Figuren aus Mythen, Märchen, Oper, der Historie figurieren als Protagonisten, an heiterer Stimmung ist ihnen gelegen.
Vielleicht schaffen sie es ja, Sie zum Lächeln, zum Schmunzeln zu bewegen?
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Dornröschen und Prinz Richard - Dreamteam * Sehnsucht - Tristan und Isolde und Love Potion No. Seven * Fußball mit Yeti, Kondor und Ente * Der Sitcom Transverter * Therapiestunde für den Wolf * Wotel, das Weltraum-Hotel * Das tapfere Schneiderlein und Pepetto, der Hahn * Autor im Schlaraffenland * Timothy Time und Sue Zufall * Tannhäuser, Venus und Elisabeth * Salomon und die Königin von Saba * Osiris in den Katakomben von Paris * Die dunkle Seite des Mondes * Martin Luther im Gewitter * Lost in Time - Eskapaden eines Weihnachtsengels * Liebe Not mit Liebesbrief - Zeus und Hera * Jorinde, Joringel und die Zauberin Victoria * Herkules und die Prinzessin Hesione * Die Prinzessin, Baba Jaga und der Frosch * Die Qual der Wahl - Das Cosplay Speed-Dating * Der Taucher - Story zur Ballade von Friedrich Schiller * Avalon Leuchtturm * Das blaue Licht * Blaubart und Cécile * Die Bremer Stadtmusikanten im Wald * Butt und Fee Ilsebill * Hamlet und der Geist Belizander * Gretel und die Hexe * König Drosselbart, Eleonora und der Spielmann * Reportage aus Asgard * Frederick und Fredtwo * Ali Babas Verwandlung * Scheherazade, Sindbad und Dschinn Rummy * Robin Hood im Großstadtdschungel * Meerjungfrau und Plastik * Isadora Duncan zu Besuch bei Kasperl * Kitty und Kasperl * Madeleine und der Fliegende Holländer * Santa Claudia - Ein Geschenk für den Weihnachtsmann * Don Quijote und Dulcinea * Shekinah - Verbotene Liebe * Das Goldene Vlies und das Goldene Verlies - Hylas und Dryope * Himmlische Hesperide * Zauberkuss und Zauberflöte * Georges Bizet und Carmen * Sir Brixelot und Brixelda * Waldi * Engelsstadt * Alberich und Oberon - Ein Gartenzwerg beim Zwergenkönig * Marie bei Frau Holle * Liebe Venus * Neues und altes Jahr * Knecht Rudolph * Zephyr und Aphrodite Nummer Sieben * Casanova, Krösus und Schneewittchen * Gespräch mit Max und Moritz * Rentier Rudolphs Weihnachtsgedicht * Strandomat * 23. Dezember * Casanova und Lucinda
Ich verwende in meinen Texten und Büchern gerne Philosophie und Humor.
Deswegen: Phil Humor
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„Ich hatte eigentlich erwartet, dich hier schlafend vorzufinden; wer hat dich geweckt?“ Prinz Richard schaut unters Bett von Dornröschen. Das Bett ist verkleidet mit einem roten Samtvorhang. Dornröschen liegt bäuchlings auf dem mit rotem Damast bespannten Bett. „Also ich habe momentan eine Aversion gegen rot. Erst die gigantische Masse an roten Rosen, die entgegen der Weissagung auch nach 100 Jahren noch sehr aktive Dornen haben, so als seien sie darauf dressiert, wackere Prinzen niederzuringen - und nun dieses rote Himmelbett - sieht verdammt verrucht aus. - Gefällt mir.“ Er setzt sich zu ihr auf die Bettkante. Sie stößt ihn herunter. „Sorry, ein Reflex. Dabei bin ich wohl weit über das Alter, da man die Sittsamkeit hochachten sollte - vielmehr dankbar dafür, dass ein Freiersmann sich zu mir herbemüht.“ Sie reicht ihm ihre Hand. Sie trägt ein weißes ärmelloses Nachthemd. Es ist hochgerutscht, so dass ihre wohlgeformten Beine gut sichtbar sind. Wohl auch der Grund dafür, dass Prinz Richard sich von seiner momentanen Position nicht sofort wieder erhebt. „Gute Sicht ist wichtig. Du siehst entzückend aus, wenn ich mir dieses Kompliment erlauben darf gegenüber einer 117-jährigen Lady. - Schlaf hält jung. Ich sollte mehr schlafen. Lässt du mich in dein Bett?“ Dornröschen betrachtet ihn genauer. „Was ist mit der Fee Carabosse? Wird sie mich erneut verfluchen? - Einen Beschützer könnte ich gebrauchen - so für dies und das - allerdings wirst du mit dem Schwert wohl kaum etwas ausrichten können bei Magie.“ „Ist Liebe denn nicht auch Magie? In allen mir bekannten Märchen ist wahre Liebe mächtiger als böse Magie.“ „Ich kann auch eine böse Prinzessin sein - vielleicht der Grund für meine Bestrafung. Ich meine, wer sticht sich schon an der Spindel und wird verdonnert zu 100 Jahre Bettruhe?! Hierher konnte ich mich gerade noch hinbewegen, bevor diese Müdigkeit über mich hereinbrach - als ob eine zwölfspännige Kutsche über mich hinwegbretterte.“ „Dreizehnspännig - um bei der Metapher zu bleiben: Die 13. Fee sollte man nicht vergessen. Äußerst nachtragendes Geschöpf. Übrigens: Sie lebt immer noch. Auch sehr langlebig.“ Dornröschen wendet sich ihm spontan zu und umfasst ihn. Hatte ich diese Wirkung beabsichtigt, überlegt Prinz Richard, ich sollte diese Taktik beibehalten. Er sieht sich betont besorgt um. „Vielleicht sollten wir mehr Licht machen.“ Er zündet die Kerze an, die auf dem runden Nachttisch steht. Schiebt die roten Fenstervorhänge weiter auf. „Hatten deine Eltern ein Faible für rot? Sieht mächtig sündig aus; gefällt.“
Dornröschen schlägt sich mit der Hand auf den Mund. „Meine Eltern! Wer hat das Reich regiert?! - Bin ich schon aufgewacht - oder träume ich noch immer?“ Sie fasst Prinz Richard an. „Erzähle mir von dir. Irgendetwas, was ich nicht wissen kann. Dass du nicht nur ein Produkt meiner Wünsche bist.“ „Ach, an sich bin ich hier überflüssig. Du bist doch schon wach. Hatte mich so auf den Kuss gefreut.“ Dornröschen hebt das Kinn von Prinz Richard und streicht ihm mit ihrem Finger über seinen Mund. „Dieser Teil der Prophezeiung - entgangener Höhepunkt. Wir können es nachholen - aber erst rausfinden, was los ist.“ Dornröschen eilt zu ihrem Kleiderschrank und greift sich wahllos eines der Kleider - es ist ein grünes Ballkleid, was sofort zerfällt. „Staub!! Ich bin inmitten einer Gruft!“ Sie eilt zu den roten Samtvorhängen des Bettes. Zerrt daran. „Solide. Die halten.“ Sie seufzt. „Offenbar ist alles in deiner Nähe verschont vom Zahn der Zeit.“ „Weh mir! Meine Eltern ... meine Freunde bei Hofe - und alles nur wegen dieser eingeschnappten Fee Carabosse! Goldenes Tafelservice - als ob solche Lappalie Menschenleben ruinieren dürfte!! Wir sollten darüber stehen.“
Es klopft. Die Zimmertür stürzt ein. „Hoppla. Ich falle mit der Tür ins Haus. Dein Prinzessin-Pavillon - verstaubt, dass mein Asthma sich sofort meldet.“ Die Fee Carabosse hustet erbärmlich. Dann schleppt sie sich ins Zimmer - sie stützt sich dabei auf einen sehr langen Zauberstab. Dornröschen springt ins Bett und zieht die roten Samtvorhänge zu. „Mach kein Theater!“ Die Fee Carabosse teilt den Vorhang mit ihrem Zauberstab und richtet ihn auf Dornröschen. Prinz Richard :“Also wenn hier jemand seinen mächtigen Zauberstab zum Einsatz bringen lassen sollte - dann wohl ich!!“ Dornröschen lacht. Prinz Richard: „Zeit für Aussöhnung! Sind 100 Jahre nicht ausreichend Strafzeit? Für was? Das Kind ist unschuldig. Wird für einen Fauxpas der Eltern aufs Übertriebenste bestraft: Welches Kind schickt man schon für 100 Jahre auf sein Zimmer? Das ist böse!“ Prinz Richard deutet mit dem Zeigefinger auf die Fee Carabosse - diese umfasst seinen Zeigefinger, zieht den Prinzen zu sich heran und als ob sie asiatische Kampftechnik beherrschen würde, wirbelt sie den Prinzen hoch in die Luft, wo er verweilt. „DAS ist Magie!!“ Der Prinz antwortet von oben herab: „Wie viel wert ist Magie, wenn sie es nicht vermag, kleinste Kränkungen zu kurieren?! Selbst 1000 Jahre würden dann nicht ausreichen, wenn man kleinlich ist. Doch Großmut ...