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Bärenstarker Aberglaube

Es fing damit an, dass ich ein vierblättriges Kleeblatt fand; okay, ich habe gezielt danach gesucht. Endlich mal Schwein haben, um die Sau rauslassen zu können. Angeblich sind Menschen mit Aberglauben erfolgreicher, man muss sich nur darum bemühen. Die Kombi von Glauben und Aberglauben wäre unschlagbar. Ich richtete es so ein, dass der Kater von nebenan, Leopold, von rechts kam – das heißt, er zögerte, beäugte mich misstrauisch. "Los, nur voran, Du dummes Vieh, bring mir Glück!" Er dachte gar nicht daran. Ich klopfte mit ihm dreimal auf Holz, schwang ihn beherzt gegen die Linde – dreimal, wie es Vorschrift ist. Fand er gar nicht lustig, aber mein Glück sollte im Steigen sein; ich sah mich um; schon irgendetwas Verheißungsvolles? Der Kater biss mir in die Hand.

Man müsste sich mit Glückssymbolen umgeben, das müsste Fortuna anlocken; sie steht auf so was: Irgendwie ist ja jeder süchtig nach was; wenn Fortuna nun mal Marienkäfer, Marzipanschweine und Hufeisen toll findet ... Kann man ja zu seinem Vorteil nutzen. "Wir üben das jetzt noch mal. Du kommst von rechts. Als schwarzer Kater ist es geradezu Deine heilige Pflicht, Glück zu bringen." Er maunzte – und sah mich ziemlich ratlos an. "Da sind 7 Dosen Whiskas für Dich drin." Das Wort 'Whiskas' schien etwas bei ihm auszulösen. "Wir zertrümmern jetzt erst mal ein paar Scheiben. Scherben bringen Glück", erläuterte ich ihm meinen Plan. Vielleicht 13 Scheiben? Um auf Nummer sicher zu gehen? Diese Aktion stieß bei den Nachbarn auf Bedenken, manche protestierten, hatten keinerlei Verständnis für Glückssymbolik. "Mein Küchenfenster!", und ähnliche spießige Beschwerden – ich hörte schon gar nicht mehr hin. Stattdessen kaufte ich mir im Supermarkt ein paar Glückskekse und eine Palette Whiskas für Leopold. Auf dem Weg dorthin nutzte ich jede Gelegenheit, um dreimal auf Holz zu klopfen; das war gut so, denn ich hatte noch viel zu wenig Macken, Spleens. Viel zu stromlinienförmig – ich brauchte mehr Ecken und Kanten, etwas, woran sich Fortuna festhalten konnte. Seit ich diesen Artikel über Aberglauben gelesen hatte, ging mir ein Licht auf und das entwickelte sich von einem Funzeln zu etwas Supernova-Ähnlichem.

Im Kostümverleih eine Schornsteinfeger-Uniform geliehen – jetzt trat aber das Problem auf, dass die Leute an einem der silbernen Knöpfe drehen wollten, was ich natürlich nicht zulassen konnte, denn das Glück sollte bei mir bleiben. "Haut ab!" Gut, dass ich genügend Hufeisen dabeihatte, die eigneten sich hervorragend als Wurfgeschosse. Mein Kleeblatt leistete gute Dienste, ich fühlte mich schon weitaus glücklicher – all diese Glückssymbole luden mich auf mit Glücks-Energie. Es war fantastisch. Besonders erfolgsversprechend sei es, wenn man einen persönlichen Glücksbringer sein Eigen nennen kann, dazu würde sich auch ein Plüschteddy eignen; oder dann doch lieber gleich ein richtiger, ausgewachsener Bär? Besuch im Zoo; mal sehen, was sich da so machen ließ. "Ey, Teddy, komm mal rüber!" Ich warf Leopold zu ihm ins Gehege. Sollten die beiden sich anfreunden; erst mal beschnuppern. Der Bär schien über die Gesellschaft erfreut, sie spielten 'Hasch mich'. Tiere schließen so schnell Freundschaft. Menschen sollten sich ein Beispiel daran nehmen. Ich beschloss, den Bären mit nach Hause zu nehmen, ein Riesen-Eimer Honig war das ausschlaggebende Argument: Er trottete hinterdrein. Na fein. Die Zoobesucher huldigten uns – sie standen Spalier – bildeten eine Gasse – man könnte bei näherer Betrachtung auch sagen, sie stoben davon. "Mehr Glück für mich", ich knuffte den Teddy, was der mir nicht übelnahm, zu sehr war er damit beschäftigt, seine Freiheit zu genießen: Er spazierte an den Käfigen vorbei; er schien alte Bekannte zu grüßen; wie ein Waisenkind, das man aus dem Waisenhaus geholt hatte. Ich fühlte mich großartig.

