. Ich muss mit Adrian abschließen. Ich werde keine Sekunde mehr an ihn denken.» Ich stand auf und nahm mein Handy in die Hand, das ich heute noch nie angerührt hatte und löschte Adrian aus meiner Kontaktliste.

Der erste Schritt zur Besserung war getan. Mein kleiner Ausrutscher von vorhin war mir peinlich, als ich geschwiegen und dann einfach abgehauen war. Also entschuldigte ich mich nochmals und Linda stieß mich sanft. «Hör auf dich zu entschuldigen. Es ist schon vergeben und vergessen», sagte sie mit einem breitem Grinsen im Gesicht.

Ich wusste warum, denn diesen Satz hatte ich schon einmal zu Linda gesagt. Ich kicherte leise und umarmte Linda. Sie war echt mein Fels in der Brandung. Die Person, die mich aufbaute, wenn es mir schlecht ging. Linda war die beste Freundin, die man sich vorstellen konnte. Und ich hatte sie. «Wir sollten noch ein Spiel spielen, Linda. Vielleicht kannst du mich dieses Mal schlagen?» Es war verwunderlich, wie schnell meine Laune wieder gut wurde. Hatte ich vor zehn Minuten noch geschwiegen und war traurig, war ich jetzt wieder ein wenig besser gelaunt. Vielleicht ging die Pubertät mit mir durch…

 

 

****

«Ich habe keinen Bock mehr», Linda stieß einen Seufzer aus und überreichte Kevin den Controller. «Mach du sie fertig. Ich bekomme das nicht hin.»

Ich grinste Linda an.

«Ich habe auch schon öfters mit … mit jemandem gespielt», sagte ich und erwähnte nicht den Namen einer bestimmten Person, dem ich mein Herz geschenkt und der es dann zertreten hatte. «Das habe ich schon bemerkt. Sonst wollen Mädchen so viel wissen, wenn man zum ersten Mal mit ihr spielt. Aber du hast nichts gefragt und hattest den Dreh schon raus», meinte Kevin.

«Lass uns spielen», ich entspannte mich, kuschelte mich in die Couch und fing ein neues Spiel an. Kevin nickte, während Linda mich anfeuerte. Es war witzig zu hören, wie sie mich anfeuerte. «Geh zu den Cheerleadern. Die schreien auch immer solche komischen Worte», sprach ich an Linda gewandt und schoss ein Tor.

«Pf!», machte sie und streckte mir die Zunge raus, dass ich jedoch nur mit einem Auge mitbekam. Die Stunden gingen dahin, bis es schließlich elf Uhr wurde. Linda, Kevin und ich standen draußen vor Lindas Auto. Ich drückte beide an mich und verabschiedete mich. «Ich komme dich morgen wieder besuchen», sagte Linda und ich strahlte sie an.

«Ich freue mich jetzt schon», gab ich zurück. «Und wir sehen uns in der Schule Kim.» Ich nickte Kevin zu. «Und darauf freue ich mich auch schon.» Dann stiegen beide in ihr eigenes Auto und fuhren davon. Die beiden Menschen, die mir heute so viel geholfen hatten. Langsam schlenderte ich zurück und in die Küche, wo meine Tante gerade das Licht abschaltete.

Ich nahm mir noch schnell einen kleinen Muffin und küsste ihre Wange. «Gute Nacht, Tante», wünschte ich ihr. «Gute Nacht, Kim.»

Ich biss in den Muffin und wir gingen die Treppe hoch zu unseren Zimmern. Ich hatte gerade geschluckt, als ich es plötzlich spürte. Meine Reaktion war schnell und ich sprang ins Bad. Sofort übergab ich mich. Fünf schreckliche Minuten lang. «Ich habe im Radio gehört, dass momentan die Grippe herum kursiert», meinte meine Tante. «Ich fühle mich auch schlecht»

Ich schmiss den Muffin in den Müll und ging in mein Zimmer. «Schlafe morgen aus. Du brauchst nicht in die Schule zu gehen.»

Dankbar lächelte ich ihr zu und schlüpfte unter die Bettdecke. Ich schrieb Kevin eine Nachricht, dass er morgen nicht auf meine Anwesenheit warten sollte, da es mir nicht gut ging. Er wünschte mir gute Besserung und mit dem Handy in der Hand schlief ich ein.

 

Kapitel 20 – Freitag, 17. Mai 2013

Die restlichen Tage verbrachte ich ausschließlich im Bett. Meine Tante musste leider arbeiten, aber Linda hatte sich extra frei genommen, wobei sie ihrem Chef ziemlich Druck machte, da er ihr nicht frei geben wollte. Linda war vierundzwanzig Stunden am Tag bei mir, kochte mir Suppe und kümmerte sich um mich.

Kevin kam vorbei und brachte mir die Hausaufgaben, die er von Mandy bekommen hatte. Ich hatte ihn angefleht mir die Hausaufgaben zu bringen, da ich nicht hinterherhinken wollte und ich ein wenig Beschäftigung benötigte. Und sich übergeben gehörte nicht dazu, was ich diese Woche ziemlich oft getan hatte. Heute ging es mir wieder besser.

Die Übelkeit war verschwunden, meine Kopfschmerzen und die Bauchschmerzen ebenfalls. Obwohl meine Tante dagegen war, ging ich wieder in die Schule. Linda hatte zwar noch frei, aber ich empfahl ihr zu Richard zu gehen, den sie in letzter Zeit ziemlich vernachlässigt hatte. «Er wird sich freuen», versuchte ich es erneut und schließlich nickte sie.

«Du hast Recht. Das sollte ich. Aber ich bin am Abend wieder bei dir.» Linda war so fürsorglich, wenn es um mich ging. Wie hatte ich all die Jahre nur ohne sie leben können? Unten in der Küche machte ich uns einen Tee, während Linda mir ein Butterbrot strich. Mehr vertrug mein Körper noch nicht, obwohl er definitiv noch Hunger hatte. Aß ich jedoch mehr, kotzte ich.

Also beschränkte ich mich auf das, was mein Magen verkraftete. Danach ging ich hoch und schminkte mich. Die Augenringe kamen weg, meine Lippen wurden glänzender und mein Teint wurde frischer. Als ich ins Zimmer kam, hatte Linda mir schon Sachen zum Anziehen ausgesucht. «Ich bin kein Baby», beschwerte ich mich, aber sie zuckte nur mit den Schultern.

«Mir hat es gefallen. Ziehst du es bitte an?» Also zog ich die violette Hose und den schwarzen Pullover aus Baumwolle an. Dazu zog ich Ballerinas und meine Jacke an. Da erst wurde ich aufmerksam. «Warum willst du, dass ich es anziehe?

» Erneut zuckten ihre Schultern.

«Es gefällt mir.» Aber ich hatte sie durchschaut. Ich öffnete den Schrank, den ich seit Tagen nicht mehr geöffnet hatte, denn Linda hatte alles ausgesucht. Warum kam es mir nicht schon früher Spanisch vor? Und da entdeckte ich sie.

Adrians Lederjacke.

Sofort schloss ich den Schrank. Ich hatte Mr. Ich-nenne-den-Namen-nicht in den letzten Tagen so gut vermieden, aber jetzt kam alles wieder in mir hoch. Reiße dich zusammen! Ich nahm tief Luft und lächelte Linda an. «Es wird Zeit.

Ich sollte gehen.» Linda würde noch die Küche auf Vordermann bringen, ehe sie gehen würde. Ich hatte es ihr verboten, aber sie ließ nicht los, bis ich es ihr erlaubte. «Schaue ja nicht zu Adrian, Kim. Ich schwöre dir, ich werde sofort kommen, wenn etwas ist!» Ich lächelte sie an und sie umarmte mich. «Ich hab dich lieb», flüsterte sie und ich heulte fast.

«Ich dich auch, Linda», ich befreite mich aus der Umarmung, «Aber ich muss jetzt gehen.» Ich ging los. Zur Haltestelle, wo ich hoffte, die Person nicht anzutreffen, die ich aus meinen Gedanken verbannt hatte. Ich wurde enttäuscht.

Als ich ankam, musste ich diesen Anblick sehen. Sofort drehte ich meinen Kopf, damit ich ihn nicht länger ansehen musste. Er war hier, ich sah ihn … und alles kam wieder hoch. Hass, Trauer, Liebe, Enttäuschung. Dass alles auf einmal war keine gute Kombination. Ich hörte Schritte und wusste sofort, dass Adrian zu meiner Richtung ging. Nein! Er durfte nicht zu mir kommen!

«Hey, Kim.»

Er hatte sich allen Erstens zu mir her getraut. War mein ‚Leb wohl, Adrian‘ nicht deutlich genug? Ich ignorierte ihn und wartete auf die Straßenbahn, die gerade kam. «Kim?» Ich schüttelte den Kopf. In meinem Gedanken hörte ich immer nur das gleiche: ‚Rede nicht mit mir!‘ Die Straßenbahn kam und ich stieg ein. Ich fragte einen alten Mann, ob ich mich neben ihn setzen konnte und er ließ mich lächelnd niedersitzen. Mr. Ich-nenne-den-Namen-nicht kam nicht mehr zu mir.

Zwei ältere Frauen versperrten ihm den Weg und unterhielten sich eifrig. Zu meinem Glück. Ich zuckte mein Handy raus und schrieb Kevin eine Nachricht.

 

Arschloch in Sicht. Wartest du vor der Schule auf mich?

Kim

 

Ich schickte ab und betete, dass Kevin mir ja antworten würde. Das würde er gewiss. Er war der nettere von den beiden. «Könntest du mich bitte aussteigen lassen?», fragte der alte Mann und ich stand auf. «Natürlich», murmelte ich und ließ ihn aussteigen. Sofort nahm ich den Platz wieder ein, damit kein anderer ihn nehmen konnte. «Kann ich mich setzen?»

Ich drehte mich zur Seite. So typisch! Ich steckte mir Kopfhörer in mein Ohr, machte die Musik laut und ließ ihn neben mich setzen. Ich konnte immer noch nicht nein sagen. Nicht immer. Adrian verstand, dass ich nicht reden wollte und blieb still.

Dennoch spürte ich die Blicke auf mir und war froh, dass wir endlich aussteigen mussten. Kevin hatte mir nicht zurückgeschrieben, was mich ein wenig traurig stimmte. Ich wollte nicht alleine in der Schule umhergeistern und dieser Typ – der wieder mal neben mir stand – kam auf jeden Fall nicht in Frage. Die Türen öffneten sich und Kevin stand davor.

«Ich dachte mir, dass ich dich hier abhole. Geht es dir mit deinem Bauch besser?» Ich schlang meine Arme um ihn. «Ja, die Grippe ist vorbei. Und danke, Kevin.» Als ich mich von Kevin löste, sah ich wie Adrian uns böse Blicke zuwarf. Aber was interessierte es ihn? Er hatte seine Chance gehabt. Und sowieso fühlten Kevin und ich das gleiche: nämlich wahre Freundschaft. Nebeneinander gingen wir in die Schule. «Leider haben wir keinen Kurs miteinander. Wer ist dein Sitznachbar?»

Ich seufzte.

«Genau der, den ich vermeiden sollte!» Kevin betrachtete mich kurz. «Mist!» Ich nickte. «Du sagst es.» Er brachte mich vor meine Klasse und schon klingelte es. «Du schaffst das», sagte er und ich lächelte. «Bis später, Kevin.»

 

 

**** 

Es läutete. Zur Pause. Die erste Stunde war vergangen. Die nächste Stunde war Physik, weshalb alle aus dem Raum huschten. Alle bis auf Adrian und mich. Ich, weil ich noch mein Zeug einpacken musste und Adrian, weil … naja das wusste ich nicht.

Ich spürte nur immer wieder seine Blicke auf mir. Ich hätte zuhause bleiben sollen… «Warst du krank?», erklang plötzlich die Stimme von Adrian und unterbrach das Schweigen. «Ja», gab ich nur zurück und stand auf. Ich hoffte, dass er nicht mit mir gehen würde, ich wollte es nicht. Abstand. Das war das einzige, das ich wollte. Doch den bekam ich nicht.

«Ich dachte schon, dass du … du weißt schon.» Ich drehte mich zu Adrian und funkelte ihn an.

«Lass mich in Ruhe!»

Adrian tat jedoch nicht das was ich verlangte. «Habe ich dir nicht deutlich gesagt, dass ich dich nicht mehr sehen will?!», fauchte ich. Einige blieben stehen und starrten uns an. «Das wäre nicht das erste Mal, dass du so was sagst, Kimmie.»

Meine Augen sprühten Funken. «Und dieses Mal meine ich es Ernst. Ich hasse dich!» Adrian sah mich erschrocken an und da ging ich einfach. Obwohl ich außen so cool war, war ich innen nur mehr ein Scherbenhaufen. Wieder einmal kurz vor dem Weinen.

Ich marschierte geradewegs in den Physiksaal und auch da schien mich jeder zu beobachten. Wussten sie alle, dass Adrian und ich nicht mehr befreundet waren? Der Gedanke wurde beiseitegeschoben und ich setzte mich hin. So gerne hätte ich gewusst, ob Adrian was gesagt hätte. Doch ich wusste, dass es nichts Schönes für mich sein würde.

Ich kramte in meiner Tasche herum und zog mein Physikbuch hinaus. Es blieb mir zwar nur mehr eine Minute, vielleicht sogar zwei, um einen kurzen Blick in das Buch zu werfen. Leider verging die Minute viel zu schnell, aber ich las es mir weiter durch. Nach zehn Minuten kam immer noch kein Lehrer.

Kein Lehrer und kein Adrian.

Vielleicht machte er blau? Wollte mich nicht sehen? «Ist das sein Ernst?», schrie Mandy aufgebracht, als nach zwanzig Minuten immer noch keiner kam. «Bin ich froh, wenn ich dieses Jahr draußen bin!» Ich sah, wie sie aufstand und das Klassenzimmer verließ. Ich hatte irgendwie das Gefühl, dass unser Physikprofessor nicht mehr auftauchen würde und so packte ich mein Buch wieder ein.

Tja, in der nächsten Stunde wusste ich zumindest alles. Meine anderen Mitschüler taten es mir nach und waren kurz vor dem Gehen, als Mandy mit dem Professor kam. «Ich hatte noch etwas Wichtiges zu erledigen», entschuldigte er sich und sah durch die Bankreihen. «Wer meldet sich freiwillig?»

 

 

 

**Teil 2**

 

Die letzten Stunden vergingen so langsam wie schon lange nicht mehr. Alles schien sich in die Länge zu ziehen. Die Professoren redeten gemächlich, ich schrieb wie eine Schnecke, die Zeit verging nur bedachtsam. Sagen wir so – ich war froh, als es klingelte und wir gehen konnten. Kevin hatte sechs Stunden, weshalb ich alleine war.

Es war komisch, da ich schon lange nicht mehr alleine war. Das Gefühl währte jedoch nicht lange. Linda stand vor der Schule und grinste mich an. «Richard besorgt uns ein paar Cheeseburger von McDonald‘s», begrüßte sie mich. Ich grinste sie an. «Ich bin schon am Verhungern. Mein Magen hat die ganze Zeit wie verrückt geknurrt.» Ich streichelte meinen Bauch. «Du bekommst gleich was», flüsterte ich ihm zu. Die Antwort bestand aus einem Knurren. «Komm mit.» Sie zog mich mit und wir gingen ein wenig Richard entgegen.

«Da ist er ja», Linda winkte und Richard blieb am Rand stehen, damit wir schnell einsteigen konnten. «Hey Ladies!», begrüßte er uns und wir grüßten zurück. Wir fuhren zu mir, wie ich sah und ich musste Richard mustern. Der merkte meinen Blick und grinste mich im Spiegel an. Schnell sah ich weg und hinaus aus dem Fenster.

«Du warst die auf der Party, oder?», fragte er mich und ich sah ihn an. «Lindas Geburtstagsparty? Ja, ich war eine von vielen Mädchen.» Ich beobachtete wieder Richard und musste lächelnd feststellen, wie gut die beiden zusammenpassten. War ich froh, dass ich Linda gesagt hatte, dass sie sich mit ihm treffen sollte. «Du starrst mich die ganze Zeit an.»

Linda drehte sich zu mir und grinste. «Hey! Ich musste nur gerade feststellen, wie gut ihr zwei zusammenpasst!», verteidigte ich mich. Linda schmolz dahin und sah mich dann besorgt an. «Hast du Adrian gesehen?» Ich nickte. «Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn hasse», flüsterte ich und sie strich mir sanft den Arm. «Glaub mir, das war das richtige.» Ich lächelte zaghaft. «Ich weiß», murmelte ich und strich mir ein Haar aus dem Gesicht.

«Ihr könnt schon was anderes machen. Ihr müsst nicht mein Babysitter sein.» Richard blieb vor unserem Haus stehen und wir stiegen aus. «Wir sind nicht deine Babysitter, Kim. Wir verbringen nur den Nachmittag mit dir.» Ich stöhnte. «Und passt auf mich auf, damit ich ja nichts Dummes anstelle. Keine Sorge, ich wollte mich nur ins Bett verkriechen.» Linda tauschte mit Richard einen Blick. «Wir bleiben definitiv», Linda legte einen Arm um mich, «Ich kann doch nicht zulassen, wie du dich in Selbstmitleid badest.» Ich kicherte kurz. «Gerade das liebe ich an dir.»

Linda lachte und drückte mich. «Und jetzt schließe die Tür auf und lasse uns nicht hier draußen erfrieren. Der Wind ist ein wenig zu viel des Guten.» Ich sperrte die Tür auf und wir gingen ins Wohnzimmer, wo ich den Fernseher einschaltete. «Hier Cheeseburger zum Umfallen.» Richard hatte den ganzen Tisch mit Cheeseburger bedeckt und wir griffen alle zu. Ich war ja so ein Vielfraß.

 

 

****

Ich musste zugeben, dass ich nach dem achten Cheeseburger aufhören hätte sollen. Mir war ein wenig übel und ich hatte mich in eine Decke gekuschelt. «Hast du immer so viel Hunger?», fragte mich Richard. «Hey!», sagte ich empört und dachte nach. Ich war wirklich eine verfressene Person. «Manchmal habe ich meine Tage wo ich Hunger habe.

Aber heute habe ich mich selbst übertroffen.» Ich streichelte meinen Bauch. Richard grinste mich an. «Tut sie das immer?», fragte er Linda. «Nein, das macht sie nicht immer», beantwortete ich seine Frage, «Aber wenn ich Hunger habe dann schon. Oder wenn ich vollgestopft bin!» Aber ich musste mir eingestehen, dass ich es ein wenig übertrieben hatte.

Aber mein Bauch hatte geknurrt und da wollte ich ihm – nach drei Tagen, wo ich nur Suppe geschlürft hatte – etwas Gutes tun. Ein wenig zu viel. «Wir gehen jetzt eine Runde spazieren. Das tut dir sicherlich gut, Kim.» Linda feixte mich und ich sah sie zornig an. «Sag doch gleich, dass ich fett bin!» Linda zog mich von der Couch hoch. 

«Dazu fehlt mehr, als nur ein wenig zu viel essen. Mensch Kim, du bist wie ein Model mit schönen weiblichen Kurven. Nur nicht abgehungert. Und du bist nicht fett!» Ich nickte langsam. Ich atmete tief ein und aus und versuchte meine Gefühle wieder zu ordnen. Warum war ich gerade so leicht ausgetickt? Linda hatte Recht. Die frische Luft tat mir gut. Sie peitschte mir ums Gesicht, durch meine Haare und brachte mir eine Gänsehaut.

«Wird dir immer so schnell kalt?», fragte Richard und zog sich seine Jacke aus. «Schatz, du frierst nicht, oder?»

Einen kurzen Blick zu Linda und er küsste sie. «Gib sie Kim. Die erfriert.» Warum genau, mir so kalt war, wusste ich nicht. Vielleicht war ich ja ein eher warmer Typ? Nur hatte ich es bisher nicht gewusst. Richard reichte mir die Jacke und ich schlüpfte dankend in sie hinein. «So kalt war mir nicht», sagte ich, «Ich hätte es ertragen.»

Linda sah zu mir.

«Dann kannst du sie mir wieder geben», meinte er lachend. Ich sah ihn mit aufgerissen Augen an. «Darf ich sie doch haben?» Richard nickte, legte einen Arm um Linda und zog sie zu sich. Mensch, waren die süß. Genau so einen wollte ich auch haben. Einer der nicht nur mir beistand sondern auch einmal meiner Freundin helfen konnte. Einer, der alles liegen und stehen lassen würde, nur um mich aufzumuntern. Einer, der mich bedingungslos liebte.

Ich unterdrückte einen Seufzer und beschäftigte mich mit meinen Fingernägeln. Vielleicht sollte ich sie wieder einmal mit Nagellack bemalen? Ich nahm mir vor, sie heute noch zu streichen. In rosè oder in blau? Grün, violett oder dunkelrot? Während ich mir die Farbe für meine Nägel im Kopf aussuchte, musterte mich Linda eingehend. Was ich wohl für einen Eindruck machte? Als ich ihren Blick spürte, lächelte ich. «Ich wollte mir heute einen Nagellack hinauftun», verteidigte ich mich.

«Und für was hast du dich entschieden?», fragte sie mich. «Für dunkelrot. Und am Ringfinger ein Steinchen.»

Linda legte den Kopf schief.

«Das würde dir passen. Und was bekomme ich?», fragte sie mich. Ich kniff meine Augen zusammen. «Dunkelblau. Das passt perfekt zu deinen Augen.» Linda kicherte. «Dann sollten wir loslegen.» Sie stieß Richard in die Seite. «Meine Nägel werden lackiert!», quiekte sie und Richard schüttelte verständnislos den Kopf. «Mädchen!», flüsterte er. Da hatte er ausnahmsweise Recht…

 

 

****

«Ich wusste gar nicht, dass du das so gut kannst!», Linda streckte die Nägel vor sich hin und betrachtete sie bewundernd, «Abgefahren.»

Ich lachte.

«Bist du dir sicher, dass du nicht auch willst?», wandte ich mich grinsend an Richard, der jedoch nur den Kopf schüttelte. «Ich will männlich erscheinen, Kimberly!», tadelte er mich und Linda und ich fingen an zu lachen.

«Du bist der beste Kerl», hauchte Linda und ich verzog das Gesicht. Liebe. So viel Liebe um mich. Nur ich … ich hatte Pech in der Liebe. Ich erhob mich vom Bett und ging leise in die Küche. Ich wollte gewiss kein Spanner sein, wenn die ihre Küsse tauschten. Ich nahm mir ein Glas und füllte es mit Wasser. Während ich trank, konnte ich nur an eines denken. An Adrian. Leider Gottes. Es kam mir vor, als würde er meinen Körper berühren.

Als würde er Küsse auf meinen Körper hauchen. Rasch öffnete ich die Augen, bevor ich völlig darin versank. Und plötzlich war ich sauer. Sauer auf mich, weil ich ihn nicht vergessen konnte. Ich schmiss das Glas in das Spülbecken und ging wütend umher.

Was war an diesem Typen so toll? Ich schlang meine Arme um mich und ließ mich auf den Boden gleiten. Verdammt, es war schwieriger als ich gedacht hatte. «Kim!» Linda setzte sich zu mir und nahm mich tröstend in den Arm. «Ich habe Richard wegegeschickt. Tut mir leid, dass wir immer wieder miteinander turteln.» Ich schüttelte mit Tränen in den Augen den Kopf.

«Ich finde das süß. Du hast den Richtigen gefunden. ich hingegen, habe nur ein weiteres von vielen Arschlöchern gefunden.»

«Hör auf zu weinen, Kim. Du solltest keine einzige Träne dem Arsch nachweinen!» Ich lächelte leicht. «Es fällt mir aber ganz leicht zu weinen. Ich muss nur an ihn denken und schon heule ich!» Linda strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. «Dann denke an etwas Schönes, Kim.» In dem Moment klingelte es und ich sah zur Uhr.

«Das ist Kevin», sagte ich und ging zur Tür. Er wollte sofort kommen, wenn er mit der Schule fertig war. Ich öffnete die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. Mein Lächeln, das ich gerade noch gehabt hatte, verschwand und ich wischte mir schnell die verräterischen Tränen aus dem Gesicht. «Was machst du da?!», fragte ich so kühl wie mir nur möglich war. Sagen wir so – ich scheiterte kläglich. Nicht nur meine Tränen verrieten mich, sondern auch meine Stimme.

«Hast du geweint?» Ich starrte Adrian nur an.

«Du solltest gehen!», Linda stand hinter mir und funkelte ihn böse an. «Halt du die Klappe!», fuhr er sie an und wandte sich wieder an mich.