“ Dornröschen ruft: „Pssst! Fang bloß nicht an mit solch hohen Zahlen. Das bringt sie nur auf Gedanken. Habe jetzt schon arge Rückenschmerzen vom Liegen. - Könnten wir uns nicht darauf einigen, dass mein Erlebnis etwas Symbolträchtiges hat und dass man gewiss etwas daraus lernen könne? Ähnelt doch sehr einem der Volks-Märchen. Möchte gerne, dass Sinn macht mein Leiden. Wer möchte es nicht? - Suche auch du, Fee Carabosse, nach dem Sinn in deinem Leiden - dann gelingt uns beiden das Verzeihen.“ Dornröschen streckt verlegen der Fee ihre Hand entgegen. Die Fee schnaubt. „Rache!!“ Der Prinz spitzt den Mund. „Wie wäre es mit einem Kuss von mir - bin heute noch gar nicht zum Kusseinsatz gekommen. - Holde Fee Carabosse - ich wäre bereit, dir einen sehr anständigen Schmatzer zu geben - und dafür verschonst du Dornröschen. In der späteren Version unserer Geschichte wird es dann allerdings heißen, ich hätte Dornröschen mittels Kuss-Magie erlöst - und hätte dann auch gerne namentliche Erwähnung in dem dann aufzuschreibenden Märchen. Eventuell: Dornröschen und Prinz Richard - Dreamteam.“ Die Fee schmunzelt. „Eiei, er hat Charme. - Ach, was soll‘s; Komm runter von da oben. Habe genug Blödsinn angestellt mit meiner Magie. Geschadet hat‘s mir. Schau dich an, Dornröschen. Jung bist du und wunderschön.“ Die Fee tritt vor den Wandspiegel. „Resultat meiner falsch geleiteten Besorgnis. Ich könne nicht genug gewürdigt werden. Im Hofzeremoniell der Lapsus. Keine Einladung. Was soll‘s?“ Sie spricht ins Spiegelbild: „Ich könnte mir verzeihen - aber von dir, Dornröschen, will ich es nicht verlangen - ich schaue, was ich wiedergutmachen kann.“ Sie schwingt den gewaltigen Zauberstab - das grüne, zerbröselte Ballkleid fügt sich wieder zusammen. „Alles was dir nah, was dir gehört, zu dir gehört, hat unbeschadet nun die 100 Jahre überstanden. Eltern, Freunde ... begrüße sie ... mache Euch nicht zuschanden.“ Die Fee wendet sich zur Tür und während sie geht, verjüngt sie sich. Erschrocken hält sie inne ... betastet sich. Dornröschen schwingt sich aus dem Bett, schaut die Fee genau an, wendet deren Kopf zum Licht. „Sollte man vermarkten. Keine Verjüngungscreme wirkt so überzeugend, wie mit sich selbst im Reinen zu sein. Du bist wahrlich wieder jung ... gute Fee.“ Die beiden Frauen betrachten sich im großen Wandspiegel. Dornröschen hebt ihr Nachthemd bis zur Hüfte und betrachtet ihre Beine. „Alles tadellos, was meinst Du, Prinz Richard?“ „Soweit ich das von hier oben mitbekomme, entgeht mir da einiges. Könnte ich bitte in heldenhafterer Pose teilnehmen an dieser Zurschaustellung von Versöhnung und Verführung?“ Die Fee nickt - und Dornröschen richtet den großen Zauberstab auf Prinz Richard. Dieser schwebt zu Boden und sagt: „Ich fasse mal zusammen: Da du, Fee Carabosse, auf Dornröschen zugegangen bist mit stark verminderter Bitternis, ist dir das süße Geschenk zuteil geworden, dass die salzigen Tränen ...“ Dornröschen küsst ihn. „Da stehen mir ja Metaphern ins Haus! Gut zu wissen, wie man solches in wohltuende Bahnen lenken kann.“ Sie zieht ihn zum Bett. Die Fee: „Auch ich werde mich umsehen im Königreich nach einem passenden Junker. Bin jung. Aufregend jung. - Ich habe dir zu danken.“ Die Fee küsst Prinz Richard auf die Stirn.
ENDE
Ich glaube, ich habe die Isolde zu oft dargestellt; das passiert mir ständig bei meinen Rollen: Ich steigere mich da rein, durchlebe deren Leidenschaften; und dann noch diese Wagner-Wucht: Ich bin schiere Leidenschaft, Inkarnation der Sehnsucht; und Tristan schert sich nicht um Isolde; ich Schaf. Ja, vielleicht, wenn das eine andere spielen würde; bin selber schon in Versuchung ihm einen Liebestrank aufzudrängen; aber stellt ja heutzutage keiner mehr her. Alles nur Requisite; Schauspiel. Na ja, andererseits ganz gut; für unsere Opern-Vorbilder endet es trist. Tristan betätigt sich als Brautwerber und verliebt sich in die Braut, in Isolde. Er sieht gut aus mit seiner Rüstung ... Zum Anbeißen ... Rittersport macht was her. Er ist so reserviert bei den Bühnen-Küssen. Wo ist der verdammte Zaubertrank!
"Ich hätte da Love Potion No. Seven - katapultiert Euch ekstatisch in den siebten Himmel - und das mehrfach." Ich stehe vor dem leeren Orchestergraben und am Geländer des Dirigentenpultes lehnt eine Fee. Sie sieht zumindest so aus: spitzes Feen-Hütchen und Sternen-Kleid. Mit einem überdimensionalen Zauberstab fuchtelt sie umher, als ob sie dirigiere. Könnte ein Scherz meiner Kollegen sein - allerdings schwebt sie jetzt zu mir rüber. Bin ja selber schuld, was fantasiere ich vor leeren Rängen von möglicher Liebe. Ich mache keine Überstunden, ich liebe diese Kulisse. Ich singe gerne; will mich noch nicht freimachen von meiner Rolle, verweile gerne darin; will Isolde sein, diejenige, die Inbegriff ist der Heilerin, der Segensbringerin, der unstatthaft Geliebten. Ich bin die Sünde; verrucht; man kann mir nicht widerstehen. Kann man doch. Zumindest der derzeitige Tristan-Darsteller. Verdammt! Die Fee schwebt genau auf mich zu; will sie mich rammen? Ich haue ihr den Zauberhut runter; mal sehen, wie keck sie dann noch ist, wenn ich ihr mit Karate komme; gehört alles zu meiner Ausbildung. Ich bin tough; und wieso liege ich am Boden? Die Fee hat ihren Pumps auf meiner Brust. Das ist mir jetzt zu surreal. Hatte ein Gläschen Wein. Schrecklich; ich fantasiere; aber nicht uninteressant. Mal hören, was die Fee zu verkünden hat. Liebestrank wäre voll okay. Ich bin zu leichtgläubig. Sie hilft mir wieder auf die Beine.
"Isolde, wenn man so oft wie Du, Opern-Rollen verkörpert, dann gewinnt die Fantasie unglaublich an Macht. Kann Realität verformen. Diese Musik verwandelt Dich, durch Wiederholung entstehen neue Muster: Du eiferst dem Muster nach. Ist es so mit göttlicher Inkarnation? Epiphanie."
"Nun mal langsam. Ich gestatte einer Vision nicht, mir Vorträge zu halten bezüglich Feenhaftigkeit meines Wunsches, Tristan in mich verliebt zu machen. Brauche ich wirklich dafür eine Fee?! Wie entwürdigend! Ich habe Charisma, bin niedlich. - Was würde so ein Liebestrank denn kosten?" Die Fee schwebt über die Logen. "Großer Show-Room; ach, könnte das Welttheater immer so stilvoll sein. Leidenschaft und das Artifizielle. Die Kunst ist größer als das Leben; kommt daher die Sehnsucht zur wahren Kunst, wahren Größe? Ist man deshalb berührt von einer Musik, wie Wagner sie in diese irdische Existenz gezogen hat aus Himmelssphäre?"
"Na, er hat aber viel experimentiert. Einiges verworfen; das Anvisierte kann man oft nur über Müll erreichen. Mut dazu haben, Müll haufenweise und häufchenweise zu generieren!" Ich werfe mit Requisiten um mich; was ich so zu fassen kriege; bin exaltiert. Die Anwesenheit der Fee macht das Wünschenswerte nah; ich spüre die Verwirklichung meiner Träume. Da wäre auch Tristan. Aber wie echt ist Liebe, wenn man einen Liebestrank benötigt - vielleicht nur als Verstärkung, so wie Verstärker bei einem Radio? Ich bin voll auf Droge - Sehnsuchts-Droge; wieso habe ich mich da so reingesteigert? Jedes Mittel ist mir recht, wenn er nur auf mich steht, mich begehrt vor allen anderen dreieinhalb Milliarden femininen Wesen. Die Konkurrenz ist groß. "Ich glaube, ich nehme Love Potion No. Seven - gibt es den auch literweise?"
