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Das Missbrauchte Mädchen.


Ich sitze in meinem Wohnzimmer und gucke TV. Nichts wirklich Interessantes. Ich schalte weiter und weiter. –STOP! Was war denn das? WDR Nachrichten. Ein erneuter Missbrauchsfall in Deutschland. Ein 65 jähriger katholischer Pfarrer hat erneut ein 9 jähriges Mädchen missbraucht.
‚Muss so etwas denn wirklich sein? Muss man das Leben eines kleinen Kindes dermaßen zerstören? ‘, dachte ich mir und guckte mir den ganzen Bericht an. Plötzlich stockte mir der Atem. Ein Bild des Täters wird gezeigt. Mein Herz raste und es machte sich Verzweiflung in mir breit. Diesen Mann kenne ich. Dann ein Bild des Dorfes wo er als Pfarrer arbeitet. Ein kleines Dorf nähe Berlin. Ganz in der Nähe. Das ist gelogen. Dieser Mann, der mich getauft und kommuniert hat, hat niemals ein Kind missbraucht. NiEMALS!
Ich erinnerte mich an damals. An die alten Zeiten. Und wieder überfuhr mich ein kalter Schauer. Die Gedanken an den Missbrauch des Kindes erweckten alte Erlebnisse. Mein Cousin. Er hatte es gemacht. Über Jahre hinweg. Mindestens jede Woche 1-mal. Immer wieder das gleiche Bild vor meinen Augen. Mein geliebter Cousin und ich immer am gleichen Ort.
Woher kommen diese Bilder in meinem Kopf? War es wirklich wahr das er das selbe gemacht hat, wie der Pfarrer mit dem kleinen Mädchen? Waren wir beide nicht viel zu jung? Er genau so wie ich? Er war 8 und ich 5. Kann das wirklich sein? Und wieso hatte ich sonst nie dieses Bild vor Augen? Waren es wirklich Erinnerungen oder nur Illusionen? Wieso kommen diese Bilder jetzt? Jetzt wo ich 16 bin? Vielleicht weil ich jetzt alt genug bin um es zu verstehen was es wirklich war? Oder ist es nur eine Antwort auf die Frage: ist es ein normales Verhältnis zwischen ihm und mir?
All diese Fragen, auf die ich keine Antworten weis. Wer kann mir die Fragen beantworten? Eigentlich niemand außer ich selbst. Ich stellte mich vor meinen Spiegel und fragte mich selbst ob es wirklich so gewesen war. „Erinnere dich. Erinnere dich!“, sagte ich immer wieder zu mir selbst. Doch es kam keine Antwort. Kein Gedanke der es beantworten würde, was ich mich fragte.
War wirklich mein eigener Cousin mit 8 Jahren mich zu missbrauchen? ‚ Nein! Niemals‘ dachte ich und ging wieder auf meine Couch. Ich versuchte mich zurückzuversetzen. Zurück in die Zeit als kleine 5 jährige Stella.
‚Nein, ich hatte immer eine schöne Kindheit. Ok die Liebe zwischen meinem Cousin und mir war nicht nur normal- sie war besonders! Aber nicht so besonders, dass er so etwas machen würde. Und woher hätte er wissen sollen, wie man so etwas macht? Nein er hat das nicht gemacht. Wir haben das nicht gemacht. Niemals! ‘, dachte ich nur.


