VIER
Rose wurde geweckt durch die ersten Sonnenstrahlen, die durchs Fenster in ihr Zimmer gelangten. Es war noch sehr früh. Sie stand auf und suchte sich etwas zum Anziehen raus – eine enge, helle Jeans und ein Leopardentop, dazu weiße Schuhe. Als sie fertig war, öffnete sie ihre Zimmertür. Niemand war anscheinend da – und Rose hatte keine Lust auf Alec, vor allem nicht seit gestern. Warum belog er sie bloß? Rose seufzte, trat in den Flur und schloss ihr Zimmer ab. Anschließend lief sie nach unten in die Küche.
Sie musste jagen gehen, sie spürte ihre brennende Kehle. Sie würde möglichst bald sich aufmachen, um irgendeine arme Seele auszusaugen. Rose stand in der Küche und dachte nach, was zwischen ihr und Alec nun wirklich war. Sie konnte es nicht sagen. Auf der einen Seite war sie verliebt in ihn – ja, sie liebte ihn unsterblich, ob sie es wollte oder nicht. Doch auf der anderen Seite war sie unheimlich wütend auf ihn und der Hass brodelte in ihr. Wieso log er ihr ins Gesicht? Konnte er ihr denn nie die Wahrheit sagen? Was war sein Geheimnis? Warum wollte dieser Werwolf sie entführen? Was wollte der Rudelführer von ihr? Fragen über Fragen und keine einzige konnte Rose im Moment beantworten. Jedenfalls nicht alleine. „Du bist also schon aufgestanden.“, ertönte plötzlich Alecs Stimme hinter Rose und sie drehte sich um. Er sah klein und verletzlich aus, so schwach und müde wie noch nie. Seine Augen waren dunkel (anscheinend hatte er auch nichts getrunken), sein Gesichtsausdruck zeigte Reue. Aber was nützte Rose Reue und Mitleid, wenn sie nicht die Wahrheit wusste? „Sag es mir, Alec. WER BIST DU?“, fragte Rose und betonte jedes einzelne Wort. Er wusste, was ich meinte, WIE ich es meinte. „Ich bin ein Vampir. Und der Lord der Vampire.“, erwiderte Alec plötzlich, seine Stimme zitterte. Rose riss erschrocken die Augen auf – der Lord der Vampire, der Mächtigste von allen! „Aber…wieso…“, fing Rose an, doch Alec trat vor sie und legte ihr sanft eine Hand auf den Mund. „Schh!“, machte er zärtlich, „Ich werde dir alles erklären. Es tut mir leid, dass ich dich belogen habe, aber ich wollte dich schützen.“ Rose wollte etwas erwidern, doch sie verkniff sich ihre Antwort und setzte sich auf einen der Küchenstühle, Alec ließ sich neben ihr nieder. Und dann begann er die Wahrheit zu erzählen:
„Liebe Rose, ich bin kein normaler Vampir, sondern der große Lord der Vampire. Ich habe die Macht über alle Vampire, sie sind mir zu Treue verpflichtet. Aber ich hatte eine Schwäche – ich konnte keinen Menschen in einen Vampir wandeln. Und das hatte einen Grund: Wenn ich es je schaffen würde, einen Menschen zu verwandeln, würde dieser Mensch als Vampir stärker als jeder andere werden. Stärker als ich selbst.“ Alec machte eine Pause, sein Blick durchbohrte Rose regelrecht. Rose schluckte – sie war also der mächtigste Vampir. Alec räusperte sich, dann fuhr er fort: „Doch die Saga besagte, dass es nur ein einziges Mädchen geben würde, was der Lord der Vampire wandeln könnte – ein Mädchen, die ihn so sehr verzauberte, dass er sie einfach verwandeln musste. Und das warst du, Rose.“ Rose nickte langsam, hörte ihm weiter aufmerksam zu: „Nun, der Rudelführer der Werwölfe weiß davon – und hat erfahren, dass es mir gelungen ist, einen Menschen zu wandeln. Er will dich vernichten, Rose. Er will dich vernichten, um zu verhindern, dass ein noch stärkerer Vampir heranwächst. Denn dann sind die Werwölfe dem Untergang preisgegeben.“ Mein Atem stockte. Und ich hatte Ben auch noch nett gefunden, obwohl er mich töten wollte! „Ich verstehe.“, flüsterte sie schließlich etwas benommen. Alles ergab nun einen Sinn. Sie war Alec nicht mehr böse – nun wusste sie, WER ihr wirklicher Feind war. Die Werwölfe.