"Willst Du eine ganze Liste abarbeiten? Wer noch außer Tristan steht auf Deiner Liste?" "Ich bin zu dem Sehnsuchts-Motiv geworden. Ein einziger Tristan-Akkord - lebende Dissonanz, begehre ich denn die Vollendung, die Erlösung in der Vereinigung? Wow, jetzt werde ich mythisch. Ich glaube Fee und Wagner, diese Kombination ist eine Spur zu viel Magie. Ich bin Magie-high." Ich fange tatsächlich an, zu schweben. Da die Fee ihren Zauberstab auf mich richtet, vermute ich, dass sie mir Flugstunden gibt. Mein Kostüm rutscht, fällt zu Boden. Ich habe nur noch mein weißes Unterkleid an. Es ist ein Sport-Dress. Unpassend für die Isolde-Zeit. Ich bin nun mal der sportliche Typ. Vielleicht bin ich Tristan zu burschikos? Ich sollte das Klimpern mit den Wimpern üben und das Haar so schwungvoll zurückwerfen wie Miss Piggy. Ihre Resolutheit. Ich drehe mit der Fee einige Runden über den Theatersitzen. Wie löse ich mein Sehnsuchts-Problem? Ich höre innerlich die Tristan-und-Isolde-Musik - es ist mehr als die Sehnsucht zu Tristan - es ist die Sehnsucht zu Gott. Wagner hat das verpackt in Opern-Musik. Wehe dem, der es ganz auspackt. Na toll, Tristan lugt hinter dem Vorhang hervor. Er wirbelt mit den Armen. Er soll nicht so laut schreien, dieser Moment hat etwas Weihevolles; etwas Schmerzliches; aber es tut gut, über den Dingen zu kreisen. "Zieh Deine Ritterrüstung aus - und schwebe mit uns - macht Spaß." Ich tue ja so, als ob es ein Trampolin sei, wo man sich die Schuhe ausziehen sollte. Das ist Opern-Luftraum, was soll man hier beschädigen? Hoppla, ich ziehe den Kronleuchter hinter mir her; mein Kleid hat sich verhakt. Tristan rennt unter den Kronleuchter. "Ich kann Dich nicht auffangen; was machst Du da oben? Ich könnte die anderen holen und wir bauen Dir ein Sprungtuch." "Immer auf Sicherheit bedacht, der Herr. Sehnsucht wirbelt einen auf höhere Bahnen; ich komme sehr gut alleine zurecht; allerdings würde ich mich über einen Kuss von Dir freuen." Hui, wie freimütig von mir. Ich spüre Feen-Power - fehlt noch, dass ich die Rolle der Fee mir auch noch aneigne; ich assimiliere.
"Ich war noch in meiner Garderobe. Ich muss eingeschlafen sein. Wahrscheinlich ist das ein Traum." Tristan kneift sich. Er hört gar nicht auf, sich zu kneifen. "Was hältst Du von einem Liebestrank? Frisch zubereitet von der Fee." Ich habe mich vom Kronleuchter befreit und lande auf seinen Schultern. Ich könnte auch woanders hinschweben, aber ich finde das sehr passend - kann ja so tun, als sie es ein Versehen. Aber wieso klammere ich mich weiter an ihm fest? Hier ist Erklärungsbedarf. "Der Lüster macht mich lüstern." Saudoofe Erklärung; da wäre Miss Piggy was Besseres eingefallen; woher suche ich mir denn jetzt meine Vorbilder? Das hier ist grotesker als die Muppet Show. Ich spähe zu der linken Loge - könnte ja sein, dass die beiden Lästergreise Waldorf und Statler anwesend sind. Die Zeit schreitet so schnell voran. Carpe diem - aber wie soll ich das, wenn Tristan mich abwirft? Er schüttelt mich ab, als sei ich Fallobst. "Was nun, mein kühner Held, ist Dir die Maid zu schwer? Willst leichtes Mädel?" Was sind das für Avancen; bin ich so keck? Bestimmt Schuld von der Fee. Wo steckt sie? Keine Fee in Sicht. Ui, wie erkläre ich das?
"Hätte Tristan gewusst, dass ein Liebestrank sein Handeln, Denken bestimmt, dann hätte er Isolde von sich gewiesen - wenn es denn einen Gegen-Trank gäbe, der ihn wieder in den Normal-Zustand brächte. Unverliebt, pflichtbewusst, dem Tagesgeschäft zugehörig. Unser die Nacht nimmer. Doch ist Wert der Sehnsucht nicht höher einzuschätzen als das Reglement des Realen? Verändere Realität durch Gefühl, Macht der Fantasie, der Vision, des Glaubens daran, dass unendlich die Liebe ist und unendlich bestehen könnte, wenn man es zuließe ..." Ich steigere mich da schon wieder rein. Aber sein Mund ist so nah vor mir.
"Ich bin verheiratet. Glücklich verheiratet. Tut mir leid, wenn ich Dir da einen Dämpfer zumute; ich darf es nicht zulassen, von Dir betört zu werden. Ich weiß, Isolde in der Oper ist auch verheiratet, mit Marke, dem König, Tristans Onkel. Soll der Neffe die Ehe nicht achten und begehren, was unerlaubt ist?" "Ja ja, ich schäme mich. Wagner ist schuld. Ich muss ganz genau unterscheiden zwischen Bühnen-Rolle und meinem Ich. Aber wir beide wollen Dich. Kann aber auch Illusion sein, ist nicht der Hormon-Cocktail bereits ein Liebestrank? Von was wird man da verwirrt? Urbilder, denen Du gleichst, oder denen ich eventuell gleiche? Tue ich das? Gleiche ich Aphrodite, Helena - oder etwa Miss Piggy?" Er lacht. Kneift mich in die Hüfte. "Du hast Modell-Maße - aber Modells sind ja alle davon überzeugt, dass sie zu viel auf den Knochen haben."
"Jetzt zweimal Love Potion No. Seven?" Die Fee schwebt über uns und drängt uns zwei goldene Becher auf. Tristan zuckt zusammen. Ich habe ihr Kommen gespürt und bin sehr gefasst. Erstaunlich, wie schnell man sich an das Magische gewöhnt. Wer weiß, wenn das Ambiente anders wäre? In einem Großraumbüro vermutet man wohl eher kein Portal ins Überweltliche, aber in der Oper ist man durch die Musik entrückt, vorbereitet auf das Überweltlich-Andersartige. Ob sich dort Fluchtpunkt befindet für meine Sehnsucht? Ein Liebestrank würde es ja nur noch steigern. Warum will ich diese Ekstase? Zufrieden sein, mit dem, was nüchterner Tag zu bieten hat. Tristan redet oft von der Seligkeit der Nacht - und wie ihm Tag als Lüge erscheint. Über uns kreist noch immer die Fee - ihr Angebot ist so außergewöhnlich; soll man das verstreichen lassen? Denkt Tristan so wie ich? Nein, er rennt davon. Beim Vorhang macht er Halt. "Ich lasse mich von Dir nicht in solche Visionen hineinziehen! Das kannst Du Hildegard von Bingen zumuten, aber ich brauche meinen Verstand noch für ... dies und das. Wenn in meinem Lebenslauf steht "Plaudert mit Fee und nimmt regelmäßig Liebestrank zu sich", das klingt grotesk. Allerdings gebe ich zu, dass es einen natürlich reizt, das Magische angeboten zu bekommen, man sollte zugreifen." Die Fee schwebt auf Tristan zu. "Einen Flug-Meter näher und ich eröffne das Feuer." Er bewirft sie mit Seidenkissen. Die Kissen sausen durch sie hindurch. "Wie echt ist diese Fee?! Wie echt sind meine Gefühle? Ja, ich fühle mich zu Dir hingezogen. Lass gut sein. Wir Menschen sind nicht dafür gemacht, uns der Sehnsucht zu überlassen, als sei sie ein Segelboot, was uns von Irland nach England bringt, um als Brautwerber zu fungieren, wo man doch lieber Bräutigam wäre. Verheiratet sein mit der Sehnsucht. Ich kann Dich ja verstehen. Es geht gar nicht um den Partner: Es geht um das, was jemand verkörpert, darstellt - Sehnsucht nach Urbildern, den eigenen und denen des Traumpartners; angelegt ist die Reise als unendlich, die Magie zulassen, dann kann man sich auf die Reise begeben." Er nimmt mich in seine Arme. Wir werden morgen mit ganz neuer Inbrunst singen, schauspielern; es wird wahrer sein, so echt wie die Magie, die nur dann unecht ist, wenn man sie von sich weist. Wir leeren die beiden goldenen Becher.