«Können wir reden?» Linda wollte wieder etwas sagen, aber da war mein Kopf schneller, der sich nur bewegte. Hin und her. «Nein!»

«Bitte, Kim», versuchte er es wieder. «Sieh an, sieh an.» Kevin stieg aus dem Auto – das ich nicht einmal bemerkt hatte, wie es kam – und ging zu uns. «Ich dachte, du wärst es», sagte ich an Kevin gerichtet und hielt weitere Tränen zurück, als mein Blick Adrian streifte. «Kim? Bitte?» Doch da war ich schon weg. Ich sprang auf mein Zimmer, bevor ich vor ihm einen Zusammenbruch bekam. Denn ich stand kurz davor. Ich atmete zu schnell, ich heulte und meine Gefühle waren wieder einmal perfekt durchwühlt. Unten hörte ich die Stimmen von den drei.

War Liebeskummer so schlimm? Ich dachte immer, er würde nicht so schrecklich sein. Wer würde auch verrückt werden? Mit den Gefühlen am Ende, dauernd am Heulen? Ich krallte meine Finger in meinen Arm, damit ich ein wenig klarer denken konnte und die Gedanken um Adrian verschwanden. Es funktionierte und ich schloss meine Augen. Ich war müde geworden. Also kroch ich unters Bett und schlief ein.

 

 

****

«Sie öffnet ihre Augen!» Ich blinzelte und rieb mir die Augen. «Ist er weg?», fragte ich sofort nach und Linda, die neben mir saß, nickte. «Kevin hat ihn verscheucht.»

Ich richtete mich auf. «Hast du gut geschlafen?», kam dann die Frage von Kevin. Ein kurzes Lächeln huschte über mein Gesicht. «Ja. Wie spät ist es?» Kevin sah auf die Uhr. «Viertel vor sechs.»

«Was?»

Ich sprang aus dem Bett und nahm mein Handy in die Hand. Sofort sah ich auf die Uhr. Er hatte Recht. Und außerdem hatte ich eine Nachricht bekommen, die ich öffnete. Eine unbekannte Nummer. Doch diese Nummer erkannte ich, ohne ein zweites Mal darauf zu schauen. Adrian. Ich hätte ihn blockieren sollen!

 

Kann ich dich alleine treffen? Montag? In der ersten Stunde?

Adrian

 

Ich las sie mir nochmals durch, bevor ich sie löschte. Ein weiteres Mal enttäuscht zu werden, verkraftete ich nicht.

«Ist was?», fragte Linda und stand dann auch auf. «Nein», sagte ich schnell. Zu schnell. «Kim?» Sie kam zu mir und sah auf mein Handy, Doch da war nichts mehr. Nichts, dass auf Adrian hinweisen würde. «Was sollte groß sein, Linda? Gehen wir etwas Kochen? Ich habe schon wieder Hunger», lenkte ich von dem Thema ab und wir gingen in die Küche.

Da wir alle zu faul zum Kochen waren, bestellte Kevin uns etwas vom Chinesen. In der Zwischenzeit warteten wir, während ich versuchte nicht zurückzuschreiben. Verdammt, warum musste ich seine Handynummer auch noch wissen?

Einerseits wollte ich unbedingt wissen, was er wollte. Andererseits … wollte ich genau das nicht erfahren. «Bring das Mädchen auf andere Gedanken! Das schiebt da gerade Trübsal!», neckte Linda mich und ich sah auf. «Wird gemacht», antwortete Kevin und führte mich in das Wohnzimmer.

«Ich habe ein neues Spiel gekauft.» Ich ließ mich auf die Couch fallen und nahm den Controller in die Hand. «Ist es ein gutes Spiel?»

Kevin nickte als Bestätigung und wir fingen an zu spielen. Nach einer halben Stunde kam unser Essen und wir verspeisten alles was wir bestellt hatten.

Während ich alles verräumte zockte Linda ein wenig mit Kevin. Als ich mich dann dazusetzte, gab Linda mir den Controller und sah uns beiden zu. Nach zwei Stunden ging Linda, wobei ich sie ziemlich dazu drängen musste. Ich wollte nicht, dass sie Richard absagte. Und so ging sie schließlich, während Kevin und ich weiterspielten. Irgendwann wurden wir beide aber müde und ich zeigte Kevin sein Zimmer, da es schon nach zwölf Uhr war.

Kevin und ich wünschten uns eine gute Nacht, während wir in unser jeweiliges Zimmer gingen. Und da übermahnte mich sofort der Schlaf und ich gelangte in die Welt der Träume.

Kapitel 21 – Montag, 20. Mai 2013

Es ist mir entschwunden. Ich hatte es so was von vergessen.

Ich war in der Früh aufgestanden, war in die Küche getorkelt um mir ein Frühstück vorzubereiten. Doch das Frühstück war schon gedeckt und ich erblickte meine Tante, Linda und sogar Kevin vor dem Tisch. Wie auf ein Kommando fingen sie an zu singen.

Happy Birthday.

War heute schon der 20? Ich hatte meinen eigenen Geburtstag vergessen. Meinen eigenen? Hallo?! Meine Tante und meine zwei Freunde drückten mich und gratulierten mir. Am Abend würden die drei ein Abendessen für mich zaubern und eine kleine Party zu viert schmeißen. Da würde ich auch meine Geschenke bekommen, wie ich erfahren hatte

. Leider verging die Zeit zu schnell, denn schon war ich auf dem Weg in die Schule. Und da hatte ich das nächste vollkommen vergessen. Ich war gerade in der Straßenbahn, es war viertel vor acht und mich rief jemand an.

Mein Frauenarzt. Er wunderte sich, warum ich nicht erschienen war. Ich hatte mich sofort entschuldigt und gesagt, dass ich momentan ziemlich vergesslich war. Nun stand ich vor der Praxis und ging hinein. Ein Mädchen lief an mir vorbei und nickte mir kurz zu. Als ich die Tür öffnete, kam mir Dr. Mellmer entgegen. «Kommen Sie.

Ein Mädchen hat mit Ihnen den Termin getauscht, da sie früher hier war.» Wir gingen in das Untersuchungszimmer und wir setzten uns.

«So heute machen wir eine ausführliche Behandlung. Wir werden einen Bluttest machen und dich genauestens untersuchen.»

Ich nickte langsam. Das war nichts Neues. Jeden zweiten Monat wollte dieser Typ mich sorgfältig untersuchen lassen. Falls etwas geschieht, müssen wir es wissen, war sein Spruch. «War ihre Regelblutung normal?», brachte er mich aus meinen Gedanken und ich musste ihn bitten, die Frage zu wiederholen. Und er tat es. «Das haben Sie mich schon letztens gefragt!», sagte ich genervt und er runzelte die Stirn. «Das ist jetzt ein Monat her, Kimberly. Sofern ich weiß, haben Sie eine Woche bevor Sie zu mir gehen Ihre Menstruation?» Scheiße. Scheiße!

«Ich hatte sie nicht…», murmelte ich und vergewisserte mich im Kopf, ob ich sie nicht dennoch gehabt hatte, aber nur vergessen hatte. Aber nein. Die letzte war zwei Wochen vor dem Urlaub. Und sie war jetzt schon seit letzter Woche fällig! «Hatten Sie Geschlechtsverkehr?» Den ganzen Urlaub über. «Mit Verhütung. Ich schwör es!» Außer einmal vielleicht, schoss es mir. Hatten wir das erste Mal verhütet? Ich wusste es nicht. Ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern. An den Sex schon, daran hatte ich das ganze Wochenende gedacht.

«Sind Sie sich da sicher, Ms. Montgomery?» Ich sah ihn verzweifelt an. Nein, nein, nein! «Das erste Mal weiß ich nicht mehr», flüsterte ich schließlich. Er musste mich jetzt echt für ein Flittchen halten. «Wie lange ist das her, Ms. Montgomery?», hakte er nach.

«Ende April. Bin ich aber nicht … naja sie wissen schon?» Doktor Mellmer zuckte mit den Schultern. «Möglich ist es, Kimberly. Eine Woche überfällig ist viel. Wir werden einen Bluttest machen, um das zu klären.» Er nahm mir Blut ab und ging in sein eigenes Labor. Währenddessen schaltete ich den Radio ein, damit ich auf andere Gedanken kam.

Es kamen gerade die Nachrichten und Dr. Mellmer gesellte sich wieder zu mir. «Das dauert noch ein wenig. Haben Sie zurzeit irgendwelche Übelkeiten?», fragte er mich. Oh Gott! «Letzte Woche ja. Aber das war doch nur die Grippe!»

Dr. Mellmer nickte.

«Waren Sie deswegen beim allgemeinen Arzt?» Ich schüttelte den Kopf. «Ist Ihnen noch etwas aufgefallen?» Ich atmete schwerer. War kurz vor einem Kollaps. «Ich kann auf einmal wütend werden. Eine Minute später ist alles wieder in Ordnung. Ich habe oft geweint. Aber dieser Junge, mit dem ich … Sie wissen schon was ich meine … hat mich sozusagen abserviert. Und deswegen bin ich so», verteidigte ich mein Gefühlchaos.

«Ich werde nach dem Bluttest sehen», er verschwand und ließ mich alleine. Die Nachrichten im Radio waren vorbei und nun kam ein Lied. Ich wollte ein fröhliches Lied, das meine derzeitige Stimmung auflockern konnte. Stattdessen kam Birdy mit ‚Skinny Love‘. Verdammt! Ich musste flennen. Ich sah gewiss aus, wie ein verletzliches Mädchen. Ich kauerte auf dem Stuhl, das Lied lief im Radio und ich heulte. Es kam mir vor wie eine Stunde, wo Dr. Mellmer nicht auftauchte.

Es waren jedoch nur wenige Minuten. Das Lied endete, als er kam und ich blickte mit Tränen in den Augen auf. «Sie können es sich sparen. Ich bin es.» Dr. Mellmer musterte mich mitleidig. «Hier wäre eigentlich ein ‚Herzlichen Glückwunsch‘ angebracht, Ms. Kimberly, aber ich glaube kaum, dass Sie das hören wollen.» Er überreichte mir ein Taschentuch und die Werte. Ich war schwanger. «Alles Gute zum Geburtstag, Kim», flüsterte ich mir zu, aber Dr. Mellmer hatte natürlich ein gutes Gehör. «Sie haben heute Geburtstag?» Ich wischte mir mit dem Taschentuch die Tränen weg. «Ja heute. Ich werde achtzehn.» Und ich werde Mutter! Wie schrecklich.

«Darf ich Ihnen gratulieren? Nicht, dass sie das nicht hören wollen.» Ich nickte und er gratulierte mir. «Wenn ich ehrlich sein darf. Sie würden gewiss eine tolle Mutter abgeben. Ein wenig jung, ja, aber das sollte kein Thema sein.»

War das sein Ernst?! Ich war kurz davor durchzudrehen und er sagte mir, dass ich eine tolle Mutter abgeben würde? Klar, er wollte nur nett sein, aber dennoch beruhigte mich das kein bisschen. Ich war schwanger! Von einem Typen, der nur seinen Spaß mit mir hatte. Ich hatte mir doch immer vorgenommen, nicht so ein Mädchen zu werden.

Und genau das war ich jetzt.

Jung, schwanger und der Typ, der mir das angetan hatte, lag wahrscheinlich schon mit der nächsten im Bett. «Wollen wir schauen, ob man etwas beim Ultraschall sieht?», fragte er mich und ich nickte nur abwesend.

Ich war schwanger! Er nahm nicht das Gel für den Bauch sondern schob mir eine stabförmige Vaginalsonde hinein. «Die Vaginalsonographie liefert besonders in der Frühschwangerschaft bis zur 12. Woche bessere und kontrastreichere Bilder, weil die Schallwellen nur einen kurzen Weg zurücklegen müssen. Mit dem Gel würden wir das nicht so gut hinbekommen und mit der Vaginalsonde können wir schon einen nur wenige Millimeter großen Embryo erkennen», erklärte mir Dr. Mellmer. Ich sah auf den Bildschirm und konnte meinen Augen kaum glauben.

Ein schwarzer Fleck stach mir sofort in die Augen. Mein Mund klappte auf und ich sah schockiert zu dem Foto, während ich versuchte, nicht zu hyperventilieren.

Nur ein kleiner Fleck – und ich drehte schon fast durch. «Dieser dunkle, kleine Punkt ist die Fruchtblase, und hier dieses ganz winzige Pünktchen in der Blase ist der Embryo. Er ist gerade mal drei Millimeter groß, daher sind sie wahrscheinlich in der fünften Schwangerschaftswoche. Vielleicht sogar Anfang der sechsten Woche», teilte mein Frauenarzt mir mit und drückte mir das Foto aus, das er mir überreichte.

Danach nahm er noch weitere Tests vor und machte einen Termin in eineinhalb Wochen aus. Reine Sicherheit und damit er nochmals überprüfen konnte, ob mit mir und dem Baby alles in Ordnung war. Mein Doktor erklärte mir auch, die Risiken falls ich rauchte oder Alkohol trank sowie etliche andere hinweise, die ich zu beachten hatte.

Er quasselte viel und ich hatte ihm nicht zugehört, aber wie es aussah war alles andere in Ordnung. Zum Schluss bekam ich noch einen Mutter-Kind-Pass, den ich skeptisch entgegennahm. Also konnte ich in die Schule gehen, obwohl ich keine Lust hatte. Doch ich musste. Was würde meine Tante sagen, wenn ich nicht in die Schule ging?

Oder wenn sie erfuhr, dass ich schwanger war?! Ich ließ mir auf dem Weg zur Schule ewig Zeit. Sonst brauchte ich immer zehn Minuten, heute war es eine halbe Stunde und es war halb zehn. Die zweite Stunde würde in einer Viertelstunde vorbei sein und ich blieb noch vor der Schule. Mein Atem ging zu schnell und unwillkürlich streichelte ich meinen Bauch.

Ein Baby wuchs in mir. In einigen Monaten würde ich aussehen wie eine dicke Kugel. «Ich habe auf dich gewartet», erklang plötzlich eine Stimme neben mir und ich zuckte zusammen. «Warum?», gab ich patzig zurück.

Das ist dein Vater, sagte ich in Gedanken und sah hinunter zu meinen Bauch.

«Ich habe dir am Freitag eine Nachricht geschickt», sagte Adrian. «Und ich habe sie gelöscht», zickte ich herum. «Können wir bitte reden?» Ich konnte schon förmlich das ‚Bitte bleib mit mir befreundet‘ in seiner Stimme hören.

«Das ist für uns alle nicht gut. Für dich, für mich und …» Ich schüttelte den Kopf und unterdrückte die Tränen. «Es hat keinen Zweck.» Ich wendete mich ab, da die Tränen wieder einmal raus wollten. Doch dieses Mal weinte ich, weil ich Adrian loslassen musste.

Ich rannte los, zur Haltestelle. Zu dem einzigen Ort, wo man alleine sein konnte. Der Park, den Adrian mir gezeigt hatte. Ich stieg in die Straßenbahn ein, stieg ein paar Stationen später wieder aus und lief zum Park. Über die Brücke, die ich links liegen ließ, sofort zu einer Bank. Die herrliche Aussicht munterte mich ein wenig auf. Doch je mehr Zeit ich hier verbrachte, desto mehr Fragen kamen in mir hoch.

Wie sollte ich das alles schaffen?

Sollte ich es behalten?

Wann sollte ich es meiner Tante und meinen Freunden sagen? Und wann Adrian?

Sollte ich es überhaupt gegenüber ihm erwähnen?

Würde ich mit einem Baby klarkommen? Bei einem war ich mir sicher, ich würde kein Menschenleben zerstören. Auch keines, das gerade mal ein kleines Körnchen war. Ich nahm mein Handy, machte Musik und versuchte mich zu beruhigen. Dass ich aber einschlafen würde, hätte ich nicht gedacht.

 

 

****

«Hey, Kim. Öffne deine Augen. Wach auf.» Leise drang eine Stimme zu mir, weckte mich auf. Langsam öffnete ich meine Augen, sah Adrian vor mir und hörte Bon Jovi singen. Das Lied, das ich mit meiner Mutter zum letzten Mal gehört hatte.

Hallelujah.

Ich blinzelte. War das wirklich Adrian? Ja, er war es tatsächlich. Warum wusste er um alles in der Welt wo ich war? «Was machst du hier?», fragte ich – immer noch schlaftrunken. «Ich habe mir Sorgen um dich gemacht», flüsterte Adrian und strich mir ein Haar aus dem Gesicht.

Dass ich ihn aufhalten sollte, hatte ich vergessen. Er machte sich Sorgen und wieder keimte Hoffnung in mir auf.

«Ich mache mir auch Sorgen, Adrian», murmelte ich und dachte an mein Körnchen im Bauch. Ich richtete mich auf und versuchte wach zu werden. «Woher wusstest du wo ich bin?»

«Deine Tante war zuhause und ich habe nachgefragt, wo du bist. Sie hat mir ungefähr eine Stunde lang einen Vortrag abgehalten, bis ich sie umgestimmt hatte. Du würdest in der Schule sitzen, sagte sie. Also erklärte ich ihr, dass du gegangen bist und dann wurde sie panisch. Jetzt suchen wir dich beide.» Ich kniff meine Augen zusammen.

«Meine Tante würde dich umbringen, wenn du zu uns gehst», sagte ich. «Das wollte sie, das kannst du mir glauben. Aber wie schon gesagt, ich habe sie umgestimmt.» Ich sah ihn fragend an. «Du hast sie bestochen?!», rief ich und er lachte.

«Nein!»

Bevor ich was erwidern konnte, lagen Adrians Lippen auf den meinen. Wie sehr ich diese Lippen vermisst hatte. Wie sehr sich mein Herz nach Adrian gesehnt hatte. Ohne eine Sekunde zu zögern erwiderte ich den Kuss, während alles in mir brannte wie Feuer. Während ich das Kribbeln in mir spürte.

«Ich habe ihr gesagt, dass ich dich liebe», flüsterte er nach dem Kuss, schenkte mir ein schüchternes Lächeln – ja kaum zu glauben, Adrian lächelte schüchtern! – und ich strahlte ihn an.

«Sag das nochmal!», forderte ich ihn lächelnd auf, während mein Herz wieder anfing zu heilen. «Ich liebe dich. Die Frage ist nur, ob du das auch noch tust?»

Ich fiel ihm und den Hals.

«Ja das tue ich.» Ich sah ihn lächelnd an und küsste ihn nochmals. Währenddessen sang Bon Jovi immer noch. Ich hatte das Lied schon immer geliebt. Es ließ mich an meine Mutter denken … und jetzt auch noch an Adrian. Ich strahlte ihn an und sah an mir hinunter. Wie würde er reagieren, wenn er wusste, was in mir wuchs? Würde er das Weite suchen? «Hast du was?», fragte Adrian und nahm meine Hand, die er mit seinen Fingern streichelte.

«Nein», gab ich leise zurück und lehnte mich an ihn. Er war hier. Er hat mir gesagt, dass er mich liebte. Alles war so schön. Würde das Ding in mir alles zerstören? «Ich rufe deine Tante an und sage ihr, dass wir auf den Weg zurück sind.»

Er nahm mein Handy und rief meine Tante an. Ich lauschte und versuchte die Stimme meiner Tante zu verstehen, doch ich schaffte es nicht. «Sie kommt jetzt auch nachhause.» Er legte einen Arm um mich und lächelte mich von oben herab an. «Dich bedrückt was, Kimmie», sagte er und ich sah weg. Nicht was, sondern jemand. «Ich … darüber reden wir später.»

Ich zwang mich zu einem Lächeln und sah dann die Brücke vor mir. Vorher war ich einfach so rübergegangen. Ich hatte kaum gemerkt, dass ich die Brücke überquert hatte. Die Brücke bewegte sich nicht, blieb still stehen und ermöglichte uns ein leichtes Überschreiten. Dennoch spürte ich, dass Adrian mich fester an sich drückte und ich konnte ein Kichern nicht unterdrücken. «Du hättest mir schon an dem Tag, als wir vom Urlaub zurückgekommen sind, sagen können, dass du mich liebst!», sagte ich gequält, «Dann hatte ich nicht so getrauert und geweint!»

Adrian blieb mitten auf der Brücke stehen. «Da wusste ich ja noch nicht mal, dass ich das tat.» Ich runzelte die Stirn. «Und jetzt weißt du es?» Adrian nickte wie ein kleiner Junge. «Und wie, Kimmie. Ich bin in der letzten Woche kurz vor dem Sterben gewesen. Du hast mir gefehlt. Wahnsinnig.»

Ich drückte ihn an mich und kuschelte mich an seine Brust. Da unten schlug sein Herz. Ich konnte es genau hören. Ich hob meinen Kopf und grinste ihn an. «Hoffentlich weißt du, was du da machst», murmelte ich und Adrian nickte.

«Ich werde es nicht bereuen.» Dann setzten wir den Weg fort und kamen eine Viertelstunde später bei mir zuhause an. Meine Tante schien noch nicht zuhause zu sein und so gingen wir ins Wohnzimmer. «Ich wollte dir eigentlich noch gratulieren, Kim», fing er plötzlich an.

«Wieso?», fragte ich und sah ihn fragend an. «Du hast Geburtstag?» Ich rieb mir die Stirn. «Das wusste ich. Ich bin einfach nur ein wenig vergesslich.» Adrian lachte kurz. «Alles Gute, Kim.» Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und lächelte mich an.

«Ich habe ein Geschenk für dich. Naja drei.» Ich musterte Adrian. «Sollte ich mich darauf freuen?», hakte ich nach. «Das eine weißt du ja schon, Kim.»

Erschrocken riss ich meine Augen auf.

«Nein!»

«Doch.» Adrian grinste und ich konnte nicht anders als mitzugrinsen. «Dein Auto steht in der Garage. Brauchst nur mehr einen Führerschein.» Ich drückte Adrian an mich. «Du hättest mich beim Wort nehmen sollen. Das ist zu viel.» Adrian lächelte mich schüchtern an. «Ich dachte mir, wenn wir jetzt zusammen sind, dann ist das in Ordnung.»

Ich strahlte.

«Wir sind zusammen?» Adrian nickte. «Ja.» Das war das beste Geschenk überhaupt. Adrian gehörte mir. Und ich gehörte nur ihm. Wir gingen kurz in die Garage, wo ich mein neues Auto bestaunen konnte. Einen Audi R8 Spyder. Danach setzten wir uns ins Wohnzimmer. «Und was sind die anderen zwei Geschenke?» Adrian nahm meine Hand und ließ eine kleine Kette auf meine Hand fallen. Eine wunderschöne Halskette. Mit einem Herz, wo hineingeritzt wurde.

A+K.

Er konnte richtig süß sein und ich wischte mir schnell eine Träne weg. «Danke, Adrian.» Ich umarmte ihn und fragte ihn, ob er es mir hinten zumachen konnte. Nun lag es um meinen Hals, auf meinem Dekolleté. Ein wunderschönes Herz. «Und dein drittes Geschenk wartet im Bett, das wir heute Abend benutzen werden.» Wieder musste ich kichern. «Geburtstagssex?» In dem Moment wurde die Tür geöffnet und meine Tante kam hinein.

«Mache mir nie wieder solche Sorgen!», begrüßte sie mich und umarmte mich. «Wie ich sehe, habt ihr euch wieder vertragen. Wir haben schon darüber gesprochen, was passiert, wenn du sie noch einmal verletzt!» Adrian stand auf. «Werde ich nicht. Mir ist klar, was ich will. Kim. Und das für immer.» Ich schmolz förmlich dahin.

«Das wirst du bekommen, Adrian», flüsterte ich und meine Tante sah wieder mich an. «Warum jagst du uns allen so einen Schrecken ein?» Ich setzte mich wieder auf die Couch. «Das alles wäre nicht passiert, wenn Adrian nicht zu dir gegangen wäre. Ich war fertig und wollte alleine sein.»

«Warum warst du fertig?», fragten Tante Maddy und Adrian gemeinsam.

«Mein Frauenarzt hat mich heute wieder mit Blutteste unterhalten», fing ich an, «Und dann war ich fertig. Keine Sorge, mir fehlt nichts. Ich bin gesund.»

Auf jeden Fall würde ich es Adrian erzählen. Nur nicht vor meiner Tante. Adrian merkte, dass das nicht alles war, doch meine Tante nicht.

«Mein Vater ist gestern am Abend gekommen. Er würde sich freuen, euch zwei zu sehen. Linda kann auch mitkommen.» Ich lächelte Adrian süß an. «Kevin würde auch kommen?» Adrian sah mich an. «Wenn es sein muss.»

