Kapitel 1
Es war Sonntagmorgen. Ich war gerade dabei meine Müslischüssel zu leeren, als meine Mutter Jean in das Wohnzimmer kam und mir mitteilte, dass ich heute einige Einkäufe in der Stadt zu erledigen habe, weil sie das zeitlich nicht schaffte. "Geht klar", antwortete ich und zwang mich zu einem lächeln.
Als ich fertig gefrühstückt hatte und frisch geduscht war, zog ich mein dunkelblaues Sommerkleid an und zupfte meine widerspenstigen hellbraunen Ringellöckchen zurecht. Ich stieg auf mein Fahrrad und brauste los in die Stadt. Mein klapperndes altes Fahrrad schaffte genau 2 Kilometer, wie ich auf meinem Tacho erkennen konnte, dann brach es zusammen. "Scheiße!" schrie ich. "Man kacke!!"
Dann schmiss ich das alte Schrottding auf den Rasen. Was sollte ich jetzt tun? Zu Fuß konnte ich unmöglich die restlichen 4 Kilometer zurücklegen.
Nach gefühlten 2 Stunden beschloss ich ein stückchen Richtung Innenstadt zu laufen und mein Rad einfach liegen zu lassen. Ich war sehr erleichtert, als ich endlich die ersten Wolkenkratzer erkennen konnte. Das erste, was ich von der Stadt zu sehen bekam, waren zwei Jungs, etwa in meinem Alter, die lässig mit ihren Skateboards auf mich zu kamen. Bei mir angekommen, blieben sie plötzlich stehen. "Hey." sagte der eine und fuhr sich mit der Hand lässig durchs Haar. Er trug eine weite, braunkarierte Shorts, schwarze Vans und ein blau- schwarzes T- shirt.
"Was machst du denn hier so verlassen?" neckte er mich. "Mein Fahrrad ist kaputt." jammerte ich. "Ich muss irgendwie in die Stadt kommen."
"Ohje.", lachte der Junge. "Na ja, wir könnten dich ja begleiten. Ich heiße übrigens David. Und das ist Richard." Er deutete auf den jünger wirkende. "Wie heißt du?"
"Luna. Luna Brooke." Ich lächelte. Er sah wirklich unglaublich gut aus. "Okay, Luna. Bist du aus Manchester? Ich hab dich hier noch nie gesehen."
Ich lachte. "Gut, Manchester ist kein Landdörfchen. Aber ja, ich bin von hier." Auch David lachte. "Okay, also dann kennt man sich jetzt offiziell." grinste er mich an. "Komm, Rich. Wir begleiten Luna ein wenig. Wenn es dir nichts ausmacht, Luna?!" Rich verdrehte bloß die Augen, stellte sich auf sein Skateboard, schüttelte noch mal sein viel zu langes dunkelbraunes Haar und brauste Richtung Manchester City. David nahm sein Board in die Hand und ging neben mir her.
"Machst du sowas öfter?" grinste ich ihn frech an. "Was meinst du?"
"Einfach irgendwelche Leute ansprechen und mit den mitlaufen..."
"Achso...", Plötzlich wirkte er unsicher. Auf diese Frage war er nicht vorbereitet.
"Ähm. Also gut. Ich sprech nicht jeden an." peinlich berührt grinste er mich an. Er hatte ein extrem süßes Grinsen. Seine Augen leuchteten dann so schön und seine Mundwinkel formten sich zu Grübchen.
Wir liefen entlang der Landstraße in der prallen Sonne und seine rot- blonden Welligen Haare leuchteten. Ich lachte ihn an. "Wie muss ich das verstehen?"
Ja, man konnte es flirten nennen. Aber man konnte auch einfach sagen, wow, die beiden verstehen sich auf Anhieb super. So etwas gibt es nicht oft. Zum neidisch werden...
"Ich weiß nicht." sagte er bloß frech heraus, grinste mich an, stieg auf sein Skateboard und führte mir ein paar Kunststücke vor. "Woow." Ich war sichtlich begeistert. "Okay, David. Wenn du es selber nicht genau weißt, vielleicht kann ich dir ein wenig auf die Sprünge helfen. Du sprichst ausschließlich nur Mädchen an, richtig?"
Er überlegte kurz sagte dann aber: "Stimmt!"
"Du sprichst aus reinem Prinzip raus nur Mädchen, die dir gefallen an."
"exactement." Er zwinkerte mir zu, streckte mir die Zunge raus und fuhr vor zu seinem Bruder.
An der Kreuzung zur Innenstadt und zu den Parks warteten die beiden auf mich. "Maan brauchst du lange." neckte David mich.
Wir gingen ungefähr bis zur ersten Hauptstraße, dann sagte David plötzlich: "Hey. Luna. Wir müssen leider wieder. Aber wir sehen uns doch bestimmt wieder, oder? Wo wohnst du?" Ich nickte eifrig und antwortete: "Öhm, am Rand der Stadt. Der Ort heißt Swinton. Ich weiß nicht, ob du ihn kennst."
David überlegte kurz, antwortete dann aber: "Klar, ich komme morgen vorbei. Wir sehen uns. Bis morgen!"
"David, warte mal!" Doch er war schon weg.
Was für ein schräger Typ, dachte ich. Spricht mich einfach mal auf der Straße an, hat keine Ahnung in welcher Straße, geschweige dennwelches Haus und kommt mich morgen besuchen. Ich muss zugeben, ich war leicht verwirrt.
Aber weil ich nicht länger drüber nachdenken konnte und meine Erledigungen machen musste, ging ich schnurstracks auf die Fußgängerzone zu.
Ich brauchte nicht lange, weil ich genau wusste, wo ich hin musste und alles auf einem Weg lag. Als ich endlich fertig war, guckte ich noch ein bisschen in Kleidungsläden rum, probierte dieses und jenes Top an, machte mich aber schließlich auf den Heimweg.
Kapitel 2
Zu hause angekommen winkte Jean mir aus der Küche zu und hielt den zwei- jährigen Collin auf dem Arm, der mich fett angrinste und mir schließlich die Zunge rausstreckte. Ich verstand nicht ganz warum und guckte ihn nur blöd von der Seite an. Ich schloss mein Fahrrad am Terassengeländer an, nahm die Einkäufe mit ins Haus und stellte sie auf den Ablagetisch. "Hey Luna!" sagte Jean freundlich und umarmte mich kurz. "Hi." sagte ich und kniff Mac frech in die Wange. "Auatsch." maulte er und tat so, als ob er heulen müsste. "Ähm, Luna. Wir haben neue Nachbarn bekommen.Sie sind heute erst richtig eingezogen und haben uns eingeladen, sie heute Abend zum Essen zu besuchen. Um sie ein bisschen besser kennen zu lernen."
"Aha." meinte ich nur knapp. Die letzten Nachbarn die hier gewohnt hatten, hatten es erstens nicht lange ausgehalten in dieser Landluft und waren zweitens immer irgendwelche alten Omas und Opas, die mich rein gar nicht interessierten. "Luna, die beiden sind wirklich nett."
Na das klang ja nun nicht nach einer Großfamilie. "Sie haben sogar zwei Kinder." Aha. Also doch. Ich war überrascht. Meine Mutter machte Fortschritte. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, ich war ziemlich erfreut, dass wenigstens Kinder dabei waren. Wenn sie nun auch noch in ungefähr meinem Alter waren, umso besser. "Es sind zwei Mädchen. Sie sind Zwillinge und ungefähr in deinem Alter." Das klang doch noch besser. Mmh. Okay. Ich sollte mich blicken lassen heute Abend. "Mam? Ich bin auch fast mit der Schule fertig." meinte ich jedoch trotzig. Es stimmte. Ich war gerade dabei meinen Realschul- Abschluss zu beenden. Im nächsten Jahr würden die Prüfungen anfangen.
"Ist ja gut. Also, kommst du mit?"
"Klar." sagte ich schlicht und dabei blieb es auch.
Als wir am Abend auf den anderen Hof rüber gingen, war Mac bereits schon im Bett. Die Osthaus' waren eine sehr freundliche Familie. Sie hatten uns extra heute Kuchen gebacken und einen Tisch mit Kerzen raus in den Sternenhimmel gestellt. Die "ältere" von beiden war Julietta. Aber da die beiden Zwillinge waren, war da eigentlich nicht soo der größte Altersunterschied. Vici war einen halben Tag jünger. Aber ich mochte sie trotzdem irgendwie lieber. Das witzige an der ganzen Sache war, dass die beiden doch tatsächlich am gleichen Tag wie ich geburtstag hatten. Das heißt wir konnten die nächsten Jahre zu dritt den Geburtstag feiern. Victoria und ich lachten den halben Abend und amüsierten uns gut. Wir sprachen über dieses und jenes, aber Julietta integrierte sich nicht so richtig bei uns ein. Sie saß den ganzen Abend auf ihrem Stuhl, starrte in die Nacht und sagte keinen Ton. Als Vici und ich später losgingen, in der Gegend spazieren, erzählte sie mir ein wenig von ihnen. Sie beide waren 15. Also wirklich am gleichen Tag, im gleichen Jahr wie ich geboren. Sie kamen aus Forks. Einem regnerischem Kaff im Bundesstaat Washington in Amerika und waren froh jetzt hier in Manchester in der "Sonne" gelandet zu sein. Auch wenn wir von Europa trotzdem noch eine der höchsten Niederschlagsraten hatten, war das hier wohl ein Luxus zu Forks. Ich fragte erstmal nicht nach Julietta. Doch später kam Vici von selber auf sie zu sprechen. "Sie hatte es schwer mit dem Umzug." mehr sagte sie eine ganze Zeit nicht. Wir setzten uns auf eine Mauer und ließen unsere Beine baumeln. Als sie dann immernoch nichts sagte meinte ich schließlich: "Warum?"
Darauf folgte eine Weile immernoch nichts. Ich blickte Vici an. In ihre verschiedenfarbige Augen. Sie hatte keine perfekten Gesichtszüge. Aber hässlich war sie auch nicht, etwas schlaksig und ihre Bewegungen wirkten vielleicht nicht gerade filigran. Aber ich mochte sie. "Sie...." Vici brach ab. Dann schaute sie weg. "Vici?" fragte ich schließlich. "Ich glaube du solltest sie lieber selber fragen. Sie ist aber sonst nicht so. Eigentlich ist Julie immer die von uns beiden, die schneller Freundschaften schließt. Das liegt daran, dass die Leute mehr Interesse an ihr haben. Sie gilt allgemein als die hübschere...." weiter sprach sie nicht.
Es stimmte. Julietta war hübscher. Sie hatte eine perfekte Figur und wunderschöne schwarze Haare die ihr Gesicht wie ein Fotorahmen einrahmten. Vici's Haare hingen schlapp an den Seiten herunter und waren ziemlich splissig. Sie sah mich an, sagte aber nichts.
"Hast du Geschwister?" fragte sie nach einer Weile Stille. Ich musste lächeln, als ich an meinen kleinen nervigen Bruder Collin denken musste. "Ja. Einen Bruder. Er heißt Collin und ist erst 2."
Auch Vic lächelte. '"Süß." sagte sie bloß.
Und dann war Stille. Für eine längere Zeit. Ich sagte nichts mehr. Victoria sagte nichts mehr. Es war einfach mal dran, nichts zu sagen. Ich lauschte dem Wasser, dass irgendwo in der Nähe in einem Fluss fließen musste, schaute in die klaren Sterne über uns, ließ das Gras an meinen Händen vorbei gleiten...
Irgendwann stand Vici auf, putzte sich ihre Hände an der Hose ab und fragte auffordernd: "Zeigst du Jules und mir morgen die Stadt?" Ich brauchte nicht lange zu überlegen und antwortete einfach: "Na klar." Dann stand auch ich auf und wir gingen langsam zu dem Hof der Ric's zurück. Auf dem Rückweg redeten wir noch über die Schule und über unsere Hobbies. Wir bemerkten lachend, dass wir unglaublich viele Ähnlichkeiten hatten.
In unserer Freizeit spielten wir beide ziemlich gerne Badminton, fuhren Fahrrad, gingen Shoppen und hörten Musik. Ich forderte sie auf, mal bei meinem Badmintonverein vorbei zu schauen und verabredete mich gleich mit ihr, die nächsten Tage mal in ihrem Zimmer die Musikvorräte zu durchsuchen. Doch heute war es eindeutig schon zu spät. Als wir ankamen,war es bereits halb 1. Meine Eltern waren schon nach Hause gegangen und Julietta war auch schon im Bett. Ich umarmte Vici kurz zum Abschied und ging dann auch nach Hause.
Als ich am nächsten Morgen gegen halb 11 aufwachte, wusste ich, auch dieser Tag würde lang werden. Ich hatte viel vor. Ich würde mit Vici und Julietta die Stadt angucken und viel Spaß haben. Innerlich hoffte ich natürlich, dass Julie doch keine Lust hatte, wusste jedoch, dass ich genauso zu Vici wie auch zu Julietta sein musste. Ich kannte sie ja nicht einmal. Aber ich merkte, Vici war mir jetzt schon eine vertraute Seele. Wir hatten soviel gemeinsam.
Ich ging unter die Dusche und legte mich erstmal raus in die Sonne. Später, nach ungefähr einer halben Stunde kamen Vici und Julietta zu uns in den Garten. Meine Ma hing gerade Wäsche auf und begrüßte sie freundlich. Ich hatte die Augen geschlossen und die Sonnenbrille auf, deswegen konnte ich sie nicht sofort sehen, dann stand ich aber auf und umarmte die beiden liebevoll.
Wir machten uns gleich mit dem Fahrrad auf den Weg in die Stadt. Vici und ich unterhielten uns angeregt, doch Julietta sagte die ganze Zeit nichts.
Ab und zu schaute ich zu ihr rüber. Sie starrte bloß auf den Teer vor sich und machte eine grimmige Miene. Irgendwie tat sie mir plötzlich unglaublich leid. Sie musste viel durchmachen, um so traurig zu sein.