ENDE
Abseits des Weges den Weg finden: Das hatte mich in das Land der Zauberer gebracht. Man versucht, im Zentrum zu sein, was aber, wenn man das Gegenteil anstrebt? Abseits - größtmögliche Distanz, um von dort das Eigentliche zu begreifen. Hier lebte jeder auf Bergeshöh' - man konnte sich Schloss bauen, Hütte, kleine Burg, es war einem jeden freigestellt. Da die Realität nicht mehr so dicht waberte, nahm man die Magie deutlicher wahr. Ich verglich 'Abseits' im Fußball mit meiner jetzigen Situation: Wenn ich mich im Abseits befand, dann durfte ich nicht ins Spielgeschehen eingreifen. Aber wenn ich mir selber einen Pass zuspielte? Wenn ich selber Schiedsrichter wäre? Vielleicht galt es ja, das gesamte Regelwerk umzuschreiben? Ich fing an, den Ort zu lieben. Es erschien mir als die richtige Richtung. Man darf nur keine Scheu haben vor dem Opfern von Zeit; früher opferten die Menschen das, was sie selber als wichtig erachteten - malten sich aus, dass es auch für die Götter diesen hohen Stellenwert hätte. Und Zeit ist das höchste Gut, es darzubringen, sollte doch Gewähr sein, dass man gute Chancen hätte, dass die Wünsche Gehör fänden.
Nebenan wohnt ein Yeti - er hat sich hierher zurückgezogen, er kann es nicht leiden, dass man großes Aufhebens macht, wenn ihn gesellige Stimmung packt und er auf die Menschen zugeht. Er ist verstimmt; ich habe ihm ein Bad beim Wasserfall vorgeschlagen, auch weil er müffelt. Der Yeti meint: "Wenn es von meiner Sorte sieben Milliarden gäbe, dann würdest Du mich doch gar nicht interessant finden, Du würdest das Gespräch mit mir nicht suchen; jetzt aber hast Du mich zu einem Glas Wein eingeladen, bzw. ich habe mich eingeladen, denn Du hältst es ja nicht für nötig, gute nachbarschaftliche Beziehung zu pflegen. Braucht alles Pflege." Er zupft an seinem Fell. Meine Hütte liegt auf einem Berg, die Gegend hat Ähnlichkeit mit dem Himalaya - aber es ist behaglich, skurriler; liegt an der Menge an Magie, die hier täglich verwendet wird. Ist vielleicht so, wie bei einer überparfümierten Lady, wir übertreiben es mit der Magie; wen wollen wir verführen? Oder geht es um den Rausch, Hoffnung, dass man im Rausch besser nachdenken kann? Der Wasserfall rauscht. Ich habe meine Hütte deswegen so positioniert, damit mir der Anblick des Wasserfalls Freude bereitet. "Sag mal, Du bist doch ein Fußball-begeisterter Yeti - ich habe früher Fußball gespielt und komme mit einer Metapher nicht weiter: Ich denke nach über dieses Land, es liegt abseits; meinst Du, wir tappen in die Abseitsfalle?" "Bitte werde konkreter." Ich werfe Yeti einen Fußball zu. Er donnert ihn in den Regenbogen. Im Land der Zauberer braucht man keinen Regen für einen Regenbogen. Man nimmt nur das Vorteilhafte. "Schau Dich um: Vor uns ein Schloss, es scheint mit dem Berg verwachsen zu sein, seine Kuppeln wirken wie Fingerkuppen und seine Türme wie Finger und Daumen: Hat Ähnlichkeit mit einer Hand. Ich sehe in den Bergen rings um uns Repräsentation Gottes. Spricht durch Ihn, bildet Figuren, die Ihm ähneln."
"Ich bin das vom Himalaya gewohnt. Ich hatte ein Übermaß an Einsamkeit. Du bist darin noch unerfahren; Du lässt Dich verführen von den Möglichkeiten, die als imaginäres Ziel locken." "Imaginär - dieses Wort aus dem Mund eines Mythen-Wesens?" Kondor Kuno bringt den Fußball zurück, den Yeti in den Regenbogen geschossen hat. Da er drei Meter groß ist, macht es ihm keine Mühe, den Fußball im Schnabel zu transportieren. "Das Apportieren liegt mir. Ich glaube, ich war in einem früheren Leben ein Hund. Mal testen." Der Kondor bellt. "Wenn noch zwei Spieler dazukommen, könnten wir Straßenfußball spielen. Yeti, Du hast uns eine sehr schöne Straße in die Berge gehauen. Wo lernt man so etwas?" "Ich habe Geologie studiert auf dem Yeti-College." "Ach was, Du durftest höchstens Maskottchen sein. Gib mir ein K!" Kondor Kuno schießt dem Yeti den Fußball durch die Beine. "Ich habe Dich getunnelt." "Weiß der Geier, wie Du das gemacht hast, ich habe ultra-gute Reflexe. Hier eine Flanke mit Effet!" Der Kondor muss einige Federn lassen. Er stöhnt: "Voll in die Flanke. Jetzt mein Hackentrick. Da geben alle Fersengeld." "Der Konter vom Kondor", kommentiere ich. Sie stecken mich an mit ihren Wortspielen. Außerdem will ich mitspielen.
"Jetzt ein Rückpass auf die Ente Fabian." Sie fliegt ins Spielgeschehen. Ich habe eindeutig zu viele Nachbarn. Die Ente ist zwei Meter groß und raucht gerne Pfeife. "Also dafür, dass ich mich ins Abseits begeben wollte zwecks Meditation - hier ist ja mehr Stimmung als in 'ner Disco." Das kommt mir deshalb in den Sinn, weil die Ente den Ententanz macht - immer um den Yeti rum. "Wird das ein Balztanz? Teambesprechung: Wir müssen professioneller werden. Die anderen Teams sind zwar nicht mit so viel Begeisterung bei der Sache, aber sie sind konzentrierter." "Fußball ist nur dann Magie, wenn da Leidenschaft dabei ist und Spielfreude. Ich bin vielleicht noch ein Grünschnabel, aber beim Fußball macht mir keine andere Ente etwas vor." "Schon seltsam, auf was wir zurückgreifen müssen, um uns aufzubauen. Ja, jeder will so ein Alleinstellungsmerkmal. USP sagt man in der Werbung: unique selling proposition." Yeti: "Mein Differenzierungsmerkmal ist mein einzigartiges, weißes, wuscheliges Fell. Da kommt Nanotechnik-Fleece einfach nicht mit. Ich habe experimentiert: In meinem Bergschloss habe ich jetzt ein Labor. Vielleicht kommt Ihr mal rüber: Ich brauche immer wieder Versuch-Stiere." "Meinst Du nicht Versuchs-Tiere?" "Na gut, meine Artikulation ist zuweilen so, dass ich mich selber nicht verstehe. Das kommt von der Einsamkeit. Jungs, ich bin ja so froh, Euch um mich zu haben. Ist viel schöner hier als im Himalaya. Gruppenumarmung!" Knuddeln mit dem Yeti versuche ich immer zu vermeiden - nicht nur wegen der blauen Flecken - genau die Einsamkeit, die ihn geprägt hat, müsste ich eigentlich anstreben. Wieso verweile ich dann hier mit Zauber-Wesen? Habe sie gerne um mich. Meine Bündnisgenossen. Ich will nicht weiterziehen. Ich muss in mir das Abseits erzeugen, Abseitsposition im Geiste. Aber was ist, wenn sich das Universum mit mir mitbewegt, immerwährender Mittelpunkt? Keiner kann den Mittelpunkt verlassen, das Spielfeld ist nicht bespielbar, wir kommen vom Anstoßpunkt nicht weg. Keine Chance auf Abseits? Und wenn man täuscht? Überflieger, Rabona, Kick and Rush? Oder eine Kabinenpredigt? In der nächsten Halbzeit gewinnen. Ich muss einiges davon laut gedacht haben, denn Yeti fragt mich, ob ich einen Co-Trainer benötige. "Viererkette! Wo ist der Ball? Das Universum als Fußballfeld, als Stadion. Wer will man sein: Zuschauer, Trainer, Stürmer, ..." "Oder das Maskottchen", meint der Kondor und deutet auf Yeti. Daraufhin gibt es ein böses Foul am Kondor, er wird wohl einige Tage mit weniger Schwungfedern auskommen müssen.
"Und hier ein Zuckerpass!" "Die Ente nimmt watschelnd Anlauf und mit dem Außenrist kickt sie den Ball in den Wasserfall." "Die Ente hat doch keinen Außenrist", kommentiert Yeti meinen Kommentar. "Aber sie trägt Turnschuhe." Kondor: "Ich finde, unsere Viererkette wird mit jedem Tag besser. Philosophieren und Fußball - ich liebe das!" Ente: "Was ist, wenn wir für die Galerie spielen - die Tore uns gar nicht mehr so wichtig sind, unsere Aufmerksamkeit dem Amüsement gilt? Hedonismus. Ob wir damit in der Zauber-Liga aufsteigen? Die anderen Teams sind sprintstark. Ich will auch fit wie ein Turnschuh sein." Die Ente versucht, dem Kondor Turnschuhe anzuziehen. "Ich habe zwar nicht das Handbuch für Eremiten gelesen - aber das Setting wäre perfekt. The view from the top can be so lonely - mit Euch aber wird es amüsant. Ach, dann entschlüssele ich das Universum in einer der nächsten Halbzeiten, lasst uns uns die Pässe zuspielen. Hoffen, dass die Götter in Ihrer Loge sitzen. Oder aber sie kicken gelegentlich mit."