Er beugte sich zu mir und hauchte mir einen Kuss auf den Mund. «Wir werden jetzt reden.» Er nahm meine Hand, entschuldigte sich bei meiner Tante und ging mit mir hoch ins Zimmer. «Und jetzt raus mit der Sprache. In der Schule warst du nicht nur fertig. Du hast geweint und mir gesagt, dass es für alle nicht gut sei, wenn ich mit dir rede. Und vorher hast du mir gesagt, dass du dir um dich Sorgen machen würdest.» Ich verzog das Gesicht. Musste ich unbedingt das sagen?

«Ich war beim Frauenarzt. Das ist alles», versuchte ich mich herauszureden. «Ist etwas, das du deiner Tante verheimlichen wolltest. Was hat der Arzt gesagt?» Es hatte keinen Zweck mehr. Ich sollte es ihm sagen … doch dann würde er gehen. Fliehen und dieses Mal nicht mehr kommen. So stellte ich es mir vor. «Du solltest dich setzen», flüsterte ich.

«Du bist aber nicht unheilbar krank?», brachte er verzweifelt heraus.

«Nein!», beruhigte ich ihn, «Aber ich bin schwanger.» Adrian wurde kreidebleich im Gesicht, sah mich mit großen Augen an, sagte kein Wort. «Das war nicht dein Ernst, oder?», fragte er mich schließlich. «Schön wäre es», versuchte ich und lächelte leicht. «Also bedeutet das, dass du da drinnen ein Baby hast? Von mir?» Ich nickte langsam und dann ging Adrian.

Er knallte keine Tür zu, aber er war weg. Ich hielt ihn nicht auf. Warum auch? Ich konnte ihn zu nichts zwingen. Zehn Minuten später stand ich auf und ging hinunter in die Küche. «Was ist mit Adrian? Habt ihr jetzt schon wieder Stress?»

«Das könnte man sagen.» Ich ging in die Küche und sah Adrian sitzend auf einem Stuhl. Ein Glas in der Hand.

«Ich wollte abhauen. Aber dann wurde mir bewusst, dass ich es nicht kann. Ich bleibe. Bei dir und … und dem da drinnen.» Er machte eine Grimasse. «Bist du dir da hundert Prozentig sicher?» Adrian nickte. «Der Arzt hat gesagt, dass es Ende April passiert ist. Und da hatten wir unser erstes Mal. Ohne Verhütung, wie es scheint!» Adrian kratzte sich den Kopf. «Daran haben wir beide nicht gedacht.» Ich setzte mich zu ihm. «Danke, dass du nicht gehst.»

Adrian drehte den Kopf zu mir. «Das könnte ich dir nie antun. Und diesem Knirps da!» Wieder verzog er das Gesicht. «Wer hätte gedacht, dass ich mit achtzehn Vater werde?» Ich setzte mich auf Adrians Schoß und lehnte meinen Kopf auf seine Brust.

«Es tut mir leid», flüsterte ich und küsste seinen Hals. Ein Stöhnen entfuhr seinem Mund und ich grinste ihn schief an. Adrian fuhr mir unters Shirt, zog es mir langsam aus, aber ich hinderte ihn daran. «Meine Tante ist hier», flüsterte ich und er seufzte.

«Wir müssen die Zeit nützen, Kimmie. In ein paar Monaten werden wir nicht mehr miteinander schlafen können.» Er sah mich nachdenklich an. «Hey, es wird alles gut, Adrian. Wir werden das schon packen, oder?» Er sah von meinem Bauch direkt in meine Augen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er küsste mich. «Das werden wir. Hoffentlich.»

Meine Tante kam in die Küche, sah Adrian und mich und verkniff sich ein Lächeln. «Ich habe gewusst, dass ihr zwei füreinander geschaffen seid. Ihr hattet schon immer etwas an euch und das habe ich dir auch gesagt, Kim.» Ich stöhnte, stand auf und zog Adrian mit. «Wir werden jetzt hoch in mein Zimmer gehen und dort werde ich mich umziehen.»

«Kein Sex ohne Verhütung, Kim! Du willst doch nicht schwanger werden?» Sofort blieb ich stehen und sah sie mit aufgerissenen Augen an. «Wir werden jetzt keinen Sex haben!», gab ich zurück und ging hoch in mein Zimmer. Musste sie ausgerechnet das sagen? «Mach nicht so ein Gesicht.» Adrian zog meine Mundwinkel nach oben und drückte mir einen Kuss auf den Mund. «Ich kann es ihr nicht sagen, Adrian. Sie wird ohnmächtig werden! Einen Herzinfarkt erleiden!»

Ich entfernte mich von ihm und suchte im Kleiderschrank etwas zum Anziehen. «Dann sag es ihr erst nach einem Monat. Einige Frauen verlieren doch ihr Kind nach den ersten Monaten? Und wenn es sicher ist, dass es bleibt, dann sage es ihr.» Ich drehte mich zu Adrian. «Du kennst dich aber aus.» Ich zog ihn zu mir und schlang meine Arme um ihn.

«Habe ich mal gelesen.» Er drückte mich an den Kleiderschrank und küsste mich. Immer wieder, immer wilder, immer fester. «Adrian? Meine Tante.» Ein kurzer Kuss und dann löste er sich wieder. «Nach der Party wirst du bei mir schlafen.»

Ich befreite mich aus seiner Umarmung und nahm ein dunkelgrünes Etuikleid heraus. In ein paar Monaten würde ich es nicht mehr anziehen können. Ich würde eine fette Kim werden. Ob Adrian mich da noch attraktiv finden wird? Ich zog mir das Kleid an und zog dazu schwarze Pumps an. Das Kleid wurde von mir glattgestrichen und dann musterte ich mich im Spiegel.

Ich konnte nicht anders, als meinen Bauch zu streicheln. Dort lebte ein kleines Körnchen. Ein Baby. Adrian umarmte mich von hinten, streichelte ebenfalls meinen Bauch.

Als ich uns im Spiegel betrachtete, konnte ich nicht anders als zu schmunzeln. Wir beide sahen so süß aus.

 

 

****

Als Linda und Kevin kamen, fuhren wir sofort mit dem Audi meiner Tante los. Auch wenn die beiden mehr als verwirrt waren, als Adrian bei mir war.

«Du hast mir einiges zu erklären!», flüsterte mir Linda zu und ich flüsterte ihr die Kurzversion zu, die sie neugierig in sich aufnahm.

«Er hat es dir gesagt? Diese drei kleinen und magischen Worte?» Ich lächelte und nickte. «Ja», ich konnte nur wieder dahinschmelzen. Vielleicht bekam ich doch ein Happy End? Mit Adrian.

Als ich ihr die Kette zeigte, die er mir geschenkt hatte, wusste auch sie, dass er mich liebte. «Und das Auto», sagte ich und verdrehte die Augen. Linda kreischte und verlangte, dass ich es ihr demnächst zeigen musste. Adrians Eltern nahmen mich herzlich in die Arme und überschütteten mich mit Glückwünschen. Emily erwähnte ungefähr tausend Mal wie froh sie war, dass Adrian endlich seine Gefühle zu mir offenbart hatte und wir wieder so glücklich waren.

«Mutter! Lass Kim jetzt ihren Freiraum.» Emily nickte und sah mich kurz lächelnd an, ehe sie rasch verschwand und mit Sektgläsern wieder kam. «Auf Kim und ihren achtzehnten Geburtstag. Alles Gute und viel Gesundheit!», schrie Emily und wir alle stießen an.

Da ich schwanger war, nippte ich kurz daran, ehe ich mich hilfesuchend an Adrian wendete. Der trank sein Glas leer und tauschte mit mir schnell. Als meine Tante kurz zu mir lächelte, sah sie, dass ich schon fertig mit meinem Sekt war und wollte mir nachschenken, aber ich sagte sofort, dass ich im Moment keinen Durst hatte. «Ich hoffe, dass du mir nicht so viel Sekt gibst», flüsterte mir Adrian zu. «Ich hoffe, dass ich auf Wasser oder Orangensaft umsteigen kann.

Ich will nachher keinen besoffenen Adrian neben mir liegen haben!» Er beugte sich zu mir hinunter. «Das könnte doch ganz unterhaltsam werden», hauchte er in mein Ohr. Sofort breitete sich eine Gänsehaut auf meiner Haut aus.

«Versuche es erst gar nicht, Adrian», ich kniff meine Augen zusammen und zog ihn zu einem kurzen Kuss zu mir. «Versprich es mir?», forderte ich.

«Ich verspreche es dir», er zog an meinem Kragen und zog mich zu sich. «Ich liebe dich.»

Ich sah hoch zu ihm und grinste.

«Und ich liebe dich», ich stellte mich auf die Zehenspitzen und streichelte sanft seine Wange, «Wie verrückt.»

Adrian umfasste mein Gesicht mit seinen Händen und küsste meine Stirn. Dann wanderten seine Lippen hinunter zu meinen Lippen, die er sofort begann in Besitz zu nehmen. Hinter uns wurde getuschelt, weswegen ich mich verlegen löste. Ich drehte mich zu ihnen um und bemerkte die grinsenden Gesichter meiner Freunde, meiner Tante und Adrians Eltern.

«Stört uns nicht», sagte Adrian und legte beschützend einen Arm um mich. Ich kicherte leise und sah zu ihm hoch. Ich könnte stundenlang diese Augen betrachten. Könnte darin versinken und nie wieder auftauchen.

Und genau das passierte gerade. Fast, denn ich sah schnell weg, ehe es wirklich geschah. «Ich habe es schon immer gewusst», schwärmte Emily und ich sah wieder zu Adrian. «Dann wusste es ja jeder. Außer wir zwei», sagte ich an Adrian gewandt, der mich angrinste. «Irgendwie wussten es alle. Auch wir, Kimmie.» Linda lächelte uns an.

«Siehst du Kim. Wir hatten alle Recht!» Ich lachte. «Ausnahmsweise.»

«Gehen wir in das Wohnzimmer. Da können wir alle sitzen», Emily führte uns alle ins große Wohnzimmer, wo wir uns alle hinsetzten. Emily und Christopher setzten sich auf die Sessel, die links von der Couch waren, Adrian und ich bevorzugten die anderen zwei Sessel der anderen Seite. Während die anderen Quatschten hatte ich nur Augen für Adrian

. Und der schien nur Augen für mich zu haben.

Immer wieder streichelte er meine Hände, sah mich lächelnd an oder fragte, ob ich einen Durst hatte. Nach dem zehnten Mal Fragen, sagte ich, dass er mir einen Orangensaft bringen sollte. «War ja klar, dass es jetzt sein musste. gerade da, wenn ich am faulsten bin!» Widerwillig stand er auf und holte mir ein Glas Orangensaft. «Wäre kein Besuch da hätte ich dich schon längst in mein Zimmer gebracht», schnurrte Adrian in mein Ohr und fing an meinen Nacken zu küssen.

«Glaub mir Adrian, ich reiße mich auch ziemlich zusammen», gab ich leise zurück und drehte mich leicht, damit ich ihm in die Augen sehen konnte.

«Setz dich und höre auf meine Nacken zu küssen. Ich glaube, Schwangere können schneller einen Orgasmus bekommen.» Mit einem Seufzen ließ er sich wieder in den Stuhl fallen und reichte mir mein Glas. «Danke», sagte ich und versuchte dem Gespräch zu folgen, das sie alle führten. Doch niemand sprach. Jeder sah uns an. «Was ist?», fragte ich.

«Nichts, Kim», beruhigte mich meine Tante lächelnd und Linda sagte: «Ihr seid nur so unglaublich süß zueinander. Das ward ihr schon vorher, aber jetzt seid ihr ja noch süßer.»

Ich kicherte.

«Hast du gehört, Adrian? Wir waren schon früher lieb zueinander!» Adrian verdrehte grinsend die Augen. «Glaube mir, das habe ich oft zu hören bekommen», einen Blick zu seinen Eltern folgte, ehe er mir ein leichtes Lachen schenkte,

«Und das tagtäglich.» Danach fing ich an, über etwas anderes zu reden. Irgendetwas, solange es nichts mit Adrian oder mir zu tun hatte.

Ich wollte nicht immer das Gesprächsthema Nummer Eins sein. Später – nachdem wir das Essen eingenommen hatten – wurden die Geschenke überreicht. Linda hatte mir einen kleinen Schutzengel und ein super süßes Kleid geschenkt, wofür sie einen dicken Kuss auf die Wange bekam.

Kevin machte mir eine Freude indem er mir ein Spiel kaufte, das ich ihm einmal vorgeschwärmt hatte. Dafür drückte ich ihn an mich.

Meine Tante – so verrückt wie Adrian – schenkte mir das Geld für den Führerschein.

Emily und Christopher überhäuften mich mit Kleidungsstücken. Ich bedankte mich tausendmal, lächelte und drückte jeden des Öfteren an mich. Tja, schwangere Frauen waren ziemlich emotionsvoll.

 

 

****

Irgendwann gegen ein Uhr verabschiedeten wir uns von Linda, Kevin und meiner Tante. Sie hatte schon sofort gewusst, dass ich hier bleiben würde, weswegen ich es ihr nicht extra sagen musste. Als sie ins Auto stieg, warf sie mir einen Blick zu, der so viel heißen sollte wie ‚Kein Sex ohne Verhütung!‘ Zu gerne hätte ich ihr gesagt, dass ich jetzt für die nächsten Monate immer ohne Verhütung mit Adrian schlafen konnte. Schließlich war ich schon schwanger!

Doch das band ich ihr nicht auf die Nase, sondern ließ sie davonfahren. «Ich freue mich schon, wenn du neben mir schläfst.» Adrian umarmte mich von hinten und biss mir leicht ins Ohr. «Adrian», ich schloss meine Augen und genoss den kleinen Moment.

«Gehen wir auf mein Zimmer? Du weißt ja, dass dort oben die dritte Überraschung wartet.» Ich drehte meinen Kopf.

«Genau. Mein Geburtstagssex.» Adrian lachte. «Komm mit!» Er zog mich hinauf in sein Zimmer und öffnete langsam die Tür. Was mich hier erwartete, konnte ich einfach nicht glauben. Rosenblüten. Überall. Kerzenschein, wohin ich nur sah. Ich blieb mitten im Raum stehen und drehte mich. Alles war so schön romantisch.

«Das ist ein Traum, Adrian», flüsterte ich und bemerkte, wie er näher zu mir kam. «Ich habe mir gedacht, dass wir dein erstes Mal wiederholen sollten. Ich weiß, dass du es nicht so wolltest. Nicht im betrunkenen Zustand.»

Ich nahm seine Hand.

«Das war mir egal, Adrian. Das einzig wichtige für mich war, dass ich es mit dem Richtigen getan habe», ich drückte kurz seine Hand, «Und das bist du für mich gewesen. Bist es immer noch.»

Adrian legte seine Hände auf meine Hüften und zog mich zu sich.

«Das hast du jetzt schön gesagt.» Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn, während er mir langsam das Kleid auszog. Schritt für Schritt gingen wir zu seinem Bett, ließen uns sanft hineinfallen und küssten uns weiter. Als wäre das Ganze nicht romantisch genug, fing noch ein Lied an zu singen. Ich hielt kurz inne und grinste Adrian an.

«Bon Jovi verfolgt mich irgendwie», sagte ich leise und er horchte auf. «Ich habe aber Radio eingeschaltet. Soll ich umschalten?» Ich schüttelte den Kopf, da dieses Lied perfekt war.

Always.

Der Text passte hervorragend, denn ich werde immer bei Adrian bleiben. Für immer und einen Tag. Ich werde ihn immer lieben. Adrian sah mich von oben an und streichelte sanft meine Wangen.

«Der Refrain passt perfekt, Kimmie. Wir zwei – für immer.»

Seine Lippen nahmen wieder Besitz von den meinen, ehe ich ihm zustimmen konnte. Adrian hatte Recht.

Wir zwei.

Und das für immer.

Kapitel 22 – Dienstag, 22 Mai 2013

 

Sachte berührte jemand meine Haut bei meinem Hals. Zu meinem Arm und zu meinem Gesicht. Blinzelnd öffnete ich meine Augen und lächelte. Adrian lag neben mir und das war das schönste was mir passieren konnte.

«Guten Morgen, Schlafmütze», wurde ich von Adrian begrüßt. «Was heißt hier Schlafmütze?» Ich gähnte und kuschelte mich an Adrian. Er hatte mir seine Liebe gestanden. Immer noch konnte ich es nicht fassen. Adrian gehörte mir.

«Es ist schon Viertel nach sieben», gab er lachend zurück und ich musterte ihn. Er hatte eine Jeans und ein sexy Shirt an, das seine Muskeln betonte. «Du hast mich nicht geweckt», flüsterte ich und streckte mich, damit ich ein wenig wacher wurde. Fehlanzeige. Erst als Adrians Lippen auf die meinen trafen wurde ich komplett wach und zog ihn zu mir.

«Das Frühstück wartet auf dich. Deswegen bin ich eigentlich hier», sagte er zwischen zwei Küsse und ich stöhnte.

«Du hast den Moment ruiniert!» Ich stand auf und zog die Klamotten von gestern an. Als ich mich zu Adrian drehte, sah ich wie er meinen Bauch anstarrte. Und da keimte in mir die Frage auf, ob er mich jetzt schon für hässlich und fett empfand. «Sieh mich nicht so an.» Ich wandte den Blick von ihm, da sich meine Augen mit Tränen füllten. Na toll, wieder einmal ging die Schwangerschaft mit mir durch! «Ich sehe dich gerne an, Kimmie. Hör bitte auf zu weinen», bat er mich.

«Würde ich ja gerne.» Adrian nahm mich in den Arm und streichelte meine Wange. «Du sollst dir nicht immer zureden, dass du fett wirst. Du wirst nicht fett sondern trägst etwas Besonderes in dir», hauchte er mir zu und ich hörte tatsächlich auf. Seine Worte hatten mich berührt.

«Ich habe Angst vor der Reaktion meiner Tante. Was ist, wenn sie mir den Kopf abreißt? Oder deine Eltern? Oh Gott, ich bringe Schande über deine Familie!»

Schon wieder heulte ich und ich dachte, dass ich endlich damit fertig sei. «Kim, das stimmt nicht. «Schau mich an», wies er mich an und mit einem Tränenschleier sah ich zu ihm hoch. «Du bist das Beste das mir passieren konnte und gewiss keine Schande!»

Unsere Lippen berührten sich und ich zog ihn näher zu mir. Ich war das Beste was ihm passiert ist? Dasselbe war er für mich. Ich zerrte an seinem Shirt und zog es ihm aus. «Wir haben Schule, Kimmie.» Widerwillig löste ich mich. «Dann kann ich die ganzen Stunden warten?»

«Lieber nicht. Ich will nicht wissen, wie Schwangere sind, wenn sie auf Typen scharf sind.» Das brachte mich zum Lachen.

 

 

****

«Mit dir ist alles in Ordnung?» Ich schlang mein Frühstück hinunter und bediente mich dann an noch einem Apfel – meinen Dritten.

«Klar, alles klar. Ich habe nur Hunger», beschwichtigte ich Emily. «Beeile dich, Kim. Die Schule wartet nicht auf uns», schrie Adrian vom Flur aus und ich rief zurück: «Aber dein Auto wartet.»

Dennoch stand ich auf – der Apfel natürlich in meiner Hand – und verabschiedete mich von Adrians Eltern. «Bin bereit auf die Folterstunden», lachte ich und Adrian legte einen Arm um mich. «Folterstunden?», fragte Adrian und ich nickte.

«Ja.»

Ich sah wieder hoch zu ihm und sah in das belustigte Gesicht von Adrian. «Du bist verrückt!» Wir stiegen in sein Auto ein und nachdem wir uns beide angeschnallt hatten, fuhr er los. Keine zehn Minuten später hielt er und wir stiegen wieder aus. Ich blieb nur stehen und sah die Schule an. «Lass uns gehen. Ich habe jetzt schon keine Lust», quengelte ich, aber Adrian schüttelte den Kopf.

«Ist es auch so lustlos, wenn ich bei dir bin?» Darauf wusste ich sofort eine Antwort. Ich schüttelte den Kopf und nahm seine Hand.

Erst da bemerkte ich die vielen Schüler, die auf dem Hof standen und uns und das Auto anstarrten. Mit einem mulmigen Gefühl ging ich neben Adrian hinein. Ich fühlte mich sicher in seiner Nähe, aber dennoch blieb dieses Gefühl. Wenn auch nur ein wenig. Ich hatte einfach Angst, als würde jedem Moment jemand mit dem Finger auf mich zeigen und schreien: ‚Die ist schwanger!‘ Dieses Gefühl abzuschalten war mir nicht möglich, es war da.

«Entspann dich ein wenig», flüsterte Adrian mir zu.

«Helfe mir», gab ich keck zurück und er küsste mich. Das war für mich die beste Entspannung und mit einem Hochgefühl marschierten wir in die Klasse. Die Blicke lagen erneut bei uns und einige gratulierten, während die anderen uns nur blöd anstarrten. Was sie sich dachten, konnte ich mir gut vorstellen.

Die kleine Kim, die niemanden an sich ranlässt, ist mit Adrian zusammen. Wie kam denn das zustande?

Ich machte einfach gute Miene zum bösen Spiel – der Vergleich gefiel mir.

 

 

****

Fünf Uhr. Wie lange sich der Unterricht bis zum späten Nachmittag in die Länge zog, war ein Horror. Ich war schlechtgelaunt, hatte einen Riesenhunger und zu all meinem Pech, musste ich dem Lehrer helfen, die Bücher ins Konferenzzimmer zu bringen.

Huhu, ich hatte besseres zu tun.

Zum Beispiel mir den Bauch vollzuschlagen, denn mein Bauch knurrte und sehnte sich schmerzlich nach Essen. Adrian hatte ich zum Auto geschickt, damit ich auf dem schnellsten Weg nachhause kam. Und wenn er im Klassenzimmer auf mich wartete, steuerte das gewiss nicht zu meinem schnellsten Weg nachhause bei. «Freust du dich schon auf das Austauschprogramm, Kimberly?», fragte mich mein Lehrer.

Er war der Mann meiner Sprachprofessorin, also wunderte es mich nicht, warum er wusste, dass ich dabei war.

«Ja, am dritten Juni soweit ich weiß startet es und ich bin für zwei Wochen weg...» Die Zeit würde heftig werden. Zwei Wochen Austauschprogramm, dann eine Woche Lernferien und Ende Juni die Prüfungen. Dann war ich fertig. Mit der ganzen Schule und ich würde arbeiten. Arbeiten – wie lange ich das wohl konnte mit dem Körnchen in mir?

«Danke fürs Helfen, Kimberly. Bis demnächst!» Ich nickte ihm zu und sprang los. Aus der Schule, durch den Hof zu Adrians Auto. Er lehnte am Auto, ein Mädchen neben sich, dass er genervt ansah. Als er mich erblickte, hellte sich seine Miene auf und ich ließ mich von ihm umarmen. «Hey Kimmie», raunte er mir ins Ohr und ich kicherte. «Hey Adrian. Wer ist denn das?» Ich richtete meinen Blick zu dem Mädchen. «Ich bin Mel. Nebenklasse.»

«Hallo Mel», begrüßte ich sie und widmete mich wieder Adrian. «Weißt du, auf was ich jetzt Lust habe?», fragte ich ihn. «Nein. Auf was hast du den Lust?»

«Auf eine Riesenpizza mit ganz viel Käse und Ananas!» Ich rieb meinen Bauch und konnte das Knurren schon förmlich hören. «Ich bin dann mal weg. Bye, ihr zwei!» Mel verschwand und ich sah ihr nach. «Was wollte die denn?» Adrian zuckte mit den Schultern.

«Keine Ahnung. Ich hatte anderes im Kopf, als ihr Geschwafel wahrzunehmen», antwortete er mir und küsste mich kurz. «Steig ein, wir gehen zum Italiener, damit du deine Riesenpizza mit extra Käse bekommst.»

«Und Ananas», ergänzte ich und Adrian lachte, während wir einstiegen.

Die Fahrtdauer verbrachte ich damit aus dem Fenster zu starren und nachzudenken. In der fünften Schwangerschaftswoche.

Wie genau mein Frauenarzt doch damit Recht hatte.

Wie ich wusste, zählte die erste Schwangerschaftswoche nicht, denn der erste Tag der letzten Monatsblutung ist der Beginn der ersten Schwangerschaftswoche. In der zweiten Schwangerschaftswoche jedoch kommt es zur Befruchtung der zwei Zellen– und Überraschung – mit meinem Glück war ich schwanger. So hatte es mir auf jeden Fall Dr. Mellmer erklärt. Ich machte mir wirklich Gedanken über diese Schwangerschaftswochen, sodass ich fast Kopfschmerzen bekam. Ende der zweiten Schwangerschaftswoche hatten Adrian und ich miteinander geschlafen und wenn ich es jetzt ausrechnete, würde morgen Tag eins der sechsten Woche beginnen.