Meine ersten Lebensjahre
Der 07. Juni 1995 war der Tag meiner Geburt. Um 17.32 erblickte ich das Licht der Welt. Mein Vater hielt mich in seinen Armen und wusste sofort: ‚Mein Mädchen. Meine Stella-Angelique. Meine kleine Prinzessin.‘ Von diesem Tag an war ich das Liebling-(Enkel-)Kind der Familie. Ich bezauberte alle mit meinen dunklen Haaren und meinen großen hellblauen Augen! Ich war der ganze Stolz meiner Eltern. Ich war ein Wunschkind mit viel Glück. Es war nicht sicher, ob ich überhaupt es überlebe im Bauch meiner geliebten Mutter, doch ich hatte es geschafft!
Als ich 3 Jahre alt war, musste meine Mutter wieder ganztags arbeiten gehen, denn der Mutterschutz und die Elternzeit waren vorbei, also schlief ich nachtsüber bei meiner geliebten Oma und tagsüber war ich bei meinen Eltern. Viele denken wohl:‘ das kann nicht sein! ‘ aber es war die schönste Zeit meines Lebens. Wie kann es auch anders sein, meine Oma hat mich verwöhnt wie niemand sonst.
Mit 5 Jahren dann musste ich in den Kindergarten, zur Umstellung auf die Schule. Es war schrecklich für mich. Jeden Morgen aufstehen, und vor allem nicht mehr bei Oma schlafen. – Schrecklich!
Ich gewöhnte mich nie so richtig daran. Meine Mutter brachte mich jeden Morgen in den Kindergarten und holte mich jeden Tag um 12.30 Uhr wieder ab. Jeden Morgen dasselbe Theater: erst früh aufstehen, dann in den Kindergarten. Es fiel mir nicht leicht, und das merkte man auch! Meine Kindergärtnerinnen hatten viel mit mir zu tun. Immer habe ich geweint und wollte zu meiner Mama oder Oma, aber nie durfte ich. Immer wurde zu mir gesagt: „Noch ein paar Stunden dann kommt deine Mama!“ Die beiden Kindergärtnerinnen haben sich wirklich sehr viel Mühe mit mir gegeben. Doch irgendwann habe ich mich daran gewöhnt alleine ohne meine Mama im Kindergarten zu sein- aber morgens geweint habe ich trotzdem (meine Mutter hätte mich ja vielleicht wieder mitgenommen!- aber ich hatte Pech! Diesen Gefallen tat sie mir nicht).
Ich hatte sogar Freunde im Kindergarten. Die Jungs haben auf mich aufgepasst und meine Mädels und ich konnten immer in Ruhe spielen. Einen richtigen Freund hatte ich auch! Marc hieß er. Er war toll. Wir haben immer zusammen gespielt und viel gelacht. Ich habe ihn geliebt. Ich weiß nicht welche Art liebe es war, aber ich habe ihn geliebt.
Jeden Nachmittag war ich entweder zuhause, bei meiner Oma oder mit meinem Cousin draußen am spielen. Doch irgendwann kam er mit komischen Ideen.
„Komm, wir gehen in die Hütte da können wir auch spielen!“ hatte er öfters gesagt. Ich bin mit ihm gegangen. Meine Hütte hatte 2 Etagen. Wir gingen immer in die obere. Dann meinte er, ich sollte meine Hose runterziehen. Ich empfand dies nicht für schlimm und tat was er sagte. Er machte dasselbe. Wir lagen auf dem Boden und er setzte seine Ideen in die Tat um. Ich wusste nicht wieso er das tat aber ich ließ es zu. Ich fand es normal. Den Grund wusste ich ja nicht (-ich weiß ihn bis heute nicht).
So ging es immer und immer wieder. Bis zu dem Tag, als ich eingeschult wurde. Es hatte aufgehört. Mein Cousin und ich hatten plötzlich weniger Kontakt. Er hatte Freunde mit dem er was machte und keine Zeit mehr für mich.
Bald fand ich auch Freunde und in der Schule hatten wir viel Spaß, nur nach der Schule hatten wir nie Kontakt. Die anderen erzählten immer, das sie am Nachmittag was zusammen machen würden, aber ich saß immer zuhause oder bei meiner Oma. Ich fand es aber immer schön bei meiner Oma.
Die erste Klasse war die schönste, auch wenn ich nie in die Schule wollte, sie war trotzdem schön. Meine Lehrerin war die Beste! Sie hatte mich gefördert, so wie ich es brauchte! Doch sie durfte nur ein Jahr an meiner Schule arbeiten und musste uns dann verlassen. Die nächsten Lehrerinnen ignorierten mich immer nur und gaben mir schlechte Noten. Ich wusste nie wieso.