Kapitel 3
Als wir in der Stadt ankamen, wollte die beiden erstmal die große Fußgängerzone sehen, wo Leute, die Ahnung hatten, einkaufen würden. Danach zeigte ich ihnen den Rathausplatz und die Parks. Vici war sichtlich begeistert von Manchester. Auch Julietta sah ich manchmal etwas lächeln. Sie hatte ein wunderschönes Lachen. Wenn sie lachte, musste alle mitlachen. Ihre Augen strahlten richtig und sie bekam um den Mund kleine niedliche Grübchen. Ich sah sie nur einmal richtig lachen. Und das war als ich die beiden für einen kurzen Moment allein lies und Julie auf ihr Handy schaute. Irgendwer musste ihr eine sms geschickt oder sie angerufen haben. Ich wagte es jedoch nicht, sie zu fragen. Es gehte mich auch eigentlich nichts an. Aber Vici hatte recht, Julie war tatsächlich hübscher. Die Jungs auf der Straße schauten sich nach ihr um. Nicht nach Vici. Nicht nach mir. Heute trug sie einen kurzen, bunten Stoffrock und ein schlichtes, dunkelgraues Top mit Spitze. Dazu hatte sie lange weiße Ohrringe an und ihr Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Ein paar künstliche Locken umspielten jedoch ihr Gesicht. Es sah wunderschön aus. An den Füßen trug sie braune Sandalen mit feinen gelben Riemchen.
Vici dagegen hatte offene glatte Haare, ein schlichtes schwarzes T-shirt an, mit einem, vom Waschen ausgebleichten Aufdruck irgendeiner Band, die sie wohl mochte und eine zerschlissene kurze Jeans an. Dazu trug sie schwarze Chucks und eine rot- weiße Stoff Tasche.
Ich hatte mir auch nicht viel mühe gegeben, hatte mir wie immer ein normales T-shirt mit einem frechen Spruch und eine schwarze Hotpants angezogen. Dazu hatte ich knallgrüne Turnschuhe und eine lila- farbene Tasche über die Schulter geworfen.
Nach einer Weile schlug Vici plötzlich vor, eine Runde shoppen zu gehen. Ich fand die Idee gut und Julietta wurde gar nicht richtig gefragt. Also gingen wir erst in meine Lieblingsläden, wo Vici ein paar T-shirts anprobierte und auch zwei kaufte und später dann in kleinere "hier- und- da- rumstöber- Läden". Julie kaufte nichts. Das lag wahrscheinlich daran, dass sie die ganze Zeit in der Ecke rumsaß und nichts tat, außer aus dem Fenster gucken und mit dem jungen Verkäufer quatschen. Ich hatte mir ein paar Schuhe gekauft und eine Jacke. Nun war ich pleite. Kaum hatte ich das Geburtstagsgeld gespart das ich letzten Monat zum 16. bekommen hatte, musste ich es schon wieder ausgeben. Schlimm war das. Sehr schlimm. Wenn ich mit Jean shoppen ging, war das jedoch noch schlimmer. Wir fanden in jedem Laden mindestens fünf Sachen die wir unbedingt kaufen mussten. Doch das bezahlte jedesmal Jean, wenn wir schon zusammen gingen.
"Hast du Hunger?" fragte Vici irgendwann ihre Schwester. Julietta nickte bloß und wir verschwanden um die Ecke zu einem Chinesen.
Nachdem wir fertig gegessen hatten, beschlossen wir uns, voll bepackt wie wir waren, in den Park zu setzen und die Sonne zu genießen. Julie hatte Bauchschmerzen bekommen und fuhr mit dem Fahrrad schon vor nach Hause. Vici und ich hatten noch ein paar schöne Stunden in der Sonne. Nach ca. anderthalt Stunden machten auch wir uns auf den Weg.
Julietta
Mein Bauch tat furchtbar weh. Ich konnte kaum fahren, ständig bekam ich Krämpfe. Was war los? Ich hatte doch nichts schlechtes gegessen. War etwas passiert? Ich fuhr die gerade Landstraße entlang und achtete wenig auf die Autos. Es war aber auch nicht nötig, weil kaum Verkehr war und man konnte die Straße gut überblicken. Außerdem fuhr ich ja auf dem Radweg rechts neben der Autospur. Was sollte also passieren? Ich hatte nichts zu befürchten.
Plötzlich aber krampfte mein Bauch so stark, dass ich aufschrie und mein Lenkrad nach links riss. Panik erfasste mich. Ich hatte die komplette Kontrolle über mein Fahrrad verloren. Was sollte ich tun? Ich schrie noch einmal, fiel vom Fahrrad und blieb reglos liegen.
Dann hörte ich nur noch ein lautes Hupen und Rufe und schließlich wurde alles schwarz.
Kapitel 4 Luna
Wir waren gerade mal 5 minuten gefahren, da klingelte Vici's Handy. Sie stieg ab und ging dran: "Victoria Osthaus?....ja." Dann kam erstmal eine Pause. Vic sagte gar nichts. Ihr Atem stand still. Geschockt fiel ihr das Rad aus der Hand. "Mmh." meinte sie nur noch kurz und legte dann auf.
"Wer war das?" fragte ich vorsichtig.
"Meine Ma."
"Was wollte sie?"
"Julie."
"Wie Julie?"
"Sie hatte einen Unfall."
"W-Was?" brachte ich nur heraus. Ich war schockiert.
Ganz urplötzlich brach sie in Tränen aus. Und dann konnte auch ich mich nicht mehr halten. Zusammen saßen wir heulend im Gras und das bestimmt 10 Minuten. "Ich muss zu ihr." meinte Vici irgendwann, als sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte. "Mhm." meinte ich bloß.
Dann stieg Vici wortlos auf ihr Fahrrad, schaute mich noch einmal an mit ihren völlig, von den Tränen verschmierten Augen und brauste los. Ich rief ihr noch hinterher: "Vic, du weißt den Weg doch gar nicht!" Aber sie lies sich nicht aufhalten. Etwas unsicher machte ich mich schließlich ebenfalls auf den Weg, wo Vici am Ehesten hingefahren sein könnte: das Stadtkrankenhaus. Es war ungefähr eine halbe Stunde entfernt und als ich ankam, sah ich Vici's Rad im Gras vor dem Parkplatz liegen. Ich ging auf den Haupteingang zu. Irgendwie fühlte ich mich aber nicht ganz wohl, bei der Sache, Familie Osthaus jetzt im Krankenhaus zu besuchen. Ich hatte ja gar nicht richtig etwas mit Julietta zu tun.
Ich öffnete die Glastür und ging auf die Rezeption zu.
"Guten Tag, was kann ich für Sie tun?"
fragte eine Wasserstoffblondine mit stark dunkelblau geschminkten Augen.
"Ähm, ich heiße Luna Brooke. Ich suche das Zimmer von Julietta Osthaus. Können Sie mir sagen, wo ich das finden kann?" fragte ich höflich, doch man merkte meiner Stimme die Panik und Angst an. "Sicher. Einen Moment, bitte." Ich nickte. Doch dieser Moment kam mir plötzlich viel zu lange vor.
Als sie dann schließlich "Zimmer 138. Im dritten Stock." sagte, war ich sichtlich erleichtert und wollte gerade losgehen. Doch da fügte sie noch ein: "Das ist die Intensivstation. Ist groß angeschrieben." Dann drückte sie mir noch ein Plan des Gebäudes in die Hand und lies mich schließlich gehen. Ich war völlig panisch. Intensivstation. Intensivstation. Das Wort hallte in meinem Kopf.
Ich merkte, dass ich schneller wurde und schließlich rannte ich. Seltsam. Eigentlich hatte ich nichts mit Julie zu tun. Ich kannte sie ja nicht einmal richtig. Aber ich machte mir doch riesige Sorgen um sie. Endlich im dritten Stock angekommen, die Tür der Intensivstation aufgerissen, fühlte ich mich gleich etwas besser. Wenn mein Magen auch furchtbar grummelte und ich plötzlich von dem berühmt- berüchtigten Krankenhausgeruch Kopfschmerzen bekam.
Kapitel 5
Am Zimmer 138 angekommen, klopfte ich vorsichtig an, bevor ich zögernd den abgedunkelten Raum betrat. Annabel, Vici's und Jules' Mutter, saß am Bett, hielt Julietta's Hand und streichelte sie. Vici beruhigte ihr Mutter, indem sie auf sie einredete und ihr den Rücken streichelte. Beide bemerkten erst kurze Zeit später, dass ich reingekommen war. "Luna." meinte Annabel nur ausdruckslos, schenkte mir kurz ein gezwungenes Lächeln und widmete sich wieder ihrer Tochter. Vici reagierte gar nicht. Langsam, aber auch zögernd ging ich schließlich doch auf Vic zu. Von hinten drückte ich sie fest an mich. "Vici..." versuchte ich sie zu beruhigen, doch sie stand einfach auf und ging aus dem Zimmer. War ich zu weit gegangen? Hatte ich sie überrumpelt? Ich wollte nur mit ihr mitfühlen. Annabel versuchte mich anzulächeln, schaffte es aber kaum. Es sah sehr gezwungen aus. Letztendlich beschloss ich Vici nachzugehen. Obwohl ich sie gerade mal ein paar Tage kannte, wusste ich, wo ich sie finden würde: Hinter der Klinik war eine riesengroße sonnenbeschienene Wiese. Vici, die eigentlich ja Victoria hieß, saß mittendrin in der Buntenblumenwelt. Sie sah mich nicht, weil sie mit dem Rücken zu mir saß. Von hier hatte man einen wahnsinns Ausblick über die ganze Stadt. "Hey." sagte ich als ich mich neben sie setzte. Sie schaute jedoch nicht zu mir auf. "Vic es tut mir so leid." jammerte ich.
"Was kannst du denn dafür." antwortete sie ausdruckslos. Sie schaute mich immer noch nicht an. Aber sie hatte recht. Ich hatte nichts mit dem Unfall von Jules zu tun und ich konnte mich auch nicht dafür verantwortlich machen. Niemand konnte das. Auch ich nicht. Ich riss ein Blümchen ab und begutachtete es.
"Schau, sie ist wie diese Blume. Man muss sie bloß abreißen und schon ist alles vorbei. Dann hat sie vielleicht noch 2, 3 Minuten Wasser zu trinken. Doch wenn dies verbraucht ist, kann sie niemand mehr retten. Auch du nicht, Vic."
Darauf sagte sie nichts. Aber sie schaute auf. Sie blickte die Blume an, die ich in der Hand hielt. Ich gab sie ihr.
"Aber wenn man sie einfach wachsen und leben lässt, kann sie zufrieden sein und andere glücklich machen mit ihrer Schönheit." ergänzte sie schließlich.
"Ja, Vici, aber wenn jemand sie nunmal so schön fand und sie mitnehmen wollte..."
"Sie gehört niemandem. Niemand darf sie einfach so mitnehmen. Niemand."
"Wenn sie hier einfach vor sich hinwächst und jeden Tag schöner wird...."
"Luna, sie gehört trotzdem niemandem.", Vici wurde zornig. "Niemand hat das Recht ihr einfach das Leben zu nehmen und sie abzureißen."
Ich wollte nichts mehr sagen. Ich konnte nichts mehr sagen. Mir wurde langsam klar, wie schlimm das alles war. Mir kamen die Tränen hoch. Ich schluchzte. Vici schaute mich an. Schnell wischte ich die Tränen weg. Ich wollte nicht, dass sie merkte, wie mich das alles traf. Ich war allgemein ein sehr emotionaler Mensch. Ich fühlte mit allen und jedem mit. Selbst wenn ich wen nicht mochte, musste ich ihn oder sie irgendwie trösten. Vici strich mir mit ihrem Arm über den Rücken.
"Luna, ...", meinte sie bloß. "Hey, Luna. Du musst nicht weinen."
"Ich..." schluchzte ich.
Ich stützte mein Gesicht in meine Hände und heulte nur noch. Wieso musste sowas ausgerechnet Julietta passieren? Sie war ein wunderschönes Mädchen, dass bereits schon viel durchgemacht hatte und war, wie Vici es beschrieb, stets ehrlich und hilfsbereit gewesen. So jemand wie Julie hatte es nicht verdient, von dannen zu gehen.
Als ich mich fertig ausgeheult hatte, sagte Vici irgendwann: "Sie war schwanger."
Erschrocken schaute ich sie an.
"Was??" rief ich.
"Ja. Im 6. Monat. Man hat zwar wenig gesehen, dass ist wohl manchmal so, aber das Kind war völlig gesund und Jules hätte es Mitte September bekommen.
"Oh mein Gott." Schwanger. Dann musste also nicht nur Jules, sondern auch ihr Kind gehen.
"Der Vater wohnt noch in Forks. Die beiden wollten heiraten."
Ich war fassungslos. Ein sechzenjähriges Mädchen war schwanger. Und tot. Na ja, noch nicht, aber ihr Zustand war mehr als kritisch.
"Ich glaub, ich geh wieder rein." meinte Vic. "Bist du sicher, du kannst das?" fragte ich vorsichtig.
"Klar. Danke, für dein Gespräch." antwortete sie bloß, stand dann auf und ging richtung Haupteingang. Ich wollte ihr eigentlich nicht nachgehen. Aber ich musste. Ich konnte es schwer ertragen, Freunde im Stich zu lassen. Vic würde meine Unterstützung jetzt vielleicht am dringensten brauchen. Andererseits, sie hatte ihr Mutter. Vielleicht würde ich auch nur stören. Ich beschloss schließlich Vici alleine zu lassen und mich auf den Nachhauseweg zu machen.
Vici
Langsam und traurig machte ich mich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Ob sie aufgewacht war in der Zwischenzeit? Ich würde es mir wünschen, in ihre klaren braunen Augen zu blicken und das Leuchten wieder zu erkennen. An Zimmer angekommen, wurde es mir plötzlich schwer im Magen. Ich konnte jetzt da nicht einfach reinspazieren, Annabel, meine Mutter trösten und dann wieder gehen. Das würde ich nicht schaffen. Trotzdem öffnete ich leise die Tür und lukte hinein. Das Zimmer war immernoch abgedunkelt und Bel saß am Bett und hielt Jules' Hand. Sie war nicht aufgewacht. Das hätte ich mir auch denken können. Ich musste schlucken, als ich ihr blasses Gesicht sah und ihre bleiche Haut. Eigentlich war sie schön braungebrannt. Aber in dem Krankenhauslicht sah sie bleich und krank aus. "Victoria." flüsterte meine Ma. Sie weinte. "Mam." sagte ich mit ruhiger Stimme. "Vici, mein Schatz. Komm her." Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen und nahm mich in den Arm. Ich setzte mich auf ihren Schoß und streichelte ihr Wange. "Ach Schatz." flüsterte Bel.
