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Wer fliegen kann, braucht keine Brücken

Wer fliegen kann, braucht keine Brücken.

Gedankenfliegerei üben,

aber nach einer Bruchlandung

greift man dann doch wieder zu Krücken.

 

Man will sich mit Erfolgen schmücken,

Perlen der Weisheit.

Andere greifen nach den Sternen

und erwischen zumindest Seesterne.

Man selbst hingegen sammelt Perl-freie Austern.

Vermutlich sind die Perlen in Sorge,

dass man gedenkt,

sie vor die Säue zu werfen.

 

Nicht mal ein fliegender Teppich

steht zum Abflug bereit.

Man muss sich das Ganze von oben betrachten,

Muster erkennen.

Aber die Weisheit ist am Rennen;

sie nimmt Reißaus.

Sie wittert den Weisheits-Jäger.

So leichte Beute ist sie nicht.

Man kann sie nicht einfach pflücken.

 

In einem wächst die Erkenntnis,

dass man wohl selbst zur Auster mutieren muss,

um so eine verdammte Perle zu bekommen.

Sich auf das konzentrieren, was einen stört.

Macht die Auster ja auch so.

Das ist ihre Methode.

Aber sie macht das nicht aus freien Stücken.

 

Aus der Not geborene Erkenntnis.

Das braucht man wohl als Zutat.

Ein Ärgernis, etwas Unliebsames.

Davon hat die Welt eigentlich reichlich.

Mal was aussuchen.

Die stehen sogar Schlange, die Probleme,

freuen sich, dass sie helfen können.

Man macht sich was aus ihnen.

 

Alchemisten sind scharf auf Gold.

Aber dem Universum seine Schätze abzuringen:

Seine Rätsel versteckt es gut

in den Galaxie-Tresoren.

Verschenkt es zuweilen

einige Körnchen seiner Weisheit?

Oder sagt es sich, dass Philosophen

ohnehin Weisheits-Plünderer seien,

die wollen nur das Eine?

Lästige Mücken?

 

Gedanken könnten wie Schmetterlinge,

wie Vögel unterwegs sein.

Aber meist hält man sich

vorschriftsmäßig an Gedankenbahnen.

Man nutzt die zur Verfügung gestellten Brücken.

Im Traum kann man schweben,

auch wenn sich die Vögel wundern:

Man ist ja nicht einer der ihren.

 

Sich die Traum-Unbekümmertheit bewahren.

Sonst kann man das knicken.

 

Friedrich Rückert meint:

"Dass sie die Perle trägt,

das macht die Muschel krank;

dem Himmel sag' für Schmerz,

der Dich veredelt, Dank."

 

Würde die Auster bestimmt stolz machen,

dass man sich ihre Methode angeeignet hat.

Man würde sich nicht direkt

als Perlenzüchter bezeichnen,

doch hin und wieder tauchen

Perlen der Weisheit unversehens auf.

Man fühlt sich wie ein Grandseigneur:

Man stößt mit perlendem Champagner an –

und prostet dem Universum zu.

 

ENDE

 

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Publication Date: 08-18-2020

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