Ich schüttelte das Thema weg und widmete mich den banalen Dingen des Lebens: das Wetter. Es war ein sonniger Tag gewesen, obwohl ich davon nur wenig mitbekommen hatte, da ich in der Schule festsaß. Ich bekam gar nicht mit, wie ich meine Hand auf meinen Bauch legte, aber als Adrian mich darauf Aufmerksam machte, musste ich kurz lachen.

«Mutterinstinkte», witzelte ich. Adrian sah mich leicht panisch an. Ich wusste, dass ein Baby alles veränderte und wir eigentlich auf Wolke Sieben schweben sollten. Das taten wir auch. Nur eine kleine weiße Wolke hängt über uns und lässt uns keine rosarote Brille trägen. Stattdessen bekamen wir die Realität zu spüren. Die Realität in Form eines Babys. «Tut mir leid, Adrian. Ich wollte nicht schon wieder dieses Thema ansprechen.»

Oder darüber Witze reißen, fügte ich in Gedanken hinzu.

«Das ist es nicht, Kim. Ich werde Vater. Mit Achtzehn Jahre. Es ist viel zu früh, aber dennoch freut sich ein kleiner Teil darauf. Und ein anderer hat Angst, alles zu vermasseln», gab er zu und ich streichelte seinen Arm.

«Glaub mir, du wirst großartig sein», beruhigte ich ihn.

«Ich liebe dich, Kimmie.»

«Und ich liebe dich», gab ich lächelnd zurück. Endlich hielten wir vor der Pizzeria, wo wir uns sogleich die Pizzen bestellten. Ich verschlang meine Pizza regelrecht und keine Sekunde danach, war mir speiübel. Ich sollte wohl besser schauen, wie viel ich zu mir nahm, denn das war doch nicht gut. Klar, ich hatte ein kleines Körnchen in mir, aber das fraß doch nie und nimmer so viel. «Lass mich raten, du hast zu viel gegessen?» Am liebsten hätte ich ihm den Kopf umgedreht für so einen belustigten Unterton in seiner Stimme. «Halt die Fresse!», gab ich zurück.

«Es ist gleich wie im Urlaub. Da warst du auch immer so bissig», kicherte er und ich schmiss das erstbeste das neben mir lag. Mein Handy. Schlechte Wahl, aber daran konnte ich jetzt auch nichts mehr ändern. Zu meinem Glück fing Adrian es auf.

«Haben wir jetzt schon unseren ersten Beziehungsstreit?» Ich schüttelte nur den Kopf. «Nein. Es tut mir Leid», schluchzte ich und wischte mir eine Träne weg. Verdammt, ich hasste es! Kim?»

Adrian stand auf und nahm mich in den Arm. «Tut mir leid, dass ich heule. Das will ich eigentlich gar nicht», versicherte ich ihm.

«Das sind nur deine Hormone, die mit dir verrückt spielen.» Seine Stimme hatte etwas Tröstliches an sich, das mich aufhörte zu flennen wie ein kleines Baby. Wenn das jetzt jedes Mal so sein würde, würde ich definitiv von der Brücke springen. Das hielt ich doch nicht aus, wenn ich ohne dass etwas Schlimmes geschah, anfing zu Weinen. Nein, darauf wollte ich verzichten.

«Alles wieder in Ordnung. Wenn ich so weiter heule, dann kann ich vielleicht sogar die Donau damit füllen?», witzelte ich, damit die Stimmung wieder etwas auflockerte. «Vielleicht zahlen sie dir Geld, dafür, dass du die Donau mit deinen Tränen füllst?»

Adrian lachte mich an, ich machte es ihm nach. «Ich bezahle schnell. Wartest du beim Auto auf mich?» Mein Kopf nickte und ich verschwand nach draußen.

Ich lehnte mich an sein Auto, wunderte mich darüber, dass der Alarm nicht losging. Mit diesem Thema beschäftigt merkte ich nicht, wie jemand neben mir stehen blieb.

Erst als dieser jemand sich räusperte, schrak ich hoch und direkt in vertraute Augen. Kevins Augen. Ich drückte ihn an mich und begrüßte ihn.

«Was machst du hier?», fragte ich nach. «Ich habe ein Date. Mal sehen was daraus wird», er zwinkerte mir zu, dann wurde seine Miene ernst. «Ist mit dir alles in Ordnung?» «Ja klar. Warum soll nicht alles in Ordnung sein» Abgesehen von nervenden Stimmungsschwankungen und das ich schwanger bin? Aber natürlich erwähnte ich das nicht… «Weiß nicht. Sag du es mir?»

«Alles in Ordnung», beschwichtigte ich ihn und in dem Moment kam Adrian. Er nickte Kevin zu und ich schlang meine Arme um ihn. Seine Nähe hatte für mich immer etwas Vertrautes, etwas Beschützendes. Es gab mir Sicherheit.

«Na dann. Wir sehen uns, Kim. Wünsche mir die Daumen!» Ich drückte meine Daumen ganz fest zusammen.

«Toi, toi, toi. Sie wird dich lieben!», schrie ich ihm nach. Kevin drehte sich kurz grinsend um und winkte noch schnell, ehe er um die nächste Ecke verschwand. «Wer wird ihn lieben?», fragte Adrian, als ich mich lächelnd zu ihm drehte.

«Sein Date», antwortete ich.

«Du hattest auch ein Date mit ihm.» Ich nickte nur kurz.

«Ja, aber glaube mir, als Freunde sind wir besser dran. Vor allem wenn ich dich als meinen Freund betrachten kann», ich streichelte seine Brust und sah zu ihm hoch. Seine schönen blauen Augen strahlten mich regelrecht an.

Fasziniert ließ ich mich darin verlieren, was nicht allzu schwer war. Diese Augen zogen einfach einen in den Bann. Ich liebte diesen Typen. So sehr, dass es schmerzte. Ich wüsste nicht mehr, wie ich ohne ihn sein könnte. Diese Tage, die wir getrennt verbracht hatten, waren der Horror. Und das wollte ich nicht mehr. Ich wollte ihn immer an meiner Seite sehen, ihn nie wieder missen. Das wäre sonst mein Untergang, darin war ich mir sicher.

Sanft berührten sich unsere Lippen. Ich schloss meine Augen und genoss den Moment der Zweisamkeit. So fühlte sich also vollkommenes Glück an? Schmetterlinge im Bauch, alles kribbelte und zehn Millionen Glückshormone rauschten durch meinen Körper. Ja, das war mein vollkommenes Glück.

 

 

****

«Vergiss mich nicht morgen abzuholen.»

Ich stand auf dem Bürgersteig, Adrians Auto neben mir. Er saß im Auto und würde nachhause fahren, während ich bei mir zuhause sein würde. Linda wollte einen Sprung kommen und darauf freute ich mich schon. Es war zwar erst gestern wo wir uns gesehen hatten, aber schon nach so kurzer Zeit vermisste ich sie schon. «Werde ich nicht, Kim. Viel Spaß heute noch», sagte er.

«Dir auch. Fahr langsam!», wies ich ihn an und er verdrehte lachend den Kopf.

«Ich liebe dich!» Und damit fuhr er weg, ehe ich dasselbe sagen konnte. Diese drei kleinen Worte konnte man nie genug sagen. Jedes Mal erwärmte es mein Herz aufs Neue. Linda saß schon vor der Haustüre und ich begrüßte sie mit einer Umarmung. «Hey!»

«Hi», erwiderte sie. Ich schloss die Tür auf und wir machten es uns auf dem Sofa fein.

«Und jetzt erzähle mir alles. Wie fühlt es sich an mit Mr. Arrogant- aber-dennoch-süß zu schlafen? Wie küsst er? Wie ist er im Bett? Wie geht es dir?»

Sie konnte manchmal wirklich neugierig sein, das wurde mir mal wieder klar. Ich verhob mir ein Lachen und fing an zu erzählen. «Wie es sich anfühlt mit ihm zu schlafen?

Linda habe ich dich das bei Richard gefragt? Er küsst … wie sollte ich das beschreiben? Himmlisch? Göttlich? Am liebsten würde ich vierundzwanzig Stunden am Tag an seinen Lippen hängen. Ich kann nie genug davon bekommen. Adrian ist … sehr gut im Bett. Weiteres wirst du nicht von mir erfahren! Und mir geht es gut, sehr gut sogar. Ich fühle mich glücklich und voller Energie und am Liebsten würde ich die ganze Welt umarmen, aber dafür sind meine Hände zu kurz.»

Ich seufzte auf. «

Ich freue mich so für dich, Kim. Auch wenn es Adrian ist. Der Typ, der dich verletzt hat und dann alles wieder in Ordnung gebracht hat. Hey! Erinnerst du dich noch daran, wie ich dir gesagt habe, dass sich einer von beiden immer verlieben wird?»

Wie könnte ich das jemals vergessen. «Ja, meine 0,001 Prozent Wahrscheinlichkeit dass ich mich verlieben würde?» An diese Erinnerung musste ich kichern. «Genau die. Wer hätte gedacht, dass die anderen 99,999 die Wahrscheinlichkeit sind?» Ich auf jeden Fall nicht, aber mittlerweile wusste ich, wieso ich diesen Jungen nur lieben konnte.

«Ach, es scheint mir als liegt das alles so weit hinter uns, aber es war nur etwas über ein Monat.» Wow, ich kannte Linda noch nicht so lange und trotzdem kam es mir vor, als würde sie schon ewig meine Freundin sein. «Hast du irgendwo etwas zum Knabbern?»

Linda sah mich mit großen Augen an. «Du kannst froh sein, dass ich in meiner Tasche immer Notfallsüßigkeiten dabei habe. Falls ich Hunger bekomme.»

Ich zwinkerte ihr zu und nahm meine Tasche in die Hand, wo ich mir zwei Schokoladenpackungen rausholte. Leider musste ich vorher herumwühlen, damit ich sie fand, wobei mir mein Ultraschallbild rausfiel. Linda hob es auf, was ich nur am Rande mitbekam, weil ich zu sehr mit der Schokolade beschäftigt war, die den Kampf verlor, als ich sie rauszog. «Was ist das?» Erschrocken blickte ich sie an, dann das Bild und wieder sie.

Mist!

«Du bist schwanger?» Lindas Stimme klang geschockt und laut. Ich zuckte unter ihren Worten zusammen und hielt instinktiv die Hand vor den Bauch. «Es ist eine lange Ge … ja», murmelte ich. Ihr Gesichtsausdruck wurde noch eine Nuance weißer.

«Weiß es Adrian? Ist er deshalb mit dir zusammen?»

«Was?!», dieses Mal war ich diejenige, die den erschrockenen Gesichtsausdruck hatte. «Ob er deshalb mit dir zusammen ist? Ob er es weiß?» Dass sie so etwas dachte, verletzte mich und weil es ja wieder einmal super passte, fing ich an zu weinen. Mensch, wenn das so weiter ging, sprang ich aus dem nächsten Fenster. «Er weiß es ja, aber erst nachdem wir zusammengekommen sind!», schrie ich ihr wütend entgegen. Das sie nur so etwas denken konnte…

«Aber gut, dass ich jetzt weiß, was du von mir denkst. Hast du gedacht, ich erpresse ihn. Oh, nein warte, du dachtest, ich würde ihm das Kind andrehen, während ich mit tausend anderen vögle! Hau ab, Linda!» Ich wusste, dass ich maßlos übertrieb, aber irgendwie war ich so wütend, dass ich nur mehr rot sah.

Linda stand auf, warf mir einen traurigen Blick zu und verschwand. Danach ließ ich meinen Tränen freien Lauf.

Wie konnte ich ihr so etwas nur unterstellen?

Das würde sie nie denken. Wahrscheinlich hatte sie nur gedacht, dass er wegen dem Baby mit mir zusammen war. Aber dass was ich ihr an den Kopf geworfen hatte? Nein, dass hatte sie gewiss nicht gemeint. Ich fühlte mich mit einem Mal so leer. Als würde ein Teil von mir fehlen und das tat mir weh. Ich hatte Linda was Falsches vorgeworfen, hatte ihre Gefühle verletzt, weil ich meine nicht in den Griff bekam. Ich war eine wandelte Furie.

Eine Bombe, die jeden Moment explodierte. Ich heulte, schluchzte und bekam fast keine Luft mehr, weil ich die ganze Zeit flennte.

Die Zeit verging, langsam aber sie verging. Ich lag immer noch auf dem Sofa. Tränen flossen meine Wange hinunter und nahmen mir die Sicht zum nehmen. Ich wollte Linda nicht verlieren. Sie gehörte zu meinem Leben. Ich wusste noch, dass irgendwann mein Handy klingelte, ich denjenigen wegdrückte, weil ich meiner Freundin nachtrauerte.

Hatte ich sie verloren?

Ein Klingeln an der Tür, ließ mich aufschrecken. Inzwischen war es schon dunkel geworden und Sterne erhellten die Nacht. Ich tapste zur Tür und öffnete sie.

«Was ist mit dir passiert?»

Ich wurde von zwei starken Armen umarmt. «Ich habe Linda vergrault!», schluchzte ich und schmiegte mich an seine Brust, «Sie wird mich hassen.» Wieder liefen Tränen meine Wange hinunter.

«Kimmie, beruhige dich. Denk an das Baby.» Adrians Worte ließen mich aufhören. Oh Gott, tat das dem Baby gut, wenn ich in einer Tour flennte und wütend war? Er wischte mir die Tränen weg und küsste mich kurz auf die Stirn. «Was machst du eigentlich hier?», hakte ich nach.

«Ich habe dich angerufen, aber du hast mich weggedrückt. Ich habe mir Sorgen gemacht und bin zu dir gelaufen.»

Ich kuschelte mich an Adrian und nahm seinen guten Duft in mich auf. Dieses Aftershave, das ich nur bei ihm kannte. Und seinen unvergesslichen Duft, den ich zu lieben gelernt hatte. «Sie hat das Ultraschallbild gesehen. Sie hat mich gefragt, ob wir deshalb zusammen sind. Naja und ich habe überreagiert und ihr etwas vorgeworfen, dass sie nicht ansatzweise gedacht hatte.»

«Du hast ein Bild?» Ich blickte hoch zu ihm.

«Ja, aber da sieht man noch nichts. Nur die Fruchtblase. Aber wenn du genau hinsiehst, kannst du das Baby sehen. Es ist zwar nur drei Millimeter groß, aber das ist normal.»

«Kann ich es sehen?» Ich grinste Adrian an.

«Gerne. Komm mit», ich nahm seine Hand und führte ihn ins Wohnzimmer, wo das Bild auf dem Sofa lag. Er nahm es in die andere Hand und betrachtete es. «Darf ich dich zur nächsten Untersuchung begleiten?» Mein Grinsen wurde breiter. «Wenn du willst, dann sollte dich daran nichts hindern.»

Er überreichte mir das Bild, das ich in den Mutter-Kind-Pass steckte, damit ich es immer bei mir hatte. Es sollte mich bei meinen schlechten Stimmungen davor bewahren, komplett den Ausraster zu haben. «Adrian kannst du heute Nacht bei mir bleiben?»

«Ich bleibe immer bei dir, Kimmie», hauchte er mir zu und wir küssten uns. Zu mehr kam es heute nicht mehr. Zum einen, weil ich ausgelaugt war, wegen der Heulerei und zum anderen weil ich tierisch müde war. Adrian und ich gingen hoch in mein Zimmer.

Er hatte ein Teller voller Obst und Gemüse in der Hand mit dem er mich füttern wollte. Sagen wir so, wir hatten viel zum Lachen. Danach machten wir uns fürs Bett fertig und eingekuschelt in meiner Decke, den Kopf auf Adrians Brust, hinderte mich nichts mehr daran, seufzend einzuschlafen.

Kapitel 23 – Freitag, 24. Mai 2013

Endlich fand ich die Zeit mich mit Linda zu treffen. Sie hatte mich die letzten Tage gemieden und nur Adrian half mir, nicht völlig auszurasten. Ich wollte mich entschuldigen und sie? Sie ging nicht mal dran. Bei ihr zuhause war sie nicht, wie ihre Eltern sagten.

«Sie wird bei Richard sein», hatten sie mir erklärt.

Adrian wich mir keine Sekunde von der Seite. Ich genoss es, das er bei mir war. Doch jetzt – drei Tage – nachdem ich Linda verletzt hatte – war ich im Supermarkt, in dem sie arbeitete. Das war meine letzte Hoffnung. Adrian hatte ich bei ihm zuhause gelassen.

Ich wollte ihm ein wenig Kim-freie-Stunden ermöglichen, da ich seit der Schwangerschaft ziemlich nervtötend sein konnte. Ich musste ihn zwar ein wenig überreden, da er mich nicht gerne ließ, aber schlussendlich hatte ich es doch geschafft.

Nun ging ich durch die Regale des Supermarktes, packte mir hier und da einige Süßigkeiten ein, auf die ich Lust bekommen hatte, während ich Linda suchte. Ganz vorne stand sie und füllte gerade ein Regal. «Was willst du hier? Ich bin beim Arbeiten!», waren ihre ersten Worte seit dem Streit. Was anderes hatte ich auch nicht erwartet.

«Mit dir reden. Du gehst mir aus dem Weg», erwiderte ich. «Nimmt dich das ein Wunder? Du warst nicht gerade super nett und hast mir etwas unterstellt was ich nicht mal im Traum denken würde», gab sie bissig zurück.

«Ich war unfair gegenüber dir. Ich weiß, dass das wirklich das Letzte war, aber … ich bin zurzeit aufbrausend, weine ständig und habe mich kaum unter Griff», wieder fing ich an zu weinen. Ich würde wohl demnächst ein paar Liter Tränenwasser einkaufen müssen… «Du willst mich sicher nicht mehr sehen, aber ich wollte dennoch, dass du weißt wie leid es mir tut. Ich war ein Idiot.» Ich drehte mich um und wollte gehen, aber Linda hielt mich fest.

«Du bist ein Idiot! Aber trotzdem habe ich dich lieb.» Sie umarmte mich und ich grinste sie mit Tränen in den Augen an.

«Ich habe dich auch lieb.»

Und das tat ich. Aus ganzem Herzen. «Ich habe in einer Stunde aus, glaubst du, du kannst warten, damit wir ein wenig über das hier», sie deutete auf meinen Bauch, «reden können?» Ich nickte. «Ich gehe sowieso einkaufen. Wo sind hier die Gurken, Erdnussbutter, Brot und Tomatensauce?» Angewidert sah mich Linda an. «Wofür brauchst du das?» Ich zuckte unschuldig mit den Schultern. «Weiß nicht», murmelte ich, aber Linda wusste schon, dass ich das Essen wollte.

Was konnte ich dafür? Ich hatte eben meine komischen Essgewohnheiten. Ja klar, erst seit einigen Wochen, aber ich hatte sie. Linda führte mich zu den verschiedenen Regalen, wo ich mir alles mitnahm. Außerdem schnappte ich mir einen Apfel. An der Kasse konnte ich sage und schreibe fünfzig Euro für meine ganzen Leckereien zahlen.

Danach wartete ich vor dem Supermarkt auf einer Bank und strich mir Erdnussbutter auf das Brot. Dazu ein paar Gurken, ein wenig Tomatensauce und das ganze war fertig. Zugegeben für andere sah das gewiss alles andere als appetitlich aus, aber mir lief das Wasser im Mund zusammen. Es hatte seinen eigenen Geschmack, aber mir schmeckte es.

Ich war versucht eine zweite Scheibe Brot zu essen, aber ich nahm mir vor, trotz des Hungers, ein bisschen weniger zu essen. Später, wenn das Körnchen auf der Welt war, würde ich das alles wieder wegtrainieren müssen und daher sollte ich echt ein wenig kürzer treten. Ich aß nur noch den Apfel, der so saftig süß war, dass ich liebend gern einen zweiten verdrückt hätte. Aber weder hatte ich einen zweiten gekauft noch sollte ich noch einen essen.

Die Stunde bis Linda hier wäre, verging rasend schnell, wobei ich die ganze Zeit Autos zählte. Es war zum Haare raufen, wenn ich mich verzählte. «Starrst du gerne Autos an?»

Erschrocken drehte ich mich um.

«Ich zähle», sagte ich altklug und kicherte sie an, «das ist ein Unterschied.» Linda streckte mir die Zunge entgegen. «Besserwisser! Woher soll ich wissen, ob du Autos zählst oder sie anstarrst?» Dieses Mal war es meine Zunge, die herausgestreckt wurde. Linda setzte sich zu mir. «Wievielte Woche?», fragte sie leise und deutete auf meinen Bauch. «Nächste Woche wird es die siebte.»

Meine Stimme war ebenfalls leise. Obwohl ich noch bis zum dritten Monat warten wollte, bis ich es jemandem erzählte, war ich froh, dass zumindest einer mein und Adrians Geheimnis wusste. «Es war also im Urlaub», stellte Linda fest und ich nickte nur. «Buuuh…», machte sie, «wann wirst du es deiner Tante erzählen? Oder Adrians Eltern?»

«Wenn ich mir sicher bin, dass das Baby überleben wird. Viele verlieren ihr Kind in den ersten Monaten und ich will sie gewiss nicht in Schock versetzen, nur um später das Kind zu verlieren…»

«Da ist was dran.» Ich sah zum Boden. «So war das alles nicht geplant, Linda. Ich bin gerade einmal Achtzehn. Mutter zu sein – das wollte ich mit Mitte Zwanzig vielleicht!»

Ich sah sie mit großen, verzweifelten Augen an. «Du bist jung, ja, aber glaube mir Kim, wenn ich dir sage, dass du großartig mit deinem Baby umgehen wirst.»

Ich war mir da aber nicht so sicher. In diesem Alter sollte ich auf Partys gehen, mit meinem Freund schöne Stunden verbringen und das Leben genießen. Stattdessen knallte mir das Leben ein Baby vor die Nase, für das ich einfach noch zu jung war. Aber war das ein guter Grund?

Das ich jung war?

Oder war es die unbändige Angst, die meinen Körper lähmte, wenn ich an ein Baby dachte? «Wann hast du den nächsten Termin beim Frauenarzt?»

«Nächste Woche, am einunddreißigsten. Kurz vor dem Austauschprogramm.»

«Ist das eine gute Idee mit dem Baby?» Mein Blick streifte Linda.

«Das werde ich noch mit dem Arzt besprechen, aber solange ich nichts tue, was das Baby gefährden könnte, glaube ich schon, dass das in Ordnung geht», versicherte ich ihr.

Was war schon an einem Austauschprogramm so schlimm? Ich würde mit einem anderen Schüler tauschen. Er würde bei meiner Tante im Gästezimmer schlafen und ich bei denjenigen in einem Zimmer. Meine Tante hatte sich für diese zwei Wochen freigenommen, damit sie dem Austauschschüler im Auge behalten und unterstützen würde, falls er nicht zurecht kam. Ich fragte mich, welche Familie ich bekam, ob sie nett waren und ob Adrian in meiner Nähe war.

Außerdem war ich neugierig, wer die Ehre hatte, in Adrians Villa zu übernachten. Ich würde es einem normalen Schüler vergönnen, damit er diese Seite der Menschheit kennenlernen konnte. Ich hatte diese Seite kennengelernt, ich habe mich damit angefreundet, aber nie würde ich so leben können. Adrian hingegen brauchte das, er wurde damit groß.

Ach Mist, ich vermisste ihn. Langsam streichelte ich meinen Bauch. Wie würde das Baby aussehen? Schlug es eher nach Adrian oder nach mir?

Obwohl ich liebend gern Adrians Augen für unser Baby wünschte, damit ich, wenn er nicht bei mir war, nur in die Augen des Babys sehen musste. Ich liebte seine Augen, sie hatten etwas Strahlendes, Wildes an sich. Ich konnte mich darin verlieren.

«An was denkst du denn?» Tja, wie ich vom Austauschprogramm zu Adrian kam, war mir Schleierhaft, aber meine Gedanken trifteten immer wieder mal ab. Ich sah sie lächelnd an. «Ach, ich verstehe. Mr. Ich-verdrehe-Kim-gehörig-den-Kopf.» Ich kicherte.

«Du wirst das nie sein lassen, oder?» Linda stimmte in mein Lachen mit ein. «Nein, dafür liebe ich es zu sehr», erwiderte sie und stand auf. Reichte mir ihre Hand, die ich dankend annahm und gemeinsam gingen wir zu ihrem Auto. «Hat dein selbstkreiertes Brot überhaupt geschmeckt?»

«Ja, willst du auch?» Angewidert schüttelte sie den Kopf.

«Nein, ich bleibe lieber bei dem normalen Essen, als bei deinem selbstgemachten Fraß. Fahren wir zu Adrian?» Meine Antwort bestand aus einem Nicken und so fuhren wir zu Adrian, stiegen aus und klingelten. Nur in Boxershorts öffnete er uns die Tür und sah uns verschlafen an. «Linda? Was machst du denn hier?» Er rieb sich die Augen, bevor er mich erblickte.