Kapitel 6 Vici
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, waren die Vorhänge wieder aufgezogen. Die Sonne durchflutete das Zimmer. Mein Blick fiel auf Julietta. Sie lag reglos in ihrem Bett und schaute mit geschlossen Augen an die Decke. Meine Ma war weg. Sie hatte für mich zwei Stühle aneinander geschoben und mir ihre Jacke als Kissen gegeben. Für einen Moment schloss ich die Augen und genoss die Sonnenstrahlen. Doch kaum hatte ich das getan, wurde ich aus dem Tagtraum gerissen: Der Arzt kam reingestolpert. Er hielt in der einen Hand einen Kaffee und in der anderen seine Patienten Akte. "Guten Morgen!" sagte er fröhlich, als er mich sah. "Morgen." gähnte ich. Er lächelte mich an und ging dann hinüber zu meiner Schwester.
"Ihr Zustand ist immernoch miserabel. Aber wir können sie im Moment noch halten."
"Heißt das, sie überlebt?" Es kam mir selber unglaubwürdig vor, deshalb war ich auch nicht enttäuscht, als er sagte: "Nein. Es tut mir wirklich sehr leid, aber wir können höchstens das Kind retten. Diese Entscheidung liegt ganz bei Ihnen und Ihrer Mutter. Ich weiß nicht, wo sie ist. Sie wird aber wahrscheinlich Brötchen holen zum Frühstück. Vielleicht sollten Sie runter in die Mensa gehen. Sagen Sie ihr bitte, dass ich um ein Gespräch mit Ihnen beiden bitte. In meinem Büro. Gegen 12 Uhr vielleicht."
Ich spürte einen Klos im Hals. Julie würde sterben. Alles was mich an sie erinnern würde war ein kleines Baby und Fotos. Sollte das wirklich ihr Schicksal sein? Das war so unfair. Was hatte sie getan, dass sie so bestraft werden musste?
"Ist gut." schluckte ich. Ich stand auf. Der Arzt klopfte mir auf die Schulter.
"Du bist ein tapferes Mädchen. Ich bin sicher, Julietta war und ist sehr stolz auf dich." Er lächelte mir aufmunternd zu.
"Danke." Auch ich brachte ein Lächeln zu stande.
Dann ging ich an ihm vorbei und suchte die Mensa. Das war nicht gerade einfach in diesem riesigen Krankenhaus mit 7 Stockwerken.
Als ich im ersten Stockwerk angekommen war, fand ich wenigstens die Rezeption.
"Hi, ich suche die Mensa. Können Sie mir sagen, wo ich die finden kann."
"Natürlich. Du gehst hier den Gang lang, dann die Treppe runter. Da findest du dann noch einen langen Flur. Den gehst du auch lang und dann die hinterste Tür links. Da ist die große Mensa."
"Okay, dankeschön."
Die Dame lächelte und nahm den schon seit ungefähr 5 minuten klingelnden Telefonhörer ab.
Ich machte mich auf den Weg. Die Treppe war frisch gewischt und ich musste aufpassen, dass ich mich nicht total aufs Maul legte.
Auf dem restlichen Weg begegnete ich niemandem. Endlich hatte ich dann die berühmt berüchtigte Tür. Ich öffnete sie und vor mir waren riesige Tischtafeln aufgestellt. Daran saßen alte Leute aber auch junge. Sie alle sahen sehr krank und schwach aus. Ich ging an den Tischen vorbei und schaute mich nach meiner Mutter um. Am hintersten Tisch ganz alleine sah ich sie.
"Hey Mam." sagte ich und setzte mich gegenüber von ihr.
"Halllo meine Maus." antwortete sie ausdruckslos.
"Ich hab gerade mit dem Arzt gesprochen."
fing ich an. Ich wusste nicht genau, wie ich fortsetzen sollte.
"Was sagt er?" meinte sie bloß. Ich konnte sie kaum verstehen, weil sie nuschelte.
"Jules stirbt." Mehr brachte ich nicht raus. Es war schon schwer genug meine Mutter dabei in die Augen zu schauen, aber dann auch noch die Wahrheit und alles zu erzählen. Das war zu viel. Ich musste weinen.
Luna
Das Gefühl, Vic im Stich gelassen zu haben, lies mich nicht los. Trotzdem konzentrierte ich mich darauf, die Backmischung nicht durcheinander zu bringen. Ich hatte meiner Mutter versprochen, den Kuchen heute für sie zu backen. Jean hatte nämlich keine Zeit, Billie konnte nicht backen und Collin war noch zu klein. Aber Jean brauchte den Kuchen dringend, weil sie zu irgendeinem Treffen von ihren 500 Freundinnen musste und versprochen hatte einen Kuchen zu backen und so blieb die Arbeit an mir hängen. Während Collin zwischen meinen Beinen wuselte, Billie die ganze Zeit ins Telefon schrie und Versicherungsmakler zusammen schiss und meine Mutter beruhigend auf ihn einredete.
"Collin! Man, kannst du nicht aufpassen?"
Ich kriegte fast einen Anfall. Collin kniff in meine Beine, zog sie zur Seite und kippte letztendlich noch eine Tüte Mehl um.
"Luna, brüll deinen Bruder nicht so an."
Jetzt war auch noch Jean auf Collin's Seite.
"Mam?! Er hat das ganze Mehl umgeschüttet!" rief ich empört.
"Luna, er ist 2!" engegnete meine Ma. Warum musste sie sich jetzt auf Collin's Seite schlagen? Er hatte doch die Scheiße gebaut. "Na und? Das ist noch lange kein Grund, die Küche auf den Kopf zu stellen."
Ohne auf die wahrscheinlich wütende und folgende Anwort zu warten ging ich in den Keller und holte das Kehrblech und den Besen. Dann setzte ich Collin betont behutsam in seinen Kinderstuhl, damit er nichts mehr runterwerfen konnte und fing an, das Mehl aufzufegen. Plötzlich merkte ich, dass Collin sich total kaputt lachte.
Ich schaute ihn ziemlich angenervt an, zeigte ihm nen Vogel und widmete mich wieder dem Küchenboden. Endlich war dann auch mein Vater mit telefonieren und zusammenscheißen und konnte sich Collin und mir widmen. "Dad, Collin hat das ganze Mehl verschüttet. Wir haben jetzt keins mehr."
Mein Vater guckte Mac sehr zornig an.
"Cole, was sagst du dazu?" Natürlich konnte Collin noch nicht sprechen, aber Billie versuchte prinzipiell Collin früh genug Regeln und Ordnung bei zu bringen. Collin setzte sein Hundeblick auf und schob seine Schmolllippe vor. "Ba-ba."
"Da-da."
Das waren bisher die einzigen Wörter die er konnte. Na ja, manchmal sagte er auch: Ma-ma. Oder "Nä" gehörte auch noch zu seinem Wortschatz. Aber Ja konnte er natürlich nicht sagen. Wollte er wahrscheinlich auch nicht. Warum auch? Er sagte eh zu allem nein.
"Ja ja, ist ja schon gut. Schatz? Lunamaus, wo bist du?"
Ich hatte mich ins Wohnzimmer verkrochen und las die Tageszeitung. "Ich bin hier, Dad."
Billie kam herein, mit Collin auf dem Arm.
"Ich hab im bei meinen E- mails übrigens die Anmeldung für deinen Schüleraustausch nach Frankreich bekommen. Wollen wir den mal gerade ausfüllen?"
"Na-se-lan." quatschte Collin.
"Sei still, du Papagei. Okay, lass machen. Ich freu mich so wahnsinnig."
Dad grinste und wir gingen gemeinsam hoch an den Computer.
Name: Luna Brooke
Alter: 15
Adresse: Crosfield Ave 19
73758 Manchester
Familie: Mutter Jean, Vater Billie, Bruder
Collin
Hobbies: Badminton, Gitarre spielen, Leute treffen
Sprachen: Englisch, Französisch, Spanisch
Schulbildung: 4 Jahre Vorschule, 5 Jahre Gymnasium
Austauschschüler:
O Mädchen
O Junge
O Egal
Alter:
O Gleiches Alter
O Zwischenraum 1-2 Jahre
O Jünger
O Älter
Stadt:
______________________
Ich überlegte was ich ankreuzen sollte.
"Also, ich finde schon, es sollte ein Mädchen sein, meinst du nicht, Dad?"
"Na ja, es wäre doch auch interessant, von einem Jungen Neuseeland gezeigt zu bekommen..."
Ja, das stimmte, aber wenn er auch noch ziemlich gut aussah? Dann konnte das ja total peinlich werden.
"Ich würde sagen, egal, oder?"
"Jo, find ich gut." stimmt auch mein Vater zu.
Als wir das Formular fertig ausgefüllt, hatten hörte ich von unten Rufe.
"Luna!" Die Stimme kam nicht von meiner Mutter. "Erwartest du noch Besuch?" Mein Vater schmunzelte. Ich runzelte bloß die Stirn "Ähm, nein?!"
Und da fiel es mir wieder ein. Wie peinlich! Er hatte es doch schon angekündigt. Wieso hatte ich es vergessen? David. Er wollte mich doch besuchen kommen. "So ein Freak." Ich schüttelte den Kopf.
"Wer?" Mein Vater Billie verstand gar nichts. "Nichts. Niemand, ich geh mal gerade nach unten."
Doch unten erwartete mich schon meine Mutter. "Luna, ich glaube du hast Besuch." Sie grinste so breit wie ein Honigkuchenpferd. Ich schämte mich so sehr. Wie konnte David mir das nur antun?
Ich öffnete die Haustür und ging David entgegen. Er grinste mich an und drückte mir einen kleinen selbstgepflückten Blumenstraus in die Hand. "Dankeschön" Ich lächelte ihn an.
Er grinste zurück und umarmte mich liebevoll. Etwas irritiert fragte ich schließlich: "Gehen wir ein Stück?" Und deutete Richtung Wald. "Okay." antwortete er nur.
Irgendwann fragte ich schließlich:
"Woher weißt du, wo ich wohne?"
"Das hast du mir doch gestern gesagt."
Ähm nein? Ich hatte ihm gesagt, in welchem Ortsteil ich wohne, aber welche Straße und Hausnummer- davon hatte ich kein Wort verlauten lassen.
Aber ich belies es dabei. David war viel zu süß, um mit ihm streiten zu wollen.
Wir gingen ein wenig im Wald spazieren und David erzählte mir viel von ihm.
"Ich bin in Thailand aufgewachsen, aber hier in Manchester geboren. Meine Eltern sind vor der Familie meiner Mutter geflohen, weil die sie bedroht haben."
erzählte er. Es war eine spannende Geschichte und es machte Spaß, zu zuhören. "Wie die haben deine Mutter bedroht?" Es war eine ehrliche Neugierde.
"Meine Ma ist Muslima. Sie durfte nicht irgendwen heiraten. Ihre Eltern haben ihr mit dem Tod gedroht, wenn sie nicht wen heiratet, der für sie ausgesucht wird. Das hat sie halt nicht."
"Oh Gott. Ja und dann?"
David gefiel, dass ich Interesse zeigte. Er wurde immer besser gelaunt und wollte gar nicht mehr aufhören zu erzählen.
"Na ja, dann sind sie nach Thailand ausgewandert und dann kam ich und mein Bruder Rich. Meine Ma war mit mir schwanger als sie nach Thailand sind. Richard kam dann als ich 2 Jahre alt war."
"Meine Güte. Und was ist jetzt? Wird deine Mutter nicht mehr bedroht?"
Er musste lachen. Aber ich verstand nicht, warum. Eigentlich fand ich das ganze Thema gar nicht witzig. Es war eine schreckliche Geschichte. Aber das lag wahrscheinlich vor allem daran, dass ich gerne dramatisierte. "Hehe, nein. Zum Glück ist mein Großvater vor 4 Jahren gestorben."
"Zum Glück??" Ich war schockiert. Darüber wie David über seinen Großvater sprach, darüber, was er alles erlebt hatte und darüber wie langweilig mein Leben im Gegensatz zu ihm war.
Er lachte wieder. "Was er meinen Eltern angetan hat, ist nicht wieder gut zu machen, Luna. Er hätte sie beide fast umgebracht. So einem Menschen kann man nur den Tod wünschen."
"Aber er ist dein Großvater!" rief ich.
"Luna, ich kannte ihn nicht einmal. Wir sind aber alle froh, dass diese Bedrohungen endlich aufgehört haben. Die haben uns bis nach Thailand verfolgt."
Darauf fiel mir nichts mehr ein. Ich mein, er hatte schon recht. Aber konnte man seinen Großvater denn wirklich so hassen? Ich hatte nie einen gehabt, ich konnte es nicht beurteilen. Aber gewünscht habe ich mir immer einen.
"Was ist mit deiner Familie?" fragte David plötzlich.
Ich dachte nach. Was war mit meiner Familie? Gut, ich hatte eine Mutter, einen Vater und einen Bruder. Mehr nicht. Das war meine Familie. So wahnsinnig viel gab es ja nicht zu erzählen.
"Na ja, ich habe einen kleinen Bruder." fing ich an. "Wie alt?" fragte er interessiert.
"2." lachte ich.
Er musste auch lachen.
"Er heißt Collin. Eigentlich ist er total süß, nur mich kann er nicht ausstehen."
"Warum nicht? Du bist doch bestimmt eine super nette Schwester." Er lächelte mir zu.
Seine Augen leuchteten. Ich lächelte zurück.
"Keine ahunng." Mehr konnte ich in dem Moment nicht sagen.
Plötzlich blieb David stehen. Auch ich blieb stehen. Er zog mich näher zu sich heran, fasste mich an der Taille und fuhr mit seiner Hand durch die Haare. Sein Gesicht kam mir immer näher. Seine Nasenspitze berührte meine.
Doch ich blockte.
"David..."
"Was ist?" Er wirkte keineswegs genervt, nur irritiert.
"Hab ich was falsch gemacht?" fragte er deshalb.
"Nein. Es ist nur. David, ich hab gerade keine Zeit für sowas."
"Wie meinst du das?"
"Ich kann dir das nicht erklären. Später. Vielleicht. Ich muss los, wir sehen uns, okay?"
"Hey, Luna. Warte mal. Deine Nummer."
"0152278094." rief ich. Aber er konnte sich das natürlich nicht merken. Doch ich lief trotzdem weiter. Nach Hause. Ich musste nach Hause. Ich musste gucken, ob Vici inzwischen wieder zu Hause war.
Zu Hause angekommen, fragte ich sofort meine Mutter: "Mam, ich muss nochmal los..."
"Wohin solls denn gehen?"
"Ich...ähm. Geh noch ein wenig raus."
Sie wirkte irritiert. "Du warst doch gerade draußen."
"Ja. Ich...ich hab was in der Stadt vergessen."
"Oh. Okay soll ich dich fahren?"
"Ja super. kannst du mich am Krankenhaus absetzen?"
Plötzlich schaute sie mich erschrocken an.