FÜNF
„Rose, ich will, dass du auf dich aufpasst! Werwölfe erkennst du an ihrem Geruch, sie riechen stark nach nassem Hund! Wenn du das riechst, renn weg!“, sprach Alec eindringlich auf mich ein und ich nickte, obwohl ich bezweifelte, dass sie mich so schnell kriegen würden. Ich war immerhin der stärkste Vampir, oder? „Aber bin ich denn jetzt schon so stark?“, sprach Rose ihre Bedenken aus. „Fast. Du musst noch auswachsen – und deshalb wollen sie dich JETZT töten!“, erwiderte Alec und Rose nickte. Sie verstand. „Ich danke dir, Alec!“, meinte sie lächelnd und umarmte ihn fest. Spürte seine Wärme, genoss seinen Körper. Sie liebte, liebte, liebte ihn!
„Okay, ich werde jetzt im Wald jagen gehen! Ich habe keine Lust, ständig Leute abzumurksen!“, meinte Rose und Alec nickte grinsend. „Kommst du mit?“ „Nein, ich werde ein anderes Mal jagen gehen. Ich pass auf das Haus auf.“, erwiderte Alec und Rose zuckte mit den Schultern. „Dann eben nicht“, zwinkerte sie und verließ das Haus.
Rose lief durch die Straßen, vorbei an drängelnden und schubsenden Leuten. Es war schon 16.00 Uhr, aber der Konsum hatte keine Grenzen, selbst jetzt nicht, als es kein Erdöl mehr gab und die Natur zerstört war. Rose seufzte – die Menschen hatten viel kaputt gemacht, hatten viel unternommen, doch nun war es zu spät. Und das wussten sie, sie nutzten den Rest aus, um danach zu vergehen wie eine Lilie im Herbst.
Als Rose nach einer halben Ewigkeit den Waldrand erreichte, war es ganz still. Der Wind fuhr ihr sanft durch ihre goldenen Haare und trieb ihr den Geruch von Tieren in die Nase. Rose bekam Hunger, ihre Kehle begann vor Blutdurst zu brennen – das Jagen war schon längst überflüssig gewesen, doch in letzter Zeit hatte sie einfach zu viele andere Probleme gehabt.
Während sie durch den Wald wanderte und der Fährte eines Hirsches nachging, überlegte sie noch mal, was Alec ihr da eigentlich erzählt hatte. Sie war der stärkste Vampir, durch Alec den Vampir Lord – aber noch nicht ausgewachsen, also noch verwundbar. Sie musste aufpassen, dass die Werwölfe sie nicht schnappten, denn sonst war sie leichte Beute. Gegen so viele konnte sie unmöglich alleine eine Chance haben.
