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Raben und Krähen

Raben und Krähen

sind in Märchen, Sagen, Mythen heimisch –

Zaubertiere, hochintelligent.

Sie beeindrucken durch Mut, Angriffslust.

Rücken Wölfen, Füchsen, Bären auf die Pelle,

darauf bedacht, ihren Beuteanteil zu bekommen.

Das ist schnell versteckt,

in Sicherheit gebracht.

 

Intelligenz als Waffe.

Dem Wolf wird das zu dumm;

er muss sich hier für dumm verkaufen lassen.

Die besten Stücke schnappen sie ihm weg.

 

Odin wusste schon,

warum er Hugin und Munin

in seine Dienste nahm – tolle Raben.

Ein Sperling wäre überfordert.

Man trickst und blufft, verstellt sich,

ist ein Schauspieler.

Den anderen einschätzen;

wie weit kann man bei ihm gehen?

Ihn bis zur Weißglut reizen

mit eisernen Nerven – gar kein Problem.

Dabei frech krächzen – unverschämte Bemerkungen.

Die haben's echt drauf.

 

Ein Papagei ist netter.

Aber Raben und Krähen wollen keinen

Sympathie-Wettbewerb gewinnen.

Frechheit siegt – wenn man sie übt.

Das Triezen, Plagen, Malträtieren

üben bei möglichst vielen Tieren.

Das hält in Form – und man ist fit –

bei der nächsten Mahlzeit

mischt man wieder ganz vorn mit.

Einen will ja keiner ranlassen ans Buffet.

Hinten anstellen?

Nicht, wenn man im Besitz einer Wildcard ist:

Intelligenzbestie hat Vorrang, Vortritt.

Dann ist man kein Unglücksrabe.

Man geht über Leichen ganz behände,

hüpft da rum –

man ist eine Hupfdohle bei dieser Revue.

Die Wölfe beteiligen sich bei diesem Ballett –

doch die Raben und Krähen sind gar nicht nett.

Der listenreiche Odysseus

könnte sich hier noch eine Scheibe abschneiden –

wenn sie ihn ließen.

 

Hochsaison für Raben und Krähen –

wenn wir uns bekriegen.

Da fällt für sie ordentlich was ab.

Sie sind die Profiteure,

heißen das ausdrücklich gut.

Kriegsgewinnler, wenn man so will.

Galgenvogel – von Berufs wegen.

Aus Schaden wird man satt – ist ihre Devise.

Noch schnell den Wolf zwicken,

ein Wildschwein ärgern –

so lässt es sich gut leben.

Der Tod hält sie am Leben.

 

Irgendwie sind sie uns ähnlich –

dieselbe hinterlistige Art.

Intelligenz ist unser Vorteil,

man schätzt den Gegner ein,

man plant, man ist Stratege.

Die Stärke wird ergänzt durch Technik, Raffinesse.

Man spioniert, man ist gewieft, man ist informiert.

Man unterscheidet nicht so ganz genau

zwischen Taten und Missetaten.

Was zählt, das ist die Beute.

Die Evolution war uns keine Rabenmutter.

Sie hat gut für uns gesorgt.

Wir sind wie Hugin und Munin – Meisterspione;

über alles informiert, was so abgeht.

Informanten der Götter.

Wir sind vor Ort; berichten.

Tagesreporter.

Die Gefahr hat uns schlau gemacht, geschult.

Mental aufrüsten.

 

Gab es deshalb so viele rabenschwarze Tage

in der Historie?

Voll damit.

Unabhängig von angeborenen Programmen agieren:

kess, rabiat, vorwitzig.

Rings um uns her Instinkt-gesteuerte Wesen:

Automaten-Landschaft.

 

Die Frechheit der Raben und Krähen

ist außergewöhnlich.

Es macht sie zu Komplizen im Geiste.

Gleichgesinnte – in einer Liga mit den Delfinen.

Checker.

Vielleicht haben wir die falsche Checkliste?

Am Checkpoint Himmelreich

will uns keiner durchlassen.

Es heißt, wir Menschen seien schräge Vögel.

 

ENDE

 

Imprint

Cover: Cover-Gemälde © Manuela Schauten
Publication Date: 03-02-2021

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