"Oh mein Gott. Hast du das mit Julietta Osthaus mitbekommen?"
Ich schluckte. Schnell schaute ich zur Seite. Ich wollte nicht, dass sie sah, wie weh mir das ganze tat.
"Ähm. Ja. Mam, lass uns los gehen."
Die ganze Fahrt über musste meine Mutter von Julie und ihrem Unfall erzählen. Ich wusste das doch schon alles. Warum musste sie noch die ganze Zeit drüber nachenken? Konnte sie das, wenn, nicht auch im Stillen machen?
Ich sagte zwischendurch immer nur so etwas wie: "Ja Mam. Das ist schrecklich."
Doch richtig zuhören tat ich nicht.
"....Luna?" Ich hatte geträumt. Deswegen hörte ich sie nicht. Nicht, weil mich ihr Gerede nicht interessierte.
"Ja?"
"Wir sind da. Wen willst du denn eigentlich besuchen?" fragte sie und sah mich etwas besorgt an.
"Äh, kennst du nicht. Ich komme gegen Abend nach Hause. Bis dann, mam."
"Okay, Schatz. Pass auf dich auf. Bis heute Abend." Sie küsste mich auf die Stirn und ich stieg aus.
Langsam aber zögernd fuhr Jean schließlich weg.
Ich schaute das Krankenhaus an. Es strahlte schon so viel Kummer und Sorge aus. Wie sollte dort jemand gesund werden?
Im Zimmer angekommen, fand ich nur noch Vici. Annabel war nicht mehr da.
"Hey Vic."
"Hey."
"Wie gehts dir?"
"Geht schon. Und dir?"
"Mhm. Passt."
Ich ging auf sie zu und drückte sie an mich.
"Ich hab mit dem Arzt gesprochen."
Ich sah sie an. Sie weinte.
"Was sagt er?"
"Sie können nur das Kind retten. Jules ist zu schwach."
"Oh gott." schluchzte ich.
Vici sagte nichts. Sie hatte ihren Kopf in die Hände gestützt und weinte. Sie hörte gar nicht mehr auf zu weinen.
Sie tat mir so leid, doch ich wussten nicht, was ich machen sollte.
Es kam mir vor wie Stunden, doch als ich auf die Uhr guckte, sah ich, dass erst zwanzig Minuten vorbei waren.
"Hey, meinst du wir sollten langsam mal gehen?"
Sie schaute mich an, als ob ich ihr vorgeschlagen hätte ihr Schwester gleich zu töten.
"Geh ruhig." sagte sie aber schließlich und fügte noch: "Ich geh hier nicht weg, bis Jules tot ist."
Erschrocken sah ich sie an.
"Bist du sicher, dass du das kannst?"
"Ja." sagte sie leise. Dann ging ich. Ich hatte nicht die Nerven dafür. Nicht die Nerven Vic so zu sehen, nicht die Nerven, Jules beim Sterben zu zusehen. Gut, ich kannte sie bereits ungefähr 4 Tage. Trotzdem konnte ich keine Menschen sterben sehen. Das war einfach nicht meine Stärke. Andererseits konnte ich Victoria verstehen, dass sie bei ihrer Schwester bleiben wollte. Insgeheim machte sie sich wohl noch Hoffnungen, dass Julietta doch noch aufwachen würde. Ich wusste bereits, dass das nicht der Fall war. Wir hatten sie verloren. Vic hatte sie verloren. Wir alle. Und es war nicht unbedingt ein schöner Verlust. Ich hätte sie gerne noch kennengelernt.
Plötzlich drehte ich mich um. Ich stand ja noch im Zimmer und sagte: "Weißt du, ich hätte deine Schwester so gerne noch kennen gelernt. Sie war bestimmt ein wunderbarer Mensch."
Vic lächelte. Das hieß klar und deutlich ja. Ja, Julietta war ein toller Mensch gewesen. Da war ich mir sicher.
Dann ging ich.
Kapitel 7 David
"Warum geht sie nicht ans Telefon."
"Vielleicht hast du die falsche Nummer eingespeichert." meinte Rich.
Ja, vielleicht hatte er recht.
"Aber sie kann sich doch auch melden."
Jetzt lachte Richard. "Ach, und wie das bitte?"
Okay, er hatte recht. Luna konnte meine Nummer nicht haben. Trotzdem. Ich versuchte es nochmal.
Tut tut. Nichts geschah. Nur tuten.
"Hallo?" Das war nicht Luna's Stimme.
"Ähm. Wer ist denn da?"
Richard lachte. Ich warf ihm einen bösen Blick zu.
"Hören Sie zu, wenn sie wen nerven wollen, dann suchen Sie sich eine Hauswand. Auf Wiedersehen."
Okay, nein. Das war nicht Luna.
"Nein, warten Sie. Ich habe mich nur verwählt."
Aber sie hatte bereits aufgelegt.
"Und jetzt?" fragte ich Rich.
"Keine Ahnung?" grinste er. "Ich fürchte, du musst dich etwas gedulden."
Nein, das wollte ich nicht.
"Ich kann doch nochmal zu ihr nach Hause gehen." überlegte ich.
Der Blick den mein Bruder mir jetzt zu warf sagte mehr als tausend Worte.
"Was?"
"Wenn sie Interesse hat, wird sie sich schon melden."
"Ja toll. Und wie?"
"Keine Ahnung?!"
Ich schüttelte den Kopf und warf das Telefon auf mein Bett.
Richard hörte mir sowieso nicht wirklich zu. Er schrieb mit seiner Freundin SMS und hörte mit seinem I-Pod Musik.
"Sag mal hörst du mir überhaupt zu?"
Nein tat er nicht. Sogar ich konnte seine Aggro- Musik hören. Na toll, dachte ich und griff wieder einmal zum Telefon. Diesmal rief ich aber nicht Luna an, sondern meine beste Freundin. Chiara und ich waren auch mal zusammen gewesen. Dann hatte es aber nicht mehr geklappt und wir haben uns auf Freundschaft geeinigt. Das lief jetzt schon seit ungefähr nem Jahr und wir verstanden uns super. Jedes zweites Wochenende mindestens machten wir was zusammen, telefonierten regelmäßig und feierten Parties.
"David. Heey. Wie gehts dir?"
Ich liebte ihr fröhliche, immer gut gelaunte Art. Sie war immer für mich da und brachte mich, egal in welchem Seelischem Zustand, zum Lachen.
"Moin, Chiara. Gut gut, und dir?"
"Suuper. Hey ich hab gerade mit Antony telefoniert und er wollte dieses Wochenende ne Party machen. Ich soll mal rumfragen, wer so kommen würde. Was ist mit dir?"
ich überlegte.
"Dieses Wochenende?" fragte ich nochmal.
"Jepp. Komm schon, das wird bestimmt super!"
"Du, Chiara. Ich muss mir das nochmal überlegen. Können wir uns sehen?"
Sie verstand sofort.
"Ähm, klar. Willst du kommen?"
"Jop, bis gleich." Dann legte ich auf.
"Ich bin bei Chiara." sagte ich noch zu Richard, doch er hörte mich eh nicht. Deshalb riss ich ihm die Kopfhörer aus den Ohren. "Eey. Gib die her." rief er wütend.
"Ich bin bei Chiara. Hier da hast du deine Droge." brüllte ich ihn an.
"Haha. Sehr witzig." Ich grinste, gab ihm sein Headset wieder und ging los.
Es waren ungefähr 3 U-bahnstationen.
Dort stieg ich aus und lief auf Molly's Haus zu. Sie wartete schon vor dem Gartentor mit ihrem kleinen Köter.
"Hey." rief sie, als sie mich sah und umarmte mich liebevoll.
"Hi." meinte auch ich.
"Ich dachte wir können mit Balu ein wenig laufen gehen."
Balu bellte laut los und Chiara lachte.
Also gingen wir los. Wir liefen entlang in eine Art Park wo Chiara und ich uns das erste Mal geküsst hatten. Wir kamen gerne hier her. Auch wenn es zwischen uns nicht geklappt hatte. Es war uns egal, wir wollte nur noch an die schönen Zeiten denken.
"Dann erzähl mal. Um wen oder was geht es." sagte sie ernst und klimperte verspielt mit ihren Armreifen.
"Luna." sagte ich bloß.
"W-wer?"
"Luna."
"Du meinst aber nicht Luna Freimann aus der 7., oder?"
Wer bitte war das denn?
"Ähm nein. Luna geht nicht auf unsere Schule. Ich habe sie neulich zufällig beim skaten kennen gelernt."
"Hast du ihre Nummer?"
Ich schüttelte den Kopf.
"Wie du hast sie nicht nach ihrer Nummer gefragt?" Chiara klang entsetzt.
"Doch, klar habe ich das. Aber sie hat sie einfach mir nach gerufen. Ich hab die falsche eingespeichert."
Chiara grinste.
"Sag mir die Schule."
"Keine Ahnung."
"Denk nach, Dave."
Ich glaube sie hat irgendwas von Murpheys Boxing gesagt."
"Murpheys Boxing. Okay. Ich hol dir ihre Nummer. Wie heißt sie weiter?"
Ich konnte es nicht fassen. Was Chiara wieder einmal für mich tat. Welcher Junge konnte ihr da widerstehen? Also, ich bewundere mich dafür. Ich konnte die Jungs aus ihrem Kurs nicht verstehen. Sie sah hammer gut aus: sie hatte lange, pechschwarze Haare und klarblaue Augen. Ihr Teint war Olivfarben und ihr Style war verspielt und Hippie. Außerdem war sie super nett, konnte über alles lachen und hatte deswegen auch viele tolle Freunde.
"Das ist nicht dein Ernst, Chiara."
Sie lachte.
"Doch, großer. Das ist mein voller Ernst. Also, wie ist ihr Nachname."
"Brooke. Glaube ich."
"Glaubst du?"
Ich zuckte mit den Achseln.
"Chiara, ich weiß es nicht. Brooke könnte sein. Ich glaube es ist Brooke."
"Okay, komm wir gehen zur Murpheys."
Sie stand auf, pfiff nach Balu und griff nach meiner Hand.
"Wie jetzt?" Ich zögerte.
"Klar jetzt. Wann denn sonst?"
Chiara riss mich von der Bank hoch, auf der wir gesessen hatten und Balu von der Leine gelassen hatten und holte aus ihrer Indianer- Tasche einen Stadtplan raus.
Ich lachte laut los.
"Du hast aber auch für jedes Problem was in deiner Tasche, oder?"
Sie grinste. Dann tippte sie mit dem Finger auf einen Punkt am Rande der Karte und marschierte los.
"Chiara, ich weiß nicht, ob das so ne gute Idee ist." Ich war verunsichert. Was war, wenn Luna gar kein Interesse an mir hatte?
"Komm, David. Versuchen können wirs doch. Sonst kommst du ja nie zur Ruhe."
"Okay, gut Chiara. Wenn wir die Murpheys dann gefunden haben und drin sind. Was willst du denen dann sagen? Können Sie mir bitte die Handynummer von Luna Brooke geben, mein Kumpel steht auf sie?"
Chiara lachte wieder. Aber diesmal bekam sie einen richtigen Lachanfall. Dann zeigte sie mit dem Finger auf mich und rief:
"Zum Beispiel. Ist doch nicht schlecht."
"Tzz." murmelte ich bloß vor mich hin.
Wir gingen eine ganze Weile und fuhren auch eine Haltestelle mit der U-bahn. Und dann waren wir endlich angekommen:
Dort stand es. Das große Murpheys Gebäude. Es war ein altes Haus mit hohen Türbögen und die Fenster waren kleine bunt- bemalte Kacheln. Der Schulhof war klein und es gab außer ein paar Bänken und einem kleinen Springbrunnen nicht viel zu besichtigen.
Wir gingen auf den Haupteingang zu.
Chiara zog an dem mächtigen goldenen Griff und tatsächlich: die Tür öffnete sich.
Chiara drehte sich zu mir um und lächelte mich an. "Komm. Lass uns Luna Brooke suchen."
Selbstbewusst ging Chiara in dieses Haus, das sie noch nie gesehen hatte und führte sich auf wie zu Hause: begrüßte alle wildfremden Leute, schnappte sich die Bonbons, die auf dem Eingangstresen lagen und marschierte zu dem Tisch mit den Jahrbüchern.
"Also. Luna Brooke sagst du?"
"Jepp."
"Weißt du ungefähr welche Klasse?"
"Öhm, 9?"
Ich ging in die 10. aber ich war auch einiges älter sie.
"Ok, neunte Klasse. Luna! Hier ist eine Luna. Guck dir das Bild an, ist sie das?"
Ich schaute genauer hin. Auf dem Bild trug sie ein hellblaues Top und eine schwarz- lila farbene Shorts dazu. Die Haare waren zu einem Zopf nach hinten gebunden und nur ein paar Strähnen ringelten sich um ihr Gesicht. Sie strahlte in die Kamera und sah dabei wunderschön aus. Ach, bestimmt hatte sie eine Freundin.
"Ja." sagte ich bloß.
Chiara guckte mich blöd von der Seite an, grinste, nahm das Buch mit und marschierte irgendwohin. Wo wusste sie wahrscheinlich selber nicht genau. So war sie halt. Aber genau das liebte ich an ihr. Diese Spontanität, irgendwas zu tun, ohne zu wissen was.
"Chiara, wo gehst du hin?"
"Keine Ahnung. Hier wird doch irgendwo sowas wie ne Rezeption sein."
"Das ist eine Schule. Kein Hotel."
"Ich meine eigentlich einen Computerraum." grinste sie.
"Klar, eine Rezeption eben.", ärgerte ich sie.
"Hör mal, einen Computer haben wir auch zu Hause."
"Ja, aber da ist dann kein Schülerverzeichnis."
"Aha." Ich verstand wiedermal gar nichts von Chiara's logischen Schlüssen. Aber wahrscheinlich musste ich das auch gar nicht.
"Sieh mal einer an. -Computerraum. Bitte Ruhe halten.- hab ich doch gesagt."
Also gingen wir rein und suchten im sogenannten Schülerverzeichnis nach Luna.
"Luna Brooke. Meinst du das ist sie?"
"Geh doch mal auf ihr Profil. Da ist doch ein Bild von ihr."
Und was für ein Bild. Ihre Augen waren weit geöffnet und leuchteten grün. Die Haare waren noch etwas länger, gingen so ungefähr bis zum Ellbogen und sie trug ein dunkel- braunes Sommerkleid.
"Ich denke, das ist sie." sagte ich völlig überwältigt. Chiara lachte. Na ja, nicht laut, aber ich sah aus den Augenwinkeln, wie sie kicherte.