«Hey, Kimmie» Er beugte sich zu mir und gab mir einen schnellen Kuss. Ich zog eine Augenbraue hoch. «Hast du etwa geschlafen?»

Schulbewusst nickte er. «Ich war müde.»

Herzhaft gähnte er und ließ uns eintreten. «Was macht ihr eigentlich hier? Nicht, dass ich mich nicht freue dich zu sehen, Kim. Das tue ich nämlich.»

Ich verdrehte die Augen. «Wir wollten das schöne Wetter in deinem Garten genießen.» Er rieb sich erneut die Augen. «Viel Spaß. Ich begleite euch zum Garten.»

Ich verhob mir ein Lachen, weil er so süß aussah, wenn er vor kurzem noch geschlafen hatte. Adrian öffnete die Terrassentür und ließ sich auf einer Liege nieder.

«Du weißt, wo du etwas zum Trinken findest, Kim. Mr. Kuwak und den Rest der Crew habe ich heute freigegeben. Meine Mutter wird zwar wenig begeistert sein, aber ich dachte, dass ein freier Tag genau das richtige ist. Vor allem bei strahlend blauem Himmel.»

Und schon schloss er die Augen und schlief ein. Musste er ausgerechnet oben ohne in einer Liege pennen? Ich riss mich zusammen, dass ich nicht auf ihn stürzte und seinen Bauch berührte, ihn küsste und … Halt! Keine weiteren perversen Gedanken, bitte.

Ich wandte den Blick von ihm und hüpfte ins Haus, wo ich mir zwei Boxershorts nahm und eine Linda reichte. Dann zog ich mir mein Shirt aus und die Hose und schlüpfte in die Boxershort, damit ich nicht unbedingt in einem Slip schwimmen musste.

Und Linda wollte ich das auch nicht zumuten. Vor allem wenn Adrian hier war. Es reichte ja schon, wenn sie einen BH anhatte. Dankbar zog sie nun ebenfalls die Boxershort an und dann machte sie einen Köpfler ins Wasser.

Ich sprang ihr hinterher und lachend bespritzten wir uns. Wir schwammen um die Wette und genossen das sonnige Maiwetter. Irgendwann besorgte ich uns eine Cola mit Eiswürfeln. Adrian stellte ich es neben dem kleinen Tischchen neben seiner Liege hin. Nicht das es später hieß, dass ich nur an mich dachte. Linda und ich tranken das Cola in zügigen Schlucken und schwammen weiter.

Ich überquerte die ganze Länge des Schwimmbads und als ich zurück schwamm, saß Adrian am Rand des Beckens, die Füße im Wasser baumelnd. Ich legte meine Arme auf den Rand und bettete meinen Kopf darauf. «Und hast du gut geschlafen?»

Er nickte und fuhr mir durch die Haare. «Danke für das Cola», bedankte er sich und ich lächelte. «Wo ist Linda?», fragte er mich, als er sie nirgendwo im Wasser sah. «Ich habe sie in die Küche geschickt, damit ich ein Eis am Stiel bekomme», nuschelte ich und Adrian lachte.

Ich legte meine Hand auf seinen Oberschenkel und ging weiter hinauf zu seinem Bauch. «Wie kann man nur so aussehen?»

Ich streichelte sanft seinen Bauch, seine starken Muskeln. Adrian zog mich zu sich und hauchte mir einen Kuss auf den Mund. Ich grinste schelmisch in den Kuss hinein und ehe Adrian etwas davon mitbekam, stieß ich mich von der Beckenwand ab und er fiel ins Wasser. Genau in dem Moment kam Linda mit dem Eis und wedelte damit am Rand des Beckens zu.

«Ich habe es endlich gefunden!»

Ich stieg hinaus und warf Adrian eine Kusshand zu, die er lachend entgegennahm. «Das wirst du bereuen!», schrie er mir nach, aber seine Stimme verlieh dem ganzen etwas Belustigtes. Linda gab mir das Eis, das ich aufriss und genüsslich abschleckte. Leider musste ich mein Eis mit Adrian teilen, der zu faul war, sich selbst eins zu holen. Also war das Eis schnell fertig und wir tollten im Wasser weiter herum. Linda lag auf der Liege und sah uns mit einem Grinsen zu. «Wie lange muss Richard arbeiten?»

«Ich glaube bis vier», antwortete sie mir. «Lade ihn doch zum Schwimmen ein», schlug ich ihr vor und mit funkelten Augen nahm sie ihr Handy in die Hand. Ich schlang meine Arme um Adrians Schulter und küsste ihn. «Du schwimmst eigentlich gerne in BH.»

Ich dachte an den See im Park, wo wir schwimmen gegangen waren. «Gerne nicht. Aber ich hatte keinen Bikini da und Nacktbaden wollte ich auch nicht», gab ich keck zurück.

«Ja, Nacktbaden war doch ein Erlebnis für sich.» Wieder küssten wir uns. Schmetterlinge fuhren Slalom, mein Körper kribbelte und ich liebte es einfach. Er berührte meinen Bauch, strich meiner Seite entlang und entlockte mir ein wohliges Seufzen.

Linda unterbrach uns. «Er ist in zehn Minuten da!» Ich ließ von Adrian ab und ging aus dem Wasser. Zog mir mein Shirt an und legte mich auf die Liege. Adrian folgte meinem Beispiel. So lagen wir alle auf der Liege bis es klingelte. «Ich gehe schon!»

Linda stand auf und ging.

Erst da bemerkte ich, dass sie auch schon ihr kurzes Shirt angezogen hatte. «Bereite dich schnell darauf vor, dass es jetzt ziemlich verliebt werden wird», teilte ich Adrian mit. «Das weiß ich schon, Kimmie.» Er klopfte auf seine Liege und deutete mir damit, dass ich zu ihm gehen sollte. Ich lehnte mich an Adrian und genoss seine Zärtlichkeiten.

«Hi Kimberly und ihr Freund!», begrüßte Richard uns.

«Hi», gaben Adrian und ich gemeinsam zurück und Richard lachte.

Linda schlang von hinten den Arm um ihn. «Siehst du, Schatz. Ich habe dir ja gesagt, dass die beiden süß sind.» Ich wechselte einen Blick mit Adrian.

«Ach ja? Sind wir das?», fragte Adrian mit einem breiten Grinsen. Ich unterdrückte ein verliebtes Seufzen, weil ich dieses Lächeln von ihm liebte. War ich froh, dass er zu seinen Gefühlen zu mir stand. «Ja, das seid ihr», gab Linda zurück.

«Ihr auch. Nur damit ihr das wisst», flötete ich und stand auf, «Ich werde mir jetzt wieder die ganzen Kalorien wegschwimmen. Wo wir da gerade dabei sind, stimmt es das Neugeborene, schon am Anfang schwimmen können?»

Richard runzelte die Stirn.

«Warum willst du das wissen?»

Ich weitete meine Augen, aber Adrian war derjenige, der für mich sprach. «Sie ist so wissbegierig…» Dankend sah ich ihn an und sprang ins Wasser. Ich wollte nicht in BH rumlaufen, wenn Richard da war. Nur Adrian oder Linda durften mich so sehen, bei anderen ist es mir schlichtweg zu peinlich. «Wissbegierig? Echt jetzt? Ich kenne Kim zwar nicht so gut, aber wissbegierig ist sie nicht wirklich.»

«Na danke!»

Ich funkelte Richard böse an, doch er zuckte nur die Schultern. «Wenn du mich fragst, habe ich die korrekte Antwort. Du hast acht Cheeseburger verdrückt. Warst total launisch und jetzt willst du etwas über Neugeborene wissen? Kim, verkauf mich nicht für dumm!»

Ich schluckte, aber blieb still. «Acht Cheeseburger?», meldete sich Adrian zu Wort.

«Ja, super, dann weißt du es eben auch!», schrie ich aufgebracht und lächelte, «Ich bin ein launisches Vielfraß!»

«Ich dachte da eher an ein kleines Baby, das in dir wächst», sagte er ganz sachlich. Ich wurde weiß, sehr weiß und wich seinem Blick aus, was für ihn die Bestätigung war, dass er Recht hatte. «Das ist krass. Wirklich krass», murmelte er. Tja, wem sagte er das? Aber nicht mir, oder? Denn ich wusste es. Adrian warf Richard einen Blick zu. «Und du bist der Daddy oder?»

Richard versuchte die Stimmung aufzulockern. Adrian verzog das Gesicht. «Ja, ein anderer war nie im Spiel.» Nun sah Adrian mich an, damit er die Bestätigung bekam und ich nickte. «Du warst der einzige, Idiot!», fauchte ich und schwamm umher.

«Wollte ja nur sicher gehen.»

Ich winkte ab. Ich war nicht sauer, Adrian hatte jedes Recht dazu, dass zu hinterfragen, obwohl er wissen müsste, dass ich nicht jeden an mich ranließ. «Ist sie jetzt wütend oder nicht?», fragte Adrian die zwei, aber er bekam nur ein Schulterzucken zurück.

«Weißt du, dass ich dich liebe?», schrie er mir entgegen.

«Ja, das hast du bereits erwähnt. Und ich hoffe, du weißt, dass ich dich auch liebe?»

Wieder bekam ich ein schüchternes Lächeln, das er mir erstmals zeigte, als er die drei magischen Worte das erste Mal zu mir sagte. Und ich liebte dieses Lächeln. Es zeigte, dass er nicht immer so selbstsicher war. Ach, ich liebte alle möglichen Arten seines Lächelns.

«Machen wir ein Wettrennen?» Linda stieg ins Wasser und schwamm zu mir. «Klar», war meine Antwort und wir fingen an. Wieder einmal waren wir gleich schnell und lachten uns schief, weil wir uns an den Schwimmbadtag erinnerten, wo wir gleichzeitig im Wasser angekommen waren. Wir hatten uns gegenseitig so lange aufgehalten, dass wir ins Wasser fielen, da wir nicht auf den Weg geachtet hatten. Es war unentschieden, genau wie jetzt.

«Lass mich raten, es gibt wieder keine Kameras?», kicherte sie. «Nein, aber wir haben zwei Jungs, die uns zugesehen haben», erwähnte ich und beide drehten wir uns zu den besagten Jungs um.

«Was?», wollten die beiden misstrauisch wissen.

«Wer war schneller?»

«Beide», gaben sie nur zurück und vertieften sich wieder in ihr Gespräch. Linda sah mich an und verdrehte die Augen. «So typisch!»

Ich zuckte mit den Schultern und stieg aus. «Ich hole Cola!», schrie ich und verschwand um zwei Flaschen Cola zu holen und dazu ein Glas für Richard, da dieser noch keines hatte. Eiswürfel füllte ich in eine Schüssel und legte einen passenden Löffel dazu. Vollgepackt kam ich zurück und stellte alles ab. Richard schnappte sich das Glas, nahm zwei Eiswürfel und schenkte sich ein.

«Etwas kaltes», murmelte er und trank es aus. Linda und Adrian folgten seinem Beispiel und zum Schluss kam ich. Während ich die Flüssigkeit, die den Rachen hinunterlief, genoss, setzte ich mich zu Adrian, der sofort die Arme um mich schlang. Er strich langsam meinen Arm hinauf, sprach mit Richard über die allgemeinen Männerdinge. Ich freute mich, dass er in Richard einen Freund gefunden hatte, denn dass sie sich mochten, konnte jeder sehen.

Es war einfach perfekt. Wir könnten zu Viert Spaß haben, ohne dass jemand den anderen verachtete. Linda schien fast dasselbe zu denken, denn sie hob den Daumen in die Höhe und strahlte mich breitgrinsend an. Ich erwiderte ihr Lächeln.

Ja, so sollte es für immer bleiben. Adrian an meiner Seite, Linda und Richard neben uns, Kevin mit seinem Mädchen und all die Menschen, die wir liebten um uns. Seufzend schloss ich die Augen. Dieses Jahr – das wusste ich genau – würde das Beste werden.

Es fing an mit Adrian und Linda als meine Freunde und endete … naja das wusste ich noch nicht, aber ich wusste, dass es nur gut ausgehen konnte. Adrian führte seinen Weg hinunter zu meinem Bauch, wo er stehen blieb und darüber streichelte. Ein Kribbeln entstand in meinem Bauch, als ich die Berührung durch das nasse Shirt wahrnahm.

Mein Herz schlug schon zu schnell, wurde aber noch um einiges schneller, als er meinen Nacken küsste. «Glaubst du», hauchte mir Adrian ins Ohr, wobei sein Atem mich kitzelte, «dass du mich eines Tagen heiraten wirst?» I

ch drehte meinen Kopf und sah ihn mit großen Augen an.

«Was wird das, Adrian?», fragte ich skeptisch nach.

«Nichts. Ich frage mich nur, ob du ‚Ja‘ sagen wirst?»

Ich lächelte ihn an. «Und auf welche Antwort bist du gekommen?»

«Sag du es mir, ich kann leider nicht deine Gedanken lesen. Also, meine süße, kleine Kim. Wirst du mich eines Tages heiraten?» Augenblicklich erlosch das Gespräch von Linda und Richard und sahen uns an. Sie hatten wohl das Wort ‚Heiraten‘ gehört. «Damit ich für immer deins bin?», hakte ich leise nach.

«Und ich deins», gab er ebenfalls im Flüsterton zurück.

«Eines Tages, Adrian, da werde ich an deiner Seite stehen, als Mrs. DiMonti», hauchte ich und küsste ihn. Darin war ich mir so sicher, dass es sicherer nicht mehr ging. Er würde der eine für mich bleiben. Dem ich mein Herz geschenkt hatte und der es für immer bei sich tragen würde. Der Junge, der mein Körper zum Durchdrehen brachte, denn diese Schmetterlinge flogen wie wild umher und kleine Stromschläge drangen in meinen Körper, hinterließen ein wohliges Gefühl.

«Ihr werdet heiraten?», quiekte Linda und widerwillig lösten wir uns. «Eines Tages ja», antwortete Adrian mit einem schüchternen Grinsen. Linda atmete erleichtert aus. «Jagt mir nicht so einen Schock ein. Zuerst eure Schwangerschaft, wo ich aus den Latschen kippte und jetzt die Hochzeit.»

«Die erst in einigen Jahren stattfinden wird. Und in der Zwischenzeit genießen wir unser Leben», sagte ich und Linda lächelte leicht. Adrian küsste meine Stirn.

«Sie wird mich tatsächlich heiraten!» Adrian strahlte in die Runde und ich zog eine Augenbraue hoch. «Hast du daran gezweifelt?»

«Ein wenig. Du kennst mich doch. Ich bin nicht gerade … einfach.»

«Aber du bist es wert. Du bist es so was von wert», flüsterte ich und kassierte sogleich einen Kuss. «Adrian?» Mit einem genervten Stöhnen, löste sich Adrian von mir.

«Was ist?», fragte er seine Mutter, die vor der Terrassentür stand. «Wo ist Mr. Kuwak oder Magda?» Ich verhob mir ein Lachen, denn genau das hatte Adrian vorhergesagt. Seine Mutter sah wenig begeistert aus, sie nirgends zu finden und hatte wohl eine Vorahnung, wieso das denn so war. «Es ist schönes Wetter, Mum. Und ich dachte mir, dass sie das genießen sollten. Ich habe ihnen alle freigegeben», teilte er ihr mit.

«Du gibst ihnen frei? Und das taten sie einfach, oder wie?»

Adrian verdrehte die Augen, was seine Mutter – zum Glück – nicht mitbekam. «Nein, ich musste sie regelrecht zwingen. Lieg dich hierhin und genieße den restlichen Tag.» Seine Mutter sah ihn nur leicht tadelnd an, aber dann hellte sich ihre Miene auf. «Das sollte ich wirklich tun, mein Sohn. Du und Kim werdet kochen, wie ich gehört habe. Es ist ja kein Personal da, dass es tun könnte…»

Adrian und ich wechselten einen Blick aus. «Okay, wir werden kochen, aber es wird keine Gourmetmahlzeit, wir sind ja keine Starköche», gab ich zurück und stand auf, reichte Adrian die Hand und drehte mich zu Linda und Richard um, die ebenfalls aufgestanden waren.

«Wir werden gehen, meine Eltern erwarten uns pünktlich zum Essen. Viel Spaß euch!» Sie verschwanden rasch, ehe ich mich bedanken konnte.

«Ich bringe sie um», zischte ich Adrian zu und zog ihn in die Küche. Dort standen wir erstmals zehn Minuten rum und überlegten, was wir kochen könnten. Im Kühlschrank fand ich ein Fleisch, was ich aus dem Kühlschrank entfernte.

«Fleisch und Gemüse. Das wird nicht schwer sein.» Wieder öffnete ich den Kühlschrank und stellte verschiedene Sorten Gemüse auf die Theke. Adrian blieb unschlüssig stehen und verfolgte meine Bewegungen mit seinem Blick. «Steh nicht so rum», lachte ich, «Schneide mit mir das Gemüse.» Adrian kam zu mir und machte mir nach, das Gemüse in mundgerechte Teile zu schnipseln. Mehr oder weniger funktionierte das auch. Wir schafften es sogar, das Gemüse in die Pfanne zu hauen und ein wenig Butter reinzuhauen, damit wir Butter-Gemüse hinbekamen. Nachdem wir es noch ein wenig gesalzen hatten, fingen wir an das Fleisch zu würzen.

«So und nun müssen wir warten, bis das Fleisch durch ist», hauchte mir Adrian zu, schlang seine Arme um mich und küsste mich, «das ist doch die beste Möglichkeit zu warten.»

Wieder lagen seine Lippen auf meinen. Ich liebte seine weichen, zarten Lippen, die so zum Küssen einluden. Ich ließ mich völlig in den Kuss versinken und schlang meine Arme um ihn. Erst als ich etwas Verbranntes roch, löste ich mich. Ich rümpfte die Nase und sah unser Fleisch an. «Verdammt!» Ich betrachtete das schwarze, verbrannte Fleisch und verzog das Gesicht. Als ich einen Blick zum Gemüse warf, sah es da nicht besser aus.

«Wir rufen den Chinesen an», waren wir uns sofort einig und schmissen das verbrannte Essen in den Müll. Während ich die Bestellung beim Chinesen durchführte, öffnete Adrian die Fenster, damit frische Luft in den Raum kam und den ekligen Gestank vertrieb. «Ich koche nie wieder mit dir.» Adrian grinste mich süffisant an. «Damit kann ich leben. Aber küssen darf ich dich schon, oder?», fragte er mich und ich nickte. «Das würde ich dir nie verbieten», raunte ich ihm zu und küsste ihn.

Oh ja, das könnte ich den ganzen Tag tun, wenn uns nicht immer etwas stören würde. Waren es nicht die Freunde, dann war es verbranntes Essen oder die Tante und die Eltern. Dieses Mal war es Adrians Vater, der bis Anfang Juni zuhause war.

«Was riecht hier so?» Er steckte den Kopf zwischen die Tür und sah uns fragend an. «Wir wollten kochen. Die Betonung liegt auf ‚wollten‘, denn wir hatten ein kleines Dilemma mit dem Essen. Es war ja auch so schnell verbrannt», sagte ich. Adrian lachte und auch sein Vater hielt sich nicht zurück. «Habt ihr den Italiener oder den Chinesen angerufen?» Ich nickte.

«Alles erledigt», Adrian schlang einen Arm um mich und zog mich zu sich, «Kim wird sich jetzt trockene Sachen anziehen. Die sind immer noch nass.»

Und damit scheuchte er mich in sein Zimmer, wo wir in Ruhe weiterknutschen konnten. Solange bis es klingelte und ich notgedrungen trockene Klamotten von Adrian anziehen musste. Unten erwartete uns dann eine Riesenauswahl chinesischer Spezialitäten und eine Emily, die uns lachend empfang. Christopher musste ihr von unseren gescheiterten Kochkünsten erzählt haben…

 

 

****

Es war fast wie früher, als Adrian mich nachhause begleitete, nur damit ich nicht alleine gehen musste. Einige Dinge änderten sich eben nie… «Wie geht es dir?», unterbrach Adrian die Stille. «Gut. Nur hätte ich nie gedacht, dass es Richard erfahren würde. Ich wollte es geheim halten, bis wir uns sicher sind, dass es bleibt. Wie geht es dir?», fragte ich. «Super. Richard ist richtig nett und ich habe es mit dir noch nicht verbockt.» «Wieso solltest du es auch verbocken?»

«Nicht mit Absicht. Ich will nichts verhauen, nicht bei dir. Nicht wieder», flüsterte er in die Dunkelheit und brachte mir eine Gänsehaut. «Es wird alles gut», beruhigte ich ihn und schmiegte mich an ihn, damit er wusste, dass ich immer bei ihm blieb.

Wir erreichten mein Haus und blieben vor der Haustür stehen. Es war schon elf Uhr und meine Tante war da, weil Licht im Wohnzimmer brannte. «Wir sehen uns am Montag. Viel Spaß mit deinen Eltern», verabschiedete ich mich.

Leider würde ich ihn erst nach dem Wochenende sehen, da wir wieder etwas mit unserer Familie unternehmen sollten. Es war die Entscheidung von uns beiden und trotzdem gefiel sie uns nicht. «Bis Montag, Kimmie. Schlaf gut und pass auf dich auf, ja?»

Ich lächelte ihn an, nahm seine Hand und legte sie auf meinen Bauch. «Das werde ich.» Er streichelte sanft meinen Bauch. «Und auf das Baby auch», flüsterte er mir zu und küsste mich kurz. Ich schloss die Tür auf und ging hinein. «Wird gemacht, Captain. Ich liebe dich.»

«Und ich liebe dich.»

Mit einem letzten Blick zu Adrian, schloss ich die Tür. Am liebsten hätte ich ihn mitgezerrt und das ganze Wochenende an mich gebunden. «Ich bin zuhause», schrie ich und ging ins Wohnzimmer, «Ich bin das ganze Wochenende da und da du frei hast, können wir es gemeinsam verbringen. Nur du und ich und kein Adrian.» Die Mundwinkel meiner Tante gingen nach oben.

«Gut, wir werden die zwei Tage nicht in Wien verbringen. Wir gehen nach Tschechien und gehen shoppen auf dem Markt», meinte meine Tante.

«Echt? Das ist ja klasse. Shoppen bis zum Umfallen», jubelte ich.

«Aber dafür solltest du ausgeruht sein. Also legen wir uns beide ins Bett und morgen fahren wir schon los.» Ich nickte, küsste meine Tante und machte mich bettgehfertig. 

Kapitel 24 – Freitag, 31. Mai 2013

Es war schon verrückt, wie schnell die Zeit vergehen konnte. Das Wochenende mit meiner Tante war rasend schnell vorbei, wir hatten Unmengen an Zeug gekauft. Die Woche in der Schule ging ebenso rasch rüber. Adrian und ich hingen aneinander wie siamesische Zwillinge und wann immer es die Zeit erlaubte, küssten wir uns und turtelten herum. Heute war Freitag.

Der Frauenarzttermin war wieder fällig und Adrian ließ es sich nicht nehmen, mich zu begleiten. Also saßen wir zu zweit im Wartezimmer. Ich völlig relaxed, er vollkommen nervös. Ich sprach ihn darauf nicht an, aber ich legte eine Hand auf seine Oberschenkel, damit er wusste, dass ich hier war. «Miss Montgomery, bitte», erklang die Stimme meines Doktors. Ich sprang von meinem Stuhl und zog Adrian hinter mir her. «Sie haben einen Freund mitgebracht?»

«Er ist nicht ein Freund, er ist mein Freund», gab ich lächelnd zurück. Ich war kurz davor, Adrian verliebt anzusehen, als ich mich ermahnte. Ich konnte doch nicht komplett als verliebter Trottel da stehen. «Das ist der Vater des Babys», stellte ich Adrian vor. Dieser sah ziemlich blass aus, schüttelte aber die Hand von Dr. Mellmer.

«Dann kommt doch mal mit.» Wir gingen ihm nach und ich setzte mich auf eine Liege, wo er sofort anfing ein Ultraschallbild zu machen. «Hatten Sie eine angenehme Woche?» Ich musste schmunzeln. Oh ja, die hatte ich. Meine Stimmungsschwankungen hatte ich in den Griff bekommen, was nicht nur mich erleichterte. Einmal hätte fast meine Tante mitbekommen, dass etwas im Busch war, aber das konnten wir gerade so noch hinbiegen.