Plötzlich verstärkte sich der Geruch des Hirsches, gleich zu ihrer Rechten. Rose drehte ein wenig den Kopf, verlangsamte ihre Schritte und blieb ganz stehen – sie war leiser als eine Maus. Und dann sah sie den Hirsch, ein prächtiges Tier, rotbraun und mit einem mächtigem Geweih. Bestimmt ein Männchen. (An die Frauen unter die Leser: Falls ihr irgendwann ein Vampir werdet, geht immer auf die Männer los :D )
Rose duckte sich und beobachtete den Hirsch mit ihren scharfen Augen. Er fraß gerade Gras, kaute genüsslich – bald würde er gegessen werden. Rose lächelte vor Vorfreude, sie meinte jetzt schon, den süßen Geschmack des frischen Blutes auf ihrer Zunge zu spüren. Sie machte sich bereit zum Sprung. Und dann schoss sie hervor, packte blitzschnell den erschrockenen Hirsch am Hals und brach seine Wirbelsäule. Der leblose Körper fiel Rose in den Schoß und gierig biss sie dem Hirsch in den Hals, saugte sein Blut heraus. Es schmeckte gut, war aber kein Vergleich zu menschlichem Blut.
Plötzlich vernahm sie über den Geruch des Blutes einen anderen, ekligen Geruch. Rose hörte auf zu saugen, wischte sich den Mund ab und richtete sich auf. Misstrauisch schnupperte sie. Ein Geruch näherte sich ihr, schnell, sehr schnell. Und plötzlich erkannte Rose den Geruch – Nasser Hund!
SECHS
Rose knurrte wütend, sie hörte nun das Trampeln von Pfoten auf Laubboden. Urplötzlich drehte sich Rose um und raste davon, weg von den Geräuschen, die allerdings nun auch ihre Richtung änderten und ihr folgten. Rose rannte im Vampirtempo davon, so wie Alec es ihr befohlen hatte. Ihre Beine schienen regelrecht zu fliegen, alles um sie herum war verschwommen, doch sie lief gegen keinen einzigen Baum. Sie sprang mühelos über Baumstämme und hörte ein paar Sekunden später wie ihre Verfolger ebenfalls hinübersprangen – sie holten Rose ein! Aus Verzweiflung lief Rose noch etwas schneller, was allerdings nicht möglich war. Schon hörte sie hinter sich lautes Hecheln. „Bitte lass mich schneller sein als Werwölfe!“, dachte Rose und befahl ihren Beinen, weiter zu laufen. Sie lief auf einen Baum zu, stieß sich an ihm ab, flog zum nächsten, stieß sich wieder an ihm ab und sprang über eine Klippe auf die andere Seite, rannte von dort aus weiter. Hinter ihr waren die Werwölfe, für sie war die Klippe ebenfalls kein Problem. Das Knacken von Ästen versetzte Rose in Panik, sie rannte nun so schnell wie noch nie. Sie rannte und rannte. Rannte um ihr Leben, rannt für Alec. „Sie dürfen mich nicht kriegen!“, dachte ich. Ich hörte meine Gedanken, die Stimme klang verzweifelt. Hörte meinen schnellen und angestrengten Atem, hörte die Pfoten hinter mir und das Hecheln. Bellen, Jaulen. Roch nassen Hund. Plötzlich knallte sie gegen etwas Hartes und wurde zurückgeschleudert. Unsanft landete Rose auf dem Boden und im nächsten Moment war sie von Werwölfen umzingelt. Als sie benommen den Kopf hob, sah sie, gegen was sie da gerannt war – einem Werwolf! Sie waren auch von vorne gekommen, hatten Rose getrieben wie ein Tier. Wut ergriff sie, sie funkelte den großen schwarzen Wolf vor ihr wütend an. Rose schoss vor und versuchte ihn zu beißen, doch da hatte er sich schon in einen Menschen verwandelt und sie fest gepackt. Ihre Arme hatte er ihre auf den Rücken verdreht und schubste Rose nun vorwärts. „Lass mich!“, knurrte Rose, als er ihre Arme schmerzvoll verdrehte. Der Werwolf lachte nur und auch seine Kameraden, die sich nun alle zurückverwandelt hatten, grinsten mich an, einige starrten mich auf interessiert oder fasziniert an. O Gott, wie ich diese Hunde hasste! „Los, vorwärts, zum Boss!“, schnauzte Rose einer an und der Rose gepackt hielt, schubste sie erneut. Und so musste sie ihnen wohl oder übel folgen.