Wir druckten das Profil aus und verließen schnellstens die Schule. Beziehungsweise ich beeilte mich. Chiara ließ sich Zeit und guckte in jeden Klassenraum, der auf dem Weg lag.
"Kommst du mal?" Langsam nervte es.
"Wieso hast du es denn so eilig?" fragte sie unbeschwert und klimperte mit ihren Armreifen.
"Ich will hier niemandem begegnen, den ich kenne."
Schon wieder lachte sie. "Du meinst mit niemandem jemand wie Luna? Komm schon, dann kannst du sie gleich selber nach ihrer Nummer fragen. Außerdem, es ist Nachmittag. Warum sollte sie hier aufkreuzen?"
"Keine Ahnung. Weil sie vielleicht in einer AG ist, oder so. Was weiß ich. Lass uns bitte einfach verschwinden."
"Ist ja gut. Also los. Aber du rufst sie heute noch an."
Ich verdrehte die Augen. "Mal sehen."
"David. Ich versteh euch Jungs manchmal wirklich nicht. Was soll das denn?"
"Ja wie denn was soll das denn? Ich hab doch morgen auch noch Zeit und so."
"Oh man."
Und den Rest des Weges redeten wir dann nicht mehr. Also Chiara schon, mit ihrem Hund und ab un zu auch mit mir, aber da ich ihr nicht zuhörte, weiß ich leider nicht, was genau sie gesagt hatte.
Kapitel 8 Luna
Ich wusste aber nicht genau, wohin ich gehen sollte. Ich war völlig durcheinander. Das Kind würde also überleben. Würde es nun Vici's Baby werden? Sie war doch erst 16!
Weil ich wirklich keine Ahnung hatte wo ich hinging, setzte ich mich einfach auf die nächstbeste Parkbank. Ich saß im Halbschatten, doch die Sonne schien trotzdem direkt in mein Gesicht.
"Hey." sagte Giulia. Ich hab sie noch gar nicht erwähnt. Obwohl sie durchaus erwähnenswert war. Sie war schließlich meine beste Freundin. Giulia war der typische Männerschwarm. Sie hatte lange blonde Haare und strahlend blaue Augen. Ihre Haut war makellos und sie hatte eine echte Modelfigur. Ihr Vater besaß eine große Firma und kaufte ihr so ziemlich jede Woche neue Designer Klamotten. Ja, es war zum neidisch werden. Doch ich liebte sie trotzdem über alles. Einfach, weil sie sich überhaupt nichts aus ihrem Reichtum machte.
"Du kommst genau richtig." meinte ich bloß ausdruckslos.
"Was ist los, mein Schatz?"
"Ich hab dir doch von Jules und Vici erzählt, ne?"
"Klar, deine neuen Nachbarn, stimmts?"
Ich nickte.
"Jules ist tot."
Giulia sah mich unverständlich an.
"Wie tot?"
Über ihren Ton musste ich lachen. Auch wenn mir überhaupt nicht nach lachen zu mute war. Giulia schaffte es immer.
"Ja tot eben." antwortete ich schließlich wieder etwas ernster.
"Hä? Einfach gestorben? Einfach so?"
"Unfall."
"Oh Gott."
Ich wusste, dass Giulia echt betroffen war. Sie spielte sowas nicht vor. Das merkte man einfach.
Ein paar Jungs gingen an uns vorbei und grinsten Giulia an. Mich beachteten sie wieder mal gar nicht. Aber ich war das schon gewohnt. Als Giulia jedoch meinen Blick sah, sagte sie schnell: "Ich hab mit Julien Schluss gemacht. Du wirst...ähm...auch noch den richtigen finden. Bestimmt."
"Ich hab im Moment andere Sorgen. Und zu dem Thema Ich hab mit Julien Schluss gemacht, reden wir wenn du wieder normal bist."
"Ich bin normal!" rief sie empört.
"Jaa total.",
Sie grinste bloß blöd.
"Na gut. Sam hat mich geküsst."
"Pff. Ich habs gewusst. Dieser Idiot!", rief ich sauer. "Und? Liebst du ihn?"
"Na ja..." fing sie an.
"Na ja was?"
"Na ja. Schon. Voll Irgendwie."
"Giulia, wann hast du mit Julien Schluss gemacht?"
"Vorgestern, warum?"
"Wann hast du Sam geküsst?"
"Er hat mich geküsst."
"Wann?" fragte ich etwas genervt.
"Gestern."
"Du kleine Bitch."
"Was denn..."
"Nix was denn. Du bist meine kleine Bitch."
"Phe." Ich wollte ihr grade frech einen Bussi auf die Wange geben, aber sie drehte sich betont gespielt in die andere Richtung. Darüber lachte ich bloß.
"Danke, dass du gekommen bist, meine Maus. Ich weiß zwar nicht, woher du wusstest, dass ich dich brauche und wo ich bin, aber das ist mir echt egal, hauptsache du bist da!"
"Ach Luna. Ich bin eben von Michael gekommen, da hab ich dich gesehen. Michael Sherwood. Echt ein süßer Typ, sag ich dir."
"Ja, ist gut, ich will von deinen versauten Dingen nichts wissen." meinte ich bloß genervt."
"Wie denn versaut? Es wird Zeit, dass du dir mal einen Freund anschaffst, seit Jonas dich damals allein gelassen hat, hattest du keinen mehr. Wie als ob du noch an ihm hängst."
"Lass Jonas aus dem Spiel."
Ja, genau. Den hatte ich auch noch nicht erwähnt. Jonas Miller. Mein Exfreund. Kann schon sein, dass ich ihn immer noch liebte. Keine Ahnung. Er war vor einem Jahr umgezogen. Nach Kalifornien. Seine kleine Schwester Emilia hat eine Karriere als Schauspielerin begonnen und die Eltern fanden es leichter, gleich an der Quelle in L.A. zu wohnen. Am Anfang haben wir versucht eine Fernbeziehung zu führen. Das hielt genau 3 Monate. Dann brach er den Kontakt ab. Danach hab ich ihn noch ca. 2 Mal besucht und schließlich war das dann das Ende. Ich habe nichts mehr von ihm gehört. Bis vor ein paar Wochen. Da hab ich seine Nummer auf meinem Display gesehen. Ich war mir ganz sicher, dass es seine war. Ich kannte sie in und auswendig. Doch ich hatte ihn nicht zurück gerufen. Warum, weiß ich selber nicht genau. Seitdem frage ich mich jedoch, was er wollte.
"Luna, ich mache mir Sorgen um dich. Du trauerst um ihn seit einem Jahr. Was ist los? Du warst doch total sauer auf ihn."
"Ich trauer nicht." antwortete ich trotzig.
"Nur nicht."
"Jonas ist umgezogen. Warum sollte ich sauer sein. Da kann er doch nichts für."
"Das klang damals aber ganz anders."
"Er hat angerufen."
"Nein."
"Doch."
"Wann?"
"Vor ungefähr zwei Wochen."
"Nein."
"Doch."
"Nein."
"Doch."
"Was hat er gesagt?"
"Nichts. Ich hab es nur auf dem Display gesehen."
"Ruf ihn zurück."
"Nein."
"Doch."
"Warum denn?"
"Weil ich wissen will, was er wollte."
"Dann ruf du ihn doch an."
"Luna....Du rufst ihn SOFORT an. Komm wir gehen zu mir. Da kostet es nichts."
"Ich will nicht."
"Doch du willst."
"Nein."
"Komm." Und sie griff nach meiner Hand.
Sie zog mich hinter ihr her und ließ mir keine Chance zu entweichen.
Bei Giulia angekommen, wurden meine Knie ganz zittrig.
"Du bist ja völlig bleich." lachte Giulia, doch schnell merkte sie, dass mir gar nicht zu lachen zu mute war.
"Hey, es wird nichts passieren." versprach sie. Doch konnte sie das wirklich versprechen? Nein, das konnte sie nicht.
"Hier." Giulia drückte mir das Telefon in die Hand und gab mir mit einem Lächeln nochmal den letzten nötigen Mut.
Ich wählte. Wie oft ich diese Nummer schon gewählt hatte. Und wie oft ich schon nach Gesprächen mit Jo gedacht hatte, warum habe ich ihn überhaupt angerufen??
Ich tippte nun die letzte Ziffer in das Telefon und horchte. Es tutete zweimal, dann hörte ich seine Stimme.
"Jonas Miller hier?"
Schnell warf ich einen kurzen Blick zu Giulia rüber und schließlich legte ich wieder auf.
"Was war das denn?" Sie wirkte sauer, aber auch ein bisschen verständnissvoll.
"Ja, er war dran." gab ich zu.
"Luna, bitte. Ich bin mir sicher, es war wichtig, dass er angerufen hat."
"Wenn es so unglaublich wichtig sein würde, würde er sich nochmal melden."
Sie stöhnte. Dann riss sie mir das Telefon aus der Hand und drückte die Wahlwiederholung.
"Was machst du denn da?" schrie ich.
"Hier." sagte sie ganz ruhig und presste mir das Telefon ans Ohr.
"Hallo, Jonas Miller?"
Der Atem stockte mir. Beim Klang seiner Stimme konnte ich nicht mehr atmen. Solange hab ich darauf gewartet, sie endlich wieder zu hören. Solange wollte ich mir nicht eingestehen, dass ich ihn immernoch liebte und solange hab ich Wut und Enttäuschung vorgetäuscht. Das musste hier zu Ende sein. Endgültig.
"Hey. Ich bins Luna." Ich versuchte ruhig zu bleiben, aber der Schweiß rann mir die Stirn runter. Nun merkte ich auch, wie Jonas nicht mehr atmete.
"Luna? Luna Brooke?"
"Ja." Und dabei kam mir meine Stimme unglaublich piepsig vor.
"Ich hab neulich versucht, dich zu erreichen." Er klang unglücklich.
"Ich hab deine Nummer auf dem Display gesehen." antwortete ich rasch.
Giulia warf mir einen raschen durchdringenden Blick zu und verließ schließlich das Zimmer.
"Ich wollte mich mal melden." durchbrach er die Stille.
"Einfach nur so."
Ich bekam Tränen in die Augen.
"Es tut mir alles so furchtbar leid." Er hörte sich immernoch ruhig an, während mir bereits Tränen wie Wasserfälle runtersprudelten.
"Du darfst nicht weinen."
Ich fragte mich immer, woher er wusste, was ich tat, ohne mich sehen zu können.
"Ich komme zu dir." meinte er schlicht.
"Jonas, du bist in Amerika. Das sind 12 Stunden Flug."
"Das ist mir egal. Übermorgen bin ich da."
Dann legte er auf. Ich stützte mein Gesicht in die Hände und heulte los. Ich hörte auch mindestens eine Stunde nicht mehr auf.
So lag ich dann gegen halb sieben abends auf Giulia's Bett und weinte in ihre Arme. Ich weinte alles aus, was in den letzten Wochen passiert war. Die Geschichte von Julietta, Vici's Erzählungen, Der Anruf von Jonas...
Und Giulia blieb geduldig, sagte nichts und hielt mich ganz fest im Arm. Und genau das brauchte ich jetzt auch.
Nachdem ich mich wieder etwas gefasst hatte, sagte ich: "Er kommt hierher."
Giulia war baff. "Wie jetzt? Er wohnt in Amerika!" Sie war genauso verwirrt wie ich vorhin am Telefon.
"Übermorgen ist er da."
Und nachdem ich diese Worte ausgesprochen hatte, lachte sie und freute sich so doll, dass sie mich fast erdrückte. "Luna, das nennt man Liebe."
"Ja klar. Wir haben seit 2 Jahren keinen Kontakt mehr, Giulia."
"Na und. Du liebst ihn doch auch noch. Warum darf er das nicht?"
Darauf wusste ich auch keine Antwort. Aber ich wusste, dass ich es bis übermorgen kaum mehr aushalten würde.
Irgendwann, ich wusste selber nicht genau, wann, ging ich schließlich nach Hause. Zum Glück war es nicht besonders weit von Giulia zu mir.
Zu Hause angekommen, war erneuterter Stress angesagt: Jean sprang zwischen Schlafzimmer und Collin's Baby- Bettchen rum und versorgte so Dad und Mac.
Dad hatte sich seit gestern eine Grippe eingefangen und Collin brauchte sowieso immer irgendjemand umsich. "Kann ich dir helfen, Mam?" fragte ich vorsichtig.
"Luna? Ach Schatz, gut dass du da bist! Würdest du Papa bitte einen Tee kochen?"
Sie klang erschöpft.
"Mam, leg dich hin, ich regel das."
Doch sie wehrte ab.
"Nein Luna. Ich kann dich das nicht alleine machen lassen."
Manchmal vergaß sie wirklich, dass ich auch schon 15 war. "Mam, ruh dich aus. Ich mach das."
"Na gut, aber wenn du Hilfe brauchst."-
"Mam! Hinlegen!" befahl ich. Sie mit ihren ewigen Erklärungen und Bitten. Es reichte langsam.
Ich ging in die Küche und stellte den Wasserkocher an. "Daad, was willst du für Tee?" schrie ich ins Schlafzimmer. Dabei wurde natürlich Collin wieder wach und schrie so laut, dass ich meinen Vater nicht mehr hörte. "Collin, halt deine verdammte Klappe, okay?" brüllte ich ihn an. Jetzt maulte er und drehte mir den Rücken zu. Aber das interessierte mich nicht. Ich hoffe nur, dass er später in meinem Alter keine so eine Memme würde, sonst könnte er auf die Mädchen lange warten. "Also welchen jetzt, Dad?"
"Kamille, mein Schatz. Und geh besser mit deinem Bruder um. Er ist doch erst so klein." Sogar wenn er krank war, konnte er noch streng sein. Unfassbar!
"Ja Dad. Ist gut." Ich stellte ihm eine Tasse bereit und ging rüber zu Collin.
"Na mein Engel, was willst du denn diesmal haben?" fragte ich spöttisch.
"Da." meinte er nur.
"Genau, ich weiß jetzt ganz genau was du meinst. Ich bring dir mal eine Milch, okay?" Maan war ich heute von ihm genervt.
Collin drehte sich bloß um und zeigte mir damit die kalte Schulter. "Pff." antwortete ich zickig.
Als ich Dad und Cole einigermaßen versorgt hatte, ging ich hoch in mein Zimmer und versuchte den Tag einigermaßen zu verkraften. Wie würde ich es bis übermorgen aushalten? Ich musste auch Jean und Billie noch von Jonas erzählen. Doch ich hielt es für eine bessere Idee damit später anzukommen.