Und Adrian und ich – sagen wir so – wir waren glücklicher denn je. Wenn ich dachte, dass es nicht mehr besser ging, kam Adrian mit etwas hergerannt. In dieser Woche hatten wir uns kaum zwei Stunden getrennt, wir klebten zusammen. Linda war am Dienstag kurz vorbei gekommen und wir lümmelten auf der Couch. Adrian war oben in meinem Zimmer und schlief, da er die Nacht davor, die ganze Zeit gelernt hatte. Unglaublich, aber Adrian wurde verantwortungsbewusster. Teilweise zumindest. Manchmal kam doch wieder der alte Adrian durch. Der Adrian, der keine Lust zum lernen hatte, aber das kam nicht oft vor. So, also war am Dienstag Linda bei mir und wie nicht anders zu erwarten, wurde das Babygespräch wieder geführt.

«Spürst du etwas?», hatte sie mich gefragt. «Nein, ich bin gerade mal in der siebten Woche, Linda. Das Baby ist gerade ein paar Millimeter groß. Zehn oder so…»

Ja, ich hatte Babymagazine studiert und wichtige Dinge erfahren. Vor allem sollte man nicht zu viel essen, da ich sonst alles wieder abtrainieren musste. Man sollte in gewissen Mengen Essen zu sich nehmen, so dass das Baby und ich genug bekamen. Leider klappte das bei mir noch nicht so ganz. Irgendwie aß ich immer noch ein wenig zu viel für ein Baby und mich. Linda hatte daraufhin laut ausgeatmet. «Mann, schade», murmelte Linda, dann hellte sich ihre Miene auf, «Mädchen oder Junge? Was willst du?»

Ich zuckte mit den Schultern. «Egal. Hauptsache gesund, oder?» Sie verdrehte die Augen. «Ich glaube, ich würde lieber einen Jungen wollen. Mädchen sind immerzu zickig», kicherte sie. «Und Jungs verprügeln sich gegenseitig», gab ich ihr zu Bedenken.

«Genau», sagte sie langgezogen, «ach, was mache ich mir darüber Gedanken, ich bin jung und habe Zeit.» Ich nickte. «Ja, das bin ich auch.» Sie sah mich entschuldigend an, aber ich winkte sofort ab. Danach lagen wir einfach nur rum, ich war müde geworden, ließ mir aber nichts anmerken.

«Darf ich deinen Bauch berühren?» Ich nickte müde und sie legte die Hand auf meinen Bauch. In dem Moment kam meine Tante rein und wir schraken zusammen. Zu meinem Glück hatte Linda eine passable Erklärung: Bauchschmerzen.

«Kimberly?»

Ich schrak aus meinen Gedanken und lächelte leicht. «Angenehme Woche, auch wenn ich ziemlich schnell müde werde», murmelte ich. Die letzten Tage musste ich immer wieder öfters Nachmittag ein wenig schlafen, da ich so müde war. Aber die Übelkeit blieb fast weg, was ich mehr als nur super fand. «Das ist völlig normal, ruhen Sie sich immer aus. Trinken Sie regelmäßig und viel?» Ach ja, das war das nächste Problem. Trinken, wie ein Verrückter. Ich trank nicht nur mehr zwei Liter am Tag. Nein, ich trank die doppelte Menge und musste daher oft aufs Klo. Wie ich es hasste. Vor allem wenn ich so gut schlief und dann aufwachte, weil ich für kleine Mädchen musste.

«Ja, für meinen Geschmack viel zu viel.» Dr. Mellmer lachte. «Dann sehen wir nach, wie es sich weiterentwickelt hat. Es wird wenig zu sehen sein, aber ich will auf Nummer sicher gehen, vor allem weil Sie doch ein wenig jung sind.»

Meine Antwort bestand aus einem Nicken. Herrgott, er sollte einfach weitermachen! Es war ein Uhr, an einem Freitag und ich wollte endlich nachhause. Das Wochenende bei Adrians Verwandten verbringen, da meine Tante sowieso keine Zeit hatte. Es war eher so, dass Adrian mich gezwungen hatte, schlussendlich gab ich seinem Flehen und Bitten bei und ergab mich. Adrians Dad würde nach diesem Wochenende wieder auf Reisen gehen und die nächsten drei Monate nicht auftauchen. Ich wollte das meinem Kind nie antun. Egal wie viel Geld ich nachhause brachte, drei Monate keinen Dad um sich zu haben, war schrecklich. Ich hatte das Gefühl nie empfunden, mein Vater war von Anfang an nicht da gewesen. Also spürte ich so ein Gefühl nie, für mich gab es immer nur meine Mum und später meine Tante. Ich driftete schon wieder ab, ich würde das wohl nie lassen können.

Dr. Mellmer entschied sich wieder für eine Vaginalsonde, die mir immer noch ein wenig unangenehm war. Adrian stand neben meiner Liege und sah zu mir hinab. «Ist das nicht ein komisches Gefühl dieses Ding in dir zu haben?» Ich wollte lautstark losprusten, aber ich hielt mich zurück. «Ein wenig», sagte ich stattdessen. Ich sah zum Monitor, wo das kleine Körnchen minimal gewachsen war. Aber was mich an dem Bild störte war etwas anderes, was auch Dr. Mellmer auffiel.

«Miss Montgomery?», fing Dr. Mellmer an. Auch Adrian wurde hellhörig, denn seine Stimme klang ein wenig unsicher.

«Das ist nicht nur für Sie beide eine Überraschung. Herzlichen Glückwunsch! Sie erwarten Zwillinge!»

Und das war der Moment wo Adrian umfiel.

 

 

****

«Du bist einfach umgekippt! Meine Güte, zwei kleine Körnchen, das ist nicht zu fassen», schwafelte ich auf dem Nachhause weg. Eine Fruchtblase … und zwei Körnchen. «Was kann ich dafür, ich war geschockt. Zwillinge, Kim, zwei kleine Babys!» Adrian umschlang das Lenkrad und bog in seine Straße ab. «Ja und ich habe sie in mir», teilte ich ihm mit, «Ich werde sie auf die Welt bringen. Zwei Stück!»

Ich wedelte mir Luft zu, da ich kurz davor war, ebenfalls mal umzufallen. Alles in mir schrie danach, diese Babys nicht auf die Welt zu bekommen. Ich stellte mir höllische Schmerzen vor, bei der Geburt, bei der Schwangerschaft selbst sogar. Ich hatte ja schon Angst ein Kind auf die Welt zu bringen, wie sollte ich da zwei schaffen?! Schnell bemerkte ich, dass ich zu überstürzt atmete. Adrian blieb stehen und hielt meine Hand. «Einatmen, Ausatmen, Kim. Alles wird gut», beschwichtigte er mich.

«Ich … schaffe das alles nicht. ich glaube, ich falle um und mir ist so schlecht.» Als würde mein Bauch mir zustimmen wollen, spürte ich die Übelkeit hochkommen und ich sprang aus dem Auto, um in einem Gebüsch meinen gesamten Mageninhalt auszukotzen. Danach ließ ich mich kraftlos auf den Boden gleiten und strich mir durch die Haare. Das war zu viel des Guten.

Keine zwei Babys, dafür hatte ich keine Nerven. Mein Körper fing an zu zittern und Adrian legte den Arm um mich und zog mich zu sich. «Mach dich jetzt nicht fertig, Kimmie. Das hilft doch nichts», redete er auf mich ein und ich sah ihn entsetzt an.

«Ich … bekomme Zwillinge», kreischte ich hysterisch. Oh Gott, ich wusste es. Sie machten mich jetzt schon ganz Irre. Und sie waren nicht mal da… Na toll!

«Ich weiß und ich will dich nicht belügen und sagen, dass es nicht schwierig oder schmerzvoll werden wird. Das wird es gewiss, aber du bist stärker, als alles was ich kenne. Du bist die stärkste Frau der Welt. Du hast schon so viel geschafft und bist nie liegen geblieben, wenn du gefallen bist. Du bist aufgestanden und hast gelächelt.» Lange starrte ich Adrian an.

«Ich liebe dich, Adrian, ich liebe, liebe, liebe dich!» Ich schlang meine Arme um ihn und genoss den Augenblick der Zweisamkeit. Viel zu selten, genoss ich es vollkommen. Zu sehr, beschäftigten mich meine Gedanken. Aber in diesem Moment, verbannte ich all die Gedanken und schloss die Augen, während Adrian meinen Rücken streichelte.

«Ich liebe dich auch, Kim», flüsterte er mir ins Ohr. Sein Atem kitzelte mich, bereitete mir eine Gänsehaut. «Deine Eltern warten gewiss schon», murmelte ich und stand langsam auf. Es würde komisch werden in Adrians alte Heimat zurückzufahren. Seine Verwandten kennenzulernen, seine Nachbarn, seine alten Mitschüler und zu guter Letzt seine Verflossenen. Beim Letzteren wurde mir mulmig zumute, aber ob es sich vermeiden ließ, wusste ich nicht. Vielleicht würden wir sie nicht irgendwo auf der Straße finden, dass wäre natürlich wunderschön. Adrian stand nun auch auf und stieg ein. Er hatte mit einer Menge Frauen geschlafen, dass hatte er mir schon einmal erzählt, aber wollte ich genau wissen, wie viele? Wie viele dem Charme dieses Mannes erliegen waren, wie viele er im Bett hatte, geküsst hatte? Die Gedanken waren keinesfalls toll, aber besser als mir vorzustellen, dass ich zwei Kinder bekommen würde. Viel besser, wie mir schien. Obwohl es gewiss nicht angenehm war, über seine Frauengeschichten nachzudenken…

«Ich glaube ich werde krank», murmelte ich Adrian zu, als ich endlich einstieg.

«Warum?» Adrian warf mir einen Blick zu.

«Ich-», ich unterbrach mich, wusste nicht, ob ich ihm wirklich meine Gedanken verraten sollte, «-ich denke lieber über deine Bettgeschichten nach, als über die zwei Körnchen», entschied ich mich.

«Ähm … das ist wirklich ein wenig komisch», gab Adrian zu, «Vielleicht solltest du über etwas anderes nachdenken?» Ich sah ihn belustigt an. «Werde ich machen. Ich stelle mir einfach vor, wie deine Lippen meinen Hals küssen», ich berührte leicht meinen Hals, «weiter hinunter zu meinem Dekolletee und schließlich den Weg zu meinem Mund finden.»

Auch da berührte ich mich und Adrian schluckte. «Denk nicht an so was, während ich fahre. Denke an Einhörner!» Ich prustete los.

«Einhörner? Echt jetzt, Adrian?» Er zuckte mit den Schultern. «Mir fiel nichts Besseres ein», verteidigte er sich und fuhr die Einfahrt der Villa hoch. «Bitte aussteigen!» Ich stieg aus und rieb mir die Stirn, ehe ich einmal drauf schlug. «Ich habe noch keinen Koffer gepackt!», rief ich aus und stieg wieder ein. Also waren wir keine Minute bei ihm, schon fuhren wir davon. Im Seitenspiegel sah ich noch, dass Mister Kuwak uns grinsend hinterher sah. Na hoffentlich hatte er seinen Spaß… Schnell waren wir angekommen und wahllos stopfte ich Klamotten in den Koffer, Badeutensilien und sonstigen Kram, den ich mit Sicherheit gebrauchen konnte … oder auch nicht, als ich die Schere in der Hand betrachtete.

Ich stellte sie wieder auf den Schreibtisch und sah mich panisch um. Was könnte ich noch alles benötigen? Mein Blick blieb bei Schokoriegeln stehen, die ich im Supermarkt gekauft hatte und ich legte sie in den Koffer. Man konnte nie wissen, wann ich Hunger bekam und Mitten in der Nacht, wollte ich nicht unbedingt in die Küche schlendern, um mir etwas Essbares zu suchen.

«Ich glaube ich bin fertig», murmelte ich und rieb mir die Augen. Ich war müde geworden, was ich allerdings im Moment nicht gebrauchen konnte. Adrians Mutter war letztens schon skeptisch, als ich mich übergeben musste und die Ausrede, dass ich zu viel gegessen hatte, hatte sie nicht ganz geschluckt. Ich hatte eher das Gefühl, dass sie Verdacht schöpfte, was ganz und gar nicht gut war. Nicht jetzt, nicht bevor die drei Monate vorbei waren…

«Kim?»

Ich sah zu Adrian hoch. «Hm?»

«Ist alles in Ordnung?»

Ich atmete tief ein und aus und versuchte die Müdigkeit dadurch abzuschütteln. «Ich bin nur etwas müde. Der Frauenarzt, die Schule, Koffer packen. Das hat seinen Tribut», flüsterte ich und Adrian trug den Koffer und legte einen Arm schützend um mich.

«Du kannst dich sofort ausruhen. Wir müssen nur noch zu mir fahren.» Meine Schritte waren lahm und langsam und Adrian betrachtete mich von der Seite. «Was hast du heute alles gegessen?», fragte er. «Einen Apfel in der Früh, zu Mittag hatte ich keinen Hunger und wie es aussieht, werde ich jetzt auch das Abendessen auslassen.»

«Du hast gestern auch nicht viel gegessen», machte Adrian sich Sorgen, aber ich winkte ab. «Ich habe vorher viel zu mir genommen und ich hatte die letzten Tage einfach keinen großen Hunger.» Ich setzte mich in das Auto und er fuhr los. Ich ließ die Fensterscheibe herunter und atmete die Luft ein. Es befreite mich ein wenig von der Müdigkeit, was mir sehr Recht war.

So konnte ich beim Abendessen teilnehmen und verstreute vielleicht falsche Gedanken von Emily. Also erschien ich zum Abendessen und aß gerade so viel, damit kein Verdacht geschöpft werden konnte. «Und wie war euer Tag?», wurden wir von Emily gefragt. «Wir haben hauptsächlich über das Austauschprogramm gequatscht. Nächste Woche am Montag findet es statt und ich bin schon richtig hibbelig, wenn ich daran denke, in England zu sein», schwärmte ich.

Ich konnte es nicht erwarten und Adrian hatte sich von meiner Freude anstecken lassen. Er war zwar ein wenig getrübt, weil er am anderen Ende von der Stadt war. Und ich – wie konnte es auch anders sein – war auf der anderen Seite der Stadt und eine Stunde Busfahrt von Adrian entfernt. Wir würden in diesen Wochen eine Menge tun. Neben der Schule, die wir tagtäglich bis ein Uhr besuchen mussten, konnten wir hin und wieder etwas Eigenes unternehmen. Ohne die Austauschfamilie im Rücken zu haben. «Wie war dein Tag?», hakte ich nach.

Sie erzählte mir, von einem kniffeligen neuen Fall, der sich als schwieriger herausstellte, wie sie vermutet hatte. Mehr konnte sie uns leider nicht erzählen, aber das war nicht schlimm. «Tante Julienna freut sich schon auf dich, Adrian.» Adrian lächelte.

«Tante Julienna ist toll, Kim. Die einzige, die nie angepisst von mir war», sagte Adrian und diese Frau war mir sofort sympathisch. Sie konnte nur nett sein, wenn sie nie genervt von Adrians Strapazen war. «Und dich will sie auch unbedingt kennenlernen, Kimberly. ‚Das Mädchen, das meinen Neffen zähmte, muss ich unbedingt kennenlernen‘ waren ihre Worte», schmunzelte Christopher und entlockte mir auch ein Grinsen. Adrian tätschelte mein Bein und sah seine Mutter ernst an.

«Wird Onkel Patrizio und Tante Florentina auch anwesend sein?» Nach der Miene von Emily, schienen diese zwei Personen nicht besonders gut auf Adrian zu sprechen zu sein. «Es wird ein Familientreffen, Adrian. Was erwartest du?» Adrian schnaubte. «Das dieser Teil der Familie in der Hölle schmorrt», schimpfte er. Ich sah ihn geschockt an.

«Was haben sie getan?» Meine Stimme war leise, doch Adrian hörte mich.

«Oh nein, nicht sie haben was getan. Ich bin in ihren Augen eine völlige Schande der Familie DiMonti!»

Adrian war aufgebracht, verständlich irgendwie. Er hatte eine schlimme Phase ja, aber war das wirklich so schlimm? War das nicht die Zeit, wo der Halt der Familie am Meisten zählte? Aber ich sollte noch so einiges über diese Familie erfahren. Einige schöne Dinge und einige, die ich nie für möglich gehalten hätte…

 

 

****

«Wir werden ihnen konsequent aus dem Weg gehen», flüsterte ich Adrian zu, als wir im Bett lagen. Er war immer noch wütend auf einen Teil seiner Verwandtschaft, weswegen ich ihn ein wenig versuchte aufzumuntern. «Du hast dich verändert, diese Leute sind Idioten, wenn sie dich so schlecht behandeln.» Er küsste meine Hand.

«Hör auf zu reden», flüsterte er mir zu und küsste mich. Herrje, wir waren zu richtigen Spießern geworden. Alles was wir taten, war rumzuknutschen… «Nein, nein, mein Lieber. Wir müssen irgendwann wieder etwas Produktives tun!», ermahnte ich ihn. «Produktiv?», Adrian lachte mich an, «Habe ich nicht schon genug Produktives getan?» Natürlich spielte er auf das Baby an. Die Babys, korrigierte ich mich. «Idiot!» Ich schüttelte den Kopf. «Vielleicht sollten wir lernen? », fragte ich und Adrian schüttelte den Kopf. «Verschone mich bitte. Ich habe noch von deiner Lernerei genug.»

«Obwohl sie dir viel gebracht hat?»

«Auch wenn sie mir eine Menge gebracht hat. Es ist Freitag. Nächste Woche sind wir in England. Ich bin schon neugierig wie Aylesbury aussehen wird», schwärmte er und ich lehnte mich an seine Brust.

«Richtig british

Ich grinste Adrian an und er zwickte mich kurz. «Glaubst du, dass du es mit dem Ba- … -die Babys schaffen wirst?»

«Solange ich nichts mache, was mich zu sehr anstrengt oder stresst, dann ja, ich werde es schaffen. Das hat auch Dr. Mellmer gesagt. Ich mache nichts Unüberlegtes und lasse mich nicht anschießen oder entführen», witzelte ich, aber Adrian fand das nicht so lustig. «Darüber macht man keine Scherze, Kimmie. Was ist wenn es wirklich passiert?»

Oh Gott, war Adrian zu einem Beschützerfanatiker geworden? «Dann werde ich alles tun, damit es meinen Babys gut geht.» Ich streichelte sanft seine Brust.

«Hör auf über Dinge zu sprechen, die nie passieren werden», murmelte ich ihm schläfrig zu. «Du sollest schlafen. Morgen geht es schon früh los.»

Ich schmiegte mich noch ein wenig enger an Adrian. «Aber wir wollen doch noch so viel besprechen», flüsterte ich, aber da war ich schon halb weg.

Das einzige was ich noch wahrnahm, war Adrians kurzer Gute-Nacht-Kuss.

Kapitel 25 – Samstag, 01 Juni 2013

«Hast du alles eingepackt, was du benötigen wirst?» Ich saß bäuchlings auf dem Bett, die Füße immer hin und her wippend.

«Ich glaube schon.» Adrian kam zu mir, hob mich hoch und stellte mich auf den Boden. «Was soll das werden, Adrian?», fragte ich lachend nach, «Hättest du mich nicht auf dem Bett lassen können?»

«Nein, du musst in den Koffer steigen. Ich sollte alles einpacken, was ich brauchen werde.»

Ich grinste Adrian an.

«Du bist echt süß», flüsterte ich und stellte mich auf die Zehenspitzen. «Ich steige aber nicht in den Koffer, du kannst mich in das Auto stecken.»

Adrian legte seine Hände auf meine Taille und zog mich näher zu sich. «Warum habe ich mir das nicht schon vorher gedacht», sagte er schmunzelnd. Ich musste kichern, weil sein Atem meinen Hals streifte, den er zärtlich küsste.

«Adrian, deine Eltern warten auf uns», versuchte ich ihn dazu zu bewegen aufzuhören. «Können Sie nicht warten? Ich will noch ein wenig Zweisamkeit mit meiner Freundin verbringen», raunte er und hob mich hoch. Ich schlang meine Beine um seinen Bauch, damit ich nicht hinunterfiel und strich ihm durch das Haar. «Es tut mir Leid, aber das werden sie nicht können…», murmelte ich, ließ mich dennoch von ihm küssen. Er hatte es auch einfach mit mir. Ich gab mich ihm vollständig hin, ohne ein wenig zu zögern.

«Adrian?! Kim?!»

Leise seufzten wir beide auf. «Was habe ich gesagt?» Adrian ließ mich runter und strich mir kurz über die Wange.

«Und trotzdem musste ich es tun», gab er zurück und ich verdrehte lächelnd die Augen. Ich nahm meinen Koffer und ging mit Adrian hinunter. Auf halben Weg, kam uns Mr. Kuwak entgegen und nahm uns die Koffer ab. Ohne ein Wort, überließen wir Mr. Kuwak die Koffer und marschierten in den Eingangsbereich. Emily und Christopher erwarteten uns und warfen Adrian einen kurzen Blick zu.

«Was ist?», fragte er misstrauisch.

«Du wirst nichts anstellen, oder?» Adrian lachte.

«Das kommt drauf an, wie sie dieses Mal drauf sind», antwortete er und zog mich Richtung Garage. «Kim und ich werden mit dem Ferrari fahren, wir wollen ein wenig alleine sein», verkündete er und ich sah seine Eltern entschuldigend an. Auf dem Weg zur Garage begegneten wir Frederik – der Chauffeur von Familie DiMonti. Ich hatte ihn bisher nur wenige Male gesehen, doch erkannte ihn sofort wieder. «Hi, Frederik», begrüßte ich ihn und er schenkte uns beiden ein Lächeln. Mit seinen fast ergrauten Haar und den grauen Augen, sah er aus, wie eine gealterte Kopie von Mister Kuwak. Und da wurde mir bewusst, dass er gewiss der Vater war.

«Guten Morgen, ihr zwei Turteltäubchen!», grüßte er und ging an uns vorbei.

«Ist er eigentlich der Vater von Mr. Kuwak?»

Adrian legte einen Arm um mich und öffnete die Garagentür. «Nein. Er ist der Zwillingsbruder seines Vaters, der vor einigen Jahren gestorben ist.»

«Wie alt ist Frederik?» Ich dachte zurück an das ergraute Haar und den kleinen Fältchen im Gesicht. Und trotzdem sah man, dass er noch gut aussah. «Er ist … Sechzig? Ja, er ist sechzig Jahre alt.» Mein Mund klappte auf. Und da sah dieser Typ so aus?

Ich hätte ihn auf fünfzig Jahre geschätzt. Adrian öffnete mit einem Knopf das Auto und wir stiegen ein. Emily und Christopher würden mit der Limousine fahren. Mister Kuwak brachte uns die Koffer und mit einer herzlichen Umarmung verabschiedete ich mich. Ich würde ihn vermissen, wir würden uns erst wieder nach dem Austauschprogramm sehen.

Juliano lächelte uns zu und gerade als wir einsteigen wollten, kam der Rotschopf angerannt. Wie auch alle anderen Angestellten, sprach sie mich mit ‚Kim‘ an und auch Adrian bestand darauf, nur noch mit seinem Vornamen angesprochen zu werden.

«Kim! Adrian!»

Außer Puste kam sie vor uns an und hielt uns einen Korb hin. «Für die lange Fahrt braucht ihr doch etwas Anständiges zum Essen. Ich habe sogar das Zimtparfait eingepackt», sagte sie und zwinkerte. Sie wusste, wie wir auf dieses Parfait abfuhren, weshalb ich sie an mich drückte. «Sie sind ein wahrer Engel, Magda», schrie ich entzückt und riss den Korb an mich.

«Ach, Kim», sagte sie nur, dann zeigte sie auf den Korb, «Ich habe noch ein wenig Obst, Muffins und kleine Sandwiches eingepackt. Ihr sollt doch nicht verhungern!» Adrian bedankte sich auch und nach einem erneuten Drücken der beiden Angestellten, fuhren wir davon.

Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Es war sechs Uhr in der früh gewesen, als wir hatten aufstehen müssen. Kein Wunder also, dass ich einschlief.

 

 

****

Ich hätte die ganze Fahrt durchschlafen können, wäre nicht Adrian gewesen, der genervt ausschrie. «Was ist denn los?», fragte ich verschlaft und musterte ihn.

«Stau. Ich stehe schon seit einer geschlagenen halben Stunde am gleichen Fleck!», sagte er aufgebracht und klopfte mit den Fingern an das Lenkrad. «Warum ist denn Stau? Wieder eine Baustelle?» In letzter Zeit hörte man doch nur mehr von Baustellen auf der Autobahn, weshalb ein Fahrstreifen blockiert war oder man gar auf die andere Fahrseite wechseln musste. Und zudem durfte man nur jämmerliche achtzig oder gar sechzig km/h fahren.