ENDE
"Und hier haben wir einen Sitcom Transverter." Der Verkäufer sagte das in so stolzem Ton, als hätte er das Gerät selber entwickelt. "Sieht aus wie ein Toaster." "Das ist ein Toaster; nein, ich meine hier drüben." Er deutete auf einen der Präsentiertische, auf dem sich aber nichts befand. Nicht mal Deko-Material. Wieso war ich überhaupt in diesen obskuren Laden gegangen? Im Hotelzimmer könnte ich jetzt Sitcoms sehen. Interpassivität. Lachkonserven - ernährte ich mich davon? Gab es in meinem eigenen Leben so wenig zu lachen - oder immer noch nicht genug ...? Der Verkäufer breitete die Arme aus, er umarmte den HOLLYWOOD-Schriftzug, der als Mobile über dem Präsentiertisch verheißungsvoll den Betrachter in Hollywood-Sphären locken sollte - und es auch tat: Es gelang ihm bei mir mühelos. Diese Bereitwilligkeit, mich in die Film-Welt zu wagen, Seite an Seite mit den Helden Bravouröses zu leisten - und vor allem ewige Heiterkeit - unendliches Amüsiertsein - sich aufzuschwingen allen Widrigkeiten zum Trotz über den Ernst und ihn auf seinen Platz zu verweisen: unter mir ... Tja, mit Helden und Sitcom-Protagonisten, die einem beistehen - es macht Welt erträglich. Ob Gott auch Zeit für Sitcoms hat?
"Wie wäre es, wenn Deine ganze Welt versitcomt wird? Ist das ein Angebot? Schlag ein!" Der Verkäufer hatte offensichtlich eine Meise. Ich wollte schlagfertig fragen, ob sie auch Vogelhäuschen haben ... Da war es wieder, dieses Bedürfnis zu witziger Replik, im Eifer, den nächsten Lacher sich zu sichern: Ich war auf der richtigen Fährte, ich war im Jagdrausch. "Ja, ich will den Sitcom Transverter!" Sagte ich das tatsächlich im Bräutigam-Tonfall? Okay, ich war in Las Vegas. Hier war allerhand möglich. Ich sollte wie meine Freundin Kelly spielsüchtig sein - sie hatte viele Dates mit Jack Pot, wobei ich mir sicher war, dass sie ihn betrog. Chips machen ein fettes Bankkonto.
"Das ist ein Tagesangebot - extra für Dich. Ich habe teuflisch gute Connections - ich beziehe meine Ware direkt aus der Hölle." Bei diesen Worten sah er sehr verschmitzt aus. Was soll ich sagen - Las Vegas hatte mich eingestimmt auf das Außergewöhnliche, schöner bei Nacht - da kommt die Elektronik besser zur Geltung, die Nacht bietet die Bühne für Traumvisionen, importiert vom Sandmann aus aller Herren Länder. Die Stadt als große Leinwand, hier könnte ich doch auch die Welt mir ein wenig umgestalten, sie soll allerliebst sein, kitschig, verspielt, beschwingt und mit einem Touch Mondänität. Aber ist das nicht ein Widerspruch: extravagante Eleganz nicht en masse? "Ich will Metamorphosen in großen Dosen. Schafft der Sitcom Transverter das? Ist er leistungsstark genug?" Fehlte noch, dass ich fachsimpel ... Der Verkäufer mit seinem roten Anzug ähnelte ein wenig dem Weihnachtsmann - nur ohne Bart und ohne Güte. Was blieb dann noch? Das Hingebungsvolle; das Antizipieren der Wünsche: Bescheid zu wissen über die Herzenswünsche - mit Inbrunst bei der Sache sein - nun gut, das würde einen guten Verkäufer kennzeichnen, aber da war etwas, was darüber hinausging: Da kam Dämonisches mit ins Spiel - und ich war bereit, das in Kauf zu nehmen. Die ganze Stadt verrucht - eine Eigenmarke, eine gelungene Mixtur von Seriosität und Verruchtheit benebelte den Besucher. Ich tastete auf dem Präsentiertisch herum, als suchte ich mein Weihnachtsgeschenk. Das Mobile - der HOLLYWOOD-Schriftzug - tänzelte mir entgegen - besonders das WOO fühlte sich von mir angezogen. WOO - umwerben. To woo somebody - um jemanden werben. Die Casinos buhlten um Aufmerksamkeit, die Schlitze in den Slot Machines wollten gefüttert werden. Seltsames Universum: Es verkündete fortwährend, dass man in der Zukunft gewinnen würde – aber in der Gegenwart fühlte man sich wie Sterntaler: Bis aufs Hemd ausgezogen; ja, man würde für diese Stadt das letzte Hemd hergeben. - Jetzt sah ich auf dem Präsentiertisch, dass sich ein Gerät materialisierte: Es entpuppte sich als Schmetterling - ein Schmetterling aus silbernem Material, sah ein bisschen aus wie der Silver Surfer.
"Zu groß, um ihn ans Revers zu heften ... zu klein, um auf ihm als fliegender Untertasse die Tasse zu spielen." "Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank?!", ereiferte sich der Silver Surfer und surfte ein paar Mal gegen meinen Schädel. Der Verkäufer erklärte: "Also das übliche Prozedere: Er fliegt neben Dir her. Er begleitet Dich - wenn Du bereit bist, den Kaufpreis zu zahlen." "Meine Seele?" "Er hat deshalb Schmetterlingsform, weil das sehr schön den Metamorphose-Gedanken verkörpert. Man verwandelt sich in das, womit man sich beschäftigt. Du siehst sehr viele Sitcoms - was wäre, wenn die Welt sich Dir fortan als Sitcom präsentiert? Die Welt ist ohnehin subjektiv - es steht Dir frei, sie als Sitcom wahrzunehmen. Oder ein anderes Genre? Ist das nicht seriös genug?" "Wie seriös ist es, wenn meine Freundin an den Pokertischen die Poker-Haie harpuniert? Sie tarnt sich im Heringsschwarm. Auch eine Metamorphose. Wolf im Schafspelz genügt nicht - die Verwandlung muss vollständig sein - das ist der wahre Bluff. Die Illusion, der Glaube ist das Entscheidende."
"Kaufst Du mich nun oder was?", fragte mich der schmetterlingsförmige Sitcom Transverter. "Du könntest ein Hightech-Spielzeug sein und kein Markenprodukt aus der Hölle." "Schau, bei mir steht drauf: 'Made in Hölle'. Ich bin direkt neugierig, was wir erleben werden. Ich koste nur 50 $." "Ich sollte ja skeptisch sein, aber jetzt auf das Kleingedruckte zu achten - diese Stadt will nicht, dass man kleinkariert ist. Ich gebe ihr Recht! Soll die Intuition hier frei agieren dürfen - wie anders könnte man diese Stadt der Betrüger betrügen?" Der Verkäufer angelte einen Kaufvertrag aus einer Schreibtischschublade. "Ist nach hinten gerutscht. Es ist ein besonderer Kaufvertrag - für besondere Anlässe - kommt alle 500 Jahre einmal vor." "Ist das etwa ein Phönix aus der Asche - modifizierte Version mit Schmetterlings-Optik?" Würde es so sein, als ob ich noch mehr Verzerrungs-Filter verwenden würde - oder käme ich der nackten Wahrheit näher? Wie sah die Welt aus - vielleicht würde man es nur begreifen als Gesamtheit, wenn man alles als Sitcom-Regisseur dirigierte, kontrollierte: Episoden zu Staffeln geordnet, zusammengehalten von jeweils einer handlungsmotivierenden Frage. Was ist die Welt? Der silberne Schmetterlings-Phönix gehörte jetzt mir.
***
In unserer Hotel-Suite saß meine Freundin Kelly auf dem Bett und warf die Dollarscheine in die Luft. "Ich habe sie alle abgezockt! Oh, glorious day. Halleluja!" "Bitte keine himmlischen Wörter vor Fridolin. Er ist eine Ausgeburt der Hölle - und sehr anschmiegsam." Fridolin hatte es sich auf meiner Schulter bequem gemacht. Er sah jetzt ein bisschen aus wie ein Uhu. "Darf ich vorstellen: ein Sitcom Transverter, der zur Metamorphose fähig ist, und der mir beim Metamorphosieren behilflich sein wird. Denn man verändert sich, wenn man die Dinge anders wahrnimmt. Ein Schub in Richtung Lustigkeit." Kelly legte mir die Hand auf die Stirn. "Hast Du an Deine Schilddrüsenunterfunktion gedacht? Ist da irgendetwas durcheinandergeraten? Soll ich Dir Hormone aus der Apotheke holen?" "Die Hormone, die ich dir verdanke, die gibt es rezeptfrei." Ich küsste sie.
