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Sangue Macchiato - Der etwas andere Kaffee

Ein unverschämter silberner Strahl des Mondes, der durch die Rolladenspalten meines Schlafzimmers blitzt, kitzelt mich so frech an der Nase, dass ich niesen muss. Verschlafen öffne ich die Augen und richte mich benebelt auf. Ich gähne herzhaft, dabei schnellen zwei lange Reißzähne aus meinem Oberkiefer, was mich erschrocken zusammenfahren lässt. Ich schüttele den Kopf. Da bin ich nun schon über hundert Jahre eine Vampirin und habe mich noch immer nicht an diese Zähne gewöhnt.

Meine Gedanken schweifen zurück in die Vergangenheit. Damals, Anfang 1900 hatte ich die dumme Idee, mich abends alleine in Männerkleidern aus meinem Elternhaus hinauszustehlen. Schon ein mein halbes Leben lang war ich ziemlich kränklich gewesen und nach einer schlimmen Lungenentzündung hatte mein Großmutter, bei der ich aufwuchs, mich kaum noch aus dem Haus gelassen. Natürlich war das ziemlich unbefriedigend für einen siebzehnjährigen Teenager. So war ich ausgebüxt und prompt James in die Arme gelaufen, einem unverschämt gut aussehenden Mann mit sattgrünen, leuchtenden Augen. Komisch, dass ich mir damals keine Gedanken gemacht hatte, warum seine Augen im Dunkeln leuchteten. Er war einfach zu faszinierend gewesen. Ich war sehr schnell in seinem Bett gelandet und war sowohl meine Jungfräulichkeit als auch mein Leben als Mensch losgeworden. Lange hatte die Verbindung mit ihm jedoch nicht gehalten. Wir waren einfach zu verschieden. Nach der Trennung war ich in der ganzen Welt herumgetingelt, hatte in Bars gesungen und hatte sämtliche Berufe durchprobiert, bis ich Stadtführerin in Hamburg wurde. Ich liebte diese Stadt, den geheimnisvollen Nebel, der aus der Alster schlich, wenn ich nachts dort unterwegs war, um nach Blutspendern zu suchen. Dort begannen auch meine nächtlichen Stadtführungen. Eigentlich musste ich heutzutage an sonnigen Tagen nicht mehr so aufpassen wie früher. Wenn ich tagsüber unterwegs war, kam Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor auf die Haut und eine Sonnenbrille wurde aufgesetzt. Dennoch versuchte ich sehr heiße und sonnige Tage zu meiden. Und tagsüber war die Konkurrenz der anderen Stadtführer zu groß. So hatte ich angefangen, nächtliche Touren anzubieten, „Hamburg durch

Imprint

Publisher: BookRix GmbH & Co. KG

Text: Karin Kaiser
Images: Can Stock Photo Inc. / Subbotina
Publication Date: 06-27-2016
ISBN: 978-3-7396-6238-1

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