Crazy, krass - Protagonisten sind am Ende mit ihren Nerven, aber am Ende ist alles super.
Im Supermarkt - 4 Storys:
Normalerweise kaufe ich nicht im Supermarkt ein; ich bin zu viel unterwegs, die Lebensmittel wären im Kühlschrank sich selbst überlassen, sie würden Allianzen eingehen mit Schimmel, Pelzbelag & Co. KG. Aber so etwas wie Heimweh bringt mich dazu, mir Zeit zu nehmen für das Naheliegende: Was hat sich in der Nachbarschaft getan? Den Radius enger ziehen. Intensiv statt exzessiv.
Holla, gleich beim Obst & Gemüse attraktive Frau auf 12 Uhr. Da steht der Zeiger senkrecht. Sie begrüßt mich sogar – ein erfreutes Lächeln. Bin ich so beliebt?
„Mensch, Ben, dass man Dich mal wiedersieht.“
Beim Klang ihrer Stimme weiß ich, wen ich vor mir habe: Alicia – Jugendliebe, rangiert immer noch auf der Top-Ten-Skala meiner Beziehungs-Desaster. Da ging so vieles schief, dass wir uns nicht mehr die Mühe des Geradebiegens machten. Dabei habe ich mich seitdem der Magie der Worte gewidmet, es zu meiner Profession gemacht. Ich berate Manager, wie sie die Sprache zu ihrem Vorteil einsetzen. Aber hier bin ich zunächst sprachlos – sie sieht noch besser aus als früher; wie macht sie das? Hat die Zeit sie unter ihre Fittiche genommen, sie belehrt? Die Zeit als Mentor zu gewinnen – das würde mir auch gefallen. Ich lege mich immer wieder mit der Zeit an, mal vergeht sie zu langsam, dann kann ich meiner Unruhe nicht Herr werden, dann enteilt sie und ich habe das Nachsehen.
Sie wartet noch immer auf eine Begrüßung. Kann ich einfach weitergehen? Aber Unhöflichkeit vermeide ich möglichst – ist eine sehr lästige Angewohnheit in einer Welt, die die Unhöflichkeit als Gottheit anbetet.
„Du siehst gut aus, blendend.“ An ihrer Hand ist kein Ehering zu sehen. Kleinigkeiten, auf die man achtet, wenn man zwar Casanova als Vorbild achtet, aber nicht gewillt ist, dessen Rücksichtslosigkeit zu übernehmen.
Unsere beiden Einkaufswagen stehen schon parallel zueinander. Die eilen uns in Sachen Vertraulichkeit voraus. Da in ihrem Einkaufswagen ein großes Bündel Bananen liegt, singe ich: „Ausgerechnet Bananen verlangt sie von mir!“
„Ich bin in puncto Bananen bedient.“
Ist sie lesbisch geworden? Wäre nicht so gut für mein Image – und außerdem habe ich sie für diesen Nachmittag verplant – ein Schäferstündchen. Und jetzt kriegen wir uns in die Wolle?
„Ich glaube, ich kaufe Melonen. Die können ja gar nicht groß genug sein.“ Ich suche zwei besonders Schöne aus.
Sie gibt mir ein paar Pflaumen. „Von denen kannst Du ja gar nicht genug bekommen.“ Immer diese Anspielungen – okay, ich war ihr nicht so treu und ich hätte ihr auch keinen Dreier mit ihrer Freundin vorschlagen sollen. War unsensibel. Ich habe für ihre Freundin dann auch einen Extra-Termin vereinbart. Sie war hochzufrieden, sie hätte aber vor Alicia meine Leistungen nicht so hervorheben sollen.
„Lang ist’s her – und schmerzt immer noch.“ Da schwingt allerhand Vorwurf mit; ich versuche ein entwaffnendes Lächeln, hat leider den gegenteiligen Effekt, sie holt zum Rundumschlag aus und bei der Gelegenheit pfeffert sie mir eine.
„Sorry; sonst sitzt mir meine Hand gar nicht so locker. Verdammt! Hat meine Wut-Therapie denn gar nichts gebracht?!“ Sie haut mit der Faust in die Orangen.
„Was hast Du gegen die Orangen? Angst vor Orangenhaut?“ Heikles Thema. Ich betrachte ihre Beine. Ich schiebe ihren Rock ein bisschen hoch, damit die Begutachtung nicht so oberflächlich ist.
„Hast Du sie noch alle?!“
Sie wirkt auf mich sehr unwirsch.
„Der Supermarkt gilt ja als die Anbändelungs-Stätte schlechthin. Man kann wunderbar flirten, man reicht sich aus den Regalen die Köstlichkeiten, bekommt Einblick in das, was der andere so einkauft, kann Rückschlüsse ziehen auf üble Gewohnheiten, es entfaltet sich gewissermaßen ein Register über die Ernährungs-Sünden.“
Ich halte ihr bei meiner Ansprache eine Schale Kirschen hin; soll signalisieren: Mit mir ist gut Kirschen essen. Sie haut sie mir aus der Hand.
„Das Geld für Deine Wut-Therapie würde ich zurückverlangen. Ich könnte Dich therapieren“, schlage ich ihr vor. Sie ist hellauf begeistert und beginnt mit Stress reduzierendem Gekicke gegen meine Beine. Da sie Highheels anhat, ist das eine ernstzunehmende Waffe.
„Immer locker aus der Hüfte heraus. Ist auch gut gegen Hüftgold.“
Das lenkt sie ab; sie blickt an sich herunter.
„Da schwabbelt nichts“, versicher ich ihr.
„Ich muss heute gut aussehen, ich bin auf dem Weg zu einem Vorstellungsgespräch.“
„Aha, genau
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Publication Date: 06-29-2017
ISBN: 978-3-7438-2046-3
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