"Und wann stellst Du den Sitcom Transverter an? Muss man da irgendwo raufdrücken?" Sie knautschte Fridolin. "Den kann man verformen." "Ich bin doch kein Püree!", beschwerte sich Fridolin. Also für ein Produkt aus der Hölle hatte der sehr viel Kuschel-Qualität. Ich zeigte Kelly den Kaufvertrag. "Ui, Pergament. Das ist Latein. Ja, das ist üblich: Zaubersprüche klingen auf Lateinisch wirkungsmächtiger als auf Plattdeutsch. Ach, Josef, wer hilft mir, wiegen mein Kindelein?" Kelly raffte sich ein Bündel Dollarscheine und wiegte es in ihren Armen. "Oh, glorreicher Tag! Senke auch morgen den Zauber des Bluffs auf Deine Dienerin." "Sag mal, betest Du da zu einem speziellen Poker-Gott? Solche Zuständigkeitsbereiche kennt die Antike - wir sind modern, da macht einer die ganze Arbeit. - Was hast Du immer mit Glorie? Einen Heiligenschein ergattern wir gewiss nicht, wenn wir kooperieren mit dem verdächtig aussehenden Fridolin."
"Vielleicht bin ich rudimentär - da ist Vieles neu hinzugekommen, bin derselbe und doch ganz anders? Nach so vielen Verwandlungen - kommt Fridolin zum Frieden?" "Lass uns Tischtennis auf dem Esstisch spielen - hier im Hotel gestatten sie uns jeden Spleen. Und erst, wenn ich einen Tischtennisarm habe, dann lasst uns die Welt versitcomen. Wenn ich erschöpft bin, ertrage ich die Scherereien der Welt geduldig wie ein Lamm." Fridolin: "Wir kriegen uns schon nicht in die Wolle - aber wir sind bereits auf Sitcom-Kurs. Die Spleen-Wellen und die Wortwitz-Gischt künden von einem Gag-Unwetter." Kelly sagte zu mir: "Du warst manchmal eine Mimose - wahrscheinlich eine Folge, wenn man einfühlsam ist. Zeit, dass Du konterst mit Sitcom Punches. World is so funny - aber jetzt unterbrechen wir für eine Werbung." Sie zog mich zum Bett; sagte: "Du könntest mir einen Heiratsantrag machen. Woo me – die Lady will umworben sein. Woo me. I’m in a good mood now and likely to give you what you want." "Das sagt doch Rosalind bei Shakespeares 'As you like it'. Ach ja, der Großmeister der Sitcom."
ENDE
Gewissen, pah! Am besten, ich stelle mich erst mal vor, bevor ich mit meiner Wut so richtig loslege; man will ja schließlich wissen, wer sich echauffiert, oder ist allein die Tatsache amüsant, dass da jemandem Unrecht geschah und man kann es genießen als Unbeteiligter? Ich bin der 'böse' Wolf. Standard-Besetzung in diversen Märchen. Gerade gestern machte ich einen meiner Höflichkeitsbesuche bei den sieben Geißlein. Immer noch die Pfote voller Teig und Mehl - und die Kreide im Rachen kratzt! Ja, was ich auf mich nehme - ohne Bösewicht bricht hier doch alles zusammen! Eine Marotte der Menschen und der Leser: Sie wollen Spannung. Aber wehe, es betrifft sie. Abenteuer bitte nur aus der Ferne. Bequemlichkeits-Fanatiker. Weil ihr Leben stocklangweilig ist, sind Akteure wie ich ständig ausgebucht. Ihr wollt mich auf den Distrikt Märchenwald eingrenzen - mich bannen?! Der Jäger hat vorgeschlagen, dass wir Gruppentherapie machen. Im Haus der Geiß. Sitze also brav mit einer Tasse Tee vorm Kamin. Wie peinlich, wenn das mein Rudel wüsste. Wie er mir gegenübersitzt; beständig zu seiner Flinte greift; sich versichernd, dass sie ihm eine Hilfe wäre, falls es mich gelüsten würde, mit elegantem Satz ihn zu bespringen - oh, Pardon, war dubios formuliert. Aber die Geiß verklage ich noch. Sie ist doch keine zugelassene Ärztin. Wie unhygienisch ist das denn: Mit verrosteter Schere schneidet sie mir mein schönes Fell kaputt - gut, sie hat es wieder zugenäht; aber die Wackersteine müssen demnächst mal raus. Lieber nicht durch den Darm. Gallensteine wären ein Klacks dagegen. Wieso setzt sich Rotkäppchen auf meinen Schoß! Sehe ich aus wie ein Kuscheltier? Ist das Provokation - oder mag sie mich? Wahrscheinlich Mitleid. Sehe erbärmlich aus. Gerade aus dem Brunnen gezogen. Tropfnass. Wackersteine sind geschmacksneutral - haben aber wohl Ballaststoffe. Habe von der Therapiestunde noch gar nicht so viel mitbekommen. Hänge meinen eigenen Gedanken nach. Na, das merkt Ihr ja. Wichtig ist mir, dass Ihr meinen Standpunkt versteht - deswegen lasse ich vorerst keine andere Sichtweise zu. Ja, Kennzeichen des Bösewichtes: Er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Oder gelte ich dann nur als antiautoritär erzogen? Habe Hunger.
"Nein, Wolf! Falle nicht zurück in archaische Verhaltensweisen." Ich finde, der Jäger sieht aus wie ein Jägerschnitzel. "Dies ist eine Broschüre für Veganer." Er drückt mir das tatsächlich in die Pfote. Die Geiß stellt eine große Salatschüssel auf den Tisch. "Nun haut mal kräftig rein." Ich gehe in die Offensive: "Ich würde gerne bei der Hexe in die Lehre gehen. Dazulernen. Mich weiterbilden." Farbe bekennen; zeigen, dass man willens ist, sein Optimum zu leisten auf dem von der Natur zugedachten Gebiet. Aber ich lasse mich nicht festlegen auf die Rolle des Bösewichts. Ja, ich habe ein paar Tiere auf dem Gewissen - aber plagt mich das? Das ist meine Art zu leben. Rotkäppchen füttert mich mit Salatblättern. Wird das hier 'ne fiese Gehirnwäsche?
"Wir könnten eine Aversions-Therapie versuchen", meint der Jäger, "ich hypnotisiere Dich." Er lässt seine Taschenuhr vor mir hin- und herpendeln. Ich beiße ihm ins Handgelenk. Danach balgen wir uns auf dem Teppich. Rotkäppchen feuert mich an. Ich versuche, eines der Geißlein an den Hinterhufen zu erwischen. Die Geiß tritt mir in den Bauch, trifft aber die Wackersteine. Ihr Wehgeschrei nervt uns alle. Ich setze mich wieder in den Sessel. Habe den Verdacht, im Tee ist ein Beruhigungsmittel. Sehe alles doppelt. Vierzehn Geißlein.
***
Ab hier erzähle ich mal. Ich heiße Gesine Geiß; und ich fand die Idee des Jägers zunächst fantastisch. Hej, lass uns den Wolf therapieren; appellieren an sein Gewissen. Ich bin sehr für Diplomatie; manchmal wünschte ich, ich wäre ebenfalls ein Raubtier und könnte mir meinen Teil an der Welt mit Prankenschlag und Fauchen sichern. Das Dilemma ist: Fressen oder gefressen werden - das ist die Losung der Welt. Aber wir hier im Märchenland sind nicht so festgelegt auf das Übliche - da könnte der Wolf sich doch auch anpassen und seinen Ernährungsplan den Gegebenheiten anpassen. "Es ist mir nicht gegeben, mich von Blattsalat zu ernähren; wir sollten das mit einbeziehen in die Vorwurfs-Debatte." Der Wolf nun wieder.
"Warum müssen wir uns immer in den Haaren liegen?", fragt Rotkäppchen und flechtet dem Wolf Dreadlocks ins Fell. "Haben wir jetzt nicht schon genug Filz?", wehrt sich der Wolf. "Machst jetzt einen auf politisch korrekt?", fragt kiebig das älteste Geißlein. Die Standuhr schlägt zur vollen Stunde. Mein Jüngstes hatte sich darin versteckt; als ich daran denke, werde ich so wütend, dass ich die Bratpfanne hole und den Wolf versohle. Das gelingt deshalb problemlos, weil er vom Beruhigungsmittel im Tee high ist. Ist nicht nur Baldrian - auch zwei illegale Drogen. "Man könnte jetzt mit der Hypnose beginnen - oder mehr Tempo, einen Gang zulegen: Gehirnwäsche. Ist aber keine saubere Sache, das Gewissen bekommt einen Grauschleier." Jetzt fachsimpelt der Jäger über Moral; Moral ist Luxus. Keinen Schongang für den Wolf.