Mir hätte klar sein müssen, dass das keine Baustelle war. Eine Baustelle mit blinkendem Blau- und Rotlicht? Nein, da musste definitiv ein Unfall passiert sein, was mich sofort an meine Mutter erinnerte. «Ein Unfall.» Er sah mich kurz an, ehe er mich sanft berührte. «Kimmie, ganz ruhig, okay?»

Ich blickte zu ihm hinüber. Dass er immer sofort Bescheid wusste, wann etwas bei mir war, war manchmal beängstigend.

«Ich musste nur an meine Mum denken.»

Ich sah aus dem Fenster. Genau auf dieser Autobahn war es passiert. Nur direkt in Tirol, wo Adrian und ich hindurchfahren mussten, um nach Italien zu kommen. Meine Mutter und ich waren so nahe an unserem Zuhause dran und auf einmal wollte ich unbedingt unser altes Zuhause ansehen. Es gehörte mir seit zwei Jahren und bisher hatte ich nie ein Bedürfnis dorthin zu fahren. Zu sehr hatte mich die Erinnerung an meine Mutter geplagt.

Aber jetzt hatte ich den Hang sofort zuzukehren und das alte Haus zu sehen. In all den Jahren, hatte sich sicher Staub im Haus eingenistet und der Garten musste zum Schrecken aussehen. Und trotzdem wollte ich auf einmal dahin, doch ich sagte nichts. Adrian hatte keine Zeit mehr um dort einen kurzen Stopp zu machen. Wir mussten um spätestens drei Uhr bei seinen Verwandten auftauchen.

Ein großes Herrenhaus, am Stadtrand von Meran. Wegen dem Unfall ging wertvolle Zeit verloren, denn nach einem Blick auf die Uhr, war es schon fast Mittag. Adrian hatte mir gesagt, dass die Strecke von Wien bis nach Meran in sechs Stunden zu erreichen war.

Die sechs Stunden waren in einer halben Stunde vorbei und wir waren immer noch nicht in Italien. Geschweige denn in Tirol. Endlich schien sich der Stau zu lösen, die Unfallstelle wurde geräumt. «Wie lange brauchen wir noch?», fragte ich, als wir endlich losfahren konnten.

Im Schritttempo natürlich.

Wir sind gleich an der Grenze zwischen Tirol und Deutschland. In zweieinhalb bis drei Stunden, wenn alles gut geht, sind wir in Meran.»

Erleichtert darüber, dass ich dann das Auto verlassen konnte, atmete ich aus. «Dann kann ich mir endlich meine Füße vertreten», seufzte ich und Adrian warf mir einen Blick zu.

«Ich kann bei der nächsten Raststätte halt machen? Dann können wir auch essen.» Schon bei dem Wort ‚Essen‘ knurrte mein Magen, die kleine ‚Ich-habe-keinen-Hunger-Phase‘ war vorbei und ich aß jetzt genau so viel, wie ich essen musste.

Adrian machte tatsächlich bei der nächsten Raststation Halt und wir setzten uns auf eine der Bänke, wo wir unseren Picknickkorb auspackten und genüsslich anfingen Sandwiches zu knabbern. Zum Schluss kam das Parfait dran, danach machten wir uns sofort auf den Weg weiterzufahren. Wie ich es von früher kannte, war in halb Tirol auf der Autobahn die 100 km/h-Beschränkung, was Adrian zur Weißglut brachte. «Die wissen schon, dass das eine Autobahn ist, oder?», beschwerte er sich lautstark.

Ich berührte leicht seinen Arm, damit er sich nicht so aufregte und es schien halbwegs zu funktionieren. «Es ist einfach nur eine blöde Idee. Was bringt es jetzt, ob man 100 oder 130 km/h fährt?»

«Das ist das Immissionsschutzgesetz-Luft, das bei einer zu hohen Schadstoffbelastung in der Luft erteilt wird. Meine Mutter hat sich auch immer schrecklich über diesen Hunderter auf der Autobahn beschwert», sagte ich und lächelte Adrian an, der mir ebenfalls ein kurzes Lächeln schenkte.

«Ich finde es nutzlos. Die Luft wird so oder so beschmutzt. Egal ob mit 100 km/h oder 130.»

Die kleine Fahrt durch Tirol erweckte meinen Impuls, mein Zuhause anzusehen, noch viel mehr. Beim Rückweg würde ich Adrian fragen, ob er einen kleinen Umweg machen könnte.

Wir kamen schneller an der Grenze zwischen Tirol und Italien an und nachdem wir den Reisepass zeigen mussten, überschritten wir die Grenze.

Adrian erhöhte seine Geschwindigkeit, grinste mich an und war froh, dass er wieder mehr als diese 100 fahren konnte. Ich schmunzelte und in diesem Moment bekam ich eine Nachricht.

 

Bist du schon in Meran? Wien ist so komisch ohne dich!

Linda

 

Natürlich hatte ich ihr von unserer kleinen Reise erzählt und ich musste ihr versprechen, sie sofort anzurufen, wenn wir ankamen. Da wir schon zur Mittagszeit ankommen hätten müssen, hatte sie sich sicher ein wenig Sorgen gemacht.

 

Nein, aber gleich. Ich bin ja am Sonntag am Abend wieder da und dann können wir uns einen gemütlichen Mädchenabend machen.

Kim

 

Ja, ein Mädchenabend, freue mich schon darauf. Bis morgen, muss jetzt weiterarbeiten. Also nicht anrufen, ja? Schreib eine Nachricht, wann du da bist!

Linda

 

Ich schrieb nicht mehr zurück. Lieber wollte ich die restliche Zeit mit schlafen verbringen. Diese Schwangerschaft machte mich eben immer wieder müde.

«Weck mich auf, wenn wir kurz davor sind anzukommen», sagte ich zu Adrian und schloss meine Augen. Adrian weckte mich keine halbe Stunde später auf. Das hatte ich gesehen, nachdem ich auf die Uhr gestarrt hatte.

«In fünf Minuten sind wir da!»

Ich schielte aus dem Fenster und konnte nun Meran sehen. Es war ein Traum von Stadt, mir gefiel sie auf Anhieb. «Deine Haare sehen etwas … aufgestellt aus.»

Ich richtete meine Haare und als ich fertig war, parkten wir vor einer großen Einfahrt. Emilys und Christophers Limousine war noch nicht da, als wir ausstiegen und ich mich umsah. Es war ein älteres Haus, aber es war so groß, dass Adrians Villa dreimal Platz hatte.

Und ich dachte, die Villa wäre schon riesig. Ich freute mich schon richtig, Adrians Familie kennenzulernen. Ich freute mich auf das Erkundigen des Hauses.

Und ich freute mich, das Zimmer zu sehen und das Bett, dass ich sofort benutzen wollte. Zum Schlafen natürlich. Aber von all den Dingen würde ich nichts bekommen, denn wer hätte gedacht, dass unser Auftauchen nicht nur Freude bereiten würde?

 

 

****

Langsam schritten wir die Treppe zur Haustür hoch und klingelten einmal. Unsere Koffer blieben noch im Auto. Liebend gern hätte ich Emily und Christopher neben mir. Ihre Nähe würde mir ein wenig von der Angst nehmen.

Adrian selbst war nervös, er wollte auf keinen Fall seinen Onkel Patrizio und Tante Florentina begegnen, was mich nicht wunderte. Eine ältere Dame öffnete uns die Tür und strahlte Adrian an. «Mein Enkelsohn, komm her!», begrüßte sie ihn und drückte ihn überschwänglich an sich. «Großmutter, du erdrückst mich», sagte Adrian und sie ließ ihn los.

«Ich sehe dich auch viel zu selten.»

Sie sah ihren Enkelsohn an, dann streifte ihr Blick mich. «Wem hast du da mitgebracht?» «Großmutter, das ist meine Freundin Kim. Kimmie, das ist meine Großmutter Emma.» Ich reichte ihr höflich die Hand, doch auch ich bekam eine Umarmung.

«Wie schön, dass Adrian endlich eine richtige Beziehung hat. Es freut mich, dich kennenzulernen, Kim.»

«Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Mrs. DiMonti.»

«Nein, nein, kein Mrs. DiMonti, meine Liebe. Nenn mich einfach Emma. Kommt doch rein!», bat sie uns und wir folgten ihr. «Wo ist deine Mutter?»

«Sie wird ein wenig verspätet ankommen. Es gab einen Unfall und da wir früher losgefahren sind, sind wir früher hier.»

Staunend sah ich mich um. Es war recht altmodisch eingerichtet, mit Holz und vielen alten Bildern. Es zeigte verschiedene Menschen und auf einem Bild konnte ich sogar Adrian entdecken. Ein recht junger Adrian von vielleicht dreizehn Jahren. Ich blieb vor dem Bild stehen und bestaunte es mit einem Lächeln im Gesicht. «In live sehe ich doch besser aus, findest du nicht?»

Adrian stand neben mir und hielt mir die Hand hin. «Komm.»

Ich nahm seine Hand und ging weiter. Wir erreichten Großmutter Emma, die eine Tür öffnete, die wir betraten. «Ich werde etwas Essen und ein wenig zum Trinken mitbringen. Giulia kommt erst ein wenig später.»

«Wer ist Giulia?»

«Die Haushälterin», antwortete mir Adrian. Ich konnte mir nicht einmal richtig den Raum ansehen, denn schon wurde unsere Aufmerksamkeit auf etwas anderes gelenkt. Emma war gegangen und fünf Personen standen noch mit uns im Raum.

Ich hatte sie erst gemerkt, als die Frau sich räusperte. «Welche kleine Prostituierte hast du dieses Mal mitgenommen?»

«Im Gegensatz zu dir ist Kim keine!», antwortete Adrian und ballte die Hand zu Fäusten. «Woher hast du sie denn? Unter der Brücke gefunden?»

Mir blieb die Spucke weg und mit einem Mal dämmerte mir, wer das war. Florentina, Adrians Tante. Aber ein ‚Hallo‘ wäre doch als erstes angebracht?

«Was hast du da gerade gesagt?», fragte Adrian und funkelte sie wütend an.

«Du hast sie schon verstanden. Ist sie genauso ein Frack wie du es bist?» Die Stimme gehörte einem Mann, der Florentina einen Arm umgelegt hatte. Zwei Kinder spielten in einer Ecke und ein Junge, in demselben Alter wie Adrian und ich, stand neben den Kindern und musterte uns. Sein Blick blieb bei mir hängen und er zwinkerte mir zu, was ich gekonnt ignorierte.

«Ich bin Kim», stellte ich mich vor und lächelte die beiden an. Ich wollte ein wenig die Stimmung lockern, aber genau das Gegenteil schlug ein.

«Du hast hier nichts zu melden, kleines Flittchen!», fuhr mich die Frau an und wandte sich wieder Adrian zu: «Hast du wieder einmal Crack genommen? Kokain? Heroin?»

«Halt deinen Mund und sprich nie wieder so mit Kim!»

«Ich rede mit ihr wie ich will und wenn ich sie eine billige Hure nenne, kannst du auch nichts dagegen tun. Du bist der Schandfleck in unserer Familie und ich verstehe Julienna nicht, wie sie dich nur immer wieder in Schutz nehmen kann?»

Das war der Moment wo Adrian die Kontrolle verlor. Das Fass war übergelaufen und wenn ich Adrians Hand nicht festgehalten hätte, wäre sie auf das Gesicht seiner Tante gelandet. Adrian sah mich erstaunt an, da ich seine Hand festhielt, aber ich ließ nicht locker. «Sie sind es nicht wert, Adrian», flüsterte ich, aber er schüttelte nur den Kopf.

«Lass los, Kimmie. Niemand nennt dich so, auch nicht sie!»

«Du nichts, dass du später bereuen wirst», gab ich leise zurück und sein Onkel lachte auf.

«Du Arschgesicht wolltest meine Frau schlagen?» Sein Onkel kam einen Schritt auf uns zu und Adrian ging einen Schritt vor mich. «Setzen wir uns doch», wollte ich sie beruhigen, doch nichts schien zu helfen. Wo waren denn die anderen?

Tante Julienna zum Beispiel oder die nette Großmutter?

«Dein kleines Flittchen kannst du gleich rausschmeißen! Wir legen wert auf eine angemessene Gesellschaft!»

Ich konnte es nicht fassen. Diese Familie war der reinste Horror. Zumindest diesen Teil, den anderen würde ich heute nicht mehr kennenlernen. Ich war so fassungslos, dass ich Adrians Hand locker ließ und in dem Moment schlug die Faust auf das Gesicht seines Onkels. Sein Onkel flog zu Boden, Blut floss aus seiner Nase.

«Ich habe gesagt, dass sie niemand so nennen soll!»

Adrian wandte sich von seinem Onkel ab, nahm meine Hand und ging mit mir aus dem Raum. Ich war so geschockt, dass ich mich einfach mitziehen ließ. Wir verließen das Haus, stiegen in das Auto ein und schon waren wir weg. Schweigend fuhren wir durch Meran, seine Hand lag auf meiner und brachte mir Wärme, die meinen Körper bei dem Treffen verlassen hatte.

Es war fürchterlich gewesen.

Sie waren so gemein und das hatte Adrian nicht verdient. Vor allem nicht er. Schwierige Zeiten hatten sein Leben geprägt und er war so stark und kam von seinem schwierigen Kapitel weg. Er hatte sein Leben verändert, hatte nach vorne gesehen und hatte – nach all den schlimmen Dingen – mir geholfen, mein Leben richtig zu leben. Ich hatte mich in den Adrian verliebt.

Den Adrian, der Scheiße gebaut hatte.

Den Adrian, der mich lehrte, dass Leben zu genießen.

Den Adrian, der mir zeigte, dass das Leben, trotz dem ganzen blöden Mist, toll sein konnte. Den Adrian, der sich in mein Herz geschlichen hatte und es erobert hatte.

«Ich liebe dich, Adrian, vergiss das ja nie», sagte ich zu ihm und er sah mich kurz an.

«Warum? Ich habe Drogen genommen, ich habe tonnenweisen Alkohol getrunken. Exzessive Partys und Sex war mein Leben! Also warum liebst du mich?!»

«Weil gerade das ganze dich ausmacht! Deine schlechten Seiten, wie auch deine guten Seiten. Sie machen dich aus. Sie haben dich zu dem gemacht, was du bist! Und das was du jetzt bist ist einfach … wunderbar. Einzigartig, etwas Besonderes. Du warst so stark, bist von all dem weggekommen. Du hast mir so geholfen, obwohl du mich nicht gut kanntest. Ich liebe dich, für all deine Taten, die du getan hast. Eine davon, hat dich zu mir gebracht, die andere hat uns zusammengebracht. Ich liebe dich, weil du mich zum Lachen bringen kannst, weil ich bei dir der glücklichste Mensch bin.»

Ich sah Adrian an. Zu gerne hätte ich seine Wange gestreichelt, doch ich wollte ihn nicht vom Fahren abhalten.

«Weißt du», fing Adrian an, «dass ich so ein riesen Glück mit dir habe? Ich habe dir vielleicht geholfen, Kimmie. Aber du hast mir auch geholfen. Du machst mich zu einem besseren Menschen. Ich will dich immer an meiner Seite sehen, Kim.»

Ich drückte seine Hand. «Und du sollst für immer an meiner Seite sein.» Oh ja, das sollte er. Das musste er. «Wo fahren wir eigentlich hin?», fragte ich und Adrian zuckte mit den Schultern. «Weiß ich nicht. Ich habe keine Ahnung, aber auf keinen Fall zurück!»

Mit einem breiten Grinsen sah ich Adrian an. «Willst du mein altes Zuhause sehen? Es sieht sicher nicht besonders schön aus, da niemand es pflegt, aber das macht doch nichts aus?» «Wir fahren dorthin.» Adrian schenkte mir ein kleines Lächeln, ehe er sich wieder der Straße widmete. Wären wir jetzt nicht in einem Auto – ich hätte ihn fest an mich gedrückt.

So konnte ich Adrian nur anstrahlen und die eine Stunde Autofahrt mit einem Kribbeln im Bauch verbringen. Denn genau so lange benötigten wir um bei meinem alten Zuhause zu sein. Es war ein Dorf, das nur wenige Zeit von Innsbruck entfernt war. Ich hatte es geliebt, so wie ich jetzt Wien liebte. Adrian war mehr beschäftigt die Gegend anzuschauen, als auf die Straße zu blicken.

So war ich zuständig für den Straßenverkehr und machte Adrian immer aufmerksam wenn etwas war. Aber so viel war nicht – nicht in meinem kleinen Dorf. Irgendwann schrie ich ein ‚Stop‘ und augenblicklich war das Auto im Stillstand. Ohne auf Adrians Blicke zu achten, stieg ich aus und stand vor meinem Haus. Es war schön. Wirklich. Ich fragte mich nur, wie es so gut aussehen konnte, wenn es niemand bewohnte. Die Antwort fand ich eine Sekunde später, als ich Mrs. Winney erblickte, die die Blumen goss.

«Was machen Sie denn hier?», fragte ich überrascht.

«Ich halte Ordnung bis du wiederkommst, mein Kind.» Kristina Winney stellte die Gießkanne ab und drückte mich überschwänglich an sich. Sie war unsere Nachbarin. Eine ältere Dame, mittlerweile um die Achtzig. Meine Mutter und ich hatten uns prima mit ihr verstanden.

Oft saßen wir im Garten und hatten gequatscht. Kleine Grillpartys gefeiert und das Wetter genossen. Ich mochte unsere Nachbarin, sie war eine nette Persönlichkeit und man konnte nicht anders als sie zu mögen. «Sie … die ganze Zeit schon?» Ich hörte eine Autotür aufgehen, Adrian gesellte sich neben mich und legte beschützend seine Arme um meine Schulter. Er zog mich näher zu sich und mit einem verliebten Lächeln sah ich zu ihm hoch.

«Wie ich sehe hast du dich in deiner neuen Heimat eingelebt. Wie geht es dir so?» Das nächste Lächeln galt Mrs. Winney. «Gut. Es hat lange gebraucht, aber schlussendlich habe ich nur einige bestimmte Personen benötigt, um wieder glücklich zu werden.»

Sofort erkannte sie, dass eine dieser Personen Adrian war. «Man sieht, wie glücklich ihr seid.» Adrian sah zwischen uns hin und her, bis er schließlich das Wort ergriff.

«Ich bin Adrian. Kim hat irgendwie vergessen uns vorzustellen.» Er reichte meiner alten Nachbarin die Hand, die sie schüttelte.

«Kristina. Es freut mich, dass du Kimberly so gut geholfen hast.» Wie sehr das doch war, wusste sie gar nicht.

«Das hätten Sie nicht machen müssen», sagte ich zu meiner alten Nachbarin. «Aber ich habe es getan. Falls du dich dazu entschließen solltest, deinem alten Haus einen Besuch abzustatten, sollte es nicht aussehen, wie in einem Schweinestall. Leider bin ich nicht in das Haus gekommen, sonst hätte ich das auch noch gesäubert.» Voller Dankbarkeit sah ich Kristina an.

«Ich weiß nicht wie ich Ihnen dafür danken kann», gab ich zurück.

«Lass endlich einmal diese Höflichkeit, mein Kind. Ich kenne dich schon seit du in den Windeln bist. Ich habe Kuchen und Kaffee. Wir können uns bei dir draußen auf die Veranda setzen.» Sofort stimmte ich zu und Kristina Winney verschwand in ihrem Haus, während ich den Schlüssel meines Hauses nahm –  er war versteckt unter einen dieser zahlreichen Ziegelsteinen – und die Tür aufschloss.

Natürlich roch es ein wenig komisch, da das Haus ganze zwei Jahre leer stand, aber mit ein wenig frischer Luft konnte man das bereinigen. So öffnete ich sämtliche Fenster, während Adrian sich aufmerksam umsah. Genau dasselbe tat ich danach. Ich nahm alles in mich auf. Jeder Zentimeter hatte eine Erinnerung, aber mit einem Lächeln sah ich zu Adrian.

Meine Mutter hatte mich zu ihm geführt. Und seine Eltern hatten ihn gewissermaßen zu mir gebracht. So etwas konnte ich nur Schicksal nennen. Auch wenn dabei jemand sehr wichtiges nicht mehr bei mir war. Aber das Schicksal spielte nicht fair und dennoch war das Ergebnis manchmal schön. Wenn man nicht an die tragische Verluste dachte… doch ich hatte Adrian … und mit ihm bei meiner Seite war mein Leben perfekt. Adrian kam auf mich zu, legte seine Hand auf mein Gesicht und beugte sich hinunter, um mich zu küssen. Ich musste Lächeln, einfach so, weil ich überglücklich war. Vor einiger Zeit war mein Leben noch eine Katastrophe und ich hatte mich von allem abgewendet.

Aber jetzt? Ich war mittendrin im Leben, genoss die Augenblicke, die die Welt mir schenkte. Als Adrians Lippen die meinen streiften, schaltete mein Gehirn aus und ich konnte nur mehr denken, wie toll dieser Junge vor mir doch war. Wie sehr ich ihn liebte.

Mrs. Winney kam für ihr Alter recht schnell wieder bei uns an und mit einem Seufzen löste ich mich von ihm. Wir gingen hinaus in den Garten, bestaunten Kristinas Werk. Sie hatte einen grünen Daumen. Das wurde mir wieder bewusst, als ich die Blumenpracht vor mir sah. «Das ist unglaublich, Kristina. Es ist … wundervoll!»

«Ich hatte Hilfe. Scarlett hat mir geholfen. Das Mädchen, dass immer bei dir war.»

Ich wusste wer Scarlett war. Es war meine Scar. Sie war es…

«Sie hat geholfen?», fragte ich, denn ich konnte es nicht glauben.

«Ja. Sie hat oft geweint, aber mit der Zeit hat auch sie kapiert, dass man nach vorne sehen muss und das Leben zu genießen. Aber jede Woche kommt sie einmal her und hilft mir, alles zu verschönern. Wie ich sehe hat es sich gelohnt.»

«Auf jeden Fall. Vielen Dank dafür. Und richte Scar ein Dankeschön aus.»

«Warum sagst du es mir nicht einfach selbst?»

Erschrocken drehte ich mich um und sah eine zwei Jahre ältere Scar vor mir. Sie sah erwachsener aus. Ihre blauen Strähnen waren weg und stattdessen hatte sie haselnussbraune kurze Haare. Auch ihre Schminke war einfarbig geworden und nicht mehr so knallig und bunt.

«Du sollst mich hassen. Ich habe mich total zurückgezogen und den Kontakt zu euch allen abgebrochen», sagte ich.

«Du hast deine Mutter verloren. Und nur so konntest du es verarbeiten, Kim. Ich bin dir nicht böse und hassen tu ich dich auch nicht.»

Scar kam einen Schritt auf mich zu, blieb dann stehen und musterte Adrian. «Dich kenne ich doch», murmelte sie und sah stirnrunzelnd Adrian an.

«Du kennst Adrian?» Meine Stimme klang mehr wie erstaunt. Und da kam mir der Gedanke, dass sie einer seiner Betthäschen sein konnte. Sie war oft in Italien, es könnte möglich sein.

«Ich kenne dich aber nicht», gab Adrian zurück und nahm meine Hand, als würde er spüren, welche Gedanken mich gerade plagten.

«Oh Gott, du bist es tatsächlich. Adrian DiMonti, du hast dich wirklich verändert.»

Ja, jetzt war es wohl klar, dass sie sich kannten. «Kannst du mir Mal auf die Sprünge helfen?», fragte er und Scar lächelte leicht. «Du hast diesem Mistkerl Luke geschlagen, als er versucht hat mir an die Wäsche zu gehen. Es war auf einer Party und obwohl du sicher nicht mehr zurechnungsfähig warst, hast du mir geholfen.»

Ich blickte zwischen Adrian hin und her, wartete auf eine Reaktion von Adrian. Dass sie nicht miteinander geschlafen hatten, fand ich erleichternd. Obwohl Scar und ich nicht mehr befreundet waren, hätte ich diesen Gedanken nicht ertragen.

«Tja, ich war wohl echt nicht mehr hier. Ich kann mich nicht erinnern, aber gut, dass ich etwas Nettes getan habe.» Ich sah zu Adrian hoch, sein Blick lag auf mir und ich strahlte ihn an.

«Du bist gerne der Retter in der Not?»

Für einige Sekunden ließ ich mich von seinen Augen gefangen genommen. «Habt ihr Lust auf einen Kuchen?», meldete sich Kristina zu Wort und wir alle setzten uns und stürzten auf den Kuchen. Dazu leckeren Kaffee und uns hielt nichts mehr auf, wie wild darauf los zu plappern. Es wurde immer später und irgendwann schlief ich – den Kopf auf Adrians Brust – ein. 