Ob Jonas sich wohl verändert hatte? Bestimmt. Aber bestimmt sah er noch immer genauso unverschämt gut aus wie vor einem Jahr. Ich kramte in meinem Schreibtisch, ob noch ein altes Bild zu finden war. Und tatsächlich. Es war vorletzten Sommer aufgenommen worden. Kurz nach diesem Schnappschuss sind wir zusammengekommen. Ich hatte ihn wirklich geliebt. Und das tat ich immer noch.
Am Abend rief ich noch einmal Vici an, um zu hören wie es ihr ging. Doch sie war nicht zu Hause. Ich schaute aus dem Fenster in ihr Zimmer, doch es war stockdunkel. Langsam machte ich mir wirklich Sorgen. Vici hatte es nicht gut verkraften können, dass Julietta nun nicht mehr war. Weil ich es schließlich nicht mehr aushielt, beschloss ich mir ein Taxi zum Krankenhaus zu rufen. Meine Eltern waren beide im Bett und Collin schlief soweit ich wusste auch tief und fest. Trotz alle dem schlich ich mich behutsam und leise aus dem Haus und lief zur Straße. Das Taxi wartete schon.
Wir fuhren ungefähr 10 minuten, dann bezahlte ich rasch und stürmte ins Krankenhaus. Ich lief die Stockwerke hoch zu Zimmer 138. Als ich endlich angekommen war, wurde mir plötzlich mulmig. War das richtig, was ich hier tat?
Ich klopfte an. Keine Antwort. Leise trat ich ein und schaute mich um. Das Zimmer war immernoch abgedunkelt. Vici saß am Bett mit roten, verheulten Augen und schlief.
"Vic?" flüsterte ich.
Langsam und zögernd ging ich auf das Bett zu. Vorsichtig tätschelte ich ihre Schulter und sagte noch einmal: "Bist du wach?" Doch keine Antwort. Ich hielt es für das beste Vici wieder alleine zu lassen. Auch wenn ich mich dabei furchtbar fühlte. Was anderes konnte ich im Moment eh nicht tun.
Ja, mir ging es scheiße. Ich hatte umsonst Geld für das Taxi ausgegeben, war total verknallt in Jonas und zitterte jetzt schon, wenn ich an übermorgen dachte und hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen Vici gegenüber. Doch ich konnte gegen alle drei Dinge nichts machen.
Langsam machte ich mich zu Fuß wieder auf den Rückweg. Auf halber Strecke hielt ich es für nicht sonderlich sinnvoll, weiter zu gehen. Stattdessen bog ich die Straße zu Giulia's Haus ein die noch ungefähr 500 Meter weiter war.
"Was machst du denn hier?" Sie klang fast hysterisch als sie da von ihrem Balkon runterschrie.
"Keine ahnung." sagte ich ruhig.
"Warte, ich hol ein Seil." lachte sie. Immer hatte sie die verrücktesten Ideen. Statt mich zur Hintertür reinzulassen warf sie mir lieber ein Seil zum raufklettern runter.
"Was ist denn so wahnsinnig wichtig, mein Schatz?" fragte sie als ich endlich oben war. "Keine ahnung." meinte ich nur wieder.
"Du kommst einfach so in der Nacht mal eben zu mir? Luna, das ist doch nicht normal!" Sie hatte recht, das war nicht normal. Aber was hätte ich sonst tun sollen?
"Ich war grad in der Nähe."
"Na klar."
"Mhm."
"Luna."
"Was?"
"Sag, was ist los?"
"Nichts."
"Ich bitte dich."
"Na ja."
"Na ja was?"
"Na ja....alles."
"Jonas..."
"Nicht nur."
"Was noch?"
"Vici..."
"Gibts neues von Julietta?"
"Sie ist tot."
"Tot?? Und das Baby?"
"Keine ahnung. Ich glaube das kann gerettet werden."
"Oh mein Gott. Das ist furchtbar."
Dann nahm sie mich in den Arm. Und das tat so gut, dass ich alles vergaß. Ich konnte ein einziges Mal Jonas vergessen, Vici und Jules und alles andere.
Giulia hatte mir ein Bett zurecht gemacht, indem ich heute schlafen sollte. Ich hatte keine Nerven mehr nach Hause zu gehen. Meine Eltern hatten mich nicht mal weggehen sehen, also würden sie mich auch nicht groß vermissen.
"Machst du dir große Sorgen wegen übermorgen?" fragte Giulia irgendwann in die Stille.
"Er wird kommen. Ich kann es noch gar nicht wirklich fassen."
"Ja, er wird da sein. Was wirst du ihm sagen?"
"Das ich ihn liebe."
Erschrocken machte sie das Licht an.
"Jetzt echt??"
"Mmh, ich denke schon. Was denn sonst?"
"Ziemlich mutig. Würde ich nicht können."
Da lachte ich los. "Komm, wer ist denn hier die Bitch?"
"Fang nicht schon wieder damit an. Das ganze hat wenig mit Liebe zu tun."
"Ich weiß. Findest du das nicht etwas schade?" Ich weiß, die Frage würde dumm kommen, aber ich wollte es wissen und wusste nicht, wie ich sie anders stellen sollte.
"Warum denn schade? Ich mein, ich will halt meinen Spaß haben. Na und?"
"Ich sag ja gar nichts, aber du solltest dir wirklich mal überlegen, ob du nicht mal jemanden richtig lieben solltest."
"Damit das so endet wie bei dir und Jonas? Nein danke."
"Wie ist es denn mit mir und Jonas geendet?" Langsam wurde ich wütend.
"Na mit einer Trennung."
"Wir haben uns nicht getrennt. Er kommt übermorgen her, schon vergessen?"
"Glaubst du wirklich, dass alles wieder so wird wie früher, nur weil Jonas dich besuchen kommt, um zu sehen, wie es dir geht??"
"Er kommt nicht nur deswegen und das weißt du genau."
"Warum kommt er denn sonst?" Ich wollte es zwar nicht, aber das hier ortete sich zu einem Streit aus.
"Vielleicht, weil er mal wieder seine alten Freunde besuchen möchte?"
"Und deswegen hat er auch mich angerufen, ne?"
"Mensch Luna! Du bist wahnsinnig naiv. Der Kerl liebt dich nicht mehr."
"Und woher willst du das so genau wissen?"
"Ich spür sowas."
Ich lachte.
"Ja klar, du hast sowas im Blut, stimmts?"
"Mach dich nicht über mich lustig, du weißt, du kannst mir vertrauen."
"Giulia, ich hab dir bisher immer vertraut, aber bitte lass mich das mit Jonas alleine regeln, okay?"
"Bitte sei aber nicht enttäuscht, wenn es nicht so kommt, wie du es dir vorstellst."
"Es wird so kommen."
Darauf sagte sie nichts mehr.
Wir schliefen kurze Zeit darauf ein.
Am nächsten Morgen weckte Giulia mich.
"Luna, aufwachen."
"Warum denn?"
"Es gibt Frühstück. Du weißt doch, meine Eltern wollen, dass wir pünktlich sind..."
"Morgen kommt Jonas." schreckte ich hoch.
"Ja, das stimmt." meinte Giulia. Doch sie blieb ernst. Es war nicht ihr Lieblingsthema. Warum wusste ich selber nicht. Aber ich wusste: ich würde es rauskriegen.
Nachdem wir gefrühstückt hatten, gingen wir in die Stadt. Ich wollte Jonas mit einem tollen Outfit überraschen.
Wir suchten überall: Bei H&M, im Zara und bei Edc by Esprit. Doch ich fand nichts.
"Was soll ich denn morgen anziehen?"
fragte ich schließlich Giulia verzweifelt.
"Mmh. Ich weiß nicht. Ich finde immernoch, du solltest dieses Top und den Rock bei H&M kaufen. Das ist so schön flippig."
Gesagt, getan. Ich hatte gerade noch genug Geld aufgetrieben um die Sachen zu kaufen. Dann holte ich noch passende Schuhe und schließlich gingen wir wieder. Giulia hatte sich Ohrringe und eine Jacke gekauft.
Zu Hause bekam sie das Geld dann von ihren Eltern wieder (Sie musste so gut wie gar nichts selbst bezahlen) und am späten
Nachmittag brachten mich ihre Eltern dann nach Hause. Meine Mutter war schon so halb ausgerastet, weil ich nicht zu erreichen war und mein Vater war bereits losgefahren, mich zu suchen.
"Wo warst du?" schrie Jean mich hysterisch an, als ich zur Tür hereinkam.
"Bei Giulia. Sorry, dass ich nicht bescheid gesagt habe." meinte ich bloß und ging in mein Zimmer. Ich probierte sofort das neue Outfit an und stylte mir die Haare passend dazu. Es sah super aus. Ich musste es zugeben. Ich hatte mir die Haare geglättet und hochgesteckt. Okay, für morgen war es wahrscheinlich ein wenig zu aufgestylt. Ich beschloss die Haare zu lassen wie sie immer waren und schminkte mich natürlich und dezent.
Doch für sollte es erst mal reichen. Also zog ich mich um und ging ins Bett. Es war zwar erst halb sechs aber ich war müde genug und legte mich hin. Ich konnte eh erstmal zweieinhalbstunden nicht schlafen weil ich viel zu aufgeregt war. Was würde er wohl sagen? Würde er mich immer noch hübsch und nett finden? Was, wenn er total zum Arschloch geworden wäre? Aber dann hätte er mich ja nicht angerufen. Oder?
Ich wusste es nicht. Ich würde es erst morgen erfahren. Also versuchte ich möglichst schnell einzuschlafen. Was natürlich nicht zu funktionierte.
Kapitel 9
Ich hatte verschlafen. Eine Katastrophe! Unten hörte ich schon die Stimmen meiner Eltern. Und das war seine. Seine Stimme. Ich kannte sie schon auswendig. Sie sagte: "Schläft Luna noch?" So leise und vorsichtig. Meine Mutter war gerade am Ausrasten. Wahrscheinlich weil sie nicht wusste, dass er kommen würde. Egal, ich musste jetzt an mich denken. Wie konnte ich unbemerkt ins Bad kommen um zu duschen? Gar nicht! Noch eine Katastrophe. Dieser Tag bestand nur aus Katastrophen. Wahrscheinlich war dieser Tag eine Katastrophe! Ohje mine. Ich durfte mich jetzt nicht darein steigern. Ich musste das beste draus machen. Also ging ich ins obere Bad und duschte dort. Eigentlich war das ziemlich eklig und ich vermied es soweit es ging, weil das im Moment renoviert wurde und außerdem hauste es dort von Spinnen. Trotzdem. Mir blieb nichts anderes übrig. Doch hey, jetzt bloß keine Panik kriegen. Oh man. Was laberte ich da eigentlich. Ich hatte schon längst Panik. Da konnte ich nichts gegen tun. Ich rannte mit den neuen Sachen ins Bad und duschte schnell. Das alles musste sehr schnell gehen, weil ich es kaum erwarten konnte, Jonas zu sehen. Ich stieg aus der Dusche und warf mein Handtuch in die Ecke. Da hörte ich Rufe: "Luna? Bist du schon wach?" Das war Jonas' Stimme. Oh mein Gott. Ich hatte es geahnt. Die Türklinke wurde runtergedrückt und da stand er. "Ähm." stotterte er. Ich merkte wie ich rot bis zum Abwinken wurde. Da stand er also. Und sah mich splitternackt. "Hi." sagte ich jammernd und riss mir das Handtuch vor. "Tut mir leid, du. Ich hätte anklopfen sollen."
Eigentlich wollte ich es nicht, aber ich hatte ihn so lange nicht gesehen und so vermisst und die ganze Situation war so endpeinlich, dass sie nur noch durch weinen zu retten war. Also warf ich mich in seine Arme und drückte meine nassen Augen fest an seine Schulter. Er erwiderte die Umarmung und streichelte mir liebevoll über den Kopf. "Ist gut, meine kleine." sagte er sanft. Dann ließ er mich los. "Vielleicht machst du dich erst fertig. Bis gleich, ich warte in deinem Zimmer."
Dann ging er. Und ich stand immer noch da. Völlig baff, knallrot und heulend. Ich betrachtete mich im Spiegel und war völlig geschockt. Die Haare standen zu Berge und meine Augen waren völlig verheult und schwarz verschmiert. Peinlicher konnte es wirklich nicht mehr werden, oder?
Trotzdem versuchte ich, das beste draus zu machen und sprang unter die Dusche. Als ich fertig war passierte mir schon die nächste Katastrophe: Ich hatte vergessen mir einen Bh mit zunehmen! Wieso musste sowas immer mir passieren. Andererseits, schlimmer als das von vorhin konnte es nicht mehr kommen. Also zog ich mir die Hose an, wickelte mir obenrum ein Handtuch rum und ging in mein Zimmer. Jonas saß auf meinem Bett und hatte das Radio angeschaltet. Er sah wahnsinns gut aus. Seine blonden Haare fielen im locker als Skaterfrisur über seine strahlend grünen Augen. Wenn er lächelte, machte mein Herz einen kleinen Hopsa. "Du siehst klasse aus." grinste er.
Ich war sprachlos und konzentrierte mich weiter auf meinen Kleiderschrank.
"Hör zu, ich."- "Können wir das vielleicht gleich machen. Ich würde mich gerne noch fertig anziehen."
"Okay..." Mit meinem Bh, Schminkzeug und meinem Deo verschwand ich wieder ins Bad.
Als ich dann endlich fertig war, wurde ich so nervös, dass ich gleich noch ne Ladung Deo vertragen könnte. Ich sah mich nochmal im Spiegel an. Es war okay. Meine Haare machten keine Anstalten und ich hatte im Moment auch schön reine Haut. Auch das Outfit war super. Ich trug ein türkis- geblümtes Top an und Jeans Hotpants. Dazu trug ich silberne Armreifen und eine lange Kette mit einem Anhänger. Die Haare hatte ich zu einem Pferdeschwanz hochgebunden und die Schminke hatte ich, wie schon vorher festgelegt, dezent gehalten. Ich war sicher, ich würde mich mit diesem Auftreten nicht nocheinmal blamieren und ging auf mein Zimmer zu. Als ich vor der Tür stand, atmete ich nocheinmal tief ein und schließlich öffnete ich die Tür.Jonas saß immer noch auf meinem Bett. Doch inzwischen las er die Bravo.
"Hey." sagte ich leise und seehr quietschig. Deswegen war ich auch so froh, dass er es nicht gehört hatte.
"Hi." versuchte ich es nochmal.
"Hey, da bist du ja." antwortete er und legte seine Zeitung zur Seite.