Rotkäppchen: "Darf ich Plan T vorschlagen? Schaut, dieser Tisch, das ist ein Cousin vom Tischlein-Deck-Dich." "Tische haben keine Verwandtschaft." "Gesine, sei doch nicht so unmärchenhaft. Lass Deine Angst nicht stärker sein als die Magie. - Ich präsentiere: Tischlein-Deck-Dich, Version 2.0. Damit sind einige der fundamentalsten Probleme im Märchenland vom Tisch." Es ist ein sehr kleiner Tisch. "Wächst der noch?" Der Tisch tritt mich mit zwei seiner vier Beine - abwechselnd und sehr resolut. Ich bin in Versuchung, die Axt reinzuholen. "Na warte, ich mache Brennholz aus Dir!" Er verwandelt sich; bekommt eine verspiegelte Oberfläche. "Spieglein, Spieglein, an das man sich wandt', es hat unendlichen Bestand: Die Gaumenfreuden teile ich mit Freunden." Ich bin mir nicht sicher, ob ich dem Tisch glauben soll. Der Bauch des Wolfes grummelt. Zicken-Kräfte aktivieren! Den Tisch nehme ich mir jetzt vor. Kreuzverhör. "Nenne uns Deine Zulieferer. Von woher stammt Deine Ware?" Mein Gewissen meldet sich zu Wort. Wollte ich das? Anonymisierung. Nicht wissen, woher die Tiere stammen, der Tisch als Vermittler? Wessen Geißlein wären betroffen? Ist der Tisch mein Agent - wir in der Rolle des Wolfes? Tricksen, Beute anschleppen, die Zähne hineinhauen. Mich schaudert's. Oder ist das Verstellung - habe ich die Moral schon längst ad acta gelegt? Wolf oder wir - Kooperation ist wider die Natur. Der Wolf steht doch morgen wieder auf der Matte. Ersatz für meine Geißlein - der Tisch soll Opferlämmer besorgen! Plan T: Die Hilfe des Tisches annehmen? Oder aber, die Gesprächs-Therapie macht Fortschritte. Der Wolf kommt wieder zu sich. Ich schnappe mir die Flinte. Aber im Märchenreich kommen sie alle wieder - Wiederholung, Feiern des Symbols; überleben, weil man Symbol ist, anderen etwas bedeutet.
Rotkäppchen: "Zuflucht zu Magie: als Ausweg aus unserer Unversöhnlichkeit." Der Wolf beugt sich über den Tisch. Er sieht sein Spiegelbild. "Ich spüre Seelenverwandtschaft. Aus welchem Holz man geschnitzt ist - man erkennt sich." Er schnüffelt am Tisch. "Noch riecht es nicht nach Leckereien, aber die Vorfreude und die K.-o.-Tropfen benebeln mich. - Wo ist denn hier die Essensausgabe? Muss ich unsichtbare Schubladen ziehen?" Er macht pantomimische Bewegungen. Der Tisch lacht. Wenn er jetzt sagt 'Reingelegt', dann kippt die Stimmung vollends ins Anarchische. Der Wolf geht in die Küche und holt Eiswasser. Er bespritzt sein Fell damit. "Muss wieder richtig wach werden. Ich finde das gut, dass Ihr Euch Gedanken macht; wie wäre es mit Brainstorming?" Da legt der Tisch los; er spuckt Lebensmittel aus, als sei er ein Warenautomat, der mit zu viel Münzen gefüttert wurde. "Er beschießt meine Möbel!" Wir hechten hinter das Sofa. Das jüngste Geißlein versteckt sich im Uhrenkasten. Ich werde von einer Konservendose getroffen. "Ich bin so satt, ich mag kein Blatt", sage ich als Reflex. Was man für einen Unsinn redet. Bin doch eine gänzlich andere Ziege als die aus dem Tischlein-Deck-Dich-Märchen. Ich liege neben dem Wolf. Er meint: "Ich bin ja kein Innenarchitekt, aber dieses Plüschsofa - Du hast einen Geschmack wie eine Kuh." Rotkäppchen stimmt ihm zu: "Wahrscheinlich ist der Tisch gereizt durch das scheußliche Ambiente. Das Biedermeierliche ist zu dominant." "Aber hätten wir eine Digitaluhr, statt der riesigen Standuhr, dann wärest Du mit Deiner Freveltat ungesühnt davongekommen." Der Wolf sagt zu mir: "Machst auf harmlos - dabei bist Du eine wackere Kriegerin, die sich mit Wackersteinen sehr gut auskennt. Wieso bin ich eigentlich nicht aufgewacht, als Du die Chirurgen-Nummer durchgezogen hast?" Ich zeige ihm die K.-o.-Tropfen. Der Tisch beendet sein Bombardement; sagt: "Ich bin hier auf Friedensmission." Der Tisch schießt dem Wolf eine Leberwurst zu. "Ich will ja keine beleidigte Leberwurst sein - und zum Zeichen meines guten Willens, genieße ich jetzt in aller Ruhe diese köstliche Leberwurst." Der Wolf übergibt sich. Er schaut auf das Verfallsdatum. "Seit drei Jahren abgelaufen!"
Der Tisch: "Was meinst Du wohl, woher ich meine Ware beziehe? Zum Teil alte Militär-Bestände. Muss da günstig rankommen. Ihr erwartet kostenlose, sofortige Lieferung. So etwas gibt es im gesamten Online-Handel nicht. Na ja, mit Drohnen vielleicht. Mein Job bringt überhaupt keinen Spaß! Tischlein deck Dich! Geht Ihr doch in Deckung!" Der Jäger wirft sich auf den Tisch. "Ich werde unterdrückt!" Der Tisch versucht, den Jäger abzuwerfen. "Ein Tisch-Rodeo!" Meine Geißlein sind begeistert. "Na ja, besser als ein Schaukelpferd. Aber mit der Essensproblematik sind wir noch keinen Schritt weiter." Ich schnauze den Tisch an. Hoppla, kenne ich gar nicht von mir. Ich gebe mit der Flinte des Jägers einen Warnschuss ab. "Haben wir jetzt einen Deal, sonst heißt es: Tischlein versteck Dich und leck mich!"
Der Tisch: "Für Freunde hätte ich natürlich auch einwandfreie Köstlichkeiten anzubieten. Pralinen, Bonbons, Kuchen …" Bei diesen Worten produziert das Tischlein-Deck-Dich Geschenkpackungen. Der Wolf überreicht mir eine davon. "Ich brauche Vorkoster." War ja klar. Ich nehme mir eine Praline und hoffe, es ist die Geschmacksrichtung Hafer. Da befrage ich mein Gewissen, wie ich mit dem Wolf verfahren soll in dieser verfahrenen Situation … Männer geben ja nie zu, dass sie sich verfahren haben. Der Wolf schnappt sich das Tischlein-Deck-Dich. "Mal sehen, wie wir beide miteinander auskommen. Friede, Freude, Eierkuchen. Aber nicht jeden Tag. Manchmal bitte auch ein Steak."