Im Stadtpark suchten wir dann alle gemeinsam nach vierblättrigen Kleeblättern, wobei ich auch den Bären anwies, sich an die Rechts-Regel zu halten: Wenn es gut ist, dass Katzen von rechts kommen, gilt das vermutlich auch für Bären. Er fand meine Argumentation an sich ganz stimmig, aber da mir der Honig ausgegangen war, schrumpfte sein Interesse an mir. Er beachtete mich kaum noch. Sollte ich nach einem anderen persönlichen Glücksbringer Ausschau halten? Vielleicht ist ein Marienkäfer unkomplizierter? Aber man muss sich um das Glück bemühen; es beeindruckt Fortuna sicherlich, wenn man sich anstrengt. Meint auch die Wissenschaft: Sie nennt es Kontrollüberzeugung; davon überzeugt sein, dass man das alles im Griff habe trotz Chaos und seltsamen Pässen des Schicksals. Was für ein Zuspiel. Wie soll man das in ein Tor verwandeln? Eigentore – kein Problem. Im Grunde ist es ein Transfer von Gedanken-Energie auf angebliche Glückssymbole und von dort zurück zum Selbst; man nutzt die Glückssymbole als Reflektor. Es ist nicht unwichtig, mit welchen Gedanken man die Dinge auflädt.

Der Teddy tippte mir auf die Schulter. Er wollte zurück in den Zoo. Es nervte ihn, dass die Leute ihn mit Stöcken attackierten. Die Freiheit hatte er sich anders vorgestellt. Das vierblättrige Kleeblatt ist ja nur deshalb was Besonderes, weil es selten ist; wenn man es züchtet, dann erlischt seine Aura der Exklusivität – völlig ungeeignet, um die Seele repräsentieren zu können: Menschen sollen einzigartig sein – das ist ihr Auftrag. Das bringt Glück. Ich zog meine Schornsteinfeger-Uniform aus – es war wohl Anmaßung; vermag Fortuna zu unterscheiden, ob man kostümiert ist? Trägt man das Glücksgewand zu recht, ist man ein Schauspieler, der so tut, als sei er glücklich, um das Glück zu überlisten, dass es sich mit ihm einlässt? Glückssymbole als Tarnung? Leopold strich um meine Beine; er schien nicht nachtragend zu sein.

Den anschließenden Schaufensterbummel nutzten wir, damit Scherben unseren Weg pflasterten. Wobei ich mich fragte, ob man das nicht auch so deuten konnte: vor einem Scherbenhaufen stehen. Zur Sicherheit warf ich ein Kilo Salz über meine Schulter. Man muss schon eine ganze Menge dabeihaben, um Fortuna beeindrucken zu können; ganz schön anstrengend. Den Sack Marienkäfer aus der Zoohandlung schleppte ich auch schon eine Weile. Warum verschenkt der Weihnachtsmann nichts Symbolisches? Mit Magie aufgeladene Glücksbringer – dann braucht er in seinem Weihnachtsschlitten nicht Tausende von Tonnen an Geschenken zu transportieren. Wie lange soll der Schlitten das mitmachen? Der Teddy war mir bei den Schaufensterscheiben behilflich – so ging es schneller, so machte die Arbeit richtig Spaß. Ich hatte gedacht, es sei anstrengend, Fortunas Aufmerksamkeit zu erringen, aber es war fast wie Chillen.

Die Polizeibeamten verstanden überhaupt nichts von Symbolik und außerdem wollten sie wissen, wer hinter all dem stecke. "Fortuna." "Ist das ein Codename?" "Ich glaube nicht. Sie ist immer offen und ehrlich. Ein Prachtweib. Aber man muss zeigen, dass man es ehrlich meint, dass sie die Auserwählte ist." Ich erntete nur Unverständnis. Den Teddy nahmen sie auch in Gewahrsam. Ich hatte gehofft, wir kämen zusammen in eine Zelle.

Na ja, vielleicht klappte die Sache mit dem Glück morgen besser – ich hätte es nicht an einem Freitag dem Dreizehnten versuchen sollen; schon klar; ein anderer Grund fiel mir nicht ein, warum ich nicht schnurstracks in Fortunas liebevollen Armen gelandet war, sondern im langen Arm des Gesetzes und eines Zellengenossen, dessen hervorragendste Eigenschaft es war, ein Holzkopf zu sein. Hab ich gleich genutzt, um dreimal auf Holz zu klopfen – mehrmals – fast wie ein Specht. War ihm nicht recht. Was soll's. Zum Glück hatte ich noch einen meiner Glückskekse; darauf stand: "Lass Dir keinen Bären aufbinden."

 

ENDE

 

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Cover: Cover von https://pixabay.com/de/natur-gl%C3%BCck-symbol-kleeblatt-3086199/
Publication Date: 02-05-2018

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