"Warum bist du gekommen?" fragte ich. Doch dann fing ich schon wieder an zu weinen.
"Komm mal her." sagte er liebevoll und nahm mich fest in den Arm.
"Warum kommst du her? Du weißt doch genau, wie weh das tut, wenn du wieder gehst..."
"Ich bleibe ja erstmal hier." beruhigte er mich.
"Wie lange?" schluchzte ich.
"Ich weiß nicht. Wie lange soll ich denn bleiben?"
"Jonas, du musst doch in die Schule."
"Ich kann mich doch hier anmelden."
"Bist du bescheuert?"
"Ich würde das sogar machen."
"Spinn nicht rum."
"Ich mache das wegen dir."
Nein, Jonas war keineswegs schüchtern. Er sagte, was er dachte und dafür liebte ich ihn so.
Ich war auf dem besten Weg mich komplett neu in ihn zu verlieben. Er war der Typ Junge den man auf der ganzen Welt sucht, und wenn man ihn endlich findet, kann man ihn nie wieder loslassen oder vergessen. Ich hatte diesen Typ Junge gefunden. Und ab jetzt gehörte er mir. Und sonst niemandem.
"Ich liebe dich." Oh Gott! Hatte ich das wirklich grade gesagt? Ach du scheiße. Warum musste ich mir immer alles selber verderben?
"Ich...äh. Muss mal runter."
"Nein, bleib bitte hier. Ich muss mit dir noch weiter reden."
Ich hatte es verbockt. Wenn er jetzt wenigstens Ich dich auch gesagt hätte. Nichts der gleichen.
Aber ich blieb.
"Es tut mir alles so wahnsinnig leid, Luna."
"Ich bin nicht böse. Du bist umgezogen. Was kannst du dafür?"
"Ich hätte dich nicht im Stich lassen dürfen. Den Kontakt nicht abbrechen dürfen."
"Jonas, du musst dich nicht entschuldigen."
"Doch, ich habs verbockt. Ich versteh dich, wenn du keinen Bock mehr auf mich hast."
"So ist es nicht." Ich setzte mich wieder zu ihm aufs Bett.
"Wie dann?"
"Ich hab dich wahnsinnig vermisst. Es hat mich fast umgebracht, dass ich nicht wusste, wie es dir geht."
"Ich weiß...Ich kann es nicht wieder gut machen. Es tut mir so leid."
"Red nicht so einen Quatsch."
"Ich mein es ernst. Ich weiß nicht, wie ich dir das antun konnte."
"Jetzt werd mal nicht zum Schnulzenkönig." Doch Jonas fand das nicht zum Lachen.
"Ich möchte dir was zeigen." sagte er plötzlich und meine momentan völlig unromantische Seite ließ ihn völlig kalt. Jonas stand auf, nahm meine Hand, strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und führte mich durch die Hintertür aus dem Haus. Im Garten draußen saßen meine Eltern und quatschten mit seinen. Durch unsere Beziehung waren sie auch gute Freunde geworden. Leise schlichen wir uns an ihnen vorbei, damit sie uns nicht bemerkten. Wir liefen eine Weile am Wald entlang und schließlich blieb er stehen. "Wir sind da." flüsterte Jonas. Und Flüstern passte hervorragend zur Stimmung. Dieser Ort war bezaubernd. Wie in einem Märchen, dachte ich. Wir standen in einem riesigen Blumenfeld und die Blüten leuchteten in allen Farben. "Und, wir gefällts dir?" fragte Jonas mich und hielt meine Händen in seinen. "Es ist soo wunderschön. Danke, Jonas." Er lächelte, "Ja, das finde ich auch."
Wir setzten uns auf den Boden und er steckte mir Blüten in die Haare.
Wir lachten stundenlang. Es fühlte sich alles so perfekt an. So richtig. So wunderbar. So wie früher. Plötzlich nahm Jonas eine Blüte und begann deren Blütenblätter abzureißen: "Sie liebt mich, sie liebt mich nicht..." Ich lachte und tat es ihm nach.
Ich war gerade bei der Hälfte da sagte er etwas lauter "...Sie liebt mich.", riss das letzte Blütenblatt ab und lächelte mich an. Ich schaute auf und blickte ihm tief in die Augen. Jonas beugte sich etwas vor und flüsterte: "Meinst du, das stimmt?"
"Vielleicht." antwortete ich, jedoch kam mir meine Stimme ungewöhnlich piepsig vor.
"Bestimmt." sagte er. Dann beugte er sich noch weiter vor, schloss die Augen und schließlich küsste er mich.
Ich war so überwältigt. Wie lange hatte ich darauf gewartet Jonas wieder küssen zu dürfen? Ich hatte ihn so vermisst. Und ich glaube, das war mir vorher gar nicht so klar. Ich hatte halt versucht, ihn zu vergessen. Doch nie konnte ich jemanden so besonderes wie Jonas vergessen. Niemals. Und wenn ich noch so gerne wollte.
"Wann wirst du wieder gehen?" fragte ich irgendwann, als wir uns wieder langsam auf den Rückweg machten.
"Wir haben doch vorhin schon darüber geredet." Er wirkte gestresst.
"Bitte sag nicht, dass du hier bleiben willst."
"Will ich aber."
"Du lebst in L.A.. Das ist dein Leben."
"Mein Leben ist da, wo du bist. Verdammt ich liebe dich, Luna. So wie ich noch nie einen Menschen geliebt habe. Kapier das endlich."
"Du kannst doch nicht nur wegen mir hier bleiben."
"Warum denn nicht?"
"Weil du die Schule fertig machen musst und deine ganzen Freunde in L.A.."
"Ich hab hier genauso Freunde."
"Die kennst du doch gar nicht mehr."
"Weißt du, wen ich nicht mehr kenne? Dich, Luna. Du bist ein völlig anderer Mensch geworden."
Ich schaute ihn sprachlos an.
"Was?" sagte ich leise und schluckte.
"Ich muss gehen." meinte Jonas nur und ging wirklich. Und ich konnte ihm nicht folgen. Ich wollte ihm nicht folgen. Ich wusste, das würde alles nur noch schlimmer machen.
Jonas würde die nächsten Tage bei seinem ehemaligen besten Freund Josh verbringen. Eigentlich sollte er bei mir schlafen, aber das hatte sich nun wohl auch erledigt.
Ich sah ihn 2 ganze Tage nicht. 2 viel zu lange Tage. Doch, ich weiß nicht wie, aber doch, ich hatte es überlebt!
"Hi."
"Hi."
"Wie gehts?"
"Schlecht."
"Mir auch."
"Cool."
"Komm mal her."
"Bis gleich." Und dann war ich verschwunden. Zu Giulia.
"Hi."
"Na."
Ich umarmte sie kurz und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.
"Wie gehts?"
"Scheiße."
"Mir auch."
"Aha."
Wir schleppten ungefähr 2 Kilo Schokolade mit hoch ins Zimmer und verdrückten die natürlich auch gleich. Es war eh egal. Wir hatten beide die wichtigsten Menschen in unserem Leben verloren. Jonas würde wahrscheinlich schon wieder im Flieger sitzen, wenn er nicht schon längst in Amerika war und Sam, Dean, Julien und Thomas und wie sie nicht alle hießen, mit denen Giulia momentan liiet war, hatten sie versetzt.
"Jonas liebt dich."
"Tut er nicht."
"Ruf ihn an."
"Ruf ihn doch selber an."
"Pff."
"Pff."
"Hier." sagte sie maulig und drückte mir noch einen Schokoriegel in die Hand.
Ich stopfte ihn in den Mund, griff nach einem Taschentuch und heulte mich zum ungefähr siebten mal ordentlich aus.
"Ich bin so naiv."
Giulia umarmte mich und lies mich lange Zeit nicht los.
"Mein Schatz, du bist der tollste Mensch dieser Welt. Deswegen ist Jonas auch so blöd zu dir. Er ist einfach nicht so toll wie du!" Da musste ich lachen. Giulia gab manchmal Sachen von sich, bei denen man einfach lachen musste.
"Danke."
"Kein Ding."
Sie streichelte mir liebevoll über die Haare.
"Komm, wir lenken uns heut noch ein wenig ab. Wir könnte in die Disco gehen, Jungs anmachen."
"So wie ich aussehe, kann ich lange Jungs anmachen." Es stimmte. Ich war übel zugerichtet. Meine Haare standen in alle Richtung ab und meine Augen waren völlig verheult und rot.
"Na gut. Dann lass uns wenigstens einen DVD Abend machen."
Gesagt, getan. Wir holten von unten Chips und noch mehr Schokolade, ordentlich Bier und schoben eine DVD nach der anderen rein. Natürlich guckten wir auch noch so furchtbare Sachen wie Stolz und Vorurteil, bei denen man extra nochmal heulen musste. Doch plötzlich klingelte mein Handy.
"Vici." las ich vom Display vor.
"Geh dran." drängte Giulia.
"Okay. Vic? Hey. Wie gehts dir?"
"Jules ist tot."
"Hey, ich weiß. Es tut mir so wahnsinnig leid."
"Das Baby ist da."
"Echt? Wow. Soll ich dich besuchen kommen?"
"Geht morgen?"
"Klar. Morgen um 3, ok?"
"Danke, Luna."
"Gerne, Vici."
"Tschau."
"Ähm..."- Doch sie hatte aufgelegt. Ich konnte sie verstehen. Sie musste viel durchmachen.
"Und, wie gehts ihr?" fragte Giulia mitfühlend.
"Scheiße wahrscheinlich. Keine Ahnung. Ich denke mal, sie macht mehr durch als wir."
"Ja bestimmt. Du besuchst sie morgen?"
"Ja. Das Baby ist da."
"Echt?? Oh man. Das ist alles so schlimm. Und wir jammern hier rum."
"Ja aber wir dürfen auch um Leute jammern. Auch wenn sie nicht tot sind, Giulia."
"Mhm. Ich fühl mich nur so schlecht dabei."
"Ach Quatsch."
Dann schauten wir weiter fern.
Eigentlich bekam ich aber gar nicht mehr wirklich mit, worum in den Filmen ging. Ich dachte die ganze Zeit an andere Dinge.
An Dinge wie Jonas und Vici. Wie das Baby und die letzten zwei Tage.
Schließlich klingelte mein Handy wieder.
"Jonas."
"Waas??" schrie Giulia so hysterisch wie sie nur konnte.
"Pscht. Es ist Jonas. Ich drück ihn weg."
"Bist du bescheuert??"
"Nein, Giulia. Er will mir doch eh nur sagen, dass er wieder in L.A. ist."
"Luna, gib mir das Telefon."
Doch da hatte er schon aufgelegt.
"Du bist doch total durchgeknallt!" rief sie.
"Lass mich." antwortete ich ruhig.
"Luna, du heulst mich hier seit Stunden voll von diesem Jonas und dann ruft er an und du drückst ihn weg. Bist du bescheuert??"
"Man, ich kann gerade nicht mit ihm reden."
"Ach, und warum nicht??"
"Weil ich vielleicht hier meine beste Freundin sitzen habe, die keine Tusse neben sich braucht, die mit ihrem Freund telefoniert."
"Du nennst ihn ja sogar schon deinen Freund."
"Ist er auch. Ist er immer gewesen und wird er auch immer bleiben. Auch wenn es nicht offiziell ist."
"Tzz." lachte Giulia.
"Was ist denn?"
"Nix."
"Na klar. Können wir nicht wieder einen Film gucken?"
"Du guckst doch eh nicht hin."
"Klar guck ich hin."
"Mhm, wers glaubt."
"Ohhh dann halt nicht."
"Komm, wir gehen ein bisschen raus. Ich leih dir Sachen."
"Giulia, wir haben fast halb 1!!"
"Na und? Merkt ja keiner."
"Meinetwegen."
Also sprangen wir schnell unter die Dusche und dann gingen wir wieder in Giulia's Zimmer um uns passende Sache rauszusuchen.
Giulia wählte ein seehr knappes türkises Kleid und einen grauen Bolero dazu. Ich zog eine schwarze enge Jeans, ein weißes Neckholdertop mit tiefem Ausschnitt und eine schwarze Lederjacke dazu an.
Wir schminkten uns und schließlich gingen wir in den Keller zu dem großen High-heels-Schrank. Giulia's Mutter hob hier alle ihr hohen Schuhe auf. Manchmal waren sie schon ungefähr 10 Jahre alt. Doch noch ungetragen oder sehr gut erhalten. Ich entschied mich für ein rotes Paar Pumps mit etwa 7 cm Absatz. Giulia zog schwarze High- heels an und dann zogen wir los. Mein Aussehen hatte sich dramatisch verbessert und ich war positiv genug eingestellt um es in der Disco richtig krachen zu lassen.
Gut, wir hatten uns zu viel versprochen. Der Abend war nicht so schön. Um es mal milde auszudrücken. DER ABEND WAR EINE KATASTROPHE!!!
Ok, von Anfang an:
Giulia und ich sind in die Dorfdisco gegangen und wollten einfach nur Spaß haben. Den hatten wir auch. Bis Jonas kam. Und bis Sam kam. Und dann kam Julien. Und dann besoffen wir uns. Und Jonas und Julien und Sam haben uns zu geguckt. Und dann haben wir uns so blamiert, dass wir uns nie wiede draußen blicken lassen durften.
Es war Giulia's Idee. Nein, eigentlich nicht. Es war meine.
Ich bin auf den Tisch gestiegen und habe so laut gesungen, dass man die Musik fast nicht mehr gehört hatte. Und Giulia hat es mir nachgemacht. Und dann standen wir da, haben gegrölt was das Zeug hält und irgendwann hat Hanna, eine gemeinsame Freundin uns nach Hause gebracht. Und jetzt liegen wir hier auf Giulia's Bett und fragen uns, wie wir eigentlich jemals auf eine so bescheuerte Idee gekommen sind. Sind wir denn völlig durchgeknallt??
"Ich weiß ja nicht, was uns geritten hat."
sagte ich irgendwann, um die Situation erträglicher zu machen.
"Und alle haben zu geguckt."
"Wir sind mehr als peinlich."
"Ich habe nie wieder eine Chance bei Sam."
Ich hatte eigentlich schon längst vergessen, wen Giulia jetzt eigentlich "liebte". Man konnte da nicht so ganz den Überblick behalten, aber ich hatte das Gefühl, Sam war ihr wichtig.
"Ich kann Jonas auch vergessen.."
nuschelte ich.
"Ach Quatsch. Er liebt dich."
"Und Sam liebt dich nicht, oder was?"
"Nein, ich glaube nicht."
"Oh."