ENDE
Willkommen im Wotel, dem ersten Weltraum-Hotel. Ich hatte mich breitschlagen lassen, das Wotel auf Tauglichkeit zu prüfen - nicht so sehr auf Familientauglichkeit, sondern das, was dem vorausgeht: Die Flitterwochen-Tauglichkeit, geht es bumsfidel da her oder stapeln sich die Probleme? Frisch getraut, so traut man sich ... Von wegen, schon der Flug ins Wotel ist für jemanden, der Achterbahnen als größte Herausforderung seines Lebens ansah, ein ganz besonderes Erlebnis: Mir schwinden die Sinne, wie soll ich da an Sinnlichkeit denken ... und Veronika schaut mich erwartungsvoll an, als ob ich ihr Weltraumritter sei. Wotel - klingt ein bisschen zu monströs - es sind vier Suiten. In jeder könnten vier Personen sich aufhalten; hätte ich doch meine Ex-Freundinnen mitnehmen sollen? Mit derlei Gedanken versuche ich mein Lächeln nicht verschwinden zu lassen, auch wenn mir Alfred einiges an Unannehmlichen anvertraut hat ... vermutlich hat er die gräulichsten Sachen beiseitegelassen, so wie man einem Besucher eines englischen Schlosses nicht die ganz Wahrheit in puncto Hausgeister offenbaren wird. Meine Schreckgespenster, meine Geister, das sind: die rasante Technik und ihre Kinder. Nun gut, ich bin Programmierer, aber da habe ich immer das Gefühl, ich könnte den Computern diktieren, wo es langzugehen hat. Aber wie debugge ich mich selber? Mein Angst-Programm feiert Feste. Alfred ist mein Schwager, der Bruder meiner Frau Veronika. Tja, wozu Vetternwirtschaft gut sein kann, sie schleudert einen in höchste Positionen. Ich hasse diesen Schleudersitz. Ich will hier raus! Andererseits die Aussicht. In zweifacher Hinsicht. Aussicht auf die Erde aus 400 Kilometer Höhe, wem bietet sich so etwas schon? Andere zahlen dafür Millionen. Mir wird es in den Schoß gelegt. Aber ich muss mit meinem Schoß einiges leisten. Sex im Weltraum - was ist möglich, und wie oft, und geht es auch andersrum? Vom Stellungskrieg und anderen Peinlichkeiten. Die Öffentlichkeit wird davon erfahren, ich soll einen detaillierten Bericht verfassen. Wir wären offiziell die Ersten, die es im Weltraum treiben. Treiben in einem Wotel; es treibt auf blauer Sphäre, um sich das Dunkle. Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, packt mich die Abenteuerlust und außerdem sieht Veronika sehr sexy aus, trotz Raumanzug. Den dürfen wir erst ablegen im Wotel. Ich klammere mich an meinen Raumanzug wie an eine Kuscheldecke. Gebe ich nie wieder her. Schutz und Sicherheit - da sind doch die bösen Strahlen – andererseits, es ist ein Schritt näher zu Gott. Aber was sind 400 km schon im Verhältnis zu ... Wo wohnt er eigentlich ... Milchstraße, welche Hausnummer? Ich steigere mich absichtlich in wirre Gedanken, das mache ich immer, wenn mir mulmig ist. Lenkt gut ab, drängt die Gefahr beiseite; und vielleicht gestatte ich ja der Vorfreude, sich bemerkbar zu machen, wie ein kleines Gewächs, das aus dem Erdreich hervorsprießen darf. Apropos hervorsprießen - gemäß Alfreds Bericht müssen wir zwei bis drei Tage warten, bis an Erektion zu denken ist, denn die Schwerelosigkeit redet da ein Wörtchen mit. Da versackt das Blut nicht in den wichtigen Bereichen, sondern auch der Kopf wird genügend durchblutet - völlig unnötig bei den Tätigkeiten, die ich plane. Ich blicke zu Veronika und mache Thumbs Up. Ja, die Aussicht auf Weltraum-Sex. Wah, das weckt den Tiger in mir; wozu Sex alles gut sein kann - man wird mutiger, es zieht einen ins Weltall; ich, im Höhenrausch; ich werde Menschheit voranbringen mit Ejakulations-Power. Wie komme ich jetzt auf Rückstoßprinzip? Wir haben angedockt. Die großen Solarpanelen des Wotels winken mir zu, oder ich bilde es mir ein, aber mir scheint, es freut sich auf unseren Besuch, es wird durch uns entjungfert. Hihi.
Alfred ist da eine tolle Erfindung gelungen: Zunächst hatte keiner an sein Projekt geglaubt; das Unfinanzierbare war das geringste Argument. Man sah nur die Risiken. Und es sei doch unnötig, da im Orbit zu kreisen - aber wie Touristen nun mal sind, sie wollen überall hin. Wie die Viren. "Ich bin ein Touri, bin ein Pionier." Das singe ich - ja das Wotel soll wissen, dass ich guten Mutes bin; und Veronika demnächst guter Hoffnung? Aber nein, Alfred meint, das mit der Schwangerschaft, das würde im Weltraum ohne Gravitationskraft nicht funktionieren. Ach, alles mal testen. Ich fühle mich wie eine Laborratte. Aber mit Elan. Auf zum Experiment. Ich ziehe Veronika hinter mir her. Juhu, wir haben alle vier Suiten für uns allein. Tja, der Anblick der ersten Suite ist ein wenig ernüchternd: Fühle mich wie in einem Wohnwagen; super-steril, aber schöne große Bullaugen; na ja, eher wie ein Unterseeboot; die See ist ja auch unter uns. Ich habe weiter hier nichts zu tun, brauche das Wotel nicht zu steuern, nicht zu programmieren; Lustobjekt im Dienste der Wissenschaft zu sein - ich gewöhne mich an meine neue Tätigkeit. Die NASA hatte immer jegliches Interesse daran geleugnet: Sie seien doch kein intergalaktisches Bordell - die ISS top-seriös - der Steuerzahler weiß, wofür er zahlt, nur für Wissenschaft pur. Nun ja, und wenn es zum Mars geht - 520 Tage hin und zurück, wie bewältigt man das ohne Sex? Wir leisten Pionier-Arbeit, gar nicht lange Rumfackeln - vielleicht klappt es ja doch trotz aller Unkenrufe. Allerdings haben wir beide mit plötzlicher Übelkeit zu kämpfen. Ja, die Schwerelosigkeit - unser Gleichgewichtsorgan ist schockiert, dass da unser Gegenüber auf dem Kopf schwebt; es revoltiert. Mmmh - über Kopf - wäre eigentlich eine gute Sex-Position. Ich spreche Veronika darauf an. Und sie nickt zustimmend. Ich schicke Alfred raus. Wir wollen uns akklimatisieren. Akkommodieren. Und uns elektrisieren aneinander, Körper verlangen nach Reibung. Hoppla gar nicht so einfach, wenn man wie ein Gummiball voneinander abprallt. Könnte aber Spaß machen. Ganz neue Positionen gilt es einzubringen in das Weltraum-Feeling. I feel so good. Good vibrations. Der Programmierer in mir erwacht: Austüfteln, was an Neuem möglich ist; es gibt mehrere Wege nach Rom. Überall Haltegriffe und Klettverschlüsse. Riemen. Hmm, man könnte ein Sado-Maso Studio hier errichten - wäre den Wotel-Betreibern aber gewiss nicht recht. Es geht um Liebesnest und Liebesglück-Idylle. So soll es vermarktet werden. Und so soll es von uns getestet werden. Auf zum Härtetest. Ohw, Alfred hatte recht, das könnte dauern. Veronika sieht schuldbewusst aus. Liegt es an ihr? Ich könnte ja so tun, als ob. Mal sehen, was sie sich ausdenkt, um diesen Zustand zu beheben. Sie ist sehr einfallsreich. Ich liebe es, wenn Frauen kreativ sind. Ja, es liegt an uns, was wir so erfinden, wir sind Pioniere. Wenn wir mit dem Althergebrachten hantieren wollen - das können wir hier vergessen. Neue Wege sind gefragt. Aneinander vorbeischweben, sich behutsam nähern, vorübergleiten wie zwei Fischlein, sich umschlängeln - Akrobatik pur, alles das, was zu Hause zu Bänderdehnungen und Rückenverschleiß führen würde, ist hier Akrobat schööön! Ich juble, und verfasse schon in Gedanken meinen Lobeshymnen-Bericht.
"Schatz, das sind die ultimativ besten Flitterwochen." Veronika scheint zufrieden, auch wenn noch nicht alles so nach Plan verläuft, hier läuft noch gar nix; tatsächlich schwer in Schwung zu kommen trotz mentaler Begeisterung. Es ist der Körper, der Widerpart bietet. Ihm ist das alles zu ungewohnt. Er will seine Schwerkraft, beharrt darauf, wie ein störrisches Kind seine Lieblingspuppe wiederhaben will. "Du bist meine Lieblingspuppe", raune ich Veronika ins Ohr; mir fällt ein, dass das bedeuten könnte, ich übe Kritik an ihr, sie sei zu inaktiv. Wie das wieder gutmachen? Ich mache sie auf die tolle Aussicht auf unseren Planeten aufmerksam. "Schön blau. - Du, ich glaube, ich melde mich für die Mars-Mission. Ich bin so was von Pionier-mäßig gut drauf, ich werde alles entdecken, neue Sinnlichkeits-Ländereien. Lass mich Dich erkunden." Hui, sie nimmt es mir ab. Ich, der Schwerenöter, hier ganz unschwer. Die erträgliche Leichtigkeit des Seins. Ich stupse Veronika und sie saust zum andern Ende der Suite. Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein. Frei von Zwängen - und das von Finanziers unterstützt. Ich bin im Himmel.
ENDE
Ihr kennt mich als das tapfere Schneiderlein; es gibt da einiges zu korrigieren in meiner märchenhaften Biografie - sie ist erstunken und erlogen. Es waren nicht sieben Fliegen, denen ich mein Glück verdanke. "Streicht das aus dem Protokoll!", hatte ich den Gebrüdern Grimm zugerufen, aber haben sie jemals auf Figuren aus dem Märchenland gehört? Was das Volk sagt, was kolportiert wird, das sei das Ursprüngliche?! Irrtum! Ich weiß es aus erster Hand. Mit dieser Hand habe ich die Lüge auf meinen Gürtel genäht: "Sieben auf einen Streich". Ich war verzweifelt. Ich kannte die Prinzessin. Und da saß ich nun in meinem Schneider-Loft - verflixt und zugenäht! - und war verdammt dazu, mein Leben weitab von
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Publication Date: 10-07-2014
ISBN: 978-3-7368-4565-7
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