Kapitel 26 - Montag, 03 Juni 2013

 

«Du hast dich keinen Tag gemeldet! Weißt du, wie große Sorgen ich mir gemacht habe?!»

Linda lief neben mir her zu meinem Gate. Ja, ich war im Flughafen und suchte seit geschlagene fünf Minuten das Richtige Gate, wo das Flugzeug wartete, das nach England flog. Adrian war schon da. Wir hatten gestern Abend reichlich Ärger bekommen, da wir einfach abgehauen waren und weil wir uns die ganzen zwei Tage nicht gemeldet hatten. Wir hatten alles über uns ergehen lassen und obwohl ich strikt dagegen war, hatte mich meine Tante nachhause befördert.

«Weißt du, dass kannst du gleich lassen, Kim. Ich habe keine Nerven dafür, dass du auf einmal machst was du willst», hatte meine Tante zu mir gesagt.

«Du tust gerade so, als wäre ich ein unerzogener Bengel!»

«Ich hatte Angst, Kim. Ich will nicht, dass dir etwas passiert. Adrian passt auf dich auf, das weiß ich. Aber trotzdem will ich nicht spät in der Nacht von Emily angerufen werden, weil ihr nicht mehr auftaucht!»

Ich hatte sie zerknirscht angesehen und mich bei ihr entschuldigt, ehe ich mich in meinem Bett verkrochen hatte und das ganze Wochenende Review passieren ließ.

Scar und ich hatten unsere Freundschaft wiedergefunden, aber wir wussten beide, dass sie die alte nicht übertrumpfen konnte und ich wusste, dass dieser Platz jetzt Linda gehörte. Scarlett würde eine Freundin sein, mit der ich hin und wieder schreiben würde, aber mehr war einfach nicht. Wir würden uns hier und dort mal besuchen kommen und das war es schon.

Ich würde ihr nicht alles von mir preisgeben, das konnte ich nicht mehr. Das hatten wir beide gemerkt und es herrschte für kurze Zeit eine komische Stimmung, ehe wir es darauf beließen, dass unsere Freundschaft nun auf so etwas passierte. Adrian und ich hatten zwei wundervolle Tage in meinem alten Zuhause verbracht, doch irgendwann mussten wir wieder nachhause fahren. Es war spät am Abend gewesen und wir hatten gehofft, dass niemand mehr wach war, weil wir sie alle ignoriert hatten.

Es war Wunschdenken, sie alle waren wach.

«Eine Nachricht. Eine einzige Nachricht hättest du mir schicken können!», beschwerte sich Linda weiter.

«Es tut mir leid, Linda. Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Adrians Familie war der Horror. Zumindest den Teil, den ich kennengelernt hatte. Die einzig nette war die Oma, der Rest war der reinste Horror. Wir wollten diese zwei Tage nicht mehr daran denken und haben unsere Handys im Auto liegen gelassen. Uns war nicht bewusst, dass ihr euch alle Sorgen macht.»

«Mach das ja nie wieder, Kim. Es ist nicht gerade fein, wenn man erfährt, dass ihr durchgebrannt seid!» «Wir waren bei mir zuhause, Linda. Ich habe mich mit Scar ausgesprochen.»

Sofort wurde Linda hellhörig.

«Deine alte Freundin?», fragte sie nach.

«Ja, aber es wird nie wieder so wie es einmal war. Wenn ich Neuigkeiten habe, die ich sofort weitererzählen will, dann kommt nur eine Freundin für mich in Frage. Und das bist du.» Linda grinste mich an. «Schreibst du mir, wenn du angekommen bist?»

«Du wirst die erste sein. Ich werde dich vermissen.» Ich blieb stehen und hielt ihre Hand fest. «Genieße die freien Kim-Tage nicht zu sehr.»

Sie lachte kurz.

«Werde ich nicht.» Sie wischte sich eine Träne weg, die ihre Wange hinunterlief. «Aber ich hätte jetzt gerne eine Freundin zum Reden und du bist in England.»

Sofort wurde ich hellhörig. «Linda, was ist los?»

«Richard und ich haben Schluss gemacht. Ich war so aufgewühlt, weil ich nicht wusste wo du warst und Richard war wütend, weil ich die ganze Zeit am Handy hing.» Erschrocken starrte ich sie an. «Linda, es tut mir so leid.» Ich nahm sie in den Arm, streichelte sanft ihren Rücken. «Es tut mir so leid.»

«Du trägst keine Schuld. Ich habe ihn wahrscheinlich vergrault, weil ich gerne so eine Beziehung möchte wie du sie hast.» Ich sah sie traurig an. «Wenn er dich liebt, dann kommt er zurück. Wenn nicht, dann wird er mich besser kennenlernen», sagte ich.

«KIM!» Diese Stimme erwärmte wie immer mein Herz. Ich drehte mich um, sah Adrian keine hundert Meter von mir entfernt stehen. Ich winkte ihm kurz zu. «Der Flug geht bald. Möchtest du nicht kommen?» Ich wechselte einen Blick mit Linda. Alles in mir schrie danach meiner Freundin zu helfen und ein Teil wollte England mit Adrian unsicher machen. «Geh Kim. Wir können auch telefonieren.»

«Aber das ist nicht dasselbe wie neben dir zu stehen und dir zuzuhören», gab ich zurück. «Du musst mir nur versprechen, dass du mich anrufen wirst, Kim.» Wieder fing sie an zu weinen und ich nahm sie in den Arm. «Wie sollte ich so ohne schlechtes Gewissen gehen?», fragte ich sie und Linda wischte ihre Tränen weg. «Geh. Ich muss sowieso arbeiten. Habe schöne zwei Wochen und rufe mich jeden Abend an!»

Ich nickte.

«Ich hab dich lieb, Linda.»

«Ich dich auch.»

Sie wandte sich von mir ab und ging weg. Ich blieb wie angewurzelt stehen. Neben mir die große Tasche, die ich bis hierhin geschleppt hatte. «Komm jetzt, Kim. Das Flugzeug wartet nicht auf dich.»

«Richard hat mit Linda Schluss gemacht», verkündete ich ihm traurig, «Ich sollte hier bleiben und nicht wegfahren.»

«Du willst hier bleiben?» Seine Stimme klang mehr wie empört. Er nahm meine Hand, küsste meine Innenflächen. «Wir haben so hart gearbeitet, Kim, damit wir hierhin kommen. Ich habe noch jede einzelne Lernstunde im Kopf. Bitte, lasse mich jetzt nicht alleine.»

«Wolltest du mich küssen, Adrian?», fragte ich plötzlich, als mir eine der Lernstunde im Kopf umhergeisterte. Wir waren bei ihm gerade angekommen und wir waren uns so unendlich nahe. Nur Mr. Kuwak hatte ich es zu verdanken, dass ich nicht wusste, was geschehen wäre. «Du willst einen Kuss?»

«Nicht jetzt. Erinnerst du dich noch, wie wir uns so nahe waren und Mr. Kuwak uns unterbrochen hat. Ich habe mich an diesem Tag die ganze Zeit gefragt, ob du mich geküsst hättest.»

«Oh dieser Tag», murmelte Adrian und nahm mein Gesicht in seine Hände. «Ich wollte dich küssen. Ich wollte dich so gerne küssen, weil ich schon so in dich verschossen war. Ich habe es nur nicht selbst bemerkt. Ich habe mir nur immer gedacht, dass ich was Sexuelles von dir will, aber das war falsch.»

Er berührte meine Lippen mit den seinen und ich gab mich dem Kuss völlig hin. «Adrian, Kim! Wenn ihr nicht in zehn Sekunden bei mir seid, dann könnt ihr mit mir gleich in die Schule kommen!», unterbrach uns unsere Professorin. Widerwillig lösten wir uns. «Du hast sie gehört, Kim.»

Er nahm meine Tasche, meine Hand und zog mich hinterher. Es war mir im Moment egal, denn in einigen Stunden waren wir hier worauf wir uns lange vorbereitet hatten. In England und ich wollte jeden Moment dort genießen…

 

 

Es hatte ewig lange gebraucht bis wir schließlich landeten. Danach mussten wir noch eine Busfahrt überleben und schließlich kamen wir in Aylesburys Stadtplatz an, wo uns unsere Gasteltern begrüßten. Ihre Kinder waren jetzt bei uns, mussten genau wie wir gerade angekommen sein. «Ich hoffe ich bekomme nicht diese alte Schachtel», murmelte Adrian neben mir, «und ich hoffe, dass du nicht diesen Mann bekommst.» Er deutete auf einen größeren Mann im Mittleren Alter. Seine blonden Haare stachen einem in die Augen, seine grauen Augen musterten alles. Er sah gut aus, sehr gut, wie ich gestehen musste, aber wenn ich ihn mit meinem tollen Freund verglich, erblasste er. «Hm nichts großartiges», gab ich zurück und nahm seine Hand in die meine, «Ich habe das Beste.» Er küsste meinen Handrücken und sah sich weiter um. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht, beobachtete er alle Leute. «Wir sind echt in England, Kimmie. Du und ich.» «Und dreißig andere Schüler», lachte ich und Adrian verzog das Gesicht. «Das ‚du und ich‘ gefällt mir besser.» Ich strahlte Adrian an und in dem Moment rief eine der drei Professoren, die mitkamen meinen Namen. Es war meine reizende Sprachprofessorin, die ich gerne mochte. «Mr. und Mrs. Clarks sind deine Gasteltern.» Neben ihr standen zwei Menschen. Sie waren schon um die vierzig, aber sie sahen ganz nett aus. Daneben standen zwei Kinder, ein kleines Mädchen, dass gerade einmal die Volksschule besuchen konnte und ein Mädchen, die gleich alt zu sein schien wie ich. Ihre dunkelvioletten Haare hatte sie offen, reichten ihr bis zum Kinn. ««Ich muss gehen, Adrian.» «Ich bin froh, dass der Typ nicht dein…» «-keine Eifersucht gegenüber Männer, die dir nicht das Wasser reichen können. Ich liebe dich.» Mit einem Lächeln marschierte ich zu meinen Gasteltern und begrüßte sie mit einem kleinen ‚Hello‘. «Ist das Kim?», fragte die Kleine aufgeregt ihre Eltern und zupfte an ihren Shirts. «Frag sie doch», gab ihr Daddy lachend zurück und das kleine Mädchen sah mich riesigen Augen an. Sie sagte kein Wort und schließlich ergriff ich das Wort. «Ich bin Kim. Wie heißt denn du?», fragte ich und machte mich kleiner, damit ich ihr in die kleinen Glubschaugen sehen konnte. «Ich bin Hannah.» Sie reichte mir ihre Hand und ich schüttelte sie leicht. «Ich bin Diana und das ist mein Mann Lucas. Willkommen in Aylesbury.» Die Mutter von Hannah reichte mir ihre Hand und ich konnte nur erahnen, wie sehr sie ihren Mann liebte. sie sprach ‚husband‘ so liebevoll aus und dieser kurze, verliebte Blick zu ihm reichte, damit ich wusste, wie sehr sie ihn liebte. «Ich bin Sophia», stellte sich dann die letzte der Familie vor und reichte mir ihre Hand. «Warum bist du nicht in Wien?», fragte ich sie. «Meine Zwillingsschwester Courtney hat teilgenommen. Sie ist in Wien.» Sie lächelte mich an und ich erwiderte es. «Hast du Hunger? Die Fahrt muss gewiss anstrengend sein. Gib mir deine Koffer, wir fahren nachhause.» Lucas nahm meine Koffer und nach einem kurzen Blick zu Adrian, der neben dem Typen mit den grauen Augen und den blonden Haaren stand. Ich musste Adrian angrinsen, er hatte ihn bekommen. Er schmunzelte nur kurz und ich stieg in den Jeep von Familie Clarks. Tatsächlich hatte ich Hunger bekommen, ich war müde, ein wenig durstig, aber vor allem war ich glücklich. Ohne Probleme konnte ich die Engländer verstehen, ich konnte mit ihnen reden und das freute mich am Meisten. Lucas fuhr uns in ein hübsches Einfamilienhaus in einem leichten, gelben Ton. Es war einfach, aber das war das, was ich wollte. Ein wenig Normalität, ein wenig Normalität einfach. «Aussteigen, bitte. Willkommen bei uns zuhause, Kimberly», sagte Diana. Ich konnte gerade einmal aussteigen, als Hannah schon meine Hand nahm und mich herumführte. Sie zeigte mir alles, was es zu sehen gab und schließlich landete ich in dem Zimmer, das für zwei Wochen meines sein sollte. Schlicht und einfach. Ich liebte es sofort. Hannah ließ mich alleine, aber gleich darauf riefen sie mich zum Essen. Es war schon komisch, ich hatte zwei Jahre mit niemanden außer den Lehrern, meiner Tante und einigen Mitschülern geredet und jetzt? Jetzt quasselte ich und lachte. All das verdankte ich Adrian, denn ohne ihn wäre ich immer noch so verschlossen wie nach dem Unfall. Immer noch dieses Mädchen, dass sich keinem anvertraute, dass alleine durch die Welt ging. Sophia wurde mir beim Essen immer sympathischer, sie war wie – ich konnte sie nur mit dieser Person vergleichen – Adrian. Sie war faul zum Lernen und durch ihren besten Freund lernte sie mehr. Sie glich ihm immer mehr. Ihr Verhalten kam das von ihm sehr nahe, sie hatten alle beide eine Vergangenheit, obwohl Sophias kaum so schlimm war wie die meines Freundes. «Ich will auch mal reden», nörgelte schließlich einmal die Kleine, da Sophia und ich die ganze Zeit plauderten. «Natürlich», sagte ich und hielt meinen Mund, während sie anfing zu erzählen, was sie so alles tat, wenn ihr langweilig war. Hauptsächlich ging es da um Puppen, die sie schminkte oder mit denen sie und ihre Freundinnen spielten. «Hannah-Maus rede doch nicht so viel», ermahnte sie Diana, die das ganze belustigt ansah. «Mir macht das nichts aus, ich höre ihr gerne zu», war meine Antwort. Irgendwann aber musste Hannah ins Bett. Sie wollte auf keinen Fall, aber schlussendlich landete sie im Bett. Diana und Lucas erzählten ihr eine Gute-Nacht-Geschichte während Sophia und ich unten blieben und uns im Wohnzimmer gemütlich machten. «Ich könnte dir heute einige nette Clubs zeigen. Dort feiern wir immer und es ist echt cool dort.» Meine Antwort kam nicht sofort, ich wusste nicht, ob ich in irgendwelchen Clubs gehen wollte. Ich hatte die Körnchen und wenn ich keinen Alkohol trinken würde – und das würde ich auf keinen Fall tun – dann mussten sie doch irgendetwas ahnen. Das erste das man dachte war nun mal das man schwanger war. Ich hatte das oft genug miterlebt, als ich alleine irgendwo saß und zwei junge Frauen sich unterhielten, da die andere keinen Alkohol wollte. «Ich weiß nicht, ich bin nicht so der Ausgeh-Typ.» «Ach komm, bitte, bitte. Das wird so lustig.» «Was wird so lustig?» Erschrocken drehte sich Sophia zu ihrem Vater um. «Ice-Age. Ich wollte mit Kim Ice-Age schauen.» Ich hielt meinen Mund. Sie wollte anscheinend nicht einmal fragen, ob sie ausgehen durfte. Dieses Mädchen war echt fast wie Adrian. Sie schlich sich gerne davon. Etwas das auch Adrian gerne getan hatte. «Oh ja, der ist witzig.» Ein Lächeln lag auf seinen Lippen und ich verhob mir ein Lachen, da sein ‚funny‘ echt lustig geklungen hatte. «Siehst du. Also bist du übertrumpft.» Sie lächelte mich spitzbübisch an und zwinkerte mir zu, als sie aufstand. «Soll das jetzt heißen, dass ich keine andere Wahl habe?», schrie ich ihr nach und bekam ein lautes ‚Ja‘ zurück. Widerwillig stand ich auf und entschuldigte mich bei Lucas, dass ich jetzt gehen musste. Er winkte nur ab und wünschte uns viel Spaß. Ob das jedoch so ein riesen Spaß werden würde, konnte ich jetzt noch nicht feststellen.

 

 

****

«Du siehst toll aus.»

Ich betrachtete mich im Spiegel. Ein Mädchen mit wenig Lust sprang mir entgegen. Ein Mädchen, dessen Kleid bis zu den Knien reichte und ihre Augen betonte. Ein Mädchen, das wusste, dass es heute wenig Spaß haben würde. Hinter mir stand Sophia und mir blieb ehrlich gesagt die Spucke weg, als ich sie sah. Ihr Top reichte gerade einmal bis zur Mitte ihres Bauches, ihr Rock bedeckte nur leicht ihren Po und ihre Pumps waren vier Mal höher als meine. Sie sah nuttig aus und ich wusste, dass sie so etwa überhaupt nicht nötig hatte. Ich blieb still und wandte mich vom Spiegel ab.

«Na, dann», murmelte ich, «Gehen wir mal.»

Ich nahm eine leichte Jacke und meine Tasche und blieb vor dem Fenster stehen, wo auch Sophia jetzt stand. «Lassen wir es krachen.» Sie stieg aus dem Fenster und wartete darauf bis ich es ihr nach tat. Das Gute daran war, dass ich nicht fallen konnte. Der Boden war keinen halben Meter unter dem Fenster. «Wir könnten auch eine DVD schauen?», schlug ich ihr vor. Sofort schüttelte sie den Kopf und geschlagen stieg ich aus dem Fenster. Dann eben nicht.

«Komm, der Club ist keine halbe Stunde von uns entfernt.»

Sie hakte sich bei mir ein und gemeinsam gingen wir los. Es dauerte mehr als eine halbe Stunde, das wusste ich, weil ich jede Sekunde auf die Uhr schaute und hoffte dass die Zeit verging. Tat sie nicht. Es schien als wäre sie stehen geblieben, aber das konnte ja kaum passiert sein. Nach vierzig Minuten kamen wir schließlich an und meine Gedanken verschwanden sofort als ich von Sophia in den Club geführt wurde. Alles war voller Rauch und nur mit Mühe konnte ich atmen. Zumindest schien es mir so. Sophia hingegen kreischte und schmiss ihre Hände in die Luft. «Ich hole uns was zum Trinken», flötete sie und verschwand ehe ich etwas erwidern konnte. Während Sophia die Getränke besorgte, sah ich mich in dem Club um.

Es waren viele Leute hier und zu meinem Erstaunen keine die unter sechszehn Jahren waren. Solche Clubs gefielen mir am besten. Der Club war schön eingerichtet, die Farbe dunkelrot dominierte stark, was allerdings sehr gut aussah. Blumen in rot und weiß standen in jeder Ecke und boten einen schönen Blick. Sofas mit roten Plüschkissen und einem dunklen Tisch aus Holz standen parallel zueinander da und luden förmlich dazu ein, sich dahin zu setzen. Was ich auch wollte, nachdem Sophia wieder kam. Und in genau diesem Moment stand sie vor mir und hielt mir ein Getränk – zu hundert Prozent war es etwas Alkoholisches – vor die Nase. Als ich daran schnupperte hatte ich auch den Beweis.

«Ich trinke keinen Alkohol», sagte ich.

«Bist du schwanger?»

Das war doch die typische Frage auf meinen Satz. «Ich trinke nur keinen Alkohol.» Stur hielt sie mir trotzdem das Getränk vor die Nase.

«Jetzt komm schon. Wir wollen Spaß haben und Alkohol gehört nun mal dazu.»

«Nein, ich kann auch ohne Alkohol  Spaß haben. Bitte respektiere das.» Trotzig sah mich Sophia an. «Wer trinkt heutzutage keinen Alkohol wenn er ausgeht?», fragte sie mich. «Menschen, die noch Auto fahren müssen», fing ich an, aber sie unterbrach mich sofort: «Die trinken trotzdem.»

«Menschen, die auf Alkohol verzichten wollen», fuhr ich fort und endlich gab sie sich geschlagen. «Okay, dann eben nicht. Bleibt mehr für mich.»

Und keine zwei Sekunden später waren beide Gläser leer. Mit offenem Mund sah ich sie an, ungläubig wie sie so unbeirrt saufen konnte.

«Ich hole uns noch etwas. Eine Cola für dich?» Ich nickte und erneut war sie verschwunden und ließ mich alleine. Ich hasste das. Ich wollte nicht alleine in einem Club sein, wo ich mich nicht auskannte und von niemanden einen Namen wusste. Alleine. Ich war echt alleine. Sophia ließ sich ewig Zeit, fünf Minuten, zehn Minuten. Die Zeit verging und irgendwann kam sie und ich hatte mich keinen Zentimeter bewegt. «Da vorne ist so viel los, sorry», war ihre Entschuldigung, «hier deine Cola.»

Ich nahm die Cola – es war tatsächlich eine – und trank einen großzügigen Schluck. Sophia tat es mir nach und trank ihren kleinen Shot auf ex. Okay, sie war definitiv dem Alkohol zugeneigt. «Komm gehen wir tanzen.» Sie nahm meine Hand und führte mich auf die überfüllte Tanzfläche. Ich hatte keine Lust zu tanzen. Ich hatte überhaupt keine Lust hier zu sein. Aber das war ich und ich musste das Beste daraus machen. Sophia tanzte wie eine Wilde, viele Blicke waren auf sie gerichtet. Ich hielt mich ein wenig abseits, tanzte, aber nur wie jede andere auch.

Ohne sexy Posen oder sonstiges.

Warum auch?

Ich hatte Adrian und wollte nicht von einem Typen angetanzt werden, was Sophia immer wieder passierte. Ihr gefiel es, tanzte mit ihnen und genoss die Aufmerksamkeit.

 «Du hast auch schon mal besser getanzt.»

Erschrocken drehte ich mich um und fiel Adrian um den Hals. «Was machst du hier?», hakte ich lächelnd nach. «Dieser Club scheint ziemlich beliebt zu sein. Ich wurde von dem Sohn meines Gastvaters mitgenommen.» Er deutete auf einen Mann. Ein paar Jahre älter als wir selbst. «Es freut mich auf jeden Fall das du hier bist.» Ich schmiegte mich an meinen Freund und genoss seine Zärtlichkeit. Er strich sanft über meinen Rücken, bescherte mir immer noch ein Kribbeln, wenn er dies tat.

Wie konnte man sich nur bei einem Menschen so wohl fühlen?

Wie konnte man einen Jungen so lieben, dass es schon weh tat?

Ich wusste, dass Adrian der eine war. Der, der immer bei mir blieb. Für immer. Das würde er. Daran gab es keinen Zweifel.  «Komm, lass und tanzen!» Adrian zog mich in die tanzende Menge und fing an mich zu drehen. Ich lachte herzhaft. Dieser Junge machte mich einfach nur glücklich.

 

 

****

«Ich mag ins Bett.»

Stunden später lagen Adrian und ich auf einer Couch. Von Sophia war keine Spur mehr. Ich hatte sie irgendwann aus den Augen verlassen, als sie mit einem Jungen in einer Ecke knutschte. Die Ecke war jetzt leer und Sophia weg. Toll, das fand ich wirklich toll von ihr. Mich einfach alleine zu lassen, obwohl ich mich hier überhaupt nicht auskannte. «Hey Adrian, willst du nachhause?»

Der Sohn von Adrians Gastvater setzte sich zu uns. Seine Stimme klang voll, der englische Akzent war niedlich. «Ja weißt du zufällig wo … wie heißt deine Gastfamilie, Kimmie?»

«Clarks», antwortete ich müde.

Es war auch schon fast vier Uhr. Ich war müde, wollte ein Bett und maximal einen Tag durchschlafen. Aber das konnte ich vergessen. «Hat dich Sophia stehen gelassen? Die liegt gerade mit dem nächsten im Bett. Ich bringe dich nachhause.»

«Danke Richard. Komm Kimmie, wir bringen dich ins Bett.»

Ich ließ mich von Adrian hochziehen, ließ es liebend gern zu, wie er einen Arm um mich legte und wir drei den Club verließen. Den Heimweg bekam ich kaum mit.

Ich wusste, dass Adrian und Richard miteinander redeten, dass Adrian immer zu meinen Arm streichelte und irgendwann standen wir vor dem Haus. Diana öffnete mir die Tür, ließ mich rein und schon lag ich im Bett. Und keine Sekunde später war ich vollkommen weg.

 

Imprint

Text: Dieses Buch wurde von mir selbst verfasst. Jede weitere Nutzung bedarf der vorherigen schriftlichen Genehmigung durch die Autorin.
Images: Das Bild vom Cover gehört weheartit.at. Designt von Ann-Katrin.
Publication Date: 10-16-2013

All Rights Reserved

Dedication:
Wer Liebe sucht, findet sie nicht. Sie überfällt uns, wenn wir sie am wenigsten erwarten. ♥ -George Sand

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