Ich ziehe gerne Bindestriche hinzu. Sie machen die Sache übersichtlicher. Nun könnten mir die Wörter erbarmungslose Zerstückelung vorwerfen; aber es geschieht ja nur zu ihrem Besten. Was soll ein armes Wesen wie "Rotzeder" machen? Rotz und Wasser heulen, weil man sie zunächst stets verkennt? Ich spendiere ihr einen Bindestrich – sie ist unsagbar dankbar, wird zur Rot-Zeder. Die Sterne behaupten, sie kennen keinen Zwergelstern, der gehöre nicht zu ihnen. Man kann sie aufklären – und das übernimmt der stets hilfsbereite Bindestrich. Zwerg-Elstern. Wobei vermutlich eine diebische Elster den Bindestrich bei nächstbester Gelegenheit klauen wird. Den verscherbelt sie dann zu Disco-Unterpreisen oder zu Discounterpreisen. Die berühmten Blumento-Pferde verdanken ihre Existenz der Doppeldeutigkeit. Im Zwischenreich der Trennstrich-Optionen. Der Kreischorverband beschäftigt keine Möwen; da kreischen allerhöchstens die Fans. Was sind Alt-Bauch-Arme? Was Nützliches? Hat der Krake da seine Gene beigesteuert? Der Altbau-Charme ist das wesentlich Unspektakulärere.
Zauberei der Bindestriche. Sperrige Wörter wie "Festzurrösen" meinen es gar nicht böse; sie haben gar keinen Geheimcode im Sinn. Die deutsche Sprache gestattet einfach, dass man Wortungetüme bauen kann, so wie man einer Lokomotive beinah beliebig viele Waggons anhängen kann. Auch wenn die Lokomotive schnauft – ihr wird das alles einfach zu viel -, sie muss in die Behörden-Regionen, da geht es dann erst richtig zur Sache. Gnadenlos wird da gekoppelt. Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung und Rinderkennzeichnungsfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz. Da wirkt die Stacheldrahthaarterrierzüchterfachzeitschrift schon harmlos.
Aber auch dem Absurden bieten sich so tolle Möglichkeiten: der Trinkgeldfälscher, der Radiergummibaum und das Rückfallobst.
Völlig neue Berufe sind möglich: Einbildungsminister, Fuchsbaumeister, Gestankwart, Glatteisverkäufer, Kirschkernforscher, Windhosenfabrikant, Vielleichtmatrose, Sackgassenhauer, Salonglöwenbändiger.
Tolle neue Tierarten: Nagellackaffe, Hafenmauersegler, Jägerzaunkönig, Kontrollmops, Privileguan, Notitzbuchfink.
Hat man Absurdistan bereits betreten? Befindet man sich mittendrin? Schildbürger werden zu Wortbürgern. Herrliche Vielfalt und Möglichkeiten. Alles aus der Sprache rauszuholen. Die kurzen Worte sind direkt beschämt; so schlicht, so verständlich. Verständlichkeit als Manko. Macht man doch nicht. Man koppelt. Und wenn es mehrdeutig ist, umso besser.
Der Minister wünscht sich: Ministereoanlage. Trifft man auf öffentlichen Toiletten Urin-Sekten? Was treiben die da so? Anführer der Ur-Insekten ist der Optimistkäfer. Er weiß, er hätte den Optimismus nicht vor sich her rollen sollen. Der Zeitgeist reagiert höchst allergisch auf Optimismus. So überflüssig wie Fernsehernachfüllfarbe.
Hoffen und Harren macht manchen zum Narren. Auch das Hoffensterchen weiß nicht so recht, was es von sich halten soll. Es hofft ja immer noch auf den Bindestrich. Der bestärkt es in seiner Selbstidentität als Hof-Fensterchen. Manchmal fühlt sich der Bindestrich wie ein Parklückenbüßer. Behörden haben ihn hinausgeworfen, entsorgt. Er ist besorgt. Er trinkt erst mal den westafrikanischen Kaffee Togo.
Vielleicht gibt es ja doch die Rotz-Eder auf dem Zwergel-Stern? Alternative Realitäten. Der Bindestrich hat viel Potenzial; er schiebt Bedeutungen hin und her. Die Spontana-Version des Lebens. Das bewahrt einen vor einer Spontan-Aversion gegenüber einer sich wortkarg gebenden Welt.
Bevorzugt man Pan-Schweine oder Pansch-Weine? Engel aus der Tube: Voltar-Engel. Voltaren-Gel ist die langweiligere Version. Bindestriche verrutschen gerne mal von alleine, so wie Teppiche. Stolperfallen. Pranks für die User. Seit sich die Bindestriche mit der Autokorrektur verbündet haben, sind sie noch heimtückischer. Rache für Ignoranz. Sie mehr würdigen. Was soll man mit Garmet-Hoden? Der Bindestrich hat seine Methoden. Der Flutsch-Einwerfer ist ganz perplex. War er eben nicht noch was völlig anderes? Verwandlung in Sekundenschnelle. Der Bindestrich als Zauberkünstler. Der Flut-Scheinwerfer war selten so froh, wieder mit sich selbst identisch zu sein. Die Rohr-Ubine ist ganz ratlos. Aber auch da weiß der Bindestrich Rat. Er macht daraus "Roh-Rubine". Alle sind wieder glücklich.
Er macht sich auch gar nicht so viele Gedanken wie sein größerer Bruder, der Gedankenstrich. Bei ihm geht es nicht um Pause, Dramatik, Trommelwirbel – der Bindestrich ist bescheidener. Er will lediglich etwas verdeutlichen. Aber oft lässt man ihn nicht. Man hält ihn zurück, als sei er ein kläffender, aggressiver Hund. Lesbarkeit ist ihm ein Herzensbedürfnis. Dafür wurde er erschaffen, das ist seine Welt. Und er wendet sich mit Schaudern ab von allen Wortungetümen. Erdachsendeckelscharnierschmiernippelkommission. Er will gar nicht im Mittelpunkt stehen, aber er ist ein wichtiger Mitwirkender im Wort-Theater. Und es geht ihm gegen den Strich, wenn wir ihn aus diesem Amt entbinden wollen. Er ist sehr bindungsfähig.
Bei manchen Wort-Monstern scheut selbst er: Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch. Es ist ihm egal, ob das eine Gemeinde in der Nähe von Wales ist. Da braucht er erst mal sein Riechsalz. Er hasst das Ungegliederte. Er will Struktur, Ordnung. Kleinere Einheiten, Chunks, sind auch für das Gehirn besser – man sieht auf einen Blick, was los ist. Der Bindestrich ist auf der Walz. Walz-Erzeugnisse hat er ebenso im Angebot wie Walzer-Zeugnisse. Er schafft klare Verhältnisse. Wir sollten diesen Strich nicht streichen.
ENDE
Publication Date: 07-28-2020
All Rights Reserved