Der zweite Teil meines Lebens- die Pubertät
Mit 10 kam ich auf die Weiterführende Schule. Es ist bis heute noch sehr anstrengend den ganzen Lernstoff in meinen Kopf zu bekommen aber irgendwie klappt es immer.
Mit 13 begann die schlimmste Zeit meines Lebens. Es war der 11. Januar.2008. Wir waren auf einer Geburtstagsfeier einer Bekannten und fuhren erst spät nachhause. Auf dem Weg passierte etwas unglaublich schlimmes. Wir gerieten auf der glatten Fahrbahn ins schleudern und rutschten unter einen fahrenden LKW. Meine Mutter war sofort tot. Mein Vater und ich mussten schwerverletzt mit einem Helikopter ins Krankenhaus gebracht werden. Nach einer sehr langen Operation musste man Vater auf die Intensivstation und viel ins Koma. Ich hingegen hatte nur ein schädelhirn-Trauma und ein paar Knochenbrüche. Ich hatte noch gar nicht realisiert das meine Mutter nicht mehr lebt. Als meine Brüche verheilt waren, und ich endlich wieder nachhause konnte, war mein Vater immer noch nicht aus dem Koma erwacht. Ich zog in dieser Zeit zu meiner Oma und lebte da für längere Zeit. Ich realisierte erst nach und nach, dass meine Mutter nie wieder kommen würde. Aber ich gewöhnte mich an den Gedanken, dass es ihr da wo wie jetzt ist umso besser gehen würde und sie immer ein Auge auf mich haben wird.
Eines Tages kam ein Anruf vom Krankenhaus. Ich freute mich zunächst über die Stimme am Telefon, aber die Freude hielt nicht lange an… Der Arzt übermittelte meiner Oma und mir die fast schlimmste Nachricht meines Lebens: Mein Vater erlag im Koma an den schweren Verletzungen. Ein riesen Schock für alle. Wir waren so sehr davon überzeugt, dass er wieder aufwacht und jetzt? Ab diesem Zeitpunkt war ich auf mich selber gestellt… Natürlich hatte ich meine Oma und den Rest meiner Familie, aber es ist etwas anderes wenn ich meine Eltern um mich gehabt hätte. Ich fiel für mehrere Monate in ein riesiges schwarzes Loch und hätte niemals den Schritt zurück ins Leben gefunden, wenn meine Oma mir nicht dabei geholfen hätte.

Der dritte Teil meines Lebens- das erwachsen werden.
Als ich mit 16 trotz der schlimmen Erlebnisse meinen Realschulabschluss mit Qualifikation erhalten habe, ging ich auf ein berufliches Gymnasium und machte dort mein Abitur mit einer Ausbildung als Erzieherin in einem.
Als ich mit meinem Abitur fertig war, hatte ich 2 Möglichkeiten: entweder ich gehe in den Beruf als Erzieherin oder ich gehe studieren. Ich fand die zweite Variante besser. Schon alleine aus dem Grund, dass ich wusste, dass ich meine Eltern damit glücklich mache.


Ich studierte 5 Jahre Jura und bin heute eine angesehene Anwältin. Ich habe vor 2 Jahren geheiratet und einen gesunden Jungen zur Welt gebracht. Ben heißt der kleine und wir sind sehr glücklich zu 4. Denn der nächste nachwuchs ist schon unterwegs. Es wird ein Mädchen und ich weiß auch schon wie sie heißen wird: Jenna Sophie!


Nun, das war meine Lebensgeschichte und mein Leben ist noch lange nicht zuende.
Eure Stella- Angelique .

Imprint

Publication Date: 03-31-2011

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Dedication:
Dieses Buch/ diese Kurzgeschichte widme ich meinen Freunden, meiner Familie & allen Menschen denen soetwas derartig schlimmes wiedefahren ist.

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