Die Wölfe führten sie unsanft durch den Wald. Rose überlegte verzweifelt, wie sie fliehen könnte. Bestimmt machte sich Alec schon große Sorgen. Wenn ich weinen könnte, wären mir Tränen aus den Augen geflossen, doch das konnte ich ja nicht. Leider. Denn weinen hatte mir früher oft geholfen, meine Trauer zu verkraften. Und so sah ich nur traurig auf den Boden und versuchte, nicht laut loszuschluchzen. Ich war endlos verzweifelt.
Plötzlich wurde ich nicht mehr geschubst und getreten. Ich hob erschöpft den Kopf. Wir standen vor einem großen Höhleneingang. „Was hätte ich anderes erwartet von einem Hund.“, dachte ich und verzog verächtlich die Miene, worauf mich einer der Werwölfe warnend ansah.
Als sie mich in die Höhle zerrten, verstärkte sich der Geruch von nassem Hund. Ich rümpfte die Nase, wofür ich einen harten Schlag ins Gesicht bekam. Es tat weh, doch ich verzog keine Miene – sollten sie mich ruhig schlagen, etwas anderes konnte sie sowieso nicht. Rose vermisste Alec schrecklich.
„Rudelführer, das ist das Mädchen!“, meinte der Wolf der Rose gepackt hielt und stieß sie vor, so doll, dass sie auf die Knie fiel. Inzwischen hatte man ihr die Hände mit starken Eisenketten gebunden, die selbst für ihre Kräfte zu stark waren. Wahrscheinlich hatten die Werwölfe sie extra für Rose geschmiedet. Wut ergriff sie erneut –sie versuchte, sich zu befreien, ließ jedoch am Ende die Hände kraftlos sinken und hielt den Kopf gesenkt. Hörte ihr Gelächter und spürte ihre brennenden Blicke. Es tat weh, so weh. „Du bist also der stärkste Vampir. Tja, leider bist du noch nicht ausgewachsen, also wird es dir nichts nützen!“, meinte der Rudelführer gehässig. Erneut ertönte schallendes Gelächter von allen Seiten. „Sieh mich an, Mädchen!“, meinte der Rudelführer. Rose schüttelte stur den Kopf. „Sieh mich an!“, brüllte er wütend und schlug zu. Hart seine Faust in ihr Gesicht. Sie hörte ein Knacken, Blut floss aus ihrer Nase. Warm, schrecklich und klebrig. Es brachte Rose um den Verstand. Sie hob den Kopf, blickte ihn an. Ihr Blick war leer, sie sah alles verschwommen. Der Rudelführer sah Rose an, dann schlug er wieder zu. Brennender Schmerz breitete sich in ihrem Gesicht aus, ihr Auge schwoll leicht an. Ihr Kopf taumelte nach hinten, dann nach vorne, alles drehte sich. Und dann kippte Rose um, blieb reglos liegen. Hörte aufgeregte Stimme, die Stimme des Rudelführers, der sie wütend anbrüllte. Spürte seine schmerzenden Tritte an ihrem Kopf, dann einen harten Schlag an ihrem Hinterkopf. Blut spürte sie, nur Blut. Ihr Kopf brannte. Womit hatte Rose das verdient? Sie lächelte leicht. Wie dumm der Rudelführer war. Nur Schläge hatte er für Rose übrig. Nur unbegründeten Hass. Rose konnte eigentlich für die ganze Sachen nichts. „Oh Alec!“, dachte sie und diesmal drang ein leises Schluchzen aus ihrer Kehle. Sie vermisste ihn sehr.
Das war der dritte Teil von Undead! Ich hoffe, es hat euch gefallen! Ein paar Sterne oder Kommentare wären nett ;)
4. Teil folgt in Kürze…
Publication Date: 08-29-2010
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