"Genau."
Und dann umarmte ich sie.
"Ich geh mal duschen." Meinte Giulia irgendwann. Nach ihr duschte ich auch, dann gingen wir runter frühstücken und schließlich ging ich nach Hause.
Ich hatte alles erwartet nur das nicht. Meine Mutter saß am Esstisch und weinte, mein Vater versuchte sie zu beruhigen, im Flur standen Jonas' Gepäck und Collin schrie wie verrückt durchs Haus.
"Mam? Was ist los?" fragte ich einfühlsam.
"Dein Onkel ist gestorben." Mein Vater antwortete. Ich verstand sie. Natürlich verstand ich meine Eltern. Immer verstand ich sie. Manchmal hatte ich das Gefühl sie dachten genauso wie ich.
"Onkel Phill?" Es war Mama's Bruder. Ihr kleiner Bruder. Und ich konnte es so gut nachvollziehen. Wenn Collin plötzlich nicht mehr wär, wüsste ich auch nicht, was ich machen sollte. "Ja." sagte mein Vater leise.
Ich ging auf meine Mutter zu und streichelte ihr Schulter. "Collin, halts Maul, ok?"
"Da-da." schrie er und krabbelte ins Wohnzimmer.
"Ist schon gut, mein Hase." sagte Jean zu mir. "Kümmerst du dich bitte um ihn?" fügte Billie hinzu und sein Ton kam mir dabei etwas streng vor.
"Ist gut, Dad." meinte ich genervt.
"Komm Cole, wir gehen hoch in mein Zimmer."
"Naaaaa." brüllte er und schlug mit seinen Armen in mein Gesicht.
"Collin, komm jetzt mit!!" schrie ich ihn an und riss ihn mit.
Cole brüllte mich noch ein wenig zu und schließlich heulte er auch, aber es war mir relativ egal. Collin machte öfter mal Theater, war jedoch nicht weiter von Bedeutung.
Nachdem ich ca. 2 Stunden mit ihm gespielt hatte, klingelte wieder mal mein Handy. Und wer war dran? Jonas. War ja eigentlich klar.
"Hey."
"Luna, es tut mir so leid."
"Du bist wieder in Amerika, stimmts?"
"Mhm."
"Warum?" jammerte ich.
"Es hat doch keinen Sinn."
"Aber...."
"Luna, ich liebe dich, aber ich kann nicht wieder kommen."
"Soll ich kommen, oder was?"
"Nein, das kann ich nicht von dir erwarten."
"Jonas, ich will bei dir sein."
"Hör zu, um 10 heute Abend wird auf dem Blumenfeld eine Nachricht auf dich warten, ok?"
"Wie jetzt?"
"Wirst du da sein?"
"Jonas, was soll das?"
"Komm einfach, ich muss wieder auflegen.."
"Okay.."
"Danke. Meld dich, wenn du sie gefunden hast."
"Okay."
"Ich liebe dich."
"Ich dich auch."
Dann legte er auf.
Was sollte ich tun? Ich konnte mich unmöglich schon wieder aus dem Haus schleichen. Oder?
Mir blieb wohl nichts anderes übrig.
Nachdem ich eine Weile nichts gemacht hatte, klingelte das Festnetz Telefon. ICh hielt es nicht für eine gute Idee meinen Eltern dieses Telefonat zu überlassen, also ging ich selber dran.
"Luna Brooke?"
"Hey Luna, ich weiß nicht ob du dich noch an mich errinerst...Ich heiße David. Weißt du noch, als du auf dem Weg in die Stadt warst."
"Oh. Klar. Hey." sagte ich erstaunt. Ich hatte ehrlich gesagt, nach dem Treffen nur noch 2 mal an ihn gedacht. Das war, bevor Jonas sich wieder gemeldet hatte.
"Okay, also wie geht es dir denn so?"
"Gut und dir? Woher hast du eigentlich meine Nummer?"
"Tja, das ist eine längere Geschichte." antwortete er und ich hörte im Hintergrund ein Mädchen kichern.
"Ach so..."
"Joa. Und was machst du so?"
"Ich hab grad meinen Bruder unterhalten."
"Haha, Joa."
Er kam mir nervös vor.
"Mhm."
"Ach so. Sag mal, hast du eigentlich einen Freund?"
"Ähm, schon."
Was war das denn?
"Ach so. Okay, ich muss wieder auflegen weißt du? Man sieht sich, tschau."
"Öh jo tschüss." Ich war etwas verwirrt.
Egal, ich musste mich jetzt auf das wesentliche konzentrieren. David konnte nicht meine Gedanken beanspruchen. Wie viele Stunden noch bis heute Abend um 10? Es war 4 Uhr. Also noch 6 Stunden. Würde ich das überleben?
Nein. Würde ich nicht. Also beschloss ich meine Freundin Lena anzurufen. Sie war für jeden Spaß zu haben und hatte eigentlich immer Zeit für mich.
"Hi, ich bins Luna."
"Heey, Schatz. Und, wie gehts?"
"Alles super, bei dir?"
"Na klaar. Duu, Hasee. Ich muss mit meinem Hundii raus. Magst du mitkommen?"
"Ja, ich frag mal eben, ob mich wer zu dir fahren kann."
"Juppi."
Ich rannte runter und fand wieder eine relativ normale Familiensituation vor.
Meine Mutter saß vor dem Fernseher und Billie kochte für Collin Milch heiß.
"Hey Dad. Könntest du mich mal gerade zu Lena fahren?"
"Ach, Luna ich habe im Moment echt andere Sorgen."
"Bitte Dad."
"Es lohnt doch gar nicht mehr."
"Doch. Bitte bitte bitte."
"Nein, Luna. Jetzt hab ich genug zu tun."
"Du bist voll fies." jammerte ich.
"Luna. Ich meins ernst, geh bitte hoch in dein Zimmer und nerv nicht, ich habe genug am Hals."
"Toll." schrie ich und schlug die Tür hinter mir zu.
Dann ging ich wieder hoch und sagte Lena ab.
"Okay, Mausii. Dann wünsch ich dir noch einen schönen Tag und viel Spaß bei was auch immer."
"Danke, du. Machs gut."
"Ja tschüssii."
Dann stellte ich das Telefon zurück in die Box. Plötzlich fiel mir wieder ein, dass ich ja heute Vici besuchen sollte. Du meine Güte, hatte ich das wirklich vergessen? Ich warf noch schnell einen Blick in den Spiegel, dann stürmte ich schon aus dem Haus in den großen Hof. Vici war zu Hause. In ihrem Zimmer brannte Licht und das Auto von Annabel stand in der Einfahrt. "Luna!" rief Ann, als sie mich in den Garten reinkommen sah.
"Hey, schön, dass du da bist. Vici wartet schon den ganzen Morgen."
Da bekam ich ein so schlechtes Gewissen- ich hätte früher kommen müssen. "Hey Vic." begann ich, als ich ihr Zimmer betrat.
Sie stürmte sofort auf mich zu und umarmte mich. "Ist gut." sagte ich beruhigend. "Ich muss mich nun drum kümmern." jammerte sie.
"Um das Baby??" rief ich entsetzt. Wozu war denn Annabel da?
"Warum nimmt Ann es nicht?"
"Sie war wahnsinnig sauer auf Jules deswegen."
"Oh Gott."
"Willst du es sehen? Es ist so niedlich. So wahnsinnig süß."
"Ja, ich will es sehen!"
"Komm mit." sie führte mich raus aus dem Zimmer den Gang entlang und in ein anderes Zimmer. Es war hellrot getrichen und in der Mitte stand das weiße Himmelbettchen. Das Zimmer war so liebevoll eingerichtet. An der Wand hingen Fotos von Julietta und Vici. Auf einem kleinen Tischchen neben dem Fenster lagen schon die ersten Anziehsachen und ordentlich in einem Regal aufgereiht standen diverse Teddybären und Plüschtiere. "Wow." ließ ich verlauten.
Vic verzog keine Miene und ging auf das Bettchen zu.
"Sie schläft."
"Sie?" fragte ich neugierig und stellte mich so, dass ich die kleine sehen konnte.
"Ja."
"Wie hast du sie genannt?"
"Zoe."
"Jules' Zweitname, hm?"
"Genau."
Ich musste lächeln. Vici würde eine tolle Mutter werden.
"Wunderschöner Name, Vic."
"Danke." jetzt lächelte sie auch.
Ich drückte sie fest.
"Magst du sie auf den Arm nehmen?"
"Sie schläft doch."
"Nein, du kannst sie nehmen."
Sanft nahm sie Zoe aus dem Bettchen und gab sie mir in den Arm.
Da schaute ich sie das erste Mal von näherem an.
Sie hatte die gleichen mandelbraunen Augen wie Julietta. Die Nase war jedoch nicht von ihr. Aber dem Kind nach zu urteilen, war der Vater sehr hübsch.
"Meinst du, du wirst dem Vater bescheid geben?"
"Jules's Freund? Joseph würde es das Herz brechen, wenn er erfahren würde, dass Julietta tot ist. Das könnte ich nicht."
"Aber ich finde, er hat ein Recht darauf, es zu erfahren."
"Ja schon."
Darauf sagte ich nichts mehr. Ich betrachtete einfach nur das kleine Ding in meinem Arm und freute mich daran so sehr. Zoe war bereits wach und lachte mich an. Sie hatte so niedliche Grübchen wie Jules. Das war wahrscheinlich der Grund, warum Vici das Kind nicht her gab. Es war eine wunderschöne Erinnerung an ihr Schwester. Und höchst wahrscheinlich auch die einzige.
"Hilfst du mir, Luna?"
"Na klar. Immer wenn du mich brauchst."
Ich fand schon, dass ich Vici etwas schuldig war. Irgendwie fühlte ich mich für den Tod von Julietta verantwortlich. Ich konnte nicht beantworten, warum, aber ich musste noch etwas gut machen.
"Du bist ein Engel." rief Vici, nahm mir das Baby aus dem Arm und drückte mich fest.
Da fing Zoe an zu schreien.
"Ist gut, mein Schatz. Mama ist da." sagte Vici und bei dem Wort MAMA schluckte sie etwas. Mitleidig schaute ich sie an. "Ich hol mal eben von unten etwas Milch, ok?"
"Nein, ich muss sie stillen..."
"Ach so. Ja gut. Dann soll ich bleiben?"
"Nein, geh ruhig. Hab noch einen schönen Tag. Einen schöneren als ich."
"Ach, Vici." meinte ich und küsste sie liebevoll auf die Wange.
"Ist schon gut. Geh."
Dann ging ich.
Zu Hause war wieder mal nichts los. Also legte ich mich in den Garten und las eine Lektüre. Um 8 Uhr war ich dann so aufgeregt, dass ich schon losging. Ich hatte 20 Minuten zu laufen, weil ich die Wiese erst gar nicht fand. Doch ich dann endlich da war, war der Anblick zu bezaubernd, dass ich gar nicht mehr weg wollte. Also blieb ich. Dieser Sonnenuntergang war der schönste, der sich mir je geboten hatte.
Die Sonne war lila- rot und strahlte hell wie sonst was. Ich setzte mich ins Gras und pflückte mir Blumen ab. Was würde mich wohl für eine Überraschung erwarten? Ich wartete eine Weile und irgendwann, ich weiß selber nicht wann schlief ich sogar ein. Erst durch ein Klingeln um ca. 11 Uhr wurde ich geweckt. Es war ein Kuhklingeln. Ich schreckte hoch und schaute mich um. Es kam von rechts. So viel war klar. Aber wo rechts? Rechts neben mir war nur Wald. Und Wiese. Ich stand auf und ging langsam richtung Wald. Auf dem Weg dorthin stieß ich auf einen kleinen Holztisch. Auf ihm stand eine kleine Stehlampe und ein kleiner Brief lag drauf.
Ich öffnete den Umschlag und las ihn laut vor:
Liebste Luna!
Ich hoffe du verstehst meine Entscheidung. Es tut mir leid. Ich kann es nicht erklären. Es tut mir einfach so leid. Ruf mich nicht an. Bitte...
Ich liebe dich. Jonas.
Wie konnte er nur? Ich hatte alles erwartet nur das nicht. Auf den Stand fing ich an zu heulen. Warum? Es war so unfair. Gerade war er wieder gekommen. Gerade hatte wieder einmal die schönste Zeit meines Lebens angefangen und jetzt war er wiede weg, und zwar für immer.
Ich kniete mich auf den Boden und stützte mein Gesicht in die Hände. Mir flossen die Tränen wie Bäche über die Wangen. Ich sank völlig in mich zusammen und dachte nur noch an den einen Tag mit Jonas. An den einen Tag, an dem wir hier saßen und alles um uns rum vergessen hatten. An dem einen Tag, an dem alles war wie früher. Der eine Tag. So fern. Und nie wieder würde er kommen. Jonas war für immer weg. Ich könnte nie wieder sein schönes Gesicht sehen.
"Hast du wirklich gedacht, ich würde für immer gehen?"
Er stand hinter mir und legte eine Hand auf die Schulter. Ich músste lächeln.
"Wieso hast du das gemacht?"
Ich drehte mich noch nicht um. Ich wollte seine Schönheit noch nicht sehen. Erst gleich.
"Ich weiß nicht. Ich wollte sicher gehen, dass ich dir wichtig bin."
"Jonas, das war nicht fair."
"Ich bitte um entschuldigung."
"Ich liebe dich." Jetzt drehte ich mich um.
Seine makellose Haut, seine strahlenden Augen überragten alles was man schön nannte. Er grinste mich frech an und dann beugte er sich vor und küsste mich. Einfach so. Mitten in der Nacht. Ich liebte ihn, und nie wieder würde ich ihn gehen lassen. "Hier, schau mal."
sagte er, drückte mich sanft weg und zeigte mir einen Umschlag.
"Was ist das?"
"Öffne es."
Ich tat, wie er gesagt hatte und las vor:
Sehr geehrter Mr. Jonas Miller,
Wir haben uns sehr gefreut, dass Sie Interesse an einer Ausbildung im Bereich des Bauingeneur. Wir freuen uns sehr, mit Ihnen zu arbeiten und wünschen Ihnen viel Glück und Spaß.
"Du machst eine Ausbildung?"
"Ja."
"In Amerika..."
"Schau doch mal genau hin."
"Manchester."
Ich sprach das Wort gelassen aus, doch plötzlich schrie ich laut los.
"Du meine Güte!" lachte er.
Dann küsste er mich wieder und so standen wir die ganze Nacht dort.
Einfach, weil wir nicht anders wollten.
ENDE
Publication Date: 